Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz

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Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Jahresschrift 2018 . 2019

Berichte . Ereignisse . Fakten
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Grußwort
                                                                        des Provinzials
                                                   Ins Gespräch kommen
                                                   In unruhiger Zeit geht der Blick gerne zurück, in der
                                                   vagen Hoffnung, dort Antworten zu finden auf die
                                                   Herausforderungen unserer Tage. Wir kommen
                                                   gleichsam ins Gespräch mit dem, was war und ist und
                                                   fragen dabei, was Gott uns damit sagen will.
                                                   Wir wissen, dass die Tradition keine einfachen Lösun-
                                                   gen parat hält. Es liegt in unserer Hand, den inneren
                                                   Regungen und dem Wirken des Heiligen Geistes zu
                                                   vertrauen und die nötigen Schritte zu tun.
                                                   An der Realität unseres Lebens können wir uns nicht
                                                   vorbeimogeln. Doch glaube ich, dass der Blick zurück
                                                   auf lebendige Vorbilder ein heilsamer Impuls für
                                                   heute sein kann. Ich nenne drei Beispiele.
                                                   Br. Konrad (1818–1894), der Pförtner von Altötting,                           Br. Marinus Parzinger,
                                                   heiliggesprochen im Jahr 1934. Ein Mann, der weiß,                            Provinzialminister
                                                   was er will. Am Beginn seines Ordenslebens hat er für
                                                   sich Vorsätze formuliert.
                                                   Er beginnt: „Erstens will ich es mir recht angewöhnen,
                                                   mich allezeit in die Gegenwart Gottes zu stellen.“ In
                                                   seinen Vorsätzen entscheidet er sich radikal für Gott,
                                                   wählt das stille Dienen an den Menschen als Lebens-        Europa und war ein Vorkämpfer für die Einheit Euro-
                                                   aufgabe und nimmt sich den gekreuzigten Herrn als          pas. Diese Weite und Tatkraft wünsche ich den Ver-
                                                   Vorbild und Maßstab seines Verhaltens. Diese Grund-        antwortlichen der Kirche in Europa heute.
                                                   entscheidungen prägen das Leben des Br. Konrad. 2018       Nach der Wahl des neuen Generalministers am 3. Sep-
                                                   feiern wir seinen 200. Geburtstag. Rechtzeitig zuvor       tember 2018 hat Br. Mauro Jöhri (2006–2018) seinem
                                                   wurde die Bruder-Konrad-Kirche renoviert. Wir wollen       Nachfolger das Kreuz des hl. Laurentius überreicht und
                                                   das „Erbe“ des Heiligen zeitgemäß vermitteln und ei-       ihn ermutigt, ein Diener aller Brüder zu sein.
                                                   nen Zugang zu ihm schaffen. Er hat uns etwas zu sagen.     Und schließlich jährt sich die Begegnung zwischen
                                                   Im nächsten Jahr erinnern wir an den 400. Todestag         Franziskus und dem Sultan (1219). Vor 800 Jahren
                                                   des hl. Laurentius von Brindisi (1559–1619). Er            zeigte Br. Franz von Assisi, wie Menschen verschiede-
                                                   hatte viele Talente und blieb als Volksprediger, Provin-   ner Kulturen und Religionen miteinander umgehen
                                                   zial und Generalminister des Kapuzinerordens, als          können. Aus dieser Begegnung auf Augenhöhe, hoffe
                                                   politischer Berater und päpstlicher Gesandter nahe         ich, können wir für die aktuellen Herausforderungen
                                                   am Menschen. Seine Weitsicht machte ihn zu einem           unsere Zeit lernen.
                            Fotos: Kiên Hoàng Lê

                                                   gesuchten Ratgeber. Er redete Königen ins Gewissen
                                                   und ermutigte schlichte Menschen im Beichtstuhl.           Ich hoffe, dass die Beiträge in unserer diesjährigen
                                                   Brachte die Kapuziner im Jahr 1600 nach München.           Jahresschrift für Sie, liebe Leserinnen und Leser, anre-
                                                   In vieler Hinsicht war er überdurchschnittlich und         gend und bereichernd sind. Den Verfassern der Bei-
                                                   doch ein einfacher Mensch, der sich am Evangelium          träge und allen, die an der Erstellung mitgewirkt ha-
                                                   Jesu Christi orientierte. Beispielhaft! Er durchquerte     ben, danke ich herzlich. Bleiben wir in Kontakt.

                                                                                                                                      Br. Marinus Parzinger OFMCap
                                                                                                                          Provinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz

2   Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                3
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Inhalt
     Kapuziner
     Jahresschrift 2018.2019

                                 14                                                                                                                                                32                                                              76

                               Aus der Provinz                                                                                                  Mitbrüder                                               Nachdenkliches
                                8 Katholikentag in Münster                                                                                      40 	Einblick!                                          56 	Vom Glückskind zum
                               		Ein Großereignis und die Eindrücke einiger Brüder                                                             		 „Mitleben“ als Angebot der Berufepastoral            		Kirchenlehrer
                                                                                                                                                                                                        		 Laurentius von Brindisi
                               14 Neuer Generalminister                                                                                         42 „Wir müssen in der Öffentlichkeit präsent
                               		Die weltweite Kapuzinergemeinschaft                                                                            		 bleiben und wahrgenommen werden“                     82 	„Pass abgelaufen Schuhe auch“
                               		 hat eine neue Leitung                                                                                         		 Interview mit Br. Linus Rettich                      		Ein Obdachloser in Frankfurt erzählt
                               16 Interview mit Roberto Genuin                                                                                  46 „Ich spürte diese Sehnsucht
                               		„Leben wir entschieden und in                                                                                  		 nach geistigem Leben“
                               		 Freude unsere Berufung“                                                                                       		Priesterweihe in Altötting
                                                                                                                                                                                                        akademisches
                               18 „Jesu Kreuz - unser Buch“                                                                                     48 Abenteuer Amazonas
                               		 200 Jahre - Bruder Konrad Jubiläum                                                                            		Mehr als 1000 Kilometer auf dem Fluss               60 	Menschsein – Pilgersein
                                                                                                                                                                                                             Gedanken zur Noviziatsausbildung
                               22 Der Kardinal in Kapuzinerkutte                                                                                54 	Brüderlicher Austausch
                                                                                                                                                		 Internationales Treffen der Brüder Junioren in Rom   66 Brücken statt Mauern
                                                                                      TitelFoto: Lêmrich; FotoS: OFMCap.org, Lêmrich, I-stock

                               		Interview mit Kardinal Seán Patrick O‘Malley
                                                                                                                                                                                                        		 Wie Franz von Assisi Mission
                               24 Mauern gebaut – Tore aufgerissen                                                                                                                                      		 und Dialog versteht
                               		 Der Klostergarten in Münster ist offen für alle
                                                                                                                                                                                                        70 	Geteilte Geschichte
                                                                                                                                                Rubriken
                               28 Ein „Tante-Emma-Laden“ auf Rädern                                                                                                                                     		Über ein Buchprojekt
                               		 Ein neues Projekt in Albanien
                                                                                                                                                21   Buchtipp                                           74 	„Wir packen‘s!“
                               30 Es werde Licht                                                                                                37   Publikationen                                      		Zum Stand der Hochschule
                               		 Eine Performance in Liebfrauen Frankfurt                                                                      39   Augenblick                                         		 der Orden in Berlin
                                                                                                                                                59   Publikationen
                                                                                                                                                                                                        76 	IUNCTUS
                               32 „Mehr als du siehst“
                               		Kirchensanierung in Liebfrauen Frankfurt                                                                      65   Augenblick                                            Veranstaltungen zu Führen
                                                                                                                                                72   Bildmeditation                                     		 und Leiten, zur Christlichen
                               36 Dachsanierung mit Wetterhahn gekrönt                                                                          86   Unsere Verstorbenen                                		 Spiritualität und zum Phänomen
                                  Der Dachreiter der Kapuzinerkirche                                                                                                                                    		 der Geistlichen Trockenheit
                                                                                                                                                91   Augenblick
                               		 in Werne strahlt wieder
                                                                                                                                                92   Termine und Angebote 2019                          84 	Die Wahrheit liegt im Archiv
                               38 Prag im Zeichen der Klarissen-Kapuzinerinnen                                                                  94   Augenblick                                         		 Treffen des Freundeskreises
                               		 Arbeit an den neuen Konstitutionen                                                                            95   Adressen/ Impressum                                		Kapuzinergeschichte

 4   Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                              5
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Vorwort

                                                                    Liebe Leserinnen,
                                                                    liebe Leser!
                                                                    Die Welt ist um Umbruch. Das gilt     Wegen zu gehen, sich
                                                                    auch für die Kirche und nicht zu-     von der Kreativität so
                                                                    letzt für unseren Orden. Das einzig   vieler Menschen inspi-
                                                                    Beständige scheint die Verände-       rieren zu lassen. Dazu
                                                                    rung zu sein. Aber ist die Wand-      ist allerdings vor allem
                                                                    lung nicht ein Grundprinzip unse-     eines notwendig: Of-
                                                                    res Glaubens? Und ist daher das       fenheit und Bereit-
                                                                    Leben nicht ohnehin eine stete        schaft, sich auf den
                                                                    Baustelle?                            und auf das Fremde
                                                                    Das Gerüst auf der Vorderseite un-    einzulassen. In unserer
                                                                    seres Jahreshefts zeigt daher nicht   Jahresschrift ist von so
                                                                    nur eine Szene aus der Renovie-       manchen Umbrüchen
                                                                    rung unserer Liebfrauenkirche in      die Rede, aber auch
                                                                    Frankfurt am Main. Es steht auch      von Jubiläen und Ereignisse, welche die Jahre 2018 und    Br. Thomas
                                                                    symbolisch für das, was wir Kapu-     2019 geprägt haben und prägen werden. Und nicht zu        Dienberg (li.),
                            Fotos: Thomas Dienberg, Kiên Hoàng Lê   ziner in Deutschland und weltweit     vergessen: Im Jahr 2019 erinnern wir uns an die Begeg-    Br. Christophorus
                                                                    erleben. Wir müssen vieles „um-       nung von Franziskus mit dem Sultan im Jahr 1219 – eine    Goedereis
                                                                    bauen“ – im eigentlichen wie im       Begegnung, die uns in multikulturellen Zeiten neu
                                                                    übertragenen Sinne. Manches           zum Dialog der Weltreligionen herausfordert.
                                                                    muss gestützt werden, ist aber re-    Wir hoffen, dass die vielfältigen Beiträge zum einen
                                                                    novierbar, anderes hingegen muss      etwas von der Bereitschaft der Brüder zeigten, sich
                                                                    abgerissen und neugebaut oder so-     auf Neues und Unverhofftes einzulassen–gleichzeitig
                                                                    gar aufgegeben werden.                aber auch Sie, liebe Leserin und lieber Leser, ein
                                                                    Wir leben in herausfordernden Zei-    wenig inspirieren.
                                                                    ten, die aber auch viele Chancen in   Wir danken Ihnen allen für Ihr Interesse und Ihre Treue
                                                                    sich bergen: nämlich Dinge ganz       – und wünschen Ihnen von Herzen in diesen Zeiten des
                                                                    neu zu denken, auf ungewohnten        Umbruchs Offenheit und spirituelle Gelassenheit.

                                                                                                                     Br. Thomas Dienberg           Br. Christophorus Goedereis

6   Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                               7
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Aus der Provinz

    Eindrücke vom Katholikentag 2018 in Münster

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        Frieden                                                  Viele Kapuziner waren auf dem
                                                                 Katholikentag in ganz unterschied-
                                                                 lichen Funktionen. Drei Brüder
                                                                 berichten über ihre Erlebnisse
                                                                 und Erfahrungen.

                                                                                                                                                                                                                                          Oben: immer wieder
                                                                                                                                                                                                                                          kamen Menschen und such-
                                                                                                                                                                                                                                          ten den Austausch und das
                                                                                                                                                                                                                                          persönliche Gespräch
                                                                                                                                                                                                                                          Links: Br. Stephan J. M.
                                                                                                                                                                                                                                          an der Promenade, wo es
                                                                                                                                                                                                                                          Gelegenheit zum Gespräch
                                                                                                                                                                                                                                          und zur Beichte gab

    Oben: Das Kloster ganz im Zeichen
    des Katholikentags
    Rechts: Die Brüder Michael und Stefan mit
                                                                                                                                                                           Nebenan und doch dabei?...                                Kurz Ärger. Dann die Entscheidung: Wir laden die Teil-
    fröhlichen Katholiken auf dem Prinzipalmarkt
                                                                                                                                                                           von Br. Harald Weber                                      nehmer „aus Anlass des Katholikentages“ in unseren
                                                                                                                             Alle Fotos: Berufungspastoral der Kapuziner

                                                                                                                                                                           Ich bin nicht mehr vom Konzept des Katholikentages        Garten und unser Kloster ein, gestalten einen Kontra-
    Von Thomas Dienberg                                                                                                                                                    überzeugt. Früher musste ich unbedingt dabei sein.        punkt, einen Bereich, wo es ruhiger, familiärer zugeht.
                                                                                                                                                                           Heute schreckt mich einiges von dem, was mich vor         Ich war von Mittwoch bis Sonntag nicht einmal in der
    8 „Suche Frieden“ – so lautete das Motto des Katholi-        treten, andere beteiligten sich intensiv in der Gespräch-                                                 10 Jahren noch angezogen hat, eher ab: Muss ich mit-      Stadt, beim Dom oder auf dem Schlossplatz. Drei Tage
    kentags in Münster. Es war für alle ein schönes und          und Beichtseelsorge. Die PTH und auch der Klostergar-                                                     ten unter Tausenden von Menschen in einem Event-          Gartencafé, franziskanische Gebetszeiten und Gottes-
    wirklich friedvolles Fest. Münster zeigte sich von seiner    ten hatten je einen eigenen Stand auf der Kirchenmeile,                                                   Gottesdienst stehen, womöglich im Regen? Dreht sich       dienste in der Klosterkirche, Garten- und Hausfüh-
    besten Seite. Die Veranstaltungen waren mehr als gut         wo auch verschiedene Brüder ihren Dienst versahen. So                                                     die Kirche nicht immer um dieselben Themen und            rungen, Abendgebet mit dem Sonnengesang durch
    besucht, und auch die Kirchenmeile vor dem Schloss           manch ein Bruder war aber auch einfach im Kloster ge-                                                     kommt nicht weiter? Was strahlt davon wirklich in         den Klostergarten. Gemeinsam vorbereitet und ange-
    erfreute sich großer Beliebtheit. Die Frage ist natürlich,   blieben, denn auch dort gab es das Angebot für die vie-                                                   unsere Gesellschaft aus? Ist das nicht ein überdimen-     boten von Kapuzinern und Franziskanerinnen aus
    was von all dem bleibt und wie es weitergehen wird.          len Besucher, einfach einmal innezuhalten und Atem zu                                                     sionaler Aufwand, kurz nach dem Abschlussgottes-          Sießen, Reute und Münster. Persönliche Begegnungen
    ‚Suche Frieden’ bleibt ein sehr aktuelles Motto.             holen. Der Garten und ein kleines Café, Gebetszeiten                                                      dienst schon wieder vergessen?                            und Gespräche bei Kaffee und Kuchen. Menschen, die
      Viele Brüder hatten sich für den Katholikentag ange-       und Gartenführungen luden dazu ein.                                                                         Aber: „Der Katholikentag kommt zu uns nach Müns-        sagten: „Gut, hier ist es mal nicht so rummelig.“ Be-
    meldet und waren in verschiedenster Weise mit beteiligt.        So hat jeder‚ seinen Katholikentag erlebt. Davon ist                                                   ter, also müssen wir dabei sein.“ Dann: „Das Kapuzi-      gegnungen mit den vielen Übernachtungsgästen in
    Einige waren auf Foren und Podiumsdiskussionen ver-          im folgenden die Rede.                                                                                    nerkloster liegt außerhalb des Veranstaltungsbereichs.“   unserem Kloster. Schön war es.                          4

8     Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                                                  9
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Aus der Provinz

                                                                                                                                                                             Links: Br. Pascal Mettler
                                                                                                                                                                             aus Salzburg bei der notwendigen
                                                                                                                                                                             Pflicht des Gläserspülens

                                                                                                                                                                                                                                     Oben: Und immer wieder
                                                                                                                                                                                                                                     Brüder und Schwestern auf
                                                                                                                                                                                                                                     dem Prinzipalmarkt
     Links: Br. Thomas M. Schied,
                                                                                                                                                                                                                                     Links: Br. Christian seilt sich vom
     Br. Stefan M. Huppertz und Br. Ste-
                                                                                                                                                                                                                                     dritten Stock des Klosters ab
     phan J. M. Schweitzer waren jeden
     Tag an der Promenade zu finden
     Rechts: Auf den Spuren des Sonnen-
     gesangs im Klostergarten

     Zelt der Ruhe                                           Beichtgespräch oder kamen bei uns vorbei, um sich                                                   bzw. Garten in der Kapuzinerstraße besuchen.           der Hilfe der Alexianer betreut. Außerdem weißt du
     von Br. Thomas M. Schied                                segnen zu lassen. Besonders berührt hat mich der                                                    An unserem „grünen“ Infostand haben wir dir un-        jetzt, dasst unser Garten nicht nur zum Katholiken-
     Suche Frieden – unter diesem Motto fand der Katho-      Vertrauensvorschuss, mit dem die Menschen auf uns                                                   sere Gemeinschaft im Allgemeinen und unseren           tag, sondern jeden Tag für Besucher geöffnet ist.
     likentag 2018 in Münster statt. Schon früh war klar,    zugegangen sind. Es war ja das erste Mal, dass ich nach                                             Konvent und Garten in Münster vorgestellt. Viele          Wie gesagt, war ich zur Aushilfe im Garten-Café
     dass wir Kapuzinerbrüder nicht nur als Besucher da-     meiner Priesterweihe auch für Beichtgespräche zur                                                   Brüder, aus Münster und aus der gesamten Provinz,      nach Münster gekommen. Jeden Tag war ich für drei
     bei sein wollen, sondern dass wir bei diesem „Heim-     Verfügung stehen konnte. Ich hatte und habe großen                                                  haben sich deinen Fragen gestellt und über sich und    bis vier Stunden im Garten und habe Getränke aus-
     spiel“ Präsenz zeigen und an verschiedenen Stellen      Respekt vor dieser Aufgabe. Deshalb war es für mich                                                 ihre Brüder Auskunft gegeben. Zusammen mit mei-        geschenkt.
     ansprechbar sein müssen. Im Fokus standen bei mir       schon etwas sehr Besonderes, dass ich auf dem Katholi-                                              nen Mitnovizen Br. Pascal und Br. Julian bin ich von      In dieser Zeit haben sich viele gute Gespräche über -
     vor allem das Kloster als Ort der Begegnung, der        kentag ganz behutsam an diese Aufgabe herangeführt                                                  Salzburg nach Münster gekommen, um im „Garten          wie wie man so schön sagt - „Gott und die Welt“ ergeben.
                                                                                                                       Fotos: Berufungspastoral der Kapuziner,

     Stand auf der Katholikentagsmeile und unser Ge-         wurde und erste Erfahrungen sammeln konnte.                                                         Café“ auszuhelfen.                                     Neben meiner Tätigkeit im Café konnte ich auch ei-
     sprächsangebot „Was dir auf dem Herzen liegt“.            Auch wenn der Katholikentag ein Großevent mit                                                       Denn abseits von aller Kirchentagsumtriebigkeit      nige Zeit in der Innenstadt von Münster und auf dem
        Münster war für mich nicht der erste Katholiken-     viel Trubel war – rückblickend sind es für mich vor                                                 konntest du es dir in unserem Klostergarten gutge-     Schlossplatz verbringen. Also im Herzen des Katho-
                                                                                                                       Bernd Beermann, Thomas Dienberg

     tag. Neu war aber, dass ich mich als Kapuziner und      allem die Begegnungen in unserem kleinen Zelt am                                                    hen lassen. Gemeinsam mit unseren franziskani-         likentages. Auch hier habe ich viele gute Begegnungen
     Priester aktiv einbringen konnte. Vor allem die Vier-   Rand der Promenade, die jetzt noch nachklingen.                                                     schen Schwestern aus Sießen und Reute und vielen       gehabt und spannende Gespräche geführt.
     Augen-Gespräche im Jugendzentrum an der Prome-                                                                                                              Helfern aus dem Konvent in Münster haben wir dir          Besonders habe ich mich darüber gefreut, Brüder
     nade haben mich sehr beeindruckt. Es war unser An-                                                                                                          die Möglichkeit geboten, dich bei Kaffee und Kuchen    und Schwestern aus verschiedensten Orden zu tref-
     liegen, in einem kleinen „Zelt der Ruhe“, ganz          Ort der Begegnung                                                                                   zu entspannen.                                         fen und mit vielen meiner Mitbrüder eine tolle Zeit
     unspektakulär zuzuhören und da zu sein. Das Ange-       von Br. Christian Böing                                                                               Wenn du an den Führungen durch unseren Klos-         zu verbringen. Alles in allem war der Katholikentag
     bot wurde gut angenommen. Einige Gäste wollten          In diesem Jahr war Münster Schauplatz des Katholi-                                                  tergarten teilgenommen hast, konntest du bestimmt      für mich sehr interessant.
     einfach mal über ein Lebensthema reden, andere          kentages, und wir Kapuziner waren mit dabei. Vom                                                    viel Neues erfahren.                                      Mein persönliches Highlight jedoch war die Mög-
     hatten Fragen zu ihrem Glauben mitgebracht, wieder      9. bis zum 13. Mai konntest du uns an unserem Stand                                                   Zum Beispiel, dass unsere Gemeinschaft den Gar-      lichkeit, mich im Rahmen des Abendgebetes aus dem
     andere nutzten gezielt die Möglichkeit zu einem         auf der Kirchentagsmeile und in unserem Konvent                                                     ten zusammen mit vielen fleißigen Menschen und         dritten Stock des Kapuzinerklosters abzuseilen.

10    Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                                        11
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Aus der Provinz

                                           Katholikentag: Einfach nur zuhören

                                                      Der
                                   Einzelne
                                    im Fokus                                                                                                                                                Br. Stefan im Gespräch mit
                                                                                                                                                                                            einem Katholikentagsbesucher

                                    Am Rande des pulsierenden Katholikentages steht ein
                                    Zelt der Ruhe. Bruder Stefan und seine Mitbrüder hören
                                    hier zu, kommen über den Glauben ins Gespräch, segnen                                                                                                                    Abseits des Trubels gab es viele
                                    und nehmen die Beichte ab. Ein Kontrastprogramm.                                                                                                                         Ecken der Besinnung und Einkehr

     Von Melanie Trimborn

     8 Geistliche Musik hallt über Verstärker durch die      mals noch in Leipzig. „Das ist sozusagen das Kont-                                                                             Entscheidungen, die schwer fallen                        dass man am Ende des Tages innehält, schaut, was war,
     Straßen in Münster. Überall sind Menschen unter-        rastangebot zu dem Trubel und den großen                                                                                       Der Theologe und Wissenschaftler Bruder Stefan fin-      und das ins Gebet bringt“, erklärt er.
     wegs, so dass sogar die sonst so routinierten Münste-   Veranstaltungen“, sagt er. Schon damals haben die                                                                              det es wichtig, als Seelsorger aufmerksam zuzuhören,       Keine Spickzettel hat der Bruder allerdings, wenn es
     raner Fahrradfahrer ins Straucheln geraten. 70.000      Besucher die Möglichkeit angenommen, erinnert er                                                                               damit sich das Gegenüber ernst genommen fühle. „Zu-      um das Thema Zweifel im Glauben geht. Denn auch sie
     Menschen besuchen die Stadt zum Katholikentag.          sich. Ein Grund, dies auch in der eigenen Stadt anzu-                                                                          dem macht Erzählen glücklich“, sagt er. Es gehe ihm      werden angesprochen. Auch darin sieht der Bruder
                                                                                                                                                   „Erstveröffentlichung bei DOMRADIO.DE“

     Das sind mehr als in das Rheinenergiestadion in         bieten.                                                                                                                        nicht darum Ratschläge zu geben. Seine Erfahrung         eine Natürlichkeit des Glaubens. „Glaube ohne Zweifel
     Köln passen würden. Es ist voll, es ist Party-Stim-       „Katholik zu sein ist etwas sehr Individuelles“, be-                                                                         zeigt ihm, gerade in Entscheidungssituationen gäbe es    kann sich auch nicht weiterentwickeln.“ Im Gegenteil.
     mung, und es ist laut.                                  gründet er das Gegenangebot. Jeder habe seinen ganz                                                                            meist schon eine Tendenz. Junge Erwachsene kommen        Habe man einen felsenfesten Glauben, sei man auch
       Dagegen wirkt der Stand der Kapuziner wie eine        eigenen Zugang zu Gott und zur Kirche. „Das muss                                                                               zu ihm und suchen nach Rat. Ziehe ich etwa für das       sehr abgeschottet und merke gar nicht, wenn Gott ins
     Oase. Etwas am Rande des Geschehens steht das           auch besprochen und reflektiert werden.“ Bruder Ste-                                                                           Studium bei den Eltern aus oder bleibe ich? Dabei        Leben hineinspiele. „Auch ich als Ordensmann kenne
                                                                                                                         Fotos: Melanie Trimborn

     schlichte Zelt. Bruder Stefan sitzt auf einem Holz-     fan hält Predigten als einziges Impulsangebot für zu                                                                           wüssten sie das selber sehr genau. „Das merken sie       Zweifel.“ Er lege dann nahe, dass man den Horizont da-
     stühlchen. Eine Kerze brennt, während er mit sei-       einseitig. „So eine Predigt richtet sich an alle. Und das                                                                      dann im Gespräch.“                                       für öffne, was Glaube eigentlich bedeutet. „Gott spricht
     nem Gegenüber spricht. In Ruhe.                         kann wiederum nie genau auf die Lebenssituation je-                                                                              Ratschläge gibt der 37-Jährige nur beim Beten. Viele   nicht nur über die Bibel oder den Gottesdienst zu uns.
                                                             des einzelnen zutreffen und passen.“ Wenn man noch                                                                             Jugendliche kämen mit der Frage zu ihm, wie man bete.    Ich bin der festen Überzeugung, dass ich Gott auch
     Idee für den Katholikentag Leipzig                      so toll predige, dann bleibe das immer allgemein. Da-                                                                          Seit Kindertagen hätten sie das nicht mehr gemacht.      dann erlebe, wenn ich an meine Grenzen komme.“
     Er hatte schon vor zwei Jahren die Idee, Vier-Augen-    gegen sei im Einzelgespräch die konkrete Person mit                                                                            Dafür ist der Kapuziner bereits gewappnet. Auf Lese-     www.domradio.de/video/ein-zelt-der-ruhe-auf-
     Gespräche auf dem Katholikentag anzubieten. Da-         ihrer Geschichte und der aktuellen Situation im Fokus.                                                                         zeichen sind kleine Tipps gedruckt. „Da steht drauf,     dem-katholikentag

12     Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                                                                    13
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Aus der Provinz

     85. Generalkapitel der Kapuziner

                  Neuer
     Generalminister
       der
     Kapuziner
     Das 85. Generalkapitel
     wählte einen Nachfolger
     für den Schweizer Mauro
     Jöhri, der das Amt des
     Generalministers zwölf
     Jahre lang bekleidet hatte.

     Von Br. Christophorus Goedereis

     8 Der Venezianer Roberto Genuin ist neuer Gene-
     ralminister der Kapuziner. Am 3. September 2018
     wurde er im ersten Wahlgang durch das Generalka-
     pitel gewählt. Dieses tagte mit knapp 188 Delegierten
     aus 110 Ländern drei Wochen lang im Internationa-
     len Studienhaus des Ordens in Rom. Fra Roberto ist
     der 73. Generalminister des Kapuzinerordens und
     wurde für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt.
     Er folgt auf den Schweizer Mauro Jöhri, der nach
     zwölf Jahren an der Spitze des Ordens nicht mehr zur
     Wahl stand.
       Roberto Genuin wurde 1961 in der norditalieni-
     schen Gemeinde Falcade geboren. 1980 legte er seine                                                                                          v.l.n.r.: Victorius Dwiardy, geb. 1968, Provinz Pontianak, Indonesien, Kilian Ngitir, geb. 1967, Provinzkustodie
     zeitlichen Gelübde ab. Fünf Jahre später folgte die     der erste Provinzialminister der neuen Provinz vom                                   Kamerun, Francesco Neri, geb. 1959, Provinz Apulien, Italien, Celestino Arias, geb. 1968, Provinz St. Mary, New
     Ewige Profess. 1987 wurde Genuin in seiner Heimat-      Heiligen Kreuz in Venedig.                                                           York und New England, USA, José Angel Torres Rivera (Generalvikar), geb. 1972, Kustodie Puerto Rico,
                                                                                                                         Alle Fotos: OFMCap.org

                                                                                                                                                  Roberto Genuin, geb. 1961, Provinz Venedig, Italien, Johann Baptist Palliparambil, geb. 1962, Provinz St. Fran-
     pfarrei in Falcade zum Priester geweiht. Nach Stu-        Der Kapuzinerorden hat weltweit über 10.500 Mit-
                                                                                                                                                  cis, Kerala, Indien, Piotr Stasinski, geb. 1957, Provinz Warschau, Polen, Carlos Silva, geb. 1962, Provinz São Paulo,
     dien in Rom war er von 1996 bis 2008 stellvertreten-    glieder. Die höchste Instanz ist das Generalkapitel,
                                                                                                                                                  Brasilien, Pio Murat, geb. 1959, Provinz Frankreich, Norbert Solondrazana, geb. 1968, Provinz Madagaskar
     der Direktor und Professor am Laurentianum, der         das alle sechs Jahre tagt und sich aus Vertretern aller
     Ordenshochschule in Venedig. 2008 wurde er dort         Provinzen weltweit zusammensetzt. Geleitet wird
     zum Provinzialminister gewählt und 2011 in diesem       der Orden von der Generalkurie in Rom, an deren
     Amt bestätigt. Nach einer Umgestaltung der Kapuzi-      Spitze der vom Generalkapitel gewählte Generalmi-
     ner-Provinzen in Norditalien wurde er im Jahr 2014      nister steht.                                           4

14     Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                              15
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Aus der Provinz

              Wir leben in einer Zeit
                  der großen
            Veränderungen
                                                                                                                                                                        1       2

                     auf allen Ebenen.
     Während des Generalkapitels führte Br. Christophorus Goedereis, einer der
     188 Wahlberechtigten, ein Interview mit dem neuen Generalminister.                                                                                                                    4

                                                                                                                                                                                    3
                                                                                                                       1. Der neue und der alte Generalminister: Br. Roberto Genuin und Br. Mauro Jöhri, daneben die beiden Ge-
                                                                                                                       neralräte Pio Murat und Celestino Arias, erste Reihe v.l.n.r. 2. Die Schlange war lang: 250 Kapuziner schüt-
                                                                                                                       teln Papst Franziskus die Hand. 3. Alt und neu: Stefan Kozuh (ausscheidender Generalvikar), Roberto Ge-
                                                                                                                       nuin (neuer Generalminister), Mauro Jöhri (ausscheidender Generalminister) 4. Warten auf die Papstaudienz:
                                                                                                                       Br. Christophorus Goedereis aus Deutschland mit Brüdern aus aller Welt.

     8 Lieber Roberto, wie geht es                                                das gemeinsame Fragen und            starkem Rückgang nach wie vor aktuell und lebens-        einzuarbeiten. Dann gibt es natürlich schon eine
     dir, so kurz nach deiner Wahl?                                               Ringen darüber, was das alles für    wert ist, aber wir müssen für unser Leben in der nord-   Reihe Termine, die sich automatisch in meinen Kalen-
     Ich muss ganz ehrlich sagen, dass                                            unsere heutige Zeit bedeuten         westlichen Welt neue Wege und Formen finden. Auf         der eingeschrieben haben: Besuche in Assisi und San
     es mir gut geht. Bislang habe ich                                            kann. Wir leben in einer Zeit der    der anderen Seite geht es darum, unser Leben in ganz     Giovanni Rotondo, die Treffen einzelner Konferenzen
     noch keine seelischen Veränderun-                                            großen Veränderungen auf allen       neue Kulturen und Gesellschaften in Afrika und Asien     des Ordens und so manches Provinzkapitel, dem ich
     gen festgestellt (lacht). Ein biss-                                          Ebenen. Und viele dieser Verän-      einzupflanzen. Und das alles in einer dynamischen in-    vorstehen werde.
     chen wundere ich mich selbst darüber, dass ich emoti-    derungen in Kirche und Welt fordern uns und unser        ternationalen Zusammenarbeit. Ich glaube, dass ge-       Irgendwie muss ich zwischendurch auch noch meinen
     onal so gelassen bin. Ich wusste ja – aus dem, was       franziskanisches Charisma in positiver Weise heraus.     rade dieser internationale Austausch eine große Her-     Umzug nach Rom organisieren, laufende Dinge in mei-
     vorher so gemunkelt wurde –, dass diese Aufgabe auf      Das wird in den zahlreichen Diskussionen auf dem         ausforderung, aber auch ein großer Reichtum für die      ner bisherigen Heimat abschließen und mich zuhause
     mich zukommen könnte. Eigentlich hatte ich gehofft,      Generalkapitel sehr deutlich.                            Zukunft sein kann. Eigentlich könnte die internatio-     verabschieden. Es wird circa zwei Monate dauern, bis
     weiterhin in aller Ruhe in meiner Brüdergemeinschaft                                                              nale franziskanische Ordensfamilie ein gutes Vorbild     die zehn Brüder des neuen Generalrats gemeinsam mit
     in Rovereto bleiben zu können. Aber offenbar stimmte     Was sind nach deiner Meinung die größten Her-            sein für die globalisierte Welt, die in ganz ähnlichen   mir dann wirklich alle in Rom versammelt sind, um die
     die Projektplanung des lieben Gottes nicht mit meiner    ausforderungen für unseren Orden in den kom-             Herausforderungen steht wie wir.                         Arbeit voll aufnehmen zu können.
     Projektplanung überein.                                  menden Jahren?
                                                              Eine der größten Herausforderungen ist der radikale      Hast du vor irgendetwas Angst?                           Hast du dir irgendetwas im Besonderen vorge-
     Wie hast du das 85. Generalkapitel des Kapuzi-           zahlenmäßige Rückgang an Berufungen und Ordens-          Nein, solange wir in Freude unsere Berufung leben,       nommen?
     nerordens erlebt?                                        mitgliedern in der nordwestlichen Hemisphäre der         nicht.                                                   Ich habe die Absicht, so nach und nach alle Brüder auf
     Ich war ja schon auf einigen Generalkapiteln als Teil-   Welt, also vor allem in Nordwesteuropa, in den USA                                                                der ganzen Welt zu besuchen. Einladungen habe ich
     nehmer dabei. Dieses Kapitel zeichnet sich für mich      und in Kanada – sowie das rasant schnelle Wachstum       Worauf freust du dich am meisten?                        in diesen Tagen schon viele erhalten (lacht). Aber das
     durch eine sehr lebendige und aktive Teilnahme           des Ordens in Afrika und Asien. Auf der einen Seite      Die Vielfalt unseres Lebens weltweit kennenzulernen.     wird natürlich Zeit brauchen. Und irgendwann
     wirklich aller Brüder aus allen Nationen und Kultu-      müssen wir verhindern, dass die Institutionen, Klöster                                                            komme ich dann natürlich auch nach Deutschland.
     ren aus. Prinzipiell kennen wir ja alle die wesentli-    und Niederlassungen des Ordens in den „alten“ Län-       Wie sehen deine nächsten Wochen nach dem Ge-
     chen Grundlagen unseres Lebens: die Regel des hl.        dern zu Hindernissen werden, weil sie einfach zu viel    neralkapitel aus?                                        Noch ein Satz zum Schluss?
     Franziskus, die Satzungen unseres Ordens usw. Aber       Kraft und Energie binden - denn ich glaube, dass un-     Die nächsten Wochen werde ich damit beschäftigt          Leben wir entschieden und in Freude unsere Beru-
     ich erlebe auf diesem Generalkapitel sehr intensiv       ser Charisma auch in den Ländern mit zahlenmäßig         sein, mich in das Geschäft der Generalkurie in Rom       fung. Sie ist unser größtes Geschenk.

16    Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                              17
Jahresschrift 2018.2019 - Berichte . Ereignisse . Fakten - Deutsche Kapuzinerprovinz
Aus der Provinz
                                                                                                                                                                                                                                   Jubiläum             Aus der Provinz

     200 Jahre Bruder Konrad

                                 Jesu
                                                                                                                                                                               2                                     3      4

                                                                                                                                                                               1      5

                                    Kreuz
                                 unser
     Bruder Konrad von Parzham
     200 Jahre unter unS ­–
     Altötting feiert den heiligen
     Kapuziner und Klosterpfört-
     ner mit einem Jubiläumsjahr
                                    Buch                                                                                                                  1. Kapuzinerkardinal
                                                                                                                                                          Seán Patrick O’Malley
                                                                                                                                                          aus Boston als Gast in
                                                                                                                                                          Altötting 2. Altarweihe
                                                                                                                                                          in der neugestalteten
                                                                                                                                                          Bruder-Konrad-Kirche 3. Br. Stefan Walser segnet mit der Bruder-Konrad-Reliquie 4. Das neue Grabmal
                                                                                                                                                          des Heiligen. In der Silberfigur ruhen die Reliquien 5. Die erste Eucharistiefeier auf dem neu geweihten Al-
                                                                                                                                                          tar mit dem Passauer Bischof Dr. Stefan Oster SDB.

     von Br. Norbert Schlenker

     8 Das Wallfahrtsmotto unseres Gnadenortes im Jahr         radkloster, in der Vorhalle des Romanischen Portals                                        nur neun Monaten renovierte und neugestalteten            men dann am Montag noch eine Wallfahrt zu den
     2018 lautete: „Jesu Kreuz – unser Buch!“ und ver-         der Stiftspfarrkirche und im Wallfahrtsmuseum der                                          Klosterkirche findet bei Wallfahrern und Besuchern        Stätten ihres heiligen Mitbruders und besuchten auch
     wies auf die Feier des 200. Geburtstages des heiligen     Bischöflichen Administration wird von zahlreichen                                          große Anerkennung.                                        das Geburtshaus und die Taufkirche von Papst em. Be-
     Kapuzinerbruders Konrad von Parzham, der 41 Jahre         Besuchern gelobt. Der im Marienwerk regelmäßig ge-                                           Zahlreiche Gäste waren der Einladung zum Bruder-        nedikt XVI. in Marktl.
     in Altötting als Klosterpförtner gelebt und gewirkt       zeigte Bruder-Konrad-Film und die von den Stadtfüh-                                        Konrad-Fest gefolgt, unter ihnen auch rund 30 Kapu-         Eine Woche später hatten wir wieder hohen Besuch.
     hat. Er ist auch der dritte Patron unseres Bistums Pas-   rern des Wallfahrts- und Verkehrsbüros angebotenen                                         ziner aus den nordwesteuropäischen Kapuzinerpro-          Der weltweit einzige Kapuzinerkardinal Erzbischof
     sau und Mitpatron der Deutschen Kapuzinerprovinz.         Sonderführungen erfreuen sich regen Zuspruchs.                                             vinzen und der Generalminister des Ordens Br. Mauro       Seán Patrick O’Malley aus Boston, der auch dem engs-
     Auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Gre-          Thema war Bruder Konrad auch beim Eucharisti-                                            Jöhri und der Generalrat Br. Pio Murat, beide aus         ten Beratergremium von Papst Franziskus angehört,
     mien wurde vieles für dieses Jubiläum vorbereitet,        schen Stundengebet in St. Magdalena und in den                                             Rom. Br. Mauro war dann auch Hauptzelebrant und           weihte den Kapuzinerdiakon Br. Thomas Maria Schied
     und alle Beteiligten können inzwischen in Dankbar-        Fastenpredigten der Pfarrei und bei der großen Pas-                                        Festprediger in den beiden Gottesdiensten am Bru-         zum Priester und eröffnete tags darauf, am 1. Mai, die
                                                                                                                       Fotos: R. Dorfner, Georg Greimel

     keit und Freude feststellen, dass die erste Hälfte des    sauer Jugendwallfahrt nach Altötting, die dieses Jahr                                      der-Konrad-Fest. Am Nachmittag fand der diözesane         Hauptwallfahrtssaison mit einem Festgottesdienst,
     Jahres mit vielen gelungenen Ereignissen und Höhe-        sinnentsprechend einen „Umweg“ über Parzham im                                             Gebetstag um geistliche Berufe ebenfalls in Altötting     beides in der Basilika. In seinen beiden Predigten in
     punkten ausgefüllt war.                                   Programm hatte. Auch die Altöttinger Pfarrwallfahrt                                        statt mit einem Stationenweg vom Panorama über die        fehlerfreiem Deutsch präsentierte er tiefgründige und
       Das vom Autor, dem Schweizer Kapuzinerbruder            hatte Passau und Parzham als Ziel.                                                         Gnadenkapelle und den Bruder-Konrad-Brunnen in            ansprechende Gedanken zum priesterlichen Dienst
     Dr. Niklaus Kuster, neu geschriebene und Ende Januar        Ein ganz dichtes Programm hatten wir dann am                                             die Basilika St. Anna. Sie wurde von Bischof Stefan be-   der Kapuziner und zur Bedeutung Mariens bei der
     in der Stiftspfarrkirche vorgestellte Bruder-Konrad-      Bruder-Konrad-Fest am 21./22. April mit der Wie-                                           gleitet, der dann mit den Gläubigen in der Basilika       Hochzeit zu Kana. Der Neupriester Br. Thomas macht
     Büchlein „Konrad von Parzham – Menschenfreund             deröffnung der Bruder-Konrad-Kirche mit Weihe                                              eine Pontifikalvesper feierte. Der Sonntag klang in der   zurzeit sein Pastoralpraktikum an der Augsburger
     und Gottesmann“ hat inzwischen in einer Rekordzeit        des neuen Altares und Segnung des neuen Ambos                                              neueröffneten Grabeskirche unseres Stadtheiligen mit      Moritzkirche und wird im Herbst seinen Dienst als
     seine dritte Auflage erreicht. Die von Br. Georg Grei-    und Tabernakels durch unseren Diözesanbischof Dr.                                          der Uraufführung der neu komponierten „Bruder-            Kaplan in den Kapuzinerpfarreien der Münchener
     mel konzipierte dreiteilige Sonderausstellung im Kon-     Stefan Oster SDB. Die in der recht kurzen Zeit von                                         Konrad-Kantate“ aus. Die Kapuzinergäste unternah-         Isarvorstadt beginnen.                                 4

18     Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                               19
Aus der Provinz
                                                                      Jubiläum                                                                                                                            Buchtipp
                                                                                                                            Peter Härtling:
                                                                                                                            Der Gedankenspieler
                                                                werden sie nächstes Jahr während der Karwoche in
                                                                den Hauptaltar unserer Kathedrale einsetzen, wenn
                                                                die Renovierungen dort beendet sein werden.“
                                                                   Am Sonntag, 17. Juni, kam in der Basilika das Bru-       von Br. Thomas Dienberg
                                                                der-Konrad-Spiel „Gespräch mit einem Fremden“
                                                                mit der Theatergruppe Halsbach zur Aufführung,              „Die Summa Summarum des Alters           Das war ein einfacher, aber ihm
                                                                das die Bedeutung des Kapuzinerpförtners auch in            ist eigentlich niemals erquicklich“,     nicht angenehmer Satz. Oder sollte
                                                                die Gegenwart übersetzt.                                    so lautet die erste Überschrift in Pe-   er denken: Ich fürchte mich vor
     Brüder tragen die Reliquien des Br. Konrad in einer
                                                                   Am eigentlichen 200. Geburts- und Tauftag des            ter Härtlings letztem Roman. Als er      Gemeinsamkeit und ziehe Einsam-
     Prozession zum Weltgebetstag für geistliche Berufe
                                                                Heiligen, am Samstag, den 22. Dezember wird es              diesen Roman verfasste, war er           keit vor.“ Doch treibt es ihn immer
                                                                nochmals um 10 Uhr einen Festgottesdienst in der            schwer krank, musste über zwei           wieder zurück in die Einsamkeit
       Vor kurzem erreichte uns eine Mail des Kardinals,        Konradkirche geben und abends eine Fackelwande-             Jahre mehrmals die Woche zur Dia-        seines Lebens. Er muss sich einer
     in der er u.a. schrieb: „Es war mir eine große Freude      rung von seinem Geburtshaus in Parzham zur Wall-            lyse. Er erlebte die Veröffentlichung    qualvollen Entgiftung unterziehen.
     und ein besonderes Privileg, die Priesterweihe unseres     fahrtskirche St. Wolfgang bei Weng, in der der kleine       nicht mehr. Auch der Architekt           „Als Urämie wurde sein Zustand
     Bruders Thomas zu zelebrieren und die Messe zur Er-        Hansl Birndorfer wenige Stunden nach seiner Ge-             Herr Wenger, die Hauptperson im          bezeichnet. Sterben im Konjunktiv.
     öffnung der Hauptwallfahrtssaison und zum Fest der         burt das Taufsakrament empfing.                             Roman, ist schwer krank. Er ist ein-     In seinen Tagschlaf drangen Sätze
     Patrona Bavariae zu feiern. Es hat mich sehr bewegt,          Bruder Konrad wird uns nicht loslassen – und das         sam, und in seiner Einsamkeit ver-       als falsche Medizin: Er ist halt alt.“
     dass ich die heilige Messe in Sankt Konrads Sterbe-        ist gut so. Bereits nächstes Jahr gibt es wieder einen      fasst er zwölf Briefe an Personen der    Die Blutwäsche nimmt ihn mit. Er
     zimmer feiern konnte, und ich bin begeistert über die      bedeutsamen Gedenktag: seinen 125. Todestag am              Geschichte und Gegenwart, die            erkennt für sich, dass sein Leben
     Reliquie von Sankt Konrad, die ich erhalten habe. Wir      21. April.                                                  meisten nur in Gedanken. Seine           gut war– und schließt mit diesem         Peter Härtling
                                                                                                                            Einsamkeit wird durch Karola so-         ab. Die letzten Worte an seinen          Der Gedankenspieler
                                                                                                                                                                                                              Verlag: Kiepenheuer&Witsch
                                                                                                                            wie deren vorlaute Tochter Katha-        Freund und Arzt Mailänder lauten:
                                                                                                                                                                                                              Köln 2018
                                                                                                                            rina aufgebrochen. Mehr und mehr         „Ich bin im genauen Sinne des
     Konrad von Parzham:
                                                                                                                                                                                                              Seitenzahl: 240
                                                                                                                            erlebt er sich in seinen Schmerzen       Worts ‚hinfällig’. (...) Die Müdig-      ISBN 978-3-462-05177-3
                                                                                                                            als Gefangener seiner selbst und         keit frisst meine Zuversicht. (...)
     Menschenfreund und Gottesmann                                                                                          wird immer hilfloser. „Wann immer
                                                                                                                            er mit dem Waschlappen traktiert
                                                                                                                                                                     Und drehte sich mit dem Gesicht
                                                                                                                                                                     zur Wand (...). Umarme, lieber
     von Br. Christophorus Goedereis
                                                                                                                            wurde, am Bauch, am Rücken, an           Mailänder, Deine beiden Damen,
                                                                                                                            den Beinen, im ‚Intimbereich’, ver-      und sei selbst von Herzen gegrüßt
     Anlässlich des 200. Geburtstags des hl. Bruder Kon-        und die Zeit des hl. Bruder Konrad. Kuster, bekannt für     lor er sich als Subjekt, wurde zum       und bedankt, denn ich ver-
     rad schrieb Niklaus Kuster OFMCap ein neues Bru-           eine zeitgemäße Deutung der franziskanischen Spirituali-    Objekt, ein Gegenstand, der gesäu-       schwinde nun aus meiner, aus un-
     der-Konrad-Buch.                                           tät, gelingt es auch in diesem kleinen Bändchen, eine Le-   bert wird. Dennoch bemühte er            serer Geschichte.“
       „Lieber Bruder Konrad, es sind die ersten Zeilen, die    bensgeschichte darzustellen, die spirituell in die Gegen-   sich, den Gegenstand vergessen zu          Es ist kein trauriges Buch, son-
     ich dir schreibe. Du hast deinen Geschwistern berüh-       wart hinein spricht - und die uns dazu ermutigt, auch       machen. (...) Warum, fragte er sich      dern eines, das von Veränderun-
     rende Briefe aus Altötting nach Parzham gesandt. Ich       unserem Alltag Tiefe und Weite zu geben.                    jedes Mal während der Prozedur,          gen und Einsamkeit, von Liebe,
     schreibe dir als Bruder in einer anderen Zeit. 200 Jahre                                                               der die wechselnden Pflegerinnen         Glück, Abschied und Tod spricht –
     sind seit deiner Geburt vergangen. Und heute noch be-                                                                  ihn aussetzten, warum empfinde           den wichtigen Themen des Lebens.
     wegst du Menschen, wie ein Besuch an deinem Grab                                   Niklaus Kuster                      ich keine Scham mehr? Alt und            Es macht Mut, sich dem Leben in
     zeigt. Wie kommt es, dass du als einfacher Pförtner von                            Konrad von Parzham                  nackt. Hilflos. Warum begehre ich        seiner ganzen Fülle zu stellen –
     der katholischen Kirche heiliggesprochen worden bist?                              Menschenfreund und                  nicht auf, ziehe ich mich nicht zu-      und nichts auszulassen –, um sich
     als erster Deutscher nach fast zwei Jahrhunderten?                                 Gottesmann                          sammen, wenn die über Jahrzehnte         dann aber auch zu verabschieden.
                                                                                        Verlag: topos
     dass das Kloster, in dem du gelebt hast, heute nach dir                                                                jüngere Frau ankündigt: Jetzt            Es war gut so. Ein großartiges Ver-
                                                                                        Seitenzahl: 144
     „Sankt Konrad“ benannt wird?“                                                                                          kommt der Poppes dran.“                  mächtnis des Schriftstellers Peter
                                                                                        ISBN 978-383-671-115-9
       Mit diesen Zeilen beginnt das Buch über Bruder Kon-                                                                     Die Beziehungen zu Karola und         Härtling. Ein Buch für eine Zeit,
     rad, das der Schweizer Kapuziner Niklaus Kuster ge-                                                                    ihrer Tochter lassen ihn an seiner       die vor Leid und Tod davonzuren-
     schrieben hat. Auf 144 Seiten nimmt uns der im topos                                                                   selbstgewählten Einsamkeit zwei-         nen scheint, ein Buch, geschrieben
     Verlag erschiene Band mit auf eine Reise in das Leben                                                                  feln: „Ich habe die Liebe verlernt.      für unser Jahrhundert.

20    Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                21
Aus der Provinz

                  Der
                                                                                                                                                                 Ihre Arbeit heute scheint sehr weit weg zu sein von

     Kardinal
                                                                                                                                                                 der geradezu kontemplativen Zeit im Seminar. Wie
                                                                                                                                                                 bleibt man dem kontemplativen Ideal treu, wenn
                                                                                                                                                                 man als Diözesanbischof und Kardinal wirkt?
                                                                                                                                                                 Es ist eine Herausforderung. Wir haben unsere Regel
                                                                                                                                                                 und das Beispiel unserer Brüder. Ich versuche, in en-
                                                                                                                                                                 gem Kontakt mit unseren Leuten zu bleiben. In Boston

            in Kapuzinerkutte
                                                                                                                                                                 haben wir zwei Gemeinschaften, die ich oft besuche.
                                                                                                                                                                 Und immer wenn ich in Washington bin, wo unsere Bi-
                                                                                                                                                                 schofskonferenz ihren Sitz hat und wo ich auch im
                                                                                                                                                                 Board unserer Katholischen Universität bin, wohne ich           Seán Patrick Kardinal O´Malley
                                                                                                                                                                 im Capuchin College. Das ist unser Kloster in Wa-               wurde am 29. Juni 1944 in Lakewood im Bundes-
                                                                                                                                                                 shington, wo ich zwanzig Jahre lang zuhause war. Ich            staat Ohio/USA geboren. Im Jahr 1968 legte
                                                                                                                                                                 war als Bischof den Kapuzinern eigentlich immer sehr            O’Malley als Kapuziner die ewigen Gelübde ab, zwei
     Seán Patrick O’Malley ist der einzige Kardinal im Kapuzinerorden. Anlässlich                                                                                nahe und wurde stets von ihnen unterstützt.                     Jahre später wurde er zum Priester geweiht. Er
     der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 200. Geburtstag des hl. Bruder Konrad von                                                                                                                                                  machte einen Studienabschluss in spanischer und
                                                                                                                                                                 Aber in Boston wohnen Sie allein, oder?                         portugiesischer Philologie und nutzte seine Sprach-
     Parzham besuchte der Erzbischof von Boston den Wallfahrtsort Altötting.
                                                                                                                                                                 Nein, ich lebe mit Diözesanpriestern zusammen. Ich              kenntnisse als Direktor verschiedener kirchlicher
     Benjamin Leven, Redakteur der Herder-Korrespondenz in Berlin und Rom,
                                                                                                                                                                 habe den erzbischöflichen Palast verkauft und wohne             Einrichtungen für die spanischsprechenden Gläubigen.
     führte mit dem Kapuzinerkardinal das folgende Interview.                                                                                                    zusammen mit einigen anderen Priestern im Rektorat              1984 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum
                                                                                                                                                                 der Kathedrale.                                                 Bischof-Koadjutor von Saint Thomas (Jungfernin-
                                                                                                                                                                                                                                 seln), am 2. August 1984 wurde er zum Bischof ge-
                                                                                                                                                                 Sie haben Ihre Ordensgelübde im Alter von 21                    weiht, ein Jahr später übernahm er das Bischofsamt.
     Sie haben kürzlich in Altötting einen deutschen           sorge in Gefängnissen, Krankenhäusern und so weiter.                                              Jahren abgelegt. Als so junger Mann, der so eine                Von 1992 bis 2002 stand er der Diözese Fall River
     Kapuzinerbruder zum Priester geweiht. Warum                                                                                                                 Entscheidung für sein ganzes Leben trifft, hatten               (Massachusetts) vor; im Jahr 1998 nahm er an der
     sind Sie selbst Kapuziner geworden?                       Wie denken Sie heute an Ihre Zeit in einer katho-                                                 Sie da irgendwelche Zweifel?                                    Sonderversammlung der Bischofssynode für Ozea-
     Als ich etwa 10 Jahre alt war, ging mein älterer Bruder   lischen Schule in den Fünfziger- und Sechziger-                                                   Mein Bruder hat in diesem Alter geheiratet. Es war eine         nien teil. Ein knappes Jahr war der Ordensmann
     zu Exerzitien in ein Exerzitienhaus der Kapuziner.        jahren zurück?                                                                                    andere Welt. Wenn man damals zu mir gesagt hätte: Du            Bischof von Palm Beach (Florida), ehe er am 1. Juli
     Mein Vater fuhr ihn mit dem Auto dorthin und ich          Es war in gewisser Weise eine Art Schock. Der Kapuzi-                                             darfst schon mit 15 ins Noviziat gehen, denn wäre ich           2003 zum Erzbischof von Boston berufen wurde.
     durfte mitfahren. Als wir dort ankamen, trafen wir        nerorden in den Vereinigten Staaten war damals noch                                               mit 15 gegangen. Ich hatte später auch niemals Zweifel          Dort machte er sich vor allem durch eine radikale
     diesen alten, bayrischen Bruder, der im Garten arbei-     sehr stark von Deutschen geprägt, vor allem von Brü-                                              über meine Berufung. Ich bedaure es nicht. Ich würde            Aufklärung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
     tete, und wir sprachen lange mit ihm, während mein        dern aus Bayern. So war in der Schule alles noch sehr                                             es wieder tun.                                                  und Jugendlichen in seinem Bistum einen Namen.
     Bruder in das Exerzitienhaus ging. Als wir nach Hause     deutsch. Ich wiederum kam aus einer irischen Pfarrei:                                                                                                             Am 24. März 2006 kreierte ihn Papst Benedikt XVI.
     fuhren, sagte mein Vater: Weißt Du was? Das ist der       Es forderte mich kulturell heraus. Aber das hat mir gut                                           In vielen europäischen Diözesen befindet sich die               zum Kardinal. Papst Franziskus berief ihn im April
     glücklichste Mann auf der Welt.                           getan. Denn später bekam ich viel mit Migranten zu                                                Zahl der Priesterweihen auf einem historischen                  2013 zum Mitglied des Kardinalsrats, der den Papst
                                                               tun, und so half mir meine Schulzeit, kulturelle Unter-                                           Tiefstand. Was ist da zu tun?                                   bei der Leitung der Weltkirche berät. O’Malley ist
     Warum?                                                    schiede zu erkennen und schätzen zu lernen. Insgesamt                                             Man muss die Priesterberufungen zur Priorät erklären,           Präsident der 2014 errichteten Päpstlichen Kommis-
     Er strahlte Frieden und Freude aus. Und selbst als        war es aber eine wundervolle Erfahrung. Im Seminar                                                muss auch den Gläubigen klarmachen, dass es sich um             sion für den Schutz von Minderjährigen und Mitglied
     Kind dachte ich: Er hat keine schöne Kleidung, er         waren wir Selbstversorger. Wir hatten einen Bauernhof,                                            ein Thema handelt, für das alle Verantwortung tragen.           der Kongregation für die Glaubenslehre, der Kongre-
     macht eine dumme Arbeit im Garten, er hat keine           wir hatten Tiere, ich kümmerte mich um die Bienen-                                                Die Eucharistie ist für unser Leben entscheidend. Da-           gation für den Klerus, der Kongregation für die Insti-
     schöne Ehefrau, kein schönes Haus, und doch: Er ist       körbe. Es war ein gutes Leben, ein gesundes Leben. Das                                            rum brauchen wir Priester, Männer der Eucharistie.              tute geweihten Lebens und für die Gesellschaften
     ein Mann des Friedens und der Freude. Und ich             Seminar wurde von guten Brüdern geleitet, es gab keine                                                                                                            apostolischen Lebens und des Päpstlichen Rats für
     sagte mir: Ich würde gerne auch so glücklich sein.        Ablenkungen. Es war wirklich ein Leben nach dem                                                   In Altötting wird neben der Muttergottes beson-
                                                                                                                           Foto: https://commons.wikimedia.org

                                                                                                                                                                                                                                 die Familie
                                                               Prinzip „ora et labora“. Wir erhielten eine klassische                                            ders der heilige Bruder Konrad von Parzham ver-
     Im Alter von 13 Jahren sind Sie auf das kleine Se-        Ausbildung, lernten viel Latein und Griechisch.                                                   ehrt. Was bedeutet Ihnen dieser Heilige?
     minar der Kapuziner gekommen. Da hatten Sie                                                                                                                 Für uns Kapuziner ist Konrad ein sehr wichtiger Heili-
     schon den Wunsch, Ordensmann zu werden?                   Heutzutage charakterisieren viele diese Zeit, vor                                                 ger. Auch in unserer Ordensprovinz in den Vereinigten
     Oh ja! Mich haben besonders die Missionen begeistert.     allem die katholischen Schulen damals, als auto-                                                  Staaten gibt es eine große Verehrung für den heiligen
     Ich dachte, ich würde einmal Missionar werden. Am         ritär und gewalttätig.                                                                            Konrad. Im Schreiben des Heiligen Vaters über die Hei-       größeren Gemeinschaft der Armen, der Pilger und
     nächsten bin ich diesem Plan gekommen, als ich 1984       Oh nein, nein. So war es ganz und gar nicht. Es gab na-                                           ligkeit, das vor einiger Zeit erschienen ist, ist die Rede   derjenigen, denen er mit so großer Liebe half. Letztes
     Bischof auf den Amerikanischen Jungferninseln wurde.      türlich viel Disziplin, deutsche Ordnung, aber es war                                             von der Wichtigkeit des Gebets und der Gemeinschaft.         Jahr wurde ein amerikanischer Kapuziner, Solanus Ca-
     In unserer Provinz war es damals üblich, dass ungefähr    eine sehr glückliche Zeit. Es war sehr freudvoll, und wie                                         Im Leben des heiligen Konrad zeigt sich: Er war ein          sey, seliggesprochen. Er war ein Pförtner, wie Bruder
     ein Drittel der Männer in die Missionen ging. Ein Drit-   gesagt: Auf dem Hof arbeiten, mit den Tieren, das war                                             Mann des großen Gebets, der gleichzeitig in der Ge-          Konrad. Die Kapuzinerheiligen sind immer Pförtner
     tel ging in die Pfarreien und ein Drittel machte Seel-    für mich als Stadtkind alles neu und ich liebte es.                                               meinschaft der Brüder verwurzelt war und in der              und dergleichen, niemals Kardinäle und Bischöfe.

22    Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                                               23
Aus der Provinz

                                      Kapuziner-Klostergarten Münster

                                      Mauern
                                         gebaut –
                                                                              Fotos: AlexOffice; Münster, Bernd Beermann, shutterstock
                             Tore
                                                                                                                                         von Br. Bernd Beermann

                                                                                                                                         8 Die ersten Monate waren noch von Bauarbeiten           der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW waren ge-
                                                                                                                                         geprägt. Die neue Mauer musste fertiggestellt wer-       kommen, um ihre Sicht auf den Garten beizusteuern.
     1. Mitglieder der                                                                                                                   den, und ein kleines Wasserspiel wurde installiert.        Erhaltung von Arten- und Sortenvielfalt, Bewusst-
     Partnerorganisationen                                                                                                               Das alles musste wegen der schlechten Witterung          seinsbildung für unser Verhältnis zur Natur, einge-
     im Gespräch mit der                                                                                                                 und der späten Kälte im März mit Hochdruck fertig-       bettet in eine gelebte franziskanische Spiritualität

                              aufgerissen
     Presse: v.l.n.r: Tonja                                                                                                              gestellt werden, denn in diesem Frühjahr stand die       und Tradition und kombiniert mit praktischer Integ-
     Cappiello (ITZ), Johan-                                                                                                             vielleicht größte Veränderung für unseren Garten         ration von Menschen von den Rändern unserer Ge-
     nes Paus (Alexianer),                                                                                                               an: Die Öffnung des Gartens für die Öffentlichkeit.      sellschaft zeichnen das Projekt aus. Ein Gang durch
     Presse, Maria Kleingrä-
                                                                                                                                           Am 13. April war es schließlich so weit, der Garten    das Gelände schloss die Eröffnung ab.
     ber (Bistum Münster),
                                                                                                                                         wurde geöffnet. Ca. 150 Personen waren gekommen,           Die Berichterstattung in der örtlichen Presse und
     Rainer Hagencord (ITZ)
                                                                                                                                         um zunächst in der Kirche mehr von der Idee hinter       darüber hinaus führten schnell zu einem Bekannter-
     2. Lavendelblüten                                                                                                                   dem veränderten Garten zu erfahren. Vertreter aller      werden des Gartens. Der Katholikentag in Münster
     im Kräuterbeet                           Das Jahr 2018 hat für den                                                                  Partnerorganisatoren, der Alexianer, des Instituts für   war dazu im Mai ein weiteres Highlight im Garten-
     3. Br. Bernd Beermann,            Kapuzinerklostergarten in Münster so                                                              Theologische Zoologie, von IUNCTUS, des Natur-           jahr, über das an anderer Stelle in diesem Heft be-
     Minister Dr. Holthoff-Pförtner      einiges an Veränderung gebracht.                                                                schutzbundes NRW und Münster und als Förderer            richtet wird.                                       4
     im Tomatenhaus
     4. Blick auf den Kirchturm

                                                       1    2                                                                                     3                                                                4

24    Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                           25
Aus der Provinz

                                                               1

                                                        2      3

                                                                                                                                                                                   1. Besinnliche Stunden      6. Nachmittag mit
                                                                                                                                                                                   auf der Gartenbank          Kommunionkindern
                                                                                                                                                                                   2. Bienenstöcke             im Garten
                                                                                                                                                                                   zur Befruchtung der         7. v.l.n.r.:
                                                                                                                                                                                   Obstbäume                   Dr. Alfred Buß (Vor-
                                                                                                                                                                                   3. Reger Austausch:         sitzender des Vorstands
                                                                                                                                                                                   Markus Wagner (ITZ) mit     der SUE NRW),
                                                                                                                                                                            6      einer Gartenbesucherin      Minister Dr. Holthoff-
                                                                                                                                                                                                               Pförtner, Br. Bernd
                                                                                                                                                                                   4. Das Lob auf              Beermann, Karin Riet-
                                                                                                                                                                                   Bruder Feuer während        man (NABU Münster),
      4                                                                                                                                                                            des Katholikentags          Josef Tumbrinck (NABU
                                                                                                                                                                                   5. Kapuzinerkresse          NRW) während des
                                                                                                                                                                                   im Kräuterbeet              Ministerbesuchs

                                                               5
                                                                   Fotos: AlexOffice; Münster, Bernd Beermann, Stefan Orth
                                                                                                                                                                                   des Vorstands der Stiftung, Herrn Dr. h.c. Alfred
                                                                                                                                                                                   Buß, informierte er sich über das Projekt und zeigte
                                                                                                                                                                                   sich beeindruckt. Abschließend sagte er, dass er den
                                                                                                                                                                                   Garten auch seinen Ministerkollegen zum Besuch
                                                                                                                                                                                   empfehlen werde.
                                                                                                                                                                            7         Neben prominenteren Besuchern, wie z.B. der
                                                                                                                                                                                   Sendung „Lecker unterwegs“ des WDR, freuen wir
                                                                                                                                                                                   uns vor allem über diejenigen aus Nah und Fern, die
                                                                                                                                                                                   den Garten besuchen und hoffentlich Anregungen
       Der Garten entwickelt sich für viele Menschen in                                                                      Der Naturschutzbund führte Exkursionen und Bil-       für ihr eigenes Zuhause aus dem Garten mitnehmen.
     der Stadt und darüber hinaus zu einer kleinen Oase                                                                      dungsveranstaltungen zur Flora und Fauna sowie           Nach der Winterruhe startet der Garten im kom-
     der Ruhe, Erholung und Besinnung. Viele Veranstal-                                                                      zum Obstbau durch. Dazu stellt der NABU Münster       menden Jahr in eine neue Saison mit unterschied-
     tungen fanden statt, neben Führungen durch den                                                                          immer wieder seine Expertise zu alten Obstsorten      lichsten Veranstaltungen seitens der beteiligten Part-
     Garten unter unterschiedlichen Thematiken bot das                                                                       und zum konkreten Naturschutz zur Verfügung, dies     ner und lädt auch dann wieder zum Verweilen und
     Institut für Theologische Zoologie Katechesen für                                                                       insbesondere durch Frau Karin Rietman, ohne deren     zur Besinnung ein. Aktuelle Informationen finden
     Kinder und Jugendliche sowie drei Workshops zum                                                                         Wissen und Engagement vieles in unserem Garten        Sie unter www.kapuzinerklostergarten.de.
     Verhältnis zur Natur mit Partnern aus der Ökumene,                                                                      nicht möglich wäre.                                      Bis dahin sind auch in diesem Winter wieder viele
     der Zivilgesellschaft und aus dem Islam an. Hierbei lag                                                                   Das Projekt des Gartens schlug seine Wellen sogar   Arbeiten nötig, so dass der Garten im kommenden
     das Augenmerk auf dem Verbindenden zwischen unter-                                                                      bis in die Staatskanzlei des Landes NRW. Am 22. Au-   Jahr wieder in voller Pracht erstrahlen kann. Dafür
     schiedlichen Kirchen, Gruppen und Religionen, wenn                                                                      gust stattete Herr Minister Dr. Stephan Holthoff-     sei an dieser Stelle insbesondere den fleißigen Hän-
     es um die Sorge für unser gemeinsames Haus geht.                                                                        Pförtner als einer der zuständigen Minister für die   den der Alexianer Werkstätten gedankt, ohne deren
       Das Institut IUNCTUS bot Abendvorträge zu öko-                                                                        Stiftung Umwelt und Entwicklung unserem Garten        hingebungsvolle Arbeit der Garten nicht das wäre,
     logischen Themen aus christlicher Spiritualität an.                                                                     einen Besuch ab. Zusammen mit dem Vorsitzenden        was er in den letzten Jahren geworden ist.

26    Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                 27
Aus der Provinz                                                                                                                                                                                                                                 Aus der Provinz

                                                      Aus der
                                                      Mission                                                                                                                                               Oben links: Und das ist er, der Laden auf

                         Ein
                                                                                                                                                                                                            Rädern noch ohne Waren, mit Br. Andreas links.
                                                                                                                                                                                                            Unten rechts: Wie man sieht,
                                                                                                                                                                                                            findet der Laden reges Interesse

       „Tante-Emma-
            Laden“
          auf Rädern                                                                                                                                    Oben:
                                                                                                                                                        Alt und Jung
                                                                                                                                                        finden hier das Not-
     Br. Andreas Walternmann, seit über zehn Jahren in Albanien, hat ein neues
                                                                                                                                                        wendige für das
     Projekt in Angriff genommen, um der armen Bergbevölkerung zu helfen und                                                                            alltägliche Leben
     gleichzeitig noch einmal auf ganz andere Weise mit ihnen in Kontakt zu kommen

     Von Br. Andreas Waltermann

     8 Bei meinen regelmäßigen Besuchen in den ver-             Schweineprojekt u.v.m. Das ist nur möglich, weil uns                                    – früher als mobile Bäckerei unterwegs – erwerben:       mehr in der Kneipe, anstatt vor Ort mit dem Verkaufs-
     streuten Dörfern unseres Pfarrgebietes erfahre ich oft     sehr viele Menschen aus Deutschland und Österreich                                      Baujahr 2009, Renault Master mit eigens gefertigtem      fahrzeug in den Dörfern zu sein. Wir haben uns nach
     die neusten Entwicklungen und Ereignisse, aber auch        mit ihren Spenden unterstützen.                                                         Aufbau durch eine Spezialfirma in Rotenburg/Wümme        zwei Monaten getrennt. Der neue Fahrer und Verkäufer,
     die Sorgen der Menschen: z.B. dass die Schule wegen          Was bedeutet es, wenn es in deinem Dorf keinen La-                                    Kilometerstand ca. 200.000, Diesel.                      Ded Ndoj aus dem Dorf Kryezi, Vater von drei kleinen
     der geringen Kinderzahl geschlossen wird, welche Fa-       den mehr gibt und du zu Fuß acht, neun, zehn oder                                          Der erste Überführungsversuch ging dann leider        Kindern, macht seinen Job bislang sehr gut. Er fährt die
     milien aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit weggezo-        mehr Kilometer nach Fushë-Arrëz laufen musst, um das                                    schief. Ich konnte das Fahrzeug in Münster in Emp-       Dörfer regelmäßig an, die Leute kennen die Verkaufs-
     gen sind, wo jemand krank ist, wer heiraten möchte,        Nötigste zum Leben deiner Familie zu kaufen wie Salz,                                   fang nehmen, hatte dann aber schon in der Nähe von       zeiten, wissen, dass die Preise in Ordnung und nicht
     wer in einer Ausbildung ist, dass der Kleinbus nicht       Kaffee, Zucker, Nudeln, Getränke, Streichhölzer, die                                    Frankfurt einen Motorschaden. Die Firma in Roten-        überhöht sind, und können wieder einkaufen, was sie
     mehr fährt, dass es keinen Laden mehr gibt, dass die       Gaskartusche, das Klopapier usw. Da geht mehr als ein                                   burg/Wümme hat den Schaden komplett ersetzt, ei-         zum täglichen Bedarf benötigen vom Spülmittel bis zum
     Wege so schlecht sind, usw.                                halber Tag drauf, du hast viel zu schleppen oder das Taxi                               nen gebrauchten Motor mit ca. 65.000 Kilometern          Schokoladenriegel, von der Zahnpasta über Reis und
        Der albanische Staat hat sich weitgehend aus der        zum Transport deines Einkaufes ist zusätzlich teuer.                                    eingebaut und alle Kosten dafür getragen. Darüber        Mehl bis zur Marmelade, also alles, was der Tante-
     Bergregion zurückgezogen. Es gibt fast gar keine Inves-      Ich erinnere mich gut an den Besuch von Br. Mi-                                       war ich natürlich sehr froh.                             Emma-Laden auf Rädern so bietet. Und Ded Ndoj ver-
     titionen und Verbesserungen der sozialen Lage. Irgend-     chael Wies, der als Kapuziner und Sozialarbeiter in                                        Der zweite Versuch ging dann gut und glatt. Nur der   dient damit mittlerweile seinen Lebensunterhalt selbst.
     wie fühlen sich die Menschen deshalb vernachlässigt,       Frankfurt arbeitet, hier in Albanien vor zwei Jahren.                                   albanische Zoll machte Probleme, weil sie angeblich        Das Projekt „Verkaufsfahrzeug“ wird von den Bewoh-
     im Stich gelassen und abgeschrieben. „Es gibt keine        Wir haben gemeinsam die Idee entworfen und weiter-                                      keinen Code für ein solches Spezialfahrzeug hätten.      nern unserer Dörfer gut angenommen. Es ist eine große
     Perspektiven“, sagen die Jungen. „Nur weg hier!“           gesponnen, was wäre, wenn es ein Verkaufsfahrzeug                                       Das riecht natürlich nach Korruption. Nach ca. zwei      Erleichterung für ihr tägliches Leben. Es verändert etwas
        Manchmal frage ich mich dann: Was bedeutet das für      wie auf dem Markt in Münster oder anderswo geben                                        Wochen mit Telefonaten und Schreiben hin und her,        im Kleinen und verschafft den Menschen wieder das Ge-
     uns? Gibt es Wege und Möglichkeiten, die die Situation     würde, wenn der Tante-Emma-Laden in die Dörfer zu                                       konnten wir den mobilen Einkaufsladen dann endlich       fühl, doch nicht vergessen und abgeschrieben zu sein.
                                                                                                                            Fotos: Andreas Waltermann

     der Menschen in den armen Bergdörfern verbessern           den Menschen kommt. Das wäre eine große Erleichte-                                      anmelden und mit einem albanischen Kennzeichen              Die Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Aufbau
     könnten? Und was können wir als Kirche – für viele der     rung für die Leute dort.                                                                versehen. Das war im Oktober 2017.                       einer Fabrik würde natürlich den Menschen hier auf
     einzige Hoffnungsträger – da tun?                            Daraufhin machte ich mich im Internet schlau, wo es                                      So ein Projekt funktioniert natürlich nur, wenn der   Zukunft hin mehr bringen. Aber das können wir als
        Unser Hilfsangebot ist mittlerweile vielfältig: Haus-   gut erhaltene, gebrauchte Verkaufsfahrzeuge gäbe, die                                   Fahrer zuverlässig die vereinbarten Einkaufszeiten für   Kirche in dieser armen Bergregion nicht leisten.
     bauten, Dachreparaturen, Ausbildungshilfen, Unter-         für unsere schlechten Wege geeignet seien, und fand                                     die Menschen in den Dörfern einhält und die Leute           Das Gute an diesem Projekt ist: Die Menschen kön-
     stützung älterer Menschen, Hilfen in Notfällen, bei        auch schnell entsprechende Angebote. Mithilfe eines                                     sich auch sicher sind, dass der Wagen kommt. Nie-        nen jetzt wieder vor Ort einkaufen, und manchmal
     Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten, Mithilfe         großen Zuschusses der Diözesanstelle Weltkirche/Welt-                                   mand möchte zwei, drei oder mehr Stunden warten.         können sie auch anschreiben lassen, wenn sie mal etwas
     beim Kauf einer Kuh oder von ein paar Ziegen, das          mission im Erzbistum Köln konnten wir das Fahrzeug                                      Leider war das bei dem ersten Fahrer der Fall. Er saß    nicht direkt bezahlen können.

28     Kapuziner 2018 . 2019                                                                                                                                                                                                                                                 29
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