Innenstadt mit Perspektive - Bedeutsame Veränderungen in unseren Städten erfordern starke Allianzen. Wohin steuern unsere Innenstädte und der Handel?
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DPAG Postvertriebsstück A 63005 Entgelt bezahlt EUR 5.20 MAGAZIN. Fokussiert auf die Zukunft von Städten und Regionen. Customer Journey in die City: Innenstadt aus Kundenperspektive gedacht Handel und Logistik: Eine Annäherung in 5 Fragen – im Gespräch mit Dr. Jan Röttgers (ECE) Einzelhandel: Handelsformate, die die Innenstadt der Zukunft gestalten Innenstadt mit Perspektive Bedeutsame Veränderungen in unseren Städten erfordern starke Allianzen. Wohin steuern unsere Innenstädte und der Handel? 2.2021 www.cimadirekt.de
www.trendforum-retail.de FACHKONFERENZ MIT BEST PRACTISE BEISPIELEN AUS DER HANDELSLANDSCHAFT Trends im Handel | Fankultur | Neue Retailformate autonomes shoppen, D2C, Marktplätze und digitale Transformation | Lebensmittel Special PROGRAMM AM 6. OKTOBER: 12.00 bis 18.00 Uhr 2 Storetouren mit u.a. Flughafen Frankfurt, REWE, Lorey, Galeria Karstadt Kaufhof GKK 18.00 bis 22.00 Uhr Spektakulärer Vorabendevent im neuen Premiumkonzept GKK mit Vorträgen von Eva Gancarz (CIMA digital) Martin Kremming (CIMA) und Arne Schultchen (Founder&Creative Lead design for human nature). PROGRAMM AM 7. OKTOBER: 09.00 bis 12.30 Uhr mit Sebastian Deppe (BBE), Carsten Schemberg (Präsident Netz- werk Ladenbau), Jürgen Zahn (CEO Knoblauch), Stefan Pagenkemper (CEO PMS), Ale- xander Meffert (CEO CEDES Lichtfabrik) und einem StartUp Elevator Pitch 13.30 bis 16.30 Uhr mit Ursula Lindl CEO Sagaflor, Martin Bressem (Founder Bla- enk), Rainer Hartel (Managing Director Ravensburger), Holger Wellner (Founder Modehaus.de), Sören Gatzweiler (Projektleiter tegut… teo), Peter Obeldobel (CEO Food&Gastro Galeria Karstadt Kaufhof) MODERATION: Nicole Srock.Stanley (CEO Dan Pearlman), Prof. Dr. Rüschen (Campus Heilbronn) Veranstalter: TeamScio | Pyrmonter Str. 10 | 32839 Steinheim
EDITORIAL 3 Herausgeber CIMA Beratung + Management GmbH Brienner Str. 45 80333 MÜNCHEN T 089-55 11 81 54 cima.muenchen@cima.de CIMA Beratung + Management GmbH Liebe Leser*innen, Neue Weinsteige 44 70180 STUTTGART so ein Schock für unsere Nation, T 0711-6 48 64 61 für mich; die geballte Wucht des cima.stuttgart@cima.de Klimawandels jüngst so bildgewaltig vor Augen geführt zu bekommen: Die CIMA Beratung + Management GmbH verheerende Flutkatastrophe in Rhein- Luitpoldstr. 2 land-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und organisatorisch ist Vieles zu verbes- 91301 FORCHHEIM T 09191-34 08 92 Bayern – mit großem menschlichen sern, aber die Beantwortung techni- cima.forchheim@cima.de Leid, teils komplett zerstörten Infra- scher Fragen allein greift aus meiner strukturen und tausendfach im Einsatz Sicht zu kurz. Zumal erschwerend hin- CIMA Beratung + Management GmbH befindlichen Rettungskräften. zu kommt, dass der Klimawandel nur Goethestr. 2 Das Thema Klima begleitet mich seit eine der gegenwärtigen, tiefgreifenden 50858 KÖLN dem Studium; fachlich ist mir die Sach- Veränderungen ist. In meiner Arbeit T 02234-92965 17 lage mehr als bekannt. Dennoch ist es sind das vor allem die Mobilitätswen- cima.koeln@cima.de anders, wenn Verwandte und Freunde de, der Demografische Wandel und die in der Heimat betroffen sein könnten. Digitalisierung, die kaum aus Projekten CIMA Beratung + Management GmbH Noch nicht mal durch die Pandemie wegzudenken sind. Dass dieses Gesamt- Walter-Heinze-Str. 27 04229 LEIPZIG durch und jetzt auch noch das! paket in der Vermittlung schnell über- T 0341-69 60 30 Schlagartig erinnert mich das an ein fordert, muss allen bewusst sein. Über- cima.leipzig@cima.de Buch des Humanethologen Irenäus tragen Sie gedanklich nur einmal die Eibl-Eibesfeldt. Es trägt den Titel „Der Anstrengungen und Erfahrungen der CIMA Beratung + Management GmbH Mensch das riskierte Wesen: Zur Natur- Impfkampagne auf diese Herausforde- Spreeufer 2 geschichte menschlicher Unvernunft“. rungen. Da darf einem schon mulmig 10178 BERLIN Präzise arbeitet er heraus, warum erst werden. T 030-214587 16 etwas Einschneidendes passieren muss, Wenn Sie mich fragen, sind ortsange- cima.berlin@cima.de ehe wir Menschen reagieren. Ein Bei- passte Lösungen zumindest ein zen spiel: Die Atomkatastrophe und Tragö- traler Weg zur Akzeptanz. Was in der CIMA Beratung + Management GmbH Berliner Allee 12 die von Fukushima, die den Ausstieg Stadt funktioniert, muss nicht der Weg 30175 HANNOVER aus der Kernenergie bei uns markiert. für den ländlichen Raum sein. Was in T 0511-220079 65 Nun ist es mir als Stadtplaner wesens- den Wachstumsregionen ein Ansatz ist, cima.hannover@cima.de fremd in der Vergangenheit zu verhar- muss in strukturschwachen Gegenden ren. Eher möchte ich mich, nach einer nicht gleichermaßen gelten. Nicht sel- CIMA Beratung + Management GmbH angemessenen Phase der gebotenen ten liegen Lösungsansätze auch an der Moislinger Allee 2 Anteilnahme, zusammen mit Interes- Schnittstelle zwischen Stadt und Land. 23558 LÜBECK sierten auf die Suche nach Lösungen In einem Konstrukt aus Bundes- und T 0451-38 96 80 begeben. Viele existieren bereits; an- Landesgesetzgebungen und Förderku- cima.luebeck@cima.de dere müssen geschaffen werden oder lissen die vielfach auf EU-Richtlinien be- brauchen gänzlich veränderte sozio- ruhen, eine mehr als fordernde Aufgabe. ökonomische Bedingungen. Nicht sel- Daher mein Ansporn für die Zukunft: cima.digital ten ist dabei das bisherige Wertesystem Nutzen wir die Erkenntnisse aus der c/o CIMA Beratung + Management GmbH neu zu justieren. Und da schließt sich Wissenschaft zur Gestaltung unserer Taunusanlage 8 / WeWork der Kreis zur Verhaltensforschung. Städte und Regionen, nicht nur beim 60329 FRANKFURT a. M. Neben technischer Funktionalität und Klimawandel. Und vergessen wir bit- cima.frankfurt@cima.de ökonomischer Umsetzbarkeit, müssen te nicht, die Menschen mitzunehmen. besonders die Menschen erreicht wer- Auch um uns alle weniger zu riskier- CIMA Österreich GmbH den. Oder um im Bild der Flutkata ten Wesen zu machen. Veränderung als Johannesgasse 8 strophe zu bleiben, was nützt die bes- Chance! Treu dem cima-Motto: smart, A 4910 RIED IM INNKREIS T 0043-7752-7 11 17 te Warn-App oder gar Rettungskräfte partizipativ, nachhaltig. cima@cima.co.at vor der Tür, wenn die Menschen War nungen nicht richtig einordnen? Bitte Mit herzlichen Grüßen CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH nicht falsch verstehen, auch technisch- Martin Hellriegel Berliner Allee 12 hellriegel@cima.de 30175 HANNOVER T 0511-22 00 79 50 regionalwirtschaft@cima.de
4 INHALT 3 Editorial 5 Rundschau STADTENTWICKLUNG 7 Veränderung managen Über die Zukunft der Innenstädte und die Notwendigkeit von Allianzen Eine Reflexion von Geschäftsführer Roland Wölfel (cima) 9 Stadtentwicklungspolitik: Bundesweite Allianz arrangiert Innenstadtinitiative stadtimpulse – Erster bundesweit zertifizierter Best-Practice-Datenpool für Innenstadt, Handel und städtisches Leben MARKETING 12 Customer Journey in die City Innenstadt aus Kundenperspektive gedacht von Handelsexperte Martin Kremming (cima) 16 Zukunft Innenstadt Vom Citymarketing zum strategischen Foto: hanohiki /iStock Transformationsmanagement von Michael Metzler, Geschäftsführer Esslinger Stadtmarketing & Tourismus GmbH HANDEL 18 Handel und Logistik 22 Zeigt her! Ist der Boom des Online-Handels nach der Gestern, heute, morgen!? Pandemie reversibel? Handelsformate, die die Innenstadt Im Expertengespräch Director Logistics & International der Zukunft gestalten Dr. Jan Röttgers (ECE) und Martin Kremming (cima) von Arne Decker (cima) 21 Gründungsförderung neu gedacht 26 Nah versorgt statt weiter Wege Ein Kommentar zu Standort-Business-Wettbewerben Über die gezielte Weiterentwicklung örtlicher von Michael Seidel (cima) Nahversorgungsstrukturen von Susanne André und Jan Vorholt (cima) 29 Termine/cima.aktuell 30 cima.persönlich 31 Impressum / Rückspiegel
RUNDSCHAU 5 Fotos: Interessengemeinschaft Innenstadt e. V. Foto: Andreas_Schmidt_leipzig.travel Foto: REWE Auf die Ohren Neuland befahren Eine Riesensache Podcast-Reihe bewirbt Leipzig. Erster autonom fahrender Kiosk Urzeit-Giganten als 3D-Erlebnis in dreht seine Runden in Köln. der Magdeburger Innenstadt Auf Initiative der Leipzig Tourismus und Vodafone und REWE Digital haben Euro- Der Magdeburger Innenstadthandel beglei- Marketing (LTM) GmbH entstand eine Pod- pas ersten selbstfahrenden Kiosk auf die tet den Neustart von Handel und Wandel cast-Reihe zum Thema Musikstadt Leip- Straße gebracht. Ein virtuelles Schienen- im Sommer 2021 mit einer interakti- zig. Mit der Reihe werden vor allem junge, netz und Echtzeit-Mobilfunk halten das ven 3D-Animation. Dabei werden virtuelle musikinteressierte Städtereisende ange- Fahrzeug auf Kurs und geben einen Vor- Dinosaurier in die reale Umgebung der sprochen. Für die auditive Entdeckung geschmack auf den vernetzten Straßen- Stadt eingebettet. An über 200 Stand durch Stadt und Region bilden Paula und verkehr der Zukunft. Ohne Fahrdienst oder orten fliegen, laufen, stampfen und brül- Axel ein Moderatoren-Duo: Axel, gebürti- Verkaufskraft rollt das Snack-Mobil in len die Urzeittiere in Originalgröße wie zu ger Leipziger, kennt die Stadt, weiß, was sie Schrittgeschwindigkeit durch den Gewer- Lebzeiten. Großformatige Fußstapfen auf ausmacht. Paula zog zum Studieren nach bepark Carlswerk, um Passanten und den Wegen in der Stadt geben Hinweise Leipzig; ist neugierig. Sie nehmen die Zuhö- Büroangestellte zu versorgen und steuert auf den jeweiligen Standort. Werden dann rerschaft mit auf eine Erkundung und liefern feste Haltepunkte an. Wo sich das Fahr- die darauf befindlichen 3DQR-Codes mit Information und Inspiration für jeden, der zeug befindet, verrät ein virtueller Routen- dem Smartphone oder Tablet gescannt, Leipzig besucht. Ihr Spaziergang führt ent- plan in einer App. Wer nicht warten möch- erscheinen die Saurier und Innenstadt- lang der Leipziger Notenspur, die innerhalb te, geht dem mobilen Kiosk entgegen und besuchende können sich mit ihnen foto- eines rund fünf Kilometer langen Rundwegs winkt. Integrierte Kameras und Sensoren grafieren und filmen lassen. Die Aktion 23 der wichtigsten Wohn- und Wirkungs- erkennen die Handzeichen und bringen das „Dino City Magdeburg“ wird etwa vor stätten berühmter Komponisten verbindet. Mobil zum Stoppen. Direkt am Fahrzeug dem Dom, dem Rathaus, im Flora-Park, Schau- und Hörplätze sind die Oper Leipzig, kann dann zwischen Getränken und Snacks Bördepark und in den vier Einkaufscen- das Mendelssohn-Haus, das Bach-Museum gewählt werden. Bezahlt wird kontaktlos. tern der Stadt umgesetzt. Getragen wird und das Gewandhaus zu Leipzig. Die Hörer Bis Ende September soll das Snack-Mobil die Aktion durch die IG Innenstadt, den dürfen sich auf spezielle Einblicke in Räum- noch getestet und dabei zunächst von Hauptsponsor WOBAU Magdeburg und lichkeiten, musikalische Kostproben oder einer Betreuungsperson begleitet werden. eine Vielzahl weiterer Partner. Die tech- interessante Gesprächsinhalte mit Akteu- Nach dem Pilot-Einsatz wird entschieden, nische Umsetzung obliegt einem Mag- ren freuen. Die einzelnen Episoden sind auf ob und wo das autonome Mobil künftig im deburger Start-up. der LTM-Webseite hör- sowie auf gängigen Einsatz sein wird. www.city-magdeburg.de Podcast-Plattformen aufrufbar. www.rewe.de www.dino-city.de www.leipzig.travel/podcast www.vodafone.de
6 RUNDSCHAU Foto: Peter Diehl/Thuega AG Foto: cobaas – Coworking Space Preetz Foto: Stadt Wien Erkenntnis Coworking- sichern Ein Plus Map Reallabor testet Klimastraße Straßenzüge für kühle Freiräume in Interaktive Karte stützt Suche nach in Koblenz. Österreichs Hauptstadt mobilen Arbeitsplätzen. In einem gemeinsamen Reallabor testen Wetterextreme wie Hitzewellen werden Seit Coworking Spaces Einzug in Deutsch- die Energieversorgung Mittelrhein (evm) immer häufiger. Unter der Hitze leiden land gehalten haben, sind sie als moderner und das Kompetenzcenter Innovation der vor allem Menschen in Städten, die keinen Arbeitsort kaum noch wegzudenken. Im Thüga AG Smart-City-Lösungen für Kob- oder wenig öffentlichen Zugang zu Was- Mittelpunkt steht das Teilen von Büros, lenz. Der Testraum wird in dem viel befah- ser oder Grünraum haben. Im Jahr 2020 Infrastruktur und Know-how. Starke Auf- renen oberen Teil der Löhrstraße umge- verwandelte die Stadt Wien, als tempo- merksamkeit erfahren die Themen mobiles setzt, die sich in der Stadtmitte befindet. räre Hitzeanpassungs-Maßnahme für den Arbeiten/New Work gegenwärtig ohne- Mehrere Anwendungen werden ausgetes- Sommer, 18 Straßen in „Coole Straßen“: hin – und dass bei beschäftigten Perso- tet, darunter z. B. Laternenladen – Auf- Mit Sprühnebel, Trinkbrunnen, Pflanzen nen als auch Unternehmen gleichermaßen. bau von leistungsfähiger Ladeinfrastruktur und Sitzmöbeln im Schatten sowie Aktivi- Auf der Internetplattform Coworking-Map für E-Autos an bestehenden Lichtmasten täten. Die Aktion entfaltete Wirkung: Bis zu werden Informationen zur Coworking- und Stromleitungen; das Smart Parking fünf Grad weniger konnten in diesen Stra- Szene vereint. Die Plattform ist öffentlich mit Echtzeit-Anzeige freier Parkplätze an ßen verzeichnet werden. In Folge der Akti- kostenlos zugänglich. Inzwischen gibt es der Straße mithilfe von Overhead- und on wurden vier Straßen als „Coole Straßen auf der Karte mehr als 1.500 Einträge, fast Bodensensoren oder die Luftqualität mit Plus“ dauerhaft in klimaangepasste Stra- die Hälfte davon sind Coworking Spaces. Messung der Emissionswerte durch Um- ßen umgestaltet. Diese Straßenzüge sind Verlinkt wird zur Homepage der einzelnen weltsensorik. Der Testbetrieb soll für min- verkehrsberuhigt: Baumpflanzungen, hel- Angebote bzw. zu Social-Media-Accounts destens 18 Monate laufen. Übergeordne- lerer Asphalt sowie Schatten- oder Was- Facebook und Instagram. Gelistet werden tes Ziel des Projektes ist es, Schadstoff serelemente sorgen für angenehme Tem- zudem Bürogemeinschaften, Workation/ emissionen mithilfe der unterschiedlichen peraturen und Aufenthaltsqualität. Die Retreat-Angebote (mit der zusätzlichen Anwendungsf älle zu reduzieren und somit Stadt Wien betreibt eine intensive Ver- Möglichkeit des temporären Wohnens), die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. kehrsüberwachung und finanziert über Maker Spaces (mit zusätzlichem Angebot Darüber hinaus ermöglicht das Reallabor Parkgebühreneinnahmen Maßnahmen zu an Werkstatträumen/-flächen zur tempo- Stadtwerken und ihren Kommunen weiter- nachhaltiger Mobilität. Vor Ort koordinier- rären Nutzung) und Innovations-Technik- gehende Erkenntnisse in der Entwicklung te die Mobilitätsagentur Wien den Ablauf und Gründerzentren. Über Filterfunktio- einer nachhaltigen und intelligenten Stadt. dieses Projektes. nen können die Nutzer ihre Suche räumlich www.thuega.de www.streetlife.wien spezifizieren. www.wien.gv.at www.coworkingmap.de
STADTENTWICKLUNG 7 Veränderung managen ÜBER DIE ZUKUNFT DER INNENSTÄDTE UND DIE NOTWENDIGKEIT VON ALLIANZEN Eine Reflexion von Roland Wölfel, Geschäftsführer der CIMA Beratung + Management GmbH K ürzlich wurde mir die Ehre zuteil, als Zeitzeuge für das Haus der Bayerischen Geschichte interviewt zu werden. Im Bereich Stadtplanung und -entwicklung zu den Themen Innenstadtent- wicklung und Verödung der Ortskerne in den letzten Jahren und zur Zukunft unserer Städte. Das erfüllte mich mit Stolz. Doch je mehr wir über die Entwicklung und einzelnen Epochen zur Rettung der Innenstädte ins Gespräch kamen, desto mehr wurde klar, wie wich- tig und erfüllend es ist, sich für das „Herz der Stadt“ einzusetzen und dafür über 30 Jahre zu brennen. Gerade jetzt während der Pandemie. Jetzt zu erkennen, nach den Diskussionen um die ers- ten Fußgängerzonen, die ersten Kaufhäuser, Einkaufs- und Fach- marktzentren und den Online-Handel, dass die Innenstädte wohl über Jahrzehnte von alledem die größte Resilienz und Anpassungs- fähigkeit bewiesen haben. Sie sind eben nicht Betriebstyp oder Assetklasse. Sie sind fundamentaler Bestandteil unserer Lebens- Bilder: studiostockart/iStock (Figuren) · zaurrahimov/AdobeStock (Flagge) kultur. Schmelztiegel von Innovation und Anker für unsere Gesell- schaft. Und sie sind es wert, dass sich Allianzen für sie stark machen und Impulse setzen. Mitten im Wandel: Über Möglichkeitsräume Gegenwärtig stellt der Umbruch in unseren Städten alle Innen- stadtgestaltende vor eine spezielle Herausforderung – denn gleich- zeitiges Handeln auf verschiedenen Ebenen ist erforderlich: Das waren die Corona-Sofort-Maßnahmen – etwa Schritte zur digi- talen Sichtbarkeit oder Solidaritätsaktionen; weiterhin werden
8 STADTENTWICKLUNG der Übergang sowie der Re-Start der Einige Bundesländer haben bereits Förder ativen, interessensgeleiteten Forderungs Innenstadt vorbereitet. Diverse Labore, programme für ihre Zentren aufgesetzt. katalogen etc. verbunden ist, haben wir Experimente und neue Bündnisse ebenso Ende 2020 genehmigte die Koalition 25 Mio. eine erste, wichtige Etappe erreicht. Ver- wie Investitions- und Förderprogramme, Euro zusätzlich zur Städtebauförderung. gleichbares muss auch auf Landesebe- Gründerwettbewerbe oder Kampagnen Im Juli 2021 lobte das Bundesministeri- nen und vor Ort geschehen. Nur so wird und Events zeugen davon. Und parallel um des Innern, für Bau und Heimat (BMI) es gelingen, den erforderlichen Change- dazu soll ein langfristiger Strukturwandel das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Prozess in unseren Innenstädten dauer- für die Zukunftsstadt der nächsten 10 bis Innenstädte und Zentren“ aus. Städte und haft zu gestalten. Entscheidend ist jedoch, 15 Jahre entwickelt werden. Wie lässt sich Gemeinden können bis zum 17.09.2021 flächenhaft den Umbau der Innenstädte zu das alles managen? Welche Hilfen nutzen Projektvorschläge für innovative Konzepte initiieren. wirklich? Wie sehen erfolgversprechende und Handlungsstrategien zur Stärkung der Strategien aus? Was muss der Handel tun, Resilienz und Krisenbewältigung einrei- Ich gehe noch einen Schritt weiter und um sich neu auszurichten? Wie müssen chen. Es stehen insgesamt 250 Mio. Euro sage, die Allianzen für die Innenstadt sich die Städte der Zukunft organisieren? zur Verfügung. müssen mittel- und langfristig noch brei- ter aufgestellt werden. Wir brauchen auf Nun, in jedem Falle gilt es den geforder- Allianzen, Strukturen, Bundes- und Landesebene bzw. auf kom- ten Umbau der Innenstädte offensiv und institutioneller Aufbau munaler Ebene Politik und Verwaltung, mutig anzugehen! Im Grunde ist dies eine Wirtschaft und Immobilieneigentümer an Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft. Wenn Sie mich fragen: Wir haben in der einem Tisch. Und müssen auch die Kultur- Fest steht, der Einzelhandel verliert seine Regel kein Erkenntnisproblem, sondern schaffenden, die sozialen Einrichtungen, dominante, identitätsstiftende Rolle für die vor allem eine Verwertungsproblem auf- das Gemeinwesen und Umweltorganisa- Zentren, die Handelsflächen in den Innen- grund der Vielzahl von Erkenntnissen, tionen etc. noch stärker einbinden. Das städten werden geringer. Eine Verschie- die vielleicht nicht wirklich neu sind, aber ebnet den Weg für ein neues Verständnis bung vom reinen Konsum- zum Erlebnis-, durch Corona noch mal besonders deutlich des kollaborativen Miteinanders und für eine Freizeit- und Lebensort zeichnet sich ab. werden. Da stellt sich für mich die Frage: Abkehr vom sektoralen Agieren. Wir müssen Wir brauchen Treffpunkte, Kommunikati- Was braucht es organisatorisch? die „Verbands- oder Einzelinteressenbrille“ onsräume, auch konsumfreie Zonen oder durch die „Innenstadtbrille“ tauschen! Um weniger ökonomische Nutzungen wie Im vergangenen Herbst hat das BMI einen das aufzubauen, braucht es personelle soziale Interaktion, Stadtkultur und Nach- Beirat Innenstadt gegründet, der maßgeb- und finanzielle Ressourcen, Wissen über barschaft, die einen vielseitigen Aufent- lich an der Innenstadtstrategie der Bun- geeignete Instrumente und Verfahren und halt in der Innenstadt ermöglichen. Dabei desregierung mitgearbeitet hat. Lesen Sie vor allem Offenheit für ein entsprechendes Bild: studiostockart/iStock bleibt das Leitbild der europäischen Stadt auf den nachfolgenden Seiten wie es mit Veränderungsmanagement. städtebauliche Maxime. Die Innenstadt der neuen Initiative stadtimpulse gelungen muss als Gesamtdestination überzeugen. ist, eine bisher nie da gewesene gemein- Von der Shoppingmeile zu Die Stadt der Zukunft ist die Stadt des same Allianz und Plattform zu erfolgrei- „unserer Mitte“ Dialoges. Es geht dabei vorder- chen Innenstadt-Lösungen ins Leben zu gründig um aktuelle Themen rufen. Wann hat es das schon einmal gege- Daher blicke ich gespannt auf die nächs- wie Mobilität, Klimawandel ben, dass sich in wenigen Wochen auf ein te Epoche der Innenstadt. Sie steckt vol- oder Online-Handel. Es gemeinsames Projekt und ein Ziehen an ler Überraschungen! Bleiben wir neugie- geht aber auch um wei- einem Strang verständigt werden konn- rig, kreativ, kooperativ und hartnäckig! tergehende Fragestel- te? Die Initiative stärkt den bundesweiten Wir haben die Chance, breite lokale, wie lungen wie die Rolle von Wissenstransfer und den Austausch zwi- auch nationale Allianzen für Innenstäd- Kultur und Geschich- schen den Kommunen, sie ist ebenfalls Teil te zu schmieden und die Innenstädte in te für die Lebendigkeit der Innenstadtstrategie des Bundes. Und die nächste Zeit zu führen. Von der reinen unserer Städte oder auf lokaler Ebene werden solche Allianzen Shoppingmeile zu „unserer Mitte“, die wir die Offenheit unserer ja häufig vom Stadtmarketing und Cityma- alle gerne aufsuchen und auf die wir stolz Gesellschaft für Zuge- nagement koordiniert, moderiert und vor- sind, muss die Devise lauten. Mensch, wanderte. angetrieben. Qualität und Nachhaltigkeit werden als neue Maßstäbe dienen. Nicht zurück zu Wenn jetzt die wesentlichen Akteure alter, sondern auf zu neuer Stärke ist das auf Bundesebene an einem Tisch sitzen Gebot der Stunde! und damit eine Abkehr von Einzeliniti woelfel@cima.de
STADTENTWICKLUNG 9 Stadtentwicklungspolitik: Bundesweite Allianz arrangiert Innenstadtinitiative STADTIMPULSE – ERSTER BUNDESWEIT ZERTIFIZIERTER BEST-PRACTICE- DATENPOOL FÜR INNENSTADT, HANDEL UND STÄDTISCHES LEBEN W ie nie zuvor sind Innenstädte aktuell im Fokus von Politik und Wirtschaft und damit ein zentrales gemeinsames Anliegen öffentlicher und privater Akteure in deutschen Städten, Ländern Durch die Auswirkungen der Corona-Krise könnten bis zu 120.000 Geschäfte in Deutschland verloren gehen. Das setzt viele Innen- städte und Ortskerne unter Druck. Um positive Beispiele für gelun- und des Bundes. Mit Ideen, den Standort Innenstadt wieder attrak- gene Gestaltung und gute Ideen für Innenstädte transparent zu tiver zu machen, stellte cima-Geschäftsführer Roland Wölfel am machen, haben daher die wichtigsten Verbände und Netzwerke wie 3. Mai 2021 auf dem 14. Bundeskongress Nationale Stadtentwick- der Handelsverband Deutschland (HDE), der Deutsche Städte- und lungspolitik den Best-Practice-Datenpool stadtimpulse für Innen- Gemeindebund (DStGB), der Deutsche Städtetag (DST), die Bun- stadt, Handel und städtisches Leben einem nationalen Publikum vor. desvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (bcsd) und die CIMA Beratung + Management GmbH stadtimpulse gestartet. Ideell unterstützen weitere Organisatio- „Der Projektpool stadtimpulse bietet nen und Verbände wie Aktionskreis City- und Stadtmarketing Bayern e. V. (AKCS), eine wertvolle Orientierungshilfe für City-Management Verband Ost e. V. (CMVO), Deutscher Tourismusverband e. V. (DTV), den notwendigen Neustart der Haus & Grund Deutschland sowie der Deutsche Verein für Stadtentwicklung und Innenstädte nach der Corona-Krise. Handel e. V. (urbanicom) die Initiative. Eine Co-Finanzierung wird durch private Von den Besten lernen ist der Weg, Unternehmen wie Essert-Illuminationen Andreas Essert e. K., Hanseatische Betreu- um schnell selbst zu ungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (HBB), Landmarken AG, Noceanz GmbH den Besten zu gehören.” sowie RKW Architektur + Rhode Keller- mann Wawrowsky GmbH geleistet, die sich mit ihrem Engagement zu den Innen Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für städten bekennen. Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie
10 STADTENTWICKLUNG Aufgebaut und entwickelt wurde der öffentlich zugängliche Ideen-Pool von „Innenstädte und Ortskerne Roland Wölfel, der sich seit vielen Jahren regelmäßig als Impulsgeber in der Innen- müssen angesichts der aktuellen stadt- und Stadtmarketingszene enga- giert. Für Wölfel tut das Verbreiten erfolg- Herausforderungen als Orte der reicher rund zertifizierter Ideen not, denn: Nutzungsvielfalt, der Kommunikation und der Lebensqualität gestärkt werden. Es gilt, von „Wir erleben heute quasi die guten Beispielen der Innenstadtentwicklung vierte Welle bedeutsamer zu lernen“, sagt Dr. Gerd Landsberg, Veränderungen in unseren Städten. Hauptgeschäftsführer des Deutschen Erst waren es die Fußgängerzonen, die das Städte- und Gemeindebundes. Das sehen nicht nur die Stadtverantwortli- Bild veränderten. Dann kamen die meist aus chen so. Verwaltungen und Wirtschaft den Innenstädten ausgelagerten Shopping- sitzen in einem Boot. Center und Fachmarktzentren. Heute Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des bewegt die Frage, wie wir Angebote wieder Spitzenverbands des deutschen Einzel- handels HDE: ,back to the City‘ holen und Antworten auf die Digitalisierung finden.“ Die Idee von stadtimpulse ist es, hier- zu Akteuren passgenaue und hilfreiche „Innenstadtent- wicklung kann nur in Inspirationen für ihre Aktivitäten vor Ort zu bieten. Das Portal begrüßt monatlich neu zertifizierte Projekte. Weitere Kommu- nen, Wirtschaftsförderungen, der Handel und Stadtmarketingakteure sind ebenfalls kooperativer Gemeinschaft eingeladen, auch ihre besten Projekte zur Weiterentwicklung der Stadtzentren einem bundesweiten Publikum vorzustellen. starker Partner gelingen. Seit einigen Jahren stehen die Innenstädte Das eröffnet die Chance, unter erhöhtem Wandlungsdruck. Die zu- nehmenden Umsatzverschiebungen durch den Online-Handel haben merklich zu Fre- von guten und bewährten Lösungen zu profitieren.“ quenzrückgängen in den Zentren geführt. Der Projektpool stadtimpulse böte genau das, sagen sowohl Genth als auch Dr. Landsberg. Die anhaltende Pandemie mit Lockdowns und harten Einschränkungen verschärft die Lage, sieht auch der Deut- sche Städtetag. In der Folge sei abzuse- hen, dass etliche Handelsunternehmen die Krise nicht überstehen werden.
STADTENTWICKLUNG 11 5 Erster bundesweiter, zertifizierter Projektpool für Innenstadt, Handel und städtisches Leben. „Das wird zu sichtbaren Veränderungen bei der Versorgungsqualität führen. Darüber hinaus sind die damit verbundenen zunehmenden Leerstände auch ein städtebauliches Problem. Die Aufenthaltsqualität und Attraktivität für die Bürgerinnen und Bürger wird leiden. Die Dynamik dieser Veränderungen erfordert das rasche und koordinierte Handeln aller Innenstadtakteure“, betont Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deut- schen Städtetages. Foto: Laurence-Chaperon Eine Chance liegt nach Überzeugung von HDE, DStGB, DST, bcsd, cima und dem Bayerischem Wirtschaftsministerium dabei in der Skalierung erprobter und bewährter Maßnahmen in den unterschiedlichen Hand- lungsfeldern der Innenstadtentwicklung. „Es geht nicht darum, die Innenstadt aus dem Sie suchen bewährte und geprüfte Jahr 2010 wiederherzustellen. Es geht vielmehr Best Practice Lösungen für die aktuellen und zukünftigen Heraus- um die große Aufgabe, die lebenswerte Stadt forderungen unserer Innenstädte von 2025/30 zu gestalten, so und Ortszentren? Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundes vereinigung City- und Stadtmarketing • Bündnis führender Fachverbände Deutschland e. V. und Institutionen Foto: Wieler Ein besonderer Dank aller Initiatoren gilt • Kuratierte Auswahl dem Bayerischen Staatsministerium für • Zertifizierung durch Fachjury Wirtschaft, Landesentwicklung und Ener- gie, dass die Anstoßfinanzierung des Pro- jekts geleistet hat. Gemeinsam strebt das Bündnis ideeller und finanzieller Förde- rer an, stadtimpulse als dynamisches Format qualitätsorientiert weiterzuführen und als bundesweite Plattform zu etablieren. in Stadtimpulse ist ein Baustein in der breit angelegten nationalen Innenstadtstrategie zur Gestaltung resilienter Stadtzentren, die vom Beirat Innenstadt des Bundesministeriums des Innern, für www.unsere-stadtimpulse.de Bau und Heimat erarbeitet wurde. www.bmi.bund.de, www.unsere-stadtimpulse.de
12 MARKETING Customer Journey in die City INNENSTADT AUS KUNDENPERSPEKTIVE GEDACHT Praxisorientiert und theoriegeleitet nachvollzogen anhand des Marketing-Werkzeugs `Customer Journey´, von Martin Kremming, Partner und Prokurist, Foto: hanohiki /iStock CIMA Beratung + Management, Hannover
MARKETING 13 „Die schönsten Momente meiner Arbeit sind die, wenn sich etwas vor Ort bewegen lässt.“ S eit Jahrzehnten wird versucht, Ideen des Center-Managements auf Innenstädte zu übertragen. Oft bleibt es beim Versuch. Martin Kremming In der Beratung hören wir diesen Ansatz immer wieder und winken oft nicht nur innerlich ab. Wenn Sie mich fragen, stimmte dieser Weg nie und wird zunehmend absurd. Oft sind es Mischungen aus Handel, die Corona-Sofortprogramme gehalten. Denn eine Innenstadt ist kein Center und je Dienstleistungen und Gastronomie. Ob Aber fangen wir ganz am Anfang an. Las- mehr sich die postpandemische Stadt her- diese Programme nachhaltige Verände- sen Sie mich dieses Konstrukt der `Custo- auskristallisieren wird, desto offenkundiger rungen und eine Stärkung der Innenstäd- mer Journey´ auf einen Innenstadtbesuch wird dies. Die Planbarkeit im Nutzungsmix te zur Folge haben, bleibt abzuwarten. potenzieller Kundschaft übertragen. Darf nimmt ab, Leerstände in Toplagen bis zur Wichtig ist aber, dass etwas passiert. Und ich Sie bitten, folgen Sie mir bei meiner Kaufhausgröße sind vielerorts nicht mehr dass Besuchsanlässe für die Kundschaft Reise! zu verbergen, Vertragslaufzeiten in Miet- geschaffen werden. Zugleich ist es ein verhältnissen werden kürzer, der Handel Signal für die Gewerbetreibenden in der Phasen als Interaktions- zieht sich nicht nur aus den Nebenlagen Innenstadt, dass der Standort im Fokus bzw. Berührungspunkte zurück. Im Ergebnis kann die Innenstadt steht. der Zukunft bunter sein als es ein Shop- Zunächst muss die Innenstadt (wieder) ins ping-Center jemals vorgeben konnte zu Was aber meines Erachtens noch zu sel- Bewusstsein der Konsumenten gerückt sein. Vorausgesetzt heute werden die rich- ten passiert und wo möglicherweise jede werden: Die `Customer Journey´ beginnt tigen Weichen gestellt. Innenstadt etwas von den Shopping-Cen- bereits, wenn sich die Kundschaft noch zu tern lernen kann, ist die Innenstädte aus Hause auf dem Sofa befindet. Über Werbe- Aktuell erlebe ich, wie in vielen Städten der der Sichtweise und den Bedürfnissen der maßnahmen, soziale Medien oder Direkt Versuch unternommen wird, über Sofort- Konsumenten zu betrachten. In der Mar- ansprache muss es gelingen, den Kunden- programme Impulse für die Innenstadt- ketingpraxis besitzt das Thema generell stamm regelmäßig anzusprechen, damit entwicklung zu geben. Diese Program- höchste Relevanz. Ich spreche vom Modell Besuchsanlässe entstehen. Über digitale me setzen oft bei Events und bei schnell `Customer Journey´ (Kundenreise), welches und physische Berührungspunkte muss umsetzbaren Maßnahmen für den öffent- die einzelnen Phasen definiert, die eine Per- ein Bewusstsein für die Stadt geschaffen lichen Raum an und versuchen sich auch an son durchläuft, bevor sie sich für den Kauf werden. Über die Innenstadt muss ständig den Leerständen, in dem Mietzuschüsse entscheidet und darüber hinaus. Die `Cus- über die verschiedenen Kanäle kommuni- gewährt und z. T. über Wettbewerbe neue tomer Journey´ umfasst dabei alle Berüh- ziert werden, damit sie bei allen Zielgrup- Nutzerkreise gesucht werden. Nahezu rungspunkte eines Konsumenten mit einer pen im Gespräch bleibt. Diese Kommu- immer ist das Fazit: Die Expansionslisten Marke, einem Produkt oder einer Dienst- nikation sollte über das Stadtmarketing der Filialisten sind längst Vergangenheit; leistung. Dieser Grundgedanke kommt mir organisiert werden; gleichwohl spielt die mit Glück gibt es eine Auswahl aus inno- persönlich noch oft zu kurz, wenn es um “Stadtverwaltung” hier eine ebenso wich- vativen Konzepten, die selten allein Einzel- Innenstädte geht; nur Teilbereiche davon tige Rolle, genau wie jedes einzelne Unter- handel umfassen. haben Einzug in das Stadtmarketing oder nehmen einer Innenstadt. Noch immer fällt
14 MARKETING INNENSTADT AUS Beschilderung Mobilität KUNDENPERSPEKTIVE GEDACHT Orientierung Schematische Darstellung einer `Customer Journey´ CI in der DER WEG zur Innenstadt Innenstadt IN DIE CITY Parken Erreichbarkeit und Orientierung Bequemlichkeit Wegeführung Erreichbarkeit (digital) mir auf, dass zu wenige Innenstadtunter- nehmen sich gegenseitig in den sozialen BEWUSSTSEIN Medien fördern (z. B. durchs gegenseitige UND ANREIZE Liken). Erst darüber entsteht der Zulauf, SCHAFFEN Digitale und physische den jedes Unternehmen allein nicht oder nur mit großem Aufwand generieren kann. Berührungspunkte Auch die in der Stadt Wohnenden sollten Radio Online- einbezogen werden: unzählige, kreative schaufenster Mitmachaktionen finden sich auf Insta- Social Media gram oder Facebook als Inspiration. Online-Auftritt Print Die nächste Phase ist die Bewältigung des PR Wegs in die Innenstadt, die Mobilität: Die nun angezogene Kundschaft nutzt unter- schiedliche Verkehrsmittel und hier kann sowohl Frustration entstehen (Pkw-Stau, Parkplatzmangel, ÖPNV funktioniert nicht, Radwege nicht ausgebaut, keine adäqua- das ÖPNV-Angebot ist, wie durchdacht zen daher gerade bei dieser Multifunkti- ten Fahrradabstellplätze, keine barriere- das Radwegenetz ist und inwieweit aus onalität an. Ob neues Stadtmobiliar, neue freien Zugänge etc.), als auch eine gute reichend Fahrradstellplätze für alle Fahr- Events, Begrünungsaktionen, geförderte Infrastruktur sowie ein guter Service den radtypen vorliegen, um nur einige Beispie- Zwischennutzungen in Leerständen – es Unterschied machen. Einige Innenstädte in le zu nennen. gibt kaum etwas, was nicht auf den Listen Deutschland sind durch Mobilitätsmaster- steht. Hoffen wir, dass diese notwendigen pläne gestärkt worden und der Besuchen- Haben die Konsumenten den Weg in die Belebungsmaßnahmen nachhaltig positi- de wird unterwegs fortwährend smart Innenstadt erfolgreich absolviert, folgt ve Auswirkungen auf unsere Zentren und gelenkt, informiert und geleitet, immer der Aufenthalt in der Innenstadt. Innen- Quartiere haben. öfter auch digital. Andere Innenstädte ste- stadtbesuchende erwarten heute eine hen hier noch ganz am Anfang und sind Mischung aus Entertainment, Versorgung, Nach dem hoffentlich angenehmen und in Mobilitätsfragen eher in den neunziger Bequemlichkeit, Komfort und Service. Hier erfolgreichen Innenstadtbesuch erfolgt Jahren und den damaligen Pkw-Stellplatz- muss sich jede Stadt neu justieren, da sich mit dem Rückweg wieder eine Mobilitäts- diskussionen stehen geblieben. die Gewichte zwischen Handel, Dienst- phase, die durch eine geeignete Verab- leistungen und Gastronomie verschoben schiedungsgeste eingeleitet wird und hof- Die postpandemischen Innenstädte der haben und sich weiter grundlegend ändern fentlich reibungslos digital-analog gelenkt Zukunft werden sich z. B. darin unterschei- werden. Neue Funktionen kommen man- den Rückweg an den Wohnort ermöglicht. den, ob wirklich barrierefreie Zugänge und cherorts richtigerweise hinzu, wie Freizeit, Auch diese Phase ist wichtig. Schlechte digitale Leitsysteme vorliegen, von wel- Bildung und Kultur. Viele der aktuellen Leitsysteme etwa können den gesamten cher Qualität und Vernetzungsintensität Sofortprogramme für Innenstädte set- Besuch im Nachhinein ins Negative dre-
MARKETING 15 EINZELHANDEL GASTRONOMIE Schließfächer HOTELLERIE Sichtbarkeit Ladestationen Leitsystem „Vielen Dank und auf Wiedersehen“ EINGANG Information CITY Willkommensgeste AUSGANG Verabschiedung und Empfang Beleuchtung Mobilität Personal AUFENTHALT Orientierung BEQUEMLICHKEIT WC KULTUR ORIENTIERUNG Grünflächen/ Möblierung W-LAN Ruhezonen I-Pad Bars Spielplätze SERVICE LOYALITÄT Gutschein Newsletter (online) Digital Signage Vertrauen und Kundenbindung Treueprogramm DIENSTLEISTENDE Mailings Kunden- Social Media befragung Personalisierte Angebote 2021 hen, wenn die Kundschaft nur mit Mühe aber jeder Betriebsinhaber ebenso auf Innenstädte wie aufgezeigt entlang des wieder nach Hause kommt. gerufen, mit den eigenen Kunden in Kontakt Modells der `Customer Journey´ laufend zu bleiben. Insgesamt bleibt festzuhalten, zu überprüfen und zu entwickeln. Die Kundschaft ist wieder daheim, nun dass viele Betriebe das nicht schaffen und stehen die Begriffe Loyalität, Vertrau- viele Stadtmarketing-Organisationen diese Diese Reise gehört auf den Prüfstand und en und Kundenbindung im Vordergrund. ureigene Aufgabe noch nicht richtig digital muss durch entsprechende Maßnahmen Möglichst schnell soll sie zu einem Folge ausspielen. Bei der digitalen Sichtbarkeit, immer weiter optimiert werden. An wel- besuch in der Innenstadt animiert werden. digitalen Treueprogrammen (z. B. Stadt- chen Punkten kann die Innenstadt posi- Die nächste Shopping-Tour sollte keines- gutscheine) oder personalisierten Ange- tiv überraschen und wo kann Frustration wegs im Online-Shop enden. Daher ist boten stehen viele Innenstädte nach mei- vermieden werden? Und in diesem Punkt jetzt die Arbeit an der Kundin oder dem nem Dafürhalten noch sehr am Anfang, kann ein Blick auf die Shopping-Cen- Kunden wichtig. Die Innenstadt muss wenngleich im zweiten Corona-Lockdown ter dann durchaus hilfreich sein, da die- insgesamt z. B. über das Stadtmarke- vielerorts enorm nachgeholt wurde. se Sichtweise dort seit Jahren praktiziert ting und entsprechende Kommunikation wird. Auch wenn für die Umsetzung in (über Bonusprogramme, Stadtgutschei- Dennoch bleibt zu hoffen (und die Zeichen unseren Innenstädten mitunter ein lan- ne, Facebook, Instagram etc.) den Kontakt stehen gut), dass die Begeisterung für ger Atem notwendig sein wird – seit lan- aufrechterhalten oder sogar die Kunden- unsere Innenstädte wieder bei Kundinnen gem standen die Innenstädte nicht mehr so bindung intensivieren. Nur so bleibt die und Kunden geweckt wird. Gerade im Zuge im Fokus wie heute. Lassen Sie uns dieses Innenstadt im Gespräch, Loyalität kann der momentanen Sonderkonjunktur durch Momentum für unsere Innenstädte nutzen! entstehen. Neben dem Stadtmarketing ist Förderprogramme plädiere ich dafür, die kremming@cima.de
16 MARKETING Zukunft Innenstadt VOM CITYMARKETING ZUM STRATEGISCHEN TRANSFORMATIONSMANAGEMENT von Michael Metzler, Geschäftsführer Esslinger Stadtmarketing & Tourismus GmbH (EST) A uch die Innenstadt von Esslingen durchlebt wie alle Städte im Bundesgebiet seit einigen Jahren einen tiefgreifenden Struk- turwandel. Mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie fonds aufgesetzt worden, dessen Gesamtsumme aller Leistungen 220 Tsd. Euro umfasst. Mehrere Teilstrategien und Handlungs felder werden parallel und eng vernetzt bearbeitet: Um bestehen- beschleunigt sich die kontinuierliche Veränderung der Innenstadt de Handelslagen der Innenstadt zu stabilisieren und um negative – vor allem im Einzelhandel weiter. Effekte der Pandemie abzumildern, kommen weiterhin etablierte Instrumente der Innenstadtförderung zum Einsatz (u. a. Touris- Die Stadt am Neckar hat die Transformation der Innenstadt als musförderung, Initiative MACH ES). Im Marketing werden u. a. zentrale Zukunftsaufgabe bewertet. Sukzessive seit 2018 baut räumlich entzerrte Themen- und Aktionswochen durchgeführt, ein das Stadtmarketing Esslingen ein Transformationsmanagement zentraler e-Bike-Lieferservice für die Innenstadt entsteht und auf. Im Jahr 2021 geht die Stadt einen nächsten Schritt und erwei- Pop-Up-Stores sowie Zwischennutzungskonzepte in Leerstän- tert ihre bisherige Innenstadtförderungsstrategie. den erhalten eine finanzielle Förderung. Außerdem wird die Wer- bekostenumlage für die City-Events erlassen und Eigeninitiativen Unterstützungsfonds aufgelegt der Quartiers- und Straßengemeinschaften gefördert. Die Stadt Esslingen verzichtet im Jahr 2021 in Höhe von etwa 80 Tsd. Euro Zur finanziellen Entlastung der Gewerbetreibenden sowie flankie- auf Sondernutzungsgebühren für Handel und Gastronomie. Ein rend zu ihrem Neustart und um der Kundschaft Anreize für einen verkaufsfördernder Stadtgutschein kommt künftig zum Einsatz. Innenstadtbesuch zu geben, ist im Jahr 2021 ein Unterstützungs- Neben diesem kurzfristig wirksamen Unterstützungsfonds ist MICHAEL METZLER „Jetzt ist die Zeit für Stadtmarketing und kooperative Stadtentwicklung. Wenn es gelingt, die konstruktiven Partner aus Wirtschaft und Gesellschaft auf gemeinsame Ziele auszurichten, lässt sich viel Kraft freisetzen. Stadtmarketing kann Kurator des Wandels in der Wirtschaft und in den Städten sein.“
17 Foto: Altes Rathaus. Esslinger Stadtmarketing & Tourismus GmbH darüber hinaus eine Strategie erforderlich, koordiniert wurde der Prozess vom neu um die Transformation der Innenstadt mit- gegründeten Transformationsteam Innen- KONTAKT tel- und langfristig aktiv zu gestalten. stadt. Die Arbeitsgruppe besteht aus Ver- Die Esslinger Stadtmarketing & tretung von EST, Wirtschaftsförderung, City Tourismus GmbH ist ein Public Private Transformation gewinnbringend nutzen Initiative, Handwerkerschaft, IHK, Handels- Partnership Modell, an dem die Stadt verband sowie Mitgliedern der verschiede- Esslingen am Neckar und verschiedene Dabei ist es zentral, von dem Gedanken nen Dezernate der Verwaltung. Das Team private Gesellschafter beteiligt sind. wegzukommen, dass Transformation ein- arbeitet als operative Einheit im stra- Die Unternehmensziele werden über fach geschieht; dass man ihr ausgeliefert tegischen Transformationsmanagement. die Geschäftsbereiche Stadtmarketing, ist. Stattdessen gilt es, ein Mind-Set dafür Es bewertet und konkretisiert Impulse Citymanagement und Tourismus zu entwickeln, die Chancen und Möglich- aus den Dialogformaten, unterstützt und marketing umgesetzt. keiten der Transformation gewinnbringend berät die Innenstadtakteure bei eigenen www.esslingen-marketing.de einzusetzen – mit Mut für Neues, innova- Vorhaben und entwickelt selbst Transfor- tiven Ideen und kraftvollen Impulsen. Ziel mationsprojekte. in Esslingen ist es ein gemeinsames Ziel- zeuge, um die Kommunikation und Mode- Bild für die Innenstadt zu erarbeiten und Professionelle Strukturen erforderlich ration des Transformationsprozesses zu mit einem Projekt-Katalog zu hinterle- gestalten. Nie war die öffentliche Auf- gen. Zentrale Frage dabei: Welche Funk- Wenn man die Herausforderung proak- merksamkeit größer. Nie bestand mehr tionen und Angebote sollte die Innenstadt tiv angeht, braucht es in den Städten eine Konsens, dass Innenstädte eine funktiona- aus der Sicht ihrer Nutzer bieten? Dazu ist Instanz, die die Transformation der Innen- le Neuorientierung und Aufwertung benö- ein Innenstadtdialog in Esslingen initiiert stadt managt, eine Strategie, die den Ver- tigen. Dieser Wandel ist eine der wichtigs- worden, der Ausgangsbasis für Kon- änderungsprozess umreißt, und eine Struk- ten Zukunftsaufgaben, der sich alle Städte zepte und Projekte ist, die die Qualität tur, die langfristig trägt. Keine Institution stellen müssen. Weil die Transformation der Innenstadt sichern und zukünftig im Konzern Stadt ist besser dazu geeignet irreversibel ist, muss sich auch Stadtmar- steigern sollen. Verschiedene Forma- die Rolle des Transformationsagenten ein- keting anpassen. Dabei gibt es gute Grün- te der Beteiligung werden angewendet. zunehmen als das Stadtmarketing. Aus der de selbstbewusst voranzugehen. Der Weg Neben einer Online-Kundenbefragung, kooperativen Stadtentwicklung kommend, mag steinig sein – die Perspektiven sind Innenstadtforen kommen auch Zukunfts- verfügt Stadtmarketing über die ganzheit- interessant. werkstätten zum Einsatz. Entwickelt und liche Denkweise und passgenauen Werk- mmetzler@esslingen-marketing.de
18 HANDEL Handel und Logistik IST DER BOOM DES ONLINE-HANDELS NACH DER PANDEMIE REVERSIBEL? Foto: Trendforum Retail 2020 Foto: ECE Die Handelsexperten Martin Kremming (cima) und Dr. Jan Röttgers (ECE) Foto: Digital Mall_WerbeflächenQECE auf dem Trendforum Retail 2020. Eine Annäherung in 5 Fragen: Im Expertengespräch Dr. Jan Röttgers, Director Logistics & International (ECE Work & Live GmbH & Co.) und cima-Handelsexperte Martin Kremming
HANDEL 19 KREMMING: Dr. Röttgers, Sie sind seit fast 20 Jahren in der Projektentwicklung Foto: Brookfield Properties der ECE tätig. Jahrelang betreuten Sie die Sparte Shopping-Center. Wir haben uns dabei kennengelernt. Nun agieren Sie in einem anderen Themenfeld; aktuell rea- lisiert die ECE in Deutschland eine Serie von hochmodernen Logistik-Centern für KREMMING: Versanddienstleister haben KREMMING: Gerade in Städten wird aber den internationalen Handels- und Logis- während der Corona-Pandemie weiter an auch das Spannungsfeld deutlich: Das tikdienstleister Hermes. Haben Sie als ECE Relevanz gewonnen; der Online-Handel Sendungsvolumen des Online-Handels oder auch persönlich als Geschäftsführer, nochmal stark zugelegt. Was denken Sie, steigt, es gibt mehr Lieferverkehr, aber rechtzeitig den Wendepunkt von der über- ist die Dynamik des Online-Handels wie- immer weniger Platz. Zudem werden die wiegenden Orientierung aufs stationä- der umkehrbar? Sehen Sie die Innenstäd- Rufe nach lebenswertem Raum und Maß- re Shoppingerlebnis zum Online-Handel te wieder auf ein vorpandemisches Niveau nahmen zur Klimafreundlichkeit immer eingeleitet? Welche Rolle spielte dabei die zurückkehren? lauter. Wie kommen Sie, das Unterneh- Pandemie? men Hermes, in diesem Spannungsfeld DR. RÖTTGERS: Der Online-Handel ist in zurecht? Was bedeutet das für die zukünf- DR. RÖTTGERS: Bereits vor der Pande- den letzten Jahren gegenüber dem stati- tige Logistik? mie haben wir entschieden, keine neuen onären Handel überproportional gewach- Shopping-Center mehr zu entwickeln. In sen. Allein im letzten Jahr hat der Online- DR. RÖTTGERS: Ich kann hier nicht für Deutschland ist mit aktuell ca. 500 Shop- Handel um 23 Prozent auf 73 Mrd. Euro Hermes sprechen. Allerdings ist das The- ping-Centern eine gewisse Marktsätti- Umsatz zugelegt. Damit erreicht der ma Verkehr eine große Herausforderung gung eingetreten. Wir haben uns daher Online-Handel am Gesamteinzelhandels für die Städte. Auf der einen Seite muss als Unternehmen neu aufgestellt und das umsatz einen Anteil von 16 Prozent. Ich die Stadt gut erreichbar sein, sowohl für Bestandsgeschäft in der ECE-Market- gehe davon aus, dass diese Entwick- Anwohnende als auch Gäste, und auf places gebündelt. Für die Neuentwicklung lung sich nicht mehr zurückdrehen lässt. der anderen Seite für die Waren. Eben- von Projekten in den Assetklassen Resi- Umgekehrt hat der stationäre Handel, der so müssen der ÖPNV und Fahrradwege dential, Hotel, Office und Logistics haben bereits vor Corona unter Druck war, in den konsequent ausgebaut werden. Und wir wir die ECE Work & Live gegründet. Da letzten Monaten erhebliche Umsatzeinbu- brauchen kluge Lösungen für den Waren- ich leidenschaftlicher Projektentwickler ßen erlebt. Die Innenstädte werden sich verkehr auf der letzten Meile. Wir wollen und offen für neue Herausforderungen verändern und je nach Stadtstruktur ganz mit unseren Shopping-Centern einen Bei- bin, habe ich seit letztem Jahr die Leitung individuelle Antworten finden müssen. trag dazu leisten. Für uns spielen Energie- unseres Bereichs Logistics & International Man muss Innenstadt neu denken und als einsparung und die Nutzung erneuerbarer übernommen. Ohne Frage läuft Logistik Ort der Begegnung und des Erlebnisses Energien eine wichtige Rolle. Mit der Ent- zurzeit sehr gut und durch Corona erfährt begreifen. Innenstadt ist mehr als Handel, wicklung der Digital Mall werden wir Liefer- diese Assetklasse eine gewisse Sonder- nämlich auch Raum für Wohnen, Arbeiten wege verkürzen und effizienter gestalten. konjunktur. und Kultur. Wir verstehen unsere Shopping-Center als
Foto: Brookfield Properties Nach dem Umbau: Visualisierung der Potsdamer Platz Arkaden im Berliner Bezirk Mitte MicroHubs, aus denen heraus über unse- laufenden Umbau der Potsdamer Platz Innenstädte sind mehr als Handel! Sie sind re Digital Mall Waren nicht nur vorbestellt Arkaden in Berlin. Die Mall aus dem 1998 wichtige Kraftorte für unser Leben. Daher und abgeholt, sondern auch geliefert wer- eröffneten Center wird zu einer Einkaufs- ist deren Stärkung eine gesellschaftspoli- den können. Wir müssen also zukünftig straße verwandelt – zukünftig weitest tische Aufgabe. Systeme entwickeln, Ware und Kundschaft gehend ohne Rolltreppen und Fußgän- besser zu vernetzen und somit lange Lie- gerbrücken. Das Gebäude öffnet sich nach Herzlichen Dank für das aufschlussreiche ferwege zu vermeiden. Das spart Verkeh- außen und im Umfeld wird kräftig auf- Gespräch! re und schont die Umwelt. Zudem muss geräumt, so werden u. a. Autos aus dem über die Umnutzung vorhandener Flächen öffentlichen Raum innerhalb des Quartiers neu nachgedacht werden: Für Kultur, Sport, verschwinden. Der Eigentümer Brookfield Events oder einfach als Orte der Begegnung. investiert in die Umgestaltung des Quar- KONTAKT tiers 200 Mio. Euro. KREMMING: Die Ansprüche an die Han- delsimmobilien im Allgemeinen und an KREMMING: Herr Dr. Röttgers, bitte noch Shopping-Center im Speziellen haben sich ein Schlusswort zu deutschen Innen- in der vergangenen Dekade sehr dyna- städten nach der Pandemie: Was ist misch verändert; bei Bestandsobjekten notwendig, damit die Innenstädte eine sind Revitalisierungen das Kernthema. Auf Chance haben zu bekannter Stärke zurück- welche Neuerungen steuern Shopping- zukommen? Center nach den Lockdowns zu? Welches ist Ihr Lieblingsprojekt? DR. RÖTTGERS: Das Beispiel Potsdamer Platz Arkaden Berlin zeigt, dass man auf DR. RÖTTGERS: Die Shopping-Center veränderte Rahmenbedingungen Antwor- Dr. Jan Röttgers haben sich ja schon in den letzten Jahren ten finden kann. Dafür sind ein klares Kon- E-Mail: Jan.Roettgers@ece.com immer wieder den veränderten Anforde zept, starke Partner und die Bereitschaft rungen von Mietparteien und Klientel ange- zu investieren erforderlich. Das kann man www.ece.com passt. Besonders spannend finde ich den auch auf unsere Innenstädte übertragen.
HANDEL 21 Gründungsförderung neu gedacht EIN KOMMENTAR ZU STANDORT-BUSINESS-WETTBEWERBEN UND ZUR BEFEUERUNG DER LOKALEN INNOVATIONSKRAFT von Michael Seidel, Partner und Projektleiter, CIMA Beratung + Management, München W elche Innenstadt – ob die einer Klein-, Mittel- oder einer Groß- stadt – sucht sie nicht? Neue Betriebe mit innovativen, unge- wöhnlichen, spannenden Konzepten abseits des Bekannten. Gerne vative Unternehmenskonzepte gesucht, nach Abschluss einer Bewerbungsphase durch ein lokales Expertennetzwerk auf Reali- sierbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Standortverträglichkeit bewertet mit Jungunternehmern am Steuer, die ihre Geschäftsideen und -visi- und über eine gezielte Realisierungsförderung und Umsetzungs onen in den Bereichen Einzelhandel, Gastronomie oder Dienstleis- betreuung mit Beratungsleistungen prämiert – gesponsort von tung engagiert vertreten und realisieren. Gerne als Crossover-Kon- einem Expertennetzwerk vor Ort. zept im Schnittpunkt von stationärem und digitalem Angebot. Die Rede ist von neuen Geschäftsmodellen mit begeisternden Services, Der Innovationscharakter dieser Förderung liegt in der unmittelba- Showrooming-Ansätzen oder regelmäßigen In-Store-Events. ren Ansprache von Existenzgründern und bereits aktiven Unterneh- mern im Rahmen eines maßgeschneiderten Umsetzungskonzeptes, Und das gibt es nicht nur in Metropolen, Groß- oder Mittelstädten, einem neuartigen Ansatz zur Zusammenarbeit von Kommunalpolitik sondern auch in den Innenstädten von Orten mit weniger als 20.000 und Wirtschaft sowie der Schaffung eines Netzwerkes mit lokalen Einwohnern. Es funktioniert! In Bad Reichenhall, Ebermannstadt und regionalen Geschäftsleuten, die den Gründern von der Idee bis oder Krumbach ... zur Umsetzung aktiv zur Seite stehen. Eine neuartige Existenzgründungs-Förderung in Form eines Stand- Das Spannendste daran ist aus meiner Sicht: Der Hauptfokus die- ort-Business-Wettbewerbs macht es möglich. Dabei werden inno- ses Standort-Business-Wettbewerbs liegt nicht auf einer direkten finanziellen Ansiedlungsförderung, sondern auf der Übernahme von Kosten, welche sich Jungunternehmer bzw. Betriebsgrün- der in der Startphase nicht leisten können bzw. wollen. Außer- dem werden direkte Hilfeleistungen und Unterstützungen bereits während der Ausgestaltung der Unternehmensidee gewährt. Hinzu kommt die gemeinschaftliche Bewerbung des Wirtschafts- standortes – online und offline. Denn der Wettbewerb wird über ein breites Marketing regional bekannt gemacht. So lief der Wett- bewerb in Ebermannstadt (7.000 Einwohner) unter dem Titel „Frische Köpfe für die Insel“ und Bad Reichenhall (18.000 Ein- wohner) fordert „Sei mutig“ (seimutig.bad-reichenhall.de). Die in den bereits abgeschlossenen Projekten eingereichten Geschäfts modelle reichen von der Kultur (z. B. Programmkino) über Hand- werk (z. B. Individualmöbelfertigung), Dienstleistung (z. B. Podo- logie-Praxis) und Gastronomie (z. B. Kaffeerösterei) bis zum Einzelhandel (z. B. Handarbeitsbedarf). seidel@cima.de
Sie können auch lesen