Leader - Schweizer Kader Organisation

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Leader - Schweizer Kader Organisation
Leader
                                                                            1/2020

            Das Magazin für Führungskräfte

 Miliz und
 Solidarität
 Professor Markus Freitag
 fürchtet um den Kitt der
 Schweizer Gesellschaft.

 Das Milizsystem im Clinch
 zwischen Anspruch und
 Aufwand.

 Gibt es ein verfassungsmässiges
 Recht auf Freiwilligenarbeit?

                                     Eine Publikation der Schweizer Kader Organisation
Leader - Schweizer Kader Organisation
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Leader - Schweizer Kader Organisation
Editorial

Miliztätigkeit
ist unabdingbar
Geschätzte Leserinnen und Leser                          In der heutigen Zeit verlangt insbesondere die Arbeits­
                                                         welt hohe Flexibilität – auch geografisch – bei vollem
Freiwillige Einsätze und Milizarbeit in Vereinen und     Einsatz. Neben der Familie bleibt immer weniger Raum
Organisationen von Sport und Kultur, in Freizeit­        für Hobbys und für weitere Engagements. Man will
bereichen und Interessengruppen, in der Politik, aber    und kann sich nicht für längere Zeit zu einem zusätz­
auch bei der Pflege von Angehörigen sind das Funda­      lichen Einsatz verpflichten. Ehrenämter erfordern
ment unserer Gesellschaft. Das Mass der geleisteten      aber genau diese Verbindlichkeit, um den Organisatio­
Stunden ist enorm.                                       nen die notwendige Planungssicherheit zu geben.

Aber es wird schwieriger, Leute für ein Engagement       Mit der Validierung der Milizarbeit in Politik und
zu motivieren. Deshalb wird es je länger je anspruchs­   Armee ermöglicht die SKO, die erworbenen Kompeten­
voller, genügend Personen zur Pflege und Stabilisie­     zen einzuordnen. So soll erkennbar werden, dass die
rung der Gesellschaft zu rekrutieren. Dies hat sicher    Miliztätigkeit einen Mehrwert für alle Betroffenen
mit den sich ändernden sozialen Strukturen zu tun.       ergibt. Es ist ein Schritt, das System weiter zu entwi­
Mit der Entwicklung von der Grossfamilie hin zu Klein­   ckeln und den sozialen und ökonomischen Pfeiler
familien. Aber nicht nur. Vermehrt wird in fast allen    der Nachhaltigkeit zu festigen. Die SKO ist stolz, einen
Bereichen eine Professionalisierung – sprich Bezah­      Beitrag dazu zu leisten.
lung – gefordert. Dabei ist es volkswirtschaftlich gar
nicht möglich, alle geleisteten Stunden einer profes­
sionellen Tätigkeit entsprechend abzugelten.
                                                         Thomas Weibel
Die Abgrenzung des Engagements von Staat und Frei­       Präsident SKO
willigen wird immer schwieriger. Was ist Aufgabe des
Staates? Was erwarten wir von unseren Verwandten,
Kollegen, Mitbürgern und Nachbarn, egal ob Mann
oder Frau? Wo beginnt die Verantwortung des Einzel­
nen, und was kann nur im Kollektiv – also gemeinsam –
gemeistert werden?
Leader - Schweizer Kader Organisation
Inhaltsverzeichnis

      Leader
      1/2020         Im Gespräch

                     «Das Schmier-­                            10
                     mittel des
                     Zusammenlebens»
                     Es fördert das Vertrauen in der Gesell-
                     schaft, sagt der Berner Politikprofessor
                     Markus Freitag – aber das Milizsystem
                     braucht dringend eine Generalüberholung.
Leader - Schweizer Kader Organisation
Inhaltsverzeichnis

Inspiration6                                    Wissen
                                                 Milizarbeit: ein verfassungs-                   26
Die W-Frage                                 9   mässiges Recht?
                                                 Arbeitnehmer, die öffentliche Ämter
Standpunkt                                       bekleiden, geniessen ein Recht
Die Karten neu mischen                     15   auf Lohnfortzahlung – aber keinen
und verteilen                                    Kündigungsschutz.

Lukas Niederberger fordert eine                  Trend
Neuauflage des «contrat social» von 1762:
ausgeweitet auf die Wirtschaft.
                                                 Das Nützliche                                   28
                                                 mit dem Guten verbinden
Aufgefallen                                      Moderne Helfer erwarten auch
«Der Fussball bewahrt                      16   vom Freiwilligeneinsatz einen
und vermittelt Werte»                            Erfahrungsgewinn. Das machen
                                                 sich Organisationen zunutze.
Für ihn ist der Sport viel mehr als
Freizeit: Architekt Marco Maria Baroni           Lifestyle
hat ihn in den Beruf integriert.
                                                 Willst du mit mir streiten?                     30
Kopf bis Fuss                                    Zur Demokratie und zum Milizsystem
Alain Kappeler                             18   gehört der Respekt. Den erlernt
                                                 man am besten in der Diskussion mit
                                                 Andersdenkenden.
Schwerpunkt
Das Fundament der                          20   Das letzte Wort
Freiwilligkeit braucht                           Die ganze Wahrheit                              32
Erneuerung
                                                 Managern trauen wir noch weniger
Ein einzig Volk von Freiwilligen, das            als Politikern und Journalisten, hat
war die Schweiz einmal. Das Miliz­               Sibylle Lichtensteiger vom Stapferhaus
system steckt in der Krise und braucht           Lenzburg herausgefunden.
neuen Schwung.

                                                 Inside SKO                                      33
Versus
Gegenüberstellung24

                                                 Agenda34

                                                 Impressum                                       34
                                                                                                          5
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Inspiration

      Inspiration
      Freiwillig war gestern
      Mit «Nachhaltigkeit» verhält es sich wie mit «Frei­       Mainstream statt. Unternehmen, welche nicht ein
      heit» oder «Demokratie»: Man kann nicht dagegen sein.     bestimmtes Niveau bezüglich Nachhaltigkeit aus­
      Dennoch hört man: Ich kann allein gar nichts bewir­       weisen können, verlieren wichtige Schlüsselkunden
      ken, wenn die anderen nichts beitragen. Wir können        oder Aktionäre.
      als Unternehmen nicht gewinnen, wenn die anderen
      Marktteilnehmer nicht mitmachen. Und die kleine           Das ist die Sanktionierung durch den Markt der
      Schweiz kann doch die Welt nicht alleine retten.          Güter und Dienstleistungen oder durch den Kapital­
      Also sind wir fein raus und frei von Verantwortung.       markt. Die Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei, und
                                                                das ist gut so.
      Wirklich?

      Nachhaltigkeit kann in der Ökonomie als «Common
      Good» betrachtet werden: Alle profitieren davon,
      müssen aber auch ihren Teil dazu beitragen. Die
      meisten Menschen gehen in die Vorleistung in der
      Annahme, dass die anderen mitziehen. Allerdings
      gibt es immer auch Trittbrettfahrer, die auf Kosten
      der anderen ihr Eigenwohl verfolgen. Sobald wir
                                                                     „Nachhaltigkeit
      die bemerken, wollen wir unseren Beitrag auch nicht
      mehr leisten: Denn wir «sind ja nicht blöd».
                                                                 kann in der Ökonomie
      Verhaltensökonomen sprechen hier von «bedingter
                                                                   als ‘Common Good’
      Kooperation». Sie dauert an, solange zwei Bedin­
      gungen erfüllt sind:
                                                                   betrachtet werden:
      1.	Das «Common Good» (hier «Nachhaltigkeit»)
                                                                 Alle profitieren davon,
          ist als gesellschaftliche Norm etabliert.
      2.	Trittbrettfahrer werden sofort sozial sanktioniert.
                                                                 müssen aber auch ihren
      In der öffentlichen Diskussion etablieren sich gerade
                                                                  dazu Teil beitragen.“
      ansatzweise neue gesellschaftliche Normen zum
      Thema Klimawandel – ausgedrückt etwa als «Flug­
      scham» oder psychologischer Druck, ein E-Fahrzeug
      zu fahren. Aber solange Bedingung 1 nicht vollständig
      erfüllt ist, werden auch sachlich begründbare Sanktio­
      nen als nicht legitim und sogar ungerecht empfunden.
      Langsam aber werden für Unternehmen die neuen
      gesellschaftlichen Normen spürbar. Der Gesetz­geber
                                                                Thomas Scheiwiller | Text
      stellt vermehrt Forderungen auf; mehr Gewicht ha­
      ben indes die Ansprüche wichtiger Geschäftskunden
                                                                Unabhängiger Advisor für internationale Unternehmen in den
      und Kapitalgeber: Bei diesen beiden Stakeholder­
                                                                Bereichen Sustainability, Integrity, Governance und Compliance.
      gruppen findet der Übergang von der Nische in den

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Leader - Schweizer Kader Organisation
Inspiration

Die Helfer wollen mitdenken
Was im Internet Standard ist, hat sich in der realen Milizkultur des Alltags noch nicht etabliert:
der Anspruch auf «Partizipation». Wie er im Bereich der Freiwilligenarbeit umgesetzt werden kann,
zeigt eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts.

Vordefinierte Aufgaben erledigen war gestern: Die «neuen Freiwilligen» wollen mitreden. Als «Partizipierende»
sind sie Teil einer Kooperation, in der nicht mehr zwischen Hilfeleistenden und -empfängern unterschieden wird.
Vielmehr werden alle zum Teil eines Projekts, in dem gemeinsam Probleme angegangen, Freiräume genutzt und
Ziele diskutiert werden. Dieses Bild der neuen Freiwilligen zeichnet das GDI aufgrund zweier Umfragen, welche
unentgeltliches Engagement und weitere zivilgesellschaftliche Aktivitäten europaweit untersucht haben.

Im Kern der neuen Anforderungen steckt der Wunsch nach Sinnhaftigkeit. Diese ist dort vorhanden, wo eigene
Potenziale erkundet und gezielt eingesetzt werden können. Eine konstruktive Fehlerkultur lässt die Freiwilligen
zusätzlich aktiv werden: Hier ist der Staat gefordert, das Vertrauen in die Zivilgesellschaft zu stärken.

Sinnstiftend wirkt ferner, das Individuum in eine Gemeinschaft einzubinden. Zeitlich befristete Projekte sind
nötig, um die steigende Individualisierung in der Gesellschaft abzubilden und dem Bedürfnis nach Flexibilität
Raum zu geben. Und nicht zuletzt sollten Anbieter von Freiwilligenarbeit daran denken, den Mitwirkenden die
Definition der Ziele teilweise zu überlassen: Nur wer das Gefühl hat, «etwas bewirken» zu können, wird auf lange
Sicht eine Sinnhaftigkeit in einer Tätigkeit feststellen.

     «Die neuen Freiwilligen», 2018, Gottlieb Duttweiler Institut | Die Studie wurde im Auftrag von Migros Kulturprozent
     verfasst. Als wichtige Datenlieferanten ihrer Analysen fungierten die «European Quality of Life Survey» sowie die «European
     Values Study». https://www.gdi.ch/de/publikationen/studien-buecher

Sportlich im Verein – oder fit
als Konsument?                                                                                                               16%
                                                                                                                     professionalisierte Mit­-
                                                                                                                   arbeit in den Sportvereinen
Wo Herr und Frau Schweizer sich früher in der Damenriege und
im Fussballclub engagierten, trainieren sie heute lieber unbehelligt.                                                   100%
                                                                                                                       Profi-Arbeit in den
                                                                                                                         Fitnesscentern

      1,1 Mrd.                                                                               19 000
                                                                                             Sportvereine
        Franken Einnahmen                            +30%
                                                   Fitnesscenterkunden
                                                                                                1200
                                                                                             Fitnesscenter
              1 Mrd.
      Franken Umsatz in den
          Fitnesscentern
                                                           –20%
                                                  Sportvereinsmitglieder                                          350 000
                                                                                                              Ehrenämter mit hypothetischer
                                                     (in den letzten Jahren)                                 Wertschöpfung von 2 Mrd. Franken
                                                                                                                        28 290
                                                                                                               Arbeitsplätze («Mitarbeiter»)

Quellen: «Sportvereine in der Schweiz» – Swiss Olympic 2017 https://bit.ly/2PVjszD
Branchenreport Schweizer Fitness- und Gesundheitscenter – SFGV 2019 https://bit.ly/34Ip8kM

                                                                                                                                                        7
Leader - Schweizer Kader Organisation
Inspiration

      Agil sein, nicht
      nur agil handeln
      Wie agil sind Unternehmen wirklich? Wie werden sie es –
      und wo liegen die Risiken einer agilen Organisation? Der «Future
      Organization Report» zeigt: Die Veränderung beginnt bei den
      Führungskräften.

      Viele Unternehmen arbeiten zwar inzwischen mit                 kräfte in agilen Unternehmen viel Verant­wortung
      agilen Methoden – eine ganzheitliche Unternehmens­             ab und schaffen Freiräume: Ein Drittel der Befragten
      struktur hat der Ansatz aber häufig noch nicht er­             gibt an, dass ihre Führungskraft sie «empowert»,
      reicht. Das zeigt der «Future Organization Report»,            also ermächtigt, Entscheidungen zu treffen. Knapp
      den das Institut für Wirtschaftsinformatik der                 zwei Drittel werden zur Eigenini­tiative motiviert –
      Universität St. Gallen zusammen mit dem Beratungs­             sie können also ihre Arbeit selbstbestimmt gestalten,
      unternehmen Campana & Scott erarbeitet hat.                    erhalten Befugnisse und einen positiven Ausblick
      Er untersucht, welche Chancen und Risiken Agilität             auf die Zukunft. Damit übernehmen Führungskräfte
      aus der Perspektive von Top-Entscheidern, Füh­                 eine Vorbildfunktion, indem sie Widerstände aus­
      rungskräften und Mitarbeitenden mit sich bringt.               räumen und den Weg für agile Arbeitsweisen ebnen.
      Fazit bis heute: Es fehlt das passende Mindset in
      der Unternehmenskultur.                                        Es fehlt die positive Fehlerkultur
                                                                     Dies wird vor allem dort entscheidend, wo noch
      Agil sein ist nicht gleich agil handeln                        immer drastische Änderungen in den Unternehmen
      Agile Organisationsformen sollen Unternehmen darin             nötig sind: Noch herrscht zu viel Angst, Fehler zu
      unterstützen, proaktiv und flexibel auf die ständigen          machen, und noch immer mangelt es vielfach an Kom­
      unvorhersehbaren Veränderungen des Marktes und                 munikation. Dies sind die grössten Hindernisse für
      der Gesellschaft zu reagieren. Methoden wie Scrum              eine agile Arbeitsweise, weswegen Führungskräfte
      und Kanban (doing agile) tragen zwar dazu bei,                 gefordert sind, sich für eine positive Fehlerkultur
      Agilität in ein Unternehmen einfliessen zu las­sen –           und eine konstruktive Kommunikation einzusetzen.
      Arbeitszufriedenheit, Teamorientierung und psycho­             Damit tragen sie auch einen Teil dazu bei, den
      logische Sicherheit der Mitarbeiter steigen aber erst,         Risiken entgegenzuwirken: einer inkonsequenten
      wenn das Bewusstsein für Agilität das Unternehmen              Umsetzung, dem mangelnden Wandel der Unter­
      als Ganzes erfasst (being agile).                              nehmenskultur sowie dem Verlust von Mitarbeiten­
                                                                     den oder von deren Arbeitsmotivation.
      Die Studie zeigt: auch organisationales Engagement
      und das entscheidende Verhalten der Führungs­kräfte
      machen den Erfolg aus. In der Tat geben Führungs­

          Prof. Dr. Christoph Peters, Benedikt Simmert, Karen Eilers, Prof. Dr. Jan Marco Leimeister (2019):
          Future Organization Report, http://www.future-organization.com/

8
Leader - Schweizer Kader Organisation
Die W-Frage

Wofür würden
Sie sich länger­-
fristig unentgeltlich
engagieren?

?
      Markus Freitag | Professor für politische Soziologie, Uni Bern
      Familie und Beruf setzen einem regelmässigen Engagement sicher Grenzen.
      Längerfristig könnte ich mir aber zeitlich überschaubare Einsätze in den
      Bereichen Bildung, Natur oder Sport durchaus vorstellen.

      > Markus Freitag über Vorteile und Probleme des Milizsystems: Seite 10.

      Lukas Niederberger | Geschäftsleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG)
      Seit 30 Jahren spende ich alle sechs Wochen Blutplättchen für leukämiekranke
      Kinder. Das werde ich auch weiterhin tun.

      > Lukas Niederbergers Aufruf zu einem neuen «contract social»: Seite 15.

      Sibylle Lichtensteiger | Gesamtleitung Stapferhaus
      Um als Patenfamilie einer geflüchteten Familie beim Einstieg in den
      Schweizer Alltag zu helfen: Das machen wir seit zwei Jahren – und aus der
      Patenschaft ist eine Freundschaft geworden.

      > Sibylle Lichtensteigers letztes Wort auf Seite 32.

                                                                                                   9
Leader - Schweizer Kader Organisation
Im Gespräch

10
Im Gespräch

«Das Schmier-­
mittel des
Zusammenlebens»
Der Berner Politikprofessor Markus Freitag ist wohl der profundeste Kenner
des Schweizer Milizsystems. Und er ist überzeugt: Damit es überlebens-
und zukunftsfähig bleibt, muss das System gründlich reformiert werden.

                                                                                     11
Im Gespräch

                                                                 weiterhin unabhängig entscheiden kann. Aber auch
     Pirmin Schilliger | Text                                    Berufspolitiker sind nicht immer davor gefeit, sich von
     Jonas Weibel | Fotografie                                   fremden Interessen vereinnahmen zu lassen. Ich den­
                                                                 ke, beide Organisationsprinzipien haben ihre Vor- und
                                                                 Nachteile in Bezug auf die wirtschaftliche Einfluss­
     Das Milizsystem wird als tragende Säule des                 nahme oder Unabhängigkeit.
     politischen Erfolgsmodells Schweiz dargestellt.
     Wie wichtig ist es heute politisch?                         Wie wirkt sich das Milizsystem auf das gesell-
     Markus Freitag: Das Milizsystem stellt insofern ein         schaftliche Zusammenleben aus?
     Fundament für die Demokratie in der Schweiz dar, als        Wenn Leute bereit sind, freiwillig etwas für die Ge­
     es das Politische engmaschig mit dem Gesellschaftli­        meinschaft zu leisten, bringt dies positive Effekte mit
     chen verknüpft. Wenn gewöhnliche Bürgerinnen und            sich. Dort, wo die Menschen zusammenstehen und
     Bürger im Nebenamt Politikerinnen und Politiker             einander helfen, geht es ihnen insgesamt besser. Neben
     sind, gibt es keine Entkopplung dieser beiden Sphären       dem Vertrauen in die Institutionen wächst auch das
     und damit wirksame Schranken der gegenseitigen              gegenseitige Vertrauen. Dieses wirkt als Schmiermit­
     Entfremdung. Als Organisationsprinzip stellt das Mi­        tel des Zusammenlebens. Wirtschaftlich gesprochen
     lizsystem eine Identität zwischen den Regierenden           reduzieren sich damit die Transaktionskosten.
     und den Regierten her. Das wiederum ist der Nährbo­
     den für politisches Vertrauen und für politische Stabi­     Das Milizsystem ist heute zusehends unter
     lität. Insgesamt ist das Milizsystem ein politisches        Druck. Und dass National- und Ständeräte Miliz-
     Kapital, dessen Wert man nicht unterschätzen sollte.        politiker sein sollen, ist wohl inzwischen ein
                                                                 Mythos. Wäre es nicht besser, klare Verhältnisse
     Was funktioniert dank unserem Milizsystem                   zu schaffen?
     in der Schweiz besser als anderswo?                         Es ist in der Tat so: Je höher die politische Ebene,
     Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die             umso weniger treffen wir dort auf reine Milizpolitike­
     Institutionen ist in der Schweiz wesentlich höher als       rinnen und Milizpolitiker. Das gilt für National- und
     in anderen Ländern. Dazu werden die Politik und             Ständeräte und für den Bundesrat natürlich erst recht.
     die Mandatsträger als weniger abgehoben empfunden.          Andererseits haben wir aber auch über 100 000 Leute
                                                                 in den Gemeinden, die weiterhin als ehrenamtliche
                                                                 Milizpolitiker arbeiten. Allerdings bekunden immer
                                                                 mehr Gemeinden grosse Mühe, Personal für die Be­
        „Politik und Mandats­                                    hörden und Kommissionen zu rekrutieren. Vor allem
                                                                 auf dieser kommunalen Ebene muss man sich Gedan­
          träger werden im                                       ken machen, in welche Richtung man in Zukunft
                                                                 gehen möchte.
       Milizsystem als weniger
                                                                 Was schlagen Sie vor? Lässt sich das Milizsystem
       abgehoben empfunden.“                                     reformieren, ohne dass es durch die Reform
                                                                 gleich abgeschafft wird, etwa durch finanzielle
                                                                 Anreize, die letztlich in Richtung Professiona­
     Was bedeutet das Milizsystem spezifisch                     lisierung laufen?
     für die Wirtschaft?                                         Tatsächlich bewegen wir uns bei jeder Reform in
     Die politische Stabilität, für die das Milizsystem sorgt,   einem Spannungsfeld zwischen Ehrenamtlichkeit
     schafft ein investitionsfreundliches Klima. Zudem           und Professionalisierung. Wobei betont werden muss,
     kann die Wirtschaft nur gewinnen, wenn Leute aus            dass es nicht die eine und einzige Reform geben
     der Wirtschaft in die Politik einziehen und dort mit­       wird, die für alle Gemeinden in sämtlichen Kantonen
     gestalten und mitentscheiden. Auch für die Politik          gleichermassen erfolgversprechend ist. Es ist viel­
     selbst ist es ein Vorteil, wenn Leute aus der Wirtschaft    mehr so, dass jede Massnahme auf die einzelnen
     ihr Know-how einbringen, sodass die beiden Subsys­          Bedürfnisse einer Gemeinde zugeschnitten werden
     teme im Idealfall besser harmonieren.                       muss. Übergeord­net sollte es natürlich auch nationale
                                                                 Anstrengungen mit einer langfristigen Strahlkraft
     Diese Harmonie ist bekanntlich umstritten.                  geben. Dazu ge­hören zum Beispiel grössere Investitio­
     Schnell ist dann von Kungelei, Filz und Korruption          nen in die politische Bildung. Wir würden so zwar
     die Rede. Offenbart sich da eine Schwachstelle              nicht von heute auf morgen mehr Milizpolitiker aus
     des Milizsystems?                                           dem Hut zaubern. Aber eine gewisse Sensibilisierung
     Wichtig ist, dass bei Geschäften, bei denen persönliche     der jungen Menschen für das politische System der
     Interessen mitspielen, die entsprechenden Personen          Schweiz und dessen Funktionen könnte mittelfristig
     in den Ausstand treten, damit das restliche Gremium         viel bewirken.

12
Im Gespräch

                         Markus Freitag
                         Professor für politische Soziologie

Dies müsste wohl bereits in den Schulen passieren?             über 30 Prozent fest angestellt und bezahlt. Umge­
Der Kanton Aargau ist der einzige Deutschschweizer             kehrt üben aber immerhin noch 70 Prozent der Ge­
Kanton, der in der Oberstufe explizit das Fach «Politi­        meinderäte ihr Amt weitgehend ehrenamtlich aus.
sche Bildung» anbietet. Meiner Ansicht nach zeigt
sich da eine empfindliche Schwachstelle in den kanto­          Ein anderer Reformvorschlag ist die Einführung
nalen Bildungssystemen. Auf Gemeindeebene ist                  eines Bürgerdienstes – die Rede ist von 200 Tagen.
das entscheidende Problem der Bedeutungsverlust                Ist das «Milizkonto» der letzte verzweifelte Ver-
der Lokalparteien. Diese waren in früherer Zeit die            such, das System doch noch zu retten?
eigentlichen Mobilisierungsagenturen, die für Nach­            Der letzte verzweifelte Versuch wäre wohl noch etwas
wuchs und Personal gesorgt haben. Mit dem Schwund              strikter und würde den reinen Amtszwang bedeuten.
der Lokalparteien ist auch dieses Rekrutierungspo­             Die Idee eines Bürgerdienstes schreibt den Einsatzort
tenzial verschwunden. Es wäre zu überlegen, ob man             aber nicht vor und lässt den Bürgerinnen und Bürgern
mit den lokal ansässigen Vereinen zusammen ein                 immerhin die freie Wahl, wo der obligatorische Beitrag
Konzept zur Abschöpfung von Behördenpersonal ent­              zu leisten ist, ob im Militär, in der Gemeinde oder in
wickeln könnte. Ausserdem kann jede Gemeinde dar­              einem Verein. Aber die Grundidee beinhaltet, dass jede
über befinden, die Entschädigungen zu erhöhen, um              und jeder – nicht nur Schweizerinnen und Schweizer –
weniger intrinsisch motivierte Personen zu gewinnen.           einen Dienst für die Gemeinschaft erbringen muss.
Es gibt auch diverse Ideen, das Führungsmodell in              Der «Verein für Milizengagement» versucht bekannt­
einer Verwaltung der Gemeinde zu ändern, um eine               lich gerade, eine Volksinitiative in diese Richtung
Arbeitsentlastung der Gemeinderätinnen und Ge­                 zu lancieren. Umstritten bleiben dabei aber die Fragen
meinderäte herbeizuführen und der Verwaltung mehr              der praktischen Umsetzung und der Überwachung
Verantwortung zu übertragen.                                   des Ganzen.

Das alles läuft doch tendenziell in Richtung                   Die Wirtschaft hätte es eigentlich in den Händen,
Professionalisierung …                                         einiges mehr für das Milizsystem zu tun, als sie
Entwicklungen hin zur Professionalisierung machen              heute tatsächlich leistet. Was erwarten Sie von
sich in erster Linie an der Einführung fixer Pensen in         der Wirtschaft?
der Gemeindepolitik fest. Vor 15 Jahren waren es bei­          Es gibt Unternehmen, die schon vieles tun. Auf der
spielsweise nur rund 6 Prozent der Gemeinderäte, die           Website des Schweizerischen Gemeindeverbands
eine fixe Anstellung innehatten. Mittlerweile sind             gibt es eine Liste von Unternehmungen, die aktiv

                                                                                                                        13
Im Gespräch

     das Milizwesen unterstützen. Das könnte man auch            Wer soll bei dieser Reform des Milizsystems
     populärer machen, man könnte einen Erfahrungsaus­           den Lead übernehmen?
     tausch innerhalb der Wirtschaft generieren. Es ist          Dadurch, dass die Schweiz ein solch dezentralisiertes
     klar, dass sich eine grundlegende Reform des Miliz­         Land ist, ist es extrem schwierig, jemandem eine
     wesens nicht ohne die Wirtschaft arrangieren lässt,         Führungsrolle zuzuweisen, da die Probleme in den
     weil es viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer            2 112 Gemeinden nicht unbedingt deckungsgleich
     gibt, die unterstützt und allenfalls für ihre Tätigkeit     sind. Der Schweizer Gemeindeverband hat 2019 mit
     freigestellt werden müssen.                                 einem «Jahr der Milizarbeit» versucht, die Öffent­
                                                                 lichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Auch die
                                                                 erwähnte Volksinitiative könnte dies schaffen.

        „Es wäre naheliegend,                                    Stellen Sie sich vor, es käme tatsächlich zu einer Ab­
                                                                 stimmung über einen Bürgerdienst: Dies würde sicher
            Milizarbeit im                                       eine intensive Debatte über das Milizwesen lancieren.
                                                                 Denkbar wäre auch die Idee eines runden Tisches
        Gemeinderat mit einem                                    von verschiedenen kantonalen Vertretungen, von der
                                                                 Wirtschaft und vielleicht auch vom Bund, der unter
          von der Wirtschaft                                     Federführung des Schweizerischen Gemeinde- oder
                                                                 des Städteverbandes einberufen werden könnte.
        anerkannten Zertifikat                                   Heute überlegen die Menschen sehr gut, wofür sie
                                                                 sich einsetzen möchten.
           auszuzeichnen.“
                                                                 Ist das Milizsystem angesichts der aktuellen
                                                                 Trends – Beispiel individuelle Selbstverwirk­
                                                                 lichung – ein Auslaufmodell, das in 30 Jahren
     Die geleistete Milizarbeit ist indes aber keine verlorene   definitiv verschwunden sein wird?
     Zeit. Gerade Gemeinderäte erwerben sich im Miliz­-          Ich denke nicht, dass die Rückgänge im Milizwesen
     amt Kompetenzen wie beispielsweise Führungserfah­           daran liegen, dass die Menschen insgesamt weniger
     rung, Organisations- und Konfliktmanagement und             solidarisch sind. Ich glaube aber, dass sie sich sehr gut
     damit arbeitsmarktrelevante Qualifikationen, die sonst      überlegen, für was und wen sie ihre Solidarität ein­
     in teuren Weiterbildungen erlernt werden müssen.            setzen möchten. Die Menschen reagieren zum Beispiel
     Es wäre also eine naheliegende Idee, die Milizarbeit        empfindlich, wenn sie längerfristige und regelmässige
     im Gemeinderat mit einem arbeitsmarktrelevanten             Verpflichtungen eingehen müssen. Egal, ob das Tätig­
     und von der Wirtschaft anerkannten Zertifikat aus­          keiten im Verein oder in einer Behörde sind. Bei Letzte­
     zuzeichnen.                                                 ren schreckt viele auch noch der Öffentlichkeitscha­
                                                                 rakter der Arbeit ab. Ich nehme deshalb an, dass das
     Das heisst, dass ein grosser Teil der politischen           jetzige Milizsystem in 30 Jahren sein Gesicht schon
     Milizarbeit aus Führungsaufgaben besteht?                   etwas verändern wird. Wir bewegen uns auch auf loka­
     Das kommt natürlich auf die Ausgestaltung des Amtes         ler Ebene in Richtung eines Berufspolitikertums und
     an und betrifft in erster Linie den Gemeinderat. In den     eines hybriden Milizsystems. Es wird wohl vielerorts
     unzähligen Kommissionen hat längst nicht jede und           auf ein Organisationsprinzip hinauslaufen, das ehren­
     jeder einen Führungsauftrag. Aber es geht auch da um        amtlich arbeitende Milizpolitiker nur noch in Kom­
     Dinge wie Konfliktbewältigung, Kommunikation,               missionen und Legislativen vorsieht. Die Exekutive
     Umgang mit Vielfalt – um Kompetenzen also, die auch         wird dann zunehmend professionell aufgestellt sein.
     den Unternehmen nur nützlich sein können.                   »

        Der Milizforscher

        Seit 2011 ist Markus Freitag Direktor und Ordinarius am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.
        Er ist Autor zahlreicher Schriften zum politischen und sozialen Zusammenleben in der Schweiz. Seine
        jüngsten Veröffentlichungen sind «Das soziale Kapital der Schweiz» (NZZ Libro, Zürich 2014), «Freiwilligen-­
        Monitor Schweiz» (Seismo, Zürich 2016), «Die Psyche des Politischen» (NZZ Libro, Zürich 2017) und
        «Milizarbeit in der Schweiz» (NZZ Libro, Zürich 2019, Mitautoren: Pirmin Bundi, Martina Flick Witzig).
        Freitag ist verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt mit seiner Familie in Zürich.

14
Standpunkt

Die Karten neu mischen
und verteilen
         «Freiheit und Demokratie in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt
         stärken …» So lauten Auftrag und Ziel unserer Gesellschaft, formuliert in der
         Präambel der Bundesverfassung von 1999. Was aber bedeutet Demokratie,
         wenn in grösseren Städten bis zu 50 Prozent der Personen im Alter zwischen
         25 und 50 Jahren nicht abstimmen und wählen dürfen?

         Und was bedeutet Solidarität, wenn der Grundbedarf in der Sozialhilfe
         gekürzt wird und abgewiesene Asylsuchende nur noch Nothilfe erhalten?
         In der Verfassungspräambel steht auch: «Die Stärke der Bevölkerung misst
         sich am Wohl der Schwachen.»

         Im letzten Parlamentswahlkampf wurden die echten gesellschaftlichen
         Herausforderungen elegant umschifft. Weder Gesundheitskosten und Renten­
         finanzierung noch das Leben in kultureller Vielfalt noch die Auswirkung
         der Digitalisierung auf die Arbeitswelt wurden thematisiert, obwohl uns nie­
         mand sagen kann, wie wir diese Herausforderungen in zehn, zwanzig oder
         dreissig Jahren meistern können und wollen.

         Kleinfamilien sind heute in der Betreuung Angehöriger völlig überfordert. Der
         Staat stösst bei der Sorge um Schutzbedürftige zunehmend an legitimatorische
         und finanzielle Grenzen. Die «corporate citizenship» vieler Unternehmen
         erschöpft sich im Schaffen von Arbeitsplätzen und im Zahlen von Steuern.
         Und freiwillig Engagierte inner- und ausserhalb von Vereinen und NGOs wollen
         weder Lückenbüsser für staatliche Kürzungsmanöver noch Ersatz für be­
         zahltes Personal sein: Der soziale Kitt bröckelt an allen Ecken und Enden.

         Der von Jean-Jacques Rousseau verfasste «contrat social» regelte anno 1762
         die gesellschaftlichen Pflichten von Staat und Individuum. Die Mitverant­
         wortung von Firmen, NPOs und NGOs für das Gemeinwohl war damals noch
         kein Thema. Darum wäre es anno 2020 höchste Zeit und notwendig,
         über eine sinnvolle, faire und solidarische Neuverteilung der Ressourcen und
         Aufgaben, der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen aller gesellschaftlichen
         Akteure zu diskutieren. Wer soll dies wo und wie tun? «Probleme kann
         man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind»,
         schrieb Albert Einstein. Darum braucht es zwischen Bubbles von Gleich­
         gesinnten und polarisierten Arenen neue halböffentliche Räume, in denen
         Staat und Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Individuen gemeinsam, offen
         und auf Augenhöhe innovative und nachhaltige Lösungen für die grossen
         gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln können – und dabei
         die Karten der gesellschaftlichen Aufgaben neu mischen und verteilen.
         »

         Lukas Niederberger | Text

         Geschäftsleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG).

                                                                                         15
Marco Maria Baroni | Architekt

Führt seit 20 Jahren ein eigenes Architekturbüro. Im Frühling 2019 wurde Baroni für die italienischsprachige Region in die Verbands­-
­leitung der Schweizer Kader Organisation (SKO) gewählt und im selben Jahr als Präsident der Sportplatzkommission des Schweizerischen
 Fussballverbands (SFV) nominiert.
Aufgefallen

«Der Fussball
bewahrt und
vermittelt Werte»
Im Leben des Architekten Marco Baroni dreht sich           Was treibt dich an im Leben?
fast alles um den Fussball. Das Mitglied der SKO-­         Ich bin ein neugieriger Mensch und fühle mich von
Verbandsleitung setzt sich beruflich und in der            allem angezogen, was mir neue Techniken, Einblick in
Freizeit für den Sport ein, dem seiner Ansicht nach        andere Realitäten oder die Sicht auf neue Ziele er­
eine wichtige gesellschaftliche Rolle zukommt.             möglicht. Ich mag es, neue Leute kennenzulernen
                                                           und mich mit dem damit verbundenen Austausch zu
Was zeichnet dich aus?                                     bereichern. Ich liebe natürlich auch das Zusammen­
Trotz meines eher ruhigen, nachdenklichen und              sein mit meiner Familie.
geduldigen Wesens lebe ich gerne kreativ: immer
mit Blick auf die Möglichkeiten, die sich mir bieten.      Wie kannst du andern am besten helfen?
Im Laufe der Zeit hat sich so einiges ergeben, das         Als altruistische und empathische Person freue ich
ich als Herausforderung angenommen habe.                   mich, die Menschen glücklich zu sehen. Auf der beruf­
                                                           lichen und sportlichen Ebene hilft mir der Perspekti­
Wofür setzt du dich freiwillig ein?                        venwechsel, Dinge positiv anzugehen und die optimale
Seit je für den Amateurfussball: Er wird immer             Lösung zu finden.
wichtiger und bietet dank der unentgeltlichen Arbeit
zahlloser Enthusiasten ganzen Generationen von             Was ist deine grösste Hoffnung für die Zukunft?
jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäf­ti­         An erster Stelle steht natürlich meine Gesundheit und
gung, an der sie wachsen können.                           die meiner Lieben; als Mitglied der Verbandsleitung
                                                           der SKO möchte ich meine Ideen für die Stärkung der
Was motiviert dich im Leben?                               Führungsposition in kleinen und mittleren Unterneh­
Ich habe einen Weg im spezifisch orientierten Sport­       men einbringen können. Als Vorsitzender der Sport­
stättenbau eingeschlagen, da ich früher schon sport­       platzkommission des SFV möchte ich die Arbeit meines
lich unterwegs war. Im Kanton St. Gallen geboren und       Vorgängers innovativ weiterführen: Indem ich mich
aufgewachsen, zog ich nach einer kurzen akademi­           mit meinem Enthusiasmus und meiner Erfahrung für
schen Auslandserfahrung bald ins Tessin, wo ich mein       die Jugend und den Amateurfussball einsetze.
Architekturstudium abschloss. Die Leidenschaft für
den Fussball war mein steter Begleiter, und schliesslich   Welche Rolle spielt dabei Freiwilligkeit?
habe ich die Möglichkeit gefunden, den Sport mit mei­      Um die Unterstützung der Gesellschaft zu erlangen,
ner Arbeit zu verbinden: Heute beschäftige ich mich        müssen wir sicherstellen, dass Freiwilligenarbeit
massgeblich mit Sportanlagen.                              kein Luxusgut ist, sondern vielmehr allen als Gelegen­
                                                           heit für neue Möglichkeiten erscheint, und zwar
Wie und in welchen Themen hat dich das geprägt?            auch denjenigen, die nicht über unendliche Ressourcen
Obwohl wir in einer hektischen und vom Individualis­       in Bezug auf Zeit und Geld verfügen.
mus geprägten Zeit leben, sehe ich im Sport eine Kraft,    »
bestehende Werte zu erhalten und weiterzugeben.
Ich bin selbst immer an den Erfahrungen gewachsen,         Willst du SKO-Botschafter/in werden? Hier meldest
die ich auf dem Platz als Trainer gemacht habe.            du dich an: sko.ch/sko-botschafter

                                                                                                                    17
Kopf bis Fuss

                                   Alain Kappeler
                                   Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz | Managing Director

                                                                                         |   Die zündende Idee
                                                                                         Als SOS-Kinderdorf vor 70 Jahren gegründet
                                                                                         wurde, galt die Idee, dass Kinder in Not in
                                                                                         einer Familie aufwachsen sollen, als revolu­
                        Blick in die Zukunft   |
                                                                                         tionär. Seither haben wir mit unseren
   Die Digitalisierung birgt auch für Hilfswerke                                         SOS-Kinderdörfern und Familienstärkungs­
     Chancen und Risiken. Dank neuen Techno­                                             programmen weltweit 4 Millionen Kindern
logien können wir effizienter und transparenter                                          und Jugendlichen genau das ermöglicht.
      arbeiten. Gleichzeitig setzen wir weiterhin
 auf persönlichen Kontakt, wenn es darum geht,
      Spender und Partner langfristig zu binden.

                                                                                                      |   Die Überzeugung
                                                                                                      Unser Schwerpunkt liegt auf der
                                                                                                      lang­fristigen Entwicklung aller Kinder –
                                                                                                      Betreuung, Gesundheit und Bildung
                                                                                                      eingeschlossen –, damit sie als Erwachsene
                                                                                                      selbstständig die Heraus­forderungen
                                                                                                      des Lebens meistern können.
Das Ziel   |
           In unserer Arbeit werden wir von
      Unternehmen, Stiftungen und Privat­
     personen unterstützt. Unser Ziel ist es,
     jeden Spendenfranken nachhaltig und                                                                                    |   Die Projektarbeit
       gezielt einzusetzen, um Kindern welt­                                                                                Wir initiieren ganzheitliche Entwicklungs­
      weit eine selbstbestimmte Zukunft zu                                                                                  programme, um Strukturen vor Ort zu
                               ermöglichen.                                                                                 schaffen, die helfen, den Kreislauf aus Armut
                                                                                                                            und Not zu durchbrechen. Dabei beziehen
                                                                                                                            wir unsere Begünstigten mit ein und fördern
                                                                                                                            Arbeitsplätze in den betroffenen Gebieten.

Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz
In mehr als 130 Ländern gibt SOS-Kinderdorf in Not geratenen Kindern ein Zuhause und fördert ihre Entwicklung nachhaltig. Die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz
mit Sitz in Bern wurde 1964 gegründet und generiert derzeit rund 20 Millionen Franken Spendeneinnahmen pro Jahr bei 18 Vollzeitstellen. Das Kinderhilfswerk ist
privat, politisch und konfessionell ungebunden und finanziert eigene Programme in Entwicklungsländern.
Schwerpunkt

     Das Fundament
     der Freiwilligkeit
     braucht
     Erneuerung
     Das Milizsystem gilt als Basis des wirtschaftlichen und gesell­
     schaftlichen Erfolgsmodells Schweiz. Doch es steckt in der Krise.
     Wie kann es gestärkt werden?

                                                                   100 000 Milizionäre in den Gemeinden
     Pirmin Schilliger | Text                                      Nach traditionellem Verständnis gilt dieses Milizprin­
                                                                   zip sowohl für National- und Ständeräte als auch für
                                                                   Kantons- und Gemeinderäte. Tatsächlich werden auf
     «Ich glaube, das Milizsystem ist perfekt für unser Land;      Gemeindeebene die meisten behördlichen Aufgaben –
     aber es erfordert Leute, die bereit sind, sich einzu­         Exekutive, Schulpflege, Sozialbehörde, Kommissionen,
     setzen», sagt Ilias Läber. Das tut er: sich einsetzen – als   Wahlbüro und so weiter – durch Milizgremien wahr­
     Gemeindeammann von Oberwil-Lieli, einer Aargauer              genommen. Rund 100 000 Personen sind zurzeit auf
     Gemeinde mit 2500 Einwohnern. Das Amt im fünf­                diese Art tätig. Auch die örtlichen Feuerwehren und
     köpfigen Gemeinderat beansprucht ihn acht bis zehn            die Armee – gemäss Artikel 58 der Bundesverfassung –
     Stunden pro Woche. Dafür wird er mit einer Jahres­            setzen auf das Milizprinzip.
     pauschale von 24 000 Franken entschädigt.
                                                                   Die Idee des Zivilisten, der sich zum Wehrdienst ver­
     Darauf angewiesen ist Läber wohl kaum, denn haupt­            pflichtet, ist sehr alt. Sie fusst auf dem in den antiken
     beruflich ist er als gut entlöhnter Finanzexperte,            griechischen Stadtstaaten entwickelten Gedanken
     Investmentstratege und Verwaltungsrat unterwegs.              der Einheit von Bürger und Soldat. Die in der Schweiz
     Warum er sich zusätzlich zu seinem eigenen happigen           verwendete spezifische Bezeichnung «Milizsystem»
     Pensum noch den bescheiden entschädigten Ammann               dagegen entwickelte sich erst zur Zeit des Ancien Ré­
     antut? «Ich übernehme gerne Verantwortung, und                gime. Das neue Recht auf demokratische Mitbestim­
     mir macht es Freude, diese sinnvolle und interessante         mung im Gemeinwesen für alle ging Hand in Hand mit
     Tätigkeit auszuüben», antwortet er.                           dem Auftrag, dieses zu verteidigen. Ausserdem wurde
                                                                   die gegenseitige Bürgerhilfe als republikanischer Wert
     Dank einsatzwilligen Personen wie ihm funktionieren           proklamiert, um ein nationales Selbstverständnis und
     die meisten der rund 2200 Gemeinden dieses Landes.            eine kommunal organisierte Republik aufzubauen.
     Das Milizprinzip gilt als eine der vier tragenden Säulen
     des politischen Systems der Schweiz, neben der direkten       Der Freiwilligeneinsatz ist sozusagen der fruchtbare
     Demokratie, dem Föderalismus und der Konkordanz.              Boden der politischen Milizarbeit. Rund drei Millionen

20
Schwerpunkt

Menschen engagieren sich gemäss Erhebungen von                will, braucht ein Pensum von mindestens 70 Prozent.
Benevol, der Fachstelle für Freiwilligenarbeit, aus           Nebenbei noch 80 Prozent oder mehr arbeiten? Geht
freien Stücken fürs Gemeinwohl, und zwar in kulturel­         nicht!» Dem wird länger schon Rechnung getragen:
len und kirchlichen Organisationen oder in sonstigen          Mit den Sitzungsgeldern und Spesen können die Parla­
Projekten. Zusammen leisten sie über 700 Millionen            mentarier inzwischen einen wesentlichen Teil ihrer
Stunden Freiwilligenarbeit im Wert von 35 Milliarden          Existenz bestreiten.
Franken. Das entspricht mehr als fünf Prozent des
schweizerischen Bruttoinlandproduktes.                        Semiprofessionelle Politik
                                                              Die Bundesversammlung ist mindestens zum semi­
Das «Erfolgsmodell» und die Miliz                             professionellen Berufsparlament geworden. Ein Rats­
Seit Entstehung des Milizsystems sind knapp zwei­             mandat scheint attraktiv, wie die Rekordzahl von
hundert Jahre verstrichen. Die Schweiz hat sich               4652 Nationalratskandidaten im Herbst 2019 bewiesen
in dieser Zeit vom rückständigen Hirten- und Bauern­          hat. Nachwuchssorgen, wie die meisten anderen
land zu einem reichen und fortschrittlichen Wohl­             Bereiche des Milizsystems, hat das Parlament keine.
fahrtsstaat entwickelt. Das Milizsystem wird bis heute
als wesentlicher Stützpfeiler des Erfolgsmodells              Zwei Drittel aller Gemeinden dagegen haben gemäss
Schweiz idealisiert. «Die vielen Nachteile, welche die        einschlägiger Studien grösste Mühe, vakante Miliz­
Schweiz als kleines Land hat, dreht das Milizsystem           ämter mit geeigneten Leuten zu besetzen. Es häufen
in einen Vorteil», schrieb Markus Hongler, CEO der            sich «Scheinwahlen», bei denen es gerade so viele
Mobiliar, kürzlich in einem Gastbeitrag in der NZZ.           Bewerber wie zu vergebende Ämter gibt. Der Mangel
                                                              treibt die Gemeinden dazu, die Ämtertätigkeit zu
Aus der Milizmentalität heraus sind besondere Werte           professionalisieren. Mittlerweile werden annähernd
entstanden. Zum Beispiel gibt es in der Schweiz keine         70 Prozent der kommunalen Exekutivmitglieder
abgehobene Politikerkaste. Mit den Laienpolitikern            für ihr Amt mit mindestens 10 000 Franken jährlich
fliesst automatisch deren berufliches Wissen in die           entschädigt. Lupenreine Milizarbeit wird auf Gemein­
Milizarbeit, was eine pragmatische, lösungsorientierte        deebene allenfalls noch in der Legislative und in den
Sachpolitik begünstigt. Zudem lassen sich öffentliche         Kommissionen geleistet.
Aufgaben im Milizsystem günstiger erledigen. Fehlt
es an Milizarbeitswilligen, muss die öffentliche Hand         Mit der Professionalisierung wird das Milizsystem
übernehmen, und die Staatsquote steigt. Christoph             jedoch nicht gestärkt, sondern faktisch abgeschafft.
Niederberger, Direktor des Schweizerischen Gemein­            «Letztlich entreisst man der lokalen Demokratie
deverbandes (SGV), meint knapp und bündig: «Das               auf diese Weise die Laienseele», warnt der Politologie-­
Milizsystem aktiviert das Verantwortungsbewusstsein           Professor Markus Freitag (siehe auch Gespräch
fürs Gemeinwohl, hält den Staat schlank und fördert           ab Seite 10). Vor allem kleinere Gemeinden wie zum
die Nähe zu den Bürgern.»                                     Beispiel Simplon (VS) haben das Problem auch schon
                                                              auf denkbar einfachste Art gelöst: Sie zwingen ihre
                                                              Bürgerinnen und Bürger zur Amtsübernahme. Laut
                                                              Gesetz gilt in sieben Kantonen (LU, UR, NW, AI,
    „Die vielen Nachteile,                                     SO, ZH, VS) und in gewissen Berner Gemeinden der
                                                              Amtszwang: Wer gewählt wird, auch wenn er gar
    welche die Schweiz als                                    nicht kandidiert hat, muss antreten.

      kleines Land hat,                                       Die Wirtschaft ist gefordert
                                                              Unbestritten profitiert auch die Schweizer Wirtschaft
    dreht das Milizsystem                                     von einem Ökosystem, das nur funktionieren kann,
                                                              solange das Milizsystem funktioniert. Doch die Globa­
      in einen Vorteil.“                                      lisierung fordert hier ihren Tribut: Die Kader inter­
                                                              nationaler Konzerne begegnen dem Milizsystem, weil
                  Markus Hongler, CEO Mobiliar
                                                              sie es nicht wirklich kennen, zunehmend mit Unver­
                                                              ständnis. Die Hälfte der Unternehmen zeigt jenen Mit­
                                                              arbeitenden, die sich in Milizämtern engagieren, die
Aber fast alle Institutionen, die sich auf das Miliz­system   kalte Schulter, so das Ergebnis einer breit angelegten
abstützen, klagen über Mitgliederschwund. Oder sie            Studie zur Milizarbeit in der Schweiz. Lediglich 15 Pro­
haben sich, wie der National- und Ständerat, bereits          zent der Konzerne unterstützen ein entsprechendes
schleichend davon verabschiedet. Die Berner SP-­              Engagement mit einer bezahlten Freistellung. Immer­
Nationalrätin Flavia Wasserfallen meint: «Seien wir           hin 29 Prozent erlauben ihren milizpolitisch tätigen
ehrlich: Das Milizsystem ist, zumindest auf nationaler        Angestellten, ihre Arbeitszeit freier einzuteilen.
Ebene, ein Mythos. Wer im Parlament seriös arbeiten           ›

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Schwerpunkt

     Viele grosse Konzerne berufen sich auf ihren jährli­      erschliesst einen positiven Kreislauf, in dem beide
     chen Obolus an die Parteien, mit dem sie schliesslich     Seiten, also Gemeinde und Arbeitgeber, voneinander
     auch Milizarbeit unterstützen würden. Doch allein         nur profitieren.»
     damit ist es natürlich nicht getan. «Wir müssen das
     Milizsystem aktiv mitgestalten und uns bei dessen         Vielfältige Reformbemühungen
     Modernisierung direkt engagieren», mahnt Mobiliar-­       Auch wenn das Beispiel der Mobiliar viele Nachahmer
     Chef Markus Hongler. Die Wirtschaft hätte es in der       finden sollte, die Frage bleibt: Wie lässt sich das Miliz­
     Hand, ihren Mitarbeitenden grosszügige Rahmenbe­          system reformieren, sodass es attraktiv und zukunfts­
     dingungen zu bieten, sodass sich berufliches und mi­      fähig bleibt?
     lizpolitisches Engagement besser vereinbaren lassen.
                                                               Allein mit Wortkosmetik, bei der nicht mehr vom
     Zumindest im Falle der Mobiliar ist dies mehr als ein     Milizsystem, sondern vom «zivilgesellschaftlichen
     Lippenbekenntnis. Beim Versicherungskonzern enga­         Engagement» gesprochen wird, kommen wir wohl
     gieren sich über 100 Mitarbeitende in öffentlichen        nicht weiter. Markus Freitag schlägt fünf Handlungs­
     Ämtern. Zum Beispiel der frisch gewählte Appenzeller      felder vor, bei denen man bei einer Reform ansetzen
     Nationalrat Thomas Rechsteiner, der als Generalagent      sollte: Zwang, Anreiz, Organisation, Information,
     in seiner Agentur nun verschiedene organisatorische       Ausbildung. Damit ist auch angedeutet: Die einfache
     und personelle Massnahmen ergriffen hat, um dem           Formel zur Belebung des Milizwesens gibt es nicht.
     politischen Mandat gerecht zu werden.                     Viel eher wird ein Bündel von Massnahmen die Lösung
                                                               bringen. Dazu gehörten die Rekrutierung von mögli­
                                                               chen Amtsträgern, die berufs- und familienfreundliche
                                                               Ausgestaltung der Ämter und die Neuorganisation

     „Das Milizamt erschliesst                                 der Kommunen und Behörden.

     einen positiven Kreislauf,                                Curdin Derungs, Professor für Verwaltungsmanage­
                                                               ment an der FH Graubünden, plädiert zudem für einen

        in dem beide Seiten                                    Kulturwandel, der mehr Wertschätzung für die Miliz­
                                                               arbeit aufbringt. «Die Dauerkritik aus der Bevölkerung,

     von­einander profitieren.“                                womöglich aus anonymen Schützengräben von Social
                                                               Media, lässt viele Leute nur noch zögerlich ein politi­
                 Manuela Jost, Gemeinderätin Beromünster       sches Amt übernehmen.»

     Die Mobiliar stellt Mitarbeitenden, die politische
     Mandate ausüben, Arbeitszeit und Infrastruktur zur
     Verfügung – und zwar ohne Blick auf die Parteifarbe.
     «Diese Mitarbeitenden sind Brückenbauer zwischen
     Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und sie bringen
     unserem Unternehmen einen Mehrwert», betont
     Belinda Walther, Leiterin Public Affairs. So erlebt
     es auch Manuela Jost, die seit September 2018 im
     Gemeinderat von Beromünster das Bildungsressort
     verantwortet. «Offiziell ist das Mandat als 35-Pro­
     zent-­Pensum eingestuft, der effektive Aufwand liegt
     bei 40 bis 50 Prozent», sagt sie. Trotzdem schafft
     es die Mutter schulpflichtiger Kinder, alles – Familie,
     Beruf und Gemeinderätin – unter einen Hut zu brin­
     gen, dank der Unterstützung ihres Ehemannes und
     des Arbeitgebers. Ihren 50-Prozent-Job bei der Mobi­
     liar konnte sie nach der Wahl auf 30 Prozent redu­
     zieren, bei flexibler Arbeitszeit. In ihrer politischen
     Aufgabe erweist sich die Führungsausbildung, die
     sie als Leiterin Verkaufssupport absolvieren durfte,
     als hilfreich. Jost ist umgekehrt überzeugt, dass der
     neue politische Blickwinkel und ihre Amtserfahrungen
     wieder zurück zur Mobiliar fliessen werden, und
     spricht von einer Win-win-Situation. «Das Milizamt

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Schwerpunkt

    „Die Dauerkritik                                                    Milizarbeit» angestossen haben, im laufenden Jahr
                                                                        weiter. Sie finden konkret Niederschlag etwa im För­

  aus der Bevölkerung,                                                  derprojekt «engagement lokal». Fünfzehn bedeutende
                                                                        Or­ganisationen leisten dabei Anschubfinanzierung

womöglich aus anonymen                                                  für innovative Strategien und Projekte des freiwilligen
                                                                        Engagements vor Ort. In ähnliche Richtung zielt die

  Schützengräben von                                                    vor drei Jahren initiierte Plattform «staatslabor», die
                                                                        mittels Pilotprojekten, Events und Fallstudien das

 Social Media, lässt viele                                              Bürgerengagement bei öffentlichen Aufgaben stärken
                                                                        möchte.

     Leute nur noch                                                     Die SKO schliesst sich diesen Bemühungen an. Speziell

zögerlich ein politisches                                               plant sie in einem Joint Venture mit dem SGV eine
                                                                        Zertifizierung der Gemeinderäte bzw. der im Milizamt

   Amt übernehmen.“                                                     erworbenen Führungskompetenzen. Im Raum steht
                                                                        auch die Initiative des Westschweizer Vereins Service­
                      Professor Curdin Derungs                          Citoyen.ch zur Einführung einer (Miliz-)Dienst­
                                                                        pflicht. Dabei könnte jede/r frei wählen, ob er sich bei
                                                                        der Feuerwehr, in Vereinen, im Gemeinderat, im Zivil-
                                                                        oder Militärdienst engagieren möchte. Die Chancen,
Eine Schlüsselposition kommt bei der Reform den                         dass das Zwillingspaar «Milizsystem» und «Erfolgs­
Gemeinden zu, doch «letztlich sind wir dabei alle ge­                   modell Schweiz» sich wieder näherkommt, sind in­
fordert, die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft und                      takt. Die Ansätze dazu aber enthalten einen Wermuts­
der Staat», sagt Christoph Niederberger. Erfreulicher­                  tropfen: «Praktisch jede Reformmassnahme kratzt
weise gehen die Diskussionen, die der Schweizerische                    am alten Ideal des Milizwesens», gibt Markus Freitag
Gemeindeverband (SGV) und der Dachverband Schwei-                       zu bedenken.
zer Jugendparlamente (DSJ) 2019 mit dem «Jahr der                       »

Gestärkte Institutionsleitung
Jede zweite Person im Sozial- und Gesundheitsbereich denkt an Kündigung:
Geben Sie Gegensteuer – mit dem Berufsverband bvsm.ch.

Die Mitarbeitenden sozialer Institutionen befinden sich im Spannungs-   eingreifen und die Mitarbeiterbindung erhöhen zu können. Denn
feld zwischen den Bedürfnissen der Betroffenen (Kinder, Jugend­         je mehr die Beschäftigten von den Vorgesetzten unterstützt und in
liche oder Erwachsene mit Unterstützungsbedarf) und denjenigen          Entscheide einbezogen werden, desto mehr identifizieren sie sich
der auf die Institution einwirkenden Anspruchsgruppen und ihren         mit dem Betrieb. Stress führt interessanterweise nur dann zur Kün­
Meinungen. Der Führung von Institutionen verlangt dies neben            digung, wenn er auf Konflikten oder mangelnder Wertschätzung
ökonomischem Sachverstand ebenso marketing- und öffentlich-             beruht – auch dies zentrale Führungsaufgaben.
keitssensitive Handlungsweisen ab; ausserdem eine Entwicklungs-
strategie, die auf Personal wie Klienten ausgerichtet ist, und          Der Berufsverband der aktiven Leiterinnen und Leiter sowie der
permanente Selbstreflektion.                                            Füh­rungs­kräfte von Heimen und Institutionen im Sozial- und Ge-
                                                                        sundheitsbereich, bvsm.ch, unterstützt seine Mitglieder mit der
Diese Herausforderungen werden dramatisch verstärkt, weil zahl-         Vernetzung mit anderen Führungskräften an SKO-Veranstaltungen,
reiche Heime und Institutionen durch häufige Mitarbeiterwechsel         mit Weiterbildung wie SKO-LeaderTrainings, SKO-Führungslehr­
belastet werden. Eine Studie der Universität Basel zu Kündigungs-       gängen und der­gleichen und weiteren Dienstleistungen wie dem
absichten und Arbeitsplatzfaktoren in sozialen Berufen zeigt:           SKO-KarriereService.
Hauptgründe für die «Fluchtgedanken» sind der Führungsstil der
Vorgesetzten und die mangelnde Identifikation mit dem Betrieb.
Institutionsleiter*innen müssen die Faktoren erkennen, um frühzeitig    Weitere Informationen: www.bvsm.ch
                                                                                                                                             23
Versus

     SKO-Nachwuchs
     Im Dezember 2019 wurde auf LinkedIn die Videokampagne
     #nosmembresontdutalent gestartet, um die Bekanntheit
     und Beliebtheit der SKO bei Nachwuchskadern und Führungs­
     kräften zu steigern. Die Kampagne besteht aus sieben Videos
     mit Junior-Mitgliedern der SKO aus der Westschweiz.

                                                             Ist der Röstigraben Mythos oder Realität
                                                             im Arbeitsalltag?
                                                             Den Röstigraben gibt es definitiv. Menschen, die
                                                             eine andere Sprache sprechen als man selbst, haben
                                                             natur­gemäss auch eine andere Kultur und Arbeits­
                                                             weise, egal wie stark man sich einander annähert.
                                                             Ich denke, dass es für einen Deutschschweizer bei
                                                             einem neuen Projekt eher wichtig ist, alle Spielre­
                                                             geln und Verantwortlichkeiten genau zu definieren,
                                                             um möglichst wenig dem Zufall zu überlassen und
                                                             auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Die West­
                                                             schweizer sind vielleicht eher bereit, das Unbekannte
                                                             und Unvorhersehbare ein Stück weit zu akzeptieren,
                                                             und fühlen sich mit ungeplanten Vorkommnissen
     Melanie Berthold | Angebotsentwicklerin SBB CFF FFS     viel wohler als ihre Kolleginnen und Kollegen aus
                                                             der Deutschschweiz.

     Kannst du uns deine Laufbahn kurz beschreiben?          Warum bist du SKO-Mitglied geworden?
     Ich stamme aus dem Jura, bin dort aufgewachsen          Im Rahmen einer beruflichen Präsentation habe
     und habe mich dann für ein Studium an der Univer­       ich rein zufällig von der SKO erfahren und bekam
     sität St. Gallen entschieden, um dort meinen Bachelor   Lust, Mitglied zu werden. Die SKO bietet mir die
     in Betriebswirtschaftslehre und meinen Master in        Möglichkeit, ein wenig über den Tellerrand der SBB
     strategischem Marketing zu machen. Danach bin ich       hinauszublicken und andere Führungskräfte zu
     bei der SBB ins Berufsleben eingestiegen.               treffen, die andere Strukturen und Unternehmens­
                                                             kulturen gewohnt sind. Bei diversen SKO-Veran­
     Was machst du heute?                                    staltungen habe ich sehr viele bereichernde und fas­
     Ich bin Projektleiterin und arbeite mit Ingenieuren     zinierende Menschen kennengelernt, insbesondere
     und Experten zusammen, die unsere Fahrpläne             beim Gleichstellungs-Event, das mich sehr geprägt
     entwickeln.                                             hat und das ich extrem interessant fand.

     Schweizerdeutsch sicher beherrschen –
     ein Ding der Unmöglichkeit?
     Nichts ist unmöglich, man darf sich nur nicht zu viel   Das ganze Interview
     auf einmal vornehmen. Man sollte vielleicht zunächst    finden Sie auf unserem
     Hochdeutsch verstehen, versuchen Hochdeutsch zu         Youtube Channel: 
     sprechen und sich danach bemühen, Schweizerdeutsch
     zu verstehen. Das Sprechen funktioniert dann irgend­    www.youtube.com/c/SkoCh_ASC_ASQ
     wann ganz von alleine, mit Gesprächspartnern, die
     sich Mühe geben, einem die Sache leichter zu machen.

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