Archive - Landeshauptarchiv Koblenz
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Unsere Heft 65 2020 Archive Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven Corona Sonderausgabe Corona – Schriftgutverwaltung digital. Pop-Ikonen im Saarland – ein Virus ändert alles Neue Schulungsangebote Fotos aus drei Jahrzehnten Seite 8 des Landeshauptarchivs Seite 54 Seite 42
Unsere Archive Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven Corona Sonderausgabe
Inhaltsverzeichnis Editorial 6 Thema: Corona Corona – ein Virus ändert alles 8 Beate Dorfey Vom Nutzen der Archive in der Corona-Krise 11 Peter Wettmann-Jungblut Referendariat in ganz besonderen Zeiten 14 Sabine Schneider Die Arbeit der Evangelischen Archivstelle Boppard in Zeiten von Corona 16 Andreas Metzing „Archivist@home“ – Archiv von zuhause aus 18 Christina Röhrenbeck Neu entdeckt Wir stellen vor: Bestand Waldböckelheim 20 Rainer Seil Katasterbände und Karten im Landesarchiv Speyer 22 Gisela Fleckenstein Das Niersteiner Stadtarchiv – eine Fundgrube für die Regionalforschung 24 Susanne Bräckelmann Alles nur böse Luft? Eine Saarbrücker Pestordnung von 1574 – 26 und was man aus ihr über Vergangenheit und Gegenwart lernen kann Paul Burgard Aus der Archivarbeit Der erste große Schritt zur Rettung der Trierer Meldekarten 30 Angelika Tarokic Rückstandsbearbeitung im Team – ein Erfahrungsbericht 33 Jörg Pawelletz Rückblick 2019 und Ausblick auf die Jahre 2020/2021. 34 Landesstelle Bestandserhaltung (LBE) stellt Arbeit in 2020 auf digitale Formate um Friederike Kaulbach/Arlett Kost-Mahle Blick von außen Mein Archiv 36 Sabine Graf Workshop im Landeshauptarchiv Koblenz 38 Pia Nordblom Impressum Unsere Archive. Herausgeber Redaktion Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz Dr. Beate Dorfey, Dr. Christine Goebel, und saarländischen Archiven. und Landesarchiv Saarbrücken Andrea Grosche-Bulla, Dr. Ludwig Linsmayer Heft 65, 2020. in Zusammenarbeit mit dem Lenkungskreis unter Mitarbeit von Christine Frick und Corona-Sonderausgabe. Archivtag Rheinland-Pfalz / Saarland. Isabell Weisbrod. Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Das Heft erscheint jährlich und wird kostenlos abgegeben. 4 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Archiv im Wandel Eine für alle. Die landeseinheitliche Aussonderungsschnittstelle 39 für die landeseinheitliche E-Akte Beate Dorfey Schriftgutverwaltung digital. Neue Schulungsangebote 42 des Landeshauptarchivs Markus Wingerath Archive und Geschichtskultur 321 – 2021. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland 43 Andreas Metzing 90 Jahre Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz 44 (Protestantische Landeskirche). Ein Jubiläum in schwieriger Zeit Gabriele Stüber Kommunikation – Von der Urkunde bis zum Tweet. 47 Das Angebot des Landeshauptarchivs Koblenz zum „Tag der Archive“ 2020 Christine Goebel Tag der Archive 2020. Die Ausstellung „Von der Depesche zum Denkmal“ 49 im Landesarchiv des Saarlandes Jutta Haag Ausstellungen „Pop-Ikonen im Saarland – Fotos aus drei Jahrzehnten“ 54 und „Chansons sans frontières“ Jutta Haag 75 Jahre Johannes Gutenberg-Universität Mainz (1946 – 2021). 56 Countdown zur Festschrift in Zeiten von COVID-19 Sabine Lauderbach Vom Heimatmuseum „Schloss Hachenburg“ zur Ausstellung 58 „HACHENBURG Anno Domini 1314“ im historischen Gewölbekeller Jens Friedhoff Neuerscheinung: 61 Burgen – Schlösser – Befestigungen im Raum Hachenburg Jens Friedhoff Kurz und bündig In Memoriam Didier Hemmert (23. Oktober 1956 – 4. April 2020), 62 Stadtarchivar von Saargemünd Wolfgang Müller/Michael Sander Abbau von Verpackungsrückständen dank KEK-Förderung 63 im Stadtarchiv Neunkirchen Karin Carl/Christian Reuther Das Außenlager des Stadtarchivs Mainz ist umgezogen 64 Ramona Weisenberger APERTUS. Der virtuelle Lesesaal der Landesarchivverwaltung 66 kurz vor dem Start Beate Dorfey Autorinnen und Autoren 67 Kontakt Satz und Layout Druck post@landeshauptarchiv.de oder Refine Media Durchblick Werbung landesarchiv@landesarchiv.saarland.de. Dirk Diederich Brückenstr. 22 Fährstraße 8 54290 Trier 56332 Dieblich Unsere Archive - Heft 65 I 2020 5
Editorial 1974: Erstausgabe. 1998: erstes Heft mit neuer Schrifttype. „Unsere Archive“ wagen in die- ten. Gelegentlich werden wir auch Archivmanagements bis hin zu Son- sem Jahr einen Neustart, ästhetisch Wünsche äußern: Zum Beispiel über deraktionen wie die Projektwoche und konzeptionell! Wir haben dem die Verwendung von Kleister und zur Rückstandsbearbeitung in der Heft eine neue Struktur gegeben Büroklammern in Akten oder über rheinland-pfälzischen Landesarchiv- und uns vorgenommen, inhaltlich das Sammeln von Wahlplakaten und verwaltung. abwechslungsreicher zu werden. Flugblättern… ‚Unsere Archive‘ soll Ähnlich greift auch die Rubrik Wir versuchen, einen größeren Le- Ihr Informationsblatt sein über Ihr „Kurz und bündig“ auf, was es schon serkreis anzusprechen und unsere Archiv.“ vorher in „Unsere Archive“ zu lesen Interessenten auch als Autoren an Was sich in den vergangenen gab: Nachrichten über den Bezug unserer Zeitschrift zu beteiligen. Jahrzehnten bewährt hat, werden neuer Gebäude, personelle Neu- Wenn man einen neuen Weg ge- wir auch in Zukunft, zum Teil in modi- besetzungen, Ankündigungen von hen will, ist es gut daran zu erinnern, fizierter Form, beibehalten. Vorträge Veranstaltungen und Terminen. In wo der alte begann. 1974, vor 46 vom letzten Archivtag Rheinland- diesem Jahr gehört dazu leider auch Jahren, erschien die erste Ausgabe. Pfalz / Saarland sollen auch im neuen der Nachruf auf einen französischen Sie wurde noch im Schreibmaschi- Format erscheinen. Sie werden aller- Kollegen aus der Großregion, der an nensatz erstellt, mit Heftklammern dings eher in Ausschnitten präsen- COVID-19 verstorben ist. gebunden und war gerade einmal 13 tiert und mit anderen Beiträgen zu Neu ist die Rubrik „Archiv im Seiten stark. Von Beginn an wollten inhaltlichen Schwerpunkten gebün- Wandel“. Sie trägt der Tatsache „Unsere Archive“ keine Art „Firmen- delt. Da der diesjährige Archivtag Rechnung, dass das Archivwesen zeitschrift“ für die Archiv-Communi- „Corona-bedingt“ ausfiel, rücken der sich seit gut zwei Jahrzehnten in ty, sondern ein Mitteilungsblatt für Umgang der rheinland-pfälzischen einer fundamentalen Umbruchsitua- Benutzer und Interessierte der abge- und saarländischen Archive mit dem tion befindet und sich ständig neuen benden Stellen sein. Corona-Virus und die sich daraus er- Herausforderungen stellen muss. „Was wir bringen wollen?“, gebenden Beeinträchtigungen für Gemeint sind damit nicht nur die schrieb der Koblenzer Leitende die Archive in den Mittelpunkt der digitale Langzeitarchivierung oder Archivdirektor Franz-Josef Heyen aktuellen Ausgabe. die Vorbereitungen für einen virtu- 1974, ist „jedenfalls keine Fachinfor- Unter der Rubrik „Aus der Archiv- ellen Lesesaal. Auch andere Fragen mation für den Kollegen im Nach- arbeit“ wollen wir Beiträge aus allen wie zum Beispiel wichtige juristische bararchiv. Dazu gibt es die Fachzeit- Teilbereichen des archivischen Work- Neuerungen sollen hier diskutiert schrift. Wir wollen Ihnen sagen, was flows bringen: Aktenübernahmen, werden, wobei der Fokus nicht in wir tun… und was wir planen. Wir Bewertungen, Bestandserhaltungs- erster Linie auf der Innovation liegt, werden über neue Bestände, Findbü- maßnahmen, Erschließungsprojek- sondern auf der Frage, wie in den cher und Veröffentlichungen berich- te, Fragen des Benutzerservices und verschiedenen Archiven unserer 6 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
tionen geworben wird. Unsere Heft 65 2020 Neu ist die Zielrichtung, unter der die betreffenden Beiträge zukünftig Archive ausgewählt werden sollen. Der Fo- kus liegt nicht auf archivischer Öf- fentlichkeitsarbeit, sondern auf dem Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven Beitrag der Archive für die lokale und regionale Geschichtskultur. Archive sind hier nur ein Player unter vielen: Sie kooperieren und konkurrieren mit Museen, Bibliotheken, Gedenk- stätten, universitären Lehrstühlen, zuweilen auch mit Politik und Presse. Corona Sie wirken mit am historisch-kultu- Sonderausgabe rellen Leben, sie helfen dabei, Ge- Corona – Schriftgutverwaltung digital. Pop-Ikonen im Saarland – schichtsbewusstsein zu prägen, und je besser sie das tun, umso mehr ein Virus ändert alles Neue Schulungsangebote Fotos aus drei Jahrzehnten Seite 8 des Landeshauptarchivs Seite 54 Seite 42 werden sie auch wahrgenommen, 2008: erste nicht mehr gelumbeckte 2020: Relaunch und Neukonzeption. umso eher finden Archivzeitschrif- Ausgabe mit vermehrten farbigen ten einen Leserkreis, der sich nicht Abbildungen im Innenteil. nur für Archivfragen, sondern gene- rell für den Dialog zwischen Vergan- Region damit umgegangen wird. In trägen am liebsten aus erster Hand genheit und Gegenwart interessiert. dieser Ausgabe stellen wir dazu ein berichtet und deshalb oft und gerne Mit diesem neuen Programm neues Koblenzer Schulungsangebot die Archive der Region besucht. und mit einem komplett neu ge- zur digitalen Schriftgutverwaltung In der Rubrik „Neu entdeckt“ stalteten Design, neuem Logo und vor und berichten über die Einrich- breiten „Unsere Archive“ ihre Schät- neuem Cover, wenden sich „Unsere tung einer landeseinheitlichen Aus- ze aus. Gemeint sind nicht in erster Archive“ heute an Sie. sonderungsschnittstelle in Rhein- Linie Cimelien, sondern all jene his- Wenn unsere Intention aufgeht, land-Pfalz. torischen Quellen, die einen neuen ist es zugleich der Beginn eines in- Ein Grundsatz bei der Neugestal- Blick auf die Gegenwart ermöglichen, tensivierten Dialogs zwischen Re- tung von „Unsere Archive“ war, dass die uns unser Geschichtsbild in der daktion und Leserschaft. Wir wün- wir eine Zeitschrift gestalten wollen, einen oder anderen Frage überden- schen Ihnen viel Freude mit diesem die weit über den Kreis der Archiva- ken lassen, oder die in ihrer Infor- neuen Format! re hinausreicht. Deshalb ist fast die mationsdichte – wie zum Beispiel im Hälfte des Heftes mit Beiträgen ge- Fall von Katasterbänden und Karten Ludwig Linsmayer, füllt, die diesem Anspruch gerecht – noch nicht adäquat historisch auf- für die Redaktion werden können. gearbeitet und ausgewertet sind. In- Ganz wichtig ist in diesem Zu- teressant erscheinen vor allem his- sammenhang die Rubrik „Blick von torische Parallelitäten: Der Blick auf außen“. Wir wollen Archivbenutzer, eine frühneuzeitliche Pestordnung Pressevertreter, die häufig unser Ar- lässt uns die heutigen Maßnahmen chiv besuchen, Wissenschaftler, die zur Eindämmung der Corona-Epide- hier Projekte durchführen, aber auch mie fundierter einordnen. Politiker dazu ermuntern, in kurzen Die Rubrik „Archive und Ge- Artikeln darzulegen, was sie an den schichtskultur“ schließlich bringt in- Archiven besonders interessiert, haltlich vieles, was seit langem zum welche Erfahrungen sie gemacht ha- festen Informationsbestand von ben und wie sich die heutige Archiv- „Unsere Archive“ gehört: Berichte entwicklung aus ihrer Sicht darstellt. über neue Publikationen, Ausstellun- Auch Kritik und Anregungen sind gen, wichtige Jubiläen, an deren Be- selbstverständlich willkommen. gehung Archive beteiligt sind, oder So kommen in diesem Heft eine auch Berichte vom Tag der Archive, Universitätsdozentin und eine freie mit dem seit vielen Jahren öffent- Journalistin zu Wort, die in ihren Bei- lichkeitswirksam für unsere Institu- Unsere Archive - Heft 65 I 2020 7
Thema: Corona Photo by CDC on Unsplash. Corona – ein Virus ändert alles Beate Dorfey Wir waren darauf vorbereitet, TUS zur Entwicklung eines Virtuel- in der Öffentlichkeitsarbeit auf den einen weiteren spannenden Archiv- len Lesesaals mit Open Access zu Weg gebracht. Sogar die seit lan- tag für die rheinland-pfälzischen unserem Archivgut und die Aufga- gem anstehende Sanierung des Ko- und saarländischen Archivarinnen benkritik weiter vorantreiben, da- blenzer Altmagazins war nach vie- und Archivare zum Thema „Archi- mit wir die Landesarchivverwaltung len Verzögerungen auf einem guten vische Bildungsarbeit“ durchzufüh- fit machen für die Anforderungen Weg. Wir wollten unsere Arbeit ma- ren. Die überfällige Neugestaltung der digitalen Welt und die damit chen, und wir hatten uns viel vor- von „Unsere Archive“ wollten wir verbundenen Umbrüche. Wir hat- genommen, sogar noch mehr als vorstellen, die von Herrn Linsmay- ten ein Programm zur Aufarbeitung üblich. Wir steckten mitten drin und er so innovativ wie ansprechend von Rückständen aufgelegt, zahlrei- waren voller Elan. entwickelt worden war. Wir wollten che Abgaben und Aussonderungs- unsere großen Projekte wie APER- termine vereinbart, neue Projekte Und dann kam Corona. 8 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Im Nachhinein erinnere ich mich mussten sich abwechseln, damit die fice, auf diese Weise wieder in den vor allem an die Diskrepanz zwi- Belastungen für die einzelnen Kolle- Dienstbetrieb bringen konnten. schen tatsächlicher und gefühlter ginnen und Kollegen im vertretbaren Mit vorbildlichem Einsatz und Zeit. Tatsächlich brach die Entwick- Rahmen blieben. Verantwortungsbewusstsein haben lung in rasender Geschwindigkeit Wie in vielen Behörden gewann die Abteilungsleiter Einsatzpläne über uns herein. Donnerstags disku- das Homeoffice eine neue Dimen- und das Krisenteam Regelungen tierten wir noch kontrovers die Absa- sion. Es stellte sich heraus, dass die und Vorgaben entwickelt, die uns ge von Vorträgen, was von den einen LAV bei weitem nicht genug Homeof- einen konstruktiven Notbetrieb er- als übertriebene Hysterie und von fice-Plätze hatte, um den gestiege- möglicht haben. Das Ausmaß an den anderen als längst überfällige nen Bedarf zu befriedigen. Denn Solidarität und Einsatzbereitschaft Schutzmaßnahme eingestuft wur- durch die Schul- und Kita-Schließun- bei allen Kolleginnen und Kollegen de. Am nächsten Tag haben wir ein gen und die besonderen Schutzvor- war beeindruckend. Alle waren be- Krisenteam, bestehend aus mir als kehrungen bei der Pflege bedürftiger strebt, ihren Beitrag zu leisten, und amtierender Dienststellenleiterin, Angehöriger war der Bedarf immens zwar stets weit über das geforderte dem Verwaltungsleiter der LAV, dem angewachsen, aber auch durch die Maß hinaus. Referenten für die Liegenschaftsver- Regelungen zum Umgang mit älte- Dennoch blieb der Notbetrieb waltung der LAV und einer Vertrete- ren Kolleginnen und Kollegen sowie nicht ohne Folgen. Veranstaltungen rin des Gesamtpersonalrats, gebil- Kolleginnen und Kollegen mit ein- wie der Archivtag mussten abgesagt det, das künftig über die Geschicke schlägigen Vorerkrankungen, wie sie werden, zahlreiche Anfragen konn- der LAV in Corona-Zeiten bestimmen vom Robert-Koch-Institut definiert ten nur sehr verzögert beantwortet, sollte, in enger Absprache und Zu- worden waren. Nahezu 70 Prozent manche Dienstleistungen mussten sammenarbeit mit den Abteilungs- des Kollegenkreises fiel am Ende vorübergehend ausgesetzt werden. leitern. Am folgenden Dienstag, dem in die Gruppe derjenigen Kollegin- Projekte mussten auf Eis gelegt wer- 17. März, habe ich die Lesesäle ge- nen und Kollegen, die vom Präsenz- den, insbesondere, wenn sie größe- schlossen. Und eine weitere knappe dienst zu befreien waren und denen re Besprechungen oder gar Reisen Woche später habe ich die Landes- ein Homeoffice-Platz anzubieten zwischen den Standorten erforder- archivverwaltung am 23. März in den war. Wir hatten nur für maximal ein lich machten. Denn Dienstreisen, Notbetrieb geschickt. Viertel der Kolleginnen und Kollegen einschließlich der Besuche von Be- Nur ein ganz kleines Team soll- Homeoffice-Plätze. Glücklicherweise hörden oder die Teilnahme an Gre- te an wenigen Stunden pro Tag die hat der Landesbetrieb Daten und In- mien, standen natürlich auch nicht notwendigsten Aufgaben erledigen, formation (LDI) schnell reagiert und länger zur Disposition. da wir den Dienstbetrieb nicht ganz uns noch einmal dieselbe Zahl von Wie die gesamte Verwaltung, einstellen konnten. Denn anders als Homeoffice-Plätzen zur Verfügung ja die gesamte Gesellschaft, sind Museen oder Bibliotheken haben stellen können, sodass wir am Ende auch wir entschleunigt und her- Archive auch rechtswahrende Aufga- nahezu die Hälfte derjenigen Kol- untergefahren worden und began- ben: Wir erbringen die nötigen Nach- leginnen und Kollegen, deren Auf- nen ab Ende April vorsichtig mit weise für Grundstücksangelegen- gaben geeignet waren für Homeof- den ersten Schritten zurück zum heiten, Personenstandsfragen oder Versorgungsansprüche. Es stand Foto: Landeshauptarchiv Koblenz. daher von Anfang an außer Frage, dass die Erfüllung solcher Aufgaben gesichert sein musste. Aber auch Rechnungen mussten bezahlt und Personalsachen bearbeitet werden. Und die EDV musste funktionieren. Es musste ein Team gebildet wer- den, das wenigstens Verwaltung und Facharchivarinnen und Facharchiva- re umfasste, aber auch Reinigungs- kräfte und den Pfortendienst in Koblenz. Strenge Abstands- und Hy- gieneregeln mussten etabliert wer- den, damit der Schutz der Kollegin- nen und Kollegen zu jedem Moment gewährleistet war. Und die Teams Unsere Archive - Heft 65 I 2020 9
Thema: Corona Photo by Kelly Sikkema on Unsplash. Abstände einzuhalten, Büros umzu- räumen, Stellwände zu stellen. Be- sprechungen im Landeshauptarchiv können, wenn sie mehr als sechs Teilnehmer*innen haben, nur noch im Lesesaal durchgeführt werden. Statt Dienstreisen machen wir jetzt verstärkt Videokonferenzen. Für ei- nige Kolleginnen und Kollegen blieb der Anteil der Telearbeit wegen Kin- derbetreuung oder der Pflege von Angehörigen, aber auch wegen der Zugehörigkeit zu einer besonderen Risikogruppe besonders hoch, was zu einer grundsätzlichen Neubewer- tung der Telearbeit in der LAV führen muss und wird. Auch unsere großen Projekte sind wieder angelaufen, auch wenn sich die Rahmenbedingungen deut- lich verändert haben. Doch die Krise Normalbetrieb. Dabei entpuppte welche Abstände sind wo wie ein- hat uns viele Lektionen gelehrt. Eine sich der Abwägungsprozess zwi- zuhalten, Umgang mit der Masken- Digitalisierung unserer Arbeit und schen Gesundheit und Aufgaben- pflicht usw. waren zu klären. Nahe- unseres Dienstleistungsangebotes, erledigung als die noch schwierigere zu wöchentlich sich verändernde wie wir es mit dem Projekt APERTUS Aufgabe. Wie schon beim Lockdown Dienstpläne, um den unterschied- bereits vor Corona auf den Weg ge- waren wir in unseren Entscheidun- lichen Bedürfnissen und Anforde- bracht haben, ist heute dringender gen nicht frei, sondern an die Vorga- rungen der Belegschaft gerecht zu denn je. Das haben wir erkannt und ben der Politik gebunden. Und natür- werden, zerrten an den Nerven von arbeiten derzeit mit Hochdruck an lich konnten wir so wenig wie andere Krisenteam und Belegschaft. Und unserem Virtuellen Lesesaal, der un- die zukünftigen Entwicklungen vor- allzu vieles blieb weiterhin unklar seren Besucherinnen und Besuchern aussehen. Doch unser Ziel war stets und ungeregelt und war in unsere al- weltweit und mit allen Serviceleis- klar: Wir wollten die Lesesäle so leinige Verantwortung gestellt, nicht tungen eines „normalen“ Lesesaals schnell wie möglich wieder öffnen, selten begleitet von einem tiefen den Zugang zur Archivgut anbieten sobald die Gesundheit und Sicher- Seufzer des Gefühls des Alleingelas- wird, damit wir die Fertigstellung wie heit unserer Mitarbeiterinnen und senseins und der Ratlosigkeit bei der geplant zu Beginn des Jahres 2021 Mitarbeiter gewährleistet waren. Wir Schreiberin dieser Zeilen, die in die- mit einem Festakt in Anwesenheit wollten unser Dienstleistungsange- sen Monaten die Verantwortung der der rheinland-pfälzischen Minister- bot schrittweise bis zum Normalbe- Dienststellenleitung trug. präsidentin feiern können. trieb wiederaufnehmen. Wir wollten Nach acht Wochen Notbetrieb Denn wir wissen, dass die Pan- unsere Projekte wiederaufnehmen, mit Notbelegschaft und Schicht- demie noch nicht vorüber ist, und vorantreiben und so unseren Beitrag dienst konnten wir immerhin ab dem keiner weiß, ob es die gefürchtete zur Digitalisierung der Verwaltung 11. Mai unsere Lesesäle in Koblenz zweite Welle geben wird. Doch eines und Verbesserung des Zugangs zu und Speyer endlich wieder öffnen, steht bereits jetzt fest: Wir haben als dem Archivgut des Landes leisten. kurze Zeit später auch die Lesesäle Gesellschaft und als Landesarchiv- Oder kurz gesagt: Wir wollten in den Außenstellen, nachdem die verwaltung bislang eine nie da gewe- wieder zurück in die Mitte der Ge- räumlichen Anforderungen gemäß sene Krise erfolgreich gemeistert, es sellschaft, als Teilnehmer am gesell- Abstands- und Hygienevorschriften gab keine Vorbilder und keine Blau- schaftlichen Leben und als dessen erfüllt waren. Doch weiterhin ist der pausen. wichtiger Beiträger. Betrieb eingeschränkt und mit Aufla- Wie wir bisher damit umgegan- Doch gerade das schrittweise gen wie Voranmeldung verbunden. gen sind, dafür gebührt allen, die da- Wiederhochfahren des Dienstbe- Die Kolleginnen und Kollegen ran mitgewirkt haben, größter Dank triebs blieb eine wahre Herkulesauf- konnten es derweil kaum erwarten, und Anerkennung. gabe, trotz der stetig zunehmenden endlich an den Arbeitsplatz zurück- Lockerungen. Wer darf wie arbeiten, zukehren. Doch auch hier waren 10 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Lesesaal Anfang Mai 2020: Aufsicht hinter Plexiglasscheiben, reduzierte und distanzierte Benutzerarbeitsplätze, letzter Tag der permanenten Maskenpflicht im Lesesaal. Foto: Landesarchiv Saarbrücken. Vom Nutzen der Archive in der Corona-Krise Peter Wettmann-Jungblut Die seit Jahresbeginn 2020 ein- den sogenannten „vulnerablen“ Ge- Archive von coronabedingten Ein- setzende weltweite Verbreitung von sellschaftsmitgliedern auferlegt. schränkungen und Verhaltensmaß- COVID-19 hat die bis vor kurzem ge- Umstritten ist derzeit allenfalls noch regeln betroffen, wenngleich deren wohnten Formen individuellen Le- die Frage, ob und wie nachhaltig die- Auswirkungen nicht so einschnei- bens und sozialen Zusammenlebens se Entwicklungen sein werden, ob dend wie für Theater, Museen oder teilweise dramatisch verändert. es ein Zurück zum Status quo ante freie Kulturschaffende ausfielen. Lockdown, Quarantäne, Masken- oder eher ein Leben mit COVID-19 Großveranstaltungen in geschlos- pflicht und Reiseverbote markieren und seinen eventuell irreversiblen senen Räumen oder im Freien zähl- eine für viele Nationen unbekann- gesellschaftlichen und ökomischen ten bekanntlich noch nie zum Kern- te Macht der staatlichen Exekutive, Effekten geben wird. und Alltagsgeschäft der Archive, so während sich die Zivilgesellschaft Wie alle anderen kulturellen Ein- dass sich die Transformation in eine soziale Distanz und Solidarität mit richtungen waren und sind auch die von der Abstandsmaxime geleitete Unsere Archive - Heft 65 I 2020 11
Thema: Corona „distanzierte“ Gesellschaft problem- Als sich die Situation in den von Corona (angeblich) intensivier- loser vollziehen ließ. Die konkrete nächsten Tagen weiter zuspitzte, te Reinigung der Toiletten sowie die Ausgestaltung der neuen Regeln und erarbeiteten wir am 12. März einen Reinigung unseres Archivgebäudes die Folgen für die Mitarbeiter*innen Pandemie-Plan. Dem allgemein für im Allgemeinen durch die Firma und Benutzer*innen im saarländi- das Saarland am 18. März verhäng- toppp Dienstleistungen und Reini- schen Landesarchiv sollen hier in ten Lockdown kamen wir mit der gung GmbH brachte dem Landes- ihrer chronologischen Abfolge zwi- Schließung des Archivs für den Pu- archiv sogar einen „sauberen“ Auf- schen März und Juni 2020 kurz ge- blikumsverkehr einen Tag zuvor. Für tritt im Regionalfernsehen ein. Der schildert werden. die Mehrzahl der Kolleg*innen Saarländische Rundfunk sendete am Ende Februar/Anfang März liefen und studentischen Mitarbeiter*in- 15. April einen Beitrag im Aktuellen die Vorbereitungen für den „Tag der nen änderte sich das Arbeitsleben Bericht zum Thema „Unterwegs mit Archive“ und die dafür konzipierte nur wenig; lediglich ein Kollege ging Reinigungskräften in der Corona-Kri- Ausstellung „Von der Depesche zum aufgrund der Schließung von Kitas se“, der eine Woche zuvor in unse- Denkmal. Der Deutsch-Französische und Schulen dauerhaft ins Homeoffi- ren Räumlichkeiten aufgenommen Krieg in der regionalen Kommunika- ce, eine weitere Kollegin für zwei Tage worden war, da gemäß den Angaben tion“ auf vollen Touren. Die letzten in der Woche. In der Folge wurden des SR keine andere staatliche Insti- Tage wurden allerdings bereits von zwecks Einhaltung der umfassenden tution Dreharbeiten erlaubt hatte. leichten Zweifeln an der Durchführ- Sicherheits- und Schutzmaßnahmen Knapp eine Woche später, am barkeit begleitet: Aus Italien trafen Außentermine und Gremiensitzun- 20. April, öffnete unser Lesesaal beunruhigende Meldungen ein, am gen ebenso abgesagt wie Besuche nach nur fünf Wochen mit an den ak- 3. März war der erste Corona-Fall im von Handwerkern oder Postlieferan- tuellen Pandemie-Verordnungen ori- Saarland aufgetreten, erste Veran- ten, Kommunikation und „Laufwege“ entierten Maßregeln wieder für den staltungen wurden abgesagt und die im Archivgebäude wurden neu orga- Publikumsverkehr. Die Anzahl der Bevölkerung reagierte mit beginnen- nisiert und die Einhaltung von Hygi- Benutzerplätze ist zwecks Einhal- den Hamsterkäufen. Allen Zweifeln eneregeln verbindlich vorgeschrie- tung der Abstandregel bis heute auf zum Trotz öffneten wir wie die meis- ben. Da alle Mitarbeiter*innen über sechs beschränkt, die Benutzer*in- ten anderen Archive unser Haus am ein eigenes Büro verfügen und die nen werden auf Hygiene- und Infek- 7. März für das wider Erwarten zahl- studentischen Hilfskräfte sich relativ tionsschutzregeln hingewiesen, ih- reich erscheinende Publikum, wobei einfach auf Lesesaal und Büroräu- nen wird zudem nahegelegt, sich im es jedoch einige vorab formulierte me „vereinzeln“ ließen, konnten die Voraus anzumelden, um nicht auf- Sicherheitsmaßnahmen zu beachten Abstandregeln problemlos einge- grund der bereits erreichten Nutzer- galt. So wurden beispielsweise alle halten werden. Zudem wurden alle höchstzahl abgewiesen zu werden. Führungen nur mit einer maximalen vorhandenen Damen- und Herren- Aufgrund der seit dem 27. April gel- Zahl von 15 Teilnehmer*innen durch- Toiletten auf maximal zwei bis drei tenden Maskentragepflicht mussten geführt, und für die Besucher*innen, (feste) Benutzer*innen aufgeteilt, so sowohl Besucher*innen als auch das die sich freiwillig in Anwesenheitslis- dass auch auf den „stillen Örtchen“ Aufsichtspersonal eine Mund-Na- ten eintragen konnten, stand Hand- ein Minimum an Sozialkontakten sen-Bedeckung tragen, woran sich desinfektionsmittel bereit. stattfand. Speziell die in den Zeiten alle ohne Murren und Klagen hiel- ten. Wiederum eine Woche später wurde zur spürbaren Erleichterung der Archivnutzer*innen die Bestim- mung dahingehend gelockert, dass die Masken am Arbeitsplatz selbst abgelegt werden dürfen. Der Ar- beitsbereich des Aufsichtspersonals wird bereits seit der Wiederöffnung Reinigen in Zeiten der Corona- Krise, Aktueller Bericht des SR am 15. April 2020 (Aufnahme: Saarländischer Rundfunk), Sendung in der Mediathek unter: https://www.sr-mediathek.de/index. php?seite=7&id=86481. 12 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Desinfektion von Geräten im Lesesaal durch das Aufsichtspersonal vor und nach jeder Benutzung. Foto: Tom Gundelwein. mittels Plexiglasscheiben vor erhöh- ter Infektionsgefahr geschützt, Be- ratungsgespräche zwischen Archiv- personal und Benutzer*innen finden im Besprechungsraum ebenfalls hinter trennendem Plexiglas und mit der maximalen Dauer von 15 Minu- ten statt. Ende Juni 2020, so könnte man abschließend festhalten, hat sich im saarländischen Landesarchiv nach zwei kurzen Phasen des Stillstands und des Experimentierens so etwas wie eine „neue Normalität“ etabliert, die sowohl von den Mitarbeiter*in- nen als auch von den Benutzer*in- nen angenommen wird. Letztere sind zufrieden und dankbar, dass man ihnen das Arbeiten im Archiv Beratungsgespräch mit Mindestabstand und einer trennenden Plexiglasscheibe. mit kleinen, aber erträglichen Hin- Foto: Tom Gundelwein. dernissen nach wie vor ermöglicht, erstere haben – nicht zum ersten aussehen wird. Wird die Digitalisie- ten Archivpersonal nicht mehr in Mal – erkannt, dass der gesellschaft- rung forciert und werden die Archi- direkten Kontakt treten? Im nach liche Nutzen der Archive nur durch ve in verstärktem Maße ohne die Meinung vieler Virologen langen ihr beständiges Nützen anerkannt physische Präsenz der Forschenden Schatten von COVID-19 kann jede und gewürdigt wird. Nach wie vor genützt werden? Oder werden die Entwicklung nur eine vorläufige sein, ungewiss ist freilich, ob der jetzige Benutzer*innen künftiger Jahrzehn- um Risiken, wenn nicht ausschalten, Zustand von Dauer oder nur vorläu- te in isolierten Kabinen arbeiten und so doch wenigstens kalkulierbar und fig ist und wie das Archiv der Zukunft mit dem durch Plexiglas geschütz- überschaubar machen zu können. Unsere Archive - Heft 65 I 2020 13
Thema: Corona Foto: Sabine Schneider. Referendariat in ganz besonderen Zeiten Sabine Schneider Überall, so scheint es, ist mo- Behördenpraktikum und Digitalisie- licher Literatur zur Überlieferungs- mentan die Rede von einer „ganz rungsstrategien, mit der Herausfor- bildung auf dem Schoß. Was ma- besonderen Zeit“, die wir gerade derung, erstmals Familie und Beruf che ich hier eigentlich, Urlaub oder durchleben. Das stimmt zweifelsoh- unter einen Hut bringen zu müssen. Arbeit? In welche verrückte Welt bin ne, doch für mich sind diese Wochen Doch niemals hätte ich mir träumen ich da gestolpert? Ein Gefühl wie wohl doppelt besonders: Schon als lassen, wie besonders diese Monate damals im Studium oder während ich Ende 2019 erfuhr, dass ich im Mai für uns alle werden würden. der Arbeit an der Dissertation. Wie 2020 mit dem Archivreferendariat in Die Maisonne strahlt vom blauen kann das sein, dass ich trotz Corona Koblenz beginnen könne, habe ich Himmel und ich sitze in der sanft hin dermaßen privilegiert bin? Solche mir diese Zeit als eine ganz beson- und her schaukelnden Hängematte Gedanken kamen mir recht häufig. dere vorgestellt: Für mich persön- mit Blick auf meinen blühenden Gar- Mein Start ins Archivreferendariat lich als eine Zeit voller spannender ten. Statt einem guten Roman habe am Landeshauptarchiv Koblenz war neuer Erfahrungen mit Archivalien, ich einen Stapel archivwissenschaft- unvorstellbar, ja schon fast surreal, 14 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
mit ganz anderen Ausbildungsinhal- Dass ich in den ersten Wochen viel Infektionszahlen in die Höhe schie- ten als ich erwartet hatte, aber auch Zeit mit Transkriptionen und Selbst- ßen? Werde ich also meine Kurskol- entspannt und trotz der Umstände studium verbracht habe, war kein legen überhaupt nicht persönlich nicht chaotisch. großes Problem. Ausbildungsinhal- kennenlernen können? Werden die Nach gut zwei Stunden am neu- te, die nur vor Ort im Archiv vermit- Exkursionen des Lehrgangs statt- en Arbeitsplatz gleich ins Homeoffi- telt werden können, verschieben finden können? Und werden die ak- ce wechseln – das gibt es wohl auch sich nun eben in die Sommermona- tuellen Ausbildungsjahrgänge im- nur in diesem ganz besonderen Jahr te, da ich erst ab Juni jeden Tag dort mer die „Corona-Jahrgänge“ sein? 2020, während des Stillstands des arbeiten konnte. Exkursionen in Diese Ungewissheit ist zwar ner- öffentlichen Lebens infolge der Co- andere Archive mussten leider teil- venaufreibend, bleibt aber wohl die rona-Pandemie. Als Archivreferen- weise ausfallen und bangen musste einzige Gewissheit, denn wenn es darin im Landeshauptarchiv Koblenz ich lange um die Praktika im Stadt- eine Lehre aus dieser Zeit für mich hatte ich erwartet, am Anfang mei- archiv Koblenz sowie in zwei Be- geben kann, dann wohl diese: Pläne ner Ausbildung viele neue Gesich- hörden im Herbst. Glücklicherweise zu schmieden lohnt nicht. Und das ter und jede Menge Arbeitsabläufe können diese nun wie geplant statt- einzig Sinnvolle ist, sich an die Hoff- eines großen Archivs kennenzuler- finden. Doch wie wird dann wohl nung zu klammern, dass die zwei- nen – eine eigentlich spannende Per- die Zeit an der Archivschule in Mar- te Welle der Pandemie ausbleiben spektive. Dann kam Corona. Mitte burg? Werden wir, wie die aktuellen möge, sodass der Rest meines Re- April erhielt ich den Anruf, dass ich Kurse, ausschließlich online unter- ferendariats doch noch in gewohn- wohl schon ab dem zweiten Tag Ar- richtet werden, weil im Winter die ten Bahnen verlaufen kann. beitsaufträge von zuhause bearbei- Foto: Landeshauptarchiv Koblenz. ten werde. Letztlich war ich im gan- zen Mai nur sieben Tage in Koblenz. Den Rest verbrachte ich am heimi- schen Laptop damit, französische, lateinische und deutsche Quellen aus verschiedenen Jahrhunderten zu transkribieren und zu überset- zen. Zudem habe ich mich mithilfe einschlägiger Literatur in die archiv- wissenschaftliche Theorie der Über- lieferungsbildung und Bestandser- haltung eingearbeitet. Das hört sich nun vielleicht et- was eintönig an, war aber halb so wild, denn das stundenlange Tüf- teln an einer Quelle machte nicht nur erstaunlich viel Spaß, sondern brachte auch einige Vorteile mit sich. Abgesehen davon, dass es sich in Hängematte und am hei- mischen Schreibtisch bequem arbeiten ließ, waren die Umstände durchaus geeignet, sich langsam an einen achtstündigen Arbeitstag zu gewöhnen, den ich schon lange nicht mehr erlebt hatte. Zudem er- möglichte diese Phase auch meinen Kindern, sich allmählich damit ab- zufinden, dass ich nun weniger Zeit für sie hatte. Gleichzeitig erschwert die Pandemie aber die Organisation unseres Familienlebens, da die Kin- dergärten nur eingeschränkt geöff- net sind. Und nicht zuletzt wird sich auch meine Ausbildung immer wie- der an Corona orientieren müssen. Unsere Archive - Heft 65 I 2020 15
Thema: Corona Fotos: Ev. Archivstelle Boppard. Die Arbeit der Evangelischen Archivstelle Boppard in Zeiten von Corona Andreas Metzing Die Evangelische Archivstelle Es begann eine mehrwöchige wortet werden konnten und lediglich Boppard bekam die Auswirkungen Home-Office-Phase, während der diejenigen, für deren Bearbeitung der Corona-Pandemie ab Mitte März die dreiköpfige Belegschaft der Ar- der Zugang zur Dienstbibliothek er- 2020 zu spüren. Am 16. März ordne- chivstelle Boppard aber dem größ- forderlich war, zurückgestellt werden te das Landeskirchenamt Düsseldorf ten Teil ihrer dienstlichen Aufgaben mussten. Auch Erschließungsarbei- als vorgesetzte Behörde die sofor- – abgesehen natürlich von der Be- ten waren im Home-Office möglich, tige Schließung der Benutzerräume nutzerbetreuung – weiterhin nach- da der VPN-Tunnel auch einen Zugriff an den Archivstandorten Düsseldorf gehen konnte. Durch VPN-Verbin- auf die Software ActaPro erlaubte. und Boppard an. Eine Woche später dungen war der Zugriff auf sämtliche Der Transport der zu erschließenden wurde der gesamte Dienstbetrieb im digitalisierte Kirchenbücher auch Archivalien von Boppard in die Pri- Zuständigkeitsbereich des Landes- von zuhause aus gewährleistet, so vatwohnungen der Mitarbeiter und kirchenamts und somit auch an den dass etwa 90 Prozent der genea- wieder zurück war freilich mit einem beiden Archivstandorten eingestellt. logischen Anfragen zeitnah beant- gewissen logistischen Aufwand ver- 16 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
bunden, so dass die Aktenverzeich- selbst weisen Piktogramme auf das entwickelt, die die coronabedingten nung im Home-Office nur als eine vo- richtige Verhalten hin. Die Mitarbei- Hygienemaßnahmen, die Anforde- rübergehende Notlösung erschien, terinnen und Mitarbeiter des Archivs rungen der Bestandserhaltung und die es aber immerhin ermöglichte, sowie die externen Reinigungskräfte das berechtigte Nutzungsinteresse den zentralen archivischen Arbeits- wurden mit den besonderen Anfor- sinnvoll unter einen Hut bringen. bereich der Erschließung auch in derungen hinsichtlich Desinfektion Nach diesen konzeptionellen Corona-Zeiten nicht ganz herunter- des Benutzerbereichs und regelmä- Vorarbeiten wurde schließlich am zufahren. ßigen Lüftens des Benutzerraums 26. Mai 2020 der Lesesaal der Ar- Nachdem die Bund-Länder-Eini- vertraut gemacht. chivstelle Boppard nach zehnwöchi- gung vom 15. April 2020 einen ein- Insbesondere beim letzten ger Pause wieder für die Benutzung geschränkten Betrieb von Archiven Punkt waren und sind allerdings geöffnet. Die Forscherinnen und ab dem 4. Mai grundsätzlich wieder auch Aspekte der Bestandserhal- Forscher signalisierten großes Ver- erlaubte, wechselte das Bopparder tung zu bedenken, denn gerade in ständnis für die Einschränkungen, Team in den regulären Präsenzmo- der warmen Jahreszeit weist die und es überwog die Freude, dass dus zurück. Eine der vordringlichen Außenluft gelegentlich einen Feuch- nach dem wochenlangen Lockdown Aufgaben bestand nun darin, Rah- tegrad auf, der Papier alles andere eine Archivbenutzung überhaupt menbedingungen zu schaffen, die als zuträglich ist. Weil jedoch über wieder möglich ist. Für das Personal auch wieder eine externe Benutzung 90 Prozent der Benutzerinnen und der Archivstelle ist der Benutzer- der Archivstelle ermöglichten. Zu- Benutzer der Archivstelle Boppard verkehr im Corona-Modus zwar mit nächst wurde in enger Abstimmung Kirchenbücher einsehen wollen und einem leichten Mehraufwand ver- mit der Düsseldorfer Zentrale und diese ohnehin nicht im Original, son- bunden (Maskenpflicht der Aufsicht, der Verwaltungsleitung des Lan- dern ausschließlich als Digitalisate regelmäßiges Lüften und Desinfizie- deskirchenamts ein entsprechen- oder Mikrofiches vorgelegt werden, ren), der aber durch das befriedigen- des Hygienekonzept entwickelt. stellt sich das Problem nur in sehr de Gefühl, endlich wieder dem zent- Die Platzverhältnisse in den Räum- entschärfter Form. Für die im Unter- ralen Auftrag des Archivs – nämlich lichkeiten der Archivstelle Boppard schied zu vielen anderen Archiven die Auseinandersetzung mit der Ver- ließen es zu, unter Beachtung der eher seltenen Fälle, in denen die gangenheit durch Bereitstellung von Mindestabstandsregelungen bis zu Benutzer der Archivstelle Boppard Quellen aus erster Hand zu ermög- zwei Benutzer pro Öffnungstag auf- Originale einsehen müssen, wer- lichen – nachkommen zu können, zunehmen. Gleichzeitig mussten den einzelfallbezogene Lösungen mehr als aufgewogen wird. Schutzvorkehrungen getroffen wer- den, die das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich halten sollten. Dazu gehörte u. a. die Entwicklung eines digitalen Benutzungsantrags, der bereits im Vorfeld des geplanten Archivbesuchs am heimischen PC ausgefüllt werden kann und muss, sowie eine Maskenpflicht für die gesamte Dauer des Aufenthalts im Archiv und das obligatorische Hän- dewaschen und Desinfizieren un- mittelbar nach Betreten der Archiv- räumlichkeiten. Bei der konkreten Umsetzung des Konzepts und mit Blick auf sei- ne Akzeptanz wurde dann vor allem auf größtmögliche Transparenz ge- achtet: Jeder Benutzer bekommt mit dem digitalen Benutzungsantrag zu- gleich ein Merkblatt mit den wichtigs- ten Verhaltensregeln übersandt, das darüber hinaus auch auf der Home- page des Landeskirchlichen Archivs veröffentlicht ist. In der Archivstelle Unsere Archive - Heft 65 I 2020 17
Thema: Corona Fotos: Adobe Stock und Christina Röhrenbeck. ... BLOG www.archivistathome.com „Archivist@home“ – Archiv von zuhause aus Christina Röhrenbeck Eines der Schlagwörter, die wäh- Lesesäle geschlossen sind, eine Ar- schen Schriften, die ich in den ver- rend der COVID-19-Pandemie im- chivnutzung nicht möglich ist – und gangenen Jahren gegeben habe. mer wieder aufkamen, war das Wort Archivare an sich nicht wirklich sys- Immer wieder tauchte hier die „systemrelevant“. Archivar*innen temrelevant sind? Etwas, was man Frage auf, wieso es auf der Home- sind vieles, mit der Relevanz von tun konnte, war, für Beschäftigung page der Landesarchivverwaltung Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen und Ablenkung zu sorgen, denn es keine einführenden Informationen und weiterem medizinischem Fach- waren ja nicht nur Archivar*innen, zu Schriftkunde, Archivbenutzung personal wollen und können wir uns die zu Hause bleiben mussten. und ähnlichem gibt. So war dies aber nicht vergleichen. Dennoch Die Idee zu dem Blog „Ar- ein willkommenes Projekt, um zum haben auch vor unseren Lesesälen chivist@home“ entstand sehr einen mich selbst während des die Einschränkungen natürlich nicht spontan. Grundlage hierfür waren Lockdowns zu beschäftigen, zum halt gemacht. Was also tun, wenn Volkshochschulkurse zu alten deut- anderen um Personen, die schon 18 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
immer alte Schriften lernen wollten, auch Hilfsmittel wie Schrifttafeln stellt. Es ist allerdings nicht aus- in dieser Zeit etwas Ablenkung zu und weitere Internet-Quellen ge- geschlossen, dass der Blog weiter verschaffen. nannt. Neben dem wesentlichen geführt wird. Das bisher Erarbeite- Der Blog ist unter der Adres- Punkt des Blogs, den Transkrip- te steht immer noch zur Verfügung se www.archivistathome.com er- tionen, habe ich mich zudem ent- und kann weiterhin genutzt wer- reichbar und nutzt die schon vor- schlossen, auch mehr auf Informa- den, um sich über Schriftkunde und gefertigten Layouts des Anbieters tionen rund um das Archivwesen Archivwesen zu informieren. Wordpress. Hier können kostenfreie einzugehen. So finden sich zum Für mich war das Projekt ein Er- und – mit ausführlicheren Features – Beispiel „Exkurse“ zu digitaler Lang- folg, der es auch mir in einer nicht kostenpflichtige Webseiten erstellt zeitarchivierung, Archivnutzung oder ganz einfachen Zeit ermöglichte, werden, die über viele verschiedene auch Vorgehen bei familienge- mich abzulenken. Bedanken möch- Widgets verfügen. Durch die vor- schichtlichen Forschungsvorhaben te ich mich auch bei zwei Kollegin- gegebenen Farbpaletten kann auch mit weiterführenden Links zu Seiten nen, die mich besonders dabei das Aussehen eines solchen Blogs wie Ancestry.com und ähnlichem. unterstützt haben, nämlich Britta ansprechend gestaltet werden. Dies Der Blog war mit über 4.000 Kirst, Fotografin im Landesarchiv war nun der Rahmen für den eigent- Zugriffen sehr gut besucht, immer Speyer, und Christiane Pechwitz, lichen Blog. noch wird er abonniert und besucht. Leiterin des Stadtarchivs in Ettlin- Der inhaltliche Teil des Blogs Die aktive Weitergestaltung des gen, die sich mit zwei erheiternden drehte sich vor allem um die wö- Blogs habe ich aufgrund der Wie- Texten aus einem dortigen Nach- chentlich erschienenen Texte in deraufnahme des Regelbetriebs in lass an der Bereitstellung von Tex- Sütterlin oder Kurrent und deren der Landesarchivverwaltung Rhein- ten und dem Korrekturlesen von reinschriftliche Auflösung. Jeden land-Pfalz bis auf weiteres einge- Transkriptionen beteiligte. Montag wurde ein Text online ge- stellt, am Freitag darauf folgte die Transkription. Mit den historischen Texten wurden kurze Informationen bereitgestellt, die die Quelle näher einordneten und mehr über Quel- lengattung und Informationsgehalt für die Familien- und Heimatfor- schung enthielten. Die Texte stammen zum einen aus den Beständen des Landesar- chivs Speyer, zum anderen wurden zwei Texte aus dem Stadtarchiv Ett- lingen veröffentlicht. Vor allem ging es hier darum, verschiedene Schrift- typen aufzugreifen, zudem sollten die Texte unterhaltsam und interes- sant sein sowie verschiedene For- schungsthemen (Auswanderung, Nachlässe, Erster Weltkrieg usw.) abdecken. Dieses Vorgehen sollte den Leser*innen die Möglichkeit geben, sich zunächst ohne zu „spoilern“ mit den Texten auseinanderzusetzen und damit zu arbeiten. Die Kommen- tarfunktion unter den Beiträgen war freigeschaltet, so dass es hier die Möglichkeit gab, Fragen zu stellen. Um Anfängern, die sich das ers- te Mal mit Schriftkunde und Paläo- graphie beschäftigen, den Einstieg zu erleichtern, wurden daneben Unsere Archive - Heft 65 I 2020 19
Neu entdeckt Fotos: Archiv VG Rüdesheim/Sophia Maurer. Wir stellen vor: Bestand Waldböckelheim Rainer Seil Nach achtjähriger, intensiver Auf- der aufgrund der unterschiedlichen heim eine Einheit in Personalunion. bauphase steht das Verbandsge- Überlieferungsebenen aus den Teil- Ein Abtrennungsantrag Waldböckel- meindearchiv Rüdesheim/Nahe, das beständen Waldb. 0, Waldb. 1 und heims wurde von der Bezirksregie- bereits 2018 in „Unsere Archive“ Waldb. 2 besteht, eine besondere rung in Koblenz am 2. Februar 1888 kurz vorgestellt wurde,1 nunmehr Bedeutung zu. Bereits im Jahr 2000 genehmigt. Zur neuen Amtsbürger- für die heimatkundliche und wis- wurde ein erstes provisorisches meisterei Waldböckelheim gehörten senschaftliche Benutzung zur Ver- Findbuch erstellt. neben dem Amtssitz in Waldböckel- fügung. Bis 1888 bildete die Landbür- heim die Ortsgemeinden Bockenau, Dabei kommt dem Bestand des germeisterei Waldböckelheim mit Boos, Burgsponheim, Oberstreit, früheren Amtes Waldböckelheim, der Stadtbürgermeisterei Sobern- Sponheim und Schloßböckelheim. 20 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
Waldb. 0 reicht von der Zeit des Alten sammlungen erwies sich teilweise Reiches bis zur napoleonischen Zeit. als sehr schwierig und zeitaufwän- Es ist vor allem Heinrich Hahn (1843 dig. Bemerkenswert sind die Über- – 1911)2 zu verdanken, dass bis zum lieferungen aus der Zeit des Ersten Ende seines Lebens historisch be- Weltkriegs, der anschließenden Be- sonders wertvolles Schriftgut im frü- satzung und des bald folgenden Na- heren Rathaus verwahrt wurde. Der tionalsozialismus; eine Aufarbeitung Bestand Waldb. 0 war jedoch schon der Geschichte dieser Zeit ist inner- vor über 100 Jahren nicht mehr halb unserer Verbandsgemeinde mit vollständig, worauf Hahn in einer jetzt insgesamt 32 Ortsgemeinden handschriftlichen Notiz hingewiesen bisher nur teilweise erfolgt, etwa in hatte. Thematisch umfassen diese Form von Ortschroniken3 oder Bei- wenigen noch vorliegenden Akten trägen in den heimatkundlichen Bad (38 Archivalieneinheiten) die Berei- Kreuznacher Heimatblättern oder in che Leibeigenschaft, herrschaftli- den mittlerweile nicht mehr erschei- cher Besitz und daraus resultierende nenden Landeskundlichen Viertel- Prozesse. Daneben hat Hahn die An- jahrsblättern. fänge der heutigen Archivbibliothek gelegt und u. a. wichtige Gesetzes- Waldb. 2 setzt die Aktenführung des Amtsbeschreibung Waldböckelheim. sammlungen, Amtsblätter des ge- Amtes Waldböckelheim von 1945 samten 19. Jahrhunderts und die bis zu seiner Auflösung im Rahmen betreffenden Reichsgesetzesblätter, der rheinland-pfälzischen Verwal- weitgehend vollständig gesammelt. tungsreform 1969/70 fort. Dieses Seine Nachfolger, besonders Johann aus 830 Einheiten bestehende Jakob Schlemmer (Amtszeit: 1912 – Archivgut befand sich nicht wie die 1945), führten diese Überlieferun- vorangehenden Teilbestände im frü- gen fort. heren Amtsgebäude in Waldböckel- heim, sondern wurde schon Ende Waldb. 1 mit 1411 Archivalienein- der 1960er Jahre in das Archiv des heiten umfasst die beginnende damals noch bestehenden Amtes Preußenzeit ab 1816 mit einem be- Rüdesheim überführt; überliefert sonderen Schwerpunkt auf der Zeit sind hier auch Unterlagen, die das seit der Reichsgründung 1870/71 Ende der NS-Diktatur und die fran- bis zum Ausbruch des Zweiten Welt- zösische Besatzungszeit betreffen. kriegs. Während bis etwa 1933 die Dass anhand dieses Bestandes na- Vorgänge in den weithin üblichen hezu der gesamte demokratische preußischen fadengehefteten Akten Aufbau der Verwaltungs-, Wirt- streng nach dem damals verbind- schafts- und Gesellschaftsstruk- lichen Aktenplan angelegt wurden, turen der jungen Bundesrepublik gab man dieses klare Ordnungs- Deutschland mustergültig nachvoll- prinzip vor allem im weiteren Verlauf zogen werden kann, macht seine Be- des Zweiten Weltkriegs – vermutlich sonderheit aus und die Erforschung kriegsbedingt – auf. Die archivische gerade dieses für unseren Sprengel Erschließung dieser meist aus lo- bisher wenig untersuchten Zeit- sen Blättern bestehenden Akten- raums möglich. Das Goldene Buch. 1 Unsere Archive Nr. 63, 2018, S. 41. 3 950 Jahre Bockenau e. V. (Hrsg.): Chronik des Dorfes Bockenau. Idar- 2 Heinrich Hahn war nicht nur Gemeindevorsteher von Waldböckelheim Oberstein 1996; Gunhild Mc Lachlan: Zur Geschichte der Schule und des (1882 – 1899), sondern auch Amtsbürgermeister des gleichnamigen Dorfes Oberstreit. Bad Kreuznach o.J.; Erich Schauss: Sponheim und Amtes bis zu seinem Tod (1899 – 1911) und Heimatforscher. Er Burgsponheim. Einst und jetzt. Bad Kreuznach 1996; Rainer Seil: Chronik verfasste zwei wichtige heimatkundliche Werke: Hahn, Heinrich: der Ortsgemeinde Schloßböckelheim. Bad Kreuznach 2000; Ders.: Aus Waldböckelheims Vergangenheit. Sobernheim 1891 und Ders.: Chronik der Ortsgemeinde Waldböckelheim. Bad Kreuznach 1999. Geschichte des Boeckelheimer Kirchspiels und des Ursprungs der Sponheimer. Kreuznach 1900. Unsere Archive - Heft 65 I 2020 21
Neu entdeckt Fotos: Landesarchiv Speyer/Gisela Fleckenstein. Katasterbände vor der Restaurierung. Katasterbände und Karten im Landesarchiv Speyer Gisela Fleckenstein Die Katasterüberlieferung (Bü- Anlage des Grundbuchs. Benannt sche Bedenken nicht gegen eine Be- cher und Karten) gehört zu den häu- werden Eigentümer, Kauf, Tausch, nutzung sprechen. fig genutzten Beständen des seit Vererbung, Teilung oder Zusam- Für elf Bände (1,2 lfd. m) konnte 1817 bestehenden Landesarchivs menlegung von Flurstücken sowie durch die Bereitstellung von Mitteln Speyer. Ein Teil der schwer beschä- bauliche Veränderungen. In den Ur- aus dem „Sonderprogramm zur Er- digten Katasterbände ist bisher al- katastern werden zudem dingliche haltung des schriftlichen Kulturguts“ lerdings aufgrund des konservatori- Belastungen wie Fahrt-, Wege-, Was- der Beauftragten der Bundesregie- schen Zustandes nicht nutzbar. sernutzungsrechte, Brückenbaulas- rung für Kultur und Medien (BKM) Die pfälzischen Grundsteuer- ten etc. genannt. Die Unterlagen im eine Benutzung wieder ermöglicht kataster geben einen lückenlosen Umfang von ca. 300 lfd. m wurden werden. Die stark verschmutzten Aufschluss über den gesamten von den Finanzämtern an das Lan- und durch unsachgemäße Lagerung Grundbesitz und seinen Wechsel desarchiv abgegeben und sind dort von Schimmel befallenen Kataster- von ca. 1835 bis 1900, also vor der zentral zugänglich, so konservatori- bücher waren in der Papiersubstanz 22 Unsere Archive - Heft 65 I 2020
instabil und wiesen starke Verblo- die ortsgeschichtlichen Gegebenhei- des Grundsteuergesetzes von 1828 ckungen auf. Hier musste Blatt für ten gelegt. Sie finden neben den de- zu beweiskräftigen öffentlichen Ur- Blatt der überformatigen Bände res- taillierten Angaben zu den einzelnen kunden erklärt worden und werden tauriert werden. In fast allen Fällen Grundstückseigentümern und ihren daher auch für rechtliche Fragestel- war eine vollständige Nassbehand- Besitzverhältnissen Informationen lungen genutzt. Mit dem kombinier- lung notwendig. Fehlstellen wurden über Flurbezeichnungen, Rechte und ten Projekt Uraufnahmeblätter und angefasert. Nach der Komplett- Belastungen. Kataster besitzen zwar Katasterbücher wird die Benutzung restaurierung – nicht in allen Fällen nicht den öffentlichen Glauben des im Landesarchiv Speyer erheblich ließ sich der Text vollständig wieder- Grundbuchs, doch sie sind aufgrund erleichtert. herstellen – können diese Bücher ohne Gefahr für das Objekt (weitere Beschädigung) und für den Benut- zer (Gesundheitsgefährdung durch Schimmel) benutzt werden. Ebenso möglich ist eine Sicherungsverfil- mung bzw. Digitalisierung. Die bayerisch-pfälzische Ka- tasterüberlieferung dient nicht nur privaten, sondern auch amtlichen Anfragen. Oft geht es dabei um die Frage von Wegerechten oder um An- gaben zur Bebauung bzw. Nutzung der Grundstücke, die aus dem Ka- taster geklärt werden kann. Die Ka- taster haben damit rechtssichernde Bedeutung. Besonders an den pfälzischen Katastern ist, dass sich daraus die Bebauung der Grundstücke nach- vollziehen lässt. Im Vergleich zu den preußischen und rheinhessischen Katastern gibt es in den pfälzischen Katastern auch eine direkte Ver- knüpfung zu den Notariatsakten, was den Einbezug dieser Quellen- gruppe ungemein erleichtert. Un- erlässlich für die Benutzung der Katasterbücher sind die Kataster- karten. Dieser Bestand umfasst im Landesarchiv Speyer ca. 3.300 Blät- ter. Die Uraufnahmeblätter (Vorstufe der Katasterkarten), die noch nicht in Verbindung mit den Katasterbän- den stehen, liegen als handkolorier- te Federzeichnungen vor und wur- den in einem parallelen Projekt in der hauseigenen Werkstatt Blatt für Blatt trockengereinigt. Dabei wurden auch Risse geschlossen und brüchi- ges Papier stabilisiert. Mit eigenen Haushaltsmitteln werden die Karten anschließend digitalisiert. Für die orts- und heimatkundlich Forschenden werden mit der Katas- terüberlieferung die Grundlagen für Katasterbände nach der Restaurierung. Unsere Archive - Heft 65 I 2020 23
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