Ihre Gastgeber Der Ruf des Heiligen Leonhard, die Luft, die heilt, ein Berg, der zu Entdeckungsreisen einlädt, und ganz großes Kino - Geschichten ...
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Ausgabe 2022 Ihre Gastgeber Übersicht ab Seite 41 Der Ruf des Heiligen Leonhard, die Luft, die heilt, ein Berg, der zu Entdeckungsreisen einlädt, und ganz großes Kino – Geschichten, wie sie nur Bad Tölz schreibt
– Editorial – L eonhardi, der Blomberg, die Marktstraße, der Kirchsee, das Gries – ach, ist es hier nicht einfach herrlich, meine lieben Leserinnen und Leser? Ja, ich weiß schon: Wenn man für das Marketing einer Stadt zuständig ist, nimmt einem nicht jeder die Schwärmerei für diese Stadt ab. Die muss das ja sagen, heißt das dann. Aber jetzt betrachten wir die Sache doch einmal ganz nüchtern, objektiv und ohne jedes Marketing- Brimborium: Kennen Sie wirklich eine malerischere, erholsamere und liebenswertere Stadt als Bad Tölz? Eben. Und Sie müssen das ja nicht sagen. Nachdem wir dies nun also so stringent durchargumentiert Erleben Sie auf drei Ausstellungsebenen einen Querschnitt und zweifelsfrei geklärt hätten, möchte ich Ihnen aber noch durch die Geschichte des Tölzer Landes. einen Geheimtipp verraten. Denn natürlich haben ja alle ihre ganz persönlichen Favoriten in einer Stadt. Dem einen gefällt dieses besser, der anderen jenes. Die eine sitzt lieber im Café in der Marktstraße und isst einen Bienenstich, der andere lieber oben auf dem Berg und genießt die Aussicht. Wissen Sie, wo ich besonders gerne sitze? An der Isar. Denn nichts hat diese Stadt schließlich mehr geprägt als dieser Fluss. Am allerbesten gefällt es mir auf den neuen Isarstufen, die die Stadt im Jahr 2021 am rechten Flussufer unterhalb der alten Isarbrücke errich- tet hat. Wer sich hier niederlässt, den Blick den grünen Fluss entlang und seine Gedanken sonstwohin schweifen und allen Kummer von den Wellen davontragen lässt, der wird mich verstehen. Yoga, Meditation – alles feine Sachen. Aber gegen die Isar kommt halt nichts an. Aber bitte: Das muss unter uns bleiben! BRITA HOHENREITER Kur- und Tourismus- direktorin von Bad Tölz Stadtmuseum Bad Tölz Öffnungszeiten: Marktstraße 48 · www.bad-toelz.de/stadtmuseum Dienstag – Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr
I N H A LT VOR DEM FEST Dabei sein ist alles. Fast. Denn ohne Vorbereitung ist alles nichts. Die berühmte Leonhardifahrt hält die Menschen in Bad Tölz das ganze Jahr über beschäftigt – und die Rösser auf Trab. 4 Es liegt was in der Luft Über das Geheimnis des Tölzer Heilklimas 7 Dr. Munkert rät I H R E G A S TG E B E R Heute: Richtig kneippen 8 Mit Pferden, Wagen und Kronen 38 Die Tölzer Kur Vorbereitungen auf die Leonhardifahrt 41 8 16 Echte Glückskarten Von A bis Z Alles über Königscard und Gästekarte 17 Bayern verstehen 42 Hotels Heute: Ruhe! 18 Ganz großes Kino 45 Jugendherberge 18 Das Capitol ist eine Tölzer Institution EIN BERG FÜR ALLE FÄLLE Sommerrodelbahn, Kunstwan- 22 „Wir sind Originalprodukte“ 46 Kur- und Rehaklinik Martin Schnitzer, Chef der Tölzer Stadtkapelle, im Interview derweg, Blombergblitz, Kletter- garten, Yoga-Plateau: Für seine überschaubare Höhe von 1248 25 Ihr Bild von Tölz 47 Gästehäuser und Gasthöfe Metern bietet der Hausberg der Leser sehen eine Stadt Tölzer ganz schön viel. Jetzt ist auch noch ein Entdeckerpfad dazugekommen. 26 Tipps querbeet 48 Ferienwohnungen Ausgewählte Empfehlungen für Sie 27 Das historische Bild 50 Gastgeber in der Umgebung Als 1910 die Isar über die Ufern trat 28 Der Blomberg ruft 51 Anreise und Barrierefreiheit Ein neuer Entdeckerpfad nicht nur für Kinder 32 Unter 60 Minuten 52 Allgemeine Geschäftsbedingungen 28 Ausflugstipps in Katzensprungweite ECHTE FUFFZIGER Ein Lichtspielhaus wie damals: Wer ins Capitol oder dessen kleine Schwester 34 Der Chef empfiehlt 55 Straßenverzeichnis Casino geht, erlebt Kino aus einer Zeit, Claus Hühnlein über Tölzer Sushi als Kino noch etwas galt – ohne auf den modernsten Standard verzichten zu müssen.
– Gesundheit – Von Andrea Kästle Auszeit, Da hat man sie direkt vor der Nase, und trotzdem ist sie für viele Vorbeugung, H einfach nur – Luft. Es ist paradox: So pittoresk Bad Tölz sonst auch ist, eike Herling bläst die Backen auf. Irgendwann im Lauf des Gesprächs über Maren Merklinger, Reha: einer der größten Schätze der Stadt ist unsichtbar. Doch es wäre Nein, meint sie und schlenkert auf der Bank, auf der sie sitzt mit Blick die Luftqualität hier im Voralpenland, über Feinstaub und Grobstaub, aber auch über die es verfüge über „ein großes Spekt- Alles zur Tölzer Kur ein großer Fehler, ihn geringzuschätzen. Also: Jetzt mal tief auf KneippGarten und Kurhaus, mit den Bei- angenehme Kühle der Wälder, die Bad Tölz rum an Strahlung“ – auf Seite 38 umgeben, sagt sie: „Sie sind nicht die Ers- mit der man allerdings durchatmen und zuhören! nen, von einem besonderen Klima hier mer- ke sie „nicht direkt“ was. Es ist eher so, dass te, die das Thema ein bisschen schwammig richtig umzugehen wissen sie eigentlich müder ist als sonst, erzählt findet. Man kann es nicht so richtig greifen.“ muss. Zudem sind düstere Tage hier selten, die Touristin aus dem Sauerland. Aber doch Sie lacht. Sie ist 54, sieht aber um einiges weshalb das Schlafhormon Melatonin auch auch unternehmungslustig. Wie das halt so jünger aus. wirklich nur nachts im Gehirn gebildet wird. sei im Urlaub. „Wir werden wach“. Bad Tölz im Sommer. Es ist heiß. Sehr heiß. Gleichzeitig bedingt der Austausch von Und schwül. In München sehnt man sich nach Gewitter, vergeblich. Hier aber, knapp Bei körperlicher Berg- und Talwinden, dass in Bad Tölz in der Regel die schon erwähnte leichte Brise 60 Kilometer weiter im Süden, geht wenigs- Betätigung unter freiem weht. „Und in der Nacht kühlt es angenehm tens ein kleines Lüfterl, wie man so sagt. Wäre ja auch noch schöner, wenn dem Himmel wirkt das Klima ab.“ Unterm Strich ist damit Bewegung im Freien welcher Art auch immer, wie sie nicht so wäre. Ausgerechnet hier. Bad Tölz, auf den Menschen „wie ein Merklinger für Betriebskuren und die eben- vor 122 Jahren wegen seiner soeben ent- deckten Jodquellen hochoffiziell zum Heil- Medikament“, das man falls von den Betriebskrankenkassen bezu- schussten „Aktivwochen“ konzipiert und bad erhoben, ist schließlich auch „Heilklima- quasi im Vorbeigehen dann auch anleitet, nicht nur wärmstens tischer Kurort“. Seit 52 Jahren. Die Tölzer Luft, mit Verlaub, Frau Herling, die ist eben doch verabreicht bekommt, ohne zu empfehlen. Bei körperlicher Betätigung unter freiem Himmel wirkt das Klima auf den was ganz Besonderes. es auch nur zu merken. Menschen „wie ein Medikament“, das man Und genau deshalb ist man ja auch herge- quasi im Vorbeigehen verabreicht bekommt, kommen. Um das Geheimnis des Tölzer Heil- ohne es auch nur zu merken. klimas zu, nun ja, lüften. Drum sitzt man jetzt Insgesamt, darauf weist Maren Merklinger hier, an der zur Fußgängerzone zurückgebau- auch noch hin, ist es besser, man bewegt sich, ten Ludwigstraße vor dem „VitalZentrum“ wenn einem anfangs ein kleines bisschen der Stadt, und lässt sich von der Sportlehre- kühl ist dabei. Dann muss sich der Körper rin und Physiotherapeutin Maren Merklinger Wenn schon nicht greifen, dann vielleicht anpassen, also nachheizen, was die Immun- erklären, was es nun genau mit dieser Luft wenigstens messen? Über 350 Heilbäder und abwehr insgesamt stärkt. „All das sind wir auf sich hat. Sie muss es wissen, im März hat Kurorte gibt es deutschlandweit, 51 davon heute ja nicht mehr gewohnt“, meint sie, wir sie die Fortbildung zur Heilklimatherapeutin sind Heilklimatische Kurorte. Von denen kleben ja tagelang vor dem Computer fest abgeschlossen. liegen 14 in Bayern. Alle zehn Jahre wird in und regulieren die Körpertemperatur über sämtlichen dieser Heilklimatischen Kurorte die Heizung im Zimmer. jeweils zwölf Monate lang und an jeweils vier 1992 ist Merklinger nach Bad Tölz gezogen, Stellen die Luftqualität gemessen. In Bad Tölz sie ist am Fuß des Odenwaldes aufgewach- zum letzten Mal 2017/18, und die Werte, die sen. „Dort gibt es auch viele Kurorte“, sagt sie, Heilklimatherapeutin Maren Merklinger weiß, dabei herauskamen, waren mal wieder vom aber wenn sie im Sommer die Eltern besucht, dass Luft nicht gleich Luft ist. Feinsten. Weshalb weiterhin von „Champag- stöhnt sie oft, so drückend kommt es ihr dort nerluft“ in der Stadt die Rede sein darf. Wobei vor. „Das ist dann nicht zum Aushalten.“ Kurdirektorin Brita Hohenreiter und ihre Kol- DAS HEILENDE leginnen dann gern beklagen, dass die gute Luft hier oben, 650 Meter über dem Meer, für viele Menschen halt einfach Luft ist, sprich: Lüf terl nicht genug gewürdigt wird. Was natürlich ein großer Fehler ist. Die Luft ist aber nur das eine. Das ande- re sind weitere Faktoren, unter ihnen auch Reizfaktoren, die das Tölzer Klima ausma- chen – und die am Ende dazu führen, dass dieses Klima „therapeutisch wirksam“ ist. Es ist ein auf die Gesundheit anwendbares Kli- ma. Das Licht etwa sei „sichtbar“, sagt jetzt -5-
– Gesundheit – In Bad Tölz hingegen erlebt sie Klienten, Man selbst belässt es erstmal bei einem die, wenn sie ankommen, sich nur mühsam Spaziergang im Park, in dem natürlich sämt- die Treppen hinaufschleppen; wenn sie aber liche Wiesen betreten werden dürfen. Macht nach drei Wochen wieder abreisen, sind die Stufen kein Problem mehr. Und daran, davon Düstere Tage sind hier es sich dann auf einer der Holzliegen bequem und schaut eine Weile dieser Gruppe Frauen ist Merklinger überzeugt, ist nicht zuletzt das selten – weshalb das zu, die sich gleich gegenüber im Schatten der Klima schuld. Man kann sich hier, zu beiden Seiten der Isar, mit Blick auf die Münchner Schlafhormon Melatonin großen Bäume zum Qi Gong im Kreis aufge- stellt haben. Oder ist es Thai Chi? Hausberge, ganz allgemein ziemlich gut ent- auch wirklich nur nachts Später im KneippGarten, den es übrigens spannen. Gut tut das Heilklima, das schon als Hochgebirgsklima einzuordnen ist, ins- im Gehirn gebildet wird. erst seit diesem Sommer gibt, dann das Gespräch mit Frau Herling. Nö, meint die besondere Menschen mit Bluthochdruck und 60-Jährige und klingt ein wenig trotzig, auch Patienten, die unter Atemwegserkrankungen von der besonderen Luft bemerke sie hier leiden. Nicht umsonst gibt es hier Reha- eher wenig. Ihr Mann Burghart stapft grade Kliniken, Sanatorien und Kurhotels, die durchs Wasser. Na gut, denkt man: Was gibt HEUTE SCHON eigene Gesundheitsprogramme auflegen. es für eine angenehmere Medizin als die, die Man schaut in den weiß-blassblauen man bei der Einnahme gar nicht merkt. gekneippt? Himmel über dem von Gabriel von Seidl einmal soll er gesagt haben: „So arbeite ich erbauten Kurhaus im Kurpark. Denkt daran, bei hohem Barometerstande leichter als bei dass, wie auf einer Webseite über Heilklima tiefem ...“ in Deutschland nachzulesen ist, „schon die Maren Merklinger meint, die Bayern seien Mehr unter bad-toelz.de/heilklima alten Griechen“ beobachtet haben sollen, tendenziell ein glücklicher Menschenschlag. Von Dr. Ralph Munkert S „dass Menschen an bestimmten Orten nicht Dann stattet sie einen zum Abschied aus mit nur lebensfroher sind, sondern auch selte- jeder Menge Info-Material, darunter auch elbstversuche haben in der Medizin eine lange Tradition. Bes- Vielmehr fußt die Kneippkur auf fünf Fundamenten: einer hoch ner unter bestimmten Krankheiten leiden“; eine Broschüre mit 37 Wanderungen rund um tes Beispiel: Sebastian Kneipp, der 1821 geborene Sohn armer entwickelten, speziellen Hydro-und Balneotherapie, bei der das Was- dass auch Goethe durchaus einen Bezug her- Bad Tölz, die unter anderem vermerkt, wie Webersleute aus Stephansried im Allgäu. Als er als junger Mann ser in verschiedenen Temperaturgraden den Organismus zu einer stellte zwischen Wetter und Schaffenskraft, viel Watt Leistung welcher Weg erfordert. an einer schweren Lungentuberkulose erkrankte und ihn die Ärzte sinnvollen Reaktion veranlassen soll; der Verwendung pflanzlicher bereits aufgegeben hatten, fiel ihm ein bereits über hundert Jahre Arzneien; einer naturgerechten Vollwert- oder Basiskost, einer umfas- altes Buch in die Hände. Sein Titel: „Die wunderbare Heilkraft des fri- senden Physiotherapie und einer psychosomatischen Ordnungsthe- schen Wassers bei dessen innerlichem und äußerlichem Gebrauch auf rapie, also dem Ansatz, das Leben „in eine Ordnung“ zu bringen. Erlebnisse entdecken & buchen die Leiber der Menschen“. Kneipp erprobte nun an sich selbst diese Es handelt sich bei der Kneipptherapie um ein bewährtes Natur- „Kraft des Wassers“ – heimlich nachts in der kalten Donau. Und der heilverfahren, das sich nicht als Alternative, sondern als Bereicherung Die Wunderkraft des Wassers Heilklimawandern auf eigene Faust Erfolg blieb nicht aus: Nach und nach ging es ihm besser, schließlich gesundete er vollends. Er beendete sein Studium und wurde Pfarrer der Schulmedizin versteht. Sie hilft bei sogenannten Zivilisations- krankheiten und zeigt bei der Prävention wie auch der Rehabilitation › Gesichtsbad mit Zitrone sowie Zypressenölung der Haut › Begrüßung mit Tipps und Anleitungen für das in Bad Wörishofen. innerer Erkrankungen beachtliche Erfolge. Und doch muss ich Sie › Kneippscher Knieguss zur Unterstützung von Immunsystem Wandern im Heilklima Neben seiner geistlichen Tätigkeit und der täglichen bäuerlichen warnen – nicht vor der Kur, sondern vor unsachgemäßen Anwendun- und Durchblutung › Broschüre „Einführung in das Heilklima-Wandern“ Arbeit sah Sebastian Kneipp nun einen wesentlichen Auftrag darin, gen. Die Kneippschen Maßnahmen wie Armbad oder Wassertreten › Wassertreten im neuen KneippGarten › Wanderkarte „Heilklimawege“ mit Tourbeschreibungen Kranken zu helfen und Gesunde vor Krankheit zu schützen. Das zen- klingen schließlich so einfach, dass mancher Patient sich eigen- › Aus kalt mach warm: Schnee- oder Tautreten › Jeden Morgen eine Tour-Empfehlung trale Element seiner Kuren: Wasser. mächtig drauflos kuriert. Und das kann gefährlich werden. Die uner- › Fuß- und Rückenmassage nach der Raindrop Technique › Berg- und Talfahrt auf den Blomberg Zu Kneipps 200. Geburtstag ist es nun mal wieder an der Zeit, mit wünschten Nebenwirkungen können dann durchaus zum Gegenteil mit Fußbad › Brotzeit im Blomberghaus der Fehlannahme aufzuräumen, bei seiner Kur gehe es letzten Endes des Gewollten führen. Nicht umsonst müssen Kneipp-Bademeis- › Ernährungsberatung nach Kneipp › Tölzer Wertkarten – im Wert von 20 € individuell einlösbar nur darum, sich mit kaltem Wasser zu übergießen. ter eine mehrjährige Ausbildung durchlaufen, und auch wir Ärzte › 2 Übernachtungen individuell zubuchbar › 4 Übernachtungen individuell zubuchbar dürfen erst nach einer Reihe spezieller Fachkurse die Bezeichnung (Unterkünfte ab Seite 41) (Unterkünfte ab Seite 41) „Kur und Badearzt“ führen. › ab 49 € pro Person › Nicht buchbar zu den Revisionszeiten der Bergbahnen Doch nach professioneller Einweisung können Kneipps Empfeh- Jetzt buchen auf bad-toelz.de/angebote › ab 49 € pro Person lungen – wenn Sie mir als Mediziner den Terminus verzeihen – wah- Jetzt buchen auf bad-toelz.de/angebote re Wunder wirken: Ich kann mich noch gut an meine Fortbildung in Bad Wörishofen erinnern. Wir waren jung und kosteten selbstver- ständlich das „Nachtleben“ im Ort aus – was nicht unbedingt zu erhöhter Aufmerksamkeit in den Vorlesungen führte. Bis uns ein versierter Bademeister den Tipp gab, zwischendurch einen kalten Oberkörperguss zu machen. Glauben Sie mir, das wirkt wie fünf Dr. Ralph Munkert, Jahrgang 1957, Tassen starken Espressos. studierte Medizin in Antwerpen, Göttingen, Hamburg und München. Seit 1992 ist er Chefarzt der Reha- Klinik Frisia in Bad Tölz. Mehr unter bad-toelz.de/kneipp -7-
Die Tölzer Leonhardifahrt ist ein Magnet für Touristen und der Höhepunkt des Jahres für die Einheimischen. Wir haben drei Menschen getroffen, die Leonhardi das ganze Jahr über beschäftigt. Und vier Pferde. Eine Fotoreportage von Florian Bachmeier N un sind die Bayern an Feiertagen ohnehin schon reich gesegnet – was ihnen mitunter den Neid von Bewohnern anderer Gefilde einbringt. Den Tölzern reicht das dennoch nicht, sie setzen noch eins drauf: Leonhardi. Der 6. November, wenn er nicht auf einen Sonntag fällt, ist hier Feiertag. Dabei geht es freilich nicht nur ums Feiern, an Leonhardi hat der gemeine Tölzer schließlich Wichtigeres zu tun, als in die Schule oder zur Arbeit zu gehen. Und, nein, zur Sicherheit sei auch gleich diese Richtig- stellung vorausgeschickt: Bei Leonhardi han- delt es sich um kein Volksfest, sondern um eine Wallfahrt. 250 Jahre alt wird diese Wallfahrt im Jahr 2022. Mindestens. Denn für den 6. November 1772 ist sie zum ersten Mal dokumentiert. Der 6. November, das soll der Todestag des Heili- gen Leonhards sein, des in Bayern besonders verehrten Schutzheiligen des Viehs und der Gefangenen. Und ihm zu Ehren macht man sich in Bad Tölz also Jahr für Jahr mit Vier- spännern auf den Weg zur Leonhardikapelle, oben auf dem Kalvarienberg. Und, gewiss, allen frommen Absichten zum Trotz ist Leonhardi natürlich auch ein Hochamt des Brauchtums, und gefeiert wird im Anschluss auch, vor allem in der Marktstraße. Es soll vereinzelt sogar schon einmal ein Stamperl eines hochprozentigen Getränkes erhoben WENN DER HEILIGE worden sein – ebenfalls zu Ehren des Heili- gen, versteht sich. Leonhard ruft Ein solches Ereignis wirft, wie es die Rede- wendung will, seine Schatten weit voraus. Das ganze Jahr über fiebern die Tölzer eben- so wie Tölz-Freunde aus der ganzen Welt auf Leonhardi hin. So nimmt es auch nicht wunder, dass schon lange vorher die Vorbe- reitungen laufen.
– Tradition – – Tradition – Alle Kronen von Sabine Prass sind Unikate. Manchmal prägt jedoch nicht nur der Glaube, sondern auch der Aberglaube das Leonhardi-Brauchtum. So kommt in jedes Schifferl ein kleines Stück eines Hollerzweiges – als Fruchtbarkeitssymbol. Dazu noch kleine Spiegel gegen den bösen Blick. Nehmen wir Sabine Prass. Sie sorgt dafür, dass die Frauen wohl behütet durch den besonderen Tag kommen. Denn Kopfbede- ckungen spielen bei Leonhardi eine wichtige Rolle. Seien es nun die bunten Krönchen, die die kleinen Mädchen auf dem Kopf haben, die Schifferl der Jugendlichen oder eben die Riegelhauben, wie sie die verheirateten Frau- en bei der Alttölzer Tracht tragen. Wer eine solche Trachtenkrone erstehen oder ausge- bessert haben will, kommt an Sabine Prass fast nicht vorbei. Mit sechs Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Tölz, mit sieben Jahren, so meint sie sich zu erinnern, sei sie zum ersten Mal bei Leonhardi dabei gewesen. Bis vor wenigen Jahren ist sie selbst mitgefahren. Und schon ganz lange hat sie sich den Trachtenkronen verschrieben, ist gewissermaßen Kronenma- cherin – so lange, dass sie selbst sich schon gar nicht mehr so recht erinnern kann, wie es dazu überhaupt gekommen ist. Eine diffizile Angelegenheit ist die Herstel- lung einer solchen Krone jedenfalls, bei der Prass auch auf ihre Fertigkeiten als gelernte Goldschmiedin zurückgreifen kann. Wichtig ist ihr dabei, dass sie nur mit den hochwer- tigsten Materialien aus Italien oder Frank- reich arbeitet: Gold- oder Silberdrähte, Glas- steine, Perlen, Pailletten. Gut und gern vier bis sechs Wochen sitzt sie an einer Krone. Eine Menge Arbeitszeit ist das, da braucht es viel Leidenschaft. Und die hat Sabine Prass. Sie liebt die Tracht, das Brauchtum und vor allem Leonhardi: „Das ist einfach etwas ganz Besonderes.“ - 10 - - 11 -
– Tradition – – Tradition – Das findet Eva Wiegerling-Hundbiß natür- ihr Bruder griff zu. Und in einem Nebenraum angeboten bekommen und zugeschlagen. Er lich auch. Sie führt erst mal durch die Restau- der Haupthalle steht er schließlich: der Leon- hat ihn wieder hergerichtet, und über Jah- rierungswerkstätten Erwin Wiegerling. Die hardiwagen „Wiegerling“. re wurde der Wagen dann von zwei Bauern gelernte Kirchenmalerin kümmert sich in dem Es ist einer der typischen Tölzer Truhenwa- aus Egling gefahren. „Bäuerinnen im Schalk“ Betrieb, den ihr Bruder einst gegründet hat, gen, wie man sie von Leonhardi kennt. Aber saßen darin. Aktuell sucht er übrigens wieder Restauratorin Lara Lunau muss bei der Reinigung des Truhenwagens um die Dokumentation. Hier wird so ziemlich eher einer der schönsten und ältesten. Datiert einen neuen Fahrer. Feinstarbeit leisten, etwa mit speziellen Schwämmchen. Auf dem Wagen alles restauriert, was eben alt ist. Sehr alt. Vor ist er auf 1805. Damals nach der Säkularisation „Der Wagen ist jederzeit einsatzbereit“, sagt sind verschiedene Heilige abgebildet, natürlich auch Leonhard (großes Bild). Kunstschmied Richard Färber und Kunstschreiner Andreas Zellner prüfen die allem für Diözesen und Schlösser arbeiten die waren die ganzen Kirchenmaler arbeitslos, Lara Lunau, „Der ist top in Schuss, obwohl er Stabilität des Fahrgestells. Und Eva Wiegerling-Hundbiß (rechts) kümmert Restauratoren. Neuschwanstein, Linderhof ... erklärt Wiegerling-Hundbiß, dehalb hätten sie vom Alter her eigentlich museumswürdig sich um das große Ganze. Die Kundschaft ist erlesen. nun oft Auftragsarbeiten für die reichen Bau- ist.“ Lunau selbst hat natürlich einiges dazu Eva Wiegerling-Hundbiß sammelt noch ern übernommen. Hier in der Region waren beigetragen, dass der Wagen so gut dasteht. eben die Restauratorin Lara Lunau ein, und das zum Beispiel oft die bekannten Tölzer Tagelang hat sie ihn gereinigt und kleine Feh- vorbei an vielen antiquarischen Schätzen Schränke. Aber eben auch Leonhardiwagen. ler ausgebessert. „Die regelmäßige Reinigung führt sie dann über die Straße in eine große Dieser hier stammt vom Wörner-Hof in ist die halbe Miete“, sagt die 28-Jährige. „Wir Fabrikhalle. Früher wurden hier Hoteldrehtü- der Hinterstallau bei Bad Heilbrunn. In den wollen ja, dass er in Gebrauch bleibt.“ ren gefertigt, dann Butangasflaschen, dann Neunzigern hat Erwin Wiegerling sen. ihn wurde die Halle irgendwann versteigert, und von einem Antiquitätenhändler zum Verkauf - 12 - - 13 -
– Tradition – – Tradition – Altersmäßig kann das Gefährt von Niko- laus Seidl und seinen Nachbarn aus Wackers- berg da nicht mithalten. Als Neuwagen kann man ihn aber auch nicht gerade bezeichnen. Von 1936 ist der Tafelwagen. Nikolaus Seidl, den Jaudenbauer heißt man ihn, ist der Fuhrmann. Seit 1882 ist die Teilnahme sei- ner Familie an der Leonhardifahrt bereits dokumentiert. Insgesamt 67 Mal war sie Allen frommen Absichten seither dabei. 1976 hat sich der Jaudenbauer dann mit dem Schnaitter, also dem Nikolaus zum Trotz ist Leonhardi Rinner, und dem Wasensteiner, das ist der natürlich auch ein Jakob Wasensteiner, zusammengetan. Seit- dem fahren die drei Bauern bei Leonhardi Hochamt des Brauchtums. gemeinsam die „Wackersberger Jungfrauen im Mieder“. 2019 war es der 63. von 77 Wagen. Aber der schönste Wagen ist halt nichts ohne den passenden Antrieb. Vier PS sind der Standard bei Leonhardi. Und die stehen gerade oben auf der Alm vom Jaudenbauer, drei Stuten und ein Wallach. Der Schnaitter und der Wasensteiner haben auch noch Pfer- de; welche nun tatsächlich eingespannt wer- den, entscheiden die drei relativ kurzfristig, je nachdem, wie es den Tieren geht. Da es außerdem noch zwei oder drei Vorreiter gibt, sind bis zu sieben Pferde im Einsatz. „Man muss schon a bissl pferdenarrisch sein“, sagt Nikolaus Seidl, der gerade auf der Alm nach dem Rechten sieht. Zylka, Passita, Paula und Max heißen seine Pferde. Süd- deutsches Kaltblut. Klassische Arbeitspferde seien das, erzählt Seidl, früher habe man mit solchen Tieren das Heu heimgefahren oder das Holz aus dem Wald geholt. Heute sind es vor allem die Pferdeschlit- tenfahrten, die Nikolaus Seidl im Winter anbietet, bei denen die vier noch zum Einsatz kommen. Bis September verbringen Zylka & Co. aber erst mal ihre Sommerferien auf der Alm. Dann geht es wieder runter ins Tal, und die Rösser werden beschlagen. Rechtzeitig zu Leonhardi. „Tradition ist nicht das Bewah- ren der Asche“, heißt es auf der Homepage des Jaudenbauers, „sondern das Weitergeben Bei Leonhardi mittendrin des Feuers.“ › Einführungsvortrag zur Leonhardifahrt am Vorabend Mehr unter bad-toelz.de/leonhardi Im Sommer dürfen Zylka, Passita, Paula und Max auf die Alm. › Zünftige bayerische Brotzeit Nikolaus Seidl besucht sie dort regelmäßig. › Leonhardi-Abzeichen › Überraschungspräsent bei Ankunft › 2 Übernachtungen individuell zubuchbar (Unterkünfte ab Seite 41) › Termin: 06. – 08.11.2022 › Ab 21 € pro Person Jetzt buchen auf bad-toelz.de/angebote - 14 - - 15 -
À LA HEUTE: Carte Ruhe! Die Königscard und die Gästekarte öffnen Ihnen Tür und Tölz Von Dominik Baur E chte Ruhe, so wollen wir hier ein- Begriff oder den „durch keinerlei Unfrieden, Wem diese feinen Unterschiede nicht mal ganz ungeschützt behaupten, keinen Kampf, Streit o.Ä. beeinträchtigten so geläufig sind, der sollte mit unbedach- die findet man nur in Bayern. Vor [normalen] Zustand“. Und zu guter Letzt ten Äußerungen besonders vorsichtig sein. Königscard allem auf dem Land. Und in Bayern ist man auch den „durch keine Erregung gestörten Sollte es sich mal gar nicht umgehen lassen, Ganz gleich, ob Sie auf den Spuren der Könige wandeln oder es sich selbst eigentlich immer auf dem Land. Selbst der Zustand des seelischen Gleichgewichts; einen Sachverhalt zu kommentieren, emp- königlich gut gehen lassen wollen: Die Königscard, Sie ahnen es schon, sogenannte Stoderer deklariert kurzerhand Gelassenheit“. Als Synonyme dient uns das fiehlt es sich, dies möglichst kurz, prägnant ermöglicht es Ihnen. In Oberbayern, Tirol oder dem Allgäu sind Sie mit die Großstadt zum Millionendorf um und Wörterbuch so schöne Wörter wie Dolce- und vor allem unverfänglich zu tun – etwa dieser Karte bestens beraten. Wer bei einem der über 500 Gastgeber versucht so zu unterstreichen, dass er im farniente, Seelenfrieden und Unerschütter- mit den Worten: „Ja, mei.“ aus dem Königscard-Netzwerk logiert, bekommt die Karte beim Check- Grunde seines Herzen stets seinen Bergen, lichkeit an. Zum Erhalt der Ruhe setzt der Bayer sei- in überreicht. Sie ist der Schlüssel zu über 200 nicht nur touristischen Seen und Feldern treu geblieben ist. Von Eine bis an die Bewegungslosigkeit gren- ne Hoffnung übrigens – und das mag ange- Highlights in der Region. Die in Bad Tölz beteiligten Häuser finden Sie überallher kommt man jedenfalls hierher, zende beschauliche Untätigkeit dürfte sichts seiner gern zur Schau getragenen ab S. 41, achten Sie auf das Kronen-Symbol! Hier ermöglicht einem die als lärmgeplagter Mensch, atmet einmal der Ruhe des gemeinen Bayerns in der Tat Widerspenstigkeit verwundern – nicht sel- Königscard den Zutritt zu Schwimmbad, Blombergbahn, Marionetten- tief durch und sagt: „Ach, herrlich!“ Oder: innewohnen, und unerschütterliche Gelas- ten auf die Obrigkeit. Denn er weiß es sehr theater, Golfclub und Capitol-Filmtheater. Und in der Umgebung „Diese Ruhe!“ senheit und Seelenfrieden zumindest ihre wohl zu schätzen, wenn alles seine Ordnung eröffnet sie einem den Zugang zur Kristalltherme in Kochel, dem Frei- Das Interessante dabei ist, dass die Ruhe erstrebenswerten Ziele sein. Darüber hin- hat. So passt auch dies zum Wesen des lichtmuseum Glentleiten oder einem Ausflugsschiff auf dem Kochelsee. sogar dann empfunden wird, wenn sie nur aus sollte man aber auch ein gewisses Maß Bayern, dass der Hinweis auf die niedrigste Aber das ist nur eine kleine Auswahl. Und wenn Sie nicht wissen, wie sehr schwer dingfest zu machen ist: wenn in an Schweigsamkeit als Wesensmerkmal Kriminalitätsrate im Wahlkampf förderlich Sie nun zum Golfclub oder zum Blomberg kommen sollen? Dann mie- aller Früh schon der Hahn kräht, als wären nicht außer Acht lassen. Denn Geschwätzig- sein kann, gleichzeitig aber noch heute his- ten Sie sich einfach ein E-Bike bei der Bike Boutique – natürlich mit die Hendlbrater hinter ihm her, wenn her- keit liegt ihm weniger, dem Bayern – wobei torische Figuren wie der Räuber Kneißl und der Königscard! Bleibt eigentlich nur ein Problem: Womit anfangen? nach der Nachbar mit ebenso großer Ausnahmen natürlich die Regel bestätigen. der Wildschütz Jennerwein verehrt werden. Inbrunst wie Lautstärke seinen Rasen mäht, Die I-sog-nix-Haltung des Bayern hat dabei Die Sympathie gilt den Wilderern, Rebellen Details unter bad-toelz.de/koenigscard das Kind schreit, der Hund kläfft, von Zeit zu durchaus ihren Sinn. Denn mit jedem über- und Anarchisten, gewählt wird dagegen der, Zeit ein Düsenjäger die Schallmauer durch- flüssigen Wort – und der allergrößte Teil der der für Ruhe und eine sauber eingeschenkte bricht und in nicht allzu großer Entfernung getätigten Worte dürfte aus seiner Sicht als Mass sorgt. das monotone Brummen der Autobahn auf überflüssig gelten – geht man schließlich Gleichzeitig ist Ruhe nicht weniger als die schnelle Verbindung zur Großstadt, Ver- das Risiko ein, den Zustand des seelischen ein wesentlicher Bestandteil des hiesigen zeihung: zum Millionendorf, hinweist. Aber Gleichgewichts durch Unfrieden zu gefähr- Freiheitsbegriffs. Wer die wahre Liberalitas das zeigt nur: Ruhe ist nichts, was sich in den. Eine alte Samurai-Regel: Wer den ers- Bavariae pflegt, weiß, dass es hierbei nicht Dezibel messen lässt. ten Schritt tut, in unserem Fall also das erste nur um ein bloßes „Leben und leben lassen“ Gästekarte Was also ist diese ominöse Ruhe, die der Wort sagt, begibt sich aus der Deckung – geht: „In Ruhe lassen und in Ruhe gelassen Sie erhalten sie bei jedem Tölzer Gastgeber. Die Gästekarte ist der Bayer, aber auch seine Gäste so lieben? Erst und damit in Gefahr. Der Hinweis, dass der werden“ ist, um es mal ganz pathetisch zu Nachweis, dass Sie den vorgeschriebenen Kurbeitrag entrichtet haben, hört man sie, dann hört man sie wieder nicht, Samurai als solcher schwerlich dem Volks- sagen, die Quintessenz des Bayerntums. und bietet Ihnen eine Menge Möglichkeiten und Vergünstigungen. So dann hört man sie, obwohl sie gar nicht zu stamm der Bayern zuzurechnen sei, wäre Denn die „Ruah“ ist in Bayern weit mehr, können Sie kostenlos das gesamte RVO-Busnetz nutzen und das Stadt- hören ist. Sie scheint ein recht widersprüch- nichts anderes als eben solches überflüs- als ein paar Wörterbuchdefinitionen erah- museum und das Naturparkhaus Hinterriß besuchen. Es gibt Stadt- liches Gebilde zu sein – wie so vieles in Bay- siges Wortgeplänkel. Überhaupt bringen nen lassen, sie ist ein Lebensgefühl – und führungen und Wanderungen sowie jede Menge Ermäßigungen – bei- ern. Und warum wollen in Bayern immer alle Wortwechsel eine völlig unnötige Dynamik ein Grundrecht. Es ist das, wonach zu stre- spielsweise im Planetarium, dem Kletterwald oder dem Naturfreibad in Ruhe gelassen werden? Lassen Sie uns den ins bayerische Dolcefarniente. ben sich lohnt – das, was für Menschen Eichmühle. Planen Sie also ein bisschen Zeit für Ihren Tölz-Urlaub ein! Versuch unternehmen, dem Phänomen ein Natürlich gibt es Abstufungen: Während aus anderen Teilen der Welt Glück, Liebe, wenig auf den Grund zu gehen! Der Duden sich der Bayer etwa am Gartenzaun auch Zufriedenheit oder ein Leben nach dem Tod Details unter bad-toelz.de/gaestekarte gibt uns zumindest erste Anhaltspunkte: mal zu einem kurzen Ratsch mit dem Nach- ist. Der Bayer ist schon zu frieden, wenn er „Bewegungslosigkeit“, aber auch „durch kein barn hinreißen lässt, ist dergleichen in einer „sei’ Ruah“ hat. Das mag bescheiden wirken, [lärmendes] Geräusch und lebhaftes Trei- Schafkopfrunde, dem Inbegriff bayerischer dahinter steht aber schlicht die Erkenntnis, ben gestörter Zustand; [fast völlige] Stille“. Geselligkeit, ganz und gar unüblich. Wer was Ruhe wirklich ist: nicht weniger als der Ebenso den „Zustand erholsamer, beschau- es dennoch tut, wird schnell zur Ordnung höchste zu erreichende irdische Zustand. licher Untätigkeit“ versteht man unter dem gerufen: „Ausgredt is, gspuit werd.“ Und jetzt? Is amoi a Ruah. - 16 - - 17 -
– Kultur – Von Dominik Baur Das Capitol ist, mit Verlaub, total Fünfziger. Und das ist auch gut so. D Vielleicht ist genau das ja der Grund, warum das Kino im Herzen ie Reise in die Fünfziger beginnt Roland Wolf, 64 Jahre alt, wohnt noch von Tölz längst zur Institution geworden ist. Und warum es aller zwischen fünf und halb sechs. Um die Zeit eben, wenn die ersten Besu- » Die Leute, die hierher immer in Gummersbach, seine sechs Jahre jüngere Schwester hat es vor fast 30 Jahren Konkurrenz trotzt und täglich zeigt, dass ganz großes Kino cher sich im Capitol einfinden, dem Kino am kommen, wollen noch mit immerhin nach Bayern verschlagen, wenn Amortplatz. Fünfziger nicht deshalb, weil auch in den Nachbarlandkreis, nach Hausham. manchmal gar nicht viel Platz braucht. heute vielleicht zufällig gerade wieder ein einem sprechen. Die suchen Den beiden – und das ist nun der Grund, war- Filmklassiker gezeigt wird, zum Beispiel Hitch- cocks „Fenster zum Hof“ von 1954, nein, son- die Unterhaltung, aber um es eben doch nicht komisch ist, ausgerech- net sie zu fragen – gehören die Kinobetriebe dern weil der Kinobesucher mit dem Schritt auch das Persönliche. « Wolf. Und das sind außer dem Burgtheater über die Schwelle des Kinos eine andere Welt noch ein Multiplex in Gummersbach sowie betritt. Um präzise zu sein, müsste man nun eine Handvoll Filmtheater in Bayern: in Bad die Tür selbst beschreiben, besonders die Grif- Tölz, Hausham, Garmisch-Partenkirchen und fe, die bereits Teil der Zeitreise sind. Aber wie Weilheim. bezeichnet man solche Griffe überhaupt? Da Gut, aber könnten wir nun endlich zurück gibt es bestimmt einen Fachausdruck. Eine zum Capitol kommen, in das nun gerade die Filmausstatterin könnte einem da wohl Aus- chen in Nordrhein-Westfalen, manch einem ersten Besucher für die 17:30-Uhr-Vorstellung kunft erteilen. ein Begriff wegen seines Handballvereins und kommen? Aber sicher doch! Vielleicht geben Aber wo kämen wir hin, wenn wir damit nur den wenigsten, den wirklich Eingeweihten, ja gerade die Besucher Aufschluss über die anfingen? Dann hätten wir auch den Schrift- wegen seines Burgtheaters. Burgtheater, das Besonderheit dieses Kinos. Schließlich hat zug nicht so sträflich vernachlässigen dürfen, ist das Kino, in dem die Wolfs, man kann es jedes Kino das Publikum, das es verdient. der einen schon draußen von der Stirnseite nicht anders sagen, aufgewachsen sind. Soh- „Und das ist ein ganz tolles, buntes Publikum“, des Vordaches empfängt. „Filmtheater“ steht nius kann sich immerhin noch an ihren ersten sagt Sabine Sohnius. „Die Leute, die hierher da in geschwungener Schrift, links und rechts Film erinnern: „Winnetou.“ Für ihren Bruder kommen, wollen noch mit einem sprechen. flankiert von den Namen der beiden großen wirkt die Frage nach seinem ersten Film, als Die suchen die Unterhaltung, aber auch das Säle, serifenlos und in Versalien: „Casino“ und wollte man von einem Bauernbub wissen, Persönliche. Denen ist es wurscht, wenn mög- „Capitol“. Und überhaupt: diese ganz speziel- wann er zum ersten Mal eine Kuh gesehen licherweise mal ’ne Armlehne locker ist oder le verwinkelte Architektur des Hauses. Aber hat. Woran er sich aber noch erinnert: wie er so, das gehört einfach dazu. Die kommen vor weder haben wir gerade eine Filmausstatterin als Zwölfjähriger zum ersten Mal selbst einen allem auch wegen der Atmosphäre.“ zur Hand noch Zeit für all diese Äußerlich- Film vorführte. Damals, als man noch alle 20 Also wegen der Drahtstühle und der Nie- keiten, wir wollen ja nach drinnen, weiter- Minuten den Projektor wechseln musste, als rentischchen vor der Kasse? Wegen der alten kommen auf unserer Zeitreise, ins Herz der Filmvorführer noch ein richtiger Beruf war. Schaukästen, in denen die Filmplakate hängen – Fünfziger dringen. So stehen wir denn nun im Damals, als noch die Ernemann X, sprich: oder auch Reliquien des Kinos, beispielsweise Foyer – Foyerchen wäre wohl die passendere „Ernemann zehn“, der Star unter den Projekto- der kleine hölzerne Kasten mit den originalen Bezeichnung – und treffen am Ende des roten ren war. Eine solche Ernemann X steht nun als Ticketrollen aus längst vergessenen Zeiten. Teppichs vor dem sympathisch altmodischen museales Schmuckstück im Saal, links unter Rang und Parkett gab es damals noch, heute Ticketschalter ein Geschwisterpaar, das wir der Leinwand. kosten alle Plätze dasselbe. uns als Reisebegleiter auserkoren haben: Sabine Sohnius und Roland Wolf. Von ihnen wollen wir nun also erfahren, wie sich das nun genau verhält mit dem Capitol. Schließlich ist das Capitol in Tölz nicht einfach ein Kino, sondern eine Institution. Eines jener wenigen Kinos, die eben nicht verwechselbar sind, nicht die Standard-Melange aus Block- buster, Popcorn und Nachos bieten wie die KINO superlativ-gierigen Multiplex-Kinos draußen vor der großen Stadt. Aber wie wird man zur mit Aussicht Institution? Warum kennt man das Capitol weit über die Stadtgrenzen hinaus? Irgendwie komisch ist es ja schon, ausge- rechnet Sabine Sohnius, geborene Wolf, und Roland Wolf und Sabine Roland Wolf, zu fragen. Noch nicht einmal Sohnius haben das Capitol in den Achtzigern übernom- Tölzer sind sie. Sie leben auch nicht hier. Aus men. Noch heute hängen sie Gummersbach kommen die beiden. Ein Städt- an dem kleinen Kino. - 19 -
– Kultur – – Kultur – hätte dem Capitol beinahe das Kreuz gebro- Filmrollen herumliegen, „Die Spaziergänge- Freue dich, Christkind chen. Interessant ist dabei vor allem, wer das Kinocenter betreibt: die Kinobetriebe Wolf. Bis 1956 war die rin von Sanssouci“ mit Romy Schneider und Michel Piccoli zum Beispiel, aber auch „Phi- kommt bald! Sich selbst Konkurrenz zu machen war viel- leicht zunächst nicht der allerdurchdachtes- Wandlung vom Bruckbräu ladelphia“ oder „Legenden der Leidenschaft“. Auch nicht wegen der alten Telleranlage mit Es duftet nach Zimt und heißen Maroni, te Schachzug. Doch nach einer mehrjährigen zum Capitol-Filmtheater dem Umspultisch. Dank seiner Erfindung Häuserfassaden erstrahlen im warmen Lichterglanz, in den rund 40 adventlich Durststrecke fanden Roland Wolf und Sabine Sohnius auch hierfür eine Lösung. Mit dem vollzogen. Seither dreht konnten die Filmvorführer irgendwann die Fil- me ohne Projektorwechsel durchlaufen lassen. geschmückten Holzhäuschen bieten tra- Capitol verschrieb man sich künftig der Film- sich hier alles nur noch Nein, es ist die Aussicht. Eine Aussicht, wie ditionelle Handwerker ihre Kunstwerke feil: Von Ende November an verwandelt kunst, Arthouse sagt man wohl dazu. Auf den Prospekten nennt sich das Theater nun nicht um die Filmwelt. sie für einen Vorführraum eher ungewöhnlich ist. Denn vor hier kann man nicht nur durch der Tölzer Christkindlmarkt die histori- mehr Filmtheater, sondern Filmkunsttheater. die kleinen Maueraussparungen in den Saal sche Marktstraße in einen vorweihnacht- Klassisches Programmkino. In dem Filmexper- schauen, sondern nach hinten raus durchs lichen Festsaal. Adventsgemütlichkeit ten Michael Spiegel haben Wolf und Sohnius Fenster direkt auf die Isar – ein Blick, der bei Glühwein und Schmankerln, alpen- zudem einen freien Mitarbeiter gefunden, der jedes Immobilienmaklerherz höher schlagen ländischer Musik, abwechslungsreichem Zum Capitol, dem größten Saal mit 280 Über eine Milliarde Besucher zählten die sich mit besonders großem Sachverstand um lassen würde. Programm und tausend Lichtern. Plätzen, geht es in den ersten Stock. Die Kino- deutschen Kinos etwa laut dem Haus der die Programmgestaltung kümmert. Viele len, und wer es dann doch lieber persönlich an Und die Aussicht fürs Kino? Wie kann sich › Pferdeschlittenfahrt bzw. Kutschfahrt betreiber führen nach oben. Auf der Treppe ist Geschichte allein in der Saison 1956/57. Oscar-Filme zeigen die Wolfs hier. Auch Film- der Kasse tut, kann dort auf einem Bildschirm ein kleinen Programmkino gegen Amazon, (Sa.), sonst: Stadtführung oder Besuch ebenfalls roter Teppich verlegt. Oben ange- Es gab sie ja mal, die Zeiten, als man ins klassiker oder Originalversionen mit Unter- den Saalplan mit den verfügbaren Plätzen ein- Netflix und Co behaupten? Für Roland Wolf des Marionettentheaters kommen erwartet einen ein riesiges Filmpla- Kino nicht unbedingt nur gegangen ist, um titeln. Im Winterhalbjahr kann man zudem an sehen. Und um den Film zu starten, geht kein ist die Sache klar: „Indem wir besser sind. › Bayerische Brotzeit kat: „Die Falle am Snake River“, ein Western sich Filme anzusehen, sondern das Dunkel zehn Samstagen der Liveübertragung einer Filmvorführer im grauen Kittel mehr in den Punkt.“ Nur im Kino habe der Zuschauer diese › Glühwein auf dem aus den Fünfzigern. Muss man nicht kennen. des Saals aus anderen Gründen gesucht hat; Oper aus der Met in New York beiwohnen. Vorführraum. Sonja Turzer, die hier den Laden riesige Leinwand und könne sich ganz und gar Tölzer Christkindlmarkt Aber das Plakat – das in Wirklichkeit gar kei- irgendwann damals muss das gewesen sein, Seither läuft der Laden wieder – sofern ihn schmeißt, kann alle Filme in allen Sälen über auf den Film konzentrieren. „Wie oft hat man › 2 Übernachtungen individuell nes ist, sondern ein auf Leinwand gepinseltes als auch das Angebot, jemandem seine Brief- die Anti-Corona-Maßnahmen laufen lassen. das Laptop steuern. Allerdings verpasst man Kino schon totgesagt? Als das Fernsehen kam, zubuchbar (Unterkünfte ab Seite 41) Gemälde – vermittelt genau das Flair, für das markensammlung zu zeigen, in den seltens- Das Publikum kommt teilweise von weit her. dabei durchaus etwas. Denn der Vorführraum als die Privatsender kamen, als die DVD kam. › Termine: 25.11. – 24.12.2022 das Capitol steht. ten Fällen philatelistische Absichten verriet. Bei allem Faible für die Fünfziger hat natür- des großen Saals ist, wie so vieles in diesem Jedes Mal hat man gesagt: Kino ist tot. Aber › ab 39 € pro Person Das Bild ist tatsächlich alt, aber seit 1958, als Das Capitol gehört zu jenen vom Aussterben lich auch im Capitol das digitale Zeitalter Ein- Haus, etwas Besonderes. Nicht nur weil hier Kino ist nicht tot. Kino ist ein Riesenerlebnis.“ Jetzt buchen auf bad-toelz.de/angebote der Film auch im Capitol gezeigt worden sein bedrohten Lichtspielhäusern, die diese Zei- zug gehalten. Karten lassen sich online bestel- noch ein paar alte Kisten mit 35-Millimeter- Mehr davon demnächst in diesem Theater. Mehr auf bad-toelz.de/christkindlmarkt mag, hängt es nicht hier. Erstanden haben es ten noch miterlebt haben. Die emotionalen die Geschwister erst im Zuge einer dringend Dramen, die sich zwischen diesen Mauern notwendigen Renovierung im Jahr 2017, als abgespielt haben, fanden nicht ausschließlich man penibel darauf achtete, dem ursprüng- auf der Leinwand statt. Die Tölzer Jugend von lichen Stil treu zu bleiben. Ein gutes Beispiel damals ist heute um die 80. Aber auch späte- Im Capitol finden sich manche Reliquien aus längst vergange- hierfür sind auch die Lampen an Decken und re Generationen von Tölzern haben noch ihre nen Tagen des Kinos, etwa der kleine Kasten mit den Ticketrol- len oder das riesige Plakat für ein B-Movie aus den Fünfzigern. Wänden: Originale aus den Fünfzigern. Über- ganz besonderen Erinnerungen an das Kino. zeugend überspielen sie, dass sie erst vor vier Über die Jahrzehnte hinweg erlebte das Jahren hier ihren Platz gefunden haben. Kino bessere Zeiten und auch schwierige- Falsche Fuffziger also? Von wegen. Hier re. 1985, es lief gerade wieder nicht so rund, fand lediglich zusammen, was zusammen- übernahmen die Wolfs schließlich das Capitol gehört. Denn das Kino stammt schließlich und renovierten es erst einmal komplett. Das tatsächlich aus dieser Zeit. Ursprünglich ein Haus hatte seinen eigenen Charme, das Pro- Bräuhaus begannen die Wirtsleute 1952 in gramm unterschied sich jedoch nicht von dem einem Veranstaltungssaal auch Filme vor- andernorts. „Pretty Woman“ lief hier, oder zuführen. Bis 1956 war die Wandlung vom „Titanic“. 1992 wurde dann ein dritter Saal Bruckbräu zum Capitol-Filmtheater vollzo- eröffnet: die Stub’n. Mit Apostroph – logisch. gen. Seither dreht sich hier alles nur noch um Der Name lässt die Besonderheit des Saals die Filmwelt. erahnen: Hier trifft klassisches Wohnzim- Cineastisch waren die Fünfziger ja zumin- merkino auf Bayerisch-Rustikales. Die ange- dest in Deutschland nicht unbedingt das deuteten Balken an der Decke tun ihr Übriges. beeindruckendste Jahrzehnt; eher seichte 58 Sitze hat die Stub’n. Überall habe man sei- Kost, auch wenn sich die Sissi-Filme bis heute nerzeit über die Stub’n berichtet, erzählt Wolf im weihnachtlichen Fernsehprogramm gehal- stolz. So einen Saal habe es sonst in keinem ten haben. Und dennoch ist es das Jahrzehnt Kino gegeben. des Kinos. Die Filmtheater erlebten einen Gut lief das Filmtheater dann bis zum Jahr unglaublichen Boom, ihr Besuch gehörte zu 1999. Da eröffnete plötzlich ein Multiplex- den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Kino in Bad Tölz, das Isar-Kinocenter. Das - 20 - - 21 -
– Musik – Interview: Patrick Guyton Tölzer Stadtkapelle Martin Schnitzer ist ein Original. Der Posaunist ist Erster Vorsitzender der Tölzer Stadtkapelle und macht Volks-Bläser-Rock mit Herr Schnitzer, Sie sind ein junger Mensch, Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts existierten in Bad Tölz mehrere Blaskapellen. Offiziell gegründet wurde Jahrgang 1995, und stehen schon seit sechs The Heimatdamisch. Im Interview erklärt er, warum Musik etwas Jahren an der Spitze der Stadtkapelle von die Tölzer Stadtkapelle 1924, derzeit hat sie 55 aktive Mitglieder. Zu ihrer Aufgabe gehört es, bei Festen und an „Allmächtiges“ für ihn ist und wieso sich manchmal auch Blasmusiker Bad Tölz. In einem solchen Amt stellt Feiertagen in Bad Tölz aufzutreten. Jährlich gibt es etwa 70 Auftritte, hinzu kommt einmal im Monat ein Konzert man sich eher einen gediegenen, älteren auf den „Highway to Hell“ begeben müssen. Herrn vor. im Tölzer Kurhaus. Die Hymne des Vereins ist – natürlich – der „Tölzer Schützenmarsch“, der bei jedem Konzert gespielt wird. 1896 war ein „flotter Marsch“ für eine Faschingsver- Ja, an den denkt man zuerst. Nach 16 Jahren anstaltung gewünscht. Diesen komponierte Anton Krett- stand mein Vorgänger nicht mehr zur Ver- ner – ein Münchner Musiker und Jurist, der in eine Tölzer fügung. Viele in der Kapelle meinten, dass Familie eingeheiratet hatte. mal ein Jüngerer rankönnte. Ich habe große Unterstützung von allen. Gerade die Älteren sagen: Wenn du was brauchst, melde dich. Keiner stellt sich irgendwie quer. Gott sei Dank – wie man so hört, läuft das in anderen Musikkapellen manchmal anders. Sie und die Musik – wie hat das angefangen? Als kleiner Bub bin ich zur Musik gekommen. Kollegen aus der Klassik wird das gerne als werden immer wieder neue, überraschen- Zuerst hatte ich Geige gelernt, doch eigent- „Humpa-Musik“ unterschätzt und belächelt. de Aspekte und Harmonien in die Musik lich wollte ich schon immer auf die Posaune Da gibt es aber auch wahnsinnig tolle Musiker gebracht. Blasmusik muss überhaupt nicht gehen. Ich hatte aber lange Probleme mit mit einer ganz eigenen Stilistik. altbacken sein. den Zähnen, die zweiten Zähne müssen vorne schon stabil sein. Mit 13 habe ich zur Was bedeutet Volksmusik für Sie? Musikalisch gesehen, sind Sie also ein Posaune gewechselt. In unserer Familie war Volksmusik immer Liberaler. präsent. Wichtig war etwa Ernst Mosch mit Ich bin vor allem gegen Engstirnigkeit und Was ist denn verkehrt an der Geige? seinen Original Egerländer Musikanten, von für Sachen, die gut sind. Nichts gegen Streicher – aber im Vergleich denen hatten meine Großeltern viele Schall- zu denen sind die Bläser eine ganz andere platten. Meine Eltern haben beide in einer Noch ein Klischee: Traditionelle Blaska- Welt. Streicher bereiten sich oft über lan- Blaskapelle gespielt, hier im Nachbarort pellen bestehen vorwiegend aus älteren ge Zeit auf ein oder zwei Konzerte im Jahr Gaißach. Mein Onkel war dort lange Zeit Leuten. Bei der Tölzer Stadtkapelle ist vor. Wir bei der Tölzer Stadtkapelle proben Dirigent, mein Cousin wiederum ist ihm in das nicht so. aber normalerweise mindestens ein Mal in diesem Amt nachgefolgt. Und ich lebe ja Unser Altersschnitt liegt bei 29 Jahren. Der der Woche mit allen, ein Mal im Monat gibt auch in Gaißach. Volksmusik ist Musik, die älteste Musiker ist 70 Jahre alt, die jüngsten es ein Konzert. Das ist im Fluss, das lebt, da vom Volk gemacht wird, und bei uns hier ist 15. Und dann haben wir auch ein Nachwuchs- kommt ein Gemeinschaftsgefühl auf. Zusätz- das hauptsächlich Blasmusik. Das war immer orchester, in dem ein Neunjähriger mitspielt. lich sind Untergruppen entstanden wie eine etwas ganz Normales, trotzdem habe ich Wir machen nicht nur die traditionelle Polka- kleine Tanzlmusik oder unter den Jüngeren natürlich auch andere Sache gehört wie Rock. Marsch-Walzer-Blasmusik, sondern auch sehr eine böhmische Besetzung – das ist ein klei- viele symphonische Stücke. nes Orchester mit acht Bläsern. Das sind aber völlig andere Stilrichtungen. Das ist doch egal – solange die Musik echt ist, Moment. Was ist das? Sie klingen begeistert. Über Volksmusik, mit Herz gemacht und gut ist. Ich habe viel Das sind Werke, die eben nicht von einem die Sie häufig spielen, gibt es das Klischee, mehr Probleme mit Liedern, die seelenlos klassischen Symphonie-, sondern von einem kitschig zu sein, rückständig. Wie gehen und nur für den kommerziellen Erfolg pro- Blasorchester gespielt werden – Ouvertüren Sie als Musiker damit um? duziert werden: simple, gängige Melodien. oder Symphonien. Es gibt etwa die wunder- Dieses Klischee über Blasmusik finde ich Im Sommer braucht man dann ein Lied, in bare „Alpina Saga“ des österreichischen sehr schade. Sie erlebt ja gerade eine große dem zehn Mal die Worte „See“ und „Sonne“ Komponisten Thomas Doss, die wir aufge- Renaissance, etwa mit dem „Woodstock der vorkommen. Das wird dann von einem Star führt haben. Wir spielen also nicht nur am Blasmusik“. Das ist ein Riesenfestival mit gesungen und zum Hit. So etwas belächle Nachmittag zum Tanz-Café auf. »W I R S I N D O R I G I N A L P R O D U K T E , 50.000 Besuchern, das wegen Corona leider zwei Mal ausfallen musste. Das Motto lautet: ich. Da fehlt mir das Herz. Rap etwa höre ich auch sehr gern, denn da merkt man oft: Leu- zu 100 % biologisch angebaut.« „Love, Peace und Blasmusik.“ Es kommen viele te haben sich zusammengehockt, gearbei- ganz normale Leute, die wieder einen Bezug tet und ihre Ideen eingebracht. Sie stehen zur Volksmusik entwickeln. Gerade von den zu dem, was sie machen. Von vielen Seiten - 23 -
– Musik – – Musik – BILD Martin Schnitzer In der Tölzer Gegend sind Sie groß gewor- Was bedeutet Ihnen Musik? den und leben weiterhin hier. Packt Sie Ich frage mich manchmal, was aus mir Nach seinem Abitur 2013 hat Martin Schnitzer ein Frei- nicht mal die Sehnsucht, ganz woanders geworden wäre, wenn ich gar kein Ins- Tölz williges Kulturjahr bei der Musikschule Bad Tölz absolviert. Im Anschluss folgte dort eine kaufmännische Ausbildung, hinzugehen? trument gelernt hätte. Keine Ahnung. in der er sich mit der Verwaltung und der Organisation Ja schon, aber nicht auf Dauer. Ein Akademie- Ich wüsste nicht, was ich ohne das alles von Musikveranstaltungen befasste. Die Tölzer Stadtkapel- le leitet Schnitzer – ehrenamtlich – seit 2016. Schnitzer stu- jahr bei einem Orchester würde mich reizen, machen sollte. Musik war schon immer ein diert in München an der Hochschule für Musik und Theater vielleicht im Norden, in Hamburg oder Berlin. ganz selbstverständlicher Bestandteil mei- Kulturmanagement. Zudem spielt er in Bands, arbeitet auf Da würde man mal was Neues sehen. Aber nes Lebens. Es gibt einem so viel zurück, einer halben Stelle an der Tölzer Musikschule und unter- richtet Posaune. ganz weg ziehen? Nein. Wir haben ja alles wenn man in jungen Jahren ein Instrument hier, eine musikalisch reiche Kultur. Jedes lernt – das ist wichtig für das Gehirn, die Wochenende gibt es Gelegenheiten, in der Motorik, für die Kanalisierung von Emo- Region Musik zu spielen. Vor allem die Musik, tionen. Und für das Soziale, wenn man mit mit der ich aufgewachsen bin – Blasmusik und anderen Menschen gemeinsam an etwas so. Und in den Jazzclub können wir ja auch arbeitet. Musik ist etwas Allmächtiges. nach München oder Rosenheim. Wissen Sie, Ich bin immer wieder davon fasziniert: es ist schon wahnsinnig schön hier. Man geht Je nachdem, wie es mir geht – die Musik Kommen wir zur Band The Heimatda- The Heimatdamisch hätte auch in Illinois Wie hat sich der Trend zur bayerischen aus der Haustür raus und hat gleich die Berge kann mich dort abholen. misch, in der Sie die Posaune spielen. Hei- in den USA, sowie in Brasilien auftreten beziehungsweise alpenländischen Volks- vor sich. matdamisch – wie lautet die hochdeut- sollen. Rock-Bläser-Musik entwickelt? sche Übersetzung? Genau, dann kam Corona ... Wir sind uns aber Gestartet hat es mit LaBrassBanda vom Sie spielen Posaune. Was mögen Sie an „Damisch“ bedeutet „verrückt“. Also: ver- sicher, dass es diese Anfragen wieder gibt. Chiemsee, die bayerische Texte im Balkan- ihrem Instrument? rückt nach der Heimat, heimatverrückt. Wahnsinn, in welchen Ländern man sich für stil vertont haben. Es folgten ganz, ganz, Den Klang. Wenn man mit mehreren Posau- diese Art der bayerischen Blasmusik interes- ganz viele andere. Die Szene ist sehr groß nen einen Akkord hinstellt, dann hat das eine Das Konzept der Band besteht darin, Rock- songs, und zwar wirkliche Meilensteine, siert. Wo wir schon so alles rumgekommen sind: Wir hatten Auftritte in Frankreich, Ita- geworden. Da gibt es Schätze zu hören, etwa Rap auf Boarisch wie bei Dicht & Er- einmalige Schwingung. Das ist so blechern- machtvoll und zugleich butterweich. Und ich Leserbild- als bayerische Blasmusik zu interpretieren. lien und Norwegen. Regelmäßig spielen wir greifend. Diese Sachen kommen von hier, mag an der Posaune die Vielfältigkeit. Mit Wettbewerb W Dazu gehören etwa „Sweet Child O‘ Mine“ in Hückelhoven in Nordrhein-Westfalen, dort das sind Originalprodukte, zu 100 Prozent ihr kann man alles spielen – Jazz, Volksmusik, Jetzt mitmachen von Guns’n’Roses oder „Highway to Hell“ gibt es auch ein Oktoberfest. biologisch angebaut. Klassik. as haben und gewinnen! von AC/DC. Machen Sie sich damit über Sie für ein diese Rock-Klassiker lustig? Bild von Bad Nein, das ist gar nicht der Sinn davon. Es Tölz und Umgebung? Ein kann schon sein, dass das manche so emp- lustiges? Ein romantisches? Ein klares? Ein finden, solche Puristen gibt es immer. Das impressionistisches? Schicken Sie es uns! ist genauso, wie wenn man in die Blasmu- Ganz gleich, ob es ein Schnappschuss, ein sik den einen oder anderen jazzigen Akkord kleines Detail, ein Porträt, eine postkarten- einbaut. Da wird dann auch gesagt: Oh, das würdige Stadtansicht, eine Zeichnung oder hört sich ja gräuslig an. Die Lieder, die The ein Aquarell ist, her damit! Das Bild, das uns Heimatdamisch spielt, sind ja international unter allen Einsendungen am besten gefällt, bekannt. Sie werden immer mit einem Au- veröffentlichen wir in der nächsten Ausgabe. genzwinkern in ein ganz anderes Licht ge- Außerdem erhält der Sieger einen Gutschein rückt. Viele Leute haben wahnsinnig Spaß über einen Erlebnistag am Blomberg im Wert dabei und lassen sich überraschen, denn sie von 100 Euro. Für den 2. Platz gibt es einmal kennen ja das Original. freien Eintritt in den Kletterwald samt Brot- zeit im Blomberghaus und für den 3. Platz Ihre „Highway to Hell“-Version wurde auf eine Berg- und Talfahrt mit der Blomberg- Youtube von einem AC/DC-Fan kommen- bahn. Wir freuen uns auf Ihre Ansichten! tiert mit: Ich weiß nicht, ob ich weinen oder mitfeiern soll. Bitte senden Sie uns Ihr Bild an Natürlich mitfeiern! Ja, da gehen wir manch- leserbild@bad-toelz.de mal einen schmalen Grat. Richtige Fans irri- Schreiben Sie gern ein paar Sätze dazu, wie tiert das sicherlich, wenn wir sehr viel ver- und wo das Bild entstand und warum es ändern. Aber das sind ja wirklich alles coole Ihnen besonders gefällt. Nummern. Wir setzen uns auf ein tolles Stück Alternativ können Sie uns Ihr Bild auch über drauf und nehmen eine andere musikalische facebook.com/badtoelz oder Unterlage dafür her. instagram.com/badtoelz zukommen lassen.
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