IG Metall - Gewerkschaft fürs Leben - Gute Arbeit. Gutes Leben. IG Metall - AGA-Report Nr. 11/2015 2016
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Außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit Vorstand AGA-Report Nr. 11/2015 – 2016 IG Metall – Gewerkschaft fürs Leben Gute Arbeit. Gutes Leben. IG Metall.
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Inhaltsverzeichnis Für eine Rente mit Niveau 2 Herzlich willkommen, wir helfen! 3 AGA-Senioren setzen sich für Flüchtlinge ein – ganz praktisch TTIP – erst gelernt, dann gehandelt 5 AGA macht Freihandelsabkommen TTIP zum Thema Strategie 55plus 7 Übergang zur Altersteilzeit und Rente im Fokus Erinnerung für Gestaltung der Zukunft 9 Der Kampf für die 35-Stunden-Woche / Ausstellung mit Zeitzeugen IG Metall – Gewerkschaft fürs Leben 10 Rückblick auf die AGA-Tagung 2015 in Kassel Impressionen der AGA-Tagung 2015 in Kassel 14 Dabeibleiben und mitmachen lohnt sich 16 Beispiele aus dem alltäglichen, aber vielseitigen AGA-Leben Regen, Kälte, Dunkelheit schreckten sie nicht 18 Berliner Senioren machen bei Warnstreiks mit „Die IG Metall hat viel für mich getan“ 19 Von einem 84-Jährigen, der seit 70 Jahren Mitglied ist „Ich habe hier wieder einiges gelernt. Danke!“ 20 IG Metall-Generationendialog auf dem Deutschen Seniorentag Gute Arbeit. Gutes Leben. IG Metall. 22 Der 23. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall aus Sicht von AGA-Delegierten Unbequem aus Verantwortung 24 Beim „Tag der älteren Generation“ ist AGA immer dabei Wenn man aktiv ist und war – warum dann in Rente aufhören? 26 „55plus“ – persönliche Erfahrungen eines Seminarteilnehmers Ein Riesenfest stärkt das Wir-Gefühl 27 IG Metall Emden schlägt einen neuen Weg ein – mehr als 3.000 Besucher Bildungsangebote für die AGA-Aktiven 28 Seminare für AGA-Multiplikatoren, Sozialberater und Erwerbslose in 2016 1
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Für eine Rente mit Niveau Es ist ein Comeback, das viele kaum noch erwartet haben: Die gesetzliche Rente beweist aktuell dank hoher Rücklagen und guter Prognosen für die kommenden Jahre mit Nachdruck, dass sie die verlässlichste Säule der Alterssicherung ist. Während die Riester-Rente geschei- tert ist und bei den Betriebsrenten große Lücken klaffen, zeigt die Kurve der solidarischen Altersrente derzeit nach oben. Um bis zu fünf Prozent sollen die Renten im Som- Hans-Jürgen Urban mer 2016 laut Prognosen angehoben werden und das Sicherungsniveau der Standardrente soll über mehrere abgesicherte Übergänge vor Erreichen der Regelalters- Jahre zumindest stabil bleiben. grenze im Bericht der Arbeitsgruppe weitgehend fehlen, zielen diverse Vorschläge darauf, höhere Anreize für ein Doch die positiven Meldungen könnten sich rasch als Weiterarbeiten im Rentenalter zu schaffen. Diese Fehlan- trügerische Ruhe vor dem Sturm erweisen. Mittel- und reize für ein Weiterarbeiten bis ins hohe Alter haben das langfristig drohen der gesetzlichen Rente unverändert Zeug für eine weitere Spaltung am Arbeitsmarkt und die politisch beschlossenen Leistungskürzungen. Wird entziehen zudem den Sozialkassen finanzielle Mittel. hier nicht gegengesteuert, werden die finanziellen Rück- lagen innerhalb weniger Jahre abschmelzen. Die Beiträge Um die Forderungen der IG Metall durchzusetzen, werden werden steigen, während das Rentenniveau weiter sinkt. wir unsere erfolgreiche Kampagne „Gute Arbeit – gut in Die Folge wäre, dass selbst Durchschnittsverdiener im Rente“ fortführen und dabei das Rentenniveau in den Alter nah an die Armutsschwelle rutschen würden. Dies Mittelpunkt rücken. „Mehr Rente – mehr Zukunft“, so gilt es zu verhindern! könnte die Losung heißen, mit der wir unseren Anspruch an eine weitere Stärkung der gesetzlichen Rente zum Die IG Metall hat auf ihrem Gewerkschaftstag im Herbst Ausdruck bringen werden. 2015 mit einem Leitantrag und vielen weiteren Anträgen zur Rente die Forderung nach einem Neuaufbau der soli- Um unsere Ziele zu erreichen, setzen wir auf die Unter- darischen Alterssicherung beschlossen. Dafür ist eine stützung aller Generationen. Den öffentlich inszenierten deutliche Anhebung des Rentenniveaus notwendig, damit „Krieg der Generationen“ zwischen Jung und Alt macht wieder eine angemessene Sicherung des Lebensstandards die IG Metall nicht mit. Wir werden uns im Dialog der im Alter gewährleistet wird. Flankierend müssen weitere Generationen für unsere Vorstellungen von einer soli- Schritte folgen, um passgenaue Lösungen für verschie- darischen Rentenpolitik einsetzen – und ich freue mich dene Probleme auf dem Feld der Alterssicherung anzu- darauf, dies gemeinsam mit den aktiven AGA-Gruppen bieten. So brauchen wir endlich wirkungsvolle Instrumente überall im Land in die Tat umzusetzen! gegen Altersarmut. Hier ist die Bundesregierung trotz ihrer Ankündigung im Koalitionsvertrag bislang eine Herzlichst Euer Antwort schuldig geblieben. Auch die Gestaltung flexibler Übergänge in den Ruhe- stand bleibt auf der Tagesordnung. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe „flexible Übergänge“ von Union und SPD Hans-Jürgen Urban taugen jedenfalls nicht. Während echte Optionen für geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall 2
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Herzlich willkommen, wir helfen! AGA-Senioren setzen sich für Flüchtlinge ein – ganz praktisch Überall im Lande engagieren sich Metallerinnen mern sie sich ehrenamtlich um junge Flüchtlinge, die und Metaller für Flüchtlinge und sagen ihnen: „Wir ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind: In einer heißen euch willkommen.“ Auch AGA-Senioren sind Einrichtung des Vereins für Arbeits- und Erziehungshilfe dabei. Beispielsweise in Nürtingen, Frankfurt am helfen sie ihnen beim Deutschsprechen, Deutschlesen Main und Werdohl im Märkischen Kreis. und Deutschschreiben. In Nürtingen kümmert sich Helmut Hartmann gemeinsam Sie haben sich auf einen Aufruf der Arbeiterwohlfahrt mit anderen ehrenamtlich um Flüchtlinge. Hartmann, zum Projekt „Herzlich ankommen“ gemeldet. Gemeinsam der vor seiner Rente Bevollmächtigter der IG Metall in mit 150 anderen Freiwilligen. Sie absolvierten zunächst Esslingen war, nutzt seine Kontakte für die Vermittlung selbst einen Grundkurs für ihren Dienst und unterstützen von Praktikumsplätzen und Jobs. Das kann zu einer nun die professionellen Lehrer. „So können wir wenigs- wochenlangen Odyssee durch Ämter und Bürokratie wer- tens einen Minibeitrag leisten, um zu zeigen: Ihr seid den. Denn die rechtliche Lage ist komplex: In der öffent- hier willkommen“, erklärt Adelheid Müller-Laus. „Und lichen Debatte wird der Begriff „Flüchtling“ zumeist als Sammelbegriff für Personen verwendet, die unter sehr unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Bedingungen in Deutschland sind. Der aufenthaltsrechtliche Status ist wiederum entscheidend, welchen Zugang zum Arbeits- markt ein Flüchtling hat oder welches das richtige Amt ist. „Es ist nicht leicht herauszufinden, wer überhaupt zuständig ist. Die Arbeitsagentur schickt dich zum Job- center, das Finanzamt zum Rathaus. Und überall musst du seitenlange Anträge ausfüllen, die Flüchtlinge unmög- lich verstehen können.“ Doch sein Einsatz lohnt sich. So konnte der 22-jährige Syrer Shokre Alawad am 1. September 2015 eine Ausbil- dung zum Feinwerker beginnen. In Syrien hatte er bereits ein Ingenieurstudium angefangen, als er vor anderthalb Jahren fliehen musste. Hartmann begleitete ihn zu Äm- tern und Gerichten, besorgte ihm einen Deutschkurs, ein Praktikum und eine kleine Wohnung, erzählt Alawad in bereits gutem Deutsch. „Es war schwer am Anfang. Ohne Helmut Hartmann wäre ich wohl noch im Flüchtlings- wohnheim.“ Deutsch lernen ist entscheidend, sagt Hartmann. „Nur dann können Flüchtlinge hier Fuß fassen und arbeiten.“ Das sehen Adelheid Müller-Laus und ihr Mann Manfred Laus aus Frankfurt am Main genauso. Vor der Rente waren die beiden Betriebsräte bei der AEG. Jetzt küm- Adelheid Müller-Laus und Manfred Laus unterrichten Flüchtlinge 3
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 es kommt auch etwas zurück. Die Jugendlichen wollen weiterkommen und sind wissbegierig.“ Manfred Laus betont: „Oft geht es dabei um ganz einfache Dinge für die unter Ängsten und Depressionen leidenden Werdohl: Spendenübergabe für Flüchtlingshilfe Jugendlichen, um menschlichen Kontakt. Wenn du monate lang um die halbe Welt flüchtest und ums Überleben wurde, obwohl die Frau eine Arbeitsstelle als Verkäuferin kämpfst, hilft es schon, wenn Leute mit dir ganz normal und der Mann eine Arbeitsstelle als Schlosser hatte. reden und dich fragen, wie du geschlafen hast.“ Wichtig war den IG Metall-Senioren neben moralischer Auch die IG Metall-Senioren in der Geschäftsstelle auch praktische Unterstützung für die knapp 300 Flücht- Märkischer Kreis haben sich die Hilfe für Flüchtlinge zur linge, die im Herbst in drei Unterkünften in Werdohl Aufgabe gemacht. Gemeinsam mit der Evangelischen lebten. Mit Spendensammlungen verstärkten sie das Kirche und Verbänden von Muslimen setzen sie Zeichen öffentliche Augenmerk auf die Not der Flüchtlinge: Bei der praktischen Solidarität mit Flüchtlingen vor Ort. der 1.-Mai-Feier am Nagelbalken und bei einer Kinder- schminkaktion, die von den Büromitarbeiterinnen der „Wir sind verpflichtet, den Flüchtlingen zu helfen.“ Das ist Geschäftsstelle betreut wurde. Aber auch beim Wander die einhellige Meinung der IG Metall-Senioren Lenneschie- tag der IG Metall-Senioren Lenneschiene, bei einer ne, wie ihr Sprecher Uli Mannack dem AGA-Report über- Informationsveranstaltung mit dem Werdohler Hilfenetz mittelte. Einige hätten sich daran erinnert, dass sie nach sowie bei einem Werbeeinsatz für die IG Metall auf dem dem Krieg selbst Flüchtlinge waren und welche Hilfe ihnen Werdohler Wochenmarkt. So konnten sie Lothar Jeßegus, zuteil wurde. Aber allen sei auch klar, dass die heutigen dem Leiter der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe Werdohl, Flüchtlinge viel mehr durchgemacht hätten und dass noch gut 650 Euro überreichen. ein langer Weg bis zur Integration ansteht. Uli Mannack erläutert: „Flüchtlinge verlassen ihre Heimat, machen sich Von ihm ließen sie sich für ihre weiteren Planungen erklä- auf einen weiten Weg in eine unbekannte Welt. Sie hinter- ren, welches die Hauptaufgaben sind, für deren Bewälti- lassen Familie und Freunde. Ob sie die Flucht aus Krieg gung auch ehrenamtliches Engagement gebraucht wird: und Armut überhaupt überleben, wissen sie nicht.“ • Erklären und Beantworten von Behördenschreiben Nach Ansicht der IG Metall-Senioren muss man „sich mit • Vermittlung zu Ärzten aller Kraft für die Flüchtlinge einsetzen“. Das bedeutet • Ausstattung mit Kleidung und Mobiliar gerade auch Vorschlägen, die darauf zielen, gesetzliche • Ausflugsfahrten und tarifliche Entgeltstandards zu unterschreiten und • Vermittlung zu Sportvereinen und Versorgung mit damit Lohnkonkurrenz zu schüren, eine entschiedene Sportkleidung Absage zu erteilen. Niedrigere Einstiegslöhne oder gar • Unterstützung bei rechtlichen Problemen die Absenkung des Mindestlohns von 8,50 Euro für • Zuschuss für Fahrkosten zum Unterricht und für das Flüchtlinge sind mit der IG Metall nicht zu machen. Uli Anschaffen von Schulbüchern Mannack dazu: „Hier werden die IG Metall-Senioren ver- • Suche von Wohnungen am Ort und in der Umgebung stärkt Augen und Ohren aufhalten und dieses Verhalten • Ermittlung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen am öffentlich anprangern.“ Nicht verstehen können sie auch, Ort und in der Umgebung warum etwa ein Paar aus dem Kosovo zurückgeschickt • Hilfe beim Lernen der deutschen Sprache 4
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 TTIP – erst gelernt, dann gehandelt AGA macht Freihandelsabkommen TTIP zum Thema Keine Scheu haben AGA-Senioren, sich auch mit AGA-Mitglieder Unterschriften „geholt“ und damit das Weltpolitik auseinanderzusetzen, wenn soziale TTIP-Thema unter die Leute gebracht. Standards und die Demokratie in Deutschland Stellung bezogen haben sie auch zur Berichterstattung bedroht sind. Dann gehen sie auch auf die Straße. über TTIP in der lokalen Presse, teils durch „Richtig- Die Mannheimer AGA ist ein Beispiel dafür, wie stellung“ mit einschlägigen Infotafeln bei ihren Auftrit- das komplizierte Freihandelsabkommen TTIP auch ten im öffentlichen Raum, teils durch Leserbriefe. Sie auf lokaler Ebene „handhabbar“ gemacht werden haben sich auch an Aktionen zu Gemeinderatssitzungen kann. beteiligt, um die Stadträte zum Tagesordnungspunkt Erst selbst lernen, dann handeln: So sind die Mannhei- mer AGA-Kolleginnen und -Kollegen vorgegangen. Seit Anfang 2014 schon hatten sie sich mit TTIP befasst. Bei mehreren Treffen arbeiteten sie die wichtigsten Punkte heraus. Die Gefahren rückten dabei immer mehr in den Mittelpunkt. Hierzu gehört insbesondere der geplante „Investitionsschutz“. Dieser soll Investoren ermöglichen, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen – und zwar aufgrund jeder Politik, die ihre Eigentumstitel und die geplanten Gewinne aus ihren Investitionen bedroht. Die Erfahrungen mit derlei Investitionsschutz- regelungen in anderen Abkommen zeigen: Dieses Mittel haben Konzerne in der Vergangenheit unter anderem dazu eingesetzt, Entschädigungen für staatliche Maß- nahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz von Umwelt, Gesundheit oder Verbrauchern dienen. Im Zuge dieser Lernphase machten sie geeignete In- formationsmaterialien ausfindig. Dieses ergänzten sie Mannheim: AGA-Kollegen klären Bevölkerung über TTIP auf durch Material, das sie selbst entwickelten und erstell- ten. In ihrem Bericht, den sie dem AGA-Report übermit- telten, schildern sie weiter: „So mit Wissen und Mate- Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell: rial ausgerüstet bestritten wir mehrere Infostände. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft auf Großtafeln angebotenen Kurzinfos führten zu vielen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) TTIP, ist ein Nachfragen. Wir kamen mehrmals auch mit Kleinunter- Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines nehmern ins Gespräch, die entweder bereits TTIP wegen völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union des zu erwartenden massiv ansteigenden Wettbewerbs- und den USA. Die genauen Vertragsbedingungen werden seit druck ablehnten oder im Gespräch mit uns erkannten, 2013 ausgehandelt. Dieser Prozess wird vielfach als intrans dass sie bei TTIP zu den Verlierern gehören werden.“ parent kritisiert und die Ziele, um die es geht, werden auch Hierbei sowie bei der 1.-Mai-Kundgebung und verschie- von der IG Metall als gefährlich für Demokratie und Sozialstaat denen Veranstaltungen sammelten sie Unterschriften angesehen. Mehr über Abkommen und Kritik unter https:// für die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative de.wikipedia.org/wiki/Transatlantisches_Freihandelsabkommen „Stopp TTIP“. Und auch in ihrem Wohnumfeld haben 5
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Protest gegen TTIP in Berlin: Die größte Demonstration in Deutschland seit Jahren „Stellungnahme zu TTIP“ entsprechend aufzurütteln. Berlin unterwegs. Aus ihrem Bericht: In Mannheim kam es allerdings nicht so weit wie in der „Auch wir hatten uns schon länger kritisch mit den Frei Stadt Bremen, die sich symbolisch als „TTIP-freie Stadt“ handelsabkommen beschäftigt. In der Bildungsarbeit über- erklärte. zeugten uns auch die Reportagen der ARD über die Auswir- Schließlich haben sie an vier Wochenenden an Ständen kungen für Verbraucher und Umwelt. ‚Mir war danach richtig in der Innenstadt erfolgreich für die Teilnahme an der schlecht’, erklärte die Metallerin Hannelore Schaller und Großdemonstration gegen TTIP am 10. Oktober 2015 meinte die Aufweichung der EU-Standards beim Tierschutz, in Berlin geworben. Klar ist: „Auch nach der Demo in die Importerlaubnis für hormonbehandeltes Fleisch und mit Berlin wird der Protest nicht zu Ende sein. Wir werden Chlor behandelte Hähnchen. Aber auch Arbeitsstandards, aktiv bleiben müssen. Das Hauptziel von TTIP werden öffentliche Dienstleistungen, die Daseinsvorsorge, kulturel- wir immer wieder aufgreifen: die Stärkung der Großkon- le Vielfalt und öffentliche Bildungsangebote sind gefährdet. zerne zulasten der Demokratie. Zudem wird die Gefahr, Über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg droht dass Verbraucher- und Sozialstandards künftig nur noch die Untergrabung der Demokratie und die Ausweitung der schwerlich verbessert werden können, billigend in Kauf Macht der großen, weltweit agierenden Konzerne. genommen.“ Ihr Bericht endet mit Zuversicht: „Wir sind Also war klar: Wir fahren mit nach Berlin. Wir waren einigermaßen gut vorbereitet und bereit dem entgegen- begeistert! Welche Geschlossenheit der Ablehnung und zutreten.“ wie bunt! Von Kleingartenverein, Bauernverbänden über Gewerkschaften, Sozialverbände, Verbraucherschützer „Mir war richtig schlecht“ bis hin zu Kulturschaffenden und Parteien war fast das Auch 15 AGA-Aktive aus Zwickau sind dem Aufruf der gesamte gesellschaftliche Spektrum vertreten. Es kamen IG Metall gefolgt und waren mit anderen Gewerkschaf- viel mehr Menschen als erwartet. Mit 250.000 Teilneh- tern, Schülern des Clara-Wieck-Gymnasiums und Zwi- menden war dies die größte Demonstration in Deutsch- ckauer Bürgern gemeinsam auf der Demonstration in land seit Jahren.“ 6
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Strategie 55plus Übergang zur Altersteilzeit und Rente im Fokus Der Anteil der älteren IG Metall-Mitglieder ist in den modelle ausprobiert und aktiviert. In Köln-Leverkusen letzten Jahren stetig angewachsen. Mit ca. 900.000 bekamen die Versichertenberater der Deutschen Renten- Kolleginnen und Kollegen umfasst die Gruppe der versicherung einen neuen über 55-Jährigen derzeit mehr als ein Drittel der Stellenwert und beraten IG Metall-Mitglieder. Die IG Metall hat diese demo teilweise in Betrieben. grafische Entwicklung im Blick und stellt sich den Die Geschäftsstelle bot Wissenswertes rund um Vermögens- und Vorsorgeangelegenheiten Herausforderungen – etwa mit dem Projekt „55plus“. Veranstaltungen an zu Themen wie „Altersteilzeit Im Rahmen des Projektes „55plus“ wurden Mitglieder bei Ford“, „Erwerbsminde- im Alter zwischen 55 und 65 Jahren befragt. Dabei rungsrente“ und „Pflege“ wurde Folgendes festgestellt: Die IG Metall wird von und war über die starke einem Teil nicht als Interessenvertretung für Rentner Nachfrage und Beteiligung und Rentnerinnen in der Öffentlichkeit wahrgenommen. überrascht. Eine Folge davon ist die relativ hohe Zahl von Austritten In Schweinfurt und Koblenz Wegbegleiter beim Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben, beim erheben Betriebs- und für IG Metall-Mitglieder Übergang in Altersteilzeit und in Rente. Das zeigt: Die Vertrauensleute die Daten Wichtige Informationen für mich und meine Familie! IG Metall muss deutlicher machen, dass und wie sie für der Mitglieder, die im Vor- und Nachname Mitgliedsnummer die Interessen älterer Arbeitnehmer im Betrieb und in der Kalenderjahr ausscheiden darauf folgenden Lebensphase da ist. Das ist eine wich- und melden diese an die Wichtige Informationen für die Familie tige Grundlage um sie über das Berufsleben hinaus als Geschäftsstelle, damit Mitglieder zu halten. Entsprechend wurden in den letzten sie gezielt angeschrieben Jahren unter dem Titel „55plus“ verschiedene Aktivitäten werden können. In Salz- gestartet, Ansätze erprobt und Materialien entwickelt: gitter und Stuttgart gibt Leitfaden zur Vorbereitung des Rentenantrages es hochwertig erstellte Rund 900.000 über Infomappen der Ge- 55+ 55-jährige Metalle- schäftsstelle für Mitglie- aktiv rinnen und Metaller der, die aus dem Betrieb erhielten 2015 be- in Altersteilzeit und Rente reits zum dritten Mal wechseln. mit der metallzei- STO P tung eine spezielle Ratgeber und Broschüren Rentenantrag Worauf es ankommt. Beilage mit dem wie der „Wegbegleiter Nein – n eite Motto „IG Metall: für IG Metall-Mitglieder“ zum Arb nde ohne E Ja – t Die Gewerkschaft und ein Leitfaden zum zum Rech d f Ruh estan fürs Leben“ zuge- „Rentenantrag“ liegen vor au stellt. und können als Informa- Hilfreich bei Vorbereitung des Rentenantrags tionsmaterial eingesetzt In Geschäftsstel- werden. Zudem ist auf Basis der „Vorsorgeinfo“ aus IG Metall: Leben len und Bezirken Gummersbach eine webbasierte Broschüre entwickelt Die Gewerkschaft fürs wurden neue und worden, die von allen interessierten Geschäftsstellen ‘ im Oktober 2015 Beilage der ‚metallzeitung alte Ansprache- individuell angepasst und genutzt werden kann. 7
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Ein Seminar für Mitglieder zur Vorbereitung auf den 2016 und 2017 eingeplant. In dieser Zeit soll das Projekt (Un-)Ruhestand wurde zentral in Bezirken und Geschäfts- ausgeweitet und weiterentwickelt werden. stellen erprobt und könnte in Zukunft ein Bestandteil des Ansprachekonzeptes 55plus sein. (Siehe Teilnehmer- Entschließung 3 „Organisationspolitik“ u. a.: bericht Seite 26) „Das Mitgliederwachstum der zurückliegenden In Berlin-Brandenburg-Sachsen wurden verschiedene Jahre hat die IG Metall politisch und organisatorisch Elemente bereits erfolgreich erprobt. Drei bezirkliche gestärkt. Die IG Metall hat ihre Möglichkeit zur Ein- Seminare und etliche örtliche Mitgliederversammlungen flussnahme erweitert. Diese positive Entwicklung für die Zielgruppe 55plus wurden von Iris Billich in der gilt es zu verstetigen.“ (…) Bezirksleitung geplant und durchgeführt. Meist wurden „Ein nicht unwichtiger Baustein hierzu sind die die Aktivitäten von AGA-Aktiven unterstützt. Aktivitäten der Initiative ‚55plus‘. Eine gute Mitglie- In der Geschäftsstelle Berlin fand im Sommer eine Veran- derbetreuung braucht effiziente beteiligungsorien- staltung statt, zu der die Zweite Bevollmächtigte Regina tierte Strukturen und Kommunikationsformen mit Katerndahl und der Leiter des Vertrauenskörpers von den Mitgliedern. (…) Der Altersstrukturwandel und Procter&Gamble Manufactoring Berlin GmbH, Jörg-Michael der damit einhergehende Generationenwechsel bei Kutz, gemeinsam eingeladen hatten. Sie richtete sich unseren Funktionärinnen und Funktionären ist eine an Berliner IG Metall-Vertrauensleute und interessierte Zukunftsfrage. Neben der fachlichen Qualifizierung Mitglieder zum Thema „Die IG Metall – eine Organisation ist die emotionale und die politische Bindung an die auch für 55plus“. IG Metall durch gewerkschaftliche Nachwuchsför- derung eine existenzielle Aufgabe. (Wichtig ist die) Im Herbst bildete der Ortsvorstand Berlin für die bessere individuelle Kommunikation mit den Mitgliedern. Koordination von „55plus“ eine gemeinsame Arbeits- Dazu ist ein Konzept zu erarbeiten und als Standard gruppe aus Vertrauensleuten und Aktiven des örtlichen zu etablieren, das eine lebensbiografisch ausge- Seniorenarbeitskreises. richtete Ansprache im Dialog erlaubt.“ Weiter heißt es in der mit großer Mehrheit der Dele- Das sind gute Beispiele, wie sich die Gruppe der 55-jäh- gierten beschlossenen Entschließung rigen „Berufsausgleiter“ in die Politik- und Ansprache- „Die IG Metall versteht sich als Organisation für alle konzepte der Außerbetrieblichen Gewerkschaftsarbeit Lebensphasen. (…) einbeziehen lassen. So wird eine Brücke geschlagen zwi- Die ‚Außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit‘ schen betrieblichen und außerbetrieblichen Handlungs- (AGA) bringt spezifische Betreuungs- und Beteili- feldern. Vielleicht lassen sich so auch die „Nachwuchs- gungsangebote ein und hilft bei der Entwicklung sorgen“ in der Außerbetrieblichen Gewerkschaftsarbeit von Politik- und Ansprachekonzepten gerade von etwas minimieren. Mitgliedern, die nicht über betriebliche Strukturen zu erreichen sind. So haben etwa Austritte aus der Rückenwind für „55plus“ bekommt die AGA auch von den IG Metall vielfach weniger mit Unzufriedenheit als Beschlüssen des 23. Ordentlichen Gewerkschaftstags vielmehr mit Mangel an Wissen zu spezifischen der IG Metall 2015 in Frankfurt (siehe Kasten). Und der Angeboten in der jeweiligen biografischen Lebens- Vorstand der IG Metall hat im Oktober 2015 durch einen phase zu tun.“ Beschluss bereits Finanzmittel für die weitere Umsetzung des „Arbeitsprogramms Projekt 55plus“ für die Jahre 8
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Erinnerung für Gestaltung der Zukunft Der Kampf für die 35-Stunden-Woche / Ausstellung mit Zeitzeugen Zu Zeitzeugen eines großen Aufbruchs der IG Metall Auseinandersetzung in Erinnerung. Immerhin waren werden AGA-Senioren für jüngere Menschen, so bei der 1985 neben den 57.500 streikenden Kollegen auch Erinnerung an den Kampf um die 35-Stunden-Woche. 155.000 „heiß“ und 372.200 „kalt“ ausgesperrte Kolle- Eine mobile Ausstellung, die in Gewerkschaftshäusern ginnen und Kollegen betroffen. Schmitthenner zeigte auf, und Betrieben gezeigt werden kann, ist auch ein Im wie neben dem Erfolg des Einstiegs in die wöchentliche puls für eine Neuauflage einer humanen Arbeitszeit- Arbeitszeitverkürzung auch die Flexibilisierung in den politik, wie sie der Gewerkschaftstag im Oktober 2015 Betrieben Einzug erhielt. „Viele Unternehmer haben nie beschlossen hat. ihren Frieden mit der 35-Stunden-Woche gemacht“, sagte er. Vielmehr unternähmen sie „alle Anstrengungen, um „Ich habe durch den Streik der Metallerinnen und Metaller die Arbeitszeit zu verlängern und zu flexibilisieren“. für die 35-Stunden-Woche im Jahr 1985 einen Arbeitsplatz Helga Schwitzer, auch sie ehemaliges geschäftsfüh- erhalten, habe 29 Jahre in der Firma gearbeitet und dabei rendes Vorstandsmitglied, berichtete, dass heute viele meinen Mann kennengelernt – dafür vielen Dank, Kolle- Betriebe von einer realen 35-Stunden-Woche weit ent- ginnen und Kollegen“. Anna Harmuth war eine der mehr fernt seien. Die Beschäftigten arbeiteten deutlich mehr. als 60 Teilnehmenden, die der Einladung zur Eröffnung Schwitzer forderte, dass die geleistete Arbeit erfasst und der Ausstellung im DGB-Haus in Kassel gefolgt waren. vergütet werden müsse und Flexibilität keine Einbahn- Kollegin Harmuth hatte vor dem Streik für die Arbeitszeit- straße zulasten der Beschäftigten sein dürfe. Als Antwort verkürzung im Jahr 1985 keinen Arbeitsplatz. auf die Ökonomisierung des Lebens unterstrich sie, wie Auf sieben Tafeln wird der Streik in Nordhessen in Bildern notwendig die „Wiederaneignung der Zeit mit Zeitwohl- dargestellt. Mit eindringlichen Schilderungen erinnerten stand und Zeitsouveränität“ für die Beschäftigten sei. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen an die Auseinanderset- zung vor 30 Jahren. Damit war die Frage nach der Zukunft aufgeworfen. Hier Horst Schmitthenner, ehemaliges geschäftsführendes waren sich die Teilnehmenden einig: Die Arbeitszeitfrage Vorstandsmitglied der IG Metall, brachte die Härte der muss wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Blick in die Ausstellung Die Ausstellung „Mehr Zeit für uns – 30 Jahre Arbeitszeitverkürzung in der Metall- und Elektro industrie“ ist für die Verwendung in Geschäfts- stellen und Betrieben ausleihbar. Kontakt: IG Metall-Geschäftsstelle Nordhessen Spohrstr. 6 –8, 34117 Kassel, Tel. 0561 70005-0 9
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 IG Metall – Gewerkschaft fürs Leben Rückblick auf die AGA-Tagung 2015 in Kassel Detlef Wetzel und Hans-Jürgen Urban im Gespräch mit Moderatorin Beate Kowollik Fast ein Viertel der IG Metall-Mitglieder sind Rent- insbesondere beim Übergang in die Freistellungsphase nerinnen und Rentner, Tendenz steigend. Mit Ein- der Altersteilzeit oder in die Rente nehmen die Austritts- tritt in die Rente treten viele aus der IG Metall aus. zahlen deutlich zu. In den letzten fünf Jahren gab es bun- Wie können wir sie als Mitglieder halten? Dies war desweit jedes Jahr zwischen 12.000 und 14.000 Austritte zentrales Thema der AGA-Tagung 2015 in Kassel. und Streichungen von Mitgliedern im Alter zwischen 58 und 65 Jahren. Und der Anteil dieser Altersgruppe an der Hans-Jürgen Urban, der als geschäftsführendes Vor- Gesamtmitgliedschaft nimmt von Jahr zu Jahr zu. standsmitglied der IG Metall für Sozialpolitik und außer- betriebliche Gewerkschaftsarbeit (AGA) zuständig ist, Deshalb hat die IG Metall im Rahmen des Projekts sowie der im März 2015 noch amtierende Erste Vorsitzen- „Generation 55plus“ mit Pilot-Geschäftsstellen aus allen de der IG Metall Detlef Wetzel skizzierten die Lage so: Bezirken ein Ansprachekonzept entwickelt. Erprobt werden neben einer gezielten betrieblichen Ansprache Gut 500.000 Mitglieder sind zwischen 55 und 65 Jahre ein Seminarangebot „Vorbereitung auf den Ruhestand“ alt und wechseln mittelfristig aus ihren Betrieben in und Beratungs- und Kooperationsmodelle zu speziellen Altersteilzeit und Rente. Mit Beginn der Altersteilzeit und Themen und Fragestellungen der Generation 55plus. 10
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Auf der AGA-Tagung wurden diesbezüglich erste Erfah- rungen präsentiert und diskutiert. Ein Ergebnis: Beson- ders gut funktioniert Mitgliederbindung dort, wo sie bereits im Betrieb ansetzt – indem betriebliche Akteure und AGA-Aktive gemeinsam ältere Beschäftigte über Leistungen und Beteiligungsmöglichkeiten für Rentnerin- nen und Rentner in der IG Metall informieren. Genau hier setzt die IG Metall-Strategie „55plus“ mit betrieblichen Ansprachekonzepten und Seminaren an. Daneben gibt es in vielen Geschäftsstellen aktive AGA-Arbeitskreise, die neue Rentnerinnen und Rentner mit Infomaterial begrüßen, sie zu Versammlungen einladen und bei Austrittsbegeh- ren Rückholgespräche führen. Über 200 aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer Hans-Jürgen Urban unterstrich dazu, welche Bedeutung die AGA-Aktiven in diesem Zusammenhang haben: „Außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit ist eine wich- tige Stütze der IG Metall. AGA ist Selbsthilfe, gelebte Solidarität, Geselligkeit und politische Arbeit zugleich. Die IG Metall will die Problem- und Interessenlagen der wachsenden Gruppe der Berufsausgleiter zum Gegen- stand von Politik- und Ansprachekonzepten machen, sich als Interessenvertretung für die dritte Lebensphase profilieren und zur aktiven Interessenvertretung in allen erwerbs- und lebensbiografischen Phasen einladen. Dafür brauchen wir die AGA-Aktiven.“ In mehreren Foren wurden Themen behandelt, die Mitglieder vor und im Rentenalter sowie in Phasen der Erwerbslosigkeit besonders betreffen: Lobby für die ältere Generation – welche Rolle spielt die IG Metall als Interessenvertretung der Älteren? In diesem Forum stellte Dieter Kolsch, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Köln-Leverkusen und für Seniorenar- beit zuständig, die Ziele und systematische Vorgehens- weise der dortigen IG Metall vor, um die Mitgliederbin- dung im Übergang vom Erwerbsleben in Altersteilzeit und Rente zu verbessern. Mit der Broschüre „Wegbegleiter“ und einer betriebsnahen Rentenberatung und -informa- tion hat die IG Metall Köln-Leverkusen Vorreiterfunktion Viele AGA-Gruppen haben präsentiert, was sie leisten 11
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 organisationen (BAGSO e. V.) war, deren Ziele, Struktur und Arbeitsschwerpunkte. Die BAGSO ist ein Dachverband mit rund 111 Mitgliedsorganisationen, der durch Stellungnahmen und öffentliche Tagungen Themen älterer Menschen in der Politik Geltung verschafft. Die IG Metall ist seit 2014 Mitglied. 55plus: Arbeit, Altersteilzeit, Rente – welche Angebote der IG Metall gibt es und welche brauchen wir? In diesem Forum wurden gute Beispie- le aus der Praxis vorgestellt. Angelika Berner aus der Geschäftsstelle Zwickau in Sachsen berichtete von einem Projekt mit Informationsmappen für alle Mit- glieder, die aus dem Betrieb in Rente ausscheiden. Und sie schilderte die erfolgreiche Telefonaktion „Hier meldet sich deine Gewerkschaft – die IG Me- tall“, bei der AGA-Aktive erwerbslose Mitglieder zu Hause anriefen und auf die Beratungsangebote der IG Metall aufmerksam machten. Jens Öser aus Schweinfurt stellte die dortige Arbeit in Zusammenhang mit dem Projekt „55plus“ vor. In einigen Pilotbe- trieben werden die älteren Kolleginnen und Kollegen gezielt angesprochen und Eine der vielen Gesprächsrunden auf der AGA-Tagung mit Informationen versorgt. Werner Kusel, Geschäftsführer der übernommen. Zusätzlich bringt sie sich insgesamt in die Geschäftsstelle Gummersbach erläuterte, wie mit IG Metall ein: Sie hat sowohl auf dem Gewerkschaftstag einer selbst entwickelten Broschüre Rentnerinnen und 2011 wie auch 2015 erfolgreich Anträge für eine verstärkte Rentner sowie Mitglieder kurz vor dem Rentenalter Interessenvertretung für Ältere gestellt. erreicht werden und wie dies dazu beiträgt, Austritte Harald Kalmbach, Mitglied des AGA-Ausschusses beim zu verhindern. Diese Broschüre diente als Vorlage für Vorstand der IG Metall, stellte die Seniorenarbeit in eine „Vorsorgeinfo“, die mittlerweile zentral über den seiner VS Stuttgart vor. Außerdem präsentierte Rudolf Vorstand allen Geschäftsstellen vor Ort angeboten Herweck, der zu diesem Zeitpunkt Stellvertretender Vor- wird und jeweils den örtlichen Bedingungen angepasst sitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren- werden kann. 12
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Menschenwürdiges Existenzminimum für Erwerbslose sowie Rentnerinnen und Rentner – welche Strategien Insgesamt wurden auf der Tagung folgende gegen Armut gibt es? Ziele der Außerbetrieblichen Gewerkschaftsarbeit In diesem Forum drehten sich die Vorträge und Debatten hervorgehoben: um den Begriff „menschenwürdiges Existenzminimum“. Sowohl bei Arbeitslosengeld II (Hartz IV) als auch bei der Wir müssen und wollen den Konflikt um die Zukunft Grundsicherung im Alter werden die Bedarfssätze nach des Sozialstaats annehmen. Wir setzen uns ein für dem Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) 2011 berech- solidarische Reformen – etwa eine Verlängerung net. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Irene Becker, die die des Arbeitslosengeld-I-Bezugs, bedarfsgerechte Veränderungen in der statistischen Berechnung seit Jahren Hartz-IV-Regelsätze und die Anhebung des Renten- verfolgt und kommentiert, erklärte, dass die Fördersätze niveaus. Wir wollen die IG Metall als „Gewerkschaft bei Zugrundelegung der ursprünglichen statistischen Be- fürs Leben“ profilieren, um sie stärker und durch- rechnung eigentlich wesentlich höher liegen müssten. setzungsfähiger zu machen. Es gilt, die Mitglieder Unter der Überschrift „Altersarmut verhindern – Grundsi- zu halten, auch bei Renteneintritt (Strategie „55plus“). cherung im Alter fortentwickeln“ stellte Dr. Alfred Spieler Aktive müssen vor allem im Sozialrecht qualifiziert von der Sozialorganisation „Volkssolidarität“ Vorschläge werden, damit sie kompetent beraten können. zur Reform der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs- Die Strukturen der Außerbetrieblichen Gewerk- minderung vor. Angelika Klahr von der Koordinierungs- schaftsarbeit müssen ausgebaut und vor allem stelle der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen (KOS) Potenziale ausscheidender Funktionäre besser berichtete von den Aktivitäten eines Bündnisses für die genutzt werden. Anhebung des Existenzminimums. Rege beteiligten sich die Teilnehmenden an der Diskussion 13
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Impressionen der AGA-Tagung 2015 in Kassel 14
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 15
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Dabeibleiben und mitmachen lohnt sich Beispiele aus dem alltäglichen, aber vielseitigen AGA-Leben Haltearbeit und Mitmach-Angebote beim Übergang staltungen. Hier wird auch über die aktuellen betrieb in die Rente schon im Betrieb. Soziale Beratung lichen Auseinandersetzungen berichtet. für Rentner und Erwerbslose. Engagement in der Kommunalpolitik, Erkundung von Arbeitsbedingun- Dresden: gen in Betrieben auch als Rentner, Förderung des Jedes Rentnermitglied und jedes erwerbslose Mitglied Zusammenhalts durch gemeinsames Reisen: Solche soll hautnah das Gefühl spüren: „Die IG Metall hilft mir Angebote gehören vielerorts zum Programm von und lässt mich mit meinen Problemen nicht alleine.“ AGA-Kreisen. Hier einige Beispiele, stellvertretend Mit dieser Haltung bieten AGA-Frauen und -Männer in für alle. Dresden Mitgliedern der IG Metall schon seit Jahren Hilfe, Unterstützung und Beratung auf den Gebieten Arbeits-, Henningsdorf: Sozial- und Rentenrecht an. Beim Sozialrecht, das ein Die Vertrauensleute der H.E.S. Hennigsdorfer Elektro Schwerpunkt ist, engagiert sich Kollegin Sonja Loch, stahlwerke GmbH haben gemeinsam mit den AGA-Kollegin- die auch den Arbeitskreis Soziales ehrenamtlich leitet, nen und Kollegen ein Konzept entwickelt, um ausschei- in besonderer Weise. Sie verfügt über einen reichen dende Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand zu Erfahrungsschatz, den sie in vielen Berufsjahren als begleiten und zum weiteren Mitmachen in der IG Metall Betriebsratsvorsitzende und als ehrenamtliche Richterin zu bewegen. Mit persönlicher Ansprache im Betrieb und erworben hat. einem Brief von den Vertrauensleuten und Betriebsräten In den persönlichen Beratungen hat sie es vor allem mit werden die zukünftigen Rentner vom Vertrauenskörper- Arbeitslosengeld I, Grundsicherung und Ansprüchen für leiter und einem Vertrauensmann aus seiner Abteilung Teilhabe am Arbeitsleben zu tun. Hinzu kommen viele verabschiedet. Die AGA-Aktiven steuern dazu einen Flyer Telefonanrufe, bei denen sie eine Kurzauskunft erteilt. bei, der einen Überblick über die ehrenamtliche außer- Berater für Arbeits- und Rentenrecht sind die Kollegen betriebliche Gewerkschaftsarbeit vermittelt sowie einen Klaus Gelfert und Volkmar Sohre. Sie können auch Dialogtext zwischen zwei Rentnern über den Sinn des Bescheide der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters weiteren Engagements unter dem Motto: „Nur wenn wir prüfen. Bei Bedarf gehen Mitglieder des AK Soziales als viele sind, sind wir wirklich stark.“ Zudem wird im Bezirk Unterstützung mit zu Behörden. In vielen Fällen wird die Berlin-Brandenburg-Sachsen ein Seminar für Mitglie- DGB-Rechtsschutz GmbH mit Weiterbearbeitung beauf- der angeboten, die sich auf den Ruhestand vorbereiten tragt. Welchen Einsatz die ehrenamtliche Beratung erfor- wollen. dert, wird auch daran deutlich, dass die Gesetzgebung und die Verordnungen zur Durchführung ein umfangrei- Riesa: ches Sachgebiet sind, auf dem es immer wieder Neue- „Kompetent mitreden“. Unter diesem Motto haben ehren- rungen gibt. Deshalb müssen sich die Beraterinnen und amtliche AGA-Kolleginnen und -Kollegen Kontakte zum Berater stetig weiterbilden. Sie tun es gerne. Vertrauensleuteausschuss Stahl geknüpft und gemein- sam ein erstes Treffen mit Betriebsräten vorbereitet. Mit Alfeld: Ingo Kaiser hat AGA einen aktiven Kollegen gewonnen, Welchen Stellenwert AGA in der öffentlichen Wahrneh- der sich für die neue Ausrichtung engagiert, wie der mung hat, zeigt sich auch in Alfeld in Niedersachsen. Übergang vom Betriebsleben in den (Un-)Ruhestand aus- Hier ist es Henry Kirch gelungen, alle Bundestagsabge- sehen kann. Im Ortsvorstand hat er Gaststatus und stellt ordnete aus dem Wahlkreis zu einem Podium um die Zu- so Verbindungen her. Die regionalen AGA-Arbeitskreise kunft der Rente zusammenzubringen. An der Diskussion Torgau, Döbeln, Großenhain organisieren eigene Veran- mit Ute Bertram (CDU), Bernd Westphal (SPD), Brigitte 16
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Pothmer (Bündnis 90/Grüne) und Jutta Krellmann (Die Entwicklung der Region gab. Sozialstadträtin Anja König Linke) nahmen gut 80 IG Metall-Seniorinnen und -Seni- stellte das seniorenpolitische Konzept der Stadt vor und oren teil. kritisierte die Knappheit bezahlbaren Wohnraumes. In der Diskussion waren auch die Teilhabemöglichkeiten Lenneschiene: von Senioren in den Kommunen ein Thema. Hierfür hal- Mit Europa- und Weltpolitik befassten sich 44 IG Metall- ten die Metaller und Metallerinnen vielerorts Verbesse- Seniorinnen und -Senioren der Lenneschiene, die zwei rungen für erforderlich. Als positives Beispiel nannten sie Tage auf Studienfahrt in Brüssel waren. Hier trafen sie kommunale Seniorenparlamente. Ein Argument lautete: auf Birgit Sippel (SPD) vom Beschäftigungsausschuss im „Heute fühlen sich 60-Jährige nicht als Senioren, sondern Europarlament. Das Flüchtlingsthema, Datenschutz, TTIP, stehen mitten im Leben und wollen ihren Beitrag in der Griechenland waren ihre Themen. Die IG Metall-Seniorin- und für die Gesellschaft leisten.“ nen und -Senioren besichtigten auch das neue IG Metall- Dem Blick auf das Arbeitsleben diente ein Besuch im Büro in Brüssel. Damit hat die IG Metall ihre Präsenz vor BMW-Werk Landshut, das Komponenten und Systeme Ort gestärkt und so die Möglichkeiten verbessert, durch für Standorte auf der ganzen Welt liefert. Der Betriebs- Einflussnahme politisch auf europäischer Ebene mitzu- ratsvorsitzende und BMW-Aufsichtsrat Willibald Löw wirken. vermittelte in der Diskussion nach der Werksbesichti- gung eine Fülle von Informationen über Technik, Unter- Chemnitz: nehmen und vor allem über Beschäftigung und Arbeits- Der Bundestag und das Bundesministerium für Arbeit bedingungen. und Soziales standen auf dem Programm einer zweitägi- gen AGA-Reise nach Berlin. Eingeladen hatte der Chem- Siegen: nitzer Abgeordnete Michael Leutert (Die Linke). Er ist Wie attraktiv AGA für den kollegialen familiären Zusam- menschenrechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion und menhalt weit über die Arbeitsphase hinaus ist, zeigen so wurde auch über die Asylthematik gesprochen, die in vielerorts die Teilnehmerzahlen bei Tagesausflügen und Chemnitz wegen einer Erstaufnahmeeinrichtung als be- weiten Fahrten. So unternahmen 96 Seniorinnen und Se- sonders relevant empfunden wird. Das dichte Programm nioren der IG Metall aus der Geschäftsstelle Siegen eine brachte ältere Kolleginnen und Kollegen manchmal an die mehrtägige Reise in das Salzburger Land. Grenzen ihres körperlichen Ausdauervermögens. Trotz- dem fanden alle: Die Fahrt hat sich gelohnt. Bayern: Der Arbeitskreis Senioren der IG Metall Bayern nutz- te sein zweitägiges Jahrestreffen in Landshut auch dazu, Kommunalpolitikern zu vermitteln, was er in der Altenpolitik für erforderlich hält. Gastgeber waren die IG Metall-Geschäftsstelle Landshut, vertreten durch den Ersten Bevollmächtigten Robert Grashei, unterstützt vom Vorsitzenden des örtlichen Seniorenarbeitskreises der IG Metall Leo Chochola. Willkommen geheißen wurden die Kollegen von Stadtrat Klaus Pauli, der einen Überblick über die demografische Ausflüge fördern den Zusammenhang der MetallerInnen Salzburger Land 17
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Regen, Kälte, Dunkelheit schreckten sie nicht Senioren machen bei Warnstreiks mit Engagement bei den Tarifrunden ist für viele AGA- Als engagierte Gewerkschafter sind wir solidarisch mit Gruppen selbstverständlich. Stellvertretend für unseren Nachfolgern im Betrieb. Sie sollen auch, wie viele andere schildert AGA-Kollege Ramon Zorn, wie wir es konnten, die Möglichkeit behalten, den Ausstieg und warum sich die Berliner Metall-Seniorinnen und aus der Arbeit selbst zu bestimmen. Eine angemessene -Senioren in die Tarifrunde 2015 eingebracht haben. Steigerung der Einkommen ist gerecht, für die Unterneh- men möglich und für den Erhalt der Kaufkraft nötig. Die Kolleginnen und Kollegen wollen sich weiterbilden, die Arbeitgeber wollen qualifizierte Mitarbeiter. Eine Bil- dungsteilzeit ist hier der richtige Weg. Sie muss tariflich abgesichert werden, damit sie nicht nach Gutsherrenart gewährt wird, sondern die Kolleginnen und Kollegen sie nach ihren Bedürfnissen in Anspruch nehmen können.“ „Die Nase voll“ Auch die AGA-Seniorinnen und -Senioren Mühlheim haben Berlin: Auch um Mitternacht bei Regen waren sie dabei dazu beitragen, dass statt der erwarteten 3.000 weit mehr als doppelt so viele, nämlich an die 10.000 Metaller an „Zwölf Warnstreiks in zwei Wochen von Berlin-Tegel bis einem Warnstreiktag in Mülheim teilgenommen haben. Berlin-Marienfelde – wo es ging, haben wir mit ange- Mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Autos und sechzig Bus- packt. So ist man noch immer mittendrin bei den ehema- sen waren sie angereist. Der eisige Februarwind konnte ligen Kolleginnen und Kollegen und zeigt ‚WIR sind die die Stimmung der Menge, die von der Stadthalle über die Gewerkschaft‘. Wir konnten den streikenden Kolleginnen Schlossbrücke zur Kundgebung auf der Ruhrpromenade und Kollegen und der Geschäftsstelle helfen. Für die- führte, nicht trüben. An die vielen Menschen mit trie- jenigen von uns, die sich beteiligt haben, war dies die fenden Nasen wurden Taschentücher mit der Aufschrift Motivation: Unterstützen und etwas Sinnvolles tun. „Die Nase voll“ verteilt, eine deutliche Botschaft an die Zehn der jüngeren Arbeitskreismitglieder hatten sich frei- Arbeitgeber. Auch aus Bocholt, wo AGA-Seniorinnen und willig zum Tarifeinsatz gemeldet. Bei den Warnstreiks vor -Senioren zuvor bereits Warnstreiks unterstützt hatten, den Toren der Berliner Betriebe ging es um Mithilfe bei kamen Metallerinnen und Metaller in sechs Bussen nach der Logistik der Geschäftsstelle. Beim Auf- und Abbau Mülheim. der Lautsprecher und der Herausgabe der Winkelemente und Transparente haben wir dem technischen Dienst unter die Arme gegriffen. Die ersten Einsätze waren nicht ganz einfach: Der erste Warnstreik bei Daimler fand um Mitternacht bei Niesel regen statt. Der zweite war vormittags bei Siemens, da war es nur kalt. Der nächste um 5.30 Uhr morgens bei Gillette erfolgte bei minus zwei Grad, es war kalt und dunkel. In der zweiten Warnstreikwoche war es zwar nicht mollig warm, aber wenigstens trocken. Wir profitieren zwar nicht persönlich von der Tarifrunde, zeitversetzt wirkt sie aber auf die Rentenerhöhung. Bocholt: Schnee und Eis konnten sie nicht abhalten 18
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 „Die IG Metall hat viel für mich getan“ Von einem 84-Jährigen, der seit 70 Jahren Mitglied ist Die Ehrung von Jubilaren für langjährige Mitgliedschaft in der IG Metall gehört in Geschäftsstellen und AGA- Kreisen zum selbstverständ- lichen guten Ton. Immer mehr erreichen sogar 70 Jahre Mit- Hans-Georg Jotzo (rechts) gliedschaft. Zum Beispiel Hans- mit Hans-Joachim Hebing Georg Jotzo in Bocholt. Erster Bevollmächtigter IGM Bocholt Er kann aus gesundheitlichen Grün- den zwar nicht mehr an AGA-Aktivi- täten teilnehmen, aber er informiert sich regelmäßig im Extranet der IG Metall, liest die „metallzeitung“ und den AGA-Report. Der 84-jährige Hans-Georg Jotzo ist seit 70 Jahren Metaller. Seine Erinnerungen zeugen davon, von welchem Wert die IG Me- tall schon immer für die private und gesellschaftliche Sozialgeschichte war – und ist. Eigentlich wollte Hans-Georg Jotzo 1945 Koch lernen, doch unmittelbar nach dem Krieg gab es dafür keine Ausbil- 70 Jahre dungsplätze – „und nichts Mitgliedschaft in der IG Metall zu kochen“, wie er hinzufügt. Also begann der 14-jährige eine Lehre zum Maschi- nenschlosser bei den Westdeutschen Getriebewerken Sein Vater habe das nicht gekonnt, weil er schwer be- in Herne. Den Beitritt in die IG Metall unterschrieb er am hindert war. Und dann habe ihn die IG Metall erfolgreich 1. September 1945. „Aber nicht ganz freiwillig. Die haben bei Behördengängen unterstützt, als es darum ging, den mir gesagt, ich kann nur anfangen, wenn ich organisiert Schwerbehinderungsgrad seines Vaters von 50 auf 60 Pro- bin.“ Ja, so war das mal. zent zu erhöhen. Die noch aktiven AGA-Kollegen lassen Hans-Georg Jotzo zu Hause nicht allein. Sie besuchen ihn Den Beitritt zur IG Metall hat Jotzo nie bereut, denn die und halten ihn auf dem Laufenden. Und was Besonderes: IG Metall habe viel für ihn getan. „In der schweren Nach- Der Kollege Karl Heinz Benders erteilt ihm seit drei Jahren kriegszeit hat sie dafür gesorgt, dass ich als Jugendlicher regelmäßig Unterricht im Umgang mit Computer und Lebensmittelmarken bekam, um die Familie zu ernähren.“ Internet. 19
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 „Ich habe hier wieder einiges gelernt. Danke!“ IG Metall-Generationendialog auf dem Deutschen Seniorentag Von 2. bis 4. Juli 2015 fand in Frankfurt am Main der 11. Deutsche Seniorentag statt. Auch die IG Metall war mit einem Messestand präsent, den sie zusammen mit der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Europäischen Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) betreute. Starkes Podium: Christian Walter, Yorgun Aggül, Moderator Wolfgang Storz, Hans-Jürgen Urban Mehr als 80 Teilnehmende verfolgten eine Diskussion ner Sitzung von Vertrauensleuten. Aber, so berichtete Be- der IG Metall zum Thema „Generationendialog“. Auf dem triebsrat Christian Walter, „wir haben bisher immer eine Podium saßen Hans-Jürgen Urban, der als geschäftsfüh- gute gemeinsame Lösung gefunden, denn wir wissen, die rendes Vorstandsmitglied der IG Metall für Sozialpolitik Jungen und die Alten kommen nur gemeinsam weiter“. zuständig ist, Yorgun Aggül, Jugend- und Auszubilden- Walter schilderte den meist älteren Zuhörern eine konkre- denvertreter bei der Adam Opel AG im Stammwerk Rüs- te Erfahrung: Der Arbeitgeber drohte, beinahe ein Drittel selsheim, und Christian Walter, Betriebsrat bei Hörmann der Arbeitsplätze zu streichen. Anfangs fühlten sich die Automative Gustavsburg GmbH in Mainz. älteren Beschäftigten aufgrund ihres Alters und des Kündigungsschutzes relativ sicher. Doch schnell war klar, Das Podiumsgespräch zeigte: Bei der IG Metall hat der auch ihre Arbeitsplätze waren gefährdet. Vertrauensleute inszenierte „Krieg der Generationen“ keinen Platz. Gibt und Betriebsräte der IG Metall stemmten sich dagegen es unterschiedliche Interessen zwischen älteren und und überzeugten: Alle Beschäftigten machten schließlich jüngeren Beschäftigten, dann kann es zwar schon mal gemeinsam Druck und erreichten eine Lösung, die das „krachen“ – auf einer Delegiertenkonferenz oder auf ei- Ziel erreichte: Nicht ein Beschäftigter wurde entlassen! 20
AGA-Report Nr. 11/2015–2016 Auch Yorgun Aggül, Vorsitzender der Jugendvertretung bei Opel Rüsselsheim – mit 21 Jahren der Jüngste im Raum – zeigte auf, wie Junge und Ältere zusammen zu einem guten Ergebnis kommen. Junge Beschäftigte bei Opel hatten im Vorfeld der Tarifrunde im Frühjahr 2015 den Eindruck, dass vor allem die Forderung nach Al- tersteilzeit im Fokus sei und die Bildungsteilzeit dem- gegenüber zurück stehe. Die Jungen mobilisierten und zogen mit Transparenten zur Delegiertenversammlung der IG Metall Darmstadt: Nach einer intensiven Debatte folgte die gemeinsame Arbeit an einer Position, die am Schluss alle teilten. Der gemeinsamen Mobilisierung für die Tarifrunde stand nichts mehr im Wege. Rege wurde gefragt und diskutiert Hans-Jürgen Urban, seit 2007 geschäftsführendes Vor- standsmitglied der IG Metall, schätzt diese Kultur: „Ich finde es gut, wenn bei uns jeder und jede für seine bzw. ihre Interessen eintritt, diese offen auf den Tisch legt und hartnäckig, aber fair dafür argumentiert und wirbt.“ Nur so gebe es eine gute Chance, zu gemeinsamen Verein barungen und Forderungen zu kommen, hinter denen Junge wie Ältere stehen. Es zeichne die IG Metall aus, dass sie die Fähigkeit habe, verschieden gelagerte Interes- sen ständig auszutarieren. Das sei beste täglich gelebte Demokratie im Alltag. Das zweite wichtige Thema war die Rentenpolitik. In Immer starker Andrang am Infostand Analyse wie Forderung stimmten Podium und Publikum überein: „Wir müssen alles tun, um die gesetzliche Rente wieder zu stärken“, so Hans-Jürgen Urban. Spätestens mit der Krise ab 2008 habe sich gezeigt, dass die Priva- tisierung der Altersversorgung ein Irrweg ist, den bereits die jetzigen Rentner, aber vor allem die kommenden Generationen teuer bezahlen müssten. Dringend erfor- derlich sei daher ein Kurswechsel in der Rentenpolitik: „Das Rentenniveau muss dringend stabilisiert und wie- der angehoben werden.“ Bei den Abschlussstatements betonte Yorgun Aggül: „Ich fand es gut hier. Ich habe wieder einiges gelernt. Danke.“ Standbetreuer der IG Metall Geschäftsstelle Frankfurt 21
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