Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro

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Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
www.vbw-bayern.de
             Schutzgebühr 6,– Euro

Interview:
Rita Falk
                02
                2022         1
Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
Wissen Sie, wo Sie
eine Mitarbeiter-
Motivations-Spritze
finden?
Hier:

Die Betriebliche Gesundheitsförderung
der Krankenkassen in Bayern auf einen
Klick. Weil Firmen, die sich um ihre
Mitarbeitenden kümmern, attraktiver
sind als andere – so einfach ist das.

bgf-koordinierungsstelle.de/bayern
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EDITORIAL

ich hatte nie gedacht, dass es nach dem Ringen um den
­Brexit, nach den transatlantischen Animositäten rund um
 Präsident Donald Trump und zuletzt der weltweiten Corona-­
 Pandemie noch schlimmer kommen könnte. Mit Russlands
 Angriff auf die Ukraine ist aber das Allerschlimmste eingetre-
 ten: Krieg in Europa.
 Dieser Krieg betrifft uns alle. Er zerstört Leben. Er zerstört
 Ordnung. Er zerstört Wohlstand. Und er zerstört Zukunft.
 Es gilt nun unsere Werte zu verteidigen. Dazu müssen wir
 stark sein. Und das können wir, indem wir jetzt unsere
 ­Arbeit tun – Politik, Unternehmen, Mitarbeiter, Gesellschaft,
  alle miteinander und Hand in Hand. Machen wir uns nichts
  vor: Wir stehen vor einer immensen Kraftanstrengung. Das
  wird kein Sprint, sondern vermutlich ein langer Dauerlauf.
  Aber wir haben einen großen Vorteil: Wir wissen, wofür es
  sich lohnt, stark zu sein.
  Mit dem vorliegenden Magazin wollen wir Ihnen keine heile
  Welt vorspielen – angesichts der schlimmen, sich geradezu
  stündlich ändernden Nachrichtenlage ginge das auch gar
  nicht.
  Wir haben uns entschieden, auch das herauszustellen, was
  uns ausmacht: Mit der Autorin Rita Falk, die mit ihren
  ­Eberhofer-Krimis ein Millionen-Publikum erreicht, richten
   wir im Titelinterview ab Seite 14 einen liebevollen Blick auf
   Bayern und das Leben in der Provinz. Wir machen uns an-
   hand einer faszinierenden Kooperation im Südosten Bayerns
   Gedanken um eine Zukunft, in der Wasserstoff viele Energie-
   probleme löst (Seite 28). Und wir beleuchten, wie auch im
   Landwirtschaftsland Bayern eine Zukunft aussehen könnte, in
   der Fleisch durch Ersatzprodukte abgelöst wird (S. 20).
   Bleiben Sie stark und gesund!

BERTRAM BROSSARDT, Herausgeber
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INHALT

6PORTRÄT
                                        14
                                        INTERVIEW
                                                                                20
                                                                                LEBENSMITTEL

 Kaffee und mehr                        Niederkaltenkirchen                     Forschen für die
 Dinzler hat aus einer Kaffeerösterei   kann überall sein                       Fleisch-Revolution
 eine Marke gemacht und am Irschen-
                                        Rita Falk, Autorin der beliebten        Noch ist die künstliche
 berg eine wunderbare Gastronomie
                                        Eberhofer-Krimis, verrät, wie sie auf   Herstellung von Steaks, Burger
 geschaffen. Für Feste wird das Lager
                                        ihre Geschichten kommt, warum           und Co. sehr teuer, aber
 geräumt.
                                        Provinz etwas Positives ist und         Möglichkeiten für die Massen-
                                        warum der Erfolg auch mit der           produktion im Labor werden
                                        Sehnsucht nach Heimat und Gebor-        auch in Deutschland fleißig
                                        genheit zu tun hat.                     getestet.

                                                                                                    Foto: Aleph Farms
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INHALT

MACH(T)RAUM12                        LIFESTYLE36
                                                                                      IMPRESSUM
                                      EINE FRAGE NOCH ...           38
                                                                               vbw Unternehmermagazin 02/2022
                                                                                       HERAUSGEBER
                                                                                    vbw – Vereinigung der

24                                    28
                                                                                 Bayerischen Wirtschaft e. V.
                                                                               VR 15888 Amtsgericht München
                                                                            Hauptgeschäftsführer: Bertram Brossardt
                                                                              Max-Joseph-Str. 5, 80333 München
                                                                          Büro des Herausgebers: Andreas Ebersperger
                                                                          E-Mail: unternehmermagazin@vbw-bayern.de
                                                                                     HERAUSGEBERBEIRAT
                                                                                       Bertram Brossardt
 BILDUNG                               MOBILITÄT                                         Holger Busch
                                                                                      Anna Engel-Köhler
                                                                                        Michael Forster
                                                                                         Klaus Lindner
                                                                                        Thomas Schmid
 Maßgeschneiderte                      Ein Real-Labor                                  Dr. Peter J. Thelen
                                                                                          Walter Vogg

 Qualifizierung                        für nachhaltigen                           GESAMTKOORDINATION
                                                                                        Dr. Peter J. Thelen

 Berufliche Fortbildungszentren der    Schwerverkehr                                   Tel.: 089-551 78-333,
                                                                               E-Mail: peter.thelen@vbw-bayern.de
 Bayerischen Wirtschaft schulen                                                      CHEFREDAKTEUR
                                       Das Next Mobility Accelerator             Alexander Kain (V.i.S.d.P.)
 Spezialisten für die Anforderungen
                                       Consortium bringt Wasserstoff-­           REDAKTION: Sandra Hatz
 der Industrie 4.0.                                                         AUTOREN: Alexander Kain, Sandra Hatz,
                                       Lkws auf die Straße, baut                Lisa Plank, Katia Meyer-Tien,
                                                                                 Christiane Habrich-Böcker
                                       Tankstellen und ein Netz für
                                                                                   GRAFIK: Silvia Niedermeier
                                       Service und Dienstleistungen.             KORRESPONDENTENBÜROS
                                       Die Transporter werden an            D – 10117 Berlin, Charlottenstraße 35/36,
                                                                                       Dr. Peter J. Thelen
                                       Partner vermietet.                 B – 1000 Brüssel, Rue Marie de Bourgogne 58,
                                                                                      Volker Pitts-Thurm
                                                                          USA – 10174 New York, The Chrysler Building,
                                                                           405 Lexington Ave, 37th Fl., Christoph Kolle
                                                                                           VERLAG
                                                                          vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft
                                                                                    Projektgesellschaft mbH
                                                                               HRB 106556 Amtsgericht München
                                                                                Geschäftsführer: Klaus Kornitzer
                                                                                  KOOPERATIONSPARTNER ·
                                                                            GESAMTABWICKLUNG · ANZEIGEN
                                                                                 Reiner Fürst, PNP Sales GmbH
                                                                                  Medienstraße 5, 94036 Passau
                                                                             Tel.: 0851-802-237, Fax: 0851-802-772
                                                                          Anzeigentechnik E-Mail: josef.feucht@vgp.de
                                                                                TITELFOTO: Astrid Schmidhuber
                                                                                           DRUCK
                                                                            PASSAVIA Druckservice GmbH & Co. KG
                                                                                      Medienstraße 5b
                                                                                        94036 Passau
                                                                                    Tel.: 0851-966 180-0
                                                                             Das vbw Unternehmermagazin erscheint
                                                                             sechsmal im Jahr mit einer Auflage von
                                                                                      70.000 Exemplaren.
                                                                                        ISSN 1866-4989
                                                                             Nachdruck oder Vervielfältigung, auch
                                                                            auszugsweise, nur mit Genehmigung des
                                                                          Herausgebers. Für die ­Zusendung unverlangter
                                                                           Manuskripte oder Bilder wird keine Gewähr
                                                                                         übernommen.
                                                                                      www.vbw-bayern.de
Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
PORTRÄT

          Dinzler ist ein Familienunternehmen,
            das eine traditionelle Rösterei zur
                                                  Fotos: Dinzler

          bekannten Marke aufgebaut hat. Aber
                  das ist noch nicht alles.

6
Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
PORTRÄT

                                                                                                         GENUSS

  Kaffee und Leben
Bei DINZLER AM IRSCHENBERG dreht sich vieles um die Bohne und
vieles um Genuss – Das Familienunternehmen hat den Namen zu einer
bekannten Marke gemacht – Café und Restaurant an der Autobahn nahe
Rosenheim sind ein Anziehungspunkt für die Region und darüber hinaus

In der Gemeinde Irschenberg zieht        Die Idee, die Türen der Kaffeerösterei   terei, sondern für die ganze Familie
ein Ort seine Gäste fast magisch an.     zu öffnen und einen Ort zum Verwei-      Richter.
Nicht nur Einheimische verbringen        len zu erschaffen, stammt vom Vor-       Seit der Übernahme ist das Unterneh-
dort Zeit – Ausflugsgäste kommen         standsvorsitzenden Franz Richter.        men stetig gewachsen, trotzdem hat
ganz gezielt, um hier zu verweilen: in   Seine Familie und er kauften die 1950    die Kaffeerösterei ihren familiären
der Dinzler Kaffeerösterei.              gegründete Kaffeerösterei im Jahr        Charakter behalten. Das liegt nicht
Hier an der A 8 trinken Gäste an der     1998 von Franz Richters langjähri-       nur daran, dass nach und nach fast
Bar Espresso, lassen den Tag bei ei-     gem Freund und Geschäftspartner          die ganze Familie Richter in das
nem langgezogenen Frühstück ver-         Klaus Dinzler. Als dieser ankündigte,    ­Unternehmen eingestiegen ist – „je-
streichen oder gehen abends mit          die damals in Bischofswiesen gelege-      der, der schon arbeiten darf, arbeitet
Freunden essen oder ein Glas Wein        ne Kaffeerösterei zu verkaufen, bot       bei uns“, scherzt die Tochter Katrin
genießen. Das Herzstück von Dinzler      die Familie Richter an, das Unterneh-     Richter –, sondern auch an der Art
ist die offene Kaffeerösterei, in der    men zu erwerben – und versprach,          und Weise, wie das Unternehmen ge-
Besucher beobachten, wie Kaffeeboh-      sowohl den Namen als auch die da-         leitet wird. „Morgens frühstücken wir
nen geröstet, gemahlen und verpackt      maligen Mitarbeiter zu übernehmen.        mit unseren Mitarbeitern und nach
werden. Dieses Konzept macht das         Damit begann ein neues Kapitel.           der Schicht sitzen sie oft noch zusam-
Unternehmen einzigartig.                 Nicht nur für die Dinzler Kaffeerös-      men und trinken gemeinsam ein Bier.

                                                                                                                            7
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PORTRÄT

                                            Aber auch sonst liegt uns das Wohl
                                            unserer Leute am Herzen“, sagt Franz
                                            Richter.
                                            Im Mittelpunkt steht das Wohlerge-
                                            hen des Unternehmens – für den ei-
                                            genen Erfolg, aber auch, um den Mit-
                                            arbeitern einen sicheren Arbeitsplatz
                                            bieten zu können. Um das möglich zu
                                            machen, entwickelt sich die Dinzler
                                            Kaffeerösterei von Jahr zu Jahr weiter.

                                              „VIELE HABEN UNS
                                                  FÜR VERRÜCKT
                                                     GEHALTEN“

                                            „Bevor wir die Firma gekauft haben,
                                            wurde der Kaffee immer hinter ge-
                                            schlossenen Türen geröstet. Aber die
                                            Leute interessieren sich dafür, was
                                            wir hier tun. Deshalb wollten wir die
                                            Prozesse sichtbar machen“, erzählt
              „Wir wollten die Prozesse
               sichtbar machen.“ In der     Franz Richter.
            ­Kaffeerösterei können Besu-    In der kleinen Rösterei in Bischofs-
          cher sehen, wie die Bohnen ver-   wiesen war das nur schwer umsetz-
          arbeitet werden. Teamarbeit ist   bar, also suchte die Familie Richter
           der Familie besonders wichtig.
                                            nach einer neuen Heimat für das Un-
          Neben Schauräumen und Shop        ternehmen. „Wir fanden einen ehe-
          gibt es auch Platz für Schulun-   maligen Steinmetzbetrieb in Rosen-
          gen. Für Veranstaltungen wird     heim. Das war der ideale Ort für uns“,
          bei Bedarf das Lager geräumt.     sagt Franz Richter. „Naja, du dachtest,
                                            das sei der ideale Ort. Alle anderen
                                            haben uns für verrückt gehalten“,
                                            ­korrigiert ihn seine Tochter Katrin
                                             Richter und lacht.
                                             Doch Franz Richter behielt recht. Sie
                                             verlagerten die Kaffeerösterei nach
                                             Rosenheim und eröffneten dort ein
                                             Café. Seitdem können die Gäste be-
                                             obachten, wie der Kaffee geröstet und
                                             gemahlen wird, und ihn gleich da-
                                             nach frisch zubereitet genießen.
                                             ­Dieses Konzept, kombiniert mit der
                                              Atmosphäre im ehemaligen Stein-
                                              metzbetrieb, sorgte dafür, dass
                                              ­Dinzler immer bekannter wurde.
                                               „Die Leute haben bei uns gegessen
                                               und getrunken, haben sich angese-
                                               hen, wie der Kaffee hergestellt wird,
                                               und haben Kaffeebohnen gekauft.
                                               Und dann sind sie nach Hause gegan-
                                               gen und haben zu ihren Freunden ge-

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Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
PORTRÄT

                                                                                Die Gastronomie am Irschenberg nutzen
                                                                                Durchreisende genauso wie Einheimische
                                                                                und Gäste, die Dinzler gezielt anfahren.

    sagt: ‚Das musst du dir ansehen.‘ Im     Unternehmensleitung und der Mitar-     Konzept, trotzdem wagten wir uns
    Grunde war das gelebtes Marketing“,      beiter. „Am Anfang hat meine Frau      mit der Gastronomie auf neues Ter-
    sagt Katrin Richter.                     die Kuchen für das Café noch zu Hau-   rain. Dafür mussten wir sehr oft an
    Der Erfolg der Kaffeerösterei basiert    se gebacken“, erzählt Franz Richter.   unsere Belastungsgrenze und darüber
    jedoch nicht nur auf einer geschickten   „Das war für uns alle ein Kultur-      hinaus gehen“, erinnert er sich.
    Marketingstrategie, sondern auch auf     schock. Meine Frau war bis dahin       Heute werden die Kuchen nicht mehr
    der hohen Leistungsbereitschaft und      Hausfrau und ich habe gutes Geld in    in der privaten Küche gebacken, son-
    dem Durchhaltevermögen seitens der       der Schweiz verdient. Wir hatten ein   dern in der eigenen Konditorei. „Am

                                                                                                                           Anzeige

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PORTRÄT

       Was aussieht wie ein Familienfoto ist in
 Wahrheit die Geschäftsleitung der DINZLER
   Kaffeerösterei: Thomas Steinke (v.l.), Katrin
  Richter, Florian Unterleitner, Isolde Richter,
 Franz Richter, Rolf Fischer, Heike Richter und
                               Matthias Richter.

         ersten Tag machten wir im Café 80         für ein Outlet an Marc O’Polo ver-         Bürgermeister hat mir das Grund-
         Mark Umsatz. Das war super, damit         mietet“, führt ­Katrin Richter weiter      stück gezeigt – ­damals war hier ja
         konnten wir den Kaffeeröster bezah-       aus. „Wir fragen uns immer wieder,         noch gar nichts – und ich habe ihm
         len und es konnte weitergehen.“ Im        was wir als Nächstes machen können.        per Handschlag ­zugesagt, es zu kau-
         Jahr 2019 lag der Jahresumsatz bei        Wir ruhen uns nicht auf unserem Er-        fen“, erzählt er.
         42 Millionen Euro. Die Pandemie be-       folg aus, wir bleiben nicht einfach ste-   Die Firma Dinzler baute eine Kaffee­
         scherte dem Unternehmen zwar hohe         hen.“ Das haben sie und ihre Familie       rösterei und Gasträume, eine Küche,
         Umsatzeinbußen, existenzbedrohend         vor allem beim Umzug des Unterneh-         eine Konditorei, ein Lager und
         waren diese jedoch nicht. „Wir haben      mens an den Irschenberg bewiesen.          Räumlichkeiten für Schulungen. So-
         immer noch schwarze Zahlen ge-            „Die Räumlichkeiten in Rosenheim           gar ein kleines Kino gibt es, um dort
         schrieben“, so Franz Richter.             waren nur gemietet“, stellt Franz          einen Film über die Geschichte des
         Obwohl die Pandemie die Gastrono-         Richter klar. Das Mietverhältnis sorg-     Kaffees zu zeigen.
         mie hart getroffen hat, hat der Ge-       te für Unsicherheit, schließlich wuss-     Und: „Unser Lager ist so konzipiert,
                                                                                              dass dort auch Veranstaltungen statt-
                                                                                              finden können. Deshalb hängt an der
                                                                                              Decke eine Discokugel“, sagt Franz
        Wandlungsfähigkeit birgt Wachstumspotenzial                                           Richter. „Wenn ein Fest geplant ist,
                                                                                              müssen wir nur bei der Produktion
                                                                                              rechtzeitig ankündigen, dass das
         schäftsgeist der Familie Richter das      te die Familie nie, ob und zu welchen      ­Lager leer sein muss“, erklärt Katrin
         Unternehmen vor dem Schlimmsten           Konditionen der Mietvertrag verlän-         Richter.
         bewahrt. „Wir wollen keine Hilfsgel-      gert werden würde. Sie entschied            Dinzler will seine Wandlungsfähig-
         der, wir wollen einfach nur unsere        sich, in der Gemeinde Irschenberg           keit auch weiter nutzen und sein
         Arbeit machen und unseren Betrieb         ein eigenes Gebäude zu bauen – denn         Wachstumspotenzial ausschöpfen.
         am Laufen halten“, erklärt Franz          „Marke braucht Heimat“, unter-              „Wir stellen uns natürlich auch die
         Richter. An Ideen, den Betrieb wei-       streicht Franz Richter.                     Frage, wie wir in Zukunft weiterma-
         terzuführen, mangelt es dabei nicht.      Die Gemeinde Irschenberg stellte sich       chen wollen. Unsere Liste an Ideen ist
         „Als wir das Café nicht öffnen durf-      als Glücksgriff heraus. „Hier waren         lang und eine davon ist es, ein Hotel
         ten, haben wir die Räumlichkeiten         wir von Anfang an willkommen. Der           zu eröffnen“, sagt Katrin Richter.  

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Buch
                                                                                                                                                                                            Verlag

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                                                                                      Schriftmuster
Tageszeitung                                                                                                                                                                                                                          Hardcover Papier
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                                                                                                                                                                                            Fotos                                     Workflow

  2022
                                                                                                                                                                                                                                                Nr. 1 | 2021

                                                                                                                                                                                                MAGAZIN FÜR GESUNDHEIT UND LEBEN

                                                                                                                                                                                                          Landkreis Passau
                                                                                                                                                                                                      Gesundheitseinrichtungen
                                               Ur
                                                                                 984,21 km2
                                                         Wissen

                                               Wald
                                       Tanne

                                                                                             Erfolg
                                               Sankt
                                               Oswald
               Niederbayern

                              Rachel                                                 Geo
                              regional
                                                                        reine Luft

                                                                                     informatik Mauth
                                   Spiegelau                                         Patent
                                Europa                                               Neuschönau Erholung
                                                      Riedlhütte

                                                                                     Sportlich     Mess-, Steuer- Regeltechnik
                              Eppenschlag

                                                                                                                                                                                                                                  Tiefer
                                                                                     Forschung grün               Philippsreut
          klangvoll
                                 Mit
                                        offen Systemik
                                                                                                                                                       Brauchtum

     Leidenschaft                                National                                         erfolgreich
                              denken
                                                                                                                                       elektromagnetisch

  erfinderisch                                                           Hohenau
   Schöfweg
           Innernzell
                                  Lebensqualität Haidmühle
                                                                                                                 Grainet

   78.300 Herz                                                                                                                                             Hoch-

                                                                                                                                                                                                                                 geblickt.
                                                 Hinter
                                                        Grafenau                                   Lusen
                                               Wald

           Schönberg
                                                                                             Ilz                           schmiding                       qualitativ
  global
                       Technologie Netz
                                                                   Ringelai
                                                                                                                                                           Medizin-
   naturnah                                                                                                                                                informatik
        Zenting               Mut  werk  Saldenburg                                                                                                    Naturschutz
                                                                       Bionik

           Zukunft Perlesreut                                                        Freyung Erfinder                                                 geist
                                                                                      Röhrnbach                                                                                                                                   Neues aus den
                                                                                 Tradition

           Thurmansbang
                                                                                         Fürsteneck
                                                                                                         Navigation          Stolz                     Neureichenau
                                                                                                                  Jandelsbrunn                         aufstrebend
                                                                                                 Waldkirchen
                                                                                                 freundlich      Embedded Systems
                                                                                                                                                       Ideen                                                                     Landkreiskliniken
                                                                                                                            im Herzen
                                                                                                                            Europas

                              PNP Sales GmbH
Medienstraße 5                                                                                                                                                               94036 Passau
Tel. 0851/802-594                                                                                                                                                             www.pnp.de
Mach(t)Raum
              Fotos: Astrid Schmidhuber

                                                Lautsprecher:
                                          Moderne Kommunikations­
                                            technik unterstützt die
                                            Topmanagerin bei ihrem
                                          durchgetakteten Arbeitstag.

               Laptop:
           Ihr Büro hat die
                                                                                       Handy-Kette:
          BSH-Chefin immer
                                                                         Passende Wahl: Die Wirkung von Rot ist
                dabei.
                                                                        repräsentativ, kompromisslos und energie-
                                                                         geladen und passt zu Kriwets Charakter.

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Information

                                                                                             Anzeige
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                                                                                                                                         www.vbw-bayern.d
                                                                                                                                       Schutzgebühr 6,– Euro

                                  mit Konsumenten und fährt auch mit Service-­
                                  Technikern mit, hört zu und setzt um. Ein per-
                                  fektes Zusammenspiel der Prinzipien von
                                  ­„Market Pull“ und „Technology Push“. Eines der
                                   Ergebnisse ist BlueMovement, das BSH-Start-up,
                                   das neue und wiederaufbereitete Hausgeräte ver-
                                   mietet, inklusive Full-Service und Wartung. Das
                                   bedient nicht nur die Kundenbedürfnisse nach
                                   erschwinglichen Geräten, sondern auch den zu-
                                   nehmenden Wunsch nach Nachhaltigkeit. „Der
                                   beinhaltet für die Konsumenten nicht nur Ener-
                                   gieeffizienz, sondern zudem eine funktionieren-
                                   de Kreislaufwirtschaft“, sagt die Topmanagerin.
                                                                                                          Interview :
                                                                                                          Markus
                                                                                                                                                      020621           www.vbw-bayern.d
                                                                                                                                                                                         e
                                                                                                                                                                     Schutzgebühr 6,– Euro

                                   Die Produktentwicklung ist zudem von Vernet-                           Duesmann
                                                                                                                                                               1

                                   zung und Digitalisierung geprägt. Das wird beim
                                   selbstlernenden Geschirrspüler deutlich. „Als
                                   erster Geschirrspüler auf dem Markt holt er nach
                                   getaner Arbeit Feedback ein: War das Geschirr
                                   trocken genug? Die Gläser glänzend? Passte die
                                   Dauer? Auf Basis der Antworten verändert er
                                   verschiedenste Parameter so lange, bis seine Be-
                                   sitzerinnen und Besitzer mit dem Ergebnis
Berufliche Lieblingslektüre:
        Das britische              glücklich sind“, erklärt Kriwet. Und: Natürlich
      Wochenmagazin                könnte das Gerät bei technischen Problemen per
                                                                                                                        Interview :
     „The Economist“               Fernwartung repariert werden. Dennoch inves-
                                                                                                                                                                   020 1
                                                                                                                    Angelique
                                   tiert die BSH-Chefin in den Service vor Ort bei                                  Renkhoff-Mücke
                                   den Konsumenten. „Wir haben die größte Ser-                                                                                       22  1

                                   viceorganisation der Branche. Ein funktionieren-
                                   der und zugleich empathischer Service ist essen-
                                   ziell für die Konsumentenbindung“, betont die                       Das vbw Unternehmermagazin ist die Premium-
                                   ­ehemalige Entwicklungshelferin, die seit 2020                      Publikation für Menschen aus der bayerischen
                                    die Geschicke der Bosch-Tochter lenkt.                             Wirtschaft und Politik. Das sind Unternehmer,
                                    Die angezogene Nachfrage unter anderem von                         Führungskräfte in den Betrieben, politische Mei-
                                    Küchengeräten aus dem Hause BSH zeigt, dass                        nungsbildner, Entscheider aus den Verbänden sowie
                                                                                                       Multiplikatoren gesellschaftlich relevanter Gruppen.
                                    das Unternehmen mit Kriwets Strategie gut fährt.
                                    „Bei den Küchenprodukten ist das auch der Be-                      Wir wollen Ihnen mit dem vbw Unternehmer-
                                    liebtheit von Kochshows geschuldet und zum Teil                    magazin alle zwei Monate nutzwertorientierte
                                    der Pandemie, die die Menschen während des                         Inhalte geben, darunter Best-Practice-Beispiele aus
                                                                                                       bayerischen Unternehmen, Wirtschaftspolitik,
                                    Lockdowns zum Kochen brachte“, sagt sie. Doch
                                                                                                       Recht, Soziales, Forschung und Technik, Bildung
                                    man darf sicher sein, Kriwet wird b
                                                                      ­ eweisen, dass                  und Lifestyle.
                                    auch unter „normalen Bedingungen“ Produkte
                                    der BSH in immer mehr Haushalten einziehen.                        Wenn Sie auch zu diesem Leserkreis gehören wollen,
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                                    Doch bei allem Erfolg wird Kriwet weiterhin viel
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                                    Küchentisch der Konsumenten sitzen.

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                                                                                        13             DS-GVO finden Sie unter www.vbw-bayern.de/01dsv
INTERVIEW

         „Niederbayern, Polizei
        und möglichst schräg“
Die Autorin RITA FALK erreicht mit ihren weiß-blauen Provinz-Krimis rund um den
lässigen Polizisten FRANZ EBERHOFER ein Millionenpublikum – Leser, Kinobesucher
und Fernsehzuschauer sind begeistert von den Vorgängen im fiktiven Niederkaltenkirchen.
Dass am Beginn der Erfolgsserie ein klassisches Existenzgründer-Darlehen stand, wissen
die wenigsten. Im Interview mit dem vbw Unternehmermagazin erklärt die Autorin,
warum Heimat etwas Besonderes und Provinz kein Schimpfwort ist

Wann, wo und wie genau wurde             als würdig, aufgehoben zu werden.        Das Grundgerüst für den ersten Ro-
Ihre Kult-Figur, der Provinz-Poli-       Darum habe ich mir immer, wenn ich       man ist schnell gestanden: Er sollte
zist Franz Eberhofer ersonnen?           wieder eine ganz besondere Ge-           eine Familie haben, aber keine eigene,
Als Autorin habe ich zuerst einmal       schichte gehört habe, Notizen ge-        sondern eine, die eher ein bisserl
überlegt: Wo kenne ich mich wirklich     macht. Das begann bestimmt schon         nervt. Der Rest war jetzt keine Pla-
gut aus? Das war zum einen Nieder-       zehn Jahre bevor ich den Franz Eber-     nung wie am Reißbrett, sondern eher
bayern, das mir recht vertraut war,      hofer geboren habe.                      ein Prozess. Nur ganz wenige Eck-
weil ich zu dem Zeitpunkt schon 40                                                pfeiler standen fest, alles andere ist
Jahre dort gelebt habe. Und es war die   Und wie kam er dann in die               spontan während des Schreibens ent-
bayerische Polizei, weil mein Mann       Welt?                                    standen.
30 Jahre lang Polizist war. Bei den      Mein erstes Buch war der „Hannes“.
Weihnachtsfeiern und Sommerfesten,       Doch das Buch wurde von den Verla-       Der Eberhofer ist ja – und da
wo sich die Kollegen gegenseitig ihre    gen abgelehnt – zu schwere Kost für      schließt sich sofort der Kreis zur
Highlights aus dem dienstlichen All-     ein Debüt, hieß es. Da ist bei mir ein   bayerischen Wirtschaft – per
tag erzählt haben, habe ich so viele     bisserl der Trotz hochgekommen:          Existenzgründer-Zuschuss ent-
Geschichten gehört, bei denen ich        Wenn ihr nichts Ernstes von mir ha-      standen. Wie kam das?
mir gedacht habe: Das wäre wirklich      ben wollt, habe ich mir gedacht, dann    2008 bin ich als Bürokauffrau arbeits-
schade, wenn die mal verloren gehen.     bekommt ihr jetzt etwas Lustiges. Das    los geworden. Ich war todunglück-
Denn wenn diese Generation mal           war, wenn man so will, die Geburts-      lich, habe mir dann aber gesagt: Dich
weg ist, dann weiß das kein Mensch       stunde vom Franz Eberhofer: Nieder-      wird niemand aus dieser Situation
mehr. Ich empfand diese Geschichten      bayern, Polizei und möglichst schräg.    befreien – außer du selbst. Also habe

                                                                                                                           15
INTERVIEW

     ich die Zeit, die ich nicht mehr in der   lebe hier mitten in Niederkaltenkir-      Wie erklären Sie sich dieses
     Arbeit war, genutzt, um das zu tun,       chen und der Flötzinger, der ist mein     deutschlandweite, ja sogar über
     was ich immer schon gerne tat:            Nachbar.“ (lacht) Ich bin überzeugt:      Deutschland hinausreichende In-
     schreiben. Als Vollzeit-Berufstätige      Niederkaltenkirchen kann überall          teresse an der bayerischen Pro-
     und Mutter von Kindern hatte ich          sein, auch in England oder in Italien.    vinz?
     nur die Zeit für Kurzgeschichten.         Und auch solche Menschen, wie ich         Vor vierzehn Jahren, als ich angefan-
     Plötzlich waren jeden Tag acht Stun-      sie beschreibe, gibt es überall. Aber     gen habe, war die Globalisierung für
     den übrig, die ich zum Schreiben          klar ist: Mein Niederkaltenkirchen,       viele Menschen schon ein großes The-
     nutzen konnte. Parallel dazu habe ich     auch wenn es fiktiv ist, liegt in der     ma. Viele haben festgestellt, dass sie
     mich arbeitslos gemeldet – und hatte      Nähe von Landshut. Dort kenne ich         irgendwie keine Heimat mehr haben –
     das Glück, auf einen ganz hervorra-                                                 weil sie zwar irgendwo auf dem Land
     genden Mitarbeiter bei der Agentur                                                  groß geworden sind, dort im Kinder-
     für Arbeit zu stoßen, der mich darauf                                               garten, in der Schule und im Fußball-
     hingewiesen hat, dass Autor ein ver-                                                verein waren, aber dann zum Arbeiten
     nünftiger Beruf sei, für den man ei-      „Viele Menschen sehnen                    in eine große Stadt oder sogar ins
     nen Existenzgründer-Zuschuss bean-        sich zunehmend wieder                     Ausland gezogen sind. So etwas reißt
     tragen könne.                                                                       die Menschen aus ihrer Heimat heraus
                                                nach Heimat und nach                     und erzeugt Sehnsucht nach einem
     Existenzgründung geglückt.                     Geborgenheit“                        Ort, an dem sie sich zu Hause fühlen.
     Das kann man wohl sagen!                                                            Ich höre das oft von meinen Lesern,
                                                                                         dass sie sich in meinen Texten wie da-
     Wo ist Niederkaltenkirchen, der                                                     heim fühlen, dass sie die Bücher nicht
     Ort, den Sie beschreiben?                                                           nur lesen, sondern regelrecht erleben.
     Ich habe lange Zeit gedacht, das ist in   die Leute, die ticken so ähnlich wie in
     Niederbayern. Aber meine Leser ha-        den Büchern – auch wenn ich das           Gelingt das auch deshalb so gut,
     ben mich eines Besseren belehrt. Ich      ­natürlich überzeichne. Der Franz         weil es sich speziell um die baye-
     bekomme viele Zuschriften, und ein         ­Eberhofer ist wahnsinnig politisch      rische Provinz handelt?
     Mann, der in einem kleinen Ort in           unkorrekt, aber man muss das mit ei-    Es könnte sein, dass das das Tüpferl
     der Nähe von Hamburg lebt, hat mir          nem Augenzwinkern lesen. Ich will       auf dem i ist. Die Leute machen ja
     geschrieben: „Liebe Frau Falk, ich          da niemandem auf den Schlips treten.    auch gerne in Bayern Urlaub. Aber

16
INTERVIEW

ich glaube, dass es in erster Linie     Ich glaube, es gibt zwei Spezies von       dass irgendwelche Großstädter dazu-
­daran liegt, dass die Menschen ange-   Menschen: Die einen wollen aufs            kommen. Die sind sich selbst genug
 sichts des ganzen Wahnsinns um sie     Land, weil sie Freiheit wollen: ein La-    und mit sich im Reinen, die fühlen
 herum, angesichts der zunehmenden      gerfeuer im Garten machen, ausreiten       sich wohl an ihrem Stammtisch, mit
 Geschwindigkeit und der steigenden     von der Haustüre weg, mit den Hun-         ihrem Fußballverein und in ihrer
 Komplexität von allem Sehnsucht        den in den Gummistiefeln laufen. Die       kleinen politischen Welt. Der Kosmos
 nach einem sicheren Hafen haben.       andere Spezies sind die, die einfach       funktioniert ganz gut aus sich selbst
 Viele Menschen sehnen sich zuneh-      die Treppe runterlaufen wollen und         heraus – da braucht es nicht zwin-
 mend wieder nach Heimat und nach       sofort in der Szene sind, wo man ei-       gend einen Input von außen. Aber ich
 Geborgenheit.                          nen schönen Aperol Spritz trinken          habe auch die Erfahrung gemacht,
                                        kann, wo die Oper um die Ecke ist          dass die Leute, die von außen kom-
Demnach ist Provinz für Sie ein         und das Museum. Zwischen diesen            men, nicht generell abgelehnt werden
positiv besetzter Begriff?              beiden Lebensentwürfen gibt es nicht       – sie müssen sich halt einfügen. Wer
Definitiv, Provinz ist für mich etwas   viel. Aktuell, meine ich, gibt es wieder   mit ausgefahrenen Ellbogen an-
Positives.                              eine Stadtflucht: Die Leute wollen         kommt, der kann sich in der Provinz
                                        wieder aufs Land. Der Provinz selbst       ziemlich schwer verletzen.
Die Provinz- beziehungsweise
Regionalkrimis boomen ja schon
seit einiger Zeit. Ist das nur eine
neue Sehnsucht nach Provinz,
nach Regionalem, wie Sie es                „Wer mit ausgefahrenen Ellbogen ankommt, der kann
eben beschrieben haben? Oder                  sich in der Provinz ziemlich schwer verletzen“
ist es mehr, sogar ein neues
Selbstbewusstsein der Provinz
und des ländlichen Raums? Oder
geht es einfach darum, dass man
anhand der Provinz gedanklich           ist es wurscht, ob sie gemocht wird        Sie sind in Niederbayern bei
Klischees ausleben kann, weil eh        oder nicht. Die Leute, die immer           Landshut aufgewachsen, leben
niemand so recht weiß, was Pro-         schon in der Provinz gelebt haben,         heute in einem ehemaligen
vinz eigentlich sein soll?              sind nicht besonders scharf darauf,        Schulhaus im Allgäu und haben

                                                                                                                           17
INTERVIEW

        eine Wohnung in München. Was             Lästerei. Aber ich kann gut darüber       fragt. Und er hat gesagt: „Den schenk'
        bedeutet Heimat für Sie?                 hinwegsehen. Erstens, weil ich ja         ich dir!“
        Ich bin momentan ein bisserl heimat-     auch das Gegenteil höre. Und zwei-
        los – auf der Suche nach neuen Häfen     tens, weil man es nie allen recht ma-     Ein paar Bayern-Speisen wären
        und nach neuer Erde für meine Wur-       chen kann – das hat nicht einmal der      noch offen: Der Rettich, also
        zeln. Ich habe vor anderthalb Jahren     liebe Gott geschafft.                     „Radi“. Der Presssack und die
        meinen Mann verloren. Das alte                                                     Sülze. Und vielleicht auch mal
        Schulhaus im Allgäu war unser ge-        Vom „Mia san mia …“ fühlen vie-           ein Getränk? Ein Obstler, eine
        meinsames Zuhause, wir haben es ge-      le sich doch aber regelrecht pro-         Goaßmaß oder ein Bocksbeutel?
        meinsam renoviert, es war unser ge-      voziert.                                  Juckt es Sie bei solchen Titel-­
                                                                                           Bausteinen in den Fingern?
                                                                                           Ich habe schon eine ganze Liste mit
                                                                                           möglichen Titeln gemacht. Aber der
                                                                                           Bocksbeutel, der ist fränkisch – das
     „Foppen – ohne dass da etwas Böses, Arglistiges oder                                  geht in Niederkaltenkirchen nur noch
      Hinterfotziges dabei wäre. Ich finde das charmant“                                   ganz schlecht (lacht).

                                                                                           Demnach steht eine kulinarische
                                                                                           Tour in andere Gefilde eher nicht
                                                                                           an? Etwas mit Krabben, Trüffeln
        meinsames Projekt. Es ist jetzt keine    Ja, aber unser „Mia san mia“ darf         oder Weinbergschnecken?
        Idylle mehr – ich fühle mich dort        man doch nicht ernst nehmen. Da ist       Ich habe meinem Agenten zuliebe
        nicht mehr wohl, kann mich dort          doch immer auch ein Augenzwinkern         mal eine Kurzgeschichte geschrieben
        nicht mehr aufhalten. Die Wohnung        dabei. Das ist ein Foppen – ohne dass     – es ging um eine Anthologie all sei-
        in München ist eine Zwischenstation      da etwas Böses, Arglistiges oder Hin-     ner Autoren. Das Thema wurde mir
        – auch, weil München nicht ganz          terfotziges dabei wäre. Ich finde das     vorgegeben: Der Franz Eberhofer
        mein Ding ist. Ich bin und bleibe halt   charmant.                                 musste nach Gelsenkirchen. Dann
        ein Land-Ei, weshalb ich mich gerade                                               bin ich drei Tage nach Gelsenkirchen
        neu orientiere.                          Woher stammen eigentlich die              gefahren. Zum Recherchieren. Das
                                                 wirklich köstlichen, kulinarischen        war schon die Hölle. Und dann habe
        Aber Sie bleiben in Bayern?              Titel? Auf „Winterkartoffelknö-           ich mich mit diesem Text herumge-
        Ja, selbstverständlich. Ich kann nicht   del“ und „Leberkäsjunkie“,                quält, so lange, da hätte ich ein ganzes
        raus aus Bayern. Ich bin sehr gerne      „Dampfnudelblues“ und „Kaiser-            Buch schreiben können. Das war
        unterwegs, bin auch gerne im Aus-        schmarrndrama“, „Guglhupfge-              wirklich schlimm, für den Franz
        land – aber nur als Touristin.           schwader“ und „Rehragoutren-              Eberhofer und für mich. Ich glaub',
                                                 dezvous“ muss man auch                    der Franz bleibt auch in Zukunft da-
        Ein Autor ist immer auch ein             erstmal kommen …                          heim.
        ­Beobachter. Was stört den               Angefangen hat es mit „Winterkartof-
         ­Beobachter in Ihnen an Bayern?         felknödel“, weil da jemand so blass       Wie genau darf man sich das vor-
          Was müsste anders sein, anders         wie ein Winterkartoffelknödel wird.       stellen, wenn Sie ein neues Buch
          werden?                                Eigentlich war das nur der Arbeitsti-     schreiben? Woher kommt die
        Mich persönlich stört gar nichts an      tel, aber der Verlag war sofort begeis-   Idee? Wie machen Sie aus einer
        Bayern. Ich liebe dieses Land und        tert. Und dann haben wir versucht, in     Idee eine Handlung und aus einer
        seine Ecken. Ich empfinde es als Pri-    dieser Schiene zu bleiben, was uns        Handlung ein Buch?
        vileg, hier wohnen und leben zu dür-     gut geglückt ist. Ich habe alle Titel     Ein ganz grober Plot mit ein paar
        fen. Aber ich kenne auch Menschen,       selbst erfunden – bis auf den letzten:    Eckpfeilern steht am Anfang: Wer
        die mit Bayern und den Bayern so         Das „Rehragoutrendezvous“ ist mir         stirbt? Was ist das Motiv? Welche Tat-
        gar nichts anfangen können. Dieses       geschenkt worden von Castro Dokyi         waffe? Wer sind die Verdächtigen?
        leicht despektierliche „Ihr da un-       Affum, der in den Filmen den Fuß-         Das ist der Krimi. Der zweite Strang
        ten…“, das man in vielen Regionen        ballgott Buengo spielt. Der ist mal zu    ist, was sich in der Familie entwickelt:
        in Norddeutschland zu hören be-          mir gekommen und hat gesagt: „Rita,       Was macht die Susi? Was macht die
        kommt, und die Unterstellung, wir        ich hätte einen tollen neuen Titel        Oma? Was macht der Flötzinger?
        hätten „eh am liebsten den Kini zu-      für dich: Rehragoutrendezvous“.           Manchmal muss ich dann noch ein
        rück“, das empfinde ich schon als        „Schenkst mir den?“, habe ich ihn ge-     paar andere Sachen berücksichtigen.

18
INTERVIEW

Einmal ist die Hundetrainerin von        der Eberhofer-­Filmreihe. Gibt es          macht die Filme, der Audioverlag
Joker, der den Hund Ludwig gespielt      für Autoren eigentlich so etwas            macht die Hörbücher. Wir mögen
hat, zu mir gekommen und hat mir         wie die „Goldene Schallplatte“             uns alle, es ist echt harmonisch. Auch
gesagt, dass der Joker nicht mehr gar    bei Musikern?                              bei den Dreharbeiten: Das ist immer
so gut beieinander ist und wir uns       Nein. Aber es gibt ja auch die             wie Klassentreffen. Da ist eine positi-
langsam von ihm verabschieden            ­Eberhofer-Hörbücher. Und da habe          ve Energie, etwas Magisches – und
müssten. Ich habe dann gewusst: Im        ich für jeden Teil bisher auch die        das spüren am Ende die Leser, die
nächsten Band muss der Ludwig ster-       „Goldene Schallplatte“ bekommen.          Zuschauer und die Hörer.
ben. Und tatsächlich: Der nächste         Das macht mich natürlich stolz, aber
                                          andererseits lasse ich das gar nicht so   Zum Abschluss: Der bayerische
                                          stark an mich heran. Wenn die neuen       Innenminister verleiht ja regel-
                                          Zahlen der Spiegel-Bestseller-Liste       mäßig die Ehrenkommissars-­
     „Du, der Franz ist                   kommen und ich auf Platz eins stehe,      Würde an Persönlichkeiten, die
     genau so, wie wir                    dann freue ich mich eine Minute lang      durch ihr Engagement die Belan-
                                          unbändig, aber das war es auch schon      ge der bayerischen Polizei in
    gerne wären, wenn                     und ich gehe wieder zum Alltag über.      ­besonderem Maße unterstützt
                                          Oder wenn wir – mitten in der Pan-         haben. Da werden Sie als Innova-
         wir dürften“
                                          demie – mehr als eine Million Zu-          torin, als geistige Mutter von
                                          schauer beim neuen Eberhofer-Film          Franz Eberhofer vermutlich noch
                                          haben, dann ist das eigentlich unfass-     lange warten müssen – oder
Film wurde abgedreht und sechs Wo-        bar. Aber ich versuche, einfach auf        missverstehen wir da den Franz
chen später ist der Joker gestorben.      dem Boden zu bleiben. Darum ist            Eberhofer.
Solche Sachen habe ich beim Schrei-       mir ein Auftritt auf dem roten Tep-       Wenn ich die nicht unterstütze, wer
ben als Eckpunkte im Kopf, aber an-       pich eigentlich unglaublich peinlich,     denn dann? Franz Eberhofer mag in
sonsten schreibe ich nicht nach ei-       weil ich mir denke: Was tue ich da ei-    seiner Veranlagung vielleicht kein
nem festen Schema, sondern nach           gentlich? Da gehören die Schauspie-       bayerischer Parade-Polizist im klassi-
Gefühl und aus dem Bauch heraus.          ler hin, der Regisseur und die Produ-     schen Sinn sein. Aber von Polizisten
Beim letzten Band habe ich mir aus-       zentin. Aber ich doch nicht.              – von denen mich übrigens viele du-
bedungen, dass ich mal durchschrei-                                                 zen, was ich total charmant finde –
ben kann und keine Lese-Reise da-        Gleichwohl: Wenn Sie sich anse-            höre ich immer wieder: „Rita, weißt
zwischen habe. Für die Rohfassung        hen, welcher Kosmos mittlerwei-            du, der Franz ist genau so, wie wir
brauchte ich dann fünf Monate, hinzu     le um Sie herum entstanden ist:            gerne wären, wenn wir dürften.“ 
kamen sechs Wochen für die Überar-       Wie würden Sie sagen, sieht die
beitung.                                 weiß-blaue Verlags- und Film-
                                         landschaft aus?
Sie haben mittlerweile mit den           Wir haben alle zusammen ein Rie-
Eberhofer-Büchern eine Millio-           senglück miteinander. Das ist
nen-Auflage erreicht, dazu mehr          ein Dream-Team: dtv macht
als sechs Millionen Z
                    ­ uschauer bei       den Verlag, Constantin

                  Als arbeitslose Bürokauffrau schrieb Rita Falk
                   den Bestseller „Winterkartoffelknödel“, der
                   2010 erschien – und ist seitdem Dauergast in
                                             den Bestsellerlisten.

                                                                             19
LEBENSMITTEL

                                                       Foto: Pixel-Shot - stock.adobe.com
                Noch ist die Herstellung im Labor
                            sehr teuer.

               Hackfleisch oder Nuggets sind relativ
               einfach herzustellen. Ein fein marmo-
               riertes Steak dagegen ist eine Kunst.

                                                       Foto: Mosa Meat

20
LEBENSMITTEL

Die Fleisch-Revolution
Ein SAFTIGES STEAK aus Fleisch, für das kein Tier sterben musste?
Was noch immer visionär klingt, wird gerade Realität. Auch deutsche
Unternehmen sind dabei. Für Bayern, das bei der Rinderhaltung auf
Platz 1 in Deutschland steht und bei der Schweinehaltung auf Platz 2,
kann das bedeutsam sein

Als Hanni Rützler der unverwechsel-        zum gleichen Preis wie ein herkömm-     men, die sich dann in einer Nähr­
bare Geruch der Röstaromen des bra-        liches kaufen können, das wird in       lösung so lange vermehren, bis ein
tenden Burgers in die Nase stieg, war      etwa zehn Jahren der Fall sein“, sagt   Stück Hühner-, Schweine- oder Rind-
sie noch etwas skeptisch: Was, wenn        Dr. Thomas Herget. Er ist für die Ab-   fleisch entsteht. Auch mit Fisch und
die Konsistenz nicht stimmt?               teilung „Science und Technology“ der    Meerestieren kann das funktionieren.
Wenn das, was sie jetzt gleich verkos-                                             Der Niederländer Mark Post war mit
ten muss, ein einziger Brei ist? Noch                                              seiner Firma Mosa Meat der erste,
nie zuvor hatte jemand das gegessen,                                               dem es gelang, auf diesem Weg aus-
was ihr gleich serviert werden würde:          Nährlösung muss                     reichend Zellen zu produzieren, um
Ein Burgerpatty aus Fleisch, das nicht         kostengünstig und                   daraus jenes Burgerpatty zu formen,
an einem Tier gewachsen war.                                                       das am 5. August 2013 auf dem Teller
Der Burger steht für eine Revolution:           nachhaltig sein                    der österreichischen Foodtrendfor-
Die Vision, echtes Fleisch zu erzeu-                                               scherin Hanni Rützler lag. Die beiden
gen, ohne dafür Tiere töten zu                                                     hatten sich einige Wochen zuvor auf
­müssen, wird gerade Realität. Mit         Firma Merck im Silicon Valley unter-    einer Tagung kennengelernt und lan-
 enormen Konsequenzen für die Le-          wegs und koordiniert dort die Inno-     ge über Posts Forschungen diskutiert.
 bensmittelindustrie und die Land-         vativinvestitionen des Darmstädter      Wenn man das mal probieren könne,
 wirtschaft. „In Restaurants wird es       Pharma- und Chemieunternehmens.         hatte Rützler gesagt, dann wäre sie
 früher passieren, wahrscheinlich in       Seit etwa vier Jahren beschäftigt er    gerne dabei. Und da saß sie nun, ge-
 drei bis fünf Jahren. Dass Sie ein kul-   sich so auch mit der Idee, einem le-    meinsam mit dem Chicagoer Journa-
 tiviertes Burgerpatty im Supermarkt       benden Tier Stammzellen zu entneh-      listen Josh Schonwald: Zwei Tester

                                                                                                                           21
LEBENSMITTEL

              und ein Burger vor den Augen der           ups, die sich mit dem Thema beschäf-       in Rostock geht Laura Gertenbach
              ganzen Welt.                               tigen. Und seit Dezember 2020 ist          ans Telefon, engagiert erzählt sie von
              Vereinfacht gesagt, gibt es zwei große     das, für das sich im englischsprachi-      ihrem Start-up Innocent Meat. Die
              Schwierigkeiten, wenn man Fleisch          gen Raum die Bezeichnung „cultured         37-jährige Betriebswirtin hat sich
              außerhalb eines Tieres wachsen lassen      meat“ oder „cultivated meat“ durch-        nach dem Studium zunächst mit ei-
              will. Die eine ist: eine nachhaltige und   gesetzt hat, in Singapur als erstem        nem Fleischversand selbstständig ge-
              kostengünstige Nährlösung zu entwi-        Land der Welt für den Verkauf zuge-        macht. „Eine Zeitlang haben wir da-
              ckeln, in der die Zellen optimal wach-     lassen: Im exklusiven Restaurant           für auch Weideschlachtung gemacht“,
              sen können. Die andere Schwierigkeit:      1880 kostet eine Probierportion des        erzählt sie, „da dachte ich ganz prag-
              aus den dabei entstehenden Zellen et-      von Good Meat (Teil des kaliforni-         matisch: Es wäre gut, wenn das aus-
              was zu formen, das in Struktur und         schen Unternehmens Eat Just) herge-        gelassen werden könnte. Dann habe
              Textur dem gleicht, was die Konsu-         stellten Hühnchenfleischs 23 Dollar.       ich von cultured meat gehört.“ Heute
              menten als Fleisch kennen. Hack-           Noch dürften die Produktionskosten         entwickelt Gertenbachs Start-up eine
              fleisch oder Nuggets sind relativ ein-     weit darüber liegen, aber: Die Her-        Nährlösung auf Pflanzenbasis. Ihr
              fach, ein fein marmoriertes Steak die      stellung von Mark Posts allererstem        Ziel: Lebensmittelherstellern die
              bislang unerreichte Königsdisziplin.       Burger aus dem Jahr 2013 hatte noch        Technologie zur Produktion von cul-
              Daher Rützlers Bedenken. Und ihre          250.000 Dollar gekostet. Experten          tured meat liefern und dann über de-
              Überraschung, als das, was sie             rechnen mit Preisparität von her-          ren etablierte Lieferkettenstrukturen
                                                         kömmlichem und cultivated Fleisch          die Handelsketten erreichen. Am bes-
                                                         in spätestens zehn Jahren, sobald die      ten zunächst mit Wurstprodukten,
                                                         Herausforderungen der Massenpro-           die aus einer Mischung von cultured
                                                           duktion gemeistert sind.                 meat und pflanzlichen Bestandteilen
                                                              Der Schlüssel dazu sind unter an-     bestehen, das lasse sich von den Kos-
                                                                derem die Nährmedien, in de-        ten her sehr gut abbilden. „Und je
                                                                 nen die Zellen wachsen. Lange      weiter weg wir damit vom Wort
                                                                   Zeit galt fetales Rinderserum    ­‚Labor‘ sind, desto besser.“
                                                                    als beste Lösung, das aller-
                                                                    dings ist höchst problema-
                                                                     tisch. Ethisch, weil es aus
                                                                     dem noch schlagenden                   Bei Bier denkt
                                                                     Herzen ungeborener Käl-                auch niemand
                                                                    berföten gewonnen wird.
                                                                    Und ökonomisch, weil es                   an Labor
Foto

                                                                  sehr teuer ist. Mittlerweile
    :M
      erc

                                                                 gibt es Alternativen. „Für uns
         k

                          Dr. Thomas Herget,                    war das die Eintrittskarte“, sagt   Denn das Label „Laborfleisch“ stört
                          Innovationsmanager bei Merck       Thomas Herget vom Pharmaun-            sie: „Ich glaube, vielen Menschen ist
                                                          ternehmen Merck, „die Herstellung         nicht bewusst, dass der Körper Che-
                                                         von cultivated meat ähnelt der von         mie ist. Man muss nur gucken: Was
                                                         Stammzellen oder von therapeuti-           isst das Tier? Und was kommt am
                                                         schen Antikörpern. Da haben wir als        Ende nach der Verdauung in kleinster
              schließlich auf ihrer Zunge spürte,        Biopharma-Unternehmen sehr viel            molekularer Form bei der Zelle an?
              sich tatsächlich wie ein Burger an-        Erfahrung. Die Lösung, in der Zellen       Das sind Aminosäuren, Peptide und
              fühlte. Auch der Geschmack war ei-         sich wohlfühlen und wachsen, stellen       Zucker. Außerdem braucht man be-
              nem Burger sehr ähnlich, erzählt sie,      wir für die Biopharmaindustrie schon       stimmte Signalproteine, sprich
              obwohl dieses allererste Patty noch        lange her.“                                Wachstumsfaktoren, damit die Zelle
              aus reinen Muskel­fleischzellen ohne       Merck ist nicht das einzige deutsche       sich regulieren kann. Das können wir
              Fett bestand. Aber: „Hätte man mir         Unternehmen, das hier große Chan-          alles aus pflanzlichen Stoffen gewin-
              das mit Ketchup und Zwiebelringen          cen sieht: Auch der bayerische Che-        nen. Bier wird auch in Bioreaktoren
              als ganz normalen Burger serviert,         miekonzern Wacker beispielsweise           hergestellt, aber da hat keiner die As-
              hätte man mir es wahrscheinlich un-        hat unlängst eine Vereinbarung mit         soziation, dass das Laborbier ist.“
              terjubeln können“, sagt sie.               dem israelischen Start-up Aleph-           Dreh- und Angelpunkt der Fleischre-
              Das war vor acht Jahren. Mittlerweile      Farms unterzeichnet, um Proteine für       volution ist die Kundenakzeptanz.
              gibt es weltweit etwa 70 bis 80 Start-     die Nährmedien zu entwickeln. Und          „Dass man Fleisch essen kann, wäh-

         22
LEBENSMITTEL

rend das Tier, aus dem die sogenann-      dukte und einen für cultivated meat,
te Zelllinie gewonnen wurde, noch         dann will man auf jeden Fall dabei
lebt: Das ist in der Vorstellung so re-   sein.
volutionär, da muss man sich Zeit         Ebenso wie Merck. Innovationsma-
nehmen“, sagt Foodtrendforscherin         nager Thomas Herget zitiert eine Stu-
Rützler. Aber es könnte sich lohnen.      die des Finanzberaters Barclays, nach
Verspricht das neue Fleisch doch die      der das globale Marktvolumen für
Lösung vieler Probleme: Die De-           cultivated meat im Jahr 2040 bis zu
ckung des stetig steigenden Fleisch-      450 Milliarden Dollar betragen könn-
bedarfs der wachsenden Weltbevöl-         te. Sein Unternehmen hat gerade an-
kerung. Weniger Landverbrauch. Je         gekündigt, zwei größere Forschungs-
nach Produktionsprozess und ver-          projekte zu fördern: Tüftler an der
wendeter Energieform könnte auch          TU Darmstadt arbeiten daran, die
die Umweltbelastung deutlich sinken.      Zellen in verschiedenen Schichten im
Tierleid durch Massentierhaltung          Siebdruck zu Fleischstücken zusam-
und Tiertransporte könnten der Ver-       menzusetzen. Und mit der Tufts
gangenheit angehören. Und das             ­University in Boston forscht Merck
Fleisch könnte durch eine Produktion       daran, wie sich Technologien der
ohne Antibiotika und andere Medi-          Textilindustrie nutzen lassen: „Da
kamente gesünder werden. Vielver-          setzen wir die Zellen auf essbare Fä-
sprechende Konjunktive: Noch weiß          den. Nachdem die Zellen sich ausrei-
niemand, wie die Massenproduktion          chend vermehrt haben, können wir
von cultured meat tatsächlich ausse-       die Fäden nehmen und verspinnen.“
hen wird. In der EU läuft bislang          Zu einem Steak, zum Beispiel.
nicht einmal der Zulassungsprozess:        Man darf gespannt sein, welche Tech-
Zwei bis drei Jahre wird es mindes-        nologien sich letztlich durchsetzen
tens noch dauern, bis das neue             werden. Oder, wie Hanni Rützler
Fleisch hier überhaupt verkauft wer-       sagt: „Als Foodtrendforscherin denke
                                                                                       Das neue Fleisch verspricht die Lösung
den darf. In anderen Regionen wird         ich mir: Wir brauchen einen großen
                                                                                      vieler Probleme: Die Deckung des stetig
es wohl schneller gehen, aber noch         Blick auf die Zukunft und wir brau-       steigenden Fleischbedarfs der wachsenden
wird überall geforscht.                    chen vielfältige Lösungen. Man muss       Weltbevölkerung. Weniger Massentierhal-
Dass es einen Markt gibt für das neue      alles denken dürfen.“                         tung. Weniger Landverbrauch.
Fleisch, da sind sich die Experten ei-
nig. Die niedersächsische PHW-­
Gruppe, zu der unter anderem
Deutschlands größter Geflügelfleisch-
produzent Wiesenhof gehört, veröf-

                                                                                                                                     Foto: Cesar Machado - stock.adobe.com
fentlichte im September 2021 eine re-
präsentative Studie, nach der 47
Prozent der Deutschen Produkte aus
cultivated meat kaufen würden, bei
den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar
69 Prozent. Die PHW-Gruppe hat
schon 2018 in das israelische Start-up
Super Meat investiert und will sich
„langfristig als Anbieter von hoch-
wertigen Proteinprodukten positio-
nieren und vermeintlich konkurrie-
rende Geschäftsfelder nebeneinander
entwickeln“. Die Idee dahinter: Wenn
sich der milliardenschwere Fleisch­
markt in Zukunft ausdifferenziert in
einen Markt für traditionelles Fleisch,
einen für pflanzenbasierte Ersatzpro-

                                                                                                                                23
BILDUNG
Fotos: bbw

                  Fit für Industrie 4.0
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BILDUNG

                                                  Industrie 4.0 live erleben:
                                                  Die Digitalen Lernfabriken der bfz
                                                  schulen Teilnehmer in einem vollauto-
                                                  matisierten Produktionsumfeld.

                                                                       Wenn Hollywood einen neuen Block-
                                                                       buster dreht oder ein Streamingdienst
                                                                       an seiner nächsten Erfolgsserie arbei-
                                                                       tet, sind mit ziemlicher Sicherheit
                                                                       auch Produkte von Präzisions-Ent-
                                                                       wicklung Denz mit im Spiel. Denn
                                                                       das Unternehmen aus Ottobrunn bei
                                                                       München hat sich unter anderem auf
                                                                       die Herstellung von Zubehör für die
                                                                       internationale Filmindustrie speziali-
                                                                       siert. Von Film- und Fernsehtechnik
                                                                       bis hin zur Luft- und Raumfahrt
                                                                       plant, entwickelt und fertigt das Un-
                                                                       ternehmen hochkomplexe Produkte
                                                                       aus Stahl, Kunststoff, Titan und vielen
                                                                       weiteren Werkstoffen.
                                                                       „Bei uns geht es um Genauigkeiten
                                                                       im Bereich von hundertstel Millime-
                                                                       tern“, erklärt Geschäftsführer Dr. Till
                                                                       Vogels. „Darum nutzen wir hochmo-
                                                                       derne Fertigungsmethoden, mit de-
      Die Wirtschaft wandelt sich – und mit ihr die                    nen wir die geforderte Präzision er-
                                                                       reichen.“ Davon profitiert nicht nur
  Anforderungen an Unternehmen und Beschäftigte.                       die Filmbranche – als Lohnfertiger
Mit den ­Qualifizierungsangeboten „Fit für Industrie 4.0“              bedient Denz auch Kunden aus der
                                                                       Formel 1, der Deutschen Touren­
    bringen die Beruflichen Fortbildungszentren der                    wagenmeisterschaft sowie der Medi-
    ­Bayerischen Wirtschaft (bfz) Menschen auf den                     zintechnik. 2024 soll ­sogar eine in
                                                                       Ottobrunn gefertigte Schaufel auf
              neuesten Stand der Technik                               dem Mars landen und den fernge-
                                                                       steuerten Roboter beim Sammeln

                                                                                                                 25
BILDUNG

        „Wir bringen Facharbeiter
       auf den neuesten Stand der
           Technik“, erklärt Jürgen
     Hübsch als technischer Koor-
      dinator der bfz das Konzept
       der Digitalen Lernfabriken.    von Gesteinsproben unterstützen.          zu einer gefragten Fachkraft ausgebil-
                                      „Wir stellen alles her, was hochpräzi-    det, die auf die Anforderungen der
                                      se sein muss“, fasst Vogels die Aktivi-   industriellen Arbeitswelt vorbereitet
                                      täten seines Unternehmens zusam-          ist. Das Kursangebot richtet sich vor
                                      men.                                      allem an Personen, die bisher an her-
                                                                                kömmlichen Maschinen und Arbeits-
                                      Kombination aus Mensch und                plätzen tätig waren und nun den
                                      Technik                                   Schritt in Richtung Industrie 4.0 ge-
                                      Dafür braucht Denz aber mehr als          hen wollen.
                                      nur moderne Maschinen. „Mensch
                                      und Technik arbeiten bei uns eng zu-      Drei Spezialisierungen für
                                      sammen“, sagt Vogels. „Wir verbinden      Industrie 4.0
                                      die Kreativität unserer Mitarbeiter       Den Einstieg bildet eine zehnwöchige
                                      mit den Algorithmen der Maschi-           Basisqualifizierung, die bei Bedarf
                                      nen.“ Allerdings wird es für Vogels       rein digital durchgeführt werden
                                      immer schwieriger, qualifizierte          kann. Je nach gewählter Fachrichtung
                                      Fachkräfte zu finden. Vor allem Zer-      folgen weitere Module, die 17 Wo-
                                      spanungsmechaniker und CNC-Dre-           chen Ausbildung sowie eine betriebli-
                                      her stehen auf seiner Wunschliste.        che Lernphase von vier Wochen um-
                                      „Wichtig ist neben einem soliden          fassen. Als Spezialisierungen bieten
                                      Grundlagenwissen eine einschlägige        die bfz derzeit drei Abschlüsse an:
                                      Qualifizierung“, betont er.               „Fachkraft Industrie 4.0 – Steue-
                                      Genau diese bieten die bfz an: Im         rungstechnik“, „Fachkraft Industrie
                                      Rahmen der Schulungsreihe „Fit für        4.0 – Produktdesign und Entwick-
                                      Industrie 4.0“ werden die Teilnehmer      lung“ sowie „Fachkraft Industrie 4.0

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BILDUNG

– Fertigungstechnologien“. Nach Ab-        die Angst vor der neuen Technik ge-
schluss der Qualifizierungsreihe er-       nommen.
halten die Teilnehmer ein Zertifikat       Dass die Weiterbildungen den Be-
der Vereinigung der Bayerischen            dürfnissen der Wirtschaft entspre-
Wirtschaft (vbw).                          chen, kann Denz-Geschäftsführer
Besonders der Umgang mit moder-            ­Vogels bestätigen. Für ihn steht fest:
nen Maschinen lässt sich nicht aus-         „Das Angebot kann einen wichtigen
schließlich in Theoriestunden erler-        Beitrag dazu leisten, den Indust-
nen. Darum haben die bfz an                 riestandort Deutschland international
mehreren Standorten in Bayern               wettbewerbsfähig zu halten.“
­„Digitale Lernfabriken“ aufgebaut, in
 denen Hard- und Software auf dem          Die Beruflichen Fortbildungszentren
 neuesten Stand der Technik zu Aus-        der Bayerischen Wirtschaft sind ein
 und Weiterbildungszwecken genutzt         Unternehmen des Bildungswerks der
 werden. An den beiden Hauptstand-         Bayerischen Wirtschaft (bbw).
 orten in Nürnberg und München             www.bbw.de                         
                                                                                     Die Qualifizierungsreihe richtet
 werden die „Fit-für-Industrie-4.0“-­                                                sich an Menschen, die den Weg
 Teilnehmer an die moderne Technik                                                   von herkömmlichen Maschinen
 herangeführt. „Erfahrene Ausbilder                                                  und Arbeitsplätzen in Richtung
 erklären an den komplexen Anlagen                                                      Industrie 4.0 gehen möchten.
 neue Arbeits- und Fertigungsmetho-
 den in der Industrie“, berichtet Jürgen
 Hübsch als technischer Koordinator
 der bfz. Für Fortbildungen in den Fir-
 men selbst stehen zudem mobile Ler-
 nanlagen bereit.
 Die Idee zu den Qualifizierungen
 und zum Aufbau der Digitalen
 Lernfabriken entstand 2018. „Die
 fortschreitende Digitalisierung der
 Wirtschaft zeigt, wie wichtig entspre-
 chende Fortbildungen für Facharbei-
 ter sein können“, kommentiert
 Hübsch die Notwendigkeit solcher
 Lernfabriken. Um das zu unterstüt-
 zen, startete das Bayerische Wirt-
 schaftsministerium vor vier Jahren
 das Förderprojekt „Digitale Lernfab-
 rik/Industrie 4.0“, aus dem nun die
 bfz-Qualifizierungsangebote entstan-
 den sind. Sie können gefördert wer-
 den – durch die Agentur für Arbeit
 (auch im Rahmen des Qualifizie-
 rungschancengesetzes), Jobcenter,
 die Deutsche Rentenversicherung
 oder Berufsgenossenschaften.

Maßgeschneiderte Angebote für
Unternehmen
Auch Unternehmen können bei
­Bedarf Qualifizierungen für ihre Be-
 legschaften buchen. So wird den
 ­Teilnehmern der Nutzen der Digitali-
  sierung aufgezeigt und gleichzeitig

                                                                                                                        27
MOBILITÄT

                                                 Fotos: Hatz (3), Paul Nutzfahrzeuge (1), MaierKorduletsch (1)

        Der Paul Hydrogen Power PHP ist ein
       mittelschwerer Brennstoffzellen-Lkw mit
       einem 15-Tonnen-Fahrgestell und einem
          Zuggesamtgewicht von 24 Tonnen.

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MOBILITÄT

                                                                                            KLIMASCHUTZ

     Die Beschleuniger
Das Next Mobility Accelerator Consortium will mehr WASSERSTOFF-TRUCKS
auf die Straßen bringen – Partner starten ein regionales Real-Labor in Niederbayern
– Ziel ist ein flächendeckendes Netz mit Tankstellen und Werkstätten für Service
und Dienstleistungen

Der Fortschritt stockt allein wegen ei-   zu beschleunigen. Für das Next            ßes Interesse an den Ergebnissen des
nem Henne-Ei-Problem: Welche Fir-         ­Mobility Accelerator Consortium          Teamspiels in Ostbayern.
ma soll – staatliche Förderung hin,        konnten sie den Energie-Konzern          Die Intention, die hinter dem Projekt
guter Wille her – in einen Wasser-         Shell gewinnen. Das Bündnis startet      steht, ist durchaus sportlicher Natur:
stoff-Lkw investieren, wenn neben          ein Real-Labor, in dem Wasser-           Es ist die Überzeugung, dass die ge-
vielen anderen Fragen nicht einmal         stoff-Lkw gefertigt, betankt, gewartet   waltigen Prozesse, die der Klima-
klar ist, wo die Fahrer tanken kön-        und gefahren werden. Paul baut die       schutz erfordert, nur voranzubringen
nen. Andererseits: Wie sollen sich die     Trucks, Shell kauft sie, um sie an       sind, wenn möglichst viele an einem
teuren Wasserstoff-Tankstellen rech-       Partner vor Ort zu vermieten und         Strang ziehen. „Natürlich kann man
nen, wenn es dafür keine Nachfrage         MaierKorduletsch baut die ersten         mit dem Finger auf andere zeigen, die
gibt. Das Problem hat auch Partner         H2-Tankstellen in der Region. Von        sehr viel mehr CO2 ausstoßen“, er-
im niederbayerischen Vilshofen um-         den Erfahrungen, die alle Beteiligten    klärt Paul-Geschäftsführer Bernhard
getrieben: Die Paul Nutzfahrzeuge          sammeln, könnten Hersteller profitie-    ­Wasner. „Wir wollen aber anschieben.
GmbH und die Mineralölhändler              ren, die zwar Schwerlaster in Serien      Da geht es nicht allein um Klima-
MaierKorduletsch – beides Familien-        fertigen, aber in der Nische Wasser-      schutz, sondern auch um den Erhalt
betriebe – haben sich entschlossen,        stoff nicht experimentieren können.       unserer mittelständischen Firmen.
die Entwicklung mitzugestalten und         Die Daimler Truck AG etwa hat gro-        Wir wollten nicht warten, bis die

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