Archive - Landeshauptarchiv Koblenz

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Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Unsere
                                                                            Heft 65 2020

               Archive
Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven

  Corona
  Sonderausgabe
  Corona –                 Schriftgutverwaltung digital.   Pop-Ikonen im Saarland –
  ein Virus ändert alles   Neue Schulungsangebote          Fotos aus drei Jahrzehnten
  Seite 8                  des Landeshauptarchivs          Seite 54
                           Seite 42
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
2   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Unsere
           Archive
Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven

  Corona
  Sonderausgabe
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Inhaltsverzeichnis

                          Editorial                                                                                                            6

                      Thema: Corona
                          Corona – ein Virus ändert alles                                                                                      8
                          Beate Dorfey
                          Vom Nutzen der Archive in der Corona-Krise                                                                         11
                          Peter Wettmann-Jungblut
                          Referendariat in ganz besonderen Zeiten                                                                            14
                          Sabine Schneider
                          Die Arbeit der Evangelischen Archivstelle Boppard in Zeiten von Corona                                             16
                          Andreas Metzing
                          „Archivist@home“ – Archiv von zuhause aus                                                                          18
                          Christina Röhrenbeck

                      Neu entdeckt
                          Wir stellen vor: Bestand Waldböckelheim                                                                            20
                          Rainer Seil
                          Katasterbände und Karten im Landesarchiv Speyer                                                                    22
                          Gisela Fleckenstein
                          Das Niersteiner Stadtarchiv – eine Fundgrube für die Regionalforschung                                             24
                          Susanne Bräckelmann
                          Alles nur böse Luft? Eine Saarbrücker Pestordnung von 1574 –                                                       26
                          und was man aus ihr über Vergangenheit und Gegenwart lernen kann
                          Paul Burgard

                      Aus der Archivarbeit
                          Der erste große Schritt zur Rettung der Trierer Meldekarten                                                        30
                          Angelika Tarokic
                          Rückstandsbearbeitung im Team – ein Erfahrungsbericht                                                              33
                          Jörg Pawelletz
                          Rückblick 2019 und Ausblick auf die Jahre 2020/2021.                                                               34
                          Landesstelle Bestandserhaltung (LBE) stellt Arbeit in 2020 auf digitale
                          Formate um
                          Friederike Kaulbach/Arlett Kost-Mahle

                      Blick von außen
                          Mein Archiv                                                                                                        36
                          Sabine Graf
                          Workshop im Landeshauptarchiv Koblenz                                                                              38
                          Pia Nordblom

          Impressum

          Unsere Archive.                                  Herausgeber                                       Redaktion
          Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen       Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz            Dr. Beate Dorfey, Dr. Christine Goebel,
          und saarländischen Archiven.                     und Landesarchiv Saarbrücken                      Andrea Grosche-Bulla, Dr. Ludwig Linsmayer
          Heft 65, 2020.                                   in Zusammenarbeit mit dem Lenkungskreis           unter Mitarbeit von Christine Frick und
          Corona-Sonderausgabe.                            Archivtag Rheinland-Pfalz / Saarland.             Isabell Weisbrod.

          Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Das Heft erscheint jährlich und wird kostenlos abgegeben.

4   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Archiv im Wandel
                     Eine für alle. Die landeseinheitliche Aussonderungsschnittstelle                        39
                     für die landeseinheitliche E-Akte
                     Beate Dorfey
                     Schriftgutverwaltung digital. Neue Schulungsangebote                                    42
                     des Landeshauptarchivs
                     Markus Wingerath

                 Archive und Geschichtskultur
                     321 – 2021. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland                                   43
                     Andreas Metzing
                     90 Jahre Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz                               44
                     (Protestantische Landeskirche). Ein Jubiläum in schwieriger Zeit
                     Gabriele Stüber
                     Kommunikation – Von der Urkunde bis zum Tweet.                                          47
                     Das Angebot des Landeshauptarchivs Koblenz zum
                     „Tag der Archive“ 2020
                     Christine Goebel
                     Tag der Archive 2020. Die Ausstellung „Von der Depesche zum Denkmal“                    49
                     im Landesarchiv des Saarlandes
                     Jutta Haag
                     Ausstellungen „Pop-Ikonen im Saarland – Fotos aus drei Jahrzehnten“                     54
                     und „Chansons sans frontières“
                     Jutta Haag
                     75 Jahre Johannes Gutenberg-Universität Mainz (1946 – 2021).                            56
                     Countdown zur Festschrift in Zeiten von COVID-19
                     Sabine Lauderbach
                     Vom Heimatmuseum „Schloss Hachenburg“ zur Ausstellung                                   58
                     „HACHENBURG Anno Domini 1314“ im historischen Gewölbekeller
                     Jens Friedhoff
                     Neuerscheinung:                                                                         61
                     Burgen – Schlösser – Befestigungen im Raum Hachenburg
                     Jens Friedhoff

                 Kurz und bündig
                     In Memoriam Didier Hemmert (23. Oktober 1956 – 4. April 2020),                          62
                     Stadtarchivar von Saargemünd
                     Wolfgang Müller/Michael Sander
                     Abbau von Verpackungsrückständen dank KEK-Förderung                                     63
                     im Stadtarchiv Neunkirchen
                     Karin Carl/Christian Reuther
                     Das Außenlager des Stadtarchivs Mainz ist umgezogen                                     64
                     Ramona Weisenberger
                     APERTUS. Der virtuelle Lesesaal der Landesarchivverwaltung                              66
                     kurz vor dem Start
                     Beate Dorfey

                     Autorinnen und Autoren                                                                  67

Kontakt                                    Satz und Layout               Druck
post@landeshauptarchiv.de oder             Refine Media                  Durchblick Werbung
landesarchiv@landesarchiv.saarland.de.     Dirk Diederich                Brückenstr. 22
                                           Fährstraße 8                  54290 Trier
                                           56332 Dieblich

                                                                                          Unsere Archive - Heft 65 I 2020   5
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Editorial                                1974: Erstausgabe.                       1998: erstes Heft mit neuer Schrifttype.

              „Unsere Archive“ wagen in die-       ten. Gelegentlich werden wir auch        Archivmanagements bis hin zu Son-
         sem Jahr einen Neustart, ästhetisch       Wünsche äußern: Zum Beispiel über        deraktionen wie die Projektwoche
         und konzeptionell! Wir haben dem          die Verwendung von Kleister und          zur Rückstandsbearbeitung in der
         Heft eine neue Struktur gegeben           Büroklammern in Akten oder über          rheinland-pfälzischen Landesarchiv-
         und uns vorgenommen, inhaltlich           das Sammeln von Wahlplakaten und         verwaltung.
         abwechslungsreicher zu werden.            Flugblättern… ‚Unsere Archive‘ soll           Ähnlich greift auch die Rubrik
         Wir versuchen, einen größeren Le-         Ihr Informationsblatt sein über Ihr      „Kurz und bündig“ auf, was es schon
         serkreis anzusprechen und unsere          Archiv.“                                 vorher in „Unsere Archive“ zu lesen
         Interessenten auch als Autoren an              Was sich in den vergangenen         gab: Nachrichten über den Bezug
         unserer Zeitschrift zu beteiligen.        Jahrzehnten bewährt hat, werden          neuer Gebäude, personelle Neu-
              Wenn man einen neuen Weg ge-         wir auch in Zukunft, zum Teil in modi-   besetzungen, Ankündigungen von
         hen will, ist es gut daran zu erinnern,   fizierter Form, beibehalten. Vorträge    Veranstaltungen und Terminen. In
         wo der alte begann. 1974, vor 46          vom letzten Archivtag Rheinland-         diesem Jahr gehört dazu leider auch
         Jahren, erschien die erste Ausgabe.       Pfalz / Saarland sollen auch im neuen    der Nachruf auf einen französischen
         Sie wurde noch im Schreibmaschi-          Format erscheinen. Sie werden aller-     Kollegen aus der Großregion, der an
         nensatz erstellt, mit Heftklammern        dings eher in Ausschnitten präsen-       COVID-19 verstorben ist.
         gebunden und war gerade einmal 13         tiert und mit anderen Beiträgen zu            Neu ist die Rubrik „Archiv im
         Seiten stark. Von Beginn an wollten       inhaltlichen Schwerpunkten gebün-        Wandel“. Sie trägt der Tatsache
         „Unsere Archive“ keine Art „Firmen-       delt. Da der diesjährige Archivtag       Rechnung, dass das Archivwesen
         zeitschrift“ für die Archiv-Communi-      „Corona-bedingt“ ausfiel, rücken der     sich seit gut zwei Jahrzehnten in
         ty, sondern ein Mitteilungsblatt für      Umgang der rheinland-pfälzischen         einer fundamentalen Umbruchsitua-
         Benutzer und Interessierte der abge-      und saarländischen Archive mit dem       tion befindet und sich ständig neuen
         benden Stellen sein.                      Corona-Virus und die sich daraus er-     Herausforderungen stellen muss.
              „Was wir bringen wollen?“,           gebenden Beeinträchtigungen für          Gemeint sind damit nicht nur die
         schrieb der Koblenzer Leitende            die Archive in den Mittelpunkt der       digitale Langzeitarchivierung oder
         Archivdirektor Franz-Josef Heyen          aktuellen Ausgabe.                       die Vorbereitungen für einen virtu-
         1974, ist „jedenfalls keine Fachinfor-         Unter der Rubrik „Aus der Archiv-   ellen Lesesaal. Auch andere Fragen
         mation für den Kollegen im Nach-          arbeit“ wollen wir Beiträge aus allen    wie zum Beispiel wichtige juristische
         bararchiv. Dazu gibt es die Fachzeit-     Teilbereichen des archivischen Work-     Neuerungen sollen hier diskutiert
         schrift. Wir wollen Ihnen sagen, was      flows bringen: Aktenübernahmen,          werden, wobei der Fokus nicht in
         wir tun… und was wir planen. Wir          Bewertungen, Bestandserhaltungs-         erster Linie auf der Innovation liegt,
         werden über neue Bestände, Findbü-        maßnahmen, Erschließungsprojek-          sondern auf der Frage, wie in den
         cher und Veröffentlichungen berich-       te, Fragen des Benutzerservices und      verschiedenen Archiven unserer

6   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
tionen geworben wird.

                                                              Unsere
                                                                                                                        Heft 65 2020

                                                                                                                                            Neu ist die Zielrichtung, unter der
                                                                                                                                       die betreffenden Beiträge zukünftig

                                                           Archive                                                                     ausgewählt werden sollen. Der Fo-
                                                                                                                                       kus liegt nicht auf archivischer Öf-
                                                                                                                                       fentlichkeitsarbeit, sondern auf dem
                                            Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven

                                                                                                                                       Beitrag der Archive für die lokale und
                                                                                                                                       regionale Geschichtskultur. Archive
                                                                                                                                       sind hier nur ein Player unter vielen:
                                                                                                                                       Sie kooperieren und konkurrieren
                                                                                                                                       mit Museen, Bibliotheken, Gedenk-
                                                                                                                                       stätten, universitären Lehrstühlen,
                                                                                                                                       zuweilen auch mit Politik und Presse.
                                              Corona                                                                                   Sie wirken mit am historisch-kultu-
                                              Sonderausgabe                                                                            rellen Leben, sie helfen dabei, Ge-
                                              Corona –                 Schriftgutverwaltung digital.   Pop-Ikonen im Saarland –
                                                                                                                                       schichtsbewusstsein zu prägen, und
                                                                                                                                       je besser sie das tun, umso mehr
                                              ein Virus ändert alles   Neue Schulungsangebote          Fotos aus drei Jahrzehnten
                                              Seite 8                  des Landeshauptarchivs          Seite 54
                                                                       Seite 42

                                                                                                                                       werden sie auch wahrgenommen,
2008: erste nicht mehr gelumbeckte        2020: Relaunch und Neukonzeption.                                                            umso eher finden Archivzeitschrif-
Ausgabe mit vermehrten farbigen                                                                                                        ten einen Leserkreis, der sich nicht
Abbildungen im Innenteil.                                                                                                              nur für Archivfragen, sondern gene-
                                                                                                                                       rell für den Dialog zwischen Vergan-
Region damit umgegangen wird. In          trägen am liebsten aus erster Hand                                                           genheit und Gegenwart interessiert.
dieser Ausgabe stellen wir dazu ein       berichtet und deshalb oft und gerne                                                               Mit diesem neuen Programm
neues Koblenzer Schulungsangebot          die Archive der Region besucht.                                                              und mit einem komplett neu ge-
zur digitalen Schriftgutverwaltung             In der Rubrik „Neu entdeckt“                                                            stalteten Design, neuem Logo und
vor und berichten über die Einrich-       breiten „Unsere Archive“ ihre Schät-                                                         neuem Cover, wenden sich „Unsere
tung einer landeseinheitlichen Aus-       ze aus. Gemeint sind nicht in erster                                                         Archive“ heute an Sie.
sonderungsschnittstelle in Rhein-         Linie Cimelien, sondern all jene his-                                                             Wenn unsere Intention aufgeht,
land-Pfalz.                               torischen Quellen, die einen neuen                                                           ist es zugleich der Beginn eines in-
     Ein Grundsatz bei der Neugestal-     Blick auf die Gegenwart ermöglichen,                                                         tensivierten Dialogs zwischen Re-
tung von „Unsere Archive“ war, dass       die uns unser Geschichtsbild in der                                                          daktion und Leserschaft. Wir wün-
wir eine Zeitschrift gestalten wollen,    einen oder anderen Frage überden-                                                            schen Ihnen viel Freude mit diesem
die weit über den Kreis der Archiva-      ken lassen, oder die in ihrer Infor-                                                         neuen Format!
re hinausreicht. Deshalb ist fast die     mationsdichte – wie zum Beispiel im
Hälfte des Heftes mit Beiträgen ge-       Fall von Katasterbänden und Karten                                                           Ludwig Linsmayer,
füllt, die diesem Anspruch gerecht        – noch nicht adäquat historisch auf-                                                         für die Redaktion
werden können.                            gearbeitet und ausgewertet sind. In-
     Ganz wichtig ist in diesem Zu-       teressant erscheinen vor allem his-
sammenhang die Rubrik „Blick von          torische Parallelitäten: Der Blick auf
außen“. Wir wollen Archivbenutzer,        eine frühneuzeitliche Pestordnung
Pressevertreter, die häufig unser Ar-     lässt uns die heutigen Maßnahmen
chiv besuchen, Wissenschaftler, die       zur Eindämmung der Corona-Epide-
hier Projekte durchführen, aber auch      mie fundierter einordnen.
Politiker dazu ermuntern, in kurzen            Die Rubrik „Archive und Ge-
Artikeln darzulegen, was sie an den       schichtskultur“ schließlich bringt in-
Archiven besonders interessiert,          haltlich vieles, was seit langem zum
welche Erfahrungen sie gemacht ha-        festen Informationsbestand von
ben und wie sich die heutige Archiv-      „Unsere Archive“ gehört: Berichte
entwicklung aus ihrer Sicht darstellt.    über neue Publikationen, Ausstellun-
Auch Kritik und Anregungen sind           gen, wichtige Jubiläen, an deren Be-
selbstverständlich willkommen.            gehung Archive beteiligt sind, oder
     So kommen in diesem Heft eine        auch Berichte vom Tag der Archive,
Universitätsdozentin und eine freie       mit dem seit vielen Jahren öffent-
Journalistin zu Wort, die in ihren Bei-   lichkeitswirksam für unsere Institu-

                                                                                                                                                        Unsere Archive - Heft 65 I 2020   7
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Thema: Corona

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          Corona –
          ein Virus ändert alles
          Beate Dorfey

             Wir waren darauf vorbereitet,    TUS zur Entwicklung eines Virtuel-    in der Öffentlichkeitsarbeit auf den
         einen weiteren spannenden Archiv-    len Lesesaals mit Open Access zu      Weg gebracht. Sogar die seit lan-
         tag für die rheinland-pfälzischen    unserem Archivgut und die Aufga-      gem anstehende Sanierung des Ko-
         und saarländischen Archivarinnen     benkritik weiter vorantreiben, da-    blenzer Altmagazins war nach vie-
         und Archivare zum Thema „Archi-      mit wir die Landesarchivverwaltung    len Verzögerungen auf einem guten
         vische Bildungsarbeit“ durchzufüh-   fit machen für die Anforderungen      Weg. Wir wollten unsere Arbeit ma-
         ren. Die überfällige Neugestaltung   der digitalen Welt und die damit      chen, und wir hatten uns viel vor-
         von „Unsere Archive“ wollten wir     verbundenen Umbrüche. Wir hat-        genommen, sogar noch mehr als
         vorstellen, die von Herrn Linsmay-   ten ein Programm zur Aufarbeitung     üblich. Wir steckten mitten drin und
         er so innovativ wie ansprechend      von Rückständen aufgelegt, zahlrei-   waren voller Elan.
         entwickelt worden war. Wir wollten   che Abgaben und Aussonderungs-
         unsere großen Projekte wie APER-     termine vereinbart, neue Projekte     Und dann kam Corona.

8   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Im Nachhinein erinnere ich mich      mussten sich abwechseln, damit die       fice, auf diese Weise wieder in den
vor allem an die Diskrepanz zwi-          Belastungen für die einzelnen Kolle-     Dienstbetrieb bringen konnten.
schen tatsächlicher und gefühlter         ginnen und Kollegen im vertretbaren           Mit vorbildlichem Einsatz und
Zeit. Tatsächlich brach die Entwick-      Rahmen blieben.                          Verantwortungsbewusstsein haben
lung in rasender Geschwindigkeit               Wie in vielen Behörden gewann       die Abteilungsleiter Einsatzpläne
über uns herein. Donnerstags disku-       das Homeoffice eine neue Dimen-          und das Krisenteam Regelungen
tierten wir noch kontrovers die Absa-     sion. Es stellte sich heraus, dass die   und Vorgaben entwickelt, die uns
ge von Vorträgen, was von den einen       LAV bei weitem nicht genug Homeof-       einen konstruktiven Notbetrieb er-
als übertriebene Hysterie und von         fice-Plätze hatte, um den gestiege-      möglicht haben. Das Ausmaß an
den anderen als längst überfällige        nen Bedarf zu befriedigen. Denn          Solidarität und Einsatzbereitschaft
Schutzmaßnahme eingestuft wur-            durch die Schul- und Kita-Schließun-     bei allen Kolleginnen und Kollegen
de. Am nächsten Tag haben wir ein         gen und die besonderen Schutzvor-        war beeindruckend. Alle waren be-
Krisenteam, bestehend aus mir als         kehrungen bei der Pflege bedürftiger     strebt, ihren Beitrag zu leisten, und
amtierender      Dienststellenleiterin,   Angehöriger war der Bedarf immens        zwar stets weit über das geforderte
dem Verwaltungsleiter der LAV, dem        angewachsen, aber auch durch die         Maß hinaus.
Referenten für die Liegenschaftsver-      Regelungen zum Umgang mit älte-               Dennoch blieb der Notbetrieb
waltung der LAV und einer Vertrete-       ren Kolleginnen und Kollegen sowie       nicht ohne Folgen. Veranstaltungen
rin des Gesamtpersonalrats, gebil-        Kolleginnen und Kollegen mit ein-        wie der Archivtag mussten abgesagt
det, das künftig über die Geschicke       schlägigen Vorerkrankungen, wie sie      werden, zahlreiche Anfragen konn-
der LAV in Corona-Zeiten bestimmen        vom Robert-Koch-Institut definiert       ten nur sehr verzögert beantwortet,
sollte, in enger Absprache und Zu-        worden waren. Nahezu 70 Prozent          manche Dienstleistungen mussten
sammenarbeit mit den Abteilungs-          des Kollegenkreises fiel am Ende         vorübergehend ausgesetzt werden.
leitern. Am folgenden Dienstag, dem       in die Gruppe derjenigen Kollegin-       Projekte mussten auf Eis gelegt wer-
17. März, habe ich die Lesesäle ge-       nen und Kollegen, die vom Präsenz-       den, insbesondere, wenn sie größe-
schlossen. Und eine weitere knappe        dienst zu befreien waren und denen       re Besprechungen oder gar Reisen
Woche später habe ich die Landes-         ein Homeoffice-Platz anzubieten          zwischen den Standorten erforder-
archivverwaltung am 23. März in den       war. Wir hatten nur für maximal ein      lich machten. Denn Dienstreisen,
Notbetrieb geschickt.                     Viertel der Kolleginnen und Kollegen     einschließlich der Besuche von Be-
     Nur ein ganz kleines Team soll-      Homeoffice-Plätze. Glücklicherweise      hörden oder die Teilnahme an Gre-
te an wenigen Stunden pro Tag die         hat der Landesbetrieb Daten und In-      mien, standen natürlich auch nicht
notwendigsten Aufgaben erledigen,         formation (LDI) schnell reagiert und     länger zur Disposition.
da wir den Dienstbetrieb nicht ganz       uns noch einmal dieselbe Zahl von             Wie die gesamte Verwaltung,
einstellen konnten. Denn anders als       Homeoffice-Plätzen zur Verfügung         ja die gesamte Gesellschaft, sind
Museen oder Bibliotheken haben            stellen können, sodass wir am Ende       auch wir entschleunigt und her-
Archive auch rechtswahrende Aufga-        nahezu die Hälfte derjenigen Kol-        untergefahren worden und began-
ben: Wir erbringen die nötigen Nach-      leginnen und Kollegen, deren Auf-        nen ab Ende April vorsichtig mit
weise für Grundstücksangelegen-           gaben geeignet waren für Homeof-         den ersten Schritten zurück zum
heiten, Personenstandsfragen oder
Versorgungsansprüche. Es stand            Foto: Landeshauptarchiv Koblenz.
daher von Anfang an außer Frage,
dass die Erfüllung solcher Aufgaben
gesichert sein musste. Aber auch
Rechnungen mussten bezahlt und
Personalsachen bearbeitet werden.
Und die EDV musste funktionieren.
Es musste ein Team gebildet wer-
den, das wenigstens Verwaltung und
Facharchivarinnen und Facharchiva-
re umfasste, aber auch Reinigungs-
kräfte und den Pfortendienst in
Koblenz. Strenge Abstands- und Hy-
gieneregeln mussten etabliert wer-
den, damit der Schutz der Kollegin-
nen und Kollegen zu jedem Moment
gewährleistet war. Und die Teams

                                                                                                   Unsere Archive - Heft 65 I 2020   9
Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
Thema: Corona

           Photo by Kelly Sikkema on Unsplash.
                                                                                            Abstände einzuhalten, Büros umzu-
                                                                                            räumen, Stellwände zu stellen. Be-
                                                                                            sprechungen im Landeshauptarchiv
                                                                                            können, wenn sie mehr als sechs
                                                                                            Teilnehmer*innen haben, nur noch
                                                                                            im Lesesaal durchgeführt werden.
                                                                                            Statt Dienstreisen machen wir jetzt
                                                                                            verstärkt Videokonferenzen. Für ei-
                                                                                            nige Kolleginnen und Kollegen blieb
                                                                                            der Anteil der Telearbeit wegen Kin-
                                                                                            derbetreuung oder der Pflege von
                                                                                            Angehörigen, aber auch wegen der
                                                                                            Zugehörigkeit zu einer besonderen
                                                                                            Risikogruppe besonders hoch, was
                                                                                            zu einer grundsätzlichen Neubewer-
                                                                                            tung der Telearbeit in der LAV führen
                                                                                            muss und wird.
                                                                                                 Auch unsere großen Projekte
                                                                                            sind wieder angelaufen, auch wenn
                                                                                            sich die Rahmenbedingungen deut-
                                                                                            lich verändert haben. Doch die Krise
           Normalbetrieb. Dabei entpuppte          welche Abstände sind wo wie ein-         hat uns viele Lektionen gelehrt. Eine
           sich der Abwägungsprozess zwi-          zuhalten, Umgang mit der Masken-         Digitalisierung unserer Arbeit und
           schen Gesundheit und Aufgaben-          pflicht usw. waren zu klären. Nahe-      unseres Dienstleistungsangebotes,
           erledigung als die noch schwierigere    zu wöchentlich sich verändernde          wie wir es mit dem Projekt APERTUS
           Aufgabe. Wie schon beim Lockdown        Dienstpläne, um den unterschied-         bereits vor Corona auf den Weg ge-
           waren wir in unseren Entscheidun-       lichen Bedürfnissen und Anforde-         bracht haben, ist heute dringender
           gen nicht frei, sondern an die Vorga-   rungen der Belegschaft gerecht zu        denn je. Das haben wir erkannt und
           ben der Politik gebunden. Und natür-    werden, zerrten an den Nerven von        arbeiten derzeit mit Hochdruck an
           lich konnten wir so wenig wie andere    Krisenteam und Belegschaft. Und          unserem Virtuellen Lesesaal, der un-
           die zukünftigen Entwicklungen vor-      allzu vieles blieb weiterhin unklar      seren Besucherinnen und Besuchern
           aussehen. Doch unser Ziel war stets     und ungeregelt und war in unsere al-     weltweit und mit allen Serviceleis-
           klar: Wir wollten die Lesesäle so       leinige Verantwortung gestellt, nicht    tungen eines „normalen“ Lesesaals
           schnell wie möglich wieder öffnen,      selten begleitet von einem tiefen        den Zugang zur Archivgut anbieten
           sobald die Gesundheit und Sicher-       Seufzer des Gefühls des Alleingelas-     wird, damit wir die Fertigstellung wie
           heit unserer Mitarbeiterinnen und       senseins und der Ratlosigkeit bei der    geplant zu Beginn des Jahres 2021
           Mitarbeiter gewährleistet waren. Wir    Schreiberin dieser Zeilen, die in die-   mit einem Festakt in Anwesenheit
           wollten unser Dienstleistungsange-      sen Monaten die Verantwortung der        der rheinland-pfälzischen Minister-
           bot schrittweise bis zum Normalbe-      Dienststellenleitung trug.               präsidentin feiern können.
           trieb wiederaufnehmen. Wir wollten           Nach acht Wochen Notbetrieb              Denn wir wissen, dass die Pan-
           unsere Projekte wiederaufnehmen,        mit Notbelegschaft und Schicht-          demie noch nicht vorüber ist, und
           vorantreiben und so unseren Beitrag     dienst konnten wir immerhin ab dem       keiner weiß, ob es die gefürchtete
           zur Digitalisierung der Verwaltung      11. Mai unsere Lesesäle in Koblenz       zweite Welle geben wird. Doch eines
           und Verbesserung des Zugangs zu         und Speyer endlich wieder öffnen,        steht bereits jetzt fest: Wir haben als
           dem Archivgut des Landes leisten.       kurze Zeit später auch die Lesesäle      Gesellschaft und als Landesarchiv-
                Oder kurz gesagt: Wir wollten      in den Außenstellen, nachdem die         verwaltung bislang eine nie da gewe-
           wieder zurück in die Mitte der Ge-      räumlichen Anforderungen gemäß           sene Krise erfolgreich gemeistert, es
           sellschaft, als Teilnehmer am gesell-   Abstands- und Hygienevorschriften        gab keine Vorbilder und keine Blau-
           schaftlichen Leben und als dessen       erfüllt waren. Doch weiterhin ist der    pausen.
           wichtiger Beiträger.                    Betrieb eingeschränkt und mit Aufla-          Wie wir bisher damit umgegan-
                Doch gerade das schrittweise       gen wie Voranmeldung verbunden.          gen sind, dafür gebührt allen, die da-
           Wiederhochfahren des Dienstbe-               Die Kolleginnen und Kollegen        ran mitgewirkt haben, größter Dank
           triebs blieb eine wahre Herkulesauf-    konnten es derweil kaum erwarten,        und Anerkennung.
           gabe, trotz der stetig zunehmenden      endlich an den Arbeitsplatz zurück-
           Lockerungen. Wer darf wie arbeiten,     zukehren. Doch auch hier waren

10   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Lesesaal Anfang Mai 2020: Aufsicht hinter Plexiglasscheiben, reduzierte und distanzierte Benutzerarbeitsplätze, letzter Tag
der permanenten Maskenpflicht im Lesesaal. Foto: Landesarchiv Saarbrücken.

Vom Nutzen der Archive in der
Corona-Krise
Peter Wettmann-Jungblut

     Die seit Jahresbeginn 2020 ein-      den sogenannten „vulnerablen“ Ge-         Archive von coronabedingten Ein-
setzende weltweite Verbreitung von        sellschaftsmitgliedern      auferlegt.    schränkungen und Verhaltensmaß-
COVID-19 hat die bis vor kurzem ge-       Umstritten ist derzeit allenfalls noch    regeln betroffen, wenngleich deren
wohnten Formen individuellen Le-          die Frage, ob und wie nachhaltig die-     Auswirkungen nicht so einschnei-
bens und sozialen Zusammenlebens          se Entwicklungen sein werden, ob          dend wie für Theater, Museen oder
teilweise dramatisch verändert.           es ein Zurück zum Status quo ante         freie Kulturschaffende ausfielen.
Lockdown, Quarantäne, Masken-             oder eher ein Leben mit COVID-19          Großveranstaltungen in geschlos-
pflicht und Reiseverbote markieren        und seinen eventuell irreversiblen        senen Räumen oder im Freien zähl-
eine für viele Nationen unbekann-         gesellschaftlichen und ökomischen         ten bekanntlich noch nie zum Kern-
te Macht der staatlichen Exekutive,       Effekten geben wird.                      und Alltagsgeschäft der Archive, so
während sich die Zivilgesellschaft             Wie alle anderen kulturellen Ein-    dass sich die Transformation in eine
soziale Distanz und Solidarität mit       richtungen waren und sind auch die        von der Abstandsmaxime geleitete

                                                                                                     Unsere Archive - Heft 65 I 2020   11
Thema: Corona

           „distanzierte“ Gesellschaft problem-           Als sich die Situation in den        von Corona (angeblich) intensivier-
           loser vollziehen ließ. Die konkrete       nächsten Tagen weiter zuspitzte,          te Reinigung der Toiletten sowie die
           Ausgestaltung der neuen Regeln und        erarbeiteten wir am 12. März einen        Reinigung unseres Archivgebäudes
           die Folgen für die Mitarbeiter*innen      Pandemie-Plan. Dem allgemein für          im Allgemeinen durch die Firma
           und Benutzer*innen im saarländi-          das Saarland am 18. März verhäng-         toppp Dienstleistungen und Reini-
           schen Landesarchiv sollen hier in         ten Lockdown kamen wir mit der            gung GmbH brachte dem Landes-
           ihrer chronologischen Abfolge zwi-        Schließung des Archivs für den Pu-        archiv sogar einen „sauberen“ Auf-
           schen März und Juni 2020 kurz ge-         blikumsverkehr einen Tag zuvor. Für       tritt im Regionalfernsehen ein. Der
           schildert werden.                         die Mehrzahl der Kolleg*innen             Saarländische Rundfunk sendete am
                Ende Februar/Anfang März liefen      und studentischen Mitarbeiter*in-         15. April einen Beitrag im Aktuellen
           die Vorbereitungen für den „Tag der       nen änderte sich das Arbeitsleben         Bericht zum Thema „Unterwegs mit
           Archive“ und die dafür konzipierte        nur wenig; lediglich ein Kollege ging     Reinigungskräften in der Corona-Kri-
           Ausstellung „Von der Depesche zum         aufgrund der Schließung von Kitas         se“, der eine Woche zuvor in unse-
           Denkmal. Der Deutsch-Französische         und Schulen dauerhaft ins Homeoffi-       ren Räumlichkeiten aufgenommen
           Krieg in der regionalen Kommunika-        ce, eine weitere Kollegin für zwei Tage   worden war, da gemäß den Angaben
           tion“ auf vollen Touren. Die letzten      in der Woche. In der Folge wurden         des SR keine andere staatliche Insti-
           Tage wurden allerdings bereits von        zwecks Einhaltung der umfassenden         tution Dreharbeiten erlaubt hatte.
           leichten Zweifeln an der Durchführ-       Sicherheits- und Schutzmaßnahmen               Knapp eine Woche später, am
           barkeit begleitet: Aus Italien trafen     Außentermine und Gremiensitzun-           20. April, öffnete unser Lesesaal
           beunruhigende Meldungen ein, am           gen ebenso abgesagt wie Besuche           nach nur fünf Wochen mit an den ak-
           3. März war der erste Corona-Fall im      von Handwerkern oder Postlieferan-        tuellen Pandemie-Verordnungen ori-
           Saarland aufgetreten, erste Veran-        ten, Kommunikation und „Laufwege“         entierten Maßregeln wieder für den
           staltungen wurden abgesagt und die        im Archivgebäude wurden neu orga-         Publikumsverkehr. Die Anzahl der
           Bevölkerung reagierte mit beginnen-       nisiert und die Einhaltung von Hygi-      Benutzerplätze ist zwecks Einhal-
           den Hamsterkäufen. Allen Zweifeln         eneregeln verbindlich vorgeschrie-        tung der Abstandregel bis heute auf
           zum Trotz öffneten wir wie die meis-      ben. Da alle Mitarbeiter*innen über       sechs beschränkt, die Benutzer*in-
           ten anderen Archive unser Haus am         ein eigenes Büro verfügen und die         nen werden auf Hygiene- und Infek-
           7. März für das wider Erwarten zahl-      studentischen Hilfskräfte sich relativ    tionsschutzregeln hingewiesen, ih-
           reich erscheinende Publikum, wobei        einfach auf Lesesaal und Büroräu-         nen wird zudem nahegelegt, sich im
           es jedoch einige vorab formulierte        me „vereinzeln“ ließen, konnten die       Voraus anzumelden, um nicht auf-
           Sicherheitsmaßnahmen zu beachten          Abstandregeln problemlos einge-           grund der bereits erreichten Nutzer-
           galt. So wurden beispielsweise alle       halten werden. Zudem wurden alle          höchstzahl abgewiesen zu werden.
           Führungen nur mit einer maximalen         vorhandenen Damen- und Herren-            Aufgrund der seit dem 27. April gel-
           Zahl von 15 Teilnehmer*innen durch-       Toiletten auf maximal zwei bis drei       tenden Maskentragepflicht mussten
           geführt, und für die Besucher*innen,      (feste) Benutzer*innen aufgeteilt, so     sowohl Besucher*innen als auch das
           die sich freiwillig in Anwesenheitslis-   dass auch auf den „stillen Örtchen“       Aufsichtspersonal eine Mund-Na-
           ten eintragen konnten, stand Hand-        ein Minimum an Sozialkontakten            sen-Bedeckung tragen, woran sich
           desinfektionsmittel bereit.               stattfand. Speziell die in den Zeiten     alle ohne Murren und Klagen hiel-
                                                                                               ten. Wiederum eine Woche später
                                                                                               wurde zur spürbaren Erleichterung
                                                                                               der Archivnutzer*innen die Bestim-
                                                                                               mung dahingehend gelockert, dass
                                                                                               die Masken am Arbeitsplatz selbst
                                                                                               abgelegt werden dürfen. Der Ar-
                                                                                               beitsbereich des Aufsichtspersonals
                                                                                               wird bereits seit der Wiederöffnung

                                                                                               Reinigen in Zeiten der Corona-
                                                                                               Krise, Aktueller Bericht des SR am
                                                                                               15. April 2020
                                                                                               (Aufnahme: Saarländischer Rundfunk),
                                                                                               Sendung in der Mediathek unter:
                                                                                               https://www.sr-mediathek.de/index.
                                                                                               php?seite=7&id=86481.

12   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Desinfektion von Geräten im Lesesaal durch das Aufsichtspersonal vor und nach jeder Benutzung.
Foto: Tom Gundelwein.

mittels Plexiglasscheiben vor erhöh-
ter Infektionsgefahr geschützt, Be-
ratungsgespräche zwischen Archiv-
personal und Benutzer*innen finden
im Besprechungsraum ebenfalls
hinter trennendem Plexiglas und mit
der maximalen Dauer von 15 Minu-
ten statt.
     Ende Juni 2020, so könnte man
abschließend festhalten, hat sich im
saarländischen Landesarchiv nach
zwei kurzen Phasen des Stillstands
und des Experimentierens so etwas
wie eine „neue Normalität“ etabliert,
die sowohl von den Mitarbeiter*in-
nen als auch von den Benutzer*in-
nen angenommen wird. Letztere
sind zufrieden und dankbar, dass
man ihnen das Arbeiten im Archiv         Beratungsgespräch mit Mindestabstand und einer trennenden Plexiglasscheibe.
mit kleinen, aber erträglichen Hin-      Foto: Tom Gundelwein.
dernissen nach wie vor ermöglicht,
erstere haben – nicht zum ersten         aussehen wird. Wird die Digitalisie-    ten Archivpersonal nicht mehr in
Mal – erkannt, dass der gesellschaft-    rung forciert und werden die Archi-     direkten Kontakt treten? Im nach
liche Nutzen der Archive nur durch       ve in verstärktem Maße ohne die         Meinung vieler Virologen langen
ihr beständiges Nützen anerkannt         physische Präsenz der Forschenden       Schatten von COVID-19 kann jede
und gewürdigt wird. Nach wie vor         genützt werden? Oder werden die         Entwicklung nur eine vorläufige sein,
ungewiss ist freilich, ob der jetzige    Benutzer*innen künftiger Jahrzehn-      um Risiken, wenn nicht ausschalten,
Zustand von Dauer oder nur vorläu-       te in isolierten Kabinen arbeiten und   so doch wenigstens kalkulierbar und
fig ist und wie das Archiv der Zukunft   mit dem durch Plexiglas geschütz-       überschaubar machen zu können.

                                                                                                 Unsere Archive - Heft 65 I 2020   13
Thema: Corona

           Foto: Sabine Schneider.

           Referendariat in ganz
           besonderen Zeiten
           Sabine Schneider

               Überall, so scheint es, ist mo-    Behördenpraktikum und Digitalisie-      licher Literatur zur Überlieferungs-
          mentan die Rede von einer „ganz         rungsstrategien, mit der Herausfor-     bildung auf dem Schoß. Was ma-
          besonderen Zeit“, die wir gerade        derung, erstmals Familie und Beruf      che ich hier eigentlich, Urlaub oder
          durchleben. Das stimmt zweifelsoh-      unter einen Hut bringen zu müssen.      Arbeit? In welche verrückte Welt bin
          ne, doch für mich sind diese Wochen     Doch niemals hätte ich mir träumen      ich da gestolpert? Ein Gefühl wie
          wohl doppelt besonders: Schon als       lassen, wie besonders diese Monate      damals im Studium oder während
          ich Ende 2019 erfuhr, dass ich im Mai   für uns alle werden würden.             der Arbeit an der Dissertation. Wie
          2020 mit dem Archivreferendariat in          Die Maisonne strahlt vom blauen    kann das sein, dass ich trotz Corona
          Koblenz beginnen könne, habe ich        Himmel und ich sitze in der sanft hin   dermaßen privilegiert bin? Solche
          mir diese Zeit als eine ganz beson-     und her schaukelnden Hängematte         Gedanken kamen mir recht häufig.
          dere vorgestellt: Für mich persön-      mit Blick auf meinen blühenden Gar-     Mein Start ins Archivreferendariat
          lich als eine Zeit voller spannender    ten. Statt einem guten Roman habe       am Landeshauptarchiv Koblenz war
          neuer Erfahrungen mit Archivalien,      ich einen Stapel archivwissenschaft-    unvorstellbar, ja schon fast surreal,

14   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
mit ganz anderen Ausbildungsinhal-       Dass ich in den ersten Wochen viel       Infektionszahlen in die Höhe schie-
ten als ich erwartet hatte, aber auch    Zeit mit Transkriptionen und Selbst-     ßen? Werde ich also meine Kurskol-
entspannt und trotz der Umstände         studium verbracht habe, war kein         legen überhaupt nicht persönlich
nicht chaotisch.                         großes Problem. Ausbildungsinhal-        kennenlernen können? Werden die
     Nach gut zwei Stunden am neu-       te, die nur vor Ort im Archiv vermit-    Exkursionen des Lehrgangs statt-
en Arbeitsplatz gleich ins Homeoffi-     telt werden können, verschieben          finden können? Und werden die ak-
ce wechseln – das gibt es wohl auch      sich nun eben in die Sommermona-         tuellen Ausbildungsjahrgänge im-
nur in diesem ganz besonderen Jahr       te, da ich erst ab Juni jeden Tag dort   mer die „Corona-Jahrgänge“ sein?
2020, während des Stillstands des        arbeiten konnte. Exkursionen in          Diese Ungewissheit ist zwar ner-
öffentlichen Lebens infolge der Co-      andere Archive mussten leider teil-      venaufreibend, bleibt aber wohl die
rona-Pandemie. Als Archivreferen-        weise ausfallen und bangen musste        einzige Gewissheit, denn wenn es
darin im Landeshauptarchiv Koblenz       ich lange um die Praktika im Stadt-      eine Lehre aus dieser Zeit für mich
hatte ich erwartet, am Anfang mei-       archiv Koblenz sowie in zwei Be-         geben kann, dann wohl diese: Pläne
ner Ausbildung viele neue Gesich-        hörden im Herbst. Glücklicherweise       zu schmieden lohnt nicht. Und das
ter und jede Menge Arbeitsabläufe        können diese nun wie geplant statt-      einzig Sinnvolle ist, sich an die Hoff-
eines großen Archivs kennenzuler-        finden. Doch wie wird dann wohl          nung zu klammern, dass die zwei-
nen – eine eigentlich spannende Per-     die Zeit an der Archivschule in Mar-     te Welle der Pandemie ausbleiben
spektive. Dann kam Corona. Mitte         burg? Werden wir, wie die aktuellen      möge, sodass der Rest meines Re-
April erhielt ich den Anruf, dass ich    Kurse, ausschließlich online unter-      ferendariats doch noch in gewohn-
wohl schon ab dem zweiten Tag Ar-        richtet werden, weil im Winter die       ten Bahnen verlaufen kann.
beitsaufträge von zuhause bearbei-
                                         Foto: Landeshauptarchiv Koblenz.
ten werde. Letztlich war ich im gan-
zen Mai nur sieben Tage in Koblenz.
Den Rest verbrachte ich am heimi-
schen Laptop damit, französische,
lateinische und deutsche Quellen
aus verschiedenen Jahrhunderten
zu transkribieren und zu überset-
zen. Zudem habe ich mich mithilfe
einschlägiger Literatur in die archiv-
wissenschaftliche Theorie der Über-
lieferungsbildung und Bestandser-
haltung eingearbeitet.
     Das hört sich nun vielleicht et-
was eintönig an, war aber halb so
wild, denn das stundenlange Tüf-
teln an einer Quelle machte nicht
nur erstaunlich viel Spaß, sondern
brachte auch einige Vorteile mit
sich. Abgesehen davon, dass es
sich in Hängematte und am hei-
mischen      Schreibtisch     bequem
arbeiten ließ, waren die Umstände
durchaus geeignet, sich langsam
an einen achtstündigen Arbeitstag
zu gewöhnen, den ich schon lange
nicht mehr erlebt hatte. Zudem er-
möglichte diese Phase auch meinen
Kindern, sich allmählich damit ab-
zufinden, dass ich nun weniger Zeit
für sie hatte. Gleichzeitig erschwert
die Pandemie aber die Organisation
unseres Familienlebens, da die Kin-
dergärten nur eingeschränkt geöff-
net sind. Und nicht zuletzt wird sich
auch meine Ausbildung immer wie-
der an Corona orientieren müssen.

                                                                                                   Unsere Archive - Heft 65 I 2020   15
Thema: Corona

           Fotos: Ev. Archivstelle Boppard.

           Die Arbeit der Evangelischen
           Archivstelle Boppard in Zeiten
           von Corona
           Andreas Metzing

              Die Evangelische Archivstelle           Es begann eine mehrwöchige        wortet werden konnten und lediglich
          Boppard bekam die Auswirkungen         Home-Office-Phase, während der         diejenigen, für deren Bearbeitung
          der Corona-Pandemie ab Mitte März      die dreiköpfige Belegschaft der Ar-    der Zugang zur Dienstbibliothek er-
          2020 zu spüren. Am 16. März ordne-     chivstelle Boppard aber dem größ-      forderlich war, zurückgestellt werden
          te das Landeskirchenamt Düsseldorf     ten Teil ihrer dienstlichen Aufgaben   mussten. Auch Erschließungsarbei-
          als vorgesetzte Behörde die sofor-     – abgesehen natürlich von der Be-      ten waren im Home-Office möglich,
          tige Schließung der Benutzerräume      nutzerbetreuung – weiterhin nach-      da der VPN-Tunnel auch einen Zugriff
          an den Archivstandorten Düsseldorf     gehen konnte. Durch VPN-Verbin-        auf die Software ActaPro erlaubte.
          und Boppard an. Eine Woche später      dungen war der Zugriff auf sämtliche   Der Transport der zu erschließenden
          wurde der gesamte Dienstbetrieb im     digitalisierte Kirchenbücher auch      Archivalien von Boppard in die Pri-
          Zuständigkeitsbereich des Landes-      von zuhause aus gewährleistet, so      vatwohnungen der Mitarbeiter und
          kirchenamts und somit auch an den      dass etwa 90 Prozent der genea-        wieder zurück war freilich mit einem
          beiden Archivstandorten eingestellt.   logischen Anfragen zeitnah beant-      gewissen logistischen Aufwand ver-

16   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
bunden, so dass die Aktenverzeich-        selbst weisen Piktogramme auf das       entwickelt, die die coronabedingten
nung im Home-Office nur als eine vo-      richtige Verhalten hin. Die Mitarbei-   Hygienemaßnahmen, die Anforde-
rübergehende Notlösung erschien,          terinnen und Mitarbeiter des Archivs    rungen der Bestandserhaltung und
die es aber immerhin ermöglichte,         sowie die externen Reinigungskräfte     das berechtigte Nutzungsinteresse
den zentralen archivischen Arbeits-       wurden mit den besonderen Anfor-        sinnvoll unter einen Hut bringen.
bereich der Erschließung auch in          derungen hinsichtlich Desinfektion          Nach diesen konzeptionellen
Corona-Zeiten nicht ganz herunter-        des Benutzerbereichs und regelmä-       Vorarbeiten wurde schließlich am
zufahren.                                 ßigen Lüftens des Benutzerraums         26. Mai 2020 der Lesesaal der Ar-
     Nachdem die Bund-Länder-Eini-        vertraut gemacht.                       chivstelle Boppard nach zehnwöchi-
gung vom 15. April 2020 einen ein-             Insbesondere    beim     letzten   ger Pause wieder für die Benutzung
geschränkten Betrieb von Archiven         Punkt waren und sind allerdings         geöffnet. Die Forscherinnen und
ab dem 4. Mai grundsätzlich wieder        auch Aspekte der Bestandserhal-         Forscher signalisierten großes Ver-
erlaubte, wechselte das Bopparder         tung zu bedenken, denn gerade in        ständnis für die Einschränkungen,
Team in den regulären Präsenzmo-          der warmen Jahreszeit weist die         und es überwog die Freude, dass
dus zurück. Eine der vordringlichen       Außenluft gelegentlich einen Feuch-     nach dem wochenlangen Lockdown
Aufgaben bestand nun darin, Rah-          tegrad auf, der Papier alles andere     eine Archivbenutzung überhaupt
menbedingungen zu schaffen, die           als zuträglich ist. Weil jedoch über    wieder möglich ist. Für das Personal
auch wieder eine externe Benutzung        90 Prozent der Benutzerinnen und        der Archivstelle ist der Benutzer-
der Archivstelle ermöglichten. Zu-        Benutzer der Archivstelle Boppard       verkehr im Corona-Modus zwar mit
nächst wurde in enger Abstimmung          Kirchenbücher einsehen wollen und       einem leichten Mehraufwand ver-
mit der Düsseldorfer Zentrale und         diese ohnehin nicht im Original, son-   bunden (Maskenpflicht der Aufsicht,
der Verwaltungsleitung des Lan-           dern ausschließlich als Digitalisate    regelmäßiges Lüften und Desinfizie-
deskirchenamts ein entsprechen-           oder Mikrofiches vorgelegt werden,      ren), der aber durch das befriedigen-
des Hygienekonzept entwickelt.            stellt sich das Problem nur in sehr     de Gefühl, endlich wieder dem zent-
Die Platzverhältnisse in den Räum-        entschärfter Form. Für die im Unter-    ralen Auftrag des Archivs – nämlich
lichkeiten der Archivstelle Boppard       schied zu vielen anderen Archiven       die Auseinandersetzung mit der Ver-
ließen es zu, unter Beachtung der         eher seltenen Fälle, in denen die       gangenheit durch Bereitstellung von
Mindestabstandsregelungen bis zu          Benutzer der Archivstelle Boppard       Quellen aus erster Hand zu ermög-
zwei Benutzer pro Öffnungstag auf-        Originale einsehen müssen, wer-         lichen – nachkommen zu können,
zunehmen. Gleichzeitig mussten            den einzelfallbezogene Lösungen         mehr als aufgewogen wird.
Schutzvorkehrungen getroffen wer-
den, die das Ansteckungsrisiko so
gering wie möglich halten sollten.
Dazu gehörte u. a. die Entwicklung
eines digitalen Benutzungsantrags,
der bereits im Vorfeld des geplanten
Archivbesuchs am heimischen PC
ausgefüllt werden kann und muss,
sowie eine Maskenpflicht für die
gesamte Dauer des Aufenthalts im
Archiv und das obligatorische Hän-
dewaschen und Desinfizieren un-
mittelbar nach Betreten der Archiv-
räumlichkeiten.
     Bei der konkreten Umsetzung
des Konzepts und mit Blick auf sei-
ne Akzeptanz wurde dann vor allem
auf größtmögliche Transparenz ge-
achtet: Jeder Benutzer bekommt mit
dem digitalen Benutzungsantrag zu-
gleich ein Merkblatt mit den wichtigs-
ten Verhaltensregeln übersandt, das
darüber hinaus auch auf der Home-
page des Landeskirchlichen Archivs
veröffentlicht ist. In der Archivstelle

                                                                                                  Unsere Archive - Heft 65 I 2020   17
Thema: Corona

           Fotos: Adobe Stock und Christina Röhrenbeck.

                                                                                                                        ...
                                                                                                                     BLOG

                                                                                                      www.archivistathome.com

           „Archivist@home“ –
           Archiv von zuhause aus
           Christina Röhrenbeck

              Eines der Schlagwörter, die wäh-            Lesesäle geschlossen sind, eine Ar-     schen Schriften, die ich in den ver-
          rend der COVID-19-Pandemie im-                  chivnutzung nicht möglich ist – und     gangenen Jahren gegeben habe.
          mer wieder aufkamen, war das Wort               Archivare an sich nicht wirklich sys-   Immer wieder tauchte hier die
          „systemrelevant“. Archivar*innen                temrelevant sind? Etwas, was man        Frage auf, wieso es auf der Home-
          sind vieles, mit der Relevanz von               tun konnte, war, für Beschäftigung      page der Landesarchivverwaltung
          Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen                und Ablenkung zu sorgen, denn es        keine einführenden Informationen
          und weiterem medizinischem Fach-                waren ja nicht nur Archivar*innen,      zu Schriftkunde, Archivbenutzung
          personal wollen und können wir uns              die zu Hause bleiben mussten.           und ähnlichem gibt. So war dies
          aber nicht vergleichen. Dennoch                     Die Idee zu dem Blog „Ar-           ein willkommenes Projekt, um zum
          haben auch vor unseren Lesesälen                chivist@home“      entstand     sehr    einen mich selbst während des
          die Einschränkungen natürlich nicht             spontan. Grundlage hierfür waren        Lockdowns zu beschäftigen, zum
          halt gemacht. Was also tun, wenn                Volkshochschulkurse zu alten deut-      anderen um Personen, die schon

18   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
immer alte Schriften lernen wollten,    auch Hilfsmittel wie Schrifttafeln      stellt. Es ist allerdings nicht aus-
in dieser Zeit etwas Ablenkung zu       und weitere Internet-Quellen ge-        geschlossen, dass der Blog weiter
verschaffen.                            nannt. Neben dem wesentlichen           geführt wird. Das bisher Erarbeite-
     Der Blog ist unter der Adres-      Punkt des Blogs, den Transkrip-         te steht immer noch zur Verfügung
se www.archivistathome.com er-          tionen, habe ich mich zudem ent-        und kann weiterhin genutzt wer-
reichbar und nutzt die schon vor-       schlossen, auch mehr auf Informa-       den, um sich über Schriftkunde und
gefertigten Layouts des Anbieters       tionen rund um das Archivwesen          Archivwesen zu informieren.
Wordpress. Hier können kostenfreie      einzugehen. So finden sich zum               Für mich war das Projekt ein Er-
und – mit ausführlicheren Features –    Beispiel „Exkurse“ zu digitaler Lang-   folg, der es auch mir in einer nicht
kostenpflichtige Webseiten erstellt     zeitarchivierung, Archivnutzung oder    ganz einfachen Zeit ermöglichte,
werden, die über viele verschiedene     auch Vorgehen bei familienge-           mich abzulenken. Bedanken möch-
Widgets verfügen. Durch die vor-        schichtlichen Forschungsvorhaben        te ich mich auch bei zwei Kollegin-
gegebenen Farbpaletten kann auch        mit weiterführenden Links zu Seiten     nen, die mich besonders dabei
das Aussehen eines solchen Blogs        wie Ancestry.com und ähnlichem.         unterstützt haben, nämlich Britta
ansprechend gestaltet werden. Dies          Der Blog war mit über 4.000         Kirst, Fotografin im Landesarchiv
war nun der Rahmen für den eigent-      Zugriffen sehr gut besucht, immer       Speyer, und Christiane Pechwitz,
lichen Blog.                            noch wird er abonniert und besucht.     Leiterin des Stadtarchivs in Ettlin-
     Der inhaltliche Teil des Blogs     Die aktive Weitergestaltung des         gen, die sich mit zwei erheiternden
drehte sich vor allem um die wö-        Blogs habe ich aufgrund der Wie-        Texten aus einem dortigen Nach-
chentlich erschienenen Texte in         deraufnahme des Regelbetriebs in        lass an der Bereitstellung von Tex-
Sütterlin oder Kurrent und deren        der Landesarchivverwaltung Rhein-       ten und dem Korrekturlesen von
reinschriftliche Auflösung. Jeden       land-Pfalz bis auf weiteres einge-      Transkriptionen beteiligte.
Montag wurde ein Text online ge-
stellt, am Freitag darauf folgte die
Transkription. Mit den historischen
Texten wurden kurze Informationen
bereitgestellt, die die Quelle näher
einordneten und mehr über Quel-
lengattung und Informationsgehalt
für die Familien- und Heimatfor-
schung enthielten.
     Die Texte stammen zum einen
aus den Beständen des Landesar-
chivs Speyer, zum anderen wurden
zwei Texte aus dem Stadtarchiv Ett-
lingen veröffentlicht. Vor allem ging
es hier darum, verschiedene Schrift-
typen aufzugreifen, zudem sollten
die Texte unterhaltsam und interes-
sant sein sowie verschiedene For-
schungsthemen        (Auswanderung,
Nachlässe, Erster Weltkrieg usw.)
abdecken.
     Dieses Vorgehen sollte den
Leser*innen die Möglichkeit geben,
sich zunächst ohne zu „spoilern“
mit den Texten auseinanderzusetzen
und damit zu arbeiten. Die Kommen-
tarfunktion unter den Beiträgen war
freigeschaltet, so dass es hier die
Möglichkeit gab, Fragen zu stellen.
     Um Anfängern, die sich das ers-
te Mal mit Schriftkunde und Paläo-
graphie beschäftigen, den Einstieg
zu erleichtern, wurden daneben

                                                                                                Unsere Archive - Heft 65 I 2020   19
Neu entdeckt

           Fotos: Archiv VG Rüdesheim/Sophia Maurer.

           Wir stellen vor:
           Bestand Waldböckelheim
           Rainer Seil

           Nach achtjähriger, intensiver Auf-          der aufgrund der unterschiedlichen   heim eine Einheit in Personalunion.
           bauphase steht das Verbandsge-              Überlieferungsebenen aus den Teil-   Ein Abtrennungsantrag Waldböckel-
           meindearchiv Rüdesheim/Nahe, das            beständen Waldb. 0, Waldb. 1 und     heims wurde von der Bezirksregie-
           bereits 2018 in „Unsere Archive“            Waldb. 2 besteht, eine besondere     rung in Koblenz am 2. Februar 1888
           kurz vorgestellt wurde,1 nunmehr            Bedeutung zu. Bereits im Jahr 2000   genehmigt. Zur neuen Amtsbürger-
           für die heimatkundliche und wis-            wurde ein erstes provisorisches      meisterei Waldböckelheim gehörten
           senschaftliche Benutzung zur Ver-           Findbuch erstellt.                   neben dem Amtssitz in Waldböckel-
           fügung.                                         Bis 1888 bildete die Landbür-    heim die Ortsgemeinden Bockenau,
               Dabei kommt dem Bestand des             germeisterei Waldböckelheim mit      Boos, Burgsponheim, Oberstreit,
           früheren Amtes Waldböckelheim,              der Stadtbürgermeisterei Sobern-     Sponheim und Schloßböckelheim.

20   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Waldb. 0 reicht von der Zeit des Alten            sammlungen erwies sich teilweise
Reiches bis zur napoleonischen Zeit.              als sehr schwierig und zeitaufwän-
Es ist vor allem Heinrich Hahn (1843              dig. Bemerkenswert sind die Über-
– 1911)2 zu verdanken, dass bis zum               lieferungen aus der Zeit des Ersten
Ende seines Lebens historisch be-                 Weltkriegs, der anschließenden Be-
sonders wertvolles Schriftgut im frü-             satzung und des bald folgenden Na-
heren Rathaus verwahrt wurde. Der                 tionalsozialismus; eine Aufarbeitung
Bestand Waldb. 0 war jedoch schon                 der Geschichte dieser Zeit ist inner-
vor über 100 Jahren nicht mehr                    halb unserer Verbandsgemeinde mit
vollständig, worauf Hahn in einer                 jetzt insgesamt 32 Ortsgemeinden
handschriftlichen Notiz hingewiesen               bisher nur teilweise erfolgt, etwa in
hatte. Thematisch umfassen diese                  Form von Ortschroniken3 oder Bei-
wenigen noch vorliegenden Akten                   trägen in den heimatkundlichen Bad
(38 Archivalieneinheiten) die Berei-              Kreuznacher Heimatblättern oder in
che Leibeigenschaft, herrschaftli-                den mittlerweile nicht mehr erschei-
cher Besitz und daraus resultierende              nenden Landeskundlichen Viertel-
Prozesse. Daneben hat Hahn die An-                jahrsblättern.
fänge der heutigen Archivbibliothek
gelegt und u. a. wichtige Gesetzes-               Waldb. 2 setzt die Aktenführung des             Amtsbeschreibung Waldböckelheim.
sammlungen, Amtsblätter des ge-                   Amtes Waldböckelheim von 1945
samten 19. Jahrhunderts und die                   bis zu seiner Auflösung im Rahmen
betreffenden Reichsgesetzesblätter,               der rheinland-pfälzischen Verwal-
weitgehend vollständig gesammelt.                 tungsreform 1969/70 fort. Dieses
Seine Nachfolger, besonders Johann                aus 830 Einheiten bestehende
Jakob Schlemmer (Amtszeit: 1912 –                 Archivgut befand sich nicht wie die
1945), führten diese Überlieferun-                vorangehenden Teilbestände im frü-
gen fort.                                         heren Amtsgebäude in Waldböckel-
                                                  heim, sondern wurde schon Ende
Waldb. 1 mit 1411 Archivalienein-                 der 1960er Jahre in das Archiv des
heiten umfasst die beginnende                     damals noch bestehenden Amtes
Preußenzeit ab 1816 mit einem be-                 Rüdesheim überführt; überliefert
sonderen Schwerpunkt auf der Zeit                 sind hier auch Unterlagen, die das
seit der Reichsgründung 1870/71                   Ende der NS-Diktatur und die fran-
bis zum Ausbruch des Zweiten Welt-                zösische Besatzungszeit betreffen.
kriegs. Während bis etwa 1933 die                 Dass anhand dieses Bestandes na-
Vorgänge in den weithin üblichen                  hezu der gesamte demokratische
preußischen fadengehefteten Akten                 Aufbau der Verwaltungs-, Wirt-
streng nach dem damals verbind-                   schafts- und Gesellschaftsstruk-
lichen Aktenplan angelegt wurden,                 turen der jungen Bundesrepublik
gab man dieses klare Ordnungs-                    Deutschland mustergültig nachvoll-
prinzip vor allem im weiteren Verlauf             zogen werden kann, macht seine Be-
des Zweiten Weltkriegs – vermutlich               sonderheit aus und die Erforschung
kriegsbedingt – auf. Die archivische              gerade dieses für unseren Sprengel
Erschließung dieser meist aus lo-                 bisher wenig untersuchten Zeit-
sen Blättern bestehenden Akten-                   raums möglich.                                  Das Goldene Buch.

  1 Unsere Archive Nr. 63, 2018, S. 41.                                3 950 Jahre Bockenau e. V. (Hrsg.): Chronik des Dorfes Bockenau. Idar-
  2 Heinrich Hahn war nicht nur Gemeindevorsteher von Waldböckelheim     Oberstein 1996; Gunhild Mc Lachlan: Zur Geschichte der Schule und des
    (1882 – 1899), sondern auch Amtsbürgermeister des gleichnamigen      Dorfes Oberstreit. Bad Kreuznach o.J.; Erich Schauss: Sponheim und
    Amtes bis zu seinem Tod (1899 – 1911) und Heimatforscher. Er         Burgsponheim. Einst und jetzt. Bad Kreuznach 1996; Rainer Seil: Chronik
    verfasste zwei wichtige heimatkundliche Werke: Hahn, Heinrich:       der Ortsgemeinde Schloßböckelheim. Bad Kreuznach 2000; Ders.:
    Aus Waldböckelheims Vergangenheit. Sobernheim 1891 und Ders.:        Chronik der Ortsgemeinde Waldböckelheim. Bad Kreuznach 1999.
    Geschichte des Boeckelheimer Kirchspiels und des Ursprungs der
    Sponheimer. Kreuznach 1900.

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Neu entdeckt

           Fotos: Landesarchiv Speyer/Gisela Fleckenstein.

           Katasterbände vor der Restaurierung.

           Katasterbände und Karten
           im Landesarchiv Speyer
           Gisela Fleckenstein

              Die Katasterüberlieferung (Bü-                 Anlage des Grundbuchs. Benannt         sche Bedenken nicht gegen eine Be-
          cher und Karten) gehört zu den häu-                werden Eigentümer, Kauf, Tausch,       nutzung sprechen.
          fig genutzten Beständen des seit                   Vererbung, Teilung oder Zusam-             Für elf Bände (1,2 lfd. m) konnte
          1817 bestehenden Landesarchivs                     menlegung von Flurstücken sowie        durch die Bereitstellung von Mitteln
          Speyer. Ein Teil der schwer beschä-                bauliche Veränderungen. In den Ur-     aus dem „Sonderprogramm zur Er-
          digten Katasterbände ist bisher al-                katastern werden zudem dingliche       haltung des schriftlichen Kulturguts“
          lerdings aufgrund des konservatori-                Belastungen wie Fahrt-, Wege-, Was-    der Beauftragten der Bundesregie-
          schen Zustandes nicht nutzbar.                     sernutzungsrechte, Brückenbaulas-      rung für Kultur und Medien (BKM)
              Die pfälzischen Grundsteuer-                   ten etc. genannt. Die Unterlagen im    eine Benutzung wieder ermöglicht
          kataster geben einen lückenlosen                   Umfang von ca. 300 lfd. m wurden       werden. Die stark verschmutzten
          Aufschluss über den gesamten                       von den Finanzämtern an das Lan-       und durch unsachgemäße Lagerung
          Grundbesitz und seinen Wechsel                     desarchiv abgegeben und sind dort      von Schimmel befallenen Kataster-
          von ca. 1835 bis 1900, also vor der                zentral zugänglich, so konservatori-   bücher waren in der Papiersubstanz

22   Unsere Archive - Heft 65 I 2020
instabil und wiesen starke Verblo-       die ortsgeschichtlichen Gegebenhei-     des Grundsteuergesetzes von 1828
ckungen auf. Hier musste Blatt für       ten gelegt. Sie finden neben den de-    zu beweiskräftigen öffentlichen Ur-
Blatt der überformatigen Bände res-      taillierten Angaben zu den einzelnen    kunden erklärt worden und werden
tauriert werden. In fast allen Fällen    Grundstückseigentümern und ihren        daher auch für rechtliche Fragestel-
war eine vollständige Nassbehand-        Besitzverhältnissen Informationen       lungen genutzt. Mit dem kombinier-
lung notwendig. Fehlstellen wurden       über Flurbezeichnungen, Rechte und      ten Projekt Uraufnahmeblätter und
angefasert. Nach der Komplett-           Belastungen. Kataster besitzen zwar     Katasterbücher wird die Benutzung
restaurierung – nicht in allen Fällen    nicht den öffentlichen Glauben des      im Landesarchiv Speyer erheblich
ließ sich der Text vollständig wieder-   Grundbuchs, doch sie sind aufgrund      erleichtert.
herstellen – können diese Bücher
ohne Gefahr für das Objekt (weitere
Beschädigung) und für den Benut-
zer (Gesundheitsgefährdung durch
Schimmel) benutzt werden. Ebenso
möglich ist eine Sicherungsverfil-
mung bzw. Digitalisierung.
     Die bayerisch-pfälzische Ka-
tasterüberlieferung dient nicht nur
privaten, sondern auch amtlichen
Anfragen. Oft geht es dabei um die
Frage von Wegerechten oder um An-
gaben zur Bebauung bzw. Nutzung
der Grundstücke, die aus dem Ka-
taster geklärt werden kann. Die Ka-
taster haben damit rechtssichernde
Bedeutung.
     Besonders an den pfälzischen
Katastern ist, dass sich daraus die
Bebauung der Grundstücke nach-
vollziehen lässt. Im Vergleich zu den
preußischen und rheinhessischen
Katastern gibt es in den pfälzischen
Katastern auch eine direkte Ver-
knüpfung zu den Notariatsakten,
was den Einbezug dieser Quellen-
gruppe ungemein erleichtert. Un-
erlässlich für die Benutzung der
Katasterbücher sind die Kataster-
karten. Dieser Bestand umfasst im
Landesarchiv Speyer ca. 3.300 Blät-
ter. Die Uraufnahmeblätter (Vorstufe
der Katasterkarten), die noch nicht
in Verbindung mit den Katasterbän-
den stehen, liegen als handkolorier-
te Federzeichnungen vor und wur-
den in einem parallelen Projekt in
der hauseigenen Werkstatt Blatt für
Blatt trockengereinigt. Dabei wurden
auch Risse geschlossen und brüchi-
ges Papier stabilisiert. Mit eigenen
Haushaltsmitteln werden die Karten
anschließend digitalisiert.
     Für die orts- und heimatkundlich
Forschenden werden mit der Katas-
terüberlieferung die Grundlagen für      Katasterbände nach der Restaurierung.

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