Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW

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Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
Erziehung & Wissenschaft        02/2021
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

Deutschland
sucht die
Bildungsmilliarden
Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
2 GASTKOMMENTAR

                                                                            Foto: Rainer Sievert
              MECHTHILD
              SCHROOTEN

              Mangelwirtschaft beenden!
               Covid-19 verursacht in vielen Lebensbereichen großes Leid.                          Investitions- und Innovationsstau passen nicht zu harten
               Die Pandemie hat das chronisch unterfinanzierte Bildungs-                           Hygienestandards. Zwar hat die öffentliche Hand für Bildung
               system an die Grenzen seiner Belastbarkeit gebracht. Die                            pandemiebedingt kurzfristig Finanzmittel bereitgestellt. Aber
               jahrelange Mangelwirtschaft verursacht aktuell hohe Kos-                            in einer Katastrophenzeit aufzuholen, was jahrelang vernach-
               ten. Diese Krisenkosten fallen jedoch kaum bei den politisch                        lässigt wurde, ist eine besondere Herausforderung.
               Verantwortlichen an. Die immensen direkten und indirekten                           Tatsächlich meistert der Bildungssektor in der Pandemiezeit
               Kosten werden aktuell von engagierten Beschäftigten, Schü-                          komplexeste Herausforderungen innerhalb kürzester Zeit.
               lerinnen und Schülern, Kindern, Studierenden und Eltern ge-                         Wenn er das schafft, so geht dies aber kaum auf kluge politi-
               tragen.                                                                             sche Entscheidungen zurück. Vielmehr hält das außerordent-
               Dabei wird immer klarer: Kinder wollen Schule und Kita! El-                         liche Engagement der Beteiligten die Bildungsinfrastruktur
               tern wollen Schule und Kita! Studierende wollen Hochschule!                         am Laufen. „Ehrenamt im Hauptamt“ und Improvisation mö-
               Selten hat Schule, selten hat Bildung eine solche gesamtge-                         gen zwar kurzfristig weiterhelfen, ersetzen jedoch kein trag-
               sellschaftliche Wertschätzung erfahren. Die Beschäftigten                           fähiges Konzept.
               im Bildungssektor wachsen aktuell vielfach über sich hinaus,                        Während die meisten Menschen noch mit der Pandemiebe-
               entwickeln neue Formate und Vermittlungsformen. Das alles                           wältigung im Alltag beschäftigt sind, ist auf der politischen
               ist eine wunderbare Ausgangslage für eine kräftige Bildungs-                        Ebene längst ein Verteilungskampf um die zukünftige Staatsfi-
               offensive.                                                                          nanzierung entbrannt. Die aktuelle Kreditfinanzierung außer-
               Doch eine Bildungsoffensive bedeutet mehr als eine halbher-                         ordentlicher Ausgabenprogramme wird mit Sicherheit nicht
               zige Digitalisierung vorhandener Prozesse. Sie setzt voraus,                        dauerhaft aufrechterhalten werden können. Der Bildungs-
               dass der in jeder Hinsicht systemrelevante Bildungssektor                           sektor darf nicht wieder der Kassenlage von Kommunen und
               dauerhaft gut finanziert wird. Der internationale Vergleich                         Bundesländern ausgeliefert werden. Der Bildungsföderalis-
               zeigt, dass Deutschland einen erheblichen Nachholbedarf                             mus steht vor einer Bewährungsprobe.
               hat. In der Bundesrepublik liegen die Bildungsausgaben sys-                         Der Bildungssektor liefert viel mehr als Wissen. Zentrale
               tematisch unter dem Durchschnitt in den Staaten der Organi-                         Stichworte sind neben Chancen, Betreuung und Erziehung
               sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung                           vor allem individuelle Förderung und emotionale Ansprache –
               (OECD). So erreichten die Ausgaben für die Primarstufe bis                          dies und vieles mehr wird im Kontext von Bildung geboten.
               zum Tertiärbereich 2017 gerade einmal 4,2 Prozent des Brut-                         Genügend Geld für Bildung muss da sein, sonst droht unsere
               toinlandsprodukts; der OECD-Durchschnitt lag bei 4,9 Pro-                           Gesellschaft, noch weiter auseinander zu driften. Bildung hat
               zent. Gemessen in Euro entspricht die Differenz zum Durch-                          im Kern weitreichende verteilungspolitische Konsequenzen.
               schnitt in etwa 23 Milliarden Euro. Diese Summe ist erheblich;                      Eltern, Kinder, Schülerinnen und Schüler, Studierende und die
               diese Finanzmittel fehlen jedes Jahr.                                               Beschäftigten im Bildungssektor haben es verdient, dass die
               Die Mangelwirtschaft im deutschen Bildungssektor ist seit                           Mangelwirtschaft der Vergangenheit angehört.
               langem bekannt. Marode Schulgebäude symbolisieren Poli-
               tikversagen. In der Pandemie-Zeit entstand aus der chroni-                          Mechthild Schrooten,
               schen Unterfinanzierung eine massive zusätzliche Belastung.                         Professorin für Volkswirtschaftslehre, Hochschule Bremen

  Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
INHALT   3

                                                                  Prämie
Inhalt                                                          des Monat
                                                                          s
                                                                     Seite 5
                                                                                               IMPRESSUM
                                                                                               Erziehung und Wissenschaft
                                                                                               Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 73. Jg.

                                                                                               Herausgeberin:
                                                                                               Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                               im Deutschen Gewerkschaftsbund
                                                                                               Vorsitzende: Marlis Tepe
                                                                                               Redaktionsleiter: Ulf Rödde
Gastkommentar                                                                                  Redaktion: Jürgen Amendt
                                                                                               Redaktionsassistentin: Katja Wenzel
Mangelwirtschaft beenden!                                                          Seite 2    Postanschrift der Redaktion:
                                                                                               Reifenberger Straße 21
                                                                                               60489 Frankfurt am Main
                                                                                               Telefon 069 78973-0
Impressum                                                                          Seite 3    Fax 069 78973-202
                                                                                               katja.wenzel@gew.de
                                                                                               www.gew.de
Auf einen Blick                                                                    Seite 4    facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft
                                                                                               twitter.com/gew_bund

                                                                                               Redaktionsschluss ist in der Regel
Prämie des Monats                                                                  Seite 5    der 7. eines jeden Monats.
                                                                                               Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich.
                                                                                               Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet
Schwerpunkt: Bildungsfinanzierung                                                              ­sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung
                                                                                                und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri-
1.   Der Putz ist ab: Deutschland sucht die Bildungsmilliarden                     Seite 6     ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

2.   GEW-Kommentar von Marlis Tepe: Mischen wir uns ein!                           Seite 9    Die E&W finden Sie als PDF auf der GEW-Website unter:
                                                                                               www.gew.de/eundw.
3.   Blick hinter die Kulissen: Hilfreicher Corona-Schock?                         Seite 10   Hier wird die E&W auch archiviert.
4.   Digitalpakt Weiterbildung: Es fehlt an allem                                  Seite 14   Gestaltung:
5.   Finanzierung der Pandemie-Kosten: „Schuldenbremse ist eine Todsünde“          Seite 16   Werbeagentur Zimmermann GmbH
                                                                                               Kurhessenstraße 14
6.   Privatschulen im Aufwind: Das Ungleichgewicht nimmt zu                        Seite 18   60431 Frankfurt am Main

                                                                                               Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds-
                                                                                               beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der
Gesellschaftspolitik                                                                           Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30
                                                                                               Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
1. Die GEW und das NS-Erbe: Keine Geschichte von Helden und Schurken               Seite 20   Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen,
                                                                                               Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland,
2. Die GEW und die Berufsverbote: „Verhärtung und Frontenbildung“                  Seite 42   Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die
                                                                                               jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un-
                                                                                               verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem-
Dialog: Zeitschrift für Seniorinnen und Senioren                                   Seite 23   plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit
                                                                                               dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge
                                                                                               stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder
                                                                                               der Herausgeberin dar.
Schule                                                                                         Verlag mit Anzeigenabteilung:
1. Musikalische Mathe-Nachhilfe auf YouTube: Die Transzendenz von Pi               Seite 27   Stamm Verlag GmbH
                                                                                               Goldammerweg 16
2. Deutschland in der TIMSS-Studie 2019: Im Mittelmaß eingerichtet                 Seite 36   45134 Essen
                                                                                               Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller
                                                                                               Telefon 0201 84300-0
                                                                                               Fax 0201 472590
Hintergrund: Digitalisierung in der Corona-Pandemie                                            anzeigen@stamm.de
                                                                                               www.erziehungundwissenschaft.de
1.   Digitale Technik für Lehrkräfte: Das Gerätedilemma                            Seite 28   gültige Anzeigenpreisliste Nr. 41
                                                                                               vom 01.01.2019,
2.   Lernen im Lockdown: Hybridunterricht meist zum Scheitern verurteilt           Seite 30   Anzeigenschluss
3.   Distanzunterricht der Berufskollegs in NRW: Die Lehrkräfte haben es gewuppt   Seite 32   ca. am 5. des Vormonats

4.   Systemfehler mit Folgen: Keine Tablets für Geflüchtete                        Seite 34   Nutzungsrechte für digitale Pressespiegel erhalten Sie
                                                                                               über die PMG Presse-Monitor GmbH unter
                                                                                               www.presse-monitor.de

Berufliche Bildung                                                                             Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main
2020 deutlich weniger Ausbildungsverträge: Hausgemacher Fachkräftemangel           Seite 38

Jugendhilfe und Sozialarbeit
Aufwachsen mit Mehrsprachigkeit: Deutsch bleibt dominant                           Seite 40   ISSN 0342-0671
                                                                                                                                                         e
                                                                                               Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei
                                                                                               gebleichtem Recyclingpapier gedruckt.
                                                                                                                                                      emi
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Titel: Werbeagentur Zimmermann
                                                                                                                        I
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Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
4 AUF EINEN BLICK

                Britta Ernst: KMK-Vereinbarungen umsetzen                                                      Internationale Solidarität
                                      Die neue Präsidentin der Kultusminister-                                 Die Corona-Krise ist eine weltweite Bildungskrise: Bildungs-
                                      konferenz (KMK), die brandenburgische                                    ungleichheit und Kinderarbeit nehmen zu, die Verwirk-

                                    Foto: imago images/Martin Müller
                                      Bildungsministerin Britta Ernst (SPD),                                   lichung des Nachhaltigkeitsziels Bildung der Vereinten
                                      hat angekündigt, die einzelnen Auf-                                      Nationen ist gefährdet. Bildungsgewerkschaften stehen
                                      gaben der im Oktober 2020 beschlos-                                      weltweit für öffentliche, inklusive Bildung und gute Ar-
                                      senen Ländervereinbarung über die                                        beitsbedingungen. Dabei werden sie oft selbst zur Ziel-
                                      gemeinsame Grundstruktur des Schul-                                      scheibe, denn die Verletzung von Gewerkschaftsrechten
                                      wesens und die gesamtstaatliche Ver-                                     nimmt weltweit zu. Internationale Solidarität bleibt wich-
                Britta Ernst          antwortung der Länder in zentralen bil-                                  tiger denn je. Die GEW bietet daher 2021 eine Online-
                                      dungspolitischen Fragen umzusetzen.                                      Veranstaltungsreihe zu den Themen Internationale Soli-
                Die GEW hatte die Beschlüsse der KMK im vergangenen Ok-                                        daritätsarbeit, Globale Bildungskampagne, Kinderarbeit
                tober als „schwarzen Tag für die Bildung“ kritisiert. Prüfungen                                und Friedenspolitik an. Die Veranstaltungen finden in
                würden zentralisiert und normiert, Qualität solle über noch                                    deutscher Sprache bzw. mit Übersetzung statt. Den Auf-
                mehr Tests und Bildungsstandards gesichert und veraltete                                       takt der Reihe macht die Veranstaltung zur Internationa-
                Pädagogik jetzt auch digital betrieben werden, so die GEW-                                     len Solidaritätsarbeit am 5. März. Weitere Informationen:
                Vorsitzende Marlis Tepe.                                                                       www.gew.de/seminare-internationales

                Leichter Mitgliedergewinn                                                                      Corona-Prämie für alle
                Die Mitgliederzahl der GEW ist 2020 stabil über 280.000 ge-                                    Im Tarifabschluss vom Oktober 2020 für die im öffentlichen
                blieben. Im Vergleich zu 2019 hat die Bildungsgewerkschaft                                     Dienst bei Bund und Kommunen Beschäftigten wurde an-
                über 100 Mitglieder gewonnen. Sie verzeichnete zum Stichtag                                    stelle einer Lohnerhöhung für 2020 eine sogenannte Coro-
                31. Dezember 2020 280.452 Mitglieder. „Obwohl wir wegen                                        na-Prämie vereinbart. Die kommunalen Arbeitgeber meinen
                der Pandemie über Monate nicht in den Bildungseinrichtun-                                      nun, dass diese Einmalzahlung Beschäftigten, die bereits
                gen präsent sein konnten, haben wir unter dem Strich einen                                     in der Freistellungsphase einer Altersteilzeit nach dem Ta-
                kleinen Mitgliederzuwachs. Damit festigt die GEW ihre Posi-                                    rifvertrag zu flexiblen Arbeitszeitregelungen für ältere Be-
                tion als mitgliederstärkste Lehrkräfte- und Bildungsgewerk-                                    schäftigte (TV FlexAZ) (Blockmodell) sind, nicht zustehe. Die
                schaft in Deutschland“, so Vorsitzende Marlis Tepe.                                            Gewerkschaften vertreten hingegen die Auffassung, dass
                                                                                                               auch Beschäftigte in Altersteilzeit in der Freistellungsphase
                Neue GEW-Spitze in Bayern                                                                      entsprechend ihrem Entgeltanspruch die Hälfte der Corona-
                Die GEW Bayern hat eine neue Spit-                                                             Prämie bekommen müssen. Kommunale Beschäftigte in
                                                                              studioline Photography München

                ze: Ende 2020 wählten die Delegier-                                                            der Freistellungsphase der Altersteilzeit, die im Dezember
                ten des Landesverbandes in einer                                                               keine anteilige Corona-Prämie (also je nach Entgeltgruppe
                ausschließlich digitalen Konferenz                                                             150, 200 oder 300 Euro) zusätzlich zum Gehalt bekommen
                Martina Borgendale zur neuen Vor-                                                              haben, sollten sich möglichst bald mit ihrer GEW-Landes-
                sitzenden. Die 41-Jährige ist Lehrerin                                                         rechtsschutzstelle in Verbindung setzen, da die Corona-
                an einer kommunalen Ganztagsreal-                                                              Prämie wegen der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bis
                schule in Nürnberg. Sie hat bereits Martina Borgendale                                         Ende Juni 2021 geltend gemacht werden muss.
                seit 2017 als stellvertretende Vorsit-
                zende der GEW Bayern Erfahrungen gesammelt. Borgendale
                löst Anton Salzbrunn ab, der seit Juni 2015 Chef der GEW                                         Beitragsbescheinigung
                Bayern war.                                                                                      Die Beitragsbescheinigung für 2020 wird bei dem nächs-
                                                                                                                 ten Beitragseinzug in 2021 auf dem Kontoauszug mit
                Wochen gegen Rassismus                                                                           ausgedruckt. Alternativ geht es online über die GEW-
                Die GEW ruft dazu auf, sich vom 15. bis 28. März an den                                          Homepage: www.gew.de – auf der Startseite oben
                UN-Wochen gegen Rassismus zu beteiligen. Die Aktionswo-                                          rechts im Bereich „Meine GEW“ mit einem stilisierten
                chen stehen unter dem Motto „Solidarität. Grenzenlos“. Sie                                       Vorhängeschloss.
                bieten eine gute Gelegenheit, um in der schulischen oder                                         Wer noch keinen Zugang zum Mitgliederbereich hat,
                außerschulischen Bildungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen                                        muss sich einmalig registrieren. Nach Überprüfung der
                und Erwachsenen sowie in zivilgesellschaftlichen Bündnis-                                        Daten kann man die Beitragsquittierung dann ausdru-
                sen gegen Rassismus und für eine offene, demokratische                                           cken. Siehe auch: www.gew.de/beitragsbescheinigung.
                und solidarische Gesellschaft aktiv zu werden. Anregungen                                        Hinweis: Es kann immer nur die aktuelle Beitragsbeschei-
                und Tipps sowie Materialien zu den Wochen gibt es unter                                          nigung für das vergangene Jahr heruntergeladen wer-
                https://stiftung-gegen-rassismus.de/iwgr.                                                        den. Die EDV der GEW arbeitet jedoch an einer Lösung,
                Eine erweiterte Zusammenstellung mit Handreichungen, Lite-                                       künftig auch ältere Beitragsbescheinigungen anbieten
                ratur und Materialien zur rassismuskritischen Bildungsarbeit                                     zu können.
                gibt es unter www.gew.de/material-rkb.

   Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
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Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
6 BILDUNGSFINANZIERUNG

              Deutschland sucht die
              Bildungsmilliarden
               Die Investitionen in Bildung und For-    Verantwortlich dafür, dass die Politik    Die Schuldenbremse, die Bund und
               schung verharren in Deutschland seit     ihr selbst gestecktes Ziel nicht er-      Länder dazu verpflichtet, ihre Haushal-
               Jahrzehnten auf einem im internatio-     reicht hat, ist die Politik selbst. Der   te ohne Einnahmen aus Krediten aus-
               nalen Vergleich niedrigen Niveau. Die    Anteil der öffentlichen Bildungsaus-      zugleichen, hat die Unterfinanzierung
               Ausgaben sind in den vergangenen 25      gaben am BIP hat sich hierzulande         des Bildungssystems weiter verstärkt.
               Jahren zwar gestiegen – 2019 betru-      unterdurchschnittlich entwickelt; er      Allein bei den Kommunen gibt es des-
               gen sie rund 150 Milliarden Euro. Das    stieg zwischen 1995 und 2019 ledig-       halb einen Investitionsstau von 44 Mil-
               auf dem Dresdner Bildungsgipfel 2008     lich von 4 auf 4,4 Prozent. Zum Ver-      liarden Euro nur bei den Schulen.
               ausgegebene Ziel, bis 2015 10 Prozent    gleich: In Norwegen betrug der Anteil     Das Ergebnis ist für alle sichtbar:
               des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für      der Ausgaben der öffentlichen Hand        marode Gebäude. Auf dieser und den
               Bildung und Forschung auszugeben –       für Bildung und Forschung 2017 nach       nachfolgenden Seiten hat der Foto-
               7 Prozent für Bildung, 3 Prozent für     Angaben des Statistischen Amtes           graf Kay Herschelmann für die E&W
               Forschung – ist jedoch bis heute nicht   der Europäischen Union (Eurostat)         bei einem Streifzug durch Berlin mit
               erreicht; der Anteil liegt derzeit bei   7,91 Prozent, in Finnland 6,38 und in     der Kamera entsprechende Eindrücke
               knapp 9 Prozent.                         Großbritannien 5,44 Prozent.              festgehalten.                      >>>

  Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
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                                  Fotos: Kay Herschelmann

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         >>>

        >>>    Vermögensabgabe jetzt!
               Mit der auf dem Dresdner Bildungs-          Eine solche Abgabe hat durchaus         gensteuer ersetzt, die später auch in
               gipfel 2008 beschworenen „Bildungs-         historische Vorbilder. So führte der    der Bundesrepublik erhoben, 1997 im
               republik Deutschland“ ist es nicht weit     konservative (!) Reichsfinanzminister   Zuge der neoliberalen Wende in der
               her. Der E&W-Schwerpunkt in dieser          Matthias Erzberger (Zentrum) 1919       Steuer- und Finanzpolitik jedoch aus-
               Ausgabe beschreibt die Misere, nennt        zur Finanzierung der Kriegsschulden     gesetzt – und nicht mehr wieder ein-
               aber auch mögliche Wege zu einer bes-       das „Reichs­n ot­o pfer“ ein, das die   geführt – wurde.
               seren Finanzierung von Kita, Schule,        Reichen entrichten mussten. Um die
               Hochschule und Weiterbildung. Ange-         Steuereinnahmen zu steigern, wurde      Jürgen Amendt,
               sichts des enormen Finanzbedarfs, den       die Abgabe 1922 durch eine Vermö-       Redakteur der „Erziehung und Wissenschaft“
               die Bekämpfung der Corona-Pandemie
               erfordert, schlägt der Ökonom Rudolf
               ­Hickel im Interview (S. 16 f.) eine Ver-
                mögensabgabe vor, mit der oberhalb
                eines Freibetrages für ein Vermögen
                von zwei Millionen Euro bei Privatper-
                sonen und fünf Millionen bei Betriebs-
                vermögen eine Abgabe von 1 Prozent
                (bei höheren Vermögen bis zu 30 Pro-
                zent) entrichtet werden soll. Damit,
                so Hickel, würden in den kommenden
                20 Jahren etwa 310 Milliarden Euro
                in die Kassen von Bund, Ländern und
                Kommunen gespült, um die Corona-
                                                                                                                                                Fotos: Kay Herschelmann

                bedingten Schulden zurückzuzahlen.
                Perspekti­visch müsste die Abgabe in
                eine Ver­mögensteuer umgewandelt
                werden, wie sie im Grundgesetzartikel
                106 nach wie vor vorgesehen ist.

  Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
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                                                                                  Foto: Kay Herschelmann
                 MARLIS TEPE

Mischen wir uns ein!
2021 steht uns ein Superwahljahr ins Haus. Gute Bildung und        •	das Interesse der Wirtschaft an der ganztägigen Bildung
deren deutlich bessere Finanzierung müssen Topthema blei-              und Betreuung im Kampf um die knappe Ressource
ben – auch wenn die Politik schon jetzt signalisiert, dass das         Personal.
Geld nach der Pandemie knapp wird und die Schulden schnell         Neben diesen Defiziten fehlen die Ausrichtung auf gute Bil-
zurückgezahlt werden sollen. Dem stellt sich die GEW entge-        dung in der Migrationsgesellschaft, die Ausstattung mit mul-
gen. Tilgung kann auch über einen Fünfzigjahresplan laufen.        tiprofessionellen Teams für eine inklusive Bildung und mehr
Die Parteien fordern wir auf, unsere Vorschläge in die Wahl-       Zeit für politische Bildung und Demokratielernen. Dazu ge-
programme aufzunehmen. Als Reaktion auf die Pandemie hat           hört auch eine bessere Bezahlung der Beschäftigten.
die Politik zwar angefangen, an den Defiziten zu arbeiten und      Den Kampf dafür, dass alle diese Defizite in Angriff genom-
auf unseren Druck hin auch eine Reihe Finanzbeschlüsse ge-         men werden und Bildung gut ausgestattet wird, gewinnen wir
fasst – etwa für befristet Beschäftigte in der Wissenschaft, für   nicht, wenn wir ihn allein führen. Dafür braucht die GEW die
Studierende, für Soloselbstständige in der Weiterbildung, für      Eltern als Bündnispartner:innen, ebenso wie die Schüler:innen
Endgeräte für Lehrkräfte und benachteiligte Schüler:innen,         und Studierenden, aber auch andere Verbände und Organisa-
für Systemadministrator:innen. Mit der politischen Beschluss-      tionen, die ein Interesse an guter Bildung haben.
fassung und der stolzen Verkündung dieser Beschlüsse war           Politik hat die dafür notwendigen Finanzmittel bislang nicht
für die Politiker:innen aber offenbar fast alles erledigt. Wir     zur Verfügung gestellt. Deshalb muss die GEW nachhelfen.
wissen jedoch, dass diese Gelder bisher nicht überall ange-        Das Engagement für eine bessere Bildungsfinanzierung ist
kommen sind und es vielfach an der Umsetzung hapert. Wir           eine Aufgabe der GEW-Mitglieder auf allen Ebenen. Es reicht
konstatieren eine föderale Finanzierungsblockade. Statt eines      nicht, auf dem Gewerkschaftstag und anderen Versamm-
vielfachen Schwarze-Peter-Spiels braucht es einen Schulter-        lungen über jedes einzelne Wort erbittert zu diskutieren.
schluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen.                       Es kommt darauf an, unsere Beschlüsse mit Leben zu füllen
Defizite und Bedeutung von Bildung sind wie unter einem            und in der Realität umzusetzen. Dafür haben wir die Initiative
Brennglas sichtbar und politisches Tagesgespräch:                  „Bildung. Weiter denken!“* gestartet. Gemeinsam haben wir
•	der Wert der Bildung in der direkten Begegnung in Kita,         ­viele Ideen und Hilfen entwickelt sowie Expertisen erstellt.
   Schule, Studium und Erwachsenenbildung,                          Es geht um die Bildung selbst, aber auch um die Arbeitsbedin-
•	die Vernachlässigung benachteiligter Kinder und                  gungen. Gute Bildung und gute Arbeit sind zwei Seiten einer
   Erwachsener,                                                     Medaille. Für eine nachhaltige Verbesserung zu kämpfen, da-
•	der allgegenwärtige Mangel an Personal,                          für haben wir jetzt ein gutes Zeitfenster. Nutzen wir dieses.
•	der viel zu knappe Personalschlüssel in allen Sektoren           Mischen wir uns ein, machen wir Druck!
   von Bildung,
•	die mangelhafte digitale Ausstattung und Fortbildung,           Marlis Tepe,
•	der Investitionsstau bei den Gebäuden,                          GEW-Vorsitzende
•	das unzureichende BAföG,
•	der Bedarf an Ganztagsversorgung in Kita und Schule,
   um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können,              *www.gew.de/weiter-denken

                                                                                                           Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
Deutschland sucht die Bildungsmilliarden - Erziehung & Wissenschaft 02/2021 - GEW
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                Hilfreicher Corona-Schock?
                 // Die Mahnung kommt aus                   Wäre ja auch zu einfach, den Bösewicht      und Erzieher gehen auf dem Zahn-
                 berufenem Mund. Prof. Andreas              dort ausgemacht haben zu können. Im         fleisch. „Bei uns darf wirklich niemand
                 Schleicher, Chef des Direktorats           Gegenteil: Spötter danken ihm sogar.        ausfallen, sonst droht unser fragiles
                 für Bildung bei der Organisation           Nur so wurde der Zug Digitalisierung aufs   System wie ein Kartenhaus zusammen-
                 für wirtschaftliche Zusammen-              Gleis gesetzt, auch wenn dieses eher für    zubrechen“, sagt Elke W.* Sie möchte
                 arbeit und Entwicklung (OECD),             einen Bummel- als für einen Hochge-         nicht erkannt werden, der Träger ihrer
                 sieht ein Ende der Dynamik, die            schwindigkeitszug geeignet scheint.         Einrichtung könnte verstimmt sein. Sie
                 Deutschland nach dem PISA-                                                             verrät: „Ich bete jeden Morgen, dass
                 Schock im Jahre 2001 entwi-                Kartenhaus Kita                             sich niemand krankmeldet.“ Selbst
                 ckelte, um der ihm attestierten            Covid-19 trägt auch keine Verantwor-        wenn alle Kolleginnen und Kollegen an
                 Bildungskrise Herr zu werden. Ein          tung für den dramatischen Personalman-      Bord sind, falle es, so Elke W., schwer,
                 Blick hinter die Kulissen der Bil-         gel in den Kindertageseinrichtungen,        sich auf jedes Kind zu konzentrieren, es
                 dungsinstitutionen untermauert             überfüllte Seminare an den Hochschulen      individuell zu fördern.
                 Schleichers Befürchtung. //                oder die Rahmenbedingungen, die die         Bildungsforscher Prof. Klaus Klemm
                                                            berufliche Bildung erschweren. Money        geht von etwa 50.000 fehlenden Mit-
                 An marode Schulgebäude haben sich          makes the world go round. Doch wenn         arbeiterinnen und Mitarbeitern in den
                 Schülerinnen und Schüler, ihre Lehrkräf-   es fehlt oder sich im Dschungel der Zu-     westlichen Bundesländern aus. Im Os-
                 te und Eltern fast schon gewöhnt. Sie      ständigkeiten (Bund, Länder, Kommu-         ten gebe es dagegen fast schon einen
                 sind – von viel beachteten Ausnahmen       nen) verheddert, bleibt dies nicht ohne     Personalüberhang. Doch der finanziel-
                 abgesehen – ebenso Alltag wie Unter-       Folgen. Auch nicht für die Bildung.         le Anreiz, sich räumlich zu verändern,
                 richtsausfall, den manche Länder aus       Dass der Grundstein für gute Bildung        sei gering, erläutert Klemm. Aufgrund
                 Sorge vor den schauerlichen Ergebnis-      und damit eine fairere Verteilung von       des Personalmangels gerade in Kitas
                 sen lieber erst gar nicht berechnen. An    Bildungschancen auch in den Kinderta-       in sozial schwierigen Lagen hätten
                 beidem trägt das seit bald einem Jahr      gesstätten gelegt wird, ist ein offenes     insbesondere Eltern aus weniger gut-
                 grassierende Corona-Virus keine Schuld.    Geheimnis. Doch viele Erzieherinnen         bürgerlichen Kreisen Probleme, einen

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BILDUNGSFINANZIERUNG                 11

Betreuungsplatz für ihr Kind zu finden.       ziale Lernen bleiben ein Stück weit auf
Klemm: „Und die hätten es besonders           der Strecke“, bedauern die beiden.
nötig. Schließlich wissen wir nicht erst
seit gestern, dass die Zahl der Jahre, die    Mangel an Lehrkräften
Kinder in Kita und Krippe verbringen,         Ebenso wie Klemm hält auch sein Kolle-
maßgeblichen Einfluss auf die Schul-          ge Prof. Ludger Wößmann den frühkind-
leistung und damit auf Lebenschancen          lichen Bereich für unterfinanziert. Daher
hat.“ Positive Effekte seien etwa im          fehlten unter anderem die finanziellen
U-3-Alter möglich. „35 Prozent der Kin-       Anreize für junge Menschen, in den Er-
der in diesem Alter werden betreut.           zieherberuf einzusteigen. „Diejenigen,

                                                                                           Fotos: Kay Herschelmann
Doch die Nachfrage ist viel größer“, be-      die eine Familie ernähren müssen, be-
richtet der emeritierte Professor für Bil-    nötigen eindeutig mehr Geld“, bilanziert
dungsforschung und Bildungsplanung            der Leiter des ifo-Zentrums für Bildungs-
an der Universität Duisburg-Essen.            ökonomik an der Ludwig-Maximilians-
Marta und Elias können davon ein Lied         Universität München. Er empfiehlt den
singen. Trotz des Anspruchs auf einen         Gewerkschaften, von ihrer bisherigen                               Obwohl es einen Rechtsanspruch gibt, suchen Eltern nach
Kita-Platz klapperten sie nahezu alle         Strategie abzuweichen und bei Tarif-                               wie vor häufig vergeblich nach einem Kita-Platz für ihre
Tagesstätten erst im nahen, dann im           verhandlungen zu versuchen, für Erzie-                             Kinder.
fernen Umfeld ab. „Es wirkte fast schon       herinnen und Erzieher einmal eine ge-
wie ein Almosen, als uns eine Kita-Lei-       sonderte, besonders kräftig ausfallende
terin erklärte, ihr Haus sei voll, aber sie   Tariferhöhung anzustreben. Vorstellen                              Kinder aus materiell benachteiligten
wolle mal sehen, was machbar sei“, be-        könnte er sich auch klar gestaffelte Kita-                         Familien profitierten tendenziell mehr
richten die beiden. Die Hoffnung starb        Gebühren. „Einkommensschwache dür-                                 von einer öffentlichen Finanzierung des
schnell. Schweren Herzens griffen die         fen nichts bezahlen, gut Verdienende                               frühkindlichen Bereichs, erläutert Wöß-
junge Mutter und ihr Partner auf eine         allerdings schon“, meint er. Schließlich                           mann. Wohingegen die individuellen Bil-
Tagesmutter zurück. Diese erwies sich         seien gerade für Kinder aus weniger fi-                            dungserträge im Erwachsenenbereich in
als herzlicher und kompetenter Glücks-        nanzstarken Familien der frühe Besuch                              der Regel für Menschen höher seien, die
fall, „doch die große Gemeinschaft ei-        einer Kita und die damit verbundene                                bereits eine hochwertige Bildung genos-
ner Kita und das damit verbundene so-         Förderung wichtig.                                                 sen hätten. Damit gebe es zwischen Ge-    >>>

                                                             An vielen Schulen sieht die IT-Technik aus
                                                             wie aus einem Computer-Museum entlie-
                                                             hen. Statt moderner Notebooks oder Tablets
                                                             müssen Schülerinnen und Schüler an alten
                                                             PCs arbeiten. Neu sind nur die Stühle.

                                                                                                                                 Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
12 BILDUNGSFINANZIERUNG

                                                                                   die offenen Stellen gebe, erübrige sich       führt dazu, dass die TU Braunschweig
                                                                                   eine solche Debatte.                          schätzungsweise zwei Millionen Euro
                                                                                   Unbeschadet der Tatsache, dass Klemm          einsparen muss.“ Dadurch werde das
                                                                                   die im Vergleich zu der in anderen Lehr-      Studienangebot eventuell komprimier-
                                                                                   ämtern niedrigeren Bezahlung für „völlig      ter, was unter anderem den Standort
                                                                                   unverständlich bei gleicher Ausbildungs-      seiner TU auf lange Sicht schwächen
                                                                                   dauer“ hält, sieht er die Hauptursache        könnte. Wörtlich weist er daraufhin,
                                                                                   für die hohe Zahl fehlender Grund-            dass sich „in einer Zeit, in der das Stu-
                                                                                   schullehrerinnen und -lehrer im Nume-         dieren durch Corona eine Transformati-
                                                                                   rus clausus (NC) für das Studium dieses       on durchläuft, globale Minderausgaben
                                                                                   Lehramtes: „Wenn eine Abi-Note von 1,9        und an Studierendenzahlen gekoppelte

                                                          Foto: Kay Herschelmann
                                                                                   oder besser erforderlich ist, um Grund-       Studienqualitätsmittel (SQM) negativ
                                                                                   schullehrerin oder -lehrer zu werden,         auswirken. Es muss daher klar sein, dass
                                                                                   weil die Universitäten zu wenige Plätze       man durch geringere Ausgaben auch
                                                                                   anbieten können, dann verbauen wir            eine geringere Studienqualität in Kauf
                 Die jahrelange Unterfinanzierung des                              interessierten jungen Menschen diesen         nimmt.“ Sinkende SQM gefährden kon-
                 Bildungssystems hat zu einem dramati-                             Weg.“ Er erinnert an einen Vorfall von        kret Orientierungswochen für Studien­
                 schen Lehrkräftemangel geführt.                                   2014 an der Universität Münster: „Zahl-       einsteigerinnen und -einsteiger oder
                                                                                   reiche junge Frauen wollten, durften          erweiterte Öffnungszeiten von Zeichen-
                                                                                   aber angesichts des geforderten Schnitts      sälen und Werkstätten, etwa für ange-
           >>>   rechtigkeit und Effizienz einen Einklang                          von 1,7 ihren Traum vom Job als Grund-        hende Architektinnen und Architekten.
                 in frühen und einen Widerstreit in spä-                           schullehrerin nicht verwirklichen.“ Will      Wer sich an der TU Braunschweig mit die-
                 ten Phasen des Bildungslebenszyklus.                              aus seiner Sicht heißen: Mehr Geld für        sen Problemen „herumschlägt“, ist zu-
                 Im Gegensatz zu dem von dieser Lebens-                            die Hochschulen, bedeutet kein NC, be-        mindest einen Schritt weiter als viele, die
                 zyklusperspektive nahegelegten Muster                             deutet mehr Lehrkräfte. So könne man          auf berufliche Bildung setzen. Bildungs-
                 fielen die öffentlichen Bildungsinvestiti-                        einen stärkeren Puffer aufbauen, „auch        forscher Klemm bedauert, dass immer
                 onen in Deutschland im internationalen                            auf die Gefahr hin, dass einmal zu viele      noch zu viele Menschen keinen Ausbil-
                 Vergleich allerdings im frühkindlichen                            Lehrkräfte ausgebildet werden“.               dungsplatz finden oder aber nicht quali­
                 und Grundschulbereich relativ gering                                                                            fiziert genug seien, um einen solchen er-
                 und im Tertiärbereich relativ hoch aus.                           Schlechteres Studienangebot                   folgreich abzuschließen (s. S. 38 f.). Und
                 Wößmann: „Eine Verlagerung der öf-                                Davon aber ist Deutschland noch Licht-        landet in seiner Analyse wieder bei den
                 fentlichen Bildungsausgaben aus den                               jahre entfernt. Also wird in die Trickkiste   Finanzen. „Wir brauchen mehr Ressour­
                 späten in die frühen Phasen des Bil-                              gegriffen. Beispielsweise in Nordrhein-       cen für berufsbegleitende Unterstüt-
                 dungslebenszyklus‘ würde die deutsche                             Westfalen. Lehramtsanwärterinnen und          zung.“ Ebenso wie für die Abschaffung
                 Bildungsfinanzierung sowohl gerechter                             -anwärter können im Schuljahr 2020/21         jeglicher Ausbildungsgebühren.
                 als auch effizienter machen.“                                     freiwillig bis zu sechs Stunden zusätzli-     Geld für Bildung ist gut investiertes
                 Personalmangel beklagen nicht nur                                 chen Unterricht (statt bislang drei) an       Geld. Das weiß nicht nur die Wissen-
                 die Kitas. Auch im Schulsystem fehlt                              ihrer Ausbildungsschule erteilen. Dass        schaft. Auch die Politik ist sich dessen
                 es an Lehrkräften. In den vergangenen                             angesichts dieser Faktenlage von kleine-      bewusst. Unter anderem ihr schreibt
                 Jahren suchte die Politik daher ihr Heil                          ren Klassen nur geträumt werden kann,         OECD-Bildungsexperte Schleicher auf
                 in Quereinsteigermodellen (s. E&W                                 leuchtet ein. Allerdings weist Klemm auch     die Frage, ob Deutschland den An-
                 9/2018). Laut einer Studie der Bertels-                           darauf hin: „Wissenschaftlich ist es nicht    schluss an führende Nationen verliere,
                 mann Stiftung (2019), an der Klemm                                belegt, dass kleinere Klassen automa-         die Warnung ins Stammbuch: „Ja, ganz
                 mitgearbeitet hat, wird das Minus in                              tisch bessere Ergebnisse bringen.“ Wobei      klar.“ Doch er möchte auch ein wenig
                 den nächsten Jahren insbesondere                                  seine Betonung auf „automatisch“ liegt.       Hoffnung verbreiten: „Ich glaube, die
                 an den Grundschulen in Deutschland                                Eine bessere finanzielle Ausstattung der      Corona-Krise hat die Bedeutung von Bil-
                 deutlich größer als erwartet sein.                                Hochschulen könnte zudem eine bessere         dung verdeutlicht und wieder zu einem
                 Demnach liegt die Zahl der Lehrkräf-                              individuelle Betreuung der Studierenden       gemeinsamen gesellschaftlichen Pro-
                 te, die bis 2025 fehlen, mit mindes-                              ermöglichen. Klemm wünscht sich ent-          jekt gemacht.“ Man könnte auch sagen:
                 tens 26.300 erheblich höher als bisher                            sprechend eine Obergrenze an Semin-           Der PISA-Schock hat im Corona-Schock
                 prognostiziert. Die Kultusminister wa-                            arteilnehmerinnen und -teilnehmern:           seinen Nachfolger gefunden.
                 ren 2018 noch von 15.300 fehlenden                                „Mehr als 20 bis 30 dürfen es nicht sein.“
                 Grundschullehrkräften ausgegangen.                                Aus dem Innenleben einer Hochschule           Stephan Lüke,
                 Der Bildungsforscher hält daher auch                              berichtet Mattis Bohne. Er gehört dem         freier Journalist
                 eine Debatte über eine Stellenreserve                             AStA-Vorstand der TU Braunschweig
                 für aberwitzig. Wenn es nicht einmal                              an. Bohne weiß: „Die Globale Minder-
                 genügend Lehrerinnen und Lehrer für                               ausgabe des Landes Niedersachsen              *Name von der Redaktion geändert

    Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
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 Erziehung und Wissenschaft
14 BILDUNGSFINANZIERUNG

                                                                                                                                                        Foto: mauritius images/Pitopia/kebox
                                                                                                     Die öffentlich geförderte
                                                                                                     Weiterbildung ist nach wie
                                                                                                     vor unterfinanziert. Das gilt
                                                                                                     auch für die digitale Ausstattung.

                Es fehlt an allem
                 // Weiterbildung halten Unterneh-            Beim Digitalpakt Schule ist die öffentlich   das Teil der Weiterbildungsstrategie ist,
                 men und Politik für wichtig. Trotz-          finanzierte Weiterbildung aber außen         und das 2019 verankerte Recht auf eine
                 dem ist der öffentlich finanzierte           vor geblieben – trotz des großen Be-         Weiterbildungsberatung. „Nun muss
                 Bereich an Volkshochschulen                  darfs. Die Politik habe sich der Verant-     der Rechtsanspruch auf eine Weiterbil-
                 (VHS), Musikschulen und bei den              wortung entledigt, anstatt Professiona-      dung für alle Beschäftigten folgen“, sagt
                 Maßnahmen der Bundesagentur                  lisierungsvorgaben zu machen und den         Bahr.
                 für Arbeit (BA) im Digitalpakt               Bereich zu unterstützen, sagt Klinger.       Eine Ausweitung des Digitalpakts Schu-
                 Schule außen vor geblieben. Ob               „Corona hat deutlich gemacht, dass das       le hält Bahr nicht für sinnvoll. „Es hilft
                 sich das nach der Bundestagswahl             Bildungswesen nicht krisenfest ist und       keinem, wenn wir die Gelder breiter
                 ändert, ist fraglich. //                     mehr Anstrengungen erforderlich sind.“       streuen und die Schulen sowie Weiter-
                                                              Der Digitalpakt müsse erweitert werden.      bildungsträger gegeneinander ausspie-
                 Eigentlich sind sich alle einig. Fragt man                                                len.“ Besser wäre aus Bahrs Sicht ein
                 bei den Parteien im Bundestag nach,          Digitalpakt Weiterbildung                    Digitalpakt Weiterbildung. In diesen
                 trifft man nur auf große Fans der Wei-       Was aber planen die Parteien? „Wir           sollten alle Formen von Grundbildung,
                 terbildung. Enorm wichtig sei das le-        wollen eine Kultur der Weiterbildung         allgemeiner Weiterbildung bis hin zur
                 benslange Lernen, heißt es immer wie-        etablieren“, erklärt Astrid Mannes, die      Seniorenbildung mit eingeschlossen
                 der, Weiterbildung müsse gestärkt und        für die CDU/CSU-Fraktion im Bundes-          sein. Auch die Länder müssten mitzie-
                 gefördert werden, gerade im Bereich          tagsausschuss für Bildung, Forschung         hen, so Bahr. Allerdings sieht sie dabei
                 der Digitalisierung. Doch wie genau die-     und Technikfolgenabschätzung sitzt,          „ähnlich große Herausforderungen“
                 se Stärkung und Förderung aussehen           auf Nachfrage. Konkrete Vorhaben             wie beim Digitalpakt Schule. „Das Pro-
                 sollte, ist sehr viel weniger klar.          nennt Mannes nicht, sondern verweist         blem ist die Vielschichtigkeit“, sagt die
                 Nötig wäre es allemal, mehr in die           auf die Nationale Weiterbildungsstrate-      Bildungspolitikerin. „Volkshochschulen
                 Weiterbildung zu investieren. Das gilt       gie von 2019. „Damit hat die Bundesre-       oder Musikschulen sind elementar für
                 sowohl für die betriebliche wie auch         gierung ein deutliches Zeichen gesetzt.“     die Bildung, denn sie vermitteln weit
                 für die im öffentlichen Auftrag statt-       Außerdem fördere der Bund bereits seit       mehr als nur berufsrelevante Fähigkei-
                 findende Weiterbildung – an VHSn,            2014 das VHS-Lernportal mit rund 14          ten. Aber eben diese Berufsrelevanz
                 Musikschulen und mit Blick auf die           Millionen Euro und habe mit der Ände-        ist vielfach der Gradmesser, mit dem
                 Lehrgänge sowie Sprach- und Integra-         rung des Fernunterrichtsschutzgeset-         die Kostenübernahme durch den Staat
                 tionskurse der BA. „Der Bereich ist un-      zes 2017 den Fernunterricht gestärkt.        gemessen wird.“ Dafür Lösungen zu fin-
                 terfinanziert“, sagt Ansgar Klinger, Vor-    Auch Ulrike Bahr, die für die SPD im Bil-    den, müsse diskutiert werden.
                 standsmitglied für Berufliche Bildung        dungsausschuss sitzt, verweist auf ein-      Auch die FDP ist gegen eine „direkte
                 und Weiterbildung der GEW. „Es fehlt         zelne Verbesserungen, die die jetzige        Übertragung“ des Digitalpakts Schule.
                 bei der digitalen Ausstattung, Adminis-      Regierung schon auf den Weg gebracht         Dieser sei „ohnehin schon viel zu bü-
                 tration und Fortbildung.“                    habe, etwa das neue Aufstiegs-BAföG,         rokratisch und schwerfällig“, sagt der

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BILDUNGSFINANZIERUNG                 15

bildungspolitische Sprecher der Partei,     setzungen, da kann der Bund anders        Geld solle eine „digitale Grundsiche-
Jens Brandenburg, auf Anfrage. Nach         agieren.“ Ohnehin seien die Gelder des    rung“ verbrieftes Recht werden. „Diese
den Vorstellungen der FDP sollen volljäh-   Digitalpakts Schule nicht annähernd       Förderung ist eine Daueraufgabe und
rige Bürgerinnen und Bürger mit einem       ausreichend für eine adäquate digita-     deshalb nicht mit temporären Förder-
„persönlichen Freiraumkonto selbstbe­       le Ausstattung der Schulen sowie der      programmen lösbar.“
stimmt Bildungsguthaben ansammeln“          Schülerinnen und Schüler, „von guter      Allerdings dämpft CDU-Politikerin Man-
können. Geringverdiener sollen mit ei-      Internetanbindung, Wartung und Ser-       nes bereits die Erwartungen. „Durch die
nem „staatlichen Midlife-BAföG“ unter-      vice bei den Geräten ganz zu schwei-      Corona-Krise sind große außerplanmäßi-
stützt werden. „Vom Abendkurs über          gen“. Die Grünen wollen ein Recht auf     ge Hilfsprogramme aufgesetzt worden,
das E-Learning-Modul in der Straßen-        Weiterbildung einführen und die Bil-      die zu einer gewaltigen Neuverschuldung
bahn bis zum mehrmonatigen Vollzeit­        dungsmaßnahmen durch öffentliche          führen“, sagt sie. Der Bund werde nicht
studiengang soll alles möglich sein“,       Gelder finanzieren. Kursanbietende        mehr die finanziellen Spielräume haben
sagt Brandenburg.                           sollen bei der Digitalisierung ihrer      wie vor der Pandemie. „Ich halte es für
                                            Angebote unterstützt werden.              fraglich, ob der Bund weiterhin Länder
Förderung eine Daueraufgabe                 „Wir brauchen einen Digitalpakt Bil-      und Kommunen im bisherigen Umfang
Bildung sollte nicht gegen Bildung          dung“, sagt die Bildungspolitikerin der   im Bereich ihrer eigenen Zuständigkeit
ausgespielt werden, sagen auch die          Linken, Birke Bull-Bischoff. „Die not-    entlasten kann.“ Für die öffentlich finan-
Grünen. „Es war hart genug, den Di-         wendigen digitalen Lehr- und Lernmit-     zierte Weiterbildung sind das nicht die
gitalpakt Schule verfassungskonform         tel müssen allen jungen Leuten und Er-    besten Aussichten.
zu verhandeln“, so die grüne Bildungs-      wachsenen für Aus- und Weiterbildung
politikerin Beate Walter-Rosenheimer.       sowie den Trägern und den dort arbei-     Verena Kern,
„Bei der öffentlich geförderten Wei-        tenden Beschäftigten zur Verfügung ge-    stellvertretende Chefredakteurin des
terbildung haben wir andere Voraus-         stellt werden.“ Für Menschen mit wenig    Online-Magazins klimareporter°

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                                                                                                        Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
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                „Die Schuldenbremse
                ist eine Todsünde“
                 // Der Staat sollte seine Corona-             E&W: Erst später? Warum nicht beides
                 Schulden nicht durch Einsparungen             gleichzeitig?
                 tilgen, sondern besser durch eine             Hickel: Beides auf einmal ist politisch
                 Sonderabgabe auf höhere Vermö-                nicht machbar. Es gibt ein historisches
                 gen. Das fordert der Bremer Wirt-             Vorbild für eine solche Abgabe: Um die
                 schaftsprofessor Rudolf Hickel. //            Folgekosten des Zweiten Weltkriegs zu
                                                               finanzieren, wurde 1952 ein Lastenaus-

                                                                                                           Foto: Eckhard Stengel
                 E&W: Zum Jahreswechsel ist für die            gleich eingeführt.
                 meisten Steuerzahlenden der Solidari-         E&W: Was könnte der Staat sonst noch
                 tätszuschlag weggefallen. Freuen Sie sich     tun, damit er mehr Geld in die Bildung
                 darüber, oder würden Sie den „Soli“ am        stecken kann?
                 liebsten gleich wieder einführen – dies-      Hickel: Bei der Einkommensteuer sollte                              Professor Rudolf Hickel, 79, ist Finanz-
                 mal nicht für den „Aufbau Ost“, sondern       der Spitzensteuersatz erhöht werden.                                wissenschaftler und Mitbegründer der
                 vielleicht für den „Aufbau Bildung“?          Die derzeit geltenden 42 Prozent (bezie-                            kapitalismuskritischen „Arbeitsgruppe
                 Rudolf Hickel: Ich finde es völlig richtig,   hungsweise 45 Prozent bei besonders                                 Alternative Wirtschaftspolitik“ („Memo-
                 dass der „Soli“ zum großen Teil abge-         Reichen) sind zu niedrig. Man sollte den                            randum-Gruppe“). Bis 2009 leitete er
                 schafft wurde, denn er war ja nur zur         Satz nach und nach auf 53 Prozent erhö-                             das „Institut Arbeit und Wirtschaft“ an
                 Finanzierung der Ost-West-Angleichung         hen, wie zu CDU-Kanzler Helmut Kohls                                der Universität Bremen.
                 gedacht. Die dahintersteckende Idee,          Zeiten. Außerdem sollten Kapitalerträge
                 nämlich die Reichen bei Sonderaufga-          wieder voll als Einkommen versteuert
                 ben wie jetzt in der Corona-Krise stär-       werden und nicht nur wie derzeit mit                                man ja an den Schulen, wo teilweise
                 ker heranzuziehen, sollte aber wieder         25 Prozent Abgeltungssteuer. Und als                                nicht mal mehr Reparaturen finanziert
                 aufgegriffen werden – und zwar in Form        Schmankerl obendrauf könnte die lang                                werden, geschweige denn neue Gebäu-
                 einer Vermögensabgabe.                        diskutierte Finanztransaktionssteuer auf                            de. Bei den Kommunen gibt es – durch
                 E&W: Wie sollte die aussehen?                 Börsengeschäfte eingeführt werden.                                  den Druck der Null-Verschuldung bei
                 Hickel: Die Spitzenverdiener sollten für      E&W: Wäre auch eine Erhöhung der                                    den Ländern – einen Investitionsstau in
                 die durch Corona entstandenen Staats-         Mehrwertsteuer sinnvoll?                                            Höhe von 44 Milliarden Euro allein bei
                 schulden zur Kasse gebeten werden. Ich        Hickel: Nein, denn sie belastet über-                               den Schulen. Der lässt sich nur durch
                 wäre für einen großzügigen Freibetrag         proportional Menschen mit geringerem                                neue Kredite abbauen. Die Schulden-
                 von bis zu zwei Millionen Euro bei Pri-       Einkommen. Aber dass der reduzierte                                 bremse ist zu einer Investitions-, ja:
                 vatpersonen und fünf Millionen bei Be-        Satz von 7 Prozent zum Beispiel für Blu-                            Zukunftsbremse geworden. Kein Unter-
                 triebsvermögen. Oberhalb dieser Gren­         mensträuße oder bestimmte Luxusgü-                                  nehmen käme auf die Idee, auf Kredite
                 zen müsste 1 Prozent des Vermögens            ter wie Trüffel gilt, während etwa Win-                             für seine später rentierlichen Investitio-
                 als Abgabe bezahlt werden. Dieser Satz        deln oder Schulhefte mit den vollen 19                              nen zu verzichten.
                 könnte bei höheren Vermögen auch bis          Prozent besteuert werden – das müsste                               E&W: Wirkt die Schuldenbremse also
                 auf 30 Prozent steigen. Bei einer Lauf-       dringend überarbeitet werden.                                       ungefähr so, als würden Eltern ihren
                 zeit von 20 Jahren brächte das etwa           E&W: Hat sich die Schuldenbremse be-                                Kindern ein zwar abbezahltes, aber ver-
                 310 Milliarden Euro. Bund, Länder und         währt? Sie verbietet dem Staat zwar                                 fallenes Haus vererben – obwohl die
                 Kommunen könnten ihre Corona-be-              grundsätzlich eine größere Neuver-                                  Kinder wahrscheinlich lieber ein intak-
                 dingten Schulden in einen Fonds ein-          schuldung, enthält aber immerhin eine                               tes Haus bekämen, auch wenn sie dafür
                 bringen, der durch die Vermögensabga-         Ausnahmeregelung für Notlagen, also                                 Darlehen abbezahlen müssten?
                 be abfinanziert würde. So könnten die         auch für die aktuelle Corona-Krise.                                 Hickel: Absolut richtig! Dass Staatsschul-
                 öffentlichen Haushalte von der Tilgung        Hickel: Die Schuldenbremse ist eine Ka-                             den künftige Generationen zu sehr belas-
                 entlastet werden, der Spielraum auch          tastrophe und eine Todsünde, denn sie                               ten würden, ist ein dummes Argument.
                 für Bildungsinvestitionen würde größer        verhindert, dass gesellschaftlich wichti-                           Wir belasten künftige Generationen
                 und die Unterfinanzierung des Bildungs-       ge, nachhaltige Investitionen auch über                             eher durch mangelnde Zukunftsinvestiti-
                 systems ließe sich abbauen. Später soll-      Kredite finanziert werden. Sie hat den                              onen. Wenn wir heute investieren, dann
                 te man die zeitlich befristete Abgabe in      Staat gezwungen, in wichtigen Infra-                                profitieren davon auch die späteren
                 eine Vermögenssteuer umbauen.                 strukturbereichen zu kürzen. Das sieht                              Generationen. Deshalb können sie sich

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BILDUNGSFINANZIERUNG                                    17

auch an der Refinanzierung beteiligen.      oder verschwenderischen Ausgaben            gelder zum Beispiel eher in den Stra-
Wenn wir Zukunftsinvestitionen allein       für Unternehmensansiedlungen. Aber          ßenbau fließen?
aus laufenden Steuereinnahmen zahlen,       zweitens brauchen wir eben auch eine        Hickel: Das ist der Kampf um die Priori-
dann finanziert die aktuelle Generation     Erhöhung der Einnahmen, indem die           täten. Denkbar wäre ein bundesweiter
Investitionen, die erst für künftige Ge-    Vermögenden mehr herangezogen               Bildungsfinanzierungsplan. Darin könn-
nerationen wirksam werden. Das ist erst     werden und Steuerhinterziehung bes-         te fixiert werden, wie hoch der Bedarf
recht nicht generationengerecht.            ser bekämpft wird. Und drittens die hö-     ist und wie sich die Finanzierung über
E&W: Finden Sie es deshalb richtig, dass    here Staatsverschuldung. Die Schulden-      mehrere Jahre auf Bund, Länder und
der Staat zur Bewältigung der Corona-Fol-   bremse muss weg!                            Kommunen verteilen sollte. In einer Fi-
gen neue Schulden aufgenommen hat?          E&W: Das Bildungssystem braucht             nanzierungsvereinbarung könnte fest-
Hickel: Was die unmittelbaren Corona-       längerfristige Strukturverbesserungen,      gelegt werden, dass diese Beträge dann
Kosten betrifft, hat die Politik überra-    zum Beispiel mehr Personal oder einen       tatsächlich bei den Haushaltsberatun-
schend problembewusst reagiert, indem       weiteren Ausbau des Ganztagsange-           gen berücksichtigt werden.
sie alles Notwendige über Kredite finan-    bots. Wie sollte das finanziert werden?     E&W: Bund und Länder haben 500 Mil-
ziert hat. Auch das unsinnige Kooperati-    Hickel: Eine Voraussetzung dafür wäre       lionen Euro für mobile Endgeräte in
onsverbot für Bund und Länder bei den       die Entlastung von den Corona-Schul-        den Schulen bereitgestellt. Sollten die
Bildungsausgaben wurde inzwischen           den durch die Vermögensabgabe. Bei          knappen Steuergelder besser in Luftfil-
enttabuisiert, wie man am Digitalpakt       der Haushaltsaufstellung müssten dann       ter und Lüftungsanlagen statt in Tablets
für die Schulen sehen kann. Es wäre eine    klare Prioritäten für die Bildung gesetzt   investiert werden?
absolute Katastrophe, wenn die Corona-      werden. In einem mittelfristigen In-        Hickel: Das eine schließt das andere
Schulden später durch Einsparungen          vestitionsprogramm könnte für einen         nicht aus. Aber Technik allein reicht als
getilgt werden müssten, denn die träfen     Zeitraum von mindestens vier Jahren         Lösung nicht. Die Lehre aus Corona ist ja
auch das Bildungssystem.                    festgelegt werden, dass der 44-Mil-         unglaublich brutal. Plötzlich merken wir,
E&W: Gibt es neben Steuererhöhungen         liarden-Rückstau abgebaut wird und          wie wichtig Hygiene ist und wie dringend
und neuen Krediten auch die Möglich-        zusätzlich 20 Milliarden für Strukturver-   Toiletten repariert werden müssen. Und
keit, Ausgaben zu kürzen?                   besserungen fließen. Ein Sonderfonds        plötzlich fällt auf, dass sich viele Fenster
Hickel: Ja, das ist ein Dreigestirn. Na-    nur für Bildung ist nicht zu empfehlen.     nicht richtig öffnen lassen. Das ist un-
türlich brauchen wir auch eine Aus-         Die Bildungsausgaben müssen dauer-          glaublich. Um jetzt zu handeln, bedarf
gaben- und Aufgabenkontrolle. Dazu          haft im normalen Haushalt unterge-          es wohl des Schocks dieser Krise.
gehört zum Beispiel, alle ökologisch        bracht werden.
belastenden Subventionen abzubauen,         E&W: Aber besteht dann nicht die            Interview: Eckhard Stengel,
aber auch bei der Rüstung zu kürzen         Gefahr, dass die knappen Haushalts-         freier Journalist

  Durch eine Steuer auf hohe Vermögen ließen sich
  unter anderem dringend notwendige Investitionen
  in das Bildungswesen finanzieren.
                                                                                                                                       Foto: imago images/Steinach

                                                                                                          Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
18 BILDUNGSFINANZIERUNG

                Das Ungleichgewicht
                nimmt zu
                 // Eltern, die ihre Kinder auf           Die sogenannten Ersatzschulen werden        forschung und Lehrerbildung, sieht
                 private Schulen schicken, tun            getragen von konfessionellen, gemein-       in der „Sparpolitik der öffentlichen
                 das nicht nur der alternativen           nützigen oder gewerblichen Organisati-      Hand“ den Hauptgrund für den steti-
                 pädagogischen Konzepte wegen.            onen und vergeben Abschlüsse, die der       gen Zulauf bei Privatschulen. 1992 lag
                 Grund ist auch die schlechte             Staat anerkennt. Dafür beteiligt sich       der Anteil der Privatschülerinnen und
                 finanzielle Lage der öffentlichen        dieser an den Kosten – je nach Bundes-      -schüler bei knapp 5 Prozent. Heute
                 Einrichtungen. //                        land mit 45 bis knapp 100 Prozent des-      besucht jeder elfte der rund elf Milli-
                                                          sen, was eine Schülerin oder ein Schüler    onen Schülerinnen und Schüler eine
                 Das Angebot klingt vielversprechend:     im öffentlichen Schulsystem kostet. Die     allgemeinbildende Schule in freier
                 Förderung individueller Stärken, mu-     Finanzierungslücke, die dem Verband         Trägerschaft, die oft dort entstanden
                 sikalische Erziehung, viel Sport, Mo-    Deutscher Privatschulverbände (VDP)         sind, wo öffentliche Einrichtungen we-
                 tivation für grenzenloses Denken und     zufolge im Jahr 2016 durchschnittlich       gen der schrumpfenden Zahl an Schü-
                 mehr verspricht Rahn Education auf       2.300 Euro pro Kind betrug, stopfen         lerinnen und Schülern geschlossen
                 seiner Webseite. Der Anbieter von        die Privaten mit eigenen Mitteln und        wurden.
                 Bildungsdienstleistungen betreibt an     Spenden. Hinzu kommt in der Regel ein       Für Bildungsforscher Prof. Heiner Barz
                 neun Standorten in Ostdeutschland        Schulgeld, das laut Destatis im gleichen    von der Uni Düsseldorf hat die At-
                 unter anderem Kitas, Grundschulen,       Jahr bei durchschnittlich 2.000 Euro lag.   traktivität von Waldorf-, Montessori-
                 Sekundarschulen, Gymnasien sowie         Zwar müssen sich die Schulen an das         oder kirchlichen Einrichtungen auch
                 Berufsbildungszentren. Er steht stell-   Sonderungsverbot halten, also die Bei-      mit „einer Frustration der Eltern über
                 vertretend für eine Entwicklung, die     träge so bemessen, dass alle sich diese     das staatliche Schulsystem“ zu tun.
                 sich seit rund 30 Jahren vollzieht.      leisten können. Konkrete Vorgaben gibt      „Eltern, die ihre Kinder auf eine Pri-
                 Vergangenes Schuljahr zählte das Sta-    es jedoch keine (s. E&W 1/2021, Seite       vatschule schicken, suchen in erster
                 tistische Bundesamt (Destatis) unter     18 ff.). Deshalb unterscheiden sich die     Linie eine pädagogische Alternative
                 den 40.866 allgemeinbildenden und        Schulgelder mitunter deutlich.              zum klassischen Schulbetrieb“, sagt
                 beruflichen Schulen 14 Prozent priva-                                                Barz. Ihre Hoffnung: Moderne Bil-
                 te Einrichtungen, ein Anstieg um 81      Soziale Segregation                         dungskonzepte, kleinere Klassen und
                 Prozent seit 1992. Die Bildungsstätten   Das Wissenschaftszentrum Berlin für         eine stärkere Betreuung sorgen für
                 hinter diesen Zahlen befinden sich zu    Sozialforschung hält Privatschulen bis      bessere Leistungen der Sprösslinge.
                 einem guten Teil in Ostdeutschland. Zu   auf wenige Ausnahmen für „auskömm-          Untersuchungen zeigen jedoch, dass
                 DDR-Zeiten gab es bis auf wenige Aus-    lich finanziert“. Bei den öffentlichen      sich nicht nur die Klassengrößen kaum
                 nahmen keine privaten Lehranstalten.     Einrichtungen mangelt es derweil an         unterscheiden, auch die Lern-
                 Heute sind die ostdeutschen Länder       Investitionen in Höhe von 43 Milliarden     erfolge sind bei
                 Spitzenreiter.                           Euro, wie das Deutsche Institut für
                                                           Urbanistik ermittelt hat. Die öffentli-
                                                            chen Ausgaben für Bildung
                                                             liegen seit Jahren

                                                                                        bei etwas
                                                                          mehr als 4 Prozent des
                                                                    Bruttoinlandsprodukts (BIP).
                                                   In     Das ist weniger als die Staaten der Or-
                                         Mecklenburg-     ganisation für wirtschaftliche Zusam-
                               Vorpommern ist knapp       menarbeit und Entwicklung (OECD)
                        jede fünfte allgemeinbildende     im Durchschnitt für den Bildungsbe-
                 Schule in privater Hand, in Sach-        reich aufwenden.
                 sen knapp die Hälfte der Berufszen-      Prof. Tim Engartner, Direktor der
                 tren.                                    Frankfurter Akademie für Bildungs-

    Erziehung und Wissenschaft | 02/2021
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