Infomappe für die Beratung in Aidshilfen - Telefon Face to Face

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HIV-Infektion und Infektiosität   1

                                          Übertragungswege       2

                                               Schutz vor HIV    3

                      HIV-Übertragungswahrscheinlichkeiten       4

                                                          PEP    5

                        Sexuell übertragbare Infektionen, STI    6

                                                     Hepatitis   7

                                                     HIV-Test    8

                                   Therapie der HIV-Infektion    9

                                               Leben mit HIV     10

                                                    Safer Use    11

                             Rechtliche Aspekte der Beratung     12

                   Antidiskriminierungs­beratung in Aidshilfen   13

Aids-Ängstliche, Aids-Phobiker_innen, Aids-Hypochonder_innen     14

                                            Rückmeldebogen       15
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Impressum

© Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
Wilhelmstraße 138
10963 Berlin
Tel. (030) 69 00 87-0
Fax (030) 69 00 87-42
www.aidshilfe.de
dah@aidshilfe.de

aktualisierte 12. Auflage, 2019
Bestellnr.: 117106

Inhaltlich verantwortlich: Werner Bock

Mitarbeitende: Jan-Pieter Cordes, Silke Eggers, Heike Gronski,
Kerstin Mörsch, Olaf Rothe, Armin Schafberger, Dirk Schäffer,
Tom Scheel, Claudia Veth

Gestaltung und Satz: Carmen Janiesch, Berlin
Druck: schöne drucksachen, Bessemerstr. 76a, 12103 Berlin

Spenden für die DAH:
Deutsche AIDS-Hilfe e. V.,
IBAN: DE27 1005 0000 0220 2202 20,
BIC: BELADEBEXXX;
online: www.aidshilfe.de

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            HIV-Infektion

                                                                                                  HIV-Infektion und Infektiosität
            und Infektiosität

            Das Wort Aids steht für die englische       Gelangt HIV durch Drogenkonsum
            Bezeichnung „Acquired Immune Defi-          direkt in die Blutbahn, ist die Phase
            ciency Syndrome”, zu deutsch „Erwor-        bis zum explosionsartigen Anstieg der
            bener Immundefekt”. Bei einem Im-           Viruslast kürzer – der lange Weg durch
            mundefekt ist die Abwehrfähigkeit des       Schleimhautgewebe und Lymphbahnen
            Körpers gegenüber Krankheitserregern        entfällt.
            vermindert.
                                                        In den ersten 48 bis max. 72 Stunden
            Ursache für Aids ist die Infektion mit      nach einem Risikokontakt kann man
            HIV („Human Immune Deficiency Virus”,       durch den Einsatz einer PEP (s. dort)
            = „menschliches Immundefekt Virus”).        ein „Angehen“ der HIV-Infektion noch
            Virus HIV-1 wurde 1983/84 entdeckt,         verhindern (sowohl nach sexueller, als
            drei Jahre später auch HIV-2, ein wei-      auch nach intravenöser Exposition).
            terer Virustyp, der hauptsächlich in
            Westafrika vorkommt, in Deutschland
                                                        Wie verläuft eine
            aber so gut wie keine Rolle spielt. Von
            HIV-1 gibt es verschiedene Gruppen (M,
                                                        HIV-Infektion?
            N und O) und Subtypen (A, B, C, D...) so-
            wie Mischformen. HIV-Antikörpertests        HIV befällt vor allem Immunzellen (sog.
            weisen HIV-1 und HIV-2 lückenlos nach.      CD4-Zellen oder Helferzellen) und führt
                                                        somit zu einer Schädigung des Immun-
                                                        systems. Die möglichen Folgen sind
            Die Ansteckung                              weitere Infektionen und die Entstehung
                                                        von Tumoren.
            Gelangt HIV bei sexuellem Weg durch
            die Schleimhaut, braucht es einige          Gleichzeitig kommt es zu einer Übersti-
            Tage, bis HIV im Blut „angekommen“ ist.     mulation des Immunsystems: es läuft
            Denn es infiziert erst Immunzellen in       auf Hochtouren, um die HIV-Infektion
            der Schleimhaut, gelangt dann über die      zu bekämpfen. Dadurch kommt es zu
            Lymphbahnen in Lymphknoten, ver-            mehr Allergien und Hautausschlägen
            mehrt sich dort und erreicht nach eini-     und entzündlichen Prozessen (z. B. in
            gen Lymphknotenstationen das Blut. Es       den Gefäßen). Letztendlich erfolgt eine
            kommt zu einer geradezu explosions-         Erschöpfung des Immunsystems.
            artigen Vermehrung. In dieser Phase         Der Verlauf einer HIV-Infektion wird
            treten dann Krankheitssymptome einer        in die akute und die chronische Phase
            akuten Infektion auf.                       eingeteilt.
01 | 2019

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                                  Akute Phase                                      Die Sympome der akuten Infektion sind
HIV-Infektion und Infektiosität

                                                                                   Fieber, Abgeschlagenheit, Hautaus-
                                  Bei Infektion auf sexuellem Wege er-             schlag, Appetitverlust, Gliederschmer-
                                  folgt der starke Anstieg der Viruslast in        zen. Daher wird oft schon ein grippaler
                                  der Regel nach 2 bis 3 Wochen. Manch-            Infekt als akute HIV-Infektion fehlge-
                                  mal ist der Viruslastanstieg allerdings          deutet. Bei der Kombination von Fieber
                                  verzögert – bis zu 6 Wochen nach Risi-           und Hautausschlag beim Erwachsenen
                                  kokontakt.                                       nach einem Risikokontakt sollte jedoch
                                                                                   an eine HIV-Infektion gedacht werden
                                  In den ersten 4 Tagen nach sexueller
                                                                                   und ein HIV-Test mit dem_der Ratsu-
                                  Exposition ist im Blut normalerweise
                                                                                   chenden erörtert werden.
                                  noch kein Virus nachweisbar, der_die
                                  Infizierte ist dann noch nicht infektiös
                                                                                   Ein Rückschluss auf eine HIV-Infektion
                                  – dies ändert sich allerdings geradezu
                                                                                   aufgrund von Symptomen ist aber nicht
                                  schlagartig, wenn dann die Viruslast
                                                                                   möglich. Die Symptome halten nur 7–10
                                  innerhalb weniger Tage auf extrem
                                                                                   Tage an und verschwinden dann wieder.
                                  hohe Werte (Hunderttausende oder
                                  Millionen Viren pro Milliliter Blut) „in
                                                                                    In der akuten Phase der Infektion wird
                                  die Höhe schießt“.
                                                                                   das Immunsystem des Körpers bereits
                                  Die Viruslast im Sperma bzw. den geni-           stark geschädigt. In den ersten zwei bis
                                  talen Sekreten folgt der Entwicklung im          drei Wochen gehen im Darm (größtes
                                  Blut um 1,5 bis 2 Wochen verzögert.              Immunorgan des Körpers) massenhaft
                                                                                   Immunzellen und vor allem das immu-
                                  In dieser Phase ist die HIV-infizierte           nologische Gedächtnis (memory-Zellen)
                                  Person besonders infektiös!                      zugrunde.

                                                         Symptome bei akuter HIV-Infektion
                                                                        Millionen Viruskopien/ml Blut

                                                                                                            ca. 10.000-30.000
                                                                                                         Viruskopien/ml Blut

                                                                Symptome
                                                                  Dauer
                                                                7-10 Tage                                         HIV-Infektion
                                                          1    2    3      4   5    6   7    8   9      10   11   12   Wochen

                                                        Die Symptome: Fieber, Hautausschlag, Kopfschmerz,
                                                        Gelenkschmerz, Lymphknotenschwellung
                                                                                                                                  01 | 2019

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            Wenn Antikörper in messbarer Menge               Asymptomatische Phase

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            gebildet werden (meist zwischen Woche
            3 und 6 nach Infektion, bei annähernd            Es treten keine Symptome auf. Diese
            100 % aller Infizierten spätestens nach          Phase kann einige Monate oder Jahre
            3 Monaten) hat der Körper dem Virus              andauern. Die in der akuten Phase
            etwas entgegenzusetzen: die Viruslast            stark reduzierten Helferzellen haben
            im Blut geht wieder zurück und pen-              sich etwas erholt, erreichen aber nicht
            delt sich in der chronischen Phase auf           die Werte vor der Infektion.
            Werte meist in einem Bereich zwischen
            10.000 und 30.000 Viren pro Milliliter           Die Viruslast im Blut ist in dieser Zeit
            Blut ein.                                        normalerweise moderat hoch, unter-
                                                             liegt aber Schwankungen: sie steigt an
                                                             beim Vorliegen von anderen Infektions-
            Die chronische Infektion                         krankheiten wie Grippe oder Syphilis.
                                                             Entsprechend steigt in dieser Zeit die
            Die chronische Phase der Infektion               Infektiosität.
            beginnt nach ca. 3 Monaten und dau-
            ert lebenslang an. Der Verlauf einer             Auch wenn die Infizierten selbst nichts
            HIV-Infektion ist individuell verschieden        von der HIV-Infektion merken: das
            und lässt sich nur begrenzt als eine             Virus vermehrt sich weiter und schädigt
            festgelegte Abfolge beschreiben. Man             kontinuierlich das Immunsystem und
            unterscheidet zwischen der asympto-              innere Organe (Niere, Nerven, etc.). Die
            matischen Phase, der symptomatischen             Zahl der Helferzellen nimmt kontinuier-
            Phase und Aids.                                  lich ab.

             Antikörper bei frisch infizierten Personen

             100%                                                   HIV-Antikörper

                                                                     HIV-Infektion
              1     2   3   4   5   6    7   8    9     10     11     12   Wochen

            Nach 12 Wochen sind bei allen Infizierten
            (100 %) Antikörper nachweisbar
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                                  Im Mittel wird der Wert von 500 Helfer-      Aids
HIV-Infektion und Infektiosität

                                  zellen ein Jahr nach Infektion erreicht,
                                  der Wert von 350 Helferzellen nach 4         Im letzten Stadium ist das Immunsys-
                                  und der Wert von 200 Helferzellen nach       tem stark beeinträchtigt, die Zahl der
                                  8 Jahren – manchmal jedoch deutlich          Helferzellen ist in der Regel unter 200/
                                  früher, manchmal auch erst Jahre spä-        µl gesunken und die Viruslast steigt an.
                                  ter.                                         Opportunistische Infektionskrankheiten
                                                                               (z. B. Pneumocystis-Lungenentzündung,
                                  Weniger als 1 % der Infizierten sind sog.    Pilzbefall der Speiseröhre) und Tumore
                                  „Elite-Controller“, ihr Immunsystem          (Kaposi-Sarkom, Gebärmutterhalskrebs,
                                  kann die HIV-Infektion so weit in Schach     Lymphome) können sich entwickeln.
                                  halten, dass sie über viele Jahre asymp-     Im Mittel tritt das Stadium Aids bei
                                  tomatisch bleiben und die Helferzellen       einer unbehandelten HIV-Infektion
                                  nicht entscheidend abfallen.                 nach 8 Jahren auf, manchmal allerdings
                                                                               schon wenige Monate nach der Infek-
                                  Symptomatische Phase                         tion, manchmal erst nach ein bis zwei
                                                                               Jahrzehnten.
                                  Mit fortschreitender Schädigung des
                                  Immunsystems können Symptome
                                  auftreten. Diese sind meist allgemeiner      Infektiosität
                                  Art, z. B. lang andauernde Lymphkno-
                                  tenschwellungen an verschiedenen             Die Infektiosität ist dann hoch, wenn
                                  Stellen gleichzeitig (unter den Achseln,     die Viruslast hoch ist, also v. a. in der
                                  in der Leistengegend), starker Nacht-        akuten Phase der Infektion. Zusätzliche
                                  schweiß, lang anhaltende Durchfälle,         Infektionen, die den ganzen Körper be-
                                  Nervenschädigungen (Polyneuropathie)         treffen (sog. Systemische Infektionen)
                                  oder häufigere Infektionen wie z. B. Pilz­   wie Grippe, Malaria, Syphilis (ab 2. Sta-
                                  infektionen des Mundes, der Scheide          dium), Masern, aber auch Impfungen
                                  oder des Penis.                              erhöhen kurzzeitig die HIV-Viruslast im
                                                                               Blut. Denn die Belastung des Immun-
                                  Die Krankheitszeichen sind unspezi-          systems führt auch dazu, dass die Zahl
                                  fisch. Aus diesem Grund kann es sein,        der Immunzellen, die von HIV infiziert
                                  dass ein Arzt eine HIV-Infektion über        werden, erhöht wird. Bei erfolgreicher
                                  die Symptome nicht erkennt und keine         Behandlung (Viruslast stabil unter der
                                  entsprechende Untersuchung (HIV-             Nachweisgrenze) tritt dieser Effekt nicht
                                  Test) empfiehlt.                             oder kaum mehr auf. (➞ dazu Kapitel 9
                                                                               „Therapie“)
                                                                                                                           01 | 2019

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                                HIV-Viruslast im Blut bei unbehandelter Infektion

                                akute Infektion chronische Infektion                     Aids

                                                   Grippe       Impfung   Syphilis
            Viruslast im Blut

                                   Wochen          Jahre

                                HIV-Viruslast im Blut bei behandelter Infektion
                                akute Infektion chronische Infektion
                                                ohne Therapie                 mit Therapie

                                                   Grippe       Impfung              Grippe     Impfung
            Viruslast im Blut

                                   Wochen          Jahre
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            HIV-Infektion und Infektiosität

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Übertragungswege                                                                                                              2

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                            Das Wichtigste in Kürze:                                                •	Menschen mit HIV unter wirksamer
                                                                                                       Therapie (Viruslast unter der Nach-
                            •	HIV wird in Deutschland v. a. auf sexu-                                 weisgrenze) können das HI-Virus
                               ellem Weg (ca. 88 % bzw. 2.380 Infek-                                   nicht weitergeben.
                               tionen / Jahr) oder über intravenösen                                •	Von den rund 86.100 Menschen
                               Drogenkonsum (ca. 12 % bzw. 320                                         mit HIV in Deutschland kennen
                               Infektionen) übertragen. Weniger als                                    87 % (74.800) nach Schätzungen
                               0,4 % (
Faktoren für eine                             nicht so widerstandsfähig gegenüber Vi-
    2                                                            ren ist wie der Magen von Erwachsenen.
                   HIV-Übertragung
                                                                 Andere Körperflüssigkeiten, wie z. B.
Übertragungswege

                   HIV ist ein Virus, das schwer übertrag-       Speichel, Urin, Schweiß oder Tränen
                   bar ist. Damit es zu einer HIV-Infektion      spielen bei einer HIV-Übertragung keine
                   kommen kann, muss HIV in ausreichen-          Rolle. Sie können zwar HIV enthalten,
                   der Zahl in den Körper gelangen. Dazu         aber nicht in einer Menge, die für eine
                   braucht es eine Eintrittspforte und eine      Ansteckung ausreicht.
                   ausreichende Menge infektiöser Kör-
                   perflüssigkeiten.
                                                                 Eintrittspforten für
                                                                 das HIV-Virus
                   Faktoren sind:

                   • Blut                                        Damit es zu einer HIV-Infektion kom-
                   • Sperma (Ejakulat)                           men kann, muss das Virus in den
                   •	„Flüssigkeitsfilm“ auf der Darm-           Körper gelangen. Das ist gar nicht so
                      schleimhaut                                einfach. Die menschliche Haut ist eine
                   • Vaginalsekret (Scheidenflüssigkeit)         gute Barriere und schützt vor HIV.
                   • Muttermilch                                 Selbst frische Verletzungen schließen
                                                                 sich in der Regel schnell wieder und es
                   Die Anzahl der Viren in diesen Flüssig-       bildet sich eine Kruste, die ebenfalls
                   keiten ist unterschiedlich hoch: Blut,        eine ausreichende Barriere für HIV
                   Sperma und Vaginalsekret haben bei            darstellt. Das erklärt auch, warum eine
                   unbehandelten Menschen mit HIV eine           HIV-Infektion durch „alltägliche Verrich-
                   hohe Viruslast.                               tungen“ ausgeschlossen ist.

                   Die Darmschleimhaut ist nicht trocken,        Eintrittspforten sind:
                   sondern mit einem Flüssigkeitsfilm be-
                   legt. Darin befinden sich HI-Viren. Beim      Schleimhäute
                   ungeschützten Analverkehr kommt es            Schleimhäute sind im Gegensatz zu
                   zum Kontakt der Schleimhäute des Pe-          „normaler“ Haut dünner, feucht und
                   nis mit diesem Flüssigkeitsfilm. Eintritts-   durchlässiger für HIV. Schleimhäute
                   pforte für diese Viren in den Körper          sind z. B. im Darm, an der Scheide, am
                   sind die Schleimhäute des Penis. Auf          Muttermund, auf der Vorhaut des Penis
                   diesem Weg kann es zu einer Anste-            oder im Mund. Verschiedene Schleim-
                   ckung kommen.                                 häute sind unterschiedlich beschaffen.
                                                                 So kann die Darmschleimhaut HIV sehr
                   Über Muttermilch kann eine Ansteckung         leicht aufnehmen, die Mundschleimhaut
                   über das Stillen eines Säuglings erfol-       dagegen ist viel robuster. Deswegen
                   gen. Stillen ist deshalb eine höhere Ge-      ist eine Übertragung von HIV über die
                   fahr als Oralverkehr, weil das Baby über      Mundschleimhaut nur schwer möglich.
                   Monate viele Liter Muttermilch trinkt         Beim Vorliegen von sexuell übertrag-
                   und der Magen-Darm-Trakt von Babies           baren Infektionen ist die Schleimhaut
                                                                                                             01 | 2019

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entzündet und damit verletzlicher. So     schon erfolgen, ohne dass Ejakulat
            wird auch eine Übertragung von HIV        aufgenommen wird. Bei Aufnahme                 2
            viel wahrscheinlicher. Das Risiko ist     von Ejakulat ist die Übertragungswahr-
            dadurch um ein Mehrfaches höher.          scheinlichkeit aber deutlich höher. HIV

                                                                                                 Übertragungswege
                                                      kann sowohl vom Mann auf die Frau
            Spritzen                                  übertragen werden, als auch von der
            Beim intravenösen Drogengebrauch          Frau – über Vaginalflüssigkeit – auf den
            kann HIV auf direktem Weg in die Blut-    Mann.
            bahn gelangen.
                                                      Oralverkehr
                                                      Die Übertragungswahrscheinlichkeit
            Übertragungswege
                                                      einer HIV-Infektion über Oralverkehr ist
            von HIV                                   im Vergleich zu Anal- und Vaginalver-
                                                      kehr sehr gering. Die Mundschleimhaut
            Sexuelle Übertragung                      ist robust, außerdem wird die Virus-
                                                      menge durch den Speichel verdünnt.
            In Deutschland ist die sexuelle Über-     Selbst wenn Sperma oder Menstrua-
            tragung mit ca. 88 % der mit Abstand      tionsblut in den Mund gelangt, ist das
            häufigste Übertragungsweg.                Übertragungsrisiko sehr gering. Es gibt
                                                      nur wenige Fälle, bei denen es durch
            Analverkehr                               Oralverkehr zur Infektion kam.
            Die Sexpraktik mit der größten Über-
            tragungswahrscheinlichkeit für eine       Hierarchie von
            HIV-Übertragung ist Analverkehr. Die      Infektions-
            Darmschleimhaut ist äußerst empfind-      wahrscheinlichkeiten
            lich. Wenn im Darm ejakuliert wird ist
            die Übertragungswahrscheinlichkeit        1. sehr hohes Risiko
            für den_die aufnehmenden Partner_in       Gemeinsame Verwendung von
            doppelt so hoch als ohne die Aufnahme      Injektions­utensilien
            von Sperma.
                                                      2. hohes Risiko
            Die Darmschleimhaut kann HIV nicht        Aufnehmender Analverkehr
            nur aufnehmen, sondern auch abge-
            ben. Deshalb ist bei Analverkehr auch     3. Risiko
            für den aktiven Partner ein Risiko vor-   Eindringender Analverkehr, aufneh-
            handen.                                    mender Vaginalverkehr, eindringender
                                                       Vaginalverkehr
            Vaginalverkehr
            Die Schleimhaut der Scheide ist zwar      4. sehr geringes Risiko
            widerstandsfähiger als die Schleimhaut    Oralverkehr mit Aufnahme von Sperma
            des Darmes, bei der Penetration ent-
            stehen aber häufig kleine Verletzungen,
            die dem HI-Virus eine Eintrittspforte
            bieten. Eine HIV-Übertragung kann
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Spritzen von Drogen                          mit der Adhärenz (das kann z. B. durch
    2                                                           eine Kindbett-Depression der Fall sein)
                   Ca. 12 % aller Neuinfektionen in             kann das Neugeborene auch gestillt
                   Deutschland werden beim Spritzen             werden.
Übertragungswege

                   von Drogen („Fixen“) übertragen, wenn
                   Spritzbestecke (Kanüle und Spritzen)         Das wichtigste: Im Rahmen der Schwan-
                   gemeinsam verwendet werden (Stand            gerschaftsvorsorge ist jede Ärztin / je-
                   2017).                                       der Arzt verpflichtet, eine schwangere
                                                                Frau bezüglich HIV-Test zu beraten und
                   Mutter-Kind-Übertragung                      den Test zu empfehlen.

                   Dank Schwangerschaftsvorsorge gibt es        Blut und Blutprodukte
                   pro Jahr in Deutschland nur weniger als
                   10 Übertragung von der Mutter auf das        Die Übertragung von HIV durch Blut-
                   Kind.                                        und Blutprodukte ist in Deutschland
                                                                extrem selten (ca. eine Übertragung
                   HIV-positive Frauen können das Virus         alle zwei Jahre). Blutspenden werden
                   in der Schwangerschaft, bei der Geburt       in Deutschland sowohl mit dem Kom-
                   und durch Stillen auf das Kind übertra-      binationstest, als auch mit der PCR
                   gen. Das größte Risiko besteht dann,         auf HIV getestet. Allerdings bleibt ein
                   wenn die HIV-Infektion in der Schwan-        diagnostisches Fenster von einigen Ta-
                   gerschaft nicht bekannt ist – weil z. B.     gen – daher wird bei allen Blutspendern
                   kein HIV-Test angeboten wurde – oder         zusätzlich auch ein Risiko-Fragebogen
                   wenn sich die Schwangere nach dem            eingesetzt.
                   negativen Test im weiteren Verlauf der
                   Schwangerschaft noch infiziert.
                                                                Wie lange „überlebt“
                   Wird die HIV-Infektion in der Früh-          HIV außerhalb des
                   schwangerschaft diagnostiziert, reicht       Körpers?
                   die Zeit in der Regel noch aus, um bis
                   zur Geburt die Viruslast medikamentös
                                                                Viren sind keine Lebewesen, da sie über
                   unter die Nachweisgrenze zu bringen.
                                                                keinen eigenen Stoffwechsel verfügen.
                   Denn während der Schwangerschaft
                                                                Daher können Viren nicht „absterben“,
                   gibt es nur relativ wenige Infektionen,
                                                                sondern können nur inaktiviert werden
                   die meisten Infektionen ereignen sich
                                                                bzw. ihre Infektionsfähigkeit verlieren.
                   bei der Geburt und beim Stillen.

                   Wenn die Viruslast unter der Nachweis-       Grundsätzlich gilt: HIV gehört zu den
                   grenze liegt, ist eine natürliche (vagina-   schwer übertragbaren Krankheitserre-
                   le) Geburt möglich, ansonsten sollte ein     gern. Das Virus ist sehr empfindlich und
                   Kaiserschnitt durchgeführt werden.           außerhalb des menschlichen Körpers
                                                                unter Alltagsbedingungen nicht lange
                   Ist die Viruslast unter der Nachweisgren-    aktiv. Sobald infektiöse Körperflüssig-
                   ze und die Mutter hat keine Probleme         keiten – auch Blut und Sperma – ange-
                                                                                                           01 | 2019

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trocknet sind, besteht keine Infektions-    Antiretrovirale Therapie
            gefahr.                                     und Viruslast                                   2

            Unter optimalen Umgebungsbedingun-          Durch die Behandlung von Menschen

                                                                                                    Übertragungswege
            gen (z. B. kühl, feucht und dunkel) kann    mit HIV mit antiretroviralen Medika-
            HIV, auch außerhalb des Körpers, seine      menten (antiretrovirale Therapie =
            Infektiosität lange behalten (z. B. Blut    ART) wird die Viruslast, also die Anzahl
            in Spritzen). Durch hohe Temperaturen       der HI-Viren bzw. Viruskopien, erheb-
            (abkochen) wird das Virus inaktiviert,      lich gesenkt. Ziel der Behandlung ist
            durch Einfrieren kann es seine Infekti-     die Senkung der Viruslast unter 20–40
            onsfähigkeit über viele Jahre behalten.     Viruskopien pro Milliliter Blutserum. Mit
                                                        einer geringen zeitlichen Verzögerung
            In der Beratung gibt es immer wie-
                                                        sinkt dann auch die Viruslast im Sper-
            der Anfragen wegen herumliegender
                                                        ma sowie in den genitalen und rektalen
            Spritzen (z. B. auf Spielplätzen). Hier
                                                        Sekreten (Vaginalflüssigkeit, Flüssig-
            kann man in Bezug auf HIV Entwarnung
                                                        keitsfilm auf der Darmschleimhaut).
            geben. Bislang hat sich noch niemand
            auf diesem Wege mit HIV infiziert (aller-   Wenn die Viruslast im Blut unter der
            dings mit Hepatitis B und C).               Nachweisgrenze liegt, sind Menschen
                                                        mit HIV auf sexuellem Wege nicht
            (➞ dazu Kapitel 4 „Übertragungswahr-
                                                        mehr infektiös. Dies ist durch zahlrei-
            scheinlichkeiten“, S. 12 „Nadelstichver-
                                                        che Studien, v. a. aber durch die Part-
            letzungen“)
                                                        ner-Studie sowohl für Heterosexuelle
                                                        als auch für MSM zweifelsfrei belegt. In
            Die Rolle der Viruslast                     der Partner-Studie galt dieser Beleg für
                                                        eine Viruslast unter 200/ml. Falls in der
                                                        Therapiekontrolle die Viruslast einmal
            Viruslast im Verlauf der
                                                        schwankt und leicht über der Nachweis-
            HIV-Infektion
                                                        grenze liegt, bedeutet dies nicht gleich
                                                        eine Infektionsgefahr für die Partner.
            Die Viruslast ist zu Beginn einer HIV-In-
            fektion, in der sog. akuten Phase, am       Der Schutz wird auch durch gleichzeitig
            höchsten (➞ Grafik Kapitel 1). Ca. sechs    auftretende STI nicht beeinträchtigt.
            Wochen nach der Infektion nimmt die
            Viruslast wieder stark ab und pendelt       Achtung: Bei einem Absetzen der The-
            sich auf einem niedrigeren Level ein.       rapie oder einer mehrtägigen Unter-
            Faktoren wie z. B. andere sexuell über-     brechung der Medikamenteneinnahme
            tragbare Infektionen (vor allem die         steigt die Viruslast nach wenigen Tagen
            Syphilis) führen dazu, dass bei HIV-Po-     steil an: der_die HIV-Positive ist dann
            sitiven ohne Therapie auch die Zahl der     in kurzer Zeit wieder so infektiös wie
            HI-Viren wieder ansteigt.                   in der akuten Infektion. „Schutz durch
                                                        Therapie“ verlangt daher eine hohe
                                                        Compliance („Therapietreue“) aufseiten
                                                        des_der HIV-Positiven.
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            Übertragungswege

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Schutz vor HIV
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             In der Beratung geht es immer um eine      Kondome & Co.

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             individuelle Abwägung von zwei Gütern:
             Lustvolle Sexualität auf der einen Seite
             und Schutz vor HIV und anderen sexu-       Kondome sind bei Vaginal- und Anal-
             ell übertragbaren Infektionen auf der      verkehr ein wirksamer Schutz vor HIV.
             anderen Seite.                             Zudem verringern sie auch das Risiko,
                                                        sich mit anderen sexuell übertragbaren
             Die Rolle der Berater_innen ist es, Rat-   Erkrankungen anzustecken. Kondome
             suchende mit den notwendigen Infor-        sind auch ein Schutz vor ungewollten
             mationen zu versorgen, damit sie selbst    Schwangerschaften.
             für sich eine Strategie finden, welchen
             Stellenwert sie welchem Gut geben          Das passende Kondom
             wollen. Theoretisch reicht die Bandbrei-
             te von „Ich verzichte vollkommen auf       Ein Kondom muss passen und „richtig
             Sex“ bis „Ich verzichte vollkommen auf     sitzen“. Kondome werden in verschie-
             Schutz“. Die große Mehrheit der Ratsu-     denen Größen und Formen angeboten.
             chenden wird für sich aber einen Weg       Das Motto lautet hier: Ausprobieren!
             irgendwo dazwischen wählen.
                                                        Neben Unterschieden in der Größe gibt
                                                        es auch unterschiedlich dicke Kondome.
             Safer Sex                                  Grundsätzlich sind alle Kondome für Va-
                                                        ginal- und Analverkehr geeignet, wenn
             Unter Safer Sex versteht man Metho-        man ausreichend Gleitgel verwendet.
             den, die eine Übertragung von HIV wirk-
             sam verhindern. Übersetzt bedeutet         Für Menschen mit einer Latex-Allergie
             es „Sex, der sicherer ist“ (als Sex ohne   gibt es Latexfreie Kondome. Diese sind
             diese Schutzmethoden.)                     vor allem in Apotheken und im Internet
                                                        erhältlich.
             Um Safer Sex zu praktizieren stehen
             heute drei Methoden zur Verfügung,         Eine andere Alternative sind Kondome
             die wirksam vor einer HIV-Übertragung      aus Polyurethan. Sie sind fettunemp-
             schützen, wenn sie richtig angewendet      findlich, können also auch mit fetthalti-
             werden:                                    gem Gleitmittel oder mit Massageöl in
                                                        Kontakt kommen.
             • Kondome
             • PrEP                                     Kondome bekommt man in Apotheken,
             • Schutz durch Therapie                    Drogerien, Supermärkten, Sexshops
                                                        und im Internet.
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                                                                                                        1
Die Qualität von                           •	Kondome so aufbewahren, dass sie
                 Kondomen                                      vor zu viel Druck, Reibung, Hitze oder
                                                               scharfen Gegenständen geschützt
                 •	Bei der Auswahl von Kondomen sollte        sind. So wird verhindert, dass Kondo-
                    man unbedingt auf das Qualitätssie-        me beschädigt werden.
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                    gel achten. Geprüfte Kondome sind       •	Kondome vertragen sich nicht mit
                    mit „CE“ gekennzeichnet, Diesen            einigen Vaginalzäpchen und Salben.
Schutz vor HIV

                    Aufdruck findet man auf der Verpa-         Auf Packungsbeilage achten.
                    ckung.
                 •	Kondome sind Naturprodukte und
                    haben ein Verfallsdatum. Bei abgelau-   Das Femidom
                    fenen Kondomen besteht die Gefahr,
                    dass sich schneller Risse bilden oder   Das Femidom, auch „Kondom für die
                    dass sie spröde werden. Deswegen ist    Frau“ genannt, ist ein Verhütungsmit-
                    es wichtig, auf das Haltbarkeitsdatum   tel, das zugleich einen Schutz vor
                    zu achten.                              sexuell übertragbaren Krankheiten
                 •	Scherzkondome oder Leuchtkondo-         bietet.
                    me sind für den Schutz vor HIV nicht
                    geeignet.                               Ein Femidom ist 17 bis 18 cm lang und
                                                            besteht aus dünnem, reißfestem Kunst-
                 Hinweise zur                               stoff (Polyethylen oder Polyurethan).
                 Kondom­benutzung                           Es ist mit zwei Ringen ausgestattet,
                                                            von denen der äußere außerhalb der
                 •	Die Vorhaut zurückziehen und das        Scheide vor den großen Schamlippen
                    Kondom gleichmäßig über den stei-       liegt und der innere wie ein Pessar
                    fen Penis abrollen. Dabei das Kon-      (Diaphragma) in die Scheide einge-
                    dom an der Spitze etwa 1–2 cm mit       führt wird. Femidome sind rezeptfrei
                    den Fingern zusammendrücken, um         in Apotheken oder über das Internet
                    genügend Platz für das Sperma zu        erhältlich.
                    lassen.
                 •	Niemals Gleitmittel, Öl oder Salben
                    zwischen Penis und Kondom. Das          Latexhandschuhe
                    Kondom kann beim Zurückziehen
                    leichter abrutschen und beim Ge-        Latex-Handschuhe bieten Schutz beim
                    schlechtsverkehr leichter platzen.      Eindringen mit dem / den Finger(n) bzw.
                 • Niemals zwei Kondome übereinander
                  	                                        mit der Hand / Faust in die Vagina oder
                    verwenden.                              den After (Fingern, Fisten).
                 •	Vor jedem erneuten Eindringen kurz
                    mit der Hand überprüfen, ob das         Zu Latex-Handschuhen gibt es Alter-
                    Kondom noch richtig sitzt.              nativen, die unempfindlich gegenüber
                 •	Nach dem Samenerguss Penis und          Ölen und Fetten sind, z. B. Handschuhe
                    Kondom zusammen rausziehen. Da-         aus Nitril.
                    bei das Kondom mit festhalten.
                                                                                                        OKT | 2020

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Handschuhe sind in Apotheken, Droge-           PrEP (Prä-Expositions-
             rien und Kaufhäusern und im Internet
                                                            Prophylaxe)
             erhältlich.

             Latex-Handschuhe sollten – wie Latex-          PrEP (auch HIV-PrEP) ist die Abkürzung
                                                                                                           3
             Kondome – immer nur mit wasserlös­             für “Prä-Expositions-Prophylaxe”, auf
             lichen Gleitmitteln verwendet werden.          deutsch: Vorsorge vor einem Risiko­

                                                                                                       Schutz vor HIV
                                                            kontakt. Bei dieser Schutzmethode
                                                            nehmen HIV-negative Menschen entwe-
             Gleitmittel                                    der täglich oder vor und nach sexuellen
                                                            Kontakten („anlassbezogen“) ein HIV-
             Gleitmittel verringert beim Anal- oder         Medikament ein, um sich vor einer
             Vaginalverkehr die Reibung. Es er-             ­Ansteckung mit HIV zu schützen.
             leichtert so das Eindringen des Penis
             und von Sexspielzeug in Vagina bzw.            Wie funktioniert die PrEP?
             Anus. Zudem gleicht es eine trockene
             Schleimhaut aus und verhindert damit           Zur PrEP wird ein Medikament aus der
             Schmerzen.                                     HIV-Behandlung eingesetzt. Es hindert
                                                            HIV daran, sich zu vermehren. Die bei-
             •	Auf keinen Fall öl- oder fetthaltige        den Wirkstoffe im PrEP-Medikament
                Substanzen wie Hautcreme, Vaseline,         (Tenofovir, Emtricitabin) gelangen unter
                Speiseöle und Bratfette verwenden.          anderem in die Zellen der Schleim-
                Diese greifen das Kondom an. Aus-           häute (zum Beispiel im Darm oder in
                nahmen sind Kondome aus Polyu-              der Vagina), die beim Sex mit Körper-
                rethan – diese sind unempfindlich           flüssigkeiten oder Schleimhäuten des
                gegenüber Öl und Fett.                      Partners oder der Partnerin in Kontakt
             •	Mit Latexkondomen nur fettfreie             kommen. Wenn HIV dann in diese
                und wasserlösliche Gleitmittel ver-         Zellen eindringt, können sich die Viren
                wenden.                                     nicht vermehren. Eine HIV-Infektion
             •	Gleitgele auf Wasser- oder Glyze-           wird verhindert.
                rin-Basis sind preiswerter, aber trock-
                                                            Dazu muss jedoch eine ausreichende
                nen schneller aus.
                                                            Menge der Wirkstoffe im Blut und in
             •	Gleitmittel auf Silikon-Basis behalten
                                                            den Schleimhäuten vorhanden sein.
                ihre Gleitfähigkeit länger, sind ergiebi-
                                                            Wird das Medikament abgesetzt, ver-
                ger, sind dafür aber teurer.
                                                            schwinden die Wirkstoffe im Körper
             • Gleitmittel gibt es in Apotheken, Dro-
              	
                                                            und somit auch die Schutzwirkung.
                gerien, Sexshops oder im Internet.
                                                            In extrem seltenen Fällen sind die
                                                            übertragenen Viren schon gegen das
                                                            PrEP-Medikament resistent. Dann kann
                                                            es trotz korrekter PrEP-Anwendung zu
                                                            einer Ansteckung kommen. Weltweit
                                                            sind bisher aber nur eine Handvoll sol-
                                                            cher Fälle bekannt geworden.
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                                                                                                           3
Für wen wird die PrEP                        anderen Methoden zum Schutz vor HIV
                 empfohlen?                                   beim Sex. Wenn ein erhöhtes („subs-
                                                              tanzielles“) HIV-Risiko vorliegt, können
                 Die Deutsch-Österreichischen PrEP-­          sie die PrEP verschreiben.
                 Leitlinien empfehlen die PrEP für
    3
                 Menschen ab 16 Jahren mit erhöhtem           Die Kosten für die PrEP-Medikamente
                 „substanziellem“) HIV-Risiko. Dazu           und die Untersuchungen werden dann
Schutz vor HIV

                 ­gehören zum Beispiel:                       von den gesetzlichen Krankenkassen
                  •	Männer, die Sex mit Männern haben       für Menschen ab 16 Jahren übernom-
                     (MSM), und trans* Personen, die in       men. Bezahlen muss man für das Medi-
                     den letzten drei bis sechs Monaten       kament nur den üblichen gesetzlichen
                     Analverkehr ohne Kondom hatten           Eigenanteil (derzeit 10 Euro bei einer
                     und/oder voraussichtlich in den          3-Monats-Packung).
                     nächsten Monaten Analverkehr ohne
                     Kondom haben werden                      Die privaten Krankenkassen haben eige-
                 •	MSM und trans* Personen, die in           ne Regelungen. Nachfragen lohnt sich.
                     den letzten zwölf Monaten eine Ge-
                     schlechtskrankheit hatten                PrEP auf Privatrezept
                 •	Partner_innen von Menschen mit HIV,       Wer die HIV-PrEP nicht von seiner Kran-
                     die keine HIV-Therapie machen, bei       kenversicherung finanziert bekommt,
                     denen die HIV-Therapie nicht richtig     kann sie sich auf Privatrezept verschrei-
                     wirkt oder bei denen die HIV-Therapie    ben lassen. Der Arzt oder die Ärztin
                     noch nicht mindestens sechs Monate       geht dafür eine Checkliste durch und
                     lang wirkt                               händigt eine Informationsbroschüre für
                  •	Menschen, die Sex ohne Kondom mit        Patient_innen aus.
                     Partner_innen haben, bei denen eine
                     undiagnostizierte HIV-Infektion wahr-    Verschrieben werden kann jedes in
                     scheinlich ist                           DeutschLand zur PrEP zugelassene
                  •	Drogen injizierende Personen, die kei-   Medikament. Einen Überblick über die
                     ne sterilen Spritzbestecke verwenden.    Kosten für unterschiedliche Präparate
                                                              und Abgabeformen sowie die Bezugs-
                 Bezug und Kosten                             möglichkeiten bietet die Seite prep.jetzt.

                 Auf Kassenrezept verschreiben lassen         PrEP aus dem Ausland
                 kann man sich die PrEP bei Ärzt_innen,       Andere Wege, sich PrEP-Medikamente
                 die sich mit der Behandlung von HIV-         zu besorgen (z.B. im Ausland oder auf
                 Patient_innen und/oder mit der PrEP          dem Schwarzmarkt), können mit Risiken
                 auskennen. HIV-Schwerpunktärzt_innen         verbunden sein. Auch hier bietet die Sei-
                 findet man zum Beispiel auf der Seite        te prep.jetzt wichtige Informa­tionen.
                 der dagnä, erfahrene PrEP-Begleiter_in-
                 nen auch auf ▶ prep.jetzt.                   Wichtig sind auf jeden Fall eine gute
                                                              ärztliche Beratung, Vorbereitung und
                 Die Ärzt_innen führen zunächst ein           Begleitung der PrEP. Von Selbstversu-
                 Beratungsgespräch zur HIV-PrEP und           chen ist dringend abzuraten.
                                                                                                           OKT | 2020

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Wie nimmt man                             Männern haben, gibt es auch die an-
             die PrEP ein?                             lassbezogene PrEP, bei der man rund
                                                       um den Sex Tabletten einnimmt. Beide
             Damit eine PrEP funktioniert, muss        Varianten schützen bei richtiger Einnah-
             sie korrekt eingenommen werden. In        me zuverlässig vor HIV.
                                                                                                      3
             Deutschland wird die PrEP zur täglichen
             Einnahme empfohlen. Dabei nimmt           Das PrEP-Medikament reichert sich

                                                                                                  Schutz vor HIV
             man über einen längeren Zeitraum          unterschiedlich schnell und gut in ver-
             eine Tablette täglich, um sich vor HIV    schiedenen Schleimhäuten im Körper
             zu schützen. Für Männer, die Sex mit      an (zum Beispiel Vaginal-, Penis- und
             Einnahmeschema bei Analverkehr
             Einnahmeschema bei Vaginalverkehr
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                                                                                                      5
Darmschleimhaut) und wird unter-                           In der Anal- und Darmschleimhaut
                 schiedlich schnell dort abgebaut. Bei                      reichern sich die PrEP-Wirkstoffe sehr
                 den beiden Varianten tägliche und                          gut an: Zwei Tage nach Beginn der tägli-
                 anlassbezogene PrEP müssen daher die                       chen PrEP ist ein ausreichender Schutz
                 beim Sex beteiligten Schleimhäute und                      aufgebaut.
    3
                 Gewebe berücksichtigt werden.
                                                                            Die Konzentration in der Penisschleim-
Schutz vor HIV

                 Hinweis: Der Oralverkehr wird hier                         haut ist nicht bekannt. Die Erfahrungen
                 nicht angesprochen, weil das HIV-Risiko                    zeigen aber, dass hier der Schutz wohl
                 beim Oralverkehr verschwindend gering                      ebenfalls zwei Tage nach Beginn der
                 ist – deshalb wird nach Oralverkehr mit                    täglichen PrEP gegeben ist. Entschei-
                 einer mutmaßlich HIV-infizierten Person                    dend ist dafür wohl die Konzentration
                 auch keine Post-Expositions-­Prophylaxe                    in den benachbarten Lymphknoten,
                 (PEP) angeboten.                                           weil HIV sich hier vermehren würde,
                                                                            wenn es über die Penisschleimhäute in
                 Tägliche PrEP                                              den Körper gelangt.
                 Bei einer dauerhaften PrEP nimmt man
                 täglich eine Tablette ein. Diese PrEP-                     In der Vaginalschleimhaut reichern
                 Form wird in den Deutsch-Österreichi-                      sich die PrEP-Wirkstoffe nicht so gut
                 schen Leitlinien empfohlen.                                an und werden auch schneller wieder
                                                                            abgebaut. Aus diesem Grund dauert es
                 Damit genügend Wirkstoff in den beim                       länger, bis ein schützender Wirkstoff-
                 Sex beteiligten Schleimhäuten und Ge-                      spiegel aufgebaut ist. Man geht davon
                 weben ist, gelten folgende Empfehlun-                      aus, dass sieben Tage nach Beginn
                 gen zur Dauer der PrEP-Einnahme vor                        der täglichen PrEP ein ausreichender
                 dem ersten Sex:                                            Schutz besteht.
                 empfohlen wenn ausschließlich Analverkehr prakti-
                 ziert wird (beteiligt: Penis- und Anal-/Darmschleimhaut)
                 Einnahmeschema bei anlassbezogener PrEP, nur

                                                                                                                       OKT | 2020

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Daraus leiten sich folgende Empfehlun-       Man beginnt am besten 24 bis spätes-
             gen ab:                                      tens 2 Stunden vor dem Sex mit zwei
             •	Aufnehmender und einführender             Tabletten auf einmal, um schnell einen
                Analverkehr (beteiligt: Penis- sowie      schützenden Wirkstoffspiegel zu errei-
                Anal-/Darmschleimhaut): Beginn der        chen. Die Einnahme nur zwei Stunden
                                                                                                        3
                täglichen PrEP zwei Tage vor dem          vorher gilt allerdings als sehr knapp.
                ersten Sex                                Anschließend nimmt man dann eine

                                                                                                    Schutz vor HIV
             •	Aufnehmender Vaginalverkehr (betei-       Tablette täglich und setzt die Einnahme
                ligt: Vaginal- sowie Penisschleimhaut):   nach dem letzten Sex noch zwei Tage
                Beginn sieben Tage vor dem ersten         fort.
                Sex
             •	Einführender Vaginalverkehr (betei-       PrEP absetzen
                ligt: Penis- sowie Vaginalschleimhaut):   Nach dem letzten Sex muss die PrEP
                Derzeit keine Empfehlung; Plausibel       noch eine Zeit lang weiterhin täglich
                scheint, dass analog zum einführen-       eingenommen werden. Wie lange ge-
                den Analverkehr für die einführenden      nau, dazu gibt es keine Daten. Häufig
                Partner_innen zwei Tage nach Beginn       wird Folgendes empfohlen:
                der täglichen PrEP ein ausreichender
                Schutz aufgebaut ist. Besprochen          •	Empfehlung,wenn ausschließlich
                werden sollte die PrEP-Einnahme auf          Analverkehr (beteiligt: Penis- und
                jeden Fall mit der Ärztin oder dem           Anal-/Darmschleimhaut) praktiziert
                Arzt.                                        wird: nach dem letzten Sex noch zwei
                                                             Tage lang tägliche Einnahme
             PrEP für Trans*Menschen                      •	Empfehlung für Personen, die nicht
             Für trans* Menschen gibt es derzeit kei-        nur Analverkehr praktizieren: nach
             ne konkreten Empfehlungen, weil bis-            dem letzten Sex noch sieben Tage
             her zu wenig Daten vorliegen. Wer auf           lang tägliche Einnahme.
             Nummer sicher gehen will, sollte sieben
             Tage vor dem Sex mit der täglichen           Manche Ärzt_innen können auch ande-
             Einnahme beginnen. Nach derzeitigen          re Ausschleichphasen empfehlen.
             Kenntnisstand gibt es keine relevanten
             Wechselwirkungen der PrEP bei Hor-           PrEP-Checks &
             monbehandlung. Besprochen werden             medizinische Begleitung
             sollte die PrEP-Einnahme auf jeden Fall
             mit der Ärztin oder dem Arzt.                Eine gute medizinische Begleitung
                                                          gehört zur PrEP unbedingt dazu. Dazu
             Anlassbezogene PrEP                          gehören regelmäßige PrEP-Checks, vor
             Studien haben gezeigt, dass beim             allem Tests auf HIV sowie die Überprü-
             Analverkehr (beteiligt: Penis- und Darm-     fung der Nierenfunktion, aber auch Un-
             schleimhaut) auch eine anlassbezogene        tersuchungen auf weitere Geschlechts-
             PrEP zuverlässig schützt. Dabei nimmt        krankheiten. Mit dem Arzt oder der
             man das PrEP-Medikament nur vorü-            Ärztin kann auch über Nebenwirkungen
             bergehend ein, zum Beispiel rund um          und Wechselwirkungen (z.B. mit Dro-
             eine Sexparty.                               gen) gesprochen werden.
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                                                                                                        7
Vor dem Beginn einer PrEP                    Auch die Nierenfunktion soll regelmä-
                 Vor Beginn der PrEP muss ein HIV-Test        ßig überprüft Werden (je nach Risiko-
                 sicherstellen, dass man HIV-negativ ist.     faktoren alle drei bis zwölf Monate).
                 Wenn man HIV-positiv ist und die Infek-
                 tion nur mit den zwei Wirkstoffen des        Nach Beendigung einer PrEP
    3
                 PrEP-Medikaments behandelt, kann HIV         Nach Ende einer PrEP werden Untersu-
                 sich vermehren und resistent, also un-       chungen auf HIV (sechs Wochen nach
Schutz vor HIV

                 empfindlich gegen die Wirkstoffe und         der letzten PrEP-Einnahme) sowie auf
                 auch einige andere HIV-Medikamente           Syphilis empfohlen.
                 werden.
                                                              Wo kann man die PrEP-Untersu-
                 Vor dem PrEP-Start muss auch die             chungen durchführen lassen?
                 Nierenfunktion überprüft werden. Wer         •	In der Arztpraxis sind alle PrEP-Checks
                 an einer Nierenerkrankung leidet, sollte        möglich, allerdings nicht anonym.
                 keine PrEP machen.                           •	Tests auf HIV, Geschlechtskrankheiten
                                                                 und Hepatitis B können auch in vielen
                 Außerdem wird untersucht, ob eine               Aidshilfen, Checkpoints und Gesund-
                 Hepatitis-B-Infektion vorliegt. Sollte das      heitsämtern durchgeführt werden.
                 der Fall sein und man setzt die PrEP ir-        Die Tests sind dort anonym.
                 gendwann ab, kann sich die Hepatitis B
                                                               Hier die Teststellen im Überblick:
                 verschlimmern. Gegen Hepatitis B kann
                                                               ▶ https://www.aidshilfe.de/adressen
                 man sich impfen lassen. Die Kranken-
                                                               ?f-type=12
                 kasse bezahlt die Impfung zum Beispiel
                 für schwule Männer.                          •	Einige Checkpoints bieten auch Unter-
                                                                suchungen der Nierenfunktion an.
                 Die Deutsch-Österreichischen PrEP-­
                 Leitlinien empfehlen außerdem, sich
                                                              Was kosten die Untersuchungen?
                 vor Beginn einer PrEP auf Hepatitis C,       Arztpraxis
                 Syphilis, Tripper und Chlamydien unter-      •	Bei einer PrEP auf Kassenrezept wer-
                 suchen zu lassen.                               den die Kosten für die PrEP-Checks
                                                                 von der gesetzlichen Krankenkasse
                 Während einer PrEP                              übernommen.
                 Vier Wochen nach Beginn einer PrEP           •	Bei einer PrEP auf Privatrezept muss
                 und anschließend alle drei Monate ist           man die Kosten für die PrEP-Unter­
                 einHIV-Test erforderlich.                       suchungen grundsätzlich selbst über­-
                                                                 nehmen. Die Tests können dann ano-
                 Die Deutsch-Österreichischen PrEP-Leit-         nym durchgeführt werden.
                 linien empfehlen außerdem Untersu-           • Nierenwerte: etwa 3 Euro
                 chungen auf Hepatitis C (alle sechs bis      •	HIV, Geschlechtskrankheiten, Hepati-
                 zwölf Monate),Syphilis (alle drei Mona-         tis B: unterschiedlich hohe Kosten bei
                 te), Tripper (alle drei bis sechs Monate)       Privatzahlung, unbedingt vorher ab-
                 und Chlamydien (alle drei bis sechs             klären. Eine Kostenübernahme durch
                 Monate).                                        die Krankenkasse ist unter bestimm-
                                                                 ten Voraussetzungen möglich:
                                                                                                           OKT | 2020

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1. Wenn man ein Risiko hatte, sich mit   Was weiß man über
                  einer Geschlechtskrankheit zu infi-   Wechselwirkungen?
                  zieren – zum Beispiel, wenn ein_e     Trans* Frauen können weibliche Sexu-
                  Sexpartner_in eine Geschlechts-       alhormone unbedenklich zusammen
                  krankheit hat oder wenn man in        mit der PrEP einnehmen. Der Wirkstoff-
                                                                                                        3
                  der letzten Zeit häufig wechselnde    spiegel einer der beiden PrEP-Wirkstof-
                  Sexpartner_innen hatte;               fe sinkt zwar leicht, doch gefährdet dies

                                                                                                    Schutz vor HIV
              2. Wenn man Symptome einer Ge-           offenbar nicht die Schutzwirkung der
                  schlechtskrankheit hat, z. B. wenn    PrEP.
                  folgende Anzeichen auftreten:
                  Brennen beim Wasserlassen,            Trans* Männer können Testosteron
                  Jucken oder Ausfluss im Genital-,     unbedenklich zusammen mit der PrEP
                  oder Analbereich, Hautausschläge.     nehmen.

             Welche Nebenwirkungen hat das              Eine Übersicht über Wechselwirkun-
             PrEP-Medikament?                           gen zwischen verschiedenen Sexual­
             Die meisten Menschen vertragen das         hormonen und verschiedenen
             PrEP-Medikament gut. Manche klagen         HIV-Medikamenten bietet die Seite
             in der ersten Zeit über Übelkeit, Durch-   ▶ hiv-druginteractions.org
             fall, Kopf-, Bauch- und Gelenkschmer-      (auf Englisch).
             zen sowie Müdigkeit oder Schlafstö­
             rungen.                                    Wechselwirkungen zwischen dem
                                                        PrEP-Medikament und Drogen – ein-
             Die Einnahme des PrEP-Medikaments          schließlich „Partydrogen“ wie Ecstasy,
             verringert die Leistungsfähigkeit der      Ketamin oder Mephedron – sind nicht
             Niere. Wer an einer Erkrankung der         bekannt und nicht zu erwarten.
             Niere leidet, sollte keine PrEP ein­
             nehmen.                                    Zwischen der PrEP und anderen Medi-
                                                        kamenten, zum Beispiel einigen Entzün-
             Wichtig ist, die Nierenwerte bei ei-       dungshemmern, Schmerzmitteln oder
             ner PrEP regelmäßig kontrollieren zu       Antibiotika, kann es zu Wechselwir-
             lassen. Die Nierenfunktion kehrt in der    kungen kommen. Wenn man die PrEP
             Regel wieder zu ihren Normalwerten         nimmt oder nehmen möchte, sollte
             zurück, wenn man das Medikament            man mit dem Arzt oder der Ärztin auch
             absetzt.                                   über die anderen Medikamente spre-
                                                        chen, die man einnimmt.
             Die PrEP-Medikamente können die
             Knochendichte leicht senken. Das           Mögliche Wechselwirkungen kann man
             Thema ist besonders für trans* Frauen      auch über die „Interaction Checkers“ auf
             wichtig, bei denen eine Orchiektomie       hiv-druginteractions.org herausfinden
             (Entfernung der Hoden) vorgenommen         (links unter HIV Drugs „Emtricitabine/
             wurde. Sie sollten mit ihrer Ärztin oder   Tenofovir-DF (FTC/TDF, PrEP“ anklicken,
             ihrem Arzt über ihre Knochengesund-        dann unter „Co-medications“ entweder
             heit sprechen.                             Medikament anklicken oder eingeben
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                                                                                                        9
und in der rechten Spalte „Check HIV/     Schutz durch Therapie
                 HIV drug interactions“ anklicken).

                                                           Schutz durch Therapie verhindert beim
                 Was ist mit Resistenzen?
                                                           Sex eine HIV-Infektion, wenn ein_e Part-
                 Ein wichtiges Thema rund um die PrEP
    3                                                      ner_in HIV-positiv und der_die andere
                 sind Resistenzen. Gemeint sind HIV-Vi-
                                                           HIV-negativ ist.
                 russtämme, die gegen das PrEP-Medi-
Schutz vor HIV

                 kament unempfindlich sind, sodass das     Die Methode beruht darauf, dass der
                 Medikament nicht mehr richtig wirkt       HIV-positive Mensch eine gut funktio-
                 und HIV sich wieder vermehren kann.       nierende HIV-Therapie einnimmt und
                                                           dass in seinem Blut seit mindestens
                 Zu solchen Resistenzen kann es kom-       einem halben Jahr keine HI-Viren mehr
                 men, wenn man eine PrEP nimmt,            nachweisbar sind. Dann befinden sich
                 obwohl man schon HIV-infiziert ist. Das   nämlich auch in Körperflüssigkeiten
                 ist zum Beispiel zu Beginn einer PrEP     wie Sperma und Scheidenflüssigkeit
                 möglich, denn die HIV-Tests schlagen      kaum noch Viren. Eine HIV-Übertragung
                 nicht an, wenn man sich gerade ganz       findet dann nicht mehr statt.
                 frisch infiziert hat.
                                                           Auf ein Kondom kann man unter die-
                 Außerdem kann es zu Resistenzen kom-      sen Bedingungen verzichten und ist
                 men, wenn man die PrEP nicht nach         trotzdem vor HIV geschützt. Die Medi-
                 einem der beiden Einnahmeschemen          kamente müssen allerdings regelmä-
                 nimmt und sich deswegen infiziert.        ßig eingenommen und der Erfolg der
                                                           Therapie regelmäßig überprüft werden.
                 Es ist deshalb sehr wichtig, vor Beginn   Die Methode sollte man nur nach Rück-
                 der PrEP, vier Wochen nach Beginn der     sprache mit dem behandelnden Arzt /
                 PrEP und anschließend alle drei Monate    der behandelnden Ärztin an­wenden.
                 während der PrEP einen HIV-Test zu
                 machen.                                   Wie funktioniert Schutz
                                                           durch Therapie?
                 Viren, die gegen das PrEP-Medikament
                 resistent sind, können auch übertragen    Die HIV-Medikamente verhindern im
                 werden. Dann kann es trotz PrEP zu        Körper eines HIV-positiven Menschen
                 einer Infektion kommen. Das geschieht     die Vermehrung des Virus. Nach einiger
                 aber extrem selten. Weltweit sind         Zeit ist bei einer gut wirksamen Therapie
                 bisher nur eine Handvoll solcher Fälle    im Blut kein HIV mehr nachweisbar. Man
                 bekannt geworden.                         spricht dann von einer „Viruslast unter
                                                           der Nachweisgrenze“. Kurz darauf sind
                                                           auch in Sperma, der Scheidenflüssigkeit,
                                                           in anderen Körperflüssigkeiten und in
                                                           den Schleimhäuten keine oder nur noch
                                                           sehr wenige HI-Viren nachweisbar. Eine
                                                           Übertragung von HIV beim Geschlechts-
                                                           verkehr findet dann nicht mehr statt.
                                                                                                       OKT | 2020

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Wie sicher ist der Schutz                 Weitere Strategien
             durch die Medikamente?                    zu Safer Sex
             Studien haben ergeben, dass eine gut      Schutz durch einen Bilanztest und
             wirksame HIV-Therapie mindestens ge-      „ausgehandelte Sicherheit“
                                                                                                        3
             nauso zuverlässig vor der Übertragung     Besonders in einer festen Partnerschaft
             von HIV schützt wie Kondome. In den       kann ein „Bilanztest“ sinnvoll sein: Beide

                                                                                                    Schutz vor HIV
             Studien wurden Hunderte HIV-positiv-      Partner machen einen HIV-Test, nach-
             negativ-gemischte Paare über Jahre        dem sie sechs Wochen keine Risiken
             begleitet – sowohl heterosexuelle als     eingegangen sind. Sind dann beide
             auch homosexuelle Paare. Sie hatten in    HIV-negativ und haben keinen Sex mit
             dieser Zeit Zigtausende Sexualkontakte    anderen Partnern, können sie innerhalb
             ohne Kondom. Dabei kam es zu keiner       der Partnerschaft auf Kondome oder
             einzigen HIV-Übertragung. Wenn man        PrEP verzichten.
             Schutz durch Therapie praktiziert, ist
             also auch Sex ohne Kondom Safer Sex.      Manche Paare erweitern diese Regel:
             Absolute Sicherheit gibt es nie, auch     Sie leben eine offene Beziehung und
             beim Kondomgebrauch nicht. Aber           machen außerhalb der Beziehung nur
             beide Methoden haben eine sehr hohe       Safer Sex, damit sie innerhalb der Be-
             Schutzwirkung.                            ziehung auf Kondome oder PrEP ver-
                                                       zichten können. Dafür sind sehr klare
             Wenn die Medikamente nicht regel-         Absprachen nötig. Deswegen nennt
             mäßig eingenommen werden kann die         man diese Strategie „Ausgehandelte
             Viruslast wieder ansteigen – und damit    Sicherheit“.
             wieder die Möglichkeit der Übertragung
             entstehen. Die Einnahme muss aber         Bilanztest und „Ausgehandelte Sicher-
             nicht minutengenau erfolgen, sondern      heit“ verlangen großes Vertrauen zum_
             verträgt durchaus gewisse Abweichun-      zur Partner_in: Hat er_sie tatsächlich
             gen vom Zeitplan. Wenn einzelne Ein-      keinen ungeschützten Sex mit anderen
             nahmen verzögert erfolgen oder verges-    Partner_innen? Wenn es doch einmal
             sen werden, gefährdet das nicht gleich    passiert, muss er_sie darüber sprechen,
             den Therapieerfolg und es entsteht        um den_die feste Partner_in nicht zu
             auch kein höheres Übertragungsrisiko.     gefährden.
             Vergisst man die Einnahme aber häufi-
             ger, kann die Viruslast wieder steigen.   Schutz durch Diagnose von
                                                       Symptomen
             Bei HIV-positiven Menschen unter einer    „Bei Symptomen zum_zur Ärzt_in“:
             gut wirksamen Therapie haben andere       Diese Botschaft wird bei Symptomen,
             Geschlechtskrankheiten nach allen vor-    die auf eine HIV-Infektion oder sexuell
             liegenden Studien keinen Einfluss auf     übertragbare Infektion hinweisen, aus
             das Übertragungsrisiko. Schutz vor HIV    Scham oft nicht umgesetzt. Hier gilt es,
             durch Therapie funktioniert auch dann.    in der Beratung die Bedeutung einer
                                                       rechtzeitigen Diagnose und Therapie
                                                       sowie der Benachrichtigung der letzten
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                                                                                                     11
Sexpartner_innen zu klären, damit auch     Was gibt es beim
                 diese sich untersuchen und ggf. behan-     Oral­verkehr zu beachten?­
                 deln lassen können.
                                                            Beim Oralverkehr (Lutschen oder Le-
                 Hingewiesen werden sollte auch darauf,     cken des Penis, der Scheide, des Afters)
    3
                 dass STIs häufig ohne Symptome ver-        gibt es praktisch kein HIV-Risiko, denn
                 laufen oder dass diese nicht bemerkt       die Mundschleimhaut ist sehr stabil.
Schutz vor HIV

                 werden.                                    Selbst wenn Sperma oder Menstrua-
                                                            tionsblut in den Mund gelangt, ist das
                 Schutz durch regelmäßige                   Übertragungsrisiko sehr gering – welt-
                 HIV- und STI-Tests                         weit sind nur wenige Fälle beschrieben
                 Wer häufig Sex mit unterschiedlichen       worden, in denen es dadurch zu einer
                 Partner_innen hat, sollte sich regelmä-    Infektion kam.
                 ßig auf HIV und andere sexuell über-
                 tragbare Infektionen testen lassen.        Um das geringe Risiko noch weiter
                                                            zu verringern, sollte man das Sperma
                 (➞ Empfehlungen dazu im Kapitel 6          schnell wieder ausspucken, bei „Deep
                 „STIs“ S. 7, „Wer sollte sich auf welche   Throat“ und Abspritzen im Rachen ist
                 Geschlechtskrankheiten wie oft testen      wahrscheinlich Schlucken besser, da die
                 lassen?“)                                  Verweildauer im Mund dann kürzer ist.

                                                                                                       OKT | 2020

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HIV-Übertragungs-
            wahrscheinlichkeiten

            HIV-Diagnose                              Hierzu sind einige Fakten wissenswert:                                    4
                                                      •	Deutschland hat ca. 83 Millionen Ein-
            und Behandlung
                                                         wohner_innen

                                                                                                                     HIV-Übertragungswahrscheinlichkeiten
            in Deutschland                            •	Davon leben ca. 86.000 Menschen mit
                                                         HIV
            In den meisten Anfragen wollen Ratsu-     •	68.800 Menschen nahmen HIV-Medi-
            chende von uns wissen, wie hoch die          kamente.
            Wahrscheinlichkeit war, dass sie sich     •	Ein Großteil der Menschen mit HIV
            bei einem sexuellen Kontakt mit HIV          (65.500) ist unter der Nachweisgren-
            angesteckt haben könnten.                    ze, das heißt, sie können das Virus
                                                         nicht weitergeben.
            Um das einschätzen und einordnen          •	11.200 Menschen mit HIV wissen
            zu können, spielt neben dem Über-            nach Hochrechnungen nichts von
            tragungsweg auch die statistische            ihrer Infektion.
            Wahrscheinlichkeit eine Rolle, auf eine   •	90-90-90-Ziele: In Deutschland sind
            Person zu treffen, die HIV-positiv ist,      87 % der HIV-Infektionen diagnosti-
            nicht in Behandlung und deswegen             ziert, 92 % der Diagnostizierten erhal-
            eine Viruslast hat, die ausreicht, um        ten HIV-Medikamente, bei 95 % davon
            das Virus weiterzugeben.                     ist HIV nicht mehr nachweisbar.
                                                      •	Ungefähr 2.700 Menschen infizierten
                                                         sich im Jahr 2017 neu
                                                      •	1.700 davon waren Männer, die Sex
            HIV-Diagnose und Behandlung                  mit Männern hatten
            in Deutschland

                                                      Geschätzt ca. 86.000 Menschen mit HIV
                                                      leben 2017 in Deutschland. Davon:
                        13 %       76 %
                                                      l in Behandlung,
                                                         Viruslast unter der Nachweisgrenze
                  7%                                     65.500
                                                      l in Behandlung,
                4%
                                                         Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze
                                                         3.300
                                                      l (noch) nicht in Therapie
                                                         6.000
                                                      l w
                                                         issen nicht von ihrer HIV-Infektion
                                                        11.200

                                                                     (Quelle: Epidemiologisches Bulletin RKI 2018)
01 | 2019

                                                                                                                                 1
Wahrscheinlichkeit                                     Faktoren, die eine
                                       einer HIV-Übertragung                                  HIV-Übertragung
                                                                                              beeinflussen
                                       Ob es zu einer HIV-Infektion kommt,                    Safer Sex: Wurde Safer Sex (Kondome,
                                       hängt von vielen Faktoren ab. Deswe-                   PrEP, oder Schutz durch Therapie) prak-
                                       gen ist es wichtig, den Kontext und die                tiziert und ist somit eine HIV-Übertra-
                                       Bedingungen der „Risikosituation“ zu                   gung weitestgehend auszuschließen?
           4                           erfragen. Dies erfordert gelegentlich
                                       auch den Mut, nach Details zu fragen:                  Wahrscheinlichkeit, dass der_die Part-
                                       Die Beratenden müssen sich ein ge-                     ner_in HIV-positiv ist: Gehört der_die
HIV-Übertragungswahrscheinlichkeiten

                                       naues Bild davon machen können, was                    Partner_in zu einer Gruppe, in der HIV
                                       „passiert“ ist.                                        stärker verbreitet ist? (MSM, Drogen-
                                                                                              gebraucher, Herkunftsland ...) Diese
                                       Die Ratsuchenden wiederum können                       Klärung ist besonders notwendig, falls
                                       lediglich dabei unterstützt werden, ihr                eine PEP in Erwägung gezogen wird.
                                       persönliches Schutzverhalten zu entwi-
                                       ckeln, indem sie entsprechende Infor-                  Höhe der Viruslast: Falls die Person
                                       mationen erhalten. Allgemeingültige                    HIV-positiv ist: Gibt es Informationen
                                       Handlungsanweisungen können ihnen                      über medikamentöse Therapie und die
                                       nicht gegeben werden. Jede Risikoein-                  Höhe der Viruslast?
                                       schätzung ist nur in diesem Kontext zu
                                       verstehen und zu vermitteln.                           Lagen STIs, Entzündungen oder Ge-
                                                                                              schwüre vor, die zu einem Defekt der
                                       HIV-Infektionswege                                     Schleimhaut führen? Solche Verletzun-
                                                                                              gen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für
                                       Geschätzt ca. 2.600 HIV-Neuinfektionen                 eine HIV-Übertragung.
                                       gab es 2017 in Deutschland. Davon durch:

                                       l   Sex zwischen Männern (1.700)
                                                                                              Art der Sexualpraktik: Ungeschützter
                                       l   Heterosexuelle Kontakte (620)
                                       l   Intravenösen Drogengebrauch (260)                  Analverkehr ist die Sexpraktik mit der
                                       l   Mutter-Kind-Übertragung (
Beschneidungsstatus: Beschnittene               Menge bzw Konzentration der aufge-
            Männer haben beim Vaginalverkehr                nommenen HIV-haltigen Sekrete: Bei
            und wahrscheinlich auch beim Analver-           geringer Menge ist das Risiko, sich mit
            kehr eine um ca. 60 % geringere Wahr-           HIV zu infizieren, niedriger
            scheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren,
            als unbeschnittene Männer.                      Dauer und Intensität des Sexualakts:
                                                            Je länger der Geschlechtsverkehr dau-
            Anzahl der Sexualkontakte und der               ert und je „heftiger“ er ist, desto höher
            Sexualpartner_innen: Statistische Risi-         ist die Wahrscheinlichkeit einer HIV-                  4
            ken häufen sich mit der Zahl der unge-          Übertragung.
            schützten Sexkontakte bzw. der Zahl

                                                                                                        HIV-Übertragungswahrscheinlichkeiten
            der Sexualpartner_innen an.

                                                            sgespräch
             Checkliste für das Beratung
                                                                 Partner_in?
             ■ Was wissen Sie über den HIV-Status der
                                                            r gibt es die Möglich-
                           Thema HIV thematisiert? Gab ode
             ■	Wu rde das
                        m Partner_der Partnerin nachzu
                                                       fragen? Wäre das sinnvoll?
                   keit, bei

                                                die Wahrscheinlichkeit ein        er HIV-Infek-
             ■   	Welche Faktoren gibt es, die
                   tion erhöhen bzw. senken?
                                                                                           in-
                                                          der HIV-Übertragungswahrsche
              ■  	Was folgt aus der Einschätzung
                   lichkeit?

              ■ Ist eine PEP angezeigt?
                                                              Infektion auszuschließen?
                              -Test sinnvoll um eine mögliche
              ■  Ist  ein HIV

                                                                _der Ratsuchenden zu
                              -Test sinnvoll, um die Psyche des
              ■ 	Ist ein HIV
                          ten?
                     entlas

                                                          iehung besprochen werden?
               ■     Sollte das Thema HIV in der Bez

                                                          es Bild von Leben mit HIV
               ■	Hat der_die Ratsuchende ein realistisch
                      heute?
01 | 2019

                                                                                                                    3
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