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relevant. Das Magazin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger Nr 1 | 2021 Gemeinsam vorwärts Wie Verlage Allianzen für die Zukunft bilden und mit vereinten Kräften schneller ans Ziel kommen.
MANIFEST Zeitungen sind und bleiben relevant. Unabhängige Zeitungen sind unerlässlich für eine pluralistische Meinungs- und Haltungsbildung in der Demokratie. Ihre Existenz ermöglicht verantwortungsvollen Journalismus. INTRO relevant. 1|2021 2
VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, die digitale Wirtschaft ist geprägt von Kooperatio über Nacht missliebigen Angeboten einfach den nen und neuen Arbeitsweisen. Lange hieß es, Stecker, um den Verhandlungsdruck zu erhöhen. Presseverlage seien zu beidem nicht fähig. Das Aber Medien und Politik schauen dem Treiben hat jedoch mit der Realität im Jahr 2021 wenig zu nicht tatenlos zu. Stattdessen fordern immer tun. Ganz im Gegenteil: Ausgerechnet im zweiten mehr Verantwortliche auf der ganzen Welt nun Jahr der globalen Pandemie stehen Allianzen und klare Spielregeln und einen fairen Wettbewerb. © Fotos: Bernd Brundert/BDZV, Coverfoto: Adobe Stock – aerial-drone Kooperationen zwischen den Verlagen hoch im Kurs. Das Umfeld der Häuser verändert sich eben- Auch der Branchenverband selbst verändert sich falls rasant: Neue Player und Initiativen bringen weiter, was nicht nur auf seinen neuen Namen sich in Spiel. und sein Erscheinungsbild beschränkt bleibt. Dieses Magazin ist ebenfalls Teil der vielen Neue- Zugleich wird das Ungleichgewicht zwischen rungen im BDZV – wir wünschen Ihnen eine an- den etablierten Medienanbietern und den gro- regende Lektüre. ßen Plattformen im Internet immer größer. Die Internetriesen schrecken nicht mehr davor zu- Bleiben Sie gesund und uns gewogen, rück, ihre Marktmacht auszuspielen: Sie ziehen Ihre Redaktion Alexander von Schmettow Dr. Andrea Gourd Hans Hendrik Falk 3 relevant. 1|2021 INTRO
INHALT DIE KERNFRAGEN Wie gelingen Kooperation und nachhaltiger Erfolg? Welche Allianzen braucht es jetzt, um in Zukunft gemeinsam stark zu sein? 06 KURZMELDUNGEN AUS DEM VERBAND POLITIK 10 MEINUNG PLATTFORMÖKONOMIE BRAUCHT NEUE REGELN Was Megakonzerne wie Google für die Demokratie bedeuten, wie digitale Monopole unser tägliches Leben beeinflussen und warum es radikalere Reaktionen braucht. 16 WISSEN URHEBERRECHTSRICHTLINIE ZÜGIG UND EUROPARECHTSKONFORM UMSETZEN echtsanwalt Ole Jani über die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Pres- R severleger sowie die Verantwortlichkeit von Onlinediensten. 22 ANWENDUNG „EINE ALLIANZ DER DEUTSCHEN ZEITUNGSHÄUSER FÜR DIE POST-COOKIE-ÄRA“ Wie kann die German Publishers Data Alliance relevante User-Informationen bereitstellen? David Koopmann und Martin Wilhelm im Interview. IMPRESSUM Herausgeber: Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V., Haus der Presse, Markgrafenstraße 15, 10969 Berlin, Telefon: +49 (0) 30 72 62 98-0, E-Mail: bdzv@bdzv.de, www.bdzv.de Inhaltlich verantwortlich: Alexander von Schmettow Redaktion: Alexander von Schmettow (Chefredakteur), Dr. Andrea Gourd, Hans Hendrik Falk, Wolfram A. Zabel Konzept, Design & Produktion: Starmühler Agentur & Verlag GmbH, www.starmuehler.at Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird teilweise auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. INHALT relevant. 1|2021 4
INHALT MARKT 28 M EINUNG WENN NUTZERFOKUS AUF DATA SCIENCE TRIFFT, DANN HAT DAS DRIVE! Wie können Verlage ihren Lesern optimale und personalisierte Inhalte bieten? Die Initiative DRIVE setzt auf Zusammenarbeit. 36 WISSEN ZUKUNFTSMODELL DIGITALER JOURNALISMUS Wie muss ein Onlineangebot aussehen, damit Nutzer bereit sind, Geld dafür zu zahlen? Eine aktuelle Studie gibt Einblicke in die Erwartungen der Leser. 42 ANWENDUNG „UNSER ZIEL IST DER WIRTSCHAFTLICHE ERFOLG DER ZEITUNGEN“ Zeitungen stark machen – das möchte die ZMG Zeitungsmarktforschung Gesellschaft. Wie sie das macht, erzählt Alexander Potgeter im Interview. PERSPEKTIVEN 48 MEINUNG BUNDESVERBAND DEUTSCHER ZUKUNFTS-VERSTEHER Neuer alter Name: Kann einem etablierten Verlegerverband wie dem BDZV der Spagat zwischen Tradition und Innovation gelingen? 54 WISSEN NACHHALTIGKEIT? ABER JA! Umweltfakten: Warum im Sinne der Nachhaltigkeit nicht auf Printzeitungen verzichtet werden muss. 56 ANWENDUNG FREIE BERICHTERSTATTUNG: EIN BILD MIT MAKELN Gehören gewaltvolle Angriffe mittlerweile zum journalistischen Alltag in Deutschland? Ein Blick auf das vergangene Jahr und das „Feindbild Journalist“. 5 relevant. 1|2021 INHALT
Ein neuer Look für den BDZV VERÄNDERUNG Trotz der anhaltenden Beschrän- kungen durch die Corona-Pandemie hat sich der BDZV nach über 20 Jahren am 14. Dezember des vergangenen Jahres erstmals wieder ein neues Corporate Design verpasst. Gleichzeitig wurde die neue Website des Verbandes gelauncht. „Das neue Logo ist modern, multimedial und in Bewegung – wie der sich transformierende BDZV selbst“, sagte Präsident Mathias Döpfner anlässlich des doppelten Relaunchs. Die Überarbeitung war nö- tig geworden, weil sich der Verband, der 1954 als Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ge- gründet wurde, in Bundesverband Digitalpubli sher und Zeitungsverleger umbenannt hatte. « Mehr unter www.bdzv.de Das neue Logo ist modern, multimedial und in Bewegung – wie der sich transformie- rende BDZV selbst. Übersichtlich, modern, klar – so präsentiert sich die neue Visiten- MATHIAS DÖPFNER, PRÄSIDENT BDZV karte des BDZV im Web. AKTUELL relevant. 1|2021 6
Staat will digitalen Umbau mit Millionen fördern UNTERSTÜTZUNG Die Richtlinie zur geplanten staatlichen Förderung für den digitalen Umbau in Presseverlagen ist nach wie vor im Abstimmungs- prozess zwischen Wirtschafts- und Finanzminis- terium sowie dem Bundesrechnungshof. Danach muss noch die EU-Kommission grünes Licht ge- hatten sich ursprünglich an die Politik gewendet, ben. Der Bund plant, in diesem Jahr Presseverlage um eine Förderung für die Zustellung gedruckter mit 180 Millionen Euro bei der digitalen Transfor- Zeitungen zu erreichen. Die Kosten im Logistikbe- mation zu unterstützen. Genaue Inhalte und De- reich sind in den letzten Jahren ständig gestiegen. tails der Fördervorgaben sind noch nicht bekannt. Laut einer Studie, die der BDZV im Juni letzten Auch muss der politische Prozess bis Mai 2021 ab- Jahres in Auftrag gegeben hatte, wird die Zeitungs- geschlossen sein, damit in diesem Jahr überhaupt zustellung in 40 Prozent aller Gemeinden bereits noch Gelder fließen können. Die Zeitungsverleger im Jahr 2025 nicht mehr wirtschaftlich sein. « Werbung Foto: Francisco Seco/AP Pool/dpa Angela Merkel trägt beim EU-Gipfel im Juli 2020 in Brüssel einen Mund-Nase-Schutz. Maximale Freiheit oder minimales Risiko? Mehr Perspektiven zum Umgang mit dem Coronavirus finden Sie unter sz.de/mut Mut entscheidet.
85 % der Unternehmen der Digitalpublisher- und Zeitungsbranche schätzen die Bedeutung von Paid Content als strategisch hoch ein Zum siebten Mal präsen- tiert die Studie „Trends der Zeitungsbranche 2021“ die Zukunftser- Zuversicht in erfolgreiche wartungen der Verlage. Digitalisierung wächst TRENDS Die Einnahmen aus dem Ge- GEFRAGT ratung Schickler vorgelegten Studie schäft mit digitalem Journalismus „Trends der Zeitungsbranche 2021“. werden mehr und mehr zum Standbein Weitere Trends sind verstärkte Investi- für die Verlage. Paid Content spielt da- tionen in Technologie und die Bildung bei die wichtigste Rolle. 85 Prozent der von Allianzen innerhalb der Branche. Unternehmen der Digitalpublisher- Ohne eine entsprechende Technolo- und Zeitungsbranche schätzen seine gielandschaft gelingt kein Erfolg im Bedeutung als strategisch hoch oder Digitalen, da sind sich fast alle Me- sogar existenziell ein. Binnen drei Jah- Wir brauchen dienhäuser einig. Das Arbeiten mit KI ren, so die Erwartung der Verlage, wird Daten, Algorithmen und künstlicher sich der Anteil des digitalen Kernge- Intelligenz schätzen 76 Prozent als ent- schäfts am Gesamtumsatz verdoppeln. scheidenden Erfolgsfaktor ein. Dass Im gleichen Zeitraum stellt die große das besser und schneller mit entspre- Mehrheit der Verlage ihre redaktionel- 76 % schätzen das chenden Allianzen gelingt, sehen 96 len Prozesse auf „Digital first“ um. Arbeiten mit Algo- Prozent der Verlage. Ihre Bereitschaft rithmen und künst- Zugleich steigt die Zuversicht, dass licher Intelligenz zu kooperieren ist daher stark ausge- Rückgänge im Printbereich durch die als entscheidenden prägt, vor allem im Digitalgeschäft und Digitalerlöse in fünf Jahren kompen- Erfolgsfaktor ein. in der Logistik. siert werden können. Bereits für 2021 An der aktuellen Trendstudie haben erwartet knapp ein Viertel der Verlage 67 Verleger und Geschäftsführer, 32 90 % eine Verdopplung ihrer Paid-Content- Chefredakteure und 30 Digital-Publi Erlöse. Damit das gelingt, wollen 90 sher teilgenommen. Sie repräsentieren Prozent der Verlage die Attraktivität ih- nach Auflage gut die Hälfte (59 Prozent) res digitalen Bezahlangebotes erhöhen. der Verlage wollen der Tageszeitungen in Deutschland. « die Attraktivität ihres Dies sind wesentliche Ergebnisse der digitalen Bezahlange- vom BDZV und der Unternehmensbe- botes erhöhen. Weitere Ergebnisse auf www.bdzv.de AKTUELL relevant. 1|2021 8
I want it! NEW(S)COMERS BEST 2021 Ausschreibung für den Nachwuchspreis startet im April NACHWUCHS Ein Kreativpreis in Grup- penarbeit – und das in Zeiten von Co- rona? Der Werbe-Nachwuchs macht es möglich: Obwohl die meisten Hoch- schulen 2020 nur Fernunterricht anbo- ten, ließen sich die jungen Kreativen nicht schrecken: 57 Teams bewarben sich mit über 100 preisverdächtigen Motiven für den Nachwuchs-Werbe award der Zeitungen – die Jury wählte davon die drei besten Ideen aus. Erstmals rein digital Auch in diesem Jahr gibt es einen „New(s)comers Best“ – mittlerweile zum 19. Mal, und diesmal ausschließ- lich digital, damit in diesen besonde- ren Zeiten alle teilnehmenden Teams die gleichen Chancen haben. Die Aus- schreibung startet im April. Dann wird auch das Thema bekannt gegeben, und die Bewerberinnen und Bewerber haben bis zum Sommer Zeit für ihre Einreichungen. Zu gewinnen gibt es insgesamt 7.000 Euro. Die prämierten Anzeigen werden ganzseitig in mehre- ren Tageszeitungen geschaltet – eine Wer gewinnt, entscheidet eine hoch- Den Werbe-Nach- Voraussetzung für die Teilnahme auch rangig besetzte Jury aus Branchenex- wuchs zu kreativer Zeitungswerbung an weiteren Wettbewerben der Wer- perten. Bewerben können sich Junior- herauszufordern, ist bebranche. Die Gewinner und Gewin- Texterinnen und -Texter, Junior-Art das Ziel von „New(s)- nerinnen werden außerdem zu einem Directors sowie Studierende von Wer- comers Best“. Kreativ-Workshop von BDZV und ADC be-Studiengängen. Die Siegermotive eingeladen. Einen Sonderpreis gibt der letzten Jahre und aktuelle Infos zur es für die Gestaltung einer kreativen Ausschreibung finden Sie hier: Crossmedia-Kampagne, ausgehend von der ganzseitigen Zeitungsanzeige. awards.die-zeitungen.de/newcomers-best 9 relevant. 1|2021 AKTUELL
Plattform-Ökonomie braucht neue Regeln MEINUNG Megakonzerne wie Google beeinflussen unser tägliches Leben. Wir haben uns längst daran gewöhnt, persönlichste Daten an die „freundlichen“ Plattformen aus dem Silicon Valley abzugeben. Wie es trotz langjähriger Warnungen der Publisher und der EU-Mitgliedsstaaten so weit kommen konnte und warum wir als Gesellschaft radikaler darauf reagieren sollten. VON VALDO LEHARI JR. Große Technologieunternehmen futtern sich stetig durch unsere Daten und werden größer und mächtiger – sind sie wirklich unaufhaltsam? 10
E s gibt einen Ausdruck dafür, re entwickeln konnte und wie lange wenn Dinge in der digitalen Welt sich das Bild des gutmütigen „Don’t be nicht existieren, nicht auffind- evil“-Riesen gehalten hat. Als Präsi- bar sind: „Ungoogleability“, auf Deutsch dent der ENPA hatte ich vor mehr als in etwa „Un-Google-barkeit“. Der schwe- zehn Jahren zusammen mit meinen dische Sprachrat wollte die skandina- Kollegen immer wieder auf Risiken vische Entsprechung „ogooglebar“ offi- und Nebenwirkungen der aufkeimen- ziell als Adjektiv für etwas aufnehmen, den Digitalmonopole und notwendigen „das nicht im Netz mit einer Suchma- Grenzen für deren Daten- und Markt- schine aufgefunden werden kann“. Das macht hingewiesen. Seit 2009 haben Unternehmen wehrte sich seinerzeit wir eine spezielle Taskforce eingerich- gegen diese Definition. Auch gegen den tet und Kartellverfahren eingeleitet. deutschen Ausdruck „googeln“ sträubte man sich – vergebens, wie ein Blick in Gefahren für fundamentale Freiheiten den Duden zeigt. Wenn Produkt- und Unser Ruf, so scheint es, war nicht laut Unternehmenszeichen in den allge- genug. Immer mehr fasste Google Fuß, meinen Sprachgebrauch übergehen, missbrauchte gleichzeitig seine Macht, ist das in der Regel schlecht für deren übernahm Inhalte ohne Vergütung, Inhaber, weil ihn dann niemand mehr spielte auf Zeit, beruhigte politische damit in Verbindung bringt. Der besag- Stakeholder, hielt den Staubsauger te Technologiekonzern hat es jedoch an die weltweiten Werbemärkte und geschafft, dieses Dilemma zu transzen- machte das Internet seinen intranspa- dieren. Google ist nicht zum Gattungs- renten Algorithmen untertan. Die Ver- begriff für Suchdienste verkommen, lage gehörten sicherlich zu den ersten wie das „Tempo“ zum Taschentuch und Leidtragenden der Netzwerkökonomie, „Tesa“ zum Klebeband wurde. Google ist die radikalen Umbrüche auf dem Markt die Gattung. Jeder kennt die „Nerds aus für Werbung und Inhalte schienen für Mountain View“, die nebenbei pro Jahr andere Branchen weit weg. Allerdings Laut der „Forbes über 130 Milliarden Dollar Umsatz und verfügt die freie Presse traditionell Global 2000“-Liste war Googles Mut- über 30 Milliarden Dollar Gewinn er- auch über einen guten Seismografen, terkonzern Alphabet wirtschaften und der Welt schleichend wenn sich in der Gesellschaft Macht- 2020 auf Platz 13 ihre Vorstellung des Internets überge- und Diskursverhältnisse verschieben der größten Unter- nehmen der Welt. stülpt haben. und Gefahren für fundamentale bür- Mich entsetzt es aufrichtig, dass sich gerliche Freiheiten heraufziehen. dies alles über die vergangenen Jah- Im Jahr 2014 warnte Mathias Döpfner » 11 relevant. 1|2021 POLITIK
Es gibt keine Ausrede mehr, sich dem Problem als demokratische Gesellschaft und als Gesetzgeber nicht zu ZUR PERSON Valdo Lehari jr. stellen. Valdo Lehari jr. ist Vizepräsident des BDZV und der European Newspaper Publishers Associa tion (ENPA), außerdem langjähriger Verleger des Reutlinger General-Anzeigers. VALDO LEHARI JR., VIZEPRÄSIDENT DES BDZV » in einem offenen Brief den damali- Jahr wurde bei der EU-Kommission gen Google-Chef Eric Schmidt mit den noch einmal öffentlichkeitswirksam sehr klaren Worten: „Wir haben Angst diskutiert, ob Maßnahmen ergriffen vor Google.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte werden sollten. Bei diesen gut gemein- Schmidt schon öffentlich gesagt: „Wir ten Diskussionen blieb es. Der politische wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du Wille war trotz aller Warnungen nicht warst. Wir wissen mehr oder weniger, stark genug, das Problem erschien im- worüber du nachdenkst.“ Auch in jenem mer noch zu abstrakt. Für europäische marktwirtschaftliche Ideen und Gegen- gewichte fanden sich seinerzeit keine Mehrheiten. Versuche einer Einigung auch großer Anbieter mit den Internet riesen waren nicht erfolgreich. Und heute, 2021? „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, Es ist nicht besser, sondern noch wo du warst. Wir wissen mehr oder schlimmer geworden, insoweit kann weniger, worüber du nachdenkst.“ ich Mathias Döpfner beipflichten. Das freundliche Leitmotiv hat der Riese ERIC SCHMIDT, BIS 2015 CEO VON GOOGLE UND BIS schon 2018 gestrichen. Google und Co. 2020 EXECUTIVE CHAIRMAN DER ALPHABET INC. waren aber schon zum Zeitpunkt ih- res anfänglichen Aufschwungs – als POLITIK relevant. 1|2021 12
Nebeneffekt der Disruption – eine Art bei einem sozialen Netzwerk anzumel- Schwelbrand im Medienökosystem den statt bei fünf. Der Reiz, eine Web- und für den Markt meinungsbilden- site zu besuchen, die die mehr oder der Inhalte. Solcher ist naturgemäß weniger größte Markthalle oder auch leicht zu übersehen und wird gern den größten, kostenlosen Zeitungski- unterschätzt. Staaten und Zivilgesell- osk der Welt als Sortiment vorhält, ist schaften reagieren außerdem frag- groß. Die GAFA-Konzerne schmeicheln Die großen Vier, mentierter und verzögerter, als es der dem Endnutzer Jahr für Jahr mit im- Google, Apple, Face- book und Amazon, geballte Takt von Google und Co. auf mer besseren Features und noch mehr setzen ihr Markt- bislang weitgehend unregulierten Komfort. Dies betäubt unseren Sinn macht geschickt ein. Märkten vorgab. Spätestens jetzt lie- dafür, was eigentlich vor sich geht. gen die Karten jedoch auf dem Tisch und es gibt keine Ausrede mehr, sich Auf dem Weg zur Weltmacht dem Problem als demokratische Ge- Jenseits fehlgeleiteter Tech-Utopien sellschaft und als Gesetzgeber nicht und eigener Überhöhungen aus dem zu stellen. Dass die Europäische Union Silicon Valley sollte man die Megakon- nun eine Regulierung avisiert, verste- zerne traditionell betrachten. Es han- he ich als untrügliches Zeichen, dass delt sich um profitorientierte, an der der Schwelbrand nun nach Jahren zu Börse gehandelte, werbefinanzierte einem Feuer im Erdgeschoss der De- Unternehmen, die sich zur Weltmacht mokratie geworden ist. entwickeln konnten, weil sie bald ei- Die Plattformkonzerne sind zugege- nes feststellten: Eigentlich wissen wir ben gut darin, die Gefahr ihrer Allein- mehr über die Menschen als jede an- stellung herunterzuspielen. Freilich dere private oder staatliche Institu kann man ein digitales Monopol auch tion vor uns. Personenbezogene Daten nicht immer mit Monopolen auf klas- waren letztlich ein Nebenprodukt des sischen Warenmärkten vergleichen. Ausbreitens im digitalen Raum, sei es Es ist vielmehr eine völlig neue Art von Warenhandel, Informationsbeschaf- Monopol entstanden. Alleine Google fung oder soziale Kommunikation. Bei Suchmaschi- bietet mittlerweile Services in fast al- Diese Daten sind nun aber meist die nenanfragen, dem Bereich, mit dem das len basalen Bereichen der Gesellschaft eigentliche Machtquelle dieser Anbie- Unternehmen noch an. Wer den Blick von Google auf den ter und halten das über viele Branchen immer hauptsächlich Mutterkonzern Alphabet erweitert, fin- verteilte Geschäft zusammen. Bürger, assoziiert wird, hatte Google in Deutsch- det ein Unternehmen, das in Dutzen- Verbraucher, ja sogar Wettbewerber land zuletzt einen den Märkten beteiligt ist. Diese Unter- sind daran gewöhnt worden, sie als Ge- Marktanteil von über nehmungen lassen sich nicht nur über genleistung für undurchsichtige Zwe- 90 Prozent. Quelle: Statista © Fotos: Bernd Weissbrod ihre vereinzelte Marktmacht fassen. cke herzugeben. Über lange „Terms Darüber hinaus lautet das volkswirt- and Conditions“ sowie für Laien un- schaftliche Zauberwort Netzwerkef- verständliche Datenschutzvereinba- fekt. Es liegt in der Natur der Sache, rungen wird das Recht der digitalen dass es praktischer erscheint, sich nur Existenz gewissermaßen an der » 13 relevant. 1|2021 POLITIK
» Türe abgegeben, um überhaupt Zu- verabschiedete GWB-Novelle erkennt gang zu den von den Megaplattformen endlich an, dass digitale Plattformen beherrschten Kommunikations- und aufgrund ihres Wirtschafts- und Infor- Wirtschaftsräumen zu erhalten. mationsvorsprungs neu erschlossene Märkte stören bis zerstören können Digital Markets Act muss und dass das Bundeskartellamt diesem Teil der Lösung werden Treiben Einhalt gebieten muss. Der von Das war und ist aber auf frappierende den Bundesländern verabschiedete Weise kein fairer und selbstbestimm- Medienstaatsvertrag legt fest, dass di- ter Vertrag, das ist informationelle gitale Megaplattformen als sogenannte Leibeigenschaft und einer Demokra- Medienintermediäre einen massiven tie unwürdig. Personenbezogene Da- Einfluss auf die öffentliche Meinungs- ten sind entgegen der Metapher eben bildung und die Medienvielfalt haben kein Öl, das man einfach anzapft. Das können und deshalb journalistische muss endlich grundlegend, nicht nur Medien nicht einfach diskriminieren symptomweise problematisiert wer- dürfen. Das war höchste Zeit. Beides den. Warum erscheint es so verwegen, sind Ansätze, die auch ich in meiner einem Konzern, der für sein Geschäfts- Eigenschaft als BDZV-Vizepräsident modell so viele Daten sammelt, dass in Idee und konkreter Umsetzung un- Geheimdienste dagegen wie ein Ein- ermüdlich vertreten habe. Sie müssen wohnermeldeamt wirken, diese Praxis nun mit Nachdruck verteidigt und kon- schlicht zu verbieten? sequent weiterfolgt werden. Denn es sind nur erste Schritte. Auch der Digital Markets Act, der nun als europäische Verordnung diskutiert wird, muss drin- Warum erscheint es so verwegen, gend Teil dieser Lösung werden. Noch ist er viel zu zaghaft formuliert und als einem Konzern, der für sein Geschäfts- Feuerlöscher sicher nicht geeignet. modell so viele Daten sammelt, dass Geheimdienste dagegen wie ein Einwoh- Google-Suche als Gefahr nermeldeamt wirken, diese Praxis für den Lokaljournalismus schlicht zu verbieten? Denn es drohen erste Flurschäden. Der Lokaljournalismus ist Garant für VALDO LEHARI JR., VIZEPRÄSIDENT DES BDZV regionale Vielfalt und Gemeinwesen, gerät aber zunehmend unter die Räder der Such-, Daten-, Werbe- und Medi- enmonopole. Wie ein Bericht der Was- Wie man die Übermacht der Platt- hington Post Ende vergangenen Jah- formen zum Beispiel im Hinblick auf res beschreibt, trocknet die Suche von Märkte und Meinungsfreiheit tat- Google lokale journalistische Angebote sächlich angehen kann, zeigen uns in den USA mehr oder weniger aus. Die die jüngsten Vorstöße der EU und des Brosamen, die vom Tisch des Herrn ab- deutschen Gesetzgebers. Die gerade fallen, kommen also nicht jedem glei- POLITIK relevant. 1|2021 14
chermaßen zugute. Der Algorithmus die Standard Oil Company entflochten geringschätzt diese bürgernahen und wurde, hatte sie sich mit einem bei- verlässlichen Zeitungsangebote. Wenn spiellosen Konkurrenzkampf und dem es so weitergeht, wird es solchen Jour- geschickten Nutzen des Ölbooms in den nalismus sowie viele andere Inhalte USA einen Marktanteil von 90 % erar- auch in Deutschland nicht mehr geben. beitet. Mitte des letzten Jahrhunderts Wonach soll man dann noch „googeln“? waren die Kartellentscheidungen zu Bell Pacific AT&T Meilensteine für die Infrastruktur und Inhalte Zukunft des Technologiesektors. Beides sind zu trennen können Vorbilder für die 2020er-Jahre Noch radikaler zu denken kann also in sein. Alleine bei Suchmaschinen beträgt dieser Situation nicht ausbleiben. So der Anteil von Google heute ca. 95 %. neu die Digitalmonopole auch sind, so Der gemeinsame Marktanteil von Goo- bekannt sind doch deren fundamentale gle und Facebook im Werbemarkt wird Grundsätze. Seit wann haben wir uns in den nächsten Jahren auf etwa 60 % damit angefreundet, dass ein faktischer zusteuern. Aber wer weiß, vielleicht Infrastrukturanbieter gleichzeitig das kommt dieses Mal alles anders. « „Betriebssystem“ für Mediennutzung beherrscht, massiv an der Kommuni- kation selbst beteiligt ist sowie Inhalte auswählt und verbreitet? So wurde zum Beispiel General Electric in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in die Schranken gewiesen. Die Trennung 5% zwischen Infrastruktur und Inhalten prägte die Nachkriegs-Medienordnung auch in Deutschland. Hier würde sich eine Bestandsaufnahme lohnen. Google wäre außerdem nicht der erste Konzern, der tatsächlich zum Schutz der freien Märkte zerschlagen würde. Bevor 1912 95% Ungefähr INFO Der Digital Markets Act Im Dezember hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für den Digital Markets Act (DMA) veröffentlicht. Der DMA soll den digitalen Gatekeepern wie Google und Facebook neue strenge Regeln auferlegen, um online für fairen Wettbewerb zu sorgen. Damit stellt er die histori- sche und vermutlich wohl einzige Chance dar, faire und beträgt der Anteil von Google diskriminierungsfreie Bedingungen für den Vertrieb von heute bei Suchmaschinen digitalem Journalismus herzustellen. 15
Urheberrechtsrichtlinie zügig und europarechtskonform umsetzen WISSEN Soeben hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der europäischen Urheberrechtsnovelle vorgelegt. Er sieht u. a. die Schaffung eines eigenen Leistungsschutzrechts für Pressever- leger vor und schafft die urheberrechtliche Verantwortung der Betrei- ber von Online-Plattformen für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte. Rechtsanwalt Ole Jani im Interview. VON BENEDIKT LAUER W arum kämpfen die Pres- Filmhersteller, ist das Presseerzeugnis severleger so sehr für ihr bislang rechtlich aber nicht geschützt. Leistungsschutzrecht? Sind Durch das Leistungsschutzrecht wird sie nicht schon seit Langem durch die diese Schutzlücke geschlossen und umfangreichen Rechte der Journalis- die nicht gerechtfertigte Ungleichbe- Das Urheberrecht ten geschützt? handlung von Presseverlegern been- schützt die geistig- Nein. Die Journalisten genießen det. Der urheberrechtliche Schutz von schöpferische Bezie- hung des Urhebers Schutz in Bezug auf ihre Artikel. Das Presseerzeugnissen durch ein eigenes zu seinem Werk. Ein Presseerzeugnis ist aber mehr als die Schutzrecht ist eine wichtige Maßnah- Leistungsschutzrecht Summe der in ihm enthaltenen Bei- me, um die Wettbewerbsfähigkeit der hingegen schützt die träge. Das Presseerzeugnis ist die Presseverlage in der digitalen Welt zu wirtschaftliche Inves- tition des Herstellers wirtschaftliche und organisatorische sichern. Dies insbesondere auch des- eines Werkes, ohne Leistung des Presseverlegers. Im Ge- halb, weil das Leistungsschutzrecht die viele urheber- gensatz zu vergleichbaren Leistun- die Presseverleger vor der unautori- © Foto: CMS rechtliche Inhalte gar nicht erst zustande- gen anderer Medienproduzenten, wie sierten Nutzung von Ausschnitten kommen würden. zum Beispiel Musikproduzenten oder aus Presseveröffentlichungen durch POLITIK relevant. 1|2021 16
Ole Jani, Rechtsan- walt und Partner der Kanzlei CMS, unter- Online-Dienste schützt, die vom Urhe- davon überzeugt werden, dass ein Ge- stützt den BDZV in den aktuellen Fragen berrecht der Journalisten häufig nicht setz in der Fassung des ursprüngli- des Urheberrechts. erfasst wird. chen Entwurfs des BMJV wirkungslos und deshalb unionsrechtswidrig wäre. Die Zeitungs- und Zeitschriftenverle- Hier wären die Schutzlücke, die der ger sprechen davon, dass die ersten europäische Gesetzgeber durch das Fassungen des Gesetzentwurfs, die Leistungsschutzrecht geschlossen hat, das Bundesministerium der Justiz auf Kosten der Presseverleger offenge- und für Verbraucherschutz (BMJV) halten und die Geschäftsmodelle von Artikel 15 der EU-Ur- vorgelegt hat, erheblich von der Richt- Online-Diensten, die Presseveröffent- heberrechtsrichtlinie führt ein ausschließ- linie abgewichen sind. Entspricht der lichungen lizenz- und vergütungsfrei liches Recht des Regierungsentwurf nun den europa- ausbeuten, gesetzlich abgesichert Presseverlegers an rechtlichen Vorgaben? worden. Der Regierungsentwurf hält seinen Pressever- Hinsichtlich des Leistungsschutz- sich jetzt eng an den Wortlaut von Ar- öffentlichungen für sämtliche Online- rechts im Großen und Ganzen ja. Hier tikel 15 der Richtlinie. Das ist richtig Nutzungen ein (mit konnte die Bundesregierung offenbar so. Denn hier wird ein europäisches » Ausnahmen). 17 relevant. 1|2021 POLITIK
» Schutzrecht begründet, das euro- beendet diese ungerechtfertigte Haf- Artikel 17 der EU-Ur- paweit einheitlich angewendet und tungsprivilegierung jetzt endlich. On- heberrechtsrichtlinie ausgelegt werden muss. Der deutsche line-Dienste sind künftig für die von soll im Ergebnis dazu führen, dass Online- Gesetzgeber hat hier keinen Gestal- ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte dienste nach allen tungsspielraum. In der Begründung urheberrechtlich verantwortlich. Das ihnen zur Verfügung des Gesetzentwurfs interpretiert die ist richtig so. Denn das Geschäftsmo- stehenden Mög- Bundesregierung die Vorschriften an dell der Plattformen basiert auf den lichkeiten Lizenzen einholen und sich einigen Stellen allerdings noch in ei- von ihren Nutzern hochgeladenen In- damit enthaften. ner Weise, die vor dem Europäischen halten. Mit diesen Inhalten verdienen Davon unangetastet Gerichtshof keinen Bestand haben die Plattformen ihr Geld. Durch sie bleiben Zitate, Paro- dien, Pastiches usw., wird. Zum Beispiel überdehnt sie die wird die Reichweite geschaffen, die für die die Richtlinie Regelung über die Zulässigkeit der die Grundlage für die Werbeerlöse der eine erweiterte Aus- Nutzung sehr kurzer Auszüge aus ei- Plattformen bildet. Dass derjenige, der nahme vorsieht. ner Presseveröffentlichung. Hier sollte für das eigene Geschäft fremde Güter der Bundestag, der jetzt am Zug ist, im verwendet, diese Güter nicht ohne die weiteren Verfahren ein richtlinienkon- Zustimmung des Berechtigten zum formes Normverständnis zum Aus- Nulltarif für sich beanspruchen und druck bringen. In Bezug auf die urhe- verwerten kann, ist Kern der Eigen- berrechtliche Verantwortlichkeit von tumsgarantie. Und dieser Grundsatz Online-Diensten für die von ihren Nut- gilt selbstverständlich auch für das zern hochgeladenen Inhalte verfehlt Urheberrecht. Es ist nicht die Aufgabe der Regierungsentwurf sein Ziel und der Rechteinhaber, Geschäftsmodelle ist mit den zwingenden europarecht- von Plattformen durch eine gesetz- lichen Vorgaben nicht zu vereinbaren. lich angeordnete Beschneidung ihrer Hier muss der Bundestag deshalb un- Eigentumsrechte zu subventionieren. bedingt nacharbeiten. Das war bislang aber der Fall. Das Regelungskonzept von Artikel 17 Plattformen sollen zukünftig für In- sieht die Pflicht der Plattformen zur halte ihrer Nutzer haften. Dieser Ge- Blockierung von Inhalten, die Nutzer danke ist aus urheberrechtlicher Sicht hochladen, als Ausnahme und die Li- eher neu. Was steckt hinter diesem zenzierung als Regelfall vor. Ob sich Ansatz? dieses Verhältnis in ihr Gegenteil ver- Dass ein Unternehmer rechtlich für kehrt und die Blockierung die Regel sein Geschäftsmodell verantwortlich wird, hängt allein vom Verhalten der ist, sollte eine Selbstverständlich- Plattformen ab. Nur dort, wo Plattfor- keit sein. Im Internet ist es das lei- men auch künftig nicht bereit sind, die der nicht. Online-Dienste sind in der Rechteinhaber auf der Grundlage einer Frühzeit des Internet von einer Haf- Lizenzvereinbarung für die Nutzung tung für Urheberrechtsverstöße auf ihrer Schutzgegenstände angemessen den von ihnen betriebenen Plattfor- zu vergüten, wird eine Blockierung von men weitgehend befreit worden. Ar- Inhalten überhaupt erforderlich sein. tikel 17 der Urheberrechts-Richtlinie Das haben auch die Betreiber der On- POLITIK relevant. 1|2021 18
Die Nutzung urheberrechtlich geschütz- ter Werke und Leistungen ist entweder zulässig oder unzulässig. Dazwischen gibt es nichts. Der Regierungsentwurf versucht, das zu ändern. OLE JANI, RECHTSANWALT UND PARTNER DER KANZLEI CMS line-Plattformen längst erkannt. Ich Für die Presseverlage wäre der vom bin mir sicher, dass urheberrechtlich Bundesjustizministerium geplante geschützte Inhalte für User-genera- zeitweilig mögliche freie Upload von ted Content sehr bald umfassend und pauschal 1.000 Zeichen aus Texten rechtssicher auf Lizenzbasis genutzt ein massives Problem. Sorgt hier der werden können. aktuelle Entwurf der Bundesregierung für Verbesserungen? Hier wird auch immer wieder ange- In Teilen auf jeden Fall. Statt 1.000 sol- bracht, es müsse doch ein Kompro- len es nun maximal 160 Zeichen sein. miss gefunden werden. Der Kompromiss ist die europäische Ist auch dies aus urheberrechtlicher Richtlinie. Nach einer sehr langen Sicht problematisch? und kontroversen Debatte hat das Eu- Die Nutzung urheberrechtlich ge- ropäische Parlament eine Regelung schützter Werke und Leistungen ist gebilligt, mit der die widerstreitenden entweder zulässig oder unzulässig. Interessen zum Ausglich gebracht Dazwischen gibt es nichts. Der Regie- werden sollen. Dieses Ergebnis hat der rungsentwurf versucht, das zu ändern. deutsche Gesetzgeber zu akzeptieren. Denn er schafft ein völlig neues Kon- Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten strukt, die „mutmaßlich erlaubte Nut- keinen Spielraum. Das verkennt die zung“. Es wird danach widerleglich ver- Bundesregierung. mutet, dass bestimmte Nutzungen » 19 relevant. 1|2021 POLITIK
Die Umsetzung der europäischen Urheberrechts- INFO durch Artikel 17 der DSM-Richtlinie novelle in Deutschland. Hier die wichtigsten noch durch den Regierungsentwurf Geschehnisse in der Chronologie. angetastet. Was bisher gesetzlich er- laubt ist, bleibt erlaubt. Hier ändert sich nichts. Das gilt auch für die Vergü- tungspflicht. Natürlich muss ich nichts » zulässig sind. Zum Beispiel unter Nachdem der dazu- bezahlen, wenn ich aus einem frem- bestimmten Voraussetzungen die Nut- gehörige Entwurf am den Werk zitiere oder es in einer Paro- 3. Februar 2021 zung fremder Texte in einem Umfang die verarbeite. Was als Zitat oder Paro- durch die Bundesre- bis zu 160 Zeichen. Damit wird das Ur- gierung beschlossen die gesetzlich zulässig ist, darf deshalb heberrecht auf den Kopf gestellt. Denn wurde, durchläuft er auch in Zukunft auf eine Plattform wenn eine Nutzung nicht zulässig ist, nun das parlamenta- hochgeladen werden. Das gilt natürlich rische Verfahren: weil der Rechteinhaber sie nicht ge- auch für die Nutzung fremder Inhalte stattet hat oder weil sie nicht aufgrund 26. März im Rahmen einer Meinungsäußerung. einer gesetzlichen Ausnahmerege- Erste Lesung im Im Übrigen treffen Online-Plattformen lung, den sog. „Schranken“, erlaubt ist, Bundestag schon heute ständig Entscheidungen dann darf das Gesetz die Zulässigkeit darüber, was den Nutzern in welcher 26. März nicht anordnen. Auch nicht, wenn der Form gezeigt wird und was Nutzer Bundesrats Rechteinhaber die Rechtsfolge dieser befassung hochladen dürfen. Diese Entscheidun- Anordnung durch seine Intervention gen sind zentraler Bestandteil des Ge- beseitigen kann. Die Schranken sind 31. März schäftsmodells der Plattformen. Schon europäisches Recht und dürfen von Gegenäußerung der heute bestimmt deshalb die Plattform Bundesregierung den Mitgliedstaaten nicht erweitert anhand ihrer eigenen willkürlichen werden. Genau das tut die Bundesre- 12. April Kriterien und kommerziellen Interes- gierung hier aber, indem sie Nutzungen Anhörung Sach- sen die Grenzen der Freiheiten ihrer für zulässig erklärt, die die Anforderun- verständiger im Nutzer. Die Freiheit der Nutzer von On- Rechtsausschuss gen der gesetzlichen Ausnahmerege- des Bundestages line-Plattformen ist nur die Freiheit, die lungen offensichtlich nicht erfüllen. die Plattformen ihren Nutzern gewährt 6. Mai und nicht die verfassungsrechtlich ga- Es gibt Stimmen, die behaupten, Zitate, Zweite und dritte rantierte Meinungsäußerungsfreiheit. Lesung im Parodien etc. wären neuerdings vergü- Das wird in der Debatte gerne über- Bundestag tungspflichtig bzw. würden durch die sehen. Die Online-Plattformen sind Plattformen wegen des Gesetzentwur- 7. Mai nicht die Gralshüter der freien Mei- fes stark unterbunden werden müssen, Erneute Bundesrats- nungsäußerung. befassung wodurch die freie Meinungsäußerung Wie die Plattformen mit ihren neuen im Internet ja deutlich eingeschränkt Pflichten in Zukunft umgehen, wird Die Richtlinie würde. muss bis zum man sehen. Davon, dass die Plattfor- Ob die Nutzung fremder Inhalte als Zi- 7. Juni 2021 men gesetzlich zulässige Nutzungen tat oder Parodie usw. erlaubt ist, richtet in deutsches Recht unterbinden müssen, kann aber keine sich nach den gesetzlichen Ausnah- umgesetzt sein. Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall. mebestimmungen des Urheberrechts. Gesetzlich zulässige Nutzungen frem- Diese sog. Schranken werden weder der Inhalte müssen möglich bleiben. POLITIK relevant. 1|2021 20
Auch zulässige Zitate – auch wenn sie den Umfang eines Tweets haben – sind deshalb nicht von automatischer Sper- re bedroht. Dies zu gewährleisten, liegt ZUR PERSON Dr. Ole Jani in der Verantwortung der Plattformbe- Dr. Ole Jani ist Rechtsanwalt, Partner bei CMS und Autor treiber. Sie müssen die Maßnahmen zahlreicher Publikationen zu Themen des Urheberrechts. In an- ergreifen, die dazu erforderlich sind, erkannten Anwaltsrankings wird er seit vielen Jahren als häufig empfohlener Anwalt für Medienrecht geführt. Aufgrund seiner dass die gesetzlichen Befugnisse ihrer langjährigen Erfahrungen als Berater im Deutschen Bundestag Nutzer gewahrt werden. ist er mit der Gesetzgebung im Bereich des Urheberrechts auf nationaler und europäischer Ebene sehr vertraut. Als Beobachter der Debatte der ver- gangenen Monate könnte man ge- nerell den Eindruck haben, die neue Plattformhaftung sei in erster Linie eine Geißel für die Nutzer. Finden Sie Der Entwurf der Bundesregierung dies zutreffend? geht ins parlamentarische Verfahren. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn die Be- Was ist jetzt wichtig? treiber von Online-Plattformen ihrer Die europäische Richtlinie muss bis künftigen Verantwortung gerecht wer- zum Sommer in das deutsche Recht den, dann ist das auch eine Verbesse- umgesetzt werden. Das Gesetzgebungs- rung für die Nutzer. Wenn Plattformen verfahren muss deshalb jetzt zügig für die von ihren Nutzern hochgelade- durchgeführt werden. Und der Deutsche nen Inhalte Lizenzen erwerben, dann Bundestag muss den Gesetzentwurf so werden dadurch automatisch auch die anpassen, dass er den europarechtli- urheberrechtlich relevanten Handlun- chen Vorgaben und dem vom europäi- gen der Nutzer erfasst und legalisiert, schen Gesetzgeber vorgegebenen Ziel soweit solche Handlungen nicht bereits entspricht. In der Vergangenheit ist es aufgrund einer gesetzlichen Ausnahme- den Mitgliedern des Bundestags bei regelung zulässig sind. Die neuen Vor- urheberrechtlichen Gesetzgebungsvor- schriften schaffen also auch Rechtssi- haben oft gelungen, die richtigen Ent- cherheit für die Nutzer – und zwar ohne scheidungen zu treffen. Ich bin optimis- Kosten oder Aufwand für die Nutzer. tisch, dass das auch hier gelingt. « Die Freiheit der Nutzer von Online-Plattformen ist nur die Freiheit, die die Plattformen ihren Nutzern gewährt und nicht die verfassungsrechtlich garan- tierte Meinungsäußerungsfreiheit. OLE JANI, RECHTSANWALT UND PARTNER DER KANZLEI CMS 21 relevant. 1|2021 POLITIK
„Eine Allianz der deutschen Zeitungshäuser für die Post-Cookie-Ära“ ANWENDUNG Die German Publishers Data Alliance hat großes Potenzial, einen eigenen, umfassenden Datenpool zu nutzen, der die Medienhäuser unabhängig und umfassend mit relevanten User-Informationen versorgt. INTERVIEW VON WOLFRAM A. ZABEL H err Koopmann, Herr Wilhelm, Werbung haben wir Fortschritte er- die Zeitungsverlage haben zielt. Insgesamt ist es für kleinere und sich in den letzten Jahren mittlere Häuser naturgemäß schwieri- stark engagiert, um ihre Kundinnen ger, in diesem Feld erfolgreich zu sein. und Kunden noch besser kennenzu- Wichtig erscheint mir, dass wir hoch- lernen – Stichwort Customer Journey. wertige Werbung anbieten müssen Wie bewerten Sie das Erreichte? und dem Werbekunden dabei klarma- David Koopmann: Wir haben verschie- chen, dass er sich in einem attraktiven dene Tools im Einsatz, die teilweise Umfeld bewegt. Dazu benötigen wir vor auf Daten von Google zurückgreifen. allem entsprechende Daten – idealer- Speziell bei der Personalisierung von weise unabhängig von Google. redaktionellen Inhalten, aber auch von Martin Wilhelm: Für uns ist die Custo- mer Journey ein wichtiges Instrument, © Foto: Adobe Stock – Kaspars Grinvalds um eine stärkere, engere Beziehung Als Regionalverlag ist es unglaub- zu unseren Kunden aufzubauen. Es ist lich aufwendig, die Daten einzusam- aber verhältnismäßig schwierig, Er- fahrungen über die Gewohnheiten und meln, die es braucht, um erfolgreiche Interessen von Nutzergruppen zu sam- Paid-Content-Modelle zu entwickeln. meln. Jedenfalls könnten diese Infor- DAVID KOOPMANN, VORSTAND BREMER TAGESZEITUNGEN AG mationen uns sehr dabei helfen, einen POLITIK relevant. 1|2021 22
Interview im Remote-Modus: David Koopmann, Kunden über die digitale Probe hinaus Inhalten bzw. Produkten zu verbinden Vorstand Bremer an unsere Angebote zu binden. Wir – da können wir noch von Google und Tageszeitungen AG verfolgen seit etwa einem Jahr einem Facebook lernen. Wir haben aber be- und Martin Wilhelm, Geschäftsführer Hei- Audience-basierten Ansatz und fokus- reits spannende Erfahrungen gemacht denheimer Zeitung. sieren uns auf den Sales-Funnel. Da mit neu eingesetzter Technik, welche verlieren wir noch zu viele Kunden. Die Interessen die Leser haben, auf welche Lernkurve ist da zwar sehr steil, aber Seiten sie gehen und wie wir ihnen wir stoßen immer wieder auf techni- passend dazu die Informationen bie- sche Hürden, die uns ausbremsen. ten können, die für sie wichtig sind. Als Regionalverlag ist es allerdings Sind Sie zufrieden mit dem Wissen, unglaublich aufwendig, diese Daten das Sie aktuell über Ihre Leserinnen einzusammeln. Und eine zentrale und Leser besitzen? Voraussetzung dafür, um erfolgreiche David Koopmann: Analog verfügen wir Paid-Content-Modelle entwickeln zu immer schon über aggregiertes Wis- können. Deshalb halten wir die Initia- sen aus unserer Markforschung: Wie tive einer German Publishers Data Alli- setzt sich die Leserschaft zusammen, ance für sehr wertvoll. welche soziodemographischen Daten fallen auf. Jetzt und künftig kommt es Martin Wilhelm: Ein klares Jein. Ich darauf an, diese Infos mit Echtzeitda- will das daher so beantworten: Mit ten zu verknüpfen und mit geeigneten Blick auf den Wandel in der Branche » 23 relevant. 1|2021 POLITIK
INFO Die Basis der Data Alliance Eine Vielzahl strukturierter Nutzerdaten fast aller Zeitungshäuser (BDZV) liegen bereits vor. Nutzung bereits existierender Daten und Strukturen der INFOnline 3‚5 Monatlich werden zu 123 Millionen Nutzern Informa- tionen gesammelt 530 und zugeordnet. Ca. 123 200 Millionen Millionen Es könnten zielge- richtet Informatio- nen und passende Angebote an die Mi Nutzer ausgespielt lliarden werden. Datenerhebung: September 2019 Websites und Clients Visits Page Impressions mobile Angebote monatlich monatlich monatlich » suchen wir immer nach Möglichkei- Apple als wichtige Browserbetreiber ten, wie wir unserer Vision und Mission schon bald den Datenhahn zudrehen folgen, wie wir unserem redaktionellen könnten – indem Third Party Cookies Auftrag nachkommen – und diesen mit relevanten Infos nicht mehr aus- auch finanzieren können. Für uns als gewertet werden können. kleines Medienhaus hätte ein großer Martin Wilhelm: Ich sehe das Verhält- Datenpool, in dem auch die gewonne- nis zu Google ambivalent. Einerseits nen Erkenntnisse anderer verfügbar gibt es Konfliktfelder wie beim Leis- sind, sicherlich enorme Vorteile. Die tungsschutzrecht oder der marktbe- Erfolge der Washington Post, aber vor herrschenden Stellung insgesamt, allem der großen IT-Companies zeigen andererseits nutzen aber vor allem doch, dass Daten und deren Analyse unsere Kunden Google. Zudem arbei- eine wichtige Bedeutung haben. ten wir und auch viele Verlage mit Google zusammen. Ich denke, es hilft … und diese Daten liegen ja alle bei uns daher nicht, wenn wir uns zu sehr der IVW-Tochter INFOnline vor, sie auf andere konzentrieren und mit dem müssten nur nutzbar gemacht wer- Finger auf die zeigen. Um das nicht den. Dieses Ziel verfolgt die German falsch zu verstehen: Ich glaube, es ist Publishers Data Alliance, auch und von zentraler Bedeutung, diese Proble- vor allem deshalb, weil Google und me zu lösen, aber wir sollten überlegen, POLITIK relevant. 1|2021 24
ZU DEN PERSONEN David Koopmann Seit 1997 bei der Bremer Tageszeitungen AG als Führungskraft für verschiedene Verantwortungsbereiche beschäf- wie wir zudem selber neue Geschäfts- tigt. Bis 2018 als Prokurist verantwortlich für Marketing, Leser- modelle aufbauen können, die uns un- markt und verschiedene Beteiligungen und Kooperationen. Seit abhängiger machen können. Anfang 2019 Vorstand der Bremer Tageszeitungen AG. Vorsitzender des Zeitungsverlegerverbandes Bremen und Mitglied im Präsidium des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Wie sehen Sie die Voraussetzungen dafür? Martin Wilhelm Nach seinem BWL-Studium zog es ihn 2005 als Volontär zur Badischen Zeitung. Kurz danach folgte der Wechsel Martin Wilhelm: Ich erlebe, dass die zum Süddeutschen Verlag als Trainee und Sales Manager, dann Verlage in Deutschland inzwischen zur Mittelbayerischen Zeitung als Assistent der Geschäftsleitung. doch in vielen Bereichen zusammen- Seit Ende 2012 ist er Geschäftsführer der Heidenheimer Zeitung. arbeiten und gemeinsam Produkte entwickeln. In meiner Anfangszeit in der Branche war das noch etwas an- ders – ich erinnere mich da an diesen Witz: „einigen sich zwei Verleger“. Den Unabhängigkeit und Vertrauen. Dar- versteht heute fast keiner mehr – denn auf können wir aufbauen, indem wir INFOnline ist das hat sich total zum Positiven verän- einen intensiven und unabhängigen führender Anbieter dert und die Bereitschaft zu Koopera Umgang mit Daten forcieren und so von Digital Audience tionen ist eine große Chance. gleichzeitig sicherstellen, dass diese Measurement in Deutschland. Das sensibel und im Sinne des Kunden ge- Unternehmen ist David Koopmann: Die Daten sind be- nutzt werden können. zentraler An- reits vorhanden bei der INFOnline; sprechpartner der Online-Branche für andere Länder diskutieren das auch, Der Erfolg hängt letztendlich davon ab, alle Fragen rund um haben aber gar nicht die Infrastruk- dass möglichst viele teilnehmen. Wie die standardisierte tur wie wir. Jetzt kommt es darauf an, bewerten Sie das vorhandene Bewusst- Nutzungsmessung das Projekt umzusetzen, Daten auszu- sein beim Thema „Daten als Chance“. von Websites gemäß den Vorgaben von werten und zur Verfügung zu stellen. David Koopmann: Das Thema ist ganz agof und IVW. Außerdem: Unsere Marken stehen für klar auf der Fachebene angesiedelt, » www.infonline.de Für uns als kleines Medienhaus hätte ein großer Datenpool enorme Vorteile. MARTIN WILHELM, GESCHÄFTSFÜHRER HEIDENHEIMER ZEITUNG 25 relevant. 1|2021 POLITIK
INFO Warum eine Data Alliance? Digitale Geschäfte basieren auf Daten – je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto erfolgreicher die Geschäftsmodelle. 1 Status quo Als Publisher (Titel A) kennt man die Interessen seiner Nutzer nur zu einem kleinen Teil 2 Vorgehen In der Datenbank der GPDA werden Nutzerdaten abgeglichen und angereichert ? GPDA Kultur Finanz Sport Lokales Kunst Politik Kultur Finanz Sport Lokales Kunst Politik ZEITUNG NGG ITUUN ZEIT ZE Titel Titel Titel Titel A B A B » deshalb wird es darauf ankommen, arbeit benötigen. Wie ich bereits an Si- besonders die Verlagsgeschäftsführer gnalen aus der Branche vernehme, ist dafür zu sensibilisieren und den Nut- die Bereitschaft aber durchaus recht zen für das eigene Haus zu verdeutli- groß. Schließlich ist eine Teilnahme chen – nämlich auf der Grundlage von gemessen an den Voraussetzungen © Foto: Freepik.com – pikisuperstar, Privat umfangreichen Daten neue und vor al- anderer Länder erschwinglich, die In- Die Nutzerinteressen lem verlagsindividuelle Geschäftsmo- frastruktur ist vorhanden, besonders werden von einzel- delle entwickeln zu können. Große Me- für kleine und mittlere Medienhäuser nen Publishern nur zum Teil erkannt. So dienkonzerne mit deutschlandweiten ist es attraktiv, an einen solchen Da- verfügen sie nur über Beteiligungen könnten argumentie- tenpool angeschlossen zu werden, und einige Details – das ren, dass sie in ihrem Verbund bereits insgesamt ist es eine enorme Chance „Big Picture“ seines Daten aggregieren und auswerten und für die Branche. Lesers/Users fehlt. deshalb keine zusätzliche Zusammen- POLITIK relevant. 1|2021 26
3 Ergebnis Die GPDA liefert jedem Publisher ein nahezu vollständiges „Big Picture“ seiner Nutzer Kultur Finanz werden, sind die vorhandene Struktur und die geringen Kosten ein großer Vorteil. Sport Lokales Was sagen Sie einer Kollegin, einem Kol- Kunst Politik legen, warum man bei der German Pub- lishers Data Alliance mitmachen sollte? David Koopmann: Ein guter Einstieg wäre: Wir wollen doch unsere Daten selbst in die Hand nehmen, wir wollen die Abhängigkeit von großen digitalen ZEITUNG Playern reduzieren, wir haben mit der Titel Titel INFOnline bereits einen großen Da- A B tenpool und wir können mit diesen personenbezogenen, anonymisierten Daten neue Paid-Content-Modelle ent- wickeln. Martin Wilhelm: Daten sind das Gold Martin Wilhelm: Sicherlich ist das The- der Zukunft. Wir sollten da offen sein, ma recht komplex und für den einen von den internationalen digitalen oder anderen eher weiter weg vom Ta- Playern zu lernen: Daten sammeln, gesgeschäft. Die Frage nach der Um- analysieren und auf ihrer Basis neue setzung, den Schnittstellen und der Geschäftsmodelle entwickeln und be- Zugang zum Datenpool – all das sind stehende ausbauen. Wenn wir alleine Das Interview keine leichten Themen und müssen die zahlreichen digitalen Paywalls der führte Wolfram A. gut erarbeitet und klar kommuniziert Verlage anschauen – mit analysier- Zabel, Journalist werden. Am Ende steht dann in den ten Daten wären da deutlich flexiblere und Kommunika tionsberater, Inha- meisten Häusern die Frage des Ge- Abo-Modelle eine schöne Sache. Und ber 74z Consult. schäftsführers, was man für das eige- so auch loyalere Leser. ne Haus daraus machen kann. Wenn hier die richtigen Antworten gefunden Vielen Dank für das Gespräch! « 27 relevant. 1|2021 POLITIK
DRIVE Wenn Nutzerfokus auf Data Science trifft, dann hat das … MEINUNG Ein Angebot nach eigenem Gusto – das wünschen sich Leser. Viele Verlage möchten das auch bieten. Aber dafür müssen sie zunächst verstehen lernen, was genau die Bedürfnisse ihrer Kunden sind. Mit der Initiative DRIVE gehen sie gemeinsam einen vielversprechenden Weg. VON ANDREA GOURD 20.08 Uhr am Sonntagabend – Deutschland macht es sich auf der Couch für den Tatort anderen Tag und zu keiner anderen Uhrzeit verzeichnen sie mehr Zugriffe. Die User kommen mit mobilen End- bequem? Höchstens die älteren Tradi- geräten, bleiben aber nicht besonders tionalisten. Wer jünger ist, greift zum lang. Nach ein bis zwei Artikeln sind Smartphone und scannt die News des die meisten schon wieder weg. Tages. Am Sonntag kurz nach 20 Uhr Das zu ändern, ist eines der Ziele von ist die absolute Primetime für Deutsch- DRIVE. Die Digital Revenue Initiati- lands Zeitungswebsites. An keinem ve liefert nicht nur solche Daten. Sie möchte den Verlagen damit die digitale Zukunft sichern. Eine ihrer Erkenntnis- se: Die Zeit, die jemand auf einem Portal verbringt, ist einer der stärksten Indika- toren dafür, ob er diesem Angebot auch INFO Was ist die Initiative DRIVE? treu bleibt. Zum loyalen Nutzer, gar zum zahlenden Abonnenten wird. Und das DRIVE ist die „Digital Revenue Initiative“, in der seit 2020 die Unternehmensberatung Schickler, höchste aller Ziele: Es auch bleibt. Denn die Deutsche Presse-Agentur und aktuell acht der Aufbau von stabilen Abo-Beziehun- Regionalverlage zusammenarbeiten. Ihr Ziel: Nut- gen im Digitalen ist eine Überlebens- zern mit datengetriebener Personalisierung ein optimales Inhalteangebot liefern und so schneller zu nachhaltigen Digitalerlösen kommen. 2021 frage für Medienhäuser. Nutzungszeit, soll die Initiative auf 15 Verlage anwachsen. im Forschersprech „Media Time“, ist die MARKT relevant. 1|2021 28
Zauberformel für loyale Kundenbezie- Das Medienhaus hungen. Davon ist Rolf-Dieter Lafrenz, Aachen, die Medien- gruppe Aschendorff Geschäftsführer der Unternehmensbe- (Münster), die ratung Schickler und einer der Ideenge- Badische Zeitung ber von DRIVE, überzeugt. „Mehr Media (Freiburg) und der Time = mehr digitale Erlöse ist die ein- Mittelbayerische ABO Verlag (Regensburg) fache Formel für die Zukunft des digita- waren von Beginn an len Abogeschäfts.“ von der dpa/Schick- ler-Idee zu DRIVE be- geistert. Inzwischen Ein Weckruf geht sind Lensing Media durch Deutschland aus Dortmund, Die Dass das wissenschaftlich gut begrün- Rheinpfalz aus Lud- wigshafen, die Ulmer det und weit weg ist von Zauberformeln NPG Digital und die oder Bauchgefühl, dafür steht die Initi- Ostfriesen-Zeitung ative DRIVE Pate. Auf den Weg gebracht ebenfalls an Bord. haben das Projekt dpa und Schickler im Sommer 2020. Die ersten vier regio nalen Medienhäuser waren vom Start weg an Bord. Inzwischen sind es acht, und weiterer Zuwachs ist willkommen. Ausgangslage war einerseits die Er- kenntnis, dass es wirtschaftlichen Er- folg im digitalen Journalismus nur mit einer ausreichenden Zahl an Abonnen- ten geben kann. Und zum anderen die Einsicht, dass Leser nur dann für ein Angebot bezahlen, wenn es ihrem Be- darf entspricht. Aber wann tut es das? Einen „Weckruf für die Branche“ nennt es Meinolf Ellers, Chief Digital Of- ficer bei der Deutschen Presse-Agen- tur (dpa), als 2017 vom norwegischen Schibsted-Konzern die revolutionäre Erkenntnis nach Deutschland herüber- schwappte: Nicht alle User sind gleich. Eigentlich eine banale Einsicht. Aber doch bahnbrechend für einen neuen Umgang mit Leserinnen und Lesern. Ihre Interessen sind so unterschied- lich wie ihre Lesegewohnheiten. Dem müssen die Angebote Rechnung » 29 relevant. 1|2021 MARKT
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