Inklusion im Sport Titelthema - Erster Schritt - Landessportbund Hessen eV
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Nr. 02 | 01. Februar 2020 | 74. Jahrgang Titelthema Inklusion im Sport Erster Schritt Beteiligung aus Lotto-Spieleinsätzen erhöht Schneller Start Bobfahrerin Kim Kalicki mag es rasant
EDITORIAL Editorial Liebe Sportfreundinnen und Sportfreunde, der Schwerpunkt dieses Heftes dreht sich um Inklu- sion. Wie können wir die Angebote im Verein so gestal- ten, dass wirklich jeder mitmachen kann? So viel ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon pas- siert. Und doch sprudeln neue und wichtige Ideen ge- fühlt immer schneller, spannender und produktiver. Davon konnten sich rund 140 Teilnehmende am Fach- tag „Sport und Inklusion“ überzeugen. Dass die prakti- sche Arbeit vor Ort langfristige Strukturen braucht, die sie tragen und unterstützen, erläutert Ralf-Rainer Klatt, Vizepräsident des Landessportbundes e. V. sind sich einig, dass das Thema in den Vereinen ange- kommen ist. Gleichzeitig wünschen sie sich eine stär- „Krebs mag keinen Sport.“ Ein Satz, der im Kopf bleibt kere Vernetzung zwischen den Therapieeinrichtungen und von den unterschiedlichsten Untersuchungen wie- und den Vereinen, um wirklich eine nahtlose Versor- der und wieder bestätigt wurde. So kann das Rückfall gung sicherstellen zu können. risiko nach einer Brustkrebserkrankung um bis zu 30 Prozent reduziert werden, wenn regelmäßig Bewegung Und wenn Sie mit Ihren Vereinskollegen nicht nur her- in den Tagesablauf eingebaut wird. Die Teilnehmerin- vorragende Arbeit bringen und großartige Leistungen nen und Teilnehmer des Fachtags „Krebs und Sport“ erzielen wollen, sondern auch möchten, dass andere es wissen: Dann bewerben Sie sich doch beim hr-Heim- spiel, der neuen Sportsendung des hessischen Rund- funks am Samstagnachmittag. Und nun viel Spaß bei der Lektüre Ihrer „Sport in Hes- sen“ wünscht Ihre Dr. Susanne Lapp SIH 0 4 / 29.02.2020
THEMA DER SEITE INHALT 1 Inhalt 12 Vereinswettbewerb SKG Sprendlingen sagt Krebs den Kampf an! 4 13 „Dein Sportverein im Fernsehen“ Neues Format des Hessischen Rundfunks Titelthema Inklusion Gemeinsam mehr bewegen! 14 Im Dschungel der Fördertöpfe Wie der Sport profitieren kann 17 Großprojekte gestemmt Bauausschuss blickt zurück 9 17 Aus der Praxis Großer Jubel Der Übungsleiter Stephan Leyhe siegt in Willingen 21 Amtliches und Neues zum Datenschutz 22 Vereinsmanagement 10 Wichtige Steueränderungen Bewegung gegen Krebs 24 Sport und Ernährung Erfolgreicher Aktionstag Naschen verboten? 26 Sportinfrastruktur Jetzt für Seminare anmelden 23 28 Kurz notiert Namen und Notizen #BeActive 2020 Europäische Woche des Sports 29 Neue Bücher Lesenswertes rund um den Sport 30 Bildungsakademie Urlaub, der bildet! 34 32 Sport im Palmengarten Sportjugend Geburtsstunde des organisierten Sports Saisonstart am Edersee Impressum Herausgeber: Landessportbund Hessen e. V. (lsb h); Otto-Fleck- Anzeigen Nord/Mitte: Claudia Brummert, Frankfurter Straße 168, Titelfoto: xxxxx Schneise 4, 60528 Frankfurt, Tel.: 069/6789 -0 34121 Kassel, Tel.: 0561/60280-180, Fax: 0561/60280-199, Foto: dfdf Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Susanne Lapp, Vizepräsidentin für E-Mail: brummert@ddm.de Kommunikation und Marketing, Glauburgstraße 11, 60318 Frankfurt. Anzeigen Süd: Torsten Wethlow, Waldstraße 226, 63071 Offenbach, www.landessportbund-hessen.de Redaktion: Leitung Ralf Wächter (RW), Isabell Boger (ib), Markus Tel.: 069/85008-368, Fax: -394, E-Mail: sih@op-online.de Wimmer (maw), Otto-Fleck-Schneise 4, 60528 Frankfurt. So erreichen Sie uns: Ralf Wächter, rwaechter@lsbh.de, Tel.: 069/6789 Sport in Hessen erscheint vierzehntägig zum Wochenende -262; Isabell Boger, iboger@lsbh.de, Tel.: 069/ 6789-267; Markus Bezugspreis: Jährlich Euro 51,11 einschl. Postgebühren und MwSt. Wimmer, mwimmer@lsbh.de, Tel. 069/6789-437; Fax: 069/6789-300. Bestellungen für Vereine beim Landessportbund Hessen e. V., Verlag: Pressehaus Bintz-Verlag GmbH & Co. KG, Waldstraße 226, für Privatpersonen bei Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG 63071 Offenbach Druck und Vertrieb: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG, Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Verfasser Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel. wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keine Abonnementverwaltung: Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel, Gewähr übernommen. Eine Rücksendepflicht besteht nicht. Tel.: 0561/60280-452, Fax: 0561/60280-499, E-Mail: abo-sih@dierichs-druck.de S I H X X / X X . X X .2016
SPORTPOLITIK 3 Mehr Lehr- schwimmbecken gefordert Landessportbund Hessen e. V. hält Sportstätten-Statistik für erforderlich Der Landessportbund Hessen e. V. (lsb h) hat sich dafür ausgesprochen, vermehrt auf den Bau und Erhalt von Lehrschwimmbecken zu setzen. „Der Ruf nach mehr Schwimmbädern ist zu unpräzise. Wenn wir nicht zum Engagement von Frauen Land der Nichtschwimmer werden wollen, bringen uns Spaßbäder nicht fördern und würdigen weiter. Wir brauchen Bäder, in denen Kinder wohnortnah schwimmen ler- nen können“, sagt Präsident Dr. Rolf Landessportbund startet Mentoring-Programm / Mehr Müller. Verdienstorden für Frauen gefordert Solche Lehrschwimmbecken sollten nach Einschätzung des lsb h möglichst fußläufig von jeder größeren Schule aus zu erreichen Der Landessportbund Hessen e. V. Eine stärkere Förderung von Frauen legt er sein. „Ich bin der festen Überzeugung, dass (lsb h) ist am 1. Februar mit zwölf auch den Mitgliedsorganisationen des Lan- heute jedes Kind schwimmen können sollte Tandems in die neue Auflage des dessportbundes nahe: „Nur gemeinsam – unabhängig davon, ob sich Eltern den Mentoring-Programms „Erfolgreich können wir Gleichstellung erreichen“, sagt teuren Eintritt in ein großes Bad leisten im Sport – Erfolgreich im Beruf – Er- Müller und bezieht sich damit explizit auch können oder nicht.“ Es brauche daher Lehr- folgreich im Leben“ gestartet. auf andere, eher unterrepräsentierte schwimmbecken, die vor allem Schulen und Gruppen. Vereinen zur Verfügung stehen und keine Einer im Sportkreis, Verband oder Sportver- allzu hohen Betriebskosten verursachen. ein engagierten Frau, die gerne neue Auf- Ehrungen zu „männerlastig“ „Dies sollte schon bei der Schulentwick- gaben oder Projekte übernehmen will lungsplanung bedacht werden“, so der („Mentee“), wird dabei eine erfahrene Nachholbedarf sieht der Landessportbund- lsb h-Präsident. „Funktionale Schwimmge- Mentorin mit Führungserfahrung zur Seite Präsident auch bei Ehrungen. Seiner An- legenheiten sind definitiv wichtiger als gestellt. sicht nach ist die Zahl der „Verdienstorden Bäder mit viel Schnick-Schnack.“ der Bundesrepublik Deutschland“, die in Zwölf Monate lang stehen beide in regel- Hessen beantragt und vergeben werden „zu In der aktuellen Diskussion um ein mäßigem Austausch, begleiten sich gegen- männerlastig“. „Wenn durchschnittlich nur „Schwimmbadsterben“ und die Zahl der seitig zu Veranstaltungen und versuchen, ein Drittel der Geehrten weiblich ist, spie- vorhandenen Bäder wiederholt Müller voneinander zu lernen. Für die Mentees gelt das nicht das wahre Bild der ehrenamt- unterdessen seine vor vielen Jahren aufge- bietet der Landessportbund Hessen zudem lichen Tätigkeiten in unserer Gesellschaft stellte Forderung nach einer neuen Sport- Seminare an. In diesen geht es um das wieder.“ stätten-Statistik. „Um zielführende Sportsystem in Hessen, aber auch darum, Diskussionen führen und gute Entscheidun- schlagfertig zu sein, den richtigen Ton zu „Wir dürfen niemanden vergessen, nur weil gen treffen zu können, brauchen wir zual- treffen, sich die eigenen Stärken bewusst er nicht an der Spitze steht. Denn jeder lererst einmal belastbare Zahlen. Dabei zu machen oder die eigene Teamfähigkeit Verein oder Verband lebt von einem star- reicht es nicht, einfach Bäder zu zählen. Es zu stärken. ken Unterbau“, sagt Müller. Er appelliert, gilt auch zu erfassen, wie geeignet diese dies bei Vorschlägen für Verdienstorden sind, die wichtige Grundsportart Schwim- Junge Frauen ermutigen künftig stärker zu berücksichtigen: „Es darf men in Schulen und Vereinen zu vermit- nicht der Eindruck entstehen, dass die vor- teln.“ Dieser qualitative Ansatz lasse sich „Wir müssen selbstkritisch zugeben, dass nehmlich männlichen Vereinsvorsitzenden auch auf Hallen, Plätzen und andere Sport- Frauen an der Spitze von Sportkreisen, Ver- ihre Geschlechtsgenossen bevorzugen“, anlagen übertragen. „Auch hier fehlt der- bänden und Vereinen gemessen an den sagt er mit Blick auf die Zahlen: 2019 wur- zeit eine solide Datenbasis über Menge und Mitgliederzahlen noch immer unterreprä- den in Hessen 83 Personen mit einem Ver- Zustand“, sagt Müller und bezeichnet es als sentiert sind“, sagt lsb h-Präsident Dr. Rolf dienstorden der Bundesrepublik ausge- schwerwiegenden Fehler, dass die Sportmi- Müller. „Mit unserem Mentoring-Programm zeichnet, nur 30 Prozent waren Frauen. nisterkonferenz die bis zum Jahr 2000 be- wollen wir deshalb insbesondere jüngere 2018 lag die Quote bei 35 Prozent. stehende bundesweite Sportstätten-Statis- Frauen ermutigen sich neue Aufgaben tik vor Jahren ersatzlos gestrichen hat. zuzutrauen.“ ib ib SIH 0 4 / 29.02.2020
4 TITELTHEMA INKLUSION Gemeinsam für mehr Teilhabe Fachtag „Sport und Inklusion“ begeistert über 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer / Theorie- und Praxisworkshops sorgen für neue Impulse R und 25 verschiedene Workshops, fast 160 Teil- nehmer, sieben Stunden Programm, knapp 20 Partner, eine Weiterempfehlungsrate von 91 Prozent und ein Staatssekretär, der betont: „Sport ist der Motor für mehr Inklusion.“ So lässt sich der Fachtag „Sport und Inklusion“, zu dem der Landessportbund Hessen (lsb h) am 2. Februar gemein- sam mit zahlreichen Fachverbänden nach Frankfurt eingeladen hatte, zusammenfassen. „Ich habe wirklich viel mitgenommen heute. Gerade bei den Theorie-Workshops habe ich gesehen, was noch alles möglich wäre. Wahr ist aber auch, dass man im Verein nicht alles so einfach umsetzen kann. Es geht nur Schritt für Schritt – und manches vielleicht gar zuschnuppern. Dementsprechend vielfältig waren auch nicht“, sagt eine der Teilnehmerinnen am Ende der die angebotenen Workshops. Da ging es beispielsweise OBEN Veranstaltung. um barrierefreie Sporthallen (Jens Prüller, Lan- Neue Erfahrungen dessportbund) und barrierefreies Webdesign (Rose Jo- sammelten die Teilnehmer bei den Es ist eine Einschätzung, die das Inklusions-Team des kic), um Leichte Sprache (Nikola Poitzmann) und um Praxis-Workshops. Landessportbundes Hessen durchaus teilt. Referent Gebärdensprache (Katharina Pape und Konstantin Be- William Sonnenberg: „Natürlich wünschen wir uns, dass gesow vom Deutschen Gehörlosen-Sportverband), um UNTEN sich möglichst viele hessische Sportvereine für Men- Kooperationen und Netzwerke (Dr. Jan Ries von der Über Chancen, schen mit Behinderung öffnen. Aber wir erwarten nicht, Hochschule Fulda, RinkA-Projekt), Fördermöglichkei- Möglichkeiten und dass sofort alles umgesetzt wird, was wir in unserem ten (Ulrike Lorch, FörderAkzente) oder rechtliche und Herausforderungen Handbuch ,Inklusion im Sport‘ aufgeschrieben haben. versicherungstechnische Aspekte (Ursula Schülzgen, von und für Inklusion im Soprt Es ist völlig in Ordnung klein anzufangen und auch zu ARAG). wurde auf dem schauen: Welchen Bedarf für Veränderungen in unse- Podium angeregt rem Verein gibt es überhaupt?“ Neue Praxiserfahrungen diskutiert. Fotos: lsb h Der Fachtag, sagt Sonnenberg, sollte es den Teilneh- „Oh Gott, das ist echt komisch, die Rückhand bekomme mern ermöglichen, in möglichst viele Bereiche hinein- ich überhaupt nicht hin“, ruft einer der Teilnehmer des SIH 0 4 / 2 9 . 0 2 . 2 0 2 0
TITELTHEMA INKLUSION 5 Workshops „Tischtennis inklusiv“. Normalerweise als Fußgänger unterwegs, fällt es ihm schwer aus dem Rollstuhl heraus Bälle anzunehmen und über den Tisch zu schmettern. Auch die Krückenfußballer im anderen Hallenteil haben ihre Probleme. Das Schießen gelingt ihnen zwar recht gut, aber der Ball erscheint vielen von ihnen einfach zu schnell, um ihn auf Krücken rechtzei- tig einholen zu können. Die geübten Spieler mit Pro- these stellen sich da deutlich besser an! Völlig neue Sinneserfahrungen machen Sehende auch beim Blindentennis. „Neue Erfahrungen sind ganz wichtig, wenn wir über Inklusion sprechen“, sagt Marc Mercurio, der beim Landessportbund das Projekt „Stark für Familien – Inklusion im Fußball (er)leben“ betreut. Erst, wer ein- Dafür, dass auch gehörlose Teil- mal im Rollstuhl gesessen hat, merkt, wie viel Prob- nehmer den Erfahrungsberich- leme eine kleine Schwelle bereiten kann. Wer versucht, ten, Vorschlägen und Einschät- einen Ball mit geschlossenen Augen zu fangen, wür- zungen folgen konnten, digt die Leistung von Goalballspielern hinterher ganz sorgten zwei Gebärdensprach- anders. Und wer einmal mit geistig behinderten Men- dolmetscher und zwei Schrift- schen Sport getrieben hat, der verliert vielleicht seine dolmetscher. Gewünschter Zu- Scheu vor ihnen. satzeffekt: Alle anderen Zuhörer bekamen eine Vorstel- Interessierter Personenkreis wächst lung davon, wie eine solche Übersetzung aussehen kann. Beim Fachtag Inklusion besteht die Herausforderung darin, dass die Teilnehmer – mehr als die Hälfte waren Einblick ins inklusive Übungsleiter – so unterschiedlich sind: Einige leben Sportabzeichen das Thema Inklusion in ihrem Verein bereits, andere stehen noch ganz am Anfang. „Wir wollten aber einen Einen Einblick geben – das Fachtag schaffen, der allen gerecht wird. Ich glaube, wollte auch Heike Sokoll vom im Endeffekt ist uns das ganz gut gelungen: Jeder Sportkreis Region Kassel, die das Sportabzeichen für konnte etwas Neues mit nach Hause nehmen, aber kei- Menschen mit und ohne Behinderung vorstellte. „Es OBEN ner wurde von diesem vielfältigen Thema komplett bietet wirklich eine tolle Chance, gemeinsam aktiv zu Die Gebärdendolmet- erschlagen“, resümiert William Sonnenberg. werden“, sagte sie und erklärte den Teilnehmern ohne scher hatten gut zu tun. Unterlass, auf was es ankommt. Wer sich ein bisschen Er lobt, dass so viele Verbände bereit waren, sich am anstrengte und seine ersten Disziplinen absolvierte – UNTEN Fachtag zu beteiligen. Neben den „Großen“, dem immerhin 100 Personen taten dies – erhielt dafür auch Auch Tischtennis Hessischen Behinderten- und Rehabilitations-Sport- einen USB-Stick mit diversen Informationsmaterialien funktioniert inklusiv! verband, den Turnern, Fußballern, Leichtathleten oder zum Thema „Sport und Inklusion“. Schwimmern, beteiligten sich auch kleine wie der Hes- sische Athleten-Verband oder mittelgroße wie der Wie sehr auch der Landesregierung daran gelegen ist, Kanu-Verband. Gegenüber dem 1. Fachtag vor fünf machte nicht nur die Anwesenheit von Dr. Stefan Heck, Jahren, stellt Sonnenberg fest, habe sich das Interesse Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innern am Thema deutlich erhöht: „Der Personenkreis ist grö- und für Sport, Abteilungsleiter Sport Jens-Uwe Münker ßer geworden, die Zahl der Vereine und Verbände, in und Marina Mohnen aus dem Referat Behinderten- denen man sich mit Inklusion beschäftigt, gewachsen. sport/Inklusion deutlich. Heck hatte auch einen Und anhand der vielen detaillierten Nachfragen, die Scheck über 6.000 Euro dabei, mit dem das Mi- Titelthema nun gestellt wurden sieht man, dass sich auch inhalt- nisterium den Fachtag Inklusion unterstützte. lich viel getan hat.“ In seinen Grußworten erklärte er dazu: „Wir Inklusion wollen Menschen mit Behinderung über den Dennoch gibt es noch viel zu tun, wie bei der Podiums- Sport ein selbstbestimmtes und aktives Leben im Sport diskussion zum Thema „Sport und Inklusion – Chancen, in unserer Gesellschaft ermöglichen. Dazu för- Möglichkeiten, Herausforderungen“ deutlich wurde. dern wir gezielt Projekte und Veranstaltungen mit Dr. Frank Weller, lsb h-Vizepräsident Vereinsmanage- dem Schwerpunkt Sport und Inklusion.“ ment und selbst Rollstuhlfahrer, Norbert Fleischmann, Inklusionsberater des HBRS, Frauke Ackfeld, Mitarbei- Einen Satz, den nicht nur lsb h-Vizepräsident Ralf- terin der Inklu-Beratung Hessen, die Special Olympics Rainer Klatt, HBRS-Präsident Heinz Wagner sowie Hessen-Geschäftsführerin Constanze Angermann und Geschäftsführer Thomas Prokein, sondern auch alle die beinamputierten Fußballspieler Jörg Schmidtke anderen Vertreter von Verbänden und Vereinen wohl- und Florian Fischer diskutierten dabei mit Moderatorin wollend zur Kenntnis nahmen. Katja Lüke, Referentin für Inklusion im und durch Sport Isabell Boger und Projektleiterin „Sport-Inklusionsmanager/in“. SIH 0 4 / 29.02.2020
6 TITELTHEMA INKLUSION Inklusion als Sportentwicklungsprozess Welche Parameter und Strukturebenen bei der Inklusion mitgedacht werden müssen – eine Einschätzung von lsb h-Vizepräsident Ralf-Rainer Klatt D er organisierte Sport ist immer auch ein Spiegel seiner Zeit: Er greift gesellschaftliche Entwick- lungen auf, er reagiert auf Herausforderungen, er passt seine Strukturen an und übernimmt da- mit nicht selten eine Vorreiterrolle – ob es nun um das wichtige Thema Gesundheitsförderung, die Integration von Geflüchteten oder die Nachmittagsbetreuung in Ganztagsschulen geht. Stillstand bedeutet Rückschritt: Das gilt für jeden ambitionierten Sportler, auch für das Sportsystem als Ganzes. „Als Landessportbund ist es deshalb unsere Aufgaben, an der Weiterentwicklung des organisierten Sports mitzuwirken und dafür ver- schiedene Parameter oder Strukturebenen zu verzah- nen“, ist Ralf-Rainer Klatt, Vizepräsident des Lan- dessportbundes Hessen (lsb h) überzeugt. Auch Inklusion begreift er deshalb als Sportentwick- lungsprozess und wichtige Querschnittsaufgabe für 2. Organisation: Wie lässt sich der inklusive Sport am den Verband und seine Mitgliedsorganisationen. Klatt besten organisieren? Entscheidungen darüber müssen OBEN definiert dafür verschiedene Parameter und Struktur auf allen Ebenen getroffen werden – beginnend beim Tischtennis gibt es ebenen, die beachtet werden müssen. „Wird nur ein Individuum über Gruppen (im Verein), in verbandli- schon lange als inklusiven Sport. einziger von ihnen nicht mitbedacht, nicht umgesetzt chen Strukturen bis in die Politik – wiederum auf allen Fotos: lsb h oder einfach vernachlässigt, werden keine zufrieden- Ebenen. Welche Angebote sind als Kurs, als Daueran- stellenden, inklusiven Ergebnisse entstehen. Solche gebot, indoor oder ourdoor, altersspezifisch oder ge- theoretisch anmutenden Überlegungen sind deshalb nerationsübergreifend sinnvoll? Welche Regelände- UNTEN notwendig, wenn inklusiver Sport in unserer Gesell- rungen helfen? Können Wettkämpfe inklusiv gestaltet Als Vizepräsident des schaft selbstverständlich werden soll.“ Nachfolgend werden? Landessportbundes Hessen e. V. ist werden diese Parameter genauer erläutert. Ralf-Rainer Klatt für 3. Sportangebote: Ziel muss es sein, Sport- und Bewe- das Thema Parameter und Strukturebenen gungsmöglichkeiten zu schaffen und zu entwickeln, Sportentwicklung die sich inklusiv umsetzen lassen, die erreichbar, aber zuständig. 1. Personen: Menschen mit und ohne Behinderung zu- auch ausgelastet sind. Es gilt zu überlegen: In wel- sammenzuführen, das bedeutet nicht einfach, chen Sportarten ist inklusives, miteinander Sport- ein gemeinsames Sporttreiben zu ermög- treiben bislang noch nicht möglich? Welche lichen. Sie müssen auch bei der Ent- Sportarten, die bislang eher Menschen mit scheidungsfindung für zukünftige Titelthema Behinderung unter sich ausüben, lassen Entwicklungen gleichermaßen ein- sich öffnen? Und welche neuen Sportar- bezogen werden. Inklusion ten und Bewegungsmöglichkeiten erwei- tern die Vielfalt in der Sportlandschaft? Dabei gilt es zu differenzieren: Zum im Sport einen sind die unterschiedlichen Vari- 4. Infrastruktur: Um inklusiven Sport zu anten der Beeinträchtigungen bei Men- ermöglichen, muss auch die Sportinfrastruk- schen mit Behinderung zu berücksichtigen tur an veränderte oder zusätzliche Anforderun- (z. B. körperlich, seelisch-emotional, geistig). gen angepasst werden. Barrierefreiheit bedeutet da- Zum anderen müssen die unterschiedlichen Funktio- bei mehr als Treppen durch Rampen zu ersetzen. nen beachtet werden: Die Sichtweise von aktiven Leitsysteme, Hinweise in verständlicher Sprache über Sportler*innen muss genauso betrachtet werden wie Bilder und Symbole oder eine besondere Akustik ge- die von Übungsleiter*innen, Trainer*innen und hören ebenfalls dazu. Ebenso müssem die Material- Assistent*innen, Funktionsträger*innen und und Geräteausstattungen überprüft und gegebenen- Zuschauer*innen. falls angepasst werden. SIH 0 4 / 2 9 . 0 2 . 2 0 2 0
TITELTHEMA INKLUSION 7 5. Finanzen: Die Entwicklung hin zu einem inklusiv(er) en Sportsystem wird nicht ohne zusätzliche Finanzmit- Bericht in tel zu stemmen sein. Sowohl in der planerischen Ge- staltung, vielmehr aber in der Umsetzung im personel- Leichter Sprache len wie im materiellen Rahmen sind Aufwüchse notwendig. Investitionen in den Sport können jedoch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht Synergien für andere Lebensbereiche erzeugen und darauf, dass man ihnen Informationen so verständ- sich dadurch doppelt auszahlen. Zudem muss über eine lich wie möglich vermittelt. Dazu dient die Leichte Umverteilung der Finanzmittel und eine Veränderung Sprache, die Sarah Heinisch nachfolgend für eine in der Prioritätensetzung zugunsten der Inklusion nachgedacht werden. Zusammenfassung der Veranstaltung Sport und Inklusion nutzt. 6. Kommunikation: Ob die Inklusion im Sport gelingt, wird nicht zuletzt von guter Kommunikation abhängen. Am 2. Februar fand eine Veranstaltung für Eine Auseinandersetzung über die Definition, Absich- Sport und Inklusion statt. ten, Einstellungen und wahrscheinlich auch Grenzen der Inklusion muss offen und vorurteilsfrei geführt Die Veranstaltung heißt Fach-Tag und wurde werden. Die goldene Regel lautet dabei: Miteinander vom Landes-Sport-Bund Hessen organisiert. statt übereinander reden! Menschen mit Behinderung in die Kommunikation einzubeziehen und dafür ent- Der Landes-Sport-Bund organisiert sprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, ist des- viele Veranstaltungen für den Sport. halb unabdingbar. Zu dem Fach-Tag kamen 160 Teilnehmer. 7. Werte: Eine Beteiligung von Menschen mit Behinde- rung im Sport, gezielt ausgerichtet und aufbereitet Viele der Teilnehmer waren Übungsleiter. oder auch gemeinsam mit Menschen ohne Beeinträch- tigung, führt dazu, dass allgemein gültige Werte des Übungsleiter sind Trainer von Sport-Gruppen. Sports wie Selbstverwirklichung, Begegnung, Gemein- Die Übungsleiter konnten sich viele Vorträge schaft, Gesunderhaltung, Ausgleich, Entspannung, Leistung etc. auch für Menschen Geltung gewinnen, anhören, zum Beispiel über: die bislang mehr oder weniger ausgegrenzt, auf sich • Sporthallen, die alle Menschen nutzen können gestellt waren oder gar keinen Zugang zum (organi- sierten) Sport gefunden haben. Der Sport, der grund- • Internetseiten, die alle Menschen lesen können sätzlich offen ist und eine hohe integrative Kraft be- sitzt, kann dazu beitragen, dass ein konstruktives • Leichte Sprache und Gebärdensprache. Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich wird. Wenn es im Sport gelingt, die Die Teilnehmer konnten aber auch viel Sport Ausgrenzung und Benachteiligung von Menschen mit machen, Behinderung zu reduzieren oder gar zu vermeiden, kann er Vorbild sein für viele andere gesellschaftliche zum Beispiel: Bereiche. • Tischtennis im Rollstuhl spielen Inklusion vorantreiben lohnt sich • Fußball mit Krücken spielen und „Allein deshalb lohnt es sich, die Inklusion im Sport • blind Tennis spielen. voranzutreiben“, sagt Klatt abschließend. Wenn es ge- linge, die oben beschriebenen Parameter des Sportent- Jeder Mensch soll Sport machen können. wicklungsprozesses zu verzahnen, werde inklusiver Auch Menschen mit Behinderungen sollen Sport Sport für die Gesellschaft in einigen Jahren selbstver- ständlich sein. „Als Konsequenz könnten sich die – machen können. zurzeit weiterhin absolut notwendigen – ,Spezialver- Menschen mit und ohne Behinderungen sollen bände‘, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen, auf Aufgaben in der Wett- zusammen Sport machen. kampforganisation konzentrieren und ihre Kompeten- zen sportartenübergreifend in Beratungen und Qualifi- An dem Fach-Tag Sport und Inklusion kationsprozesse der weiteren Sportentwicklung lernen die Übungsleiter, einbringen.“ wie alle zusammen Sport machen können. Isabell Boger/Ralf-Rainer Klatt Darum ist der Tag wichtig. SIH 0 4 / 29.02.2020
8 TITELTHEMA INKLUSION Mit Partnern geht es besser Beispielhafte Inklusions-Arbeit im Sportkreis Fulda-Hünfeld H arald Piaskowski ist Vorsitzender des Sport- kreises Fulda-Hünfeld und stand bis 2016 beim Kanuclub Fulda in der Verantwortung. Pias- kowski beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Inklusion im Sport, inzwischen auf ganz unter- schiedlichen Ebenen. Piaskowski arbeitet seit vielen Jahren im Sport, mit Menschen mit Handikap arbeitete er erstmals als Vorsitzender des Kanu-Club-Fulda. Seit 2004 kooperiert der Kanu-Club mit dem Antonius Netzwerk Mensch, einem Träger der Behindertenhilfe in Fulda. Inzwischen hat der Kanu-Club etwa 40 Mit- glieder für sein Angebot gewinnen können und viele Auszeichnungen erhalten. „Wichtig ist für den Verein, dass er eine Trägereinrichtung vor Ort als Partner ein- binden kann“, ist Piaskowski überzeugt „In Fulda ha- Natürlich müsse jeder die Möglichkeiten in seinem Um- ben wir zudem das besondere Glück, dass der HBRS feld genau prüfen und sicher sei es nicht möglich, an seine Landesverwaltung vor Ort hat und Special Olym- jedem Ort jede Sportart für jede Behinderung anzubie- pics Hessen ebenfalls präsent ist.“ ten, weiß Piaskowski. „Der Fachtag Inklusion war mei- nes Erachtens besonders geeignet, Ideen zu sammeln Ist ein Projekt erst einmal gestartet – davon ist er und Hürden abzubauen. Das sollte weiter verfolgt OBEN überzeugt – werde es schnell zum Selbstläufer. Wichtig werden.“ Inklusiven Fußball seien Trainer und Übungsleiter, die sich mit dem Thema mit sehr spannenden Spielen gab es auf identifizieren können. Erfolgsmodell Familiade dem Fachtag in Frankfurt zu sehen. Voraussetzung: motivierte Übungsleitende Im vergangenen Jahr haben Sportkreis, Sportkreis-Ju- Toll dabei: Die gend und lsb h beim Hessischen Familientag eine Begeisterung, Um diese zu gewinnen, hatte der Sportkreis im vorletz- „Rhön-Familiade“ angeboten. Bei den elf Stationen mit der die ten Jahr in Zusammenarbeit mit den Kanuten, wurde darauf geachtet, dass die Angebote „In- Spieler*innen bei William Sonnenberg vom Geschäftsbereich klusiv“ waren. Der Ansatz war ein voller Er- der Sache waren. Foto: lsb h Sportentwicklung des lsb h und der Sport- folg: „Das hat viele Menschen zu uns in jugend Hessen eine Profilerweiterung In- Titelthema den Fuldaer Schlossgarten geführt und klusion in Fulda angeboten. „Das be- allen, auch uns Helfern vor Ort, viel sondere Highlight, das darauf aufbaute, war eine Inklusive Fahrtenleiterausbil- Inklusion Spaß gemacht. Ich denke, dass das Fes- tival des Sports bei den Hessentagen, dung, als Einstieg für eine Trainer-C- im Sport Sport-Messen in den Sportkreisen und Ausbildung, die auf großes Interesse – Tage der offenen Türen in den Vereinen auch beim Deutschen Kanu Verband – optimale Eingangsvoraussetzungen bie- gestoßen ist“, erinnert sich Piaskowski. ten“, ist Piaskowski überzeugt. Zumal der lsb h, die Sport-Jugend Hessen, der HBRS und Spe- Der Sportkreis Fulda-Hünfeld bietet seit 2016, damals cial Olympics Hessen kompetente Beratung und Unter- stand der Sportabzeichen-Tour-Stopp in Fulda unter stützung bieten würden. dem Motto „Inklusion“, verstärkt Sportabzeichen-An- gebote für Menschen mit Handicap an. „Wir haben Auf dem Weg zur Normalität etwa 30 Prüfer*innen, die die Abnahmeberechtigung hierfür haben“, erzählt der Sportkreisvorsitzende „Für mich ist die Arbeit mit behinderten Menschen in- stolz. Im Bereich der nordhessischen Sportkreise zwischen ganz normal und ich denke, es gibt viele An- wurde im vergangenen Jahr ein runder Tisch Inklusion gebote, die den Hinweis ,inklusiv’ gar nicht benöti- initiiert, der sich intensiv mit der Weiterentwicklung gen“, sagt er. „Ich war im September bei einem befasst. Als erster Schritt wurde eine Übungsleiter- Bundesligawettkampf der Sportschützen. Da waren und Trainer-Fortbildung durch die Sportkreis-Jugend Rollstuhlfahrer am Start, die Bestleitungen gezeigt im Sportkreis Waldeck-Frankenberg angeboten. Das haben.“ soll fortgesetzt werden. Markus Wimmer SIH 0 4 / 2 9 . 0 2 . 2 0 2 0
LEISTUNGSSPORT 9 Nach dem Wintermärchen In der Serie „Hessische Erfolgsgeschichten“ porträtiert die Sportstiftung Hessen erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler. Dieses Mal: Stephan Leyhe E s ist nicht so, dass Stephan Leyhe bis zu seinem umjubelten Weltcupsieg in Willingen als Einzel- springer keine Erfolge vorweisen konnte. Bei der Vierschanzentournee 2018/19 wurde er überra- schend Dritter im Gesamtklassement, und das ohne im Verlauf der Tournee auch nur ein einziges Mal auf dem Podium gestanden zu haben. Überhaupt, und das ist vermutlich auch der Grund da- für, weshalb er primär als Teamplayer wahrgenommen wird, hatte der Nordhesse im Einzel bislang zwar zahl- reiche Ergebnisse in den Top Ten – unter die besten Drei war er aber nur zweimal gekommen: Zu Beginn der vorigen Saison in Wisla (Polen) und dann, eine Woche vor seinem Triumph auf der Mühlenkopfschanze, auch in Sapporo. Bis dahin hatte er sich von Wettkampf zu Wettkampf gesteigert. Sein erster Weltcupsieg lag förmlich in der Luft. Im heimischen Willingen war die Zeit dann endlich reif: „Ich war ganz klar im Kopf, habe mich nicht ablenken lassen“, sagt Stephan Leyhe, der genau wusste, dass er in Top-Form ist. Um danach nicht ohne Beruf dazustehen, wird Stephan Leyhe vermutlich noch in diesem Jahr ein Architektur- Sportstiftung Hessen bietet Know-how studium an einer Fernuni beginnen, von dem er glaubt, OBEN es mit dem professionellen Skispringen sehr gut ver- Stephan Leyhe Dass es nun ausgerechnet in der Heimat geklappt hat einbaren zu können. Und apropos professionell: Von strahlt noch immer über seinen (Leyhe stammt aus Schwalefeld, einem Ortsteil von seinem Sport kann Leyhe leben. Er weiß aber genau, Weltcupsieg in Willingen), wirkt trotz der positiven Vorzeichen er- wie schwierig es ist, so weit zu kommen. Willingen. staunlich. Denn in all den Jahren, in denen der Foto: Tadeusz 28-jährige Sportsoldat im Weltcup am Start ist, war es Kontakte sind wichtig Mieczynski/Ski-Club dort für ihn immer suboptimal gelaufen. Leyhe: Willingen e. V. „Früher war ich schon sehr nervös. Aber danach lief es Eine Frage nach der Sportstiftung Hessen muss ihm normal. Mir hat in Willingen auch einfach das Glück deshalb gar nicht gestellt werden. Er eröffnet das gefehlt.“ In der Weltspitze gehe es außerdem äußerst Thema von selbst und lobt neben der finanziellen Kom- eng zu, man brauche extrem viel Geduld, um nach ponente vor allem auch die gebotenen Kontakte und ganz oben zu kommen. Dem Team-Weltmeister von das verfügbare Know-how auf unterschiedlichen 2019 und Gewinner von olympischem Team-Silber in Ebenen. Pyeongchang ist das nun endlich auch im Einzel gelungen. Sein Selbstbewusstsein ist dadurch deutlich Was ihn selbst angeht, so möchte er dem Skispringen gestiegen, weshalb er der verbleibenden Saison posi- auch später in irgendeiner Form treu bleiben. Als Trai- tiv entgegensieht. ner zu arbeiten, kann er sich allerdings nur in einem ehrenamtlichen Rahmen vorstellen: „Das hängt dann Ziel ist es, bei der Skiflug-WM Ende März mit dem Team auch davon ab, wohin es mich beruflich einmal eine Medaille zu gewinnen, doch auch als Einzelsprin- verschlägt.“ ger will der Mann vom SC Willingen weiterhin vorne mitmischen. Wie gut es derzeit für ihn läuft, das zeigt Margit-Rosa Rehn auch der Blick auf den Gesamtweltcup, wo er auf dem siebten Platz liegt. Könnte er diese Position halten, wäre es das beste Ergebnis in seiner bisherigen Karri- Weitere Informationen unter www.sportstiftung- ere, die mindestens noch bis zu den Spielen 2022 in hessen.de und auf www.facebook.de/sportstiftunghessen Peking andauern soll. SIH 0 4 / 29.02.2020
10 GESUNDHEITSSPORT Mit Bewegung gegen den Krebs Fachtag „Sport und Krebs“ kommt bei Übungsleitern, Ärzten und Betroffenen gut an / Weitere Vernetzung angestrebt K rebs mag keinen Sport: Diesen Satz sagt Dani- ela, 2016 an Gebärmutterhalskrebs erkrankt, in einem Film über das Projekt „Bewegt bleiben“, das von der Deutschen Krebshilfe gefördert und vom Landessportbund Hessen (lsb h) umgesetzt wird. Es ist ein Satz, der im Kopf bleibt – und an den man im Verlauf des Fachtags „Sport und Krebs“, zu dem der lsb h am 1. Feburar eingeladen hatte, immer wieder denken muss. Dann, wenn Dr. Katharina Graf zahlreiche aktuelle Stu- dien zitiert, die die positiven Effekte von Sport eindeu- tig belegen. Dann, wenn Jana Müller die Bewegungs- empfehlungen für Erkrankte vorstellt, wenn verschiedene Referenten praktisch vermitteln, wie Sportangebote für (ehemalige) Krebspatienten ausse- hen können. Vor allem aber beim Vortrag von Prof. Dr. Elke Jäger, Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hä- matologie am Frankfurter Krankenhaus Nordwest. Sie erzählt davon, wie 1992 die onkologische Station am Krankenhaus Nordwest aufgebaut wurde, wie sie es kaum ertragen konnte zu sehen, wie depressiv viele Krebspatienten die Diagnose stimmte, wie passiv sie die Behandlungen über sich ergehen ließen. Am Ende war es ihre Intuition, der Prof. Dr. Jäger folgte: Sport, so sagte ihr diese, könnte gut tun. Jäger startete eine Pilotstudie – mit durchschlagenden Ergebnissen: Die Patienten fühlten sich wohler, ihre körperliche Leis- tungsfähigkeit verbesserte sich messbar, das Immun- system wurde gestärkt, Nebenwirkungen der Medika- mente gelindert. Und vor allem: Auch psychisch ging es den Patienten besser. Dennoch, sind sich alle Teilnehmenden einig, gibt es Überwältigende Resonanz noch viel zu tun. Insbesondere die Zusammenarbeit OBEN zwischen Kliniken, Ärzten und Rehaeinrichtungen auf Die Theoriework- Heute, rund 15 Jahre nach der Pilotstudie, hat sich die der einen und Vereinen auf der anderen Seite sollte shops kamen bei den Teilnehmern gut an. Erkenntnis, dass Sport sowohl in der Prävention und weiter verbessert werden. Lindner: „Genau das ist ei- Fotos: lsb h Rehabilitation als auch in der akuten Therapiephase nes der wichtigsten Aufgaben des Projekts ,Bewegt förderlich ist, längst durchgesetzt. Das zeigt sich auch bleiben‘. Wir treiben die Vernetzung in den Modell- UNTEN an den Teilnehmerzahlen des Fachtags, den der Lan- kommunen Frankfurt und Offenbach weiter voran und Die Deutsche dessportbund gemeinsam mit dem Krankenhaus Nord- übertragen die gewonnenen Erkenntnisse dann auch Krebshilfe ist Partner von „Bewegung west/UCT Frankfurt, dem Hessischen Behinderten- und auf andere Gebiete.“ gegen Krebs“. Rehabilitations-Sportverband und dem Hessischen Warum, das Turn-Verband, veranstaltet hat: Rund 140 Übungslei- Übergang im Verein verbessern erläuterte Winfried ter, Ärzte und Betroffene sind der Einladung gefolgt. Schüller den rund „Die Resonanz ist überwältigend“, sagt Evi Lindner, Konkret heißt das: Der Landessportbund Hessen setzt 140 Teilnehmern. Referentin für Präventions- und Gesundheitssport und sich dafür ein, dass die Vereine mit ihren Krebssport- Leiterin des Projekts „Bewegt bleiben“. „Daran sieht gruppen elementarer Bestandteil der onkologischen man, dass das Thema durchaus in den Vereinen ange- Versorgungskette werden: Der Übergang von den kommen ist.“ Akut- und Rehabilitationskliniken, die heute vielfach SIH 0 4 / 2 9 . 0 2 . 2 0 2 0
GESUNDHEITSSPORT 11 eine onkologische Bewegungstherapie anbieten, in die voneinander lernen“, sagt eine. „Dass so viele Ärzte da Vereine soll verbessert werden. Neben der Umsetzung waren hat gezeigt: Auch hier gibt es Bereitschaft zur des Projekts „Bewegt bleiben“ arbeitet der lsb h des- Zusammenarbeit. Darauf können und müssen wir auf- halb im Netzwerk Onko Aktiv mit, er kooperiert mit der bauen“, eine andere. Hessischen Krebsgesellschaft und arbeitet mit ver- schiedenen Kliniken zusammen. Auch Evi Lindner ist zufrieden: „Es ist schön zu sehen, wie viele Vereine und Übungsleiter sich schon heute „Dieser Fachtag liefert einen wichtigen Beitrag zu für das Thema interessieren und sich auf dem neuesten dieser Vernetzung“, betont Ralf-Rainer Klatt, Vizeprä- Stand halten wollen. In den vergangenen Jahren hat sident Sportentwicklung des Landessportbundes sich nämlich viel getan: Die Zeiten, in denen Krebspati- Hessen: „Dass hier Ärzte und Übungsleiter aufeinan- enten beim Training nur mit Samthandschuhen ange- dertreffen, zeigt, dass die Bereitschaft zur Zusammen- packt wurden, sind vorbei. Wie fordern, ohne zu über- arbeit hoch ist. Außerdem haben wir heute tolle Refe- fordern, dass es funktionieren kann, glaube ich bei rentinnen, die uns sowohl in der Theorie als auch in unseren Praxisworkshops deutlich.“ der Praxis wichtiges Know-how für die tägliche Arbeit Isabell Boger mit Krebspatienten vermitteln.“ Die weibliche Form „Referentinnen“ hat er dabei mit Absicht gewählt: Kein einziger Mann war unter den Vortragenden des lsb h Know-how für und des HBRS, des Krankenhauses Nordwest, der Uniklinik Frankfurt am Main, des NCT Heidelberg und Übungsleiter des Frankfurter Markus-Krankenhauses. Beide Geschlechter gleichermaßen betroffen Ausbildung zum Übungsleiter B - Auch ein Blick in die Reihen der Teilnehmenden zeigte: Bewegung in der Krebsnachsorge Sport und Krebs – das ist zu großen Teilen noch immer ein weibliches Thema. „Ich kenne das von fast allen Eine Ausbildung zum „Übungsleiter B Re- Fortbildungen in diesem Bereich: Männer sind in der habilitation – Bewegung in der Krebs- Minderheit – obwohl sie genauso häufig an Krebs er- nachsorge“ bietet der Landessportbund kranken wie Frauen“, sagt einer der wenigen männli- Hessen im Frühjahr 2021 erstmals in Ko- chen Teilnehmer, einst selbst Krebs-Patient und heute operation mit dem Hessischen Behinder- Übungsleiter. ten- und Rehabilitationssportverband (HBRS) an. Doch woran liegt das? Die Studienlage ist eindeutig: Nicht nur bei Brust-, sondern auch bei Darm- oder Pro- Übungsleiter, die diese Lizenz erwerben, statakrebs ist der Nutzen von Bewegung vielfach nach- sind berechtigt, eine beim HBRS aner- gewiesen. Erkrankungen also, die mindestens genauso kannte und zertifizierte Rehabilitations- häufig Männer wie Frauen betreffen. „Vielleicht müs- gruppe im Bereich Krebssport anzubieten sen wir bei unseren Angeboten deutlicher machen, und mit den Kostenträgern abzurechnen. dass sie auch für Männer geeignet sind?“, überlegt eine Übungsleiterin in der Diskussion selbstkritisch. Die Ausbildung vermittelt medizinische und psychosoziale Grundlagen von Krebs- Doch wie bewirbt man ein solches Sportangebot über- erkrankungen und zeigt praxisnah auf, wie haupt? Nimmt man Begriffe wie Krebssport in den Bewegungsangeboten für die entspre- Mund oder vermeidet man sie lieber? Die Teilnehmen- chende Zielgruppe im Sportverein geplant den sind gespalten. „Wir wissen doch alle: Krebs kann und umgesetzt werden können. Unter an- jeden treffen. Wer eine Krebssportgruppe besucht, derem wird den Teilnehmenden vermittelt, muss heute keine Stigmatisierung mehr erleiden“, sagt wie eine Übungsstunde aufgebaut werden eine Reha-Übungsleiterin aus Nordhessen. „Bei uns kann, welche didaktisch-methodischen schrecken schon einige davor zurück“, entgegnet eine Überlegungen eine Rolle spielen sollten andere. und was beim Einrichten einer neuen „Krebssport“-Gruppe zu beachten ist. Bei anderen Herausforderungen sind sich alle einig: Die Abrechnung der Krebssportangebote über die „Menschen, die an Krebs erkrankt sind, be- Krankenkassen ist komplex und bereitet vielen Verei- finden sich in einer sensiblen Lebensphase. nen Probleme. Viele kennen auch das Dilemma, das Sport und Bewegung können helfen, diese ehemalige Krebspatienten am liebsten für immer in Phase besser zu überstehen. Unser Ausbil- den Gruppen bleiben würden. „Es ist eine Herausforde- dung vermittelt Übunsleitern das nötige rung, sie in normale Sportangebote zu überführen“, Know-how und ensprechende Methoden, bringt es eine Teilnehmerin auf den Punkt. Einfach Lö- damit sie diesen Prozess gewinnbringend sungen für diese Fragen gibt es auch auf dem Fachtag gestalten können“, sagt Evi Lindner, nicht. Trotzdem gehen die Teilnehmer zufrieden nach lsb h-Referentin für Präventions- und Hause. „Es ist gut, sich auszutauschen, man kann ja Gesundheitssport. ib SIH 0 4 / 29.02.2020
SPORTBERICHTERSTATTUNG 13 Die Vielfalt von Hessens Sport abbilden Dr. Rolf Müller begrüßt hr-Konzept für „Heimspiel! am Samstag“ Nach Ansicht des Präsidenten des Landessportbundes Hessen, Dr. Rolf Müller, ist das neue Konzept des Hes- sen-Fernsehens für die Sendung „Heimspiel! am Samstag“ ein richti- hr-„Heimspiel!“ ger Schritt, die Vielfalt des Sportge- schehens in Hessen besser als bisher Dein Sportverein abzubilden. OBEN Blick in die im Fernsehen Der lsb h-Chef, der auch Vorsitzender des hr-Sportredaktion: Markus Philipp hr-Fernsehausschusses ist, nannte die Idee (stehend am Tisch) Hessischer Rundfunk sucht Vereine für seine einer „Konferenzschaltung“ von verschie- und seine Konferenzschaltung am Samstagnachmittag denen Sportereignissen und Sportarten Kolleginnen und eine „ermutigende Abkehr von der bisheri- Kollegen planen gen Konzentration auf die Darstellung des „sportliche“ Sportvereine aufgepasst: Der Hessische Rund- kommerziellen Profisports, zumal es keine Tages- und funk sucht Vereine, die im neuen Format der Rolle spielt, in welcher Liga die jeweiligen Wochenthemen. Fernsehsendung „Heimspiel! am Samstag“ da- Foto: hr Spiele oder Wettkämpfe stattfinden“. bei sein wollen. Jeden Samstag werden hier ab 17.15 Uhr vier unterschiedliche Nachmittags- Menschen dahinter spiele und -wettkämpfe in Form einer Konfe- renzschaltung zusammengefasst und von Re- Hinzu komme, dass sich die Berichterstat- porterinnen und Reportern live kommentiert. tung auch auf interessante Geschichten Die Palette umfasst dabei den gesamten Spit- und Typen aus dem Vereinsgeschehen er- zen- und Breitensport, von Fußball über Rugby strecke. Schließlich bestehe das Vereinsge- Sportvereine, die oder Tischtennis bis hin zur Leichtathletik. schehen nicht nur aus dem sichtbaren sich für die Sendung Wettkampfereignis, sondern auch aus den bewerben wollen, „Die Liga spielt dabei keine Rolle“, sagt hr-Sportchef sollten dies mit „Menschen dahinter“. Dr. Rolf Müller: „Bis Marcus Augustin. „Wichtig ist uns, die Vielfalt des einer E-Mail an die ein Spiel beginnen kann, müssen in den Adresse heimspiel@ Sports in Hessen und die Vielfalt der Geschichten in teilnehmenden Clubs viele Räder ineinan- hr.de tun. Die E-Mail den Vereinen zu zeigen.“ der greifen, die der Außenstehende nicht sollte kurze sieht, die jedoch für das Funktionieren Informationen zur Beispiele für diese Geschichten in den Vereinen, die so wichtig sind.“ Veranstaltung und im „Heimspiel!“ bereits gesendet wurden, ist der zu einer möglichen Bericht über den erfolgreichsten Torschützen Deutsch- Geschichte aus dem Große Verbreitung lands in der Kreisklasse in Hessen oder aber die Vereinsgeschehen haben. Achtung: Ein Geschichte über das 17-jährige hoffnungsvolle Nach- Müller forderte die hessischen Vereine auf, Bericht, der lediglich wuchstalent im Ringen. Der junge Mann geht regulär sich beim hr-Fernsehen um eine Übertra- die Vorstellung des zur Schule und anschließend ins Training. Obwohl bei- gung ihrer Sportangebote zu bewerben. Vereins zum Ziel hat, des fast den größten Teil seiner Zeit beansprucht, hat Damit trügen die Sportvereine zu einer bes- ist nicht möglich. er sich fünf Kühe als Hobby zugelegt. seren und umfangreicheren Präsentation der Vielfalt des Sports in Hessen bei, denn, Wichtig für eine Bewerbung ist jedenfalls, dass die so Müller, „neben der Live-Übertragung am Spiele oder Wettkämpfe samstags um 16 Uhr beendet Samstagnachmittag werden die Ereignisse sein müssen. Das ist nachvollziehbar, schließlich wer- auch in der ARD-Mediathek und im Internet den die Beiträge nur gut eine Stunde später ausge- unter www.hessenschau.de zu sehen sein“. strahlt. Die Bewerbungsadresse und weitere Details zur Bewerbung sind nebenstehend abgedruckt. Ralf Wächter SIH 0 4 / 29.02.2020
14 SPORTFÖRDERUNG Im Dschungel der Fördertöpfe 30. Gemeinschaftstagung „Internationales“ von DOSB, dsj, Landessportbünden und ihrer Jugendorganisationen in Frankfurt A ktuelle und künftige Fördermöglichkeiten durch die Europäische Union standen im Mit- telpunkt der 30. Gemeinschaftstagung Inter- nationales, zu der sich in Frankfurt Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), der Deutschen Sportjugend (dsj), der Landessportbünde und ihrer Jugendorganisationen sowie des EOC EU-Bü- ros in der Sportschule des Landessportbundes Hessen getroffen haben. Folker Hellmund, Direktor des EOC EU-Büros, und An dreas Bold, EU-Referent des DOSB in Brüssel, präsen- tierten die Entwicklungen in der EU-Sportpolitik und gaben einen Überblick über aktuelle und zukünftige Fördermöglichkeiten. Mit Blick auf die kommende För- derperiode ab 2021 wurde diskutiert, wie der Sport besser von Programmen der EU profitieren könnte. getragen, wie der organisierte Sport einfacher in den Genuss von EU-Fördermitteln kommen könnte. An OBEN Dabei beschäftigten sich die Teilnehmer mit verschiede- dreas Klages, Hauptgeschäftsführer des Landessport- Wie kann der nen Fördermöglichkeiten wie dem Europäischen Fonds bundes Hessen und Gastgeber der Tagung, betonte wie organisierte Sport von EU-Förderprogrammen für regionale Entwicklung (EFRE), ELER (Europäische wichtig die Zusammenarbeit von Land, Kommunen und profitieren? Diese und Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen organisiertem Sport im Bereich der Sportentwicklung, weitere Fragen Raums) oder Erasmus+. Die Programme (bis auf Eras- insbesondere auch der Sportstättenentwicklung sei. diskutierten (von mus+) haben zunächst keinen direkten Bezug zum Sport, Dort gelte es, auch über die Ressortgrenzen der Minis- links) Uwe Polsfort, vielmehr liegen ihre Schwerpunkte in anderen Politik terien hinweg, miteinander im Gespräch zu bleiben. Dr. Angela Daalmann feldern, z. B. der Entwicklung des ländlichen Raums. Gemeinsames Ziel von Landesregierung, Kommunen und Andreas Klages und Landessportbund müsse sein, die besten Lösungen mit Moderator Folker Hellmund. Stimme des Sports wird gehört für den Sport zu finden. Foto: Markus Wimmer Dass die Stimme des Sports dennoch durchaus gehört Hierzu zähle zunächst, die jeweils zielführenden Förde- wird, machte Joachim Dippel vom Hessischen Land- rungen zu identifizieren und die Sportorganisationen wirtschaftsministerium deutlich. Dippel ist dort verant- von der Antragstellung bis zur Umsetzung unterstüt- wortlich für das Programm ELER und räumte ein, dass zend zu begleiten, denn eines sei sicher: „Unsere Ver- der Sport in diesem Förderprogramm zunächst keine eine sind keine EU-Förderantragstellungsexperten.“ große Rolle gespielt habe. Bei ELER stehe die Förde- rung des ökologischen Landbaus und die Verbesserung Den Fokus auf EU-Strukturfonds richten der Lebensbedingungen auf dem Land im Vordergrund. Durch die Zusammenarbeit mit dem Landessportbund Andreas Klages plädierte dafür, die EU-Strukturfonds Hessen im Begleitausschuss des Programms sei aller- noch mehr in den Blick zu nehmen. Zum einen läge der dings schnell deutlich geworden, dass auch der Sport Förderanteil weit höher als bei anderen Programmen, und Sportprojekte durchaus förderfähig sein können. zum anderen würden die Anträge von den Fondsver- Der Sport und insbesondere die Sportvereine seien be- waltern vor Ort bearbeitet werden, denen die Struktu- deutende Akteure der Zivilgesellschaft und die Schaf- ren vor Ort nicht völlig fremd seien. fung und der Betrieb von Sportmöglichkeiten ein wich- tiger Faktor für Lebensqualität im ländlichen Raum. Politik muss vorangehen Strukturprogramme im Blick Dr. Angela Daalmann, frühere Referentin für internatio nale Angelegenheiten und jetzige Leiterin der Stabs- Im Podiumsgespräch, moderiert durch Folker Hellmund stelle für Grundsatzfragen beim LandesSportBund Nie- (EOC EU-Büro), wurden unterschiedliche Ansätze vor- dersachsen, sah in erster Linie die (Europa-)Politik SIH 0 4 / 2 9 . 0 2 . 2 0 2 0
SPORTFÖRDERUNG 15 gefordet, um die Förderung des Sports und der Sportin- frastruktur nachhaltig zu verbessern. Angesichts der Tatsache, dass Sport und Sportförderung in vielen EU- Förderprogrammen nur am Rande oder gar nicht vor- Ausstellung kommt, sei es nötig, die politische Lobbyarbeit noch zu intensivieren. An dieser Stelle nahm sie auch das EOC- über „Kleider in Büro in die Pflicht und wünschte sich noch mehr Unter- stützung. „Man kann die Problematik nicht nur von der Bewegung“ Arbeitsebene her betrachten, sondern muss die Frage auch politisch angehen“, betonte sie. Die Spitzen des Historisches Museum Frankfurt zeigt organsierten Sports und die Politik müssten ihre Auf- Entwicklung der Frauenmode – auch im Sport fassung nach grundsätzlich klären, wie Sport künftig in den Genuss von EU-Fördermitteln kommen kann. Ende des 19. Jahrhunderts geriet die Gesell- Hohe Hürden zu nehmen schaft in Bewegung: Standesschranken fielen, demokratische Kräfte wurden stärker, Industri- Wie die Erfahrungen mit EU-Programmen konkret aus- alisierung und Elektrifizierung brachten große sehen können, und welche Hindernisse es zu überwin- Veränderung. Das wirkte sich auch auf die den gilt, erläuterte Uwe Polsfort, Vorstandsmitglied Mode aus – insbesondere die der Frauen! Sie des Freiburger Kreises und Funktionär des TSV Bayer- verzichteten zunehmend auf ein Korsett, das Leverkusen. Sein Verein koordiniert seit kurzem ein Reformkleid ermöglichte mehr Bewegung und EU-gefördertes Projekt im Bereich Sport und Gesund- als nach dem ersten Weltkrieg neue Freizeit- heit. Nach seiner Aussage handelt es sich aktuell um möglichkeiten aufkamen, ging es auch darum, das einzige EU-Projekt, dass gemeinsam mit einem was Frauen zum Sport tragen sollen, können Verein abgewickelt wird. und dürfen. „Das hat zum Einen mit unserer Größe und Struktur zu Vom 19. März bis 19. Juli beschäftigt sich das Histori- tun, zum anderen spielt es eine große Rolle, dass wir sche Museum Frankfurt unter dem Motto „Kleider in Be- als Verein auch Träger von offener Kinder- und Jugend- wegung“ mit dieser Entwicklung. Anhand einer beein- arbeit sind und als ‚Quartiersverein‘ in die Strukturen druckenden Kleidersammlung aus dem 19. und frühen der städtischen Zivilgesellschaft eingebunden sind.“ 20. Jahrhundert zeigt die Ausstellung auf, wie der Frau- Inwiefern das Leverkusener Projekt beispielgebend enkörper durch die sich verändernde Kleidung an Bewe- sein kann, wollte Polsfort nicht eindeutig beantwor- gungsfreiheit gewann. Die gesellschaftliche und modi- ten. Sein Urteil fiel eher skeptisch aus: „Die Hürden der sche Entwicklung bedingte sich dabei stets gegenseitig: EU-Projekte sind sehr hoch. So hoch, dass sich der da- Neue Arbeitsmöglichkeiten und höhere Mobilität mach- mit verbundene Aufwand für ein einziges Projekt fast ten Neuerungen im Schnitt der Kleidung notwendig. gar nicht lohnt“, dämpfte er die Erwartungen der Teil- Erstmals trugen Frauen Kostüm oder Hose, das Bild der nehmer. Er plädierte für die Schaffung einer zentralen emanzipierten und berufstätigen Frau entstand. Stelle, die Vereine, Verbände und Sportbünde bei der Antragstellung unterstützt, Fragen beantworten und Diese wollte natürlich auch in der Freizeit nicht zurück- Hinweise geben kann. stecken: Sport gewann an Bedeutung und Frauen mit Markus Wimmer einem trainierten Körpern wurden nach und nach zu ei- nem neuen Schönheitsideal. Doch dahinter steckte viel Arbeit: Der Zugang zu jeder Sportart musste erkämpft werden, es gab Kleidervorschriften und -kontrollen. Ob EU-Förderprogramme im Überblick: das heute noch so ist, wird am 13. Mai bei einer Diskus- EFRE: Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) soll durch sionsveranstaltung unter dem Motto „Gender, Sport Beseitigung von Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Regionen den und Kleidung“ diskutiert, zu der das Historische Mu- wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Europäischen Union seum gemeinsam mit dem Sportkreis Frankfurt und dem stärken. Schwerpunktbereiche: Forschung und Innovation, Digitale Agenda, Frauenrat der Stadt Frankfurt einlädt. Isabell Boger Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) CO2-arme Wirtschaft ELER: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. LEADER: Als ein Schwerpunkt des Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER) unterstützt LEADER die Entwicklung im ländlichen Mehr zur Ausstelung Raum. und Sonderveranstal- ESF: Europäischer Sozialfonds. Der ESF investiert in die Verbesserung der tungen unter www. Beschäftigungs- und Bildungschancen in der EU. Außerdem verfolgt er das Ziel, historisches-museum- die soziale Integration von benachteiligten Zielgruppen zu befördern. frankfurt.de/de/ kleider-in-bewegung ERASMUS+: Das Programm Erasmus+ unterstützt Mobilität und europäische bzw. internationale Bildungszusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung, Erwachsenen-, Schul- und Hochschulbildung und der Jugendarbeit. SIH 0 4 / 29.02.2020
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