JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz

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JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Nr. 26 · 2022

JERUSALEM
Themenheft: Freiwilligendienst

  Besuch der Al-Aqsa-Moschee. Mit freundlicher Sondergenehmigung der muslimischen Religionsgüterverwaltung
                    Waqf dürfen unsere Freiwilligen auch in den Innenbereich der Moscheen.

                                      Im Inneren des Felsendoms.
JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
IMPRESSUM:                                      SPENDENAUFRUF
Rektor Markus St. Bugnyar,
Österreichisches Pilger-Hospiz
zur Heiligen Familie                            So helfen Sie uns:
(Austrian Hospice)
Via Dolorosa 37 · P.O.B. 19600                  Österreichisches Hospiz – Sozialfonds
91194 Jerusalem                                 AT43 1919 0003 0015 0125
rectorate@austrianhospice.com                   BSSWATWW
Umschlagfotos: © ÖPH
                                                Österreichisches Hospiz – Bauspende
Die Autoren dieses Magazins sind für            AT17 1919 0004 0015 0124
Inhalt und Schlussfolgerungen in ihren Texten   BSSWATWW
ausschließlich selbst verantwortlich.
Aussagen der Gastbeiträge müssen nicht          Ich danke Ihnen sehr!
die Meinung des Herausgebers widerspiegeln.
JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
FreiwilligeR
im Pilger-Hospiz

A
        ls Österreichisches Pilger-Hospiz in Jerusa-
        lem sind wir unseren Freunden bekannt.
        Das „Österreichische“ in unserem Namen
erschöpft sich nicht in Apfelstrudel und Sacher-
torte, sondern will durch alle Bereiche unseres
Gästehauses hindurch erfahrbar sein: An der Re-
zeption, beim Abendessen, im Kaffeehaus. Das
kann die Hausleitung alleine nicht leisten; auch                                                Foto: © Fotostudio Floyd

wenn wir mit Lucas J. Maier MA seit diesem März
einen in Jerusalem lebenden Steirer als profilierten   Viele werden es nicht wissen, darum sei es hier
Gästehausmanager bei uns haben.                        ausdrücklich erwähnt: Mit dem neuen Freiwilli-
                                                       gengesetz können auch Mädchen einen solchen
Für das „typisch Österreichische“ in unserem Haus      Einsatz machen!
brauchen wir unsere Freiwilligen. Wir zeigen Ih-
nen mit dieser Ausgabe der Jerusalem-Korrespon-        In einem drei-tägigen Seminar kommen schließ-
denz, wie wir unsere Freiwilligen auf ihren Einsatz    lich „die Auserwählten“ das erste Mal als Gruppe
vorbereiten. Die meisten von ihnen kommen im           noch in Österreich zusammen. Dabei helfen uns
Rahmen ihrer Suche nach einem „Zivildienst im          ehemalige und aktuelle Freiwillige und der Trä-
Ausland“ zu uns und bleiben 12 Monate. Ihre Mo-        gerverein, den es für die Entsendung als Zwi-
tivationslage ist unterschiedlich: Die einen lockt     schenglied zwischen Sozialministerium und Ein-
der alte religiöse Nimbus der Stadt, andere lassen     satzstelle braucht.
sich von den vielfältigsten kulturellen Facetten des
Landes animieren, andere wiederum wollen den           Jerusalem ist eine besondere Stadt. Eine Stadt, die
Nahostkonflikt aus nächster Nähe erleben. Selten       fasziniert. Manchen lässt sie nicht mehr los. Einige
treten diese Motive in ihrer Reinform auf; zumeist     unserer Freiwilligen haben sich nach ihrer Zeit bei
ist es von Allem ein bisschen was.                     uns dazu entschlossen, im Land zu bleiben. Auch
                                                       Lucas, unser neuer Manager, war einst Zivi im
Neben Lebenslauf und Motivationsschreiben              Hospiz. Dass er nun bei uns Leitungsaufgaben
braucht es zum Start einer erfolgreichen Bewer-        wahrnimmt, freut mich ganz besonders.
bung auch ein Empfehlungsschreiben, von einem
Lehrer oder geistlichem Begleiter. Wobei die indi-     Unsere Freiwilligen sind kein Zierrat, sondern viel-
viduelle Religionszugehörigkeit nicht entschei-        mehr das Rückgrat unseres Hauses, das erst so zu
dend ist; wie seltsam wäre es denn, wenn wir an-       einem „österreichischen“ wird.
gesichts der Vielfalt vor unserer Haustür versuchen
würden, ein „katholisches Biotop“ im Inneren                                   Ihr
propagieren zu wollen. Auch vor selbsterklärten
„Atheisten“ schrecke ich nicht zurück; im Gegen-
teil. Es ist gerade der Kontrapunkt, der zu den
spannendsten Gesprächen und Entwicklungen in
jeder Generation führt.                                           Rektor Markus St. Bugnyár

Im Laufe der Jahre haben wir die Zahl der „Zivis“
im Haus sukzessive erhöht; aus zwei Gründen. Für
den Betrieb des Hauses ist es sinnvoller, Mitarbei-
ter zu haben, die so lange als möglich bei uns sind.
Das schafft Kontinuität und Verlässlichkeit. Zum
anderen war ich selbst mit Anfang 20 als Student
in dieser Stadt. Eine Erfahrung, die mich prägt. Das
will ich gerne jedem Interessenten ermöglichen.

                                                                                                                           3
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Leitartikel   Pilger­
                        herberge    Akademie      Gastbeitrag    Soziales    Friedensdienst   CHRONIK           Betrachtung

    Jerusalem: Hohe Ehrung für Rektor
    von Österreichs Pilger-Hospiz

    Lateinischer Patriarch Pizza­
    balla ernennt Markus Bugnyar
    zum Ehrenkanoniker des
    Patriarchalkapitels des Heiligen
    Grabes von Jerusalem
          K atholische P resseagentur Ö sterreich
            W ebsite kathpress . at (02.02.2022)

    J
          erusalem, 02.02.2022 (KAP) Markus Bugnyar, Rek-
          tor des Österreichischen Pilger-Hospizes in Jeru­
          salem, ist zum Ehrenkanoniker des Patriarchal­
    kapitels des Heiligen Grabes von Jerusalem ernannt
    worden. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erz-
    bischof Pierbattista Pizzaballa, setzte den österreichi-
    schen Priester zusammen mit einem weiteren Ehren­
    kanoniker, dem italienischen Geistlichen Alfredo Pizzuto,
    am Mittwoch in sein neues Amt ein.
          Der 46-jährige Bugnyar leitet seit 2004 das tradi-
    tionsreiche Österreichische Hospize zur Heiligen Familie                                                    Foto: © Simon Hackl

                                                                         Im Anschluss an die feierliche Investitur im
    in Jerusalem, das älteste nationale Pilgerhaus im Heiligen           Lateinischen Patriarchat sehen wir Ehren-
    Land. Im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem                 Kanonikus Rektor Markus St. Bugnyár hier vor
    bekleidet er den Rang eines Komturs.                                         dem Hl. Grab in Jerusalem.
          Die Rolle der Kanoniker der Grabeskirche sei be-
    sonders, sagte Pizzaballa laut Katholischer Nachrichten-      Anerkennung wirklich mehr als verdient“, dankte Zsif-
    Agentur (KNA) in seiner Ansprache. Die Grabeskirche           kovics in einem Kathpress vorliegenden Schreiben Bug-
    sei weit mehr als eine Kathedrale, sie sei das Herz der       nyar für dessen „äußert umsichtige und mit großer Kom­
    Kirche Jerusalems und der Universalkirche. Selbst wenn        petenz“ wahrgenommene Leitung des Österreichischen
    es dem Kanoniker nicht immer möglich sei, in der Gra-         Pilger-Hospizes in Jerusalem. Letzteres sei nicht mehr
    beskirche zu beten, sei er eingeladen, „so gut wie mög-       bloß ein Gästehaus, sondern „längst ein wichtiger Fak-
    lich im Rhythmus und Atem der Grabeskirche zu beten,          tor im interkonfessionellen und interreligiösen Dialog“.
    spirituell mit dem Ort vereint zu sein und für die Kirche          Der gebürtige Wiener Bugnyar war nach Studien
    Jerusalems zu beten“, so der Patriarch.                       an der Universität Wien und im Theologischen Studien-
          Bugnyar äußerte Dankbarkeit und Freude über die         jahr der Jerusalemer Dormitio-Abtei im Jahr 2000 zum
    Ernennung. Die Grabeskirche sei „nicht irgendeine             Priester der Diözese Eisenstadt geweiht worden. Er
    Kirche“, sondern „von hier nahm die Kirche ihren Weg          wirkte zunächst als Kaplan in Mattersburg und Walders-
    in die Welt“, sagte er. Die ehrenvolle Auszeichnung ver-      dorf. Von 2001 bis zu seiner Berufung zum Pilger-­
    stehe er als Auftrag zu reifen und zu dienen.                 Hospiz-Rektor studierte Bugnyar an der von französi-
          Aus Österreich gratulierte unter anderem der Eisen-     schen Dominikanern geführten Hochschule für Bibel­­    -
    städter Bischof Ägidius Zsifkovics. „Du hast Dir diese        wissenschaft und Biblische Archäologie in Jerusalem.

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JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Leitartikel   Pilger­
                    herberge     Akademie      Gastbeitrag    Soziales              Friedensdienst   CHRONIK     Betrachtung

Investiture of two Honorary Canons
of the Holy Sepulchre

Latin Patriarchate Website      lpj.org   (3rd Febr. 2022)

A
         n Order of Canons of the Holy Sepulchre was
         instituted at the end of the First Crusade in
         1099, to look after the Church and to ensure
the liturgy in the Holy Places. Recognized by a bull of
Pope Paschal II in 1113 and subject from 1114 to the
Rule of St. Augustine, the canonical Order of the Holy
Sepulchre spread to monasteries throughout Europe af-
ter the fall of the Latin Kingdom of Jerusalem, eventu-
ally evolving far from the Holy Land.
      However, it should not be confused with the Chap-
ter of Canons of the Holy Sepulchre, which is governed
by canon law and was created for the Diocese of Jerusa-        Foto: © Andrea Krogmann

                                                                        Rektor Markus St. Bugnyár spricht die Professio
lem, when the Latin Patriarchate was re-established in                    fidei vor Patriarch Pierbattista Pizzaballa.
1847. It is a college of priests to whom it falls to per-
form more solemn liturgical functions in the cathedral
or collegiate church of the diocese, or any other function     profession of faith and the oath of fidelity, one hand ex-
that may be entrusted to them by law or by the diocesan        tended over the Bible presented by His Beatitude.
bishop (Can. 503). This canonry is a distinction that                The Patriarch then blessed and handed the insig-
rewards exceptional dedication to the Church of the            nia of the new canons to them: the white mozzetta (short
Holy Land and its members.                                     cape with buttons) with a red Jerusalem cross embroi-
      The effective canons are members of the local cler-      dered on the left side, and the three-pointed black cubic
gy, while the title of honorary canon is reserved for cler-    hat, surmounted by the magenta pompom characteris-
gymen who do not belong to the Diocese of Jerusalem,           tic of the canons, whether effective or honorary.
such as the two new members of the Canonical Chapter                 The Patriarch recalled that although the honorary
of the Holy Sepulchre.                                         canons cannot always go to the Holy Sepulchre, they
      The rite is simple and somewhat similar to a litur-      are spiritually united to it and must pray for the Church
gy of the word, but still retains some particularities.        and the Diocese of Jerusalem, the heart of the Church.
Yesterday, the entrance in procession was thus followed        Their presence in their respective dioceses further
by a reading and proclamation of the Gospel; then the          strengthens the link between their communities, the
two future canons knelt before the main altar of the co-       Holy Sepulchre, which is the cathedral of the Mother
cathedral, on either side of the Patriarch, for the invo-      Church of Jerusalem, and the Christians of the Holy
cation to the Holy Spirit, before pronouncing each the         Land.

                                                                                                                               5
JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Leitartikel   PILGER­H ERBERGE            Akademie    Gastbeitrag   SOZIALES        Friedensdienst   Chronik   Betrachtung

    Spenden-Rechenschaftsbericht

    In Zeiten von Corona sind wir
    bei einem leeren Pilger-Hospiz
    in Jerusalem und einem nur
    sporadisch möglichem
    Kaffeehausbetrieb zur Gänze
    von der Großherzigkeit unserer
    Freunde abhängig.
    Kosten laufen weiter, Rechnungen                                nichts ändern. Das muss uns bewusst sein. Es erinnert
                                                                    uns aber auch daran, dass wir bislang jede Krise ge-
    sind zu bezahlen. Gemeinsam                                     meistert haben! Nicht alleine, sondern mit Euch!
    haben wir Unglaubliches geschafft!
    Hier gilt es, eine Zwischenbilanz                               Ich will Ihnen über das gemeinsam Erreichte ganz ehr-
    zu ziehen.                                                      lich berichten. Es ist eine Zwischenbilanz: Die Pande-
                                                                    mie ist nicht vorüber, die Grenzen sind nicht wirklich
                     M arkus S t . B ugnyár                         offen. Für den gesamten Herbst hatten uns die erwarte-
                                                                    ten Gruppen – unsere Hoffnung seit dem Jahresbeginn!

    S
           ie erinnern sich: Im März 2020 mussten wir alle ein      – endgültig abgesagt. Ehrlich gesagt, kann auch noch
           neues Wort lernen und erfahren, wie es sich an-          niemand genau sagen, wie die Osterzeit aussehen wird.
           fühlt: Lockdown. Geschlossene Grenzen, gesperrte
    Lufträume, definierte Ausgangszeiten, begrenzte Bewe-           Sie erinnern sich: Im März 2020 galt meine erste Sorge
    gungsmöglichkeiten. Innerhalb weniger Tage sind un-             jenen MitarbeiterInnen, die durch keine Absicherung
    sere Gäste beinahe fluchtartig abgereist. Seitdem steht un-     des Staates gedeckt waren. Zwölf von 46 Angestellten
    ser geliebtes Österreichisches Pilger-Hospiz an der Via         standen mit ihren Angehörigen von heute auf morgen
    Dolorosa in der Altstadt Jerusalems vollkommen leer.            vor dem fühlbaren Nichts.
                                                                          Wir sind eine kirchliche Einrichtung, wir haben
    Wir alle wissen, dass auch ein leeres Haus verwaltet            auch eine soziale Verantwortung. Nicht maximale Pro-
    werden muss; dass wir auf Gästeanfragen antworten               fitsteigerung ist meine Maxime, sondern gelebte Sorge
    müssen, dass wir Rechnungen zu bezahlen haben und               für die mir anvertrauten Menschen.
    es Schlüsselarbeitskräfte braucht, die ich nicht heim-
    schicken kann.                                                  Das Hospiz ist Arbeitgeber. Das ist konkrete „Hilfe vor
                                                                    Ort“, ein gerechtes und solides Einkommen für ein men-
    „Stolz und Sorgenkind“ – so formulierte es der öster­           schenwürdiges Auskommen im Alltag. Das Pilger-Hos-
    reichische Botschafter Arthur Breycha-Vauthier im Jahr          piz wurde für Pilger gegründet. Pilger, die durch ihre
    1972 an den damaligen Rektor Franz Sauer – wurde                Wallfahrt nicht nur sich selbst, sondern auch den Men-
    zum aufrüttelnden Leitmotiv meines wöchentlichen                schen des Landes Hoffnung und Perspektive geben.
    Briefes zur aktuellen Lage in Haus und Land. Bis heute
    sind es gezählte 114 Aussendungen. Immer wieder gilt            Mit dem ersten Spendenaufruf haben Sie dafür gesorgt,
    es, die richtigen Worte zu finden, um die Herzen unse-          dass diese Zwölf denselben Anteil an Kurzzeitarbeits-
    rer Freunde zu erreichen.                                       zahlungen bekommen konnten wie auch ihre Kollegen
                                                                    von staatlicher Seite. Warum waren nicht auch sie be-
    Schon 1972 wurde dieses „Stück Heimat in der Stadt              zugsberechtigt? Weil sie etwa aus der palästinensischen
    Jesu“ so selbstverständlich „Stolz und Sorgenkind“ ge-          Westbank stammen und so keine israelische Identitäts-
    nannt: Das illustriert sehr anschaulich, wie wir immer          karte besitzen; hier im Land ein bekanntes Phänomen.
    wieder in dieser Weltgegend in eine sehr prekäre Situa-         Mit ihrer Hilfe konnten wir helfen: für das täglich Brot,
    tion geraten können. Daran wird sich auch künftig               für das Schulgeld der Kinder.

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JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Leitartikel              PILGER­H ERBERGE   Akademie   Gastbeitrag   SOZIALES        Friedensdienst   Chronik   Betrachtung

Foto: © Jakob Levi Tauchner

                                                                       Ein unübliches Bild: Die Jerusalemer Altstadt
                                                                                      menschenleer

Corona breitete sich aus und der Lockdown wurde län-             hatten wir einen Schwesternkonvent oder in Kriegszeiten
ger. Es geht nicht mehr nur um unsere Mitarbeiter, son-          doch noch die eine oder andere kleine Gruppe.
dern vielmehr um die laufenden Betriebskosten des
Hospizes. Der Stillstand kostet Geld. Das Haus ist groß          Ich habe – Sie erinnern sich – die monatlichen Fixkos-
und alt. Strom und Wasser haben wir reduziert, doch              ten unseres Hauses beständig mit 40.000 Euro beziffert;
Instandhaltungen, Wasserrohrbrüche, kaputte Geräte               das bedarf einer Präzisierung und ist ein Durchschnitts-
orientieren sich nicht am Lockdown – sie ereignen sich           wert. Denn sobald es möglich war, haben wir natürlich
auch ohne Gäste im Haus. Im Haus anwesend waren                  – wie andere Lokalitäten auch, wie auch zuhause – un-
(von mir selbst abgesehen) noch die Freiwilligen, deren          ser Kaffeehaus geöffnet. Das bedeutet sofort mehr Mit-
Dienst im Sommer endete. Sie haben geputzt und ent-              arbeiter im Café und in der Küche logischerweise; nicht
rümpelt, den Garten versorgt, die Zimmer gestrichen.             zu vergessen, mehr Waren müssen eingekauft werden
                                                                 und jemand am Eingang die hier geltenden Regeln kon-
Abends lag das Haus vollkommen im Dunkeln. Wir ha-               trollieren.
ben sogar die Notlichter ausgeschaltet, um Strom zu
sparen. Wir haben die bereits eingekauften Lebensmit-            In Phasen der bescheidenen Öffnung liegen automatisch
teln für die erwarteten und nun ausbleibenden Gäste              auch die Ausgaben höher. Dabei kann niemand wissen,
verzehrt. Oft genug auch deutlich jenseits des Haltbar-          wann wir wieder schließen müssen. Aber ich hielte es für
keitsdatums. Nach dem Motto: „Mindestens haltbar                 äußerst fragwürdig, wenn wir ohne eigenen Beitrag ein-
bis“ bedeutet ja nicht: „Sicher tödlich ab“.                     fach auf Spenden hoffen würden! Wann immer es mög-
      Wir haben es mit Humor genommen, wenngleich                lich war, haben wir auch selbst gearbeitet. Logisch!
ich gestehe: Manchmal fühlte sich die Menschenleere
gespenstisch an. Ich bin überzeugt, niemals zuvor gab            Wer sind unsere Gäste, wenn die Grenzen dicht und
es Tage in der Geschichte des Hauses, in denen der Rek-          Flüge spärlich sind? Palästinenser wie Israelis, die man-
tor tatsächlich völlig alleine die Stellung hielt. Am Ende       gels Reisemöglichkeiten die Schönheiten des eigenen
gab es nur noch einen Freiwilligen und mich. Früher              Landes erkunden. Tourguides haben sich neu orientiert

                                                                                                                              7
JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Leitartikel   PILGER­H ERBERGE           Akademie     Gastbeitrag     SOZIALES         Friedensdienst   Chronik   Betrachtung

    und mit ihnen auch wir. Wir haben (für uns ein Novum,
    denn so groß ist unser Haus auch wieder nicht als das es
    für gewöhnlich nicht mit Pilgern gänzlich gefüllt wer-
    den könnte) Wege gesucht, diese lokale Bevölkerung zu
    erreichen.

    Wir wollen beitragen mit unserer eigenen Hände Arbeit
    zu unserem Lebensunterhalt. Wir können nicht einfach
    darauf warten, dass schon irgendwer unsere Rechnun-
    gen bezahlen wird. In Österreich könnten wir vielleicht         Foto: © ÖPH

                                                                              Diesmal sind nicht Sie zu uns zur Ostermesse
    die Hilfen für Gastronomie und Hotellerie beantragen,                    gekommen, sondern wir haben Ihnen die Messe
    doch hier nicht. Für kirchliche Gästehäuser existieren                               nach Hause gebracht
    solche Modelle hier nicht und für einen Antrag in Öster-
    reich kommen wir nicht in Betracht, da wir eben in ei-
    nem anderen Land liegen.                                        einen vertrauenden Menschen ist Jerusalem immer im
                                                                    Mittelpunkt!
    Wir lassen uns keinesfalls entmutigen. Das Hospiz hat
    so vieles schon erlebt und überlebt; gemeinsam schaffen         Unser Hospiz aufzugeben, bedeutet, unsere Verbindung
    wir auch das!                                                   zu Jesus in Frage zu stellen. Er hat hier gelebt, litt an
                                                                    diesem Ort, starb für jeden von uns, wurde auferweckt,
    Ich habe Wege gesucht, SIE ZU ERREICHEN! Über so-               wird wieder kommen, exakt hierher … und wir ziehen
    ziale Netzwerke, über unsere Homepage www.jeru-                 uns mutlos zurück? Das kommt für mich nicht in Be-
    salempilger.at. Wir haben gemeinsam Gottesdienste ge-           tracht! Für Sie etwa?
    feiert und ich habe Sie mit kleinen Videos mitgenommen               Wenn uns Corona gerade nicht in die Knie zwingt,
    zu den Heiligen Stätten. Wenn Sie nicht nach Jerusalem          dann weil wir Hoffnung haben! Hoffnung, die von Jesus
    kommen können, dann bringen wir eben Jerusalem zu               ausgeht, der Tod, Angst, Einsamkeit überwindet. Ohne ihn
    Ihnen! Mehr als 4000 Menschen weltweit haben mit uns            sind wir nichts. Noch nie zuvor wurde mir das so deutlich.
    Ostern auf unserer Dachterrasse gefeiert: mit Blick auf
    die heilige Grabeskirche.                                       Erlauben Sie mir konkret zu werden Sie haben ein Recht
          Eine einzigartige Erfahrung, die viele Früchte trägt!     darauf! Wer spendet muss erfahren, was mit seinem
    Ich war tagelang beschäftigt, alle Zuschriften zu beant-        Geld geschieht. 1. Für unsere Mitarbeiter im Pilgerhos-
    worten. Das war ein schönes Gefühl, das mich tief be-           piz und 2. für den laufenden Betrieb.
    rührt hat. Ich will von Herzen Danke sagen für diese                  Mittlerweile konnten wir die Rechnungsprüfung für
    wunderbare Erfahrung!                                           das Jahr 2020 und das erste Halbjahr 2021 abschlie-
                                                                    ßen; die Zahlen sind also für diesen Zeitraum endgül-
    Wir haben informiert, gesammelt, geschrieben, ge-               tig. Die Pandemie aber hält uns weiter in Geiselhaft.
    dankt, von Neuem erbeten und erbittet. Alles im siche-
    ren Wissen, dass nur eines selbstverständlich ist: Jeru-             Am 23. März 2020 ging mein erster Aufruf an un-
    salem. Wäre es nicht diese Stadt, die Stadt Jesu, hätte         seren Freundeskreis; schon einige Tage davor haben die
    ich vor langer Zeit schon aufgegeben!                           besonders hellhörigen Freunde reagiert.

    Wir haben hier mit unserem Hospiz eine eigene Adresse               Im Kalenderjahr 2020 haben Sie exakt 394.958,35
    an der Via Dolorosa, inmitten der Altstadt von Jerusa-          Euro gespendet; im ersten Halbjahr 2021 waren es
    lem. Viele Jahrhunderte hindurch glaubten Menschen,             161.662,79 Euro.
    dies hier sei das Zentrum der Welt. Auch wenn das geo-          Zusätzlich kann ich Ihnen auch bereits die Zahlen für
    graphisch nicht stimmen mag: Für einen glaubenden,              den Sommer 2021 nennen:

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JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Leitartikel   PILGER­H ERBERGE         Akademie   Gastbeitrag   SOZIALES        Friedensdienst   Chronik   Betrachtung

      Im Juli 2021 waren es 60.400,30 Euro,                 sätzliche Spenden zu lukrieren. 2. Das Buch von Florian
      im August 46.203,00 Euro                              Schiemer, „Im Auge des Orkan“, die Hauschroniken
      und im September 13.220,00 Euro.                      des Pilgerhospizes, mit dem wir intensiv Werbung ma-
                                                            chen für das Heilige Land. Diese beiden Projekte wur-
Das sind in Summe 676.444,44 Euro im Zeitraum März          den zur Gänze durch Sie finanziert und helfen uns ent-
2020 bis September 2021.                                    scheidend, unseren Aktionsradius sichtbar zu erweitern.

Wir sprechen hier von insgesamt 19 Monaten, die             Für die Produktion von „Reise nach Jerusalem“ haben
durchschnittlich mit 40.000 Euro zu Buche schlagen.         Sie 17.452,30 gespendet; für „Im Auge des Orkan“
Von prognostizierten 760.000 Euro haben Sie alleine         12.205,00 Euro.
an die 677.000 Euro gestemmt. Das ist wirklich abso­
lut und zutiefst beeindruckend!                             Andere Häuser im Heiligen Land nützen den Leerstand
                                                            für Renovierungen. Obwohl das bei unserem Hauptge-
Noch mehr, wenn man weiß, dass es lediglich 4.146           bäude notwendig wäre, können wir uns eine solche Inves-
Email-Adressen sind, die uns zur Verfügung stehen so-       tition im Moment nicht leisten. Wir müssen in Etappen
wie 5.537 Postadressen in Österreich und 152 Adressen       renovieren, damit wir konkurrenzfähig bleiben können.
in anderen europäischen Ländern. Das ist wahrlich ein       Deshalb hatten wir uns für ein übersichtliches und in sich
überschaubarer Kreis. Und dennoch haben wir gemein-         abschließbares Projekt entschieden: e­ inen neuen Emp-
sam Unglaubliches erreicht. Ich bin Ihnen, den Spen-        fangsbereich. Die Möbel sind da, wir warten auf die
dern unter den Lesern dieses Rechenschaftsberichtes,        Monteure aus Österreich; sobald die Grenzen aufgehen,
unaussprechlich dankbar!                                    wird die neue Rezeption installiert. Auch dieses Projekt
                                                            haben Sie für uns geschultert mit 72.725,00 Euro.
Zwei Dinge liegen dabei auf der Hand: Eine Postaus-
sendung ist kostenintensiver als eine Email. Ich bitte      In Summe haben die drei Crowdfundig-Aktionen
nachdrücklich um Verzeihung und Verständnis, wenn           also 102.382,30 Euro ergeben.
jemand den Eindruck hatte, er bekommt zu viele Emails
von mir. Was hätte ich denn sonst tun können.               Das bedeutet: Sie haben seit März 2020 insgesamt
     Und: Für die Lücken in der Finanzierung sind wir       778.826,74 Euro an unser aller Pilger-Hospiz ge­
selbst aufgekommen, aus Rücklagen aus den „guten            spendet.
Zeiten“ vor der Pandemie. Es gibt sinnvollerweise – ich
erzählte Ihnen mehrfach davon – eine „eiserne Reserve“      Das ist gewaltig und macht mich sprachlos. Ich hätte
des Hauses. Deren Einlage nun zu zerbröseln beginnt.        niemals gedacht, dass mir so etwas gelingen kann. Wie
                                                            wohl auch niemand von uns gedacht hat, dass wir je-
In dieser Weltgegend müssen wir leider immer mit einer      mals eine Krise wie diese erleben müssen.
Gewalteskalation rechnen; mit Attentaten, die Pilger
abschrecken, oder einem Krieg, der zu Stornierungen         Corona ist noch nicht vorbei. Bis jetzt sind wir mit ei-
bei unseren Buchungen führt. Was wenn auf diese Pan-        nem dunkelblauen Auge davongekommen.
demie eine Intifada folgt? Dann sind wir schlicht bank-
rott. Dem muss ich entgegensteuern. Das ist meine erste          Diese Krise ist für uns alle existentiell:
Aufgabe in dieser Zeit. Und ich weiß: Ohne Sie kann ich          Für Sie.
das nicht!                                                       Für Ihre Angehörigen und Freunde.
                                                                 Auch für uns: Ihr Österreichische Pilger-Hospiz
Doch das ist noch nicht alles. Sie haben uns ebenso bei          in Jerusalem.
drei Crowdfunding-Aktionen unter die Arme gegriffen.
1. Mein Buch „Reise nach Jerusalem“, das unseren            Ich bitte Sie herzlich weiterhin um Ihre wertvolle Hilfe.
Freunden Lust aufs Pilgern macht und uns hilft, zu-         Wir brauchen Sie nach wie vor! Ich danke Ihnen sehr!

                                                                                                                         9
JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
Leitartikel   Pilger­
                         herberge   Akademie      GASTBEITRAG          Soziales    Friedensdienst   Chronik     Betrachtung

     Arabisch-islamische
     und jüdische Kunst

                         M atthias F ryd                          ­ akralbauten nur als Kalligrafien dargestellt. Zum an-
                                                                  S
                                                                  deren sind Ornamente und geometrische Muster ein

     D
              er Islam hatte seit seiner Etablierung als domi-    wichtiges Element der Dekoration. Hier bietet der Fel-
              nierende Religion im Orient einen enormen           sendom in Jerusalem ein gutes Beispiel, denn nicht nur
              Einfluss auf die arabische Welt und deren Ein-      im Inneren, sondern auch auf der Außenfassade sind
     wohner, die bis heute durch ihren Glauben einen star-        unzählige farbenprächtige Muster angebracht.
     ken Zusammenhalt haben. Daher ist es kein Wunder,
     dass auch in der Kunst die Religion eine ganz zentrale       Im Gegensatz zum Orient als Geographischem Raum
     Rolle spielt und zu deren Entwicklung maßgeblich bei-        für den Islam hat es in der Vergangenheit keine einheit-
     getragen hat. Die Unterschiede zwischen sakraler und         liche Umgebung gegeben, wo sich eine eigenständige jü-
     profaner Kunst sind gering.                                  dische Kunst abgeschottet von äußeren Einflüssen ent-
                                                                  wickeln hätte können. Viel eher ist es sinnvoll, sich ein
     Unter arabischer Kalligrafie wird die kunstvoll ausge-       paar Beispiele anzusehen, welche Formen der Kunst das
     führte Handschrift der arabischen Schrift verstanden.        Judentum hervorgebracht hat bevor der Staat Israel
     Die genaue Entstehungsgeschichte dieser Kunstform            entstanden ist. Zwar gibt es, je nach Herkunftsland der
     kann nur schwer eruiert werden, doch ihr Aufkommen           Kunst, verschiedene Ausprägungen und Einflüsse, doch
     wird auf das Anfangszeitalter des Islams geschätzt, eine     hat auch hier die Religion als gemeinsamer Nenner dem
     gängige Lehrmeinung bezieht sich auf den Zeitraum            jüdischen Volk auf der ganzen Welt einen Leitfaden für
     zwischen 650 und 660 nach Christus.                          die Kunst an die Hand gegeben.

     Wir sehen an dieser Datierung, dass die arabische Kal-       Wie auch im Christentum spielt die religiöse Musik im
     ligrafie ungefähr zur selben Zeit entstanden ist, in der     Judentum eine wichtige Rolle und hat daher auch schon
     sich der Islam als Religion etabliert hat. Dadurch ist ein   eine lange Geschichte. Jüdische Musik erstreckt sich
     Zusammenhang naheliegend: Sie hat sich aus der Be-           über einen Zeitraum von rund 3000 Jahren, von der bi-
     schäftigung der Muslime mit ihrem heiligen Buch, dem         blischen Periode über die Diaspora und die Gründung
     Koran, entwickelt und hat eine religiöse Bedeutung.          des Staates Israel bis in die Gegenwart. Ein Faktor, der
                                                                  die jüdische Musik dabei besonders spannend macht, ist
     Das wohl bekannteste Beispiel für islamische Sakralar-       die Diaspora. Durch ihre Zerstreuung kamen die Juden
     chitektur ist die Moschee. Die Moschee ist das Gebets-       im Lauf der Geschichte in Kontakt mit einer Vielzahl
     haus der Muslime und gleichzeitig ein Treffpunkt zum         regionaler musikalischer Stile, Praktiken und Ideen, die
     Lernen und Diskutieren. Grundsätzlich folgt jede Mo-         wiederum ihre eigene Musik prägte.
     schee ungefähr demselben Aufbau und besteht aus dem                Die Musik wird im Judentum nicht als Abbild einer
     Gebetsraum, dem Hof für rituelle Waschungen und ei-          idealen, himmlischen Harmonie, sondern als Ausdruck
     nem oder mehreren Minaretten.                                der persönlichen Hingabe an Gott betrachtet, also ein
          Besonders interessant ist die künstlerische Gestal-     Seelenzustand, der flüchtig ist und nicht mit Noten fest-
     tung einer Moschee. Im Gegensatz zu Kirchen im Chris-        gehalten werden kann. Die einzelne Gesangsstimme als
     tentum gibt es in Moscheen keine bildlichen Darstellun-      Ausdruck religiöser Empfindung eines Menschen bildet
     gen von Menschen oder Tieren, was auf das Bildverbot         daher den Mittelpunkt der traditionellen jüdischen Mu-
     im Islam zurückzuführen ist. Um die Gotteshäuser je-         sik. Da es sich bei der religiösen jüdischen Musik um
     doch trotzdem ansprechend zu gestalten und sozusagen         eine sehr individuelle Ausdrucksform handelt, muss der
     der Schönheit Gottes gerecht werden zu lassen, sind in       Gesang auch nicht unbedingt an fixe harmonische oder
     vielen Moscheen zwei künstlerische Gestaltungselemen-        rhythmische Regelungen gebunden sein.
     te sehr wichtig. Zum ersten die Kalligrafie. Während in
     Kirchen oft biblische Szenen an der Decke oder den           Die jüdische Literatur hat eine sehr lange Tradition als
     Wänden sehr bildhaft und detailgetreu dargestellt wer-       Kunstform im Judentum und ihre Geschichte reicht sehr
     den, werden Verse aus dem Koran in muslimischen              weit zurück. In der Antike befasste sich ein Großteil der

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jüdischen Literatur hauptsächlich mit religiösen Themen.     Um auch über die heutige Situation von Kunstschaffen-
So stand biblische und rabbinische Literatur lange im Vor-   den und deren Arbeit in Israel und den palästinensi-
dergrund. Erst in mittelalterlicher Zeit kamen andere        schen Autonomiegebieten zu sprechen habe ich einige
literarische Gattungen hinzu; etwa ethische oder philo-      Aspekte des Themengebietes recherchiert, um an-
sophische Literatur und die ersten fiktionalen Werke.        hand von Beispielen über die derzeitige Lage und Prob-
                                                             leme sprechen zu können, mit denen Künstler in der
Zu Beginn wurde jüdische Literatur hauptsächlich über        Region konfrontiert werden.
die Sprache definiert. Erst mit dem Aufkommen der sä-
kularen jüdischen Kultur sind Gattungen hinzugekom-          In Israel werden beispielsweise die Förderungen für
men, die den Raum des Hebräischen verlassen haben            Kunst und Kultur leider oft missbraucht, um Macht
und in anderen Sprachen verfasst wurden, die dadurch         auszuüben. Der Staat kann durch die gezielte Förde-
ebenfalls zu Teilen der jüdischen Kultur geworden sind.      rung von Künstlern, die sich in der Frage des Nahost-
Etwa die amerikanisch-jüdische Literatur, die in engli-      konflikts auf die Seite Israels stellen, die Meinungsbil-
scher Sprache begegnet, oder die deutsch-jüdische Lite-      dung der Öffentlichkeit beeinflussen, die durch
ratur, die offenkundig in deutscher Sprache vorliegt. Ge-    veröffentlichte Kunst stattfindet. Künstler, die sich in
rade deutsche jüdische Schriftsteller haben immens           ihrer Arbeit der Regierung gegenüber kritisch äußern
wichtige Beiträge zur Weltliteratur geliefert: Heinrich      oder den Staat Israel oder seine Handlungen öffentlich
Heine, Franz Kafka, Stefan Zweig.                            anzweifeln, werden einfach nicht mehr gefördert, oder

                                                                                                          Foto: © Wolgang Sréter

              Armored Dove of Peace von Banksy
                       in Bethlehem

                                                                                                                                   11
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                                                                           Jedoch hat das Interesse des Westens an modernen
                                                                           Künstlern aus dem Nahen Osten seit Beginn der Zwei-
                                                                           tausenderjahre mit dem Wunsch, den «Anderen» zu
                                                                           verstehen, zugenommen. Palästinensische Künstler sind
                                                                           in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. Gerade
                                                                           durch den andauernden Nahostkonflikt, sind es gerade
                                                                           sie, deren Arbeiten, immer mehr an Beachtung gewin-
                                                                           nen und für den internationalen Kunstmarkt interes-
                                                                           sant werden.

                                                                           Viele Kunstschaffende in Israel und Palästina nutzen
                                                                           ihre Arbeit, um den Nahostkonflikt zu thematisieren.
                                                                           Als Beispiel sei die Streetart auf der Trennungsmauer
     Foto: © Matthias Fryd
                                                                           zwischen dem Westjordanland und Israel genannt, die
     erhalten wesentlich weniger Geld als regierungsfreund-                vor allem in Betlehem durch Beiträge wie die Kunst des
     liche Kollegen. Dabei spielt es oft nicht einmal eine Rol-            Briten „Banksy“ internationale Aufmerksamkeit be-
     le, ob es sich um arabisch-israelische Künstler handelt               kommen haben.
     oder rein israelische. All dies geschieht, obwohl es
     grundsätzlich israelische Gesetze gibt, die die Freiheit              So auch beispielsweise das berühmte Bild der weißen
     der Kunst schützen. 2018 hat die damals amtierende is-                Taube, die mit einem Zweig im Schnabel ganz allge-
     raelische Kulturministerin Miri Regev einen Entwurf                   mein als Symbol für Frieden gilt. Das besondere an der
     für ein Gesetz auf den Weg gebracht, der das Ziel hatte,              Taube ist, dass sie eine Schutzweste trägt. Auf der Brust
     die Förderung von Kultureinrichtungen an deren Loya-                  des Vogels sieht man ein Fadenkreuz, welches darauf
     lität gegenüber dem Staat zu knüpfen.                                 hindeutet, dass jemand auf sie zielen würde. Dieses Bild
                                                                           vermittelt eine starke Botschaft: Frieden in der Region
     Auch auf der palästinensischen Seite müssen Künstler                  ist leider noch weit entfernt, jedoch ein sehr hohes Gut,
     gegen eine Vielzahl von Problemen ankämpfen. Kunst-                   das geschützt werden muss.
     schaffende Institutionen und deren Veranstaltungen wer-
     den kaum bis gar nicht gefördert, Meinungsfreiheit ist
     kaum vorhanden, vor allem nicht im Gazastreifen durch
     die strenge Überwachung der Hamas und innerhalb der
                                                                                             ZUR PERSON
     eigenen Bevölkerung ist die Nachfrage nach Kunst rela-                        Matthias Fryd, 20, hat seinen Internationalen
     tiv gering, da die Armut im Gebiet hoch ist und andere                          Freiwilligeneinsatz im Österreichischen
     Probleme im Alltag einfach wichtiger sind. Es ist nur                        Pilger-Hospiz 2020/21 gemacht. Während der
     verständlich, dass die Menschen in den palästinensi-                          Zeit der Covid-Pandemie war er der einzige
     schen Gebieten mit den Mitteln, die sie haben, in erster                     Freiwillige vor Ort. Nach seinem Einsatz hat er
     Linie versuchen, ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung                                  in Wien begonnen zu studieren.
     und Wohnung zu decken, bevor sie nach kulturellem
     Zeitvertreib suchen.

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Leitartikel      Pilger­
                       herberge   Akademie   Gastbeitrag    Soziales   FRIEDENSDIENST             Chronik    Betrachtung

Ein Jahr im Ausland

                                                                                                                  Foto: © ÖPH

        Zu den alljährlichen Klassikern des Einsatz­
       jahres gehört auch eine Wüstenwanderung mit
                    P. Gregor Geiger ofm.                                    Das Österreichische
                                                                         Pilger-Hospiz zur Heiligen
                                                                            Familie in Jerusalem
              S imon H ammerer , M atthias F ryd                Wird die Frage gestellt, was genau dieses Österreichi-
                                                                sche Pilger-Hospiz in Jerusalem eigentlich ist, wäre

D
        a ein Internationaler Freiwilligeneinsatz einiges       man versucht, es kurz und knapp als Hotel und Kaffee-
        an Vorbereitung sowohl für den Entsendeten              haus für Touristen im Heiligen Land vorzustellen. Doch
        als auch für die Einsatzstelle bedeutet, wäre es        dies ist bei genauerer Betrachtung zu kurz gedacht und
schade um die geleistete Arbeit, wenn ein Freiwilliger          lässt die einzigartigen Seiten des Hospizes außer Acht.
erst nach seinem Dienstantritt bemerkt, dass ein Jahr           Das Österreichische Pilger-Hospiz ist kein „normales“
im Ausland doch nicht das Richtige für ihn ist. So ste-         Hotel – das Österreichische Pilger-Hospiz bietet mehr!
hen sehr grundsätzliche Themen am Beginn unseres Se-
minares: Ein Einblick in die Tätigkeiten des Hauses             1863 eröffnet, 1869 vom Kaiser besucht, ist unser Haus
und die Vielfalt jenes Landes, für das sie sich entschie-       das älteste christliche Pilgergästehaus in Jerusalem und
den haben, um ihre Wehrpflicht mit einer kräftigen              untersteht dem Protektorat des jeweiligen Wiener Erz-
Portion Horizonterweiterung anzureichern.                       bischofs. Im Begriff „Pilgergästehaus“ steckt schon eine
                                                                der Hauptaufgaben: Pilger und Reisende im Heiligen
Wer sich dazu entscheidet, ein ganzes Jahr in einem             Land eine Bleibe zu bieten und sie während ihres Auf-
neuen Umfeld zu arbeiten und zu leben, sollte wissen,           enthaltes zu betreuen. Das historische Hauptgebäude
was auf ihn zukommt und worum es in der Einsatzstel-            und die moderne, erst kürzlich fertiggestellte Casa Aus-
le geht. Israel und die palästinensischen Gebiete sind          tria bieten dabei Platz für bis zu 150 Gäste. Im Wiener
nicht „irgendein Land“; hier steht die lokale Bevölke-          Kaffeehaus „Café Triest“ verwöhnen wir mit österrei-
rung vor besonderen Herausforderungen – und so auch             chischen Spezialitäten und Gerichten, die sich ent-
unsere Freiwilligen.                                            spannt im hauseigenen Garten genießen lassen.

                                                                                                                                13
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     Inmitten des muslimischen Viertels der Altstadt Jerusa-
     lems, direkt an der Via Dolorosa, dem Leidensweg Jesu,
     treffen hier auf engstem Raum die unterschiedlichsten
     Kulturen und Religionen aufeinander. Besonders vor
     Augen geführt wird dies unserem Gast auf der Dachter-
     rasse – einer der schönsten Blicke auf die verschiedenen
     Viertel der Altstadt und die wichtigsten religiösen Stät-
     ten der Menschheit.

     Ein besonderes Augenmerk legt das Hospiz zudem auf
     seine sozialen und kulturellen Agenden. Im Rahmen der           gionen und Kulturen macht vor allem das Leben in der
     „Akademie Österreichisches Hospiz Jerusalem“ werden             Altstadt so spannend. Die religiösen Stätten der drei ab-
     Konzerte, Lesungen und Ausstellungen österreichischer           rahamitischen Religionen in der Altstadt sind zweifels-
     und internationaler KünstlerInnen organisiert. Hier geht        ohne die touristischen Highlights, jedoch gibt es auch
     es auch darum, Menschen, die durch die Politik getrennt         für historisch interessierte Besucher unglaublich viel zu
     sind, durch Wege der Kultur zusammenzuführen. Und               entdecken. Empfehlenswert ist auch, in den kleinen
     aus den Mitteln des Sozialfonds unterstützen wir paläs-         Gassen der Altstadt zu spazieren und so die Stadt zu er-
     tinensische Familien und Kinder in prekären Verhält-            kunden.
     nissen durch verschiedenste Projekte im Westjordan-
     land und in Gaza. Hier gibt es sogar eine Pfarre, die ein       Kommt man von der Altstadt nach Westjerusalem,
     Rektor des Hospizes im 19. Jahrhundert gegründet hat.           stellt man sich vielleicht die Frage, ob man sich noch in
                                                                     derselben Stadt befindet. Im Gegensatz zu Ostjerusalem
                             Freizeit                                und der Altstadt wirkt Westjerusalem europäisch, die
                                                                     anderen Teile aber sehr orientalisch. Hier finden sich
     Bei 34 Stunden pro Arbeitswoche bleibt einem Freiwil-           große Einkaufsstraßen, Shoppingzentren, Restaurants
     ligen auch viel Freizeit, die selbstständig und nach per-       mit internationaler Küche und eine Vielzahl an Bars.
     sönlichen Vorstellungen gestaltet wird. Die Möglichkei-
     ten sind nahezu grenzenlos, ganz gleich, ob sich jemand         Es spricht natürlich auch nichts dagegen, seine freien
     nun mehr für Geschichte und Archäologie oder Religi-            Tage im Haus zu verbringen, sich bei Kaffee und Ku-
     on, Kultur und Kunst begeistert. Israel ist trotz seiner        chen im Garten auszuruhen und mit dem ein oder ande-
     überschaubaren Größe ein unglaublich vielseitiges Rei-          ren Gast interessante Gespräche zu führen und neue Be-
     seland, in dem es so viel zu entdecken gibt, dass manch         kanntschaften zu knüpfen.
     einer das Gefühl bekommen könnte, ein Jahr ist zu                    Im Rahmen der Vorbereitungen für ein Jahr im
     kurz, um das kleine Land am Mittelmeer kennenzuler-             Ausland ist es für jeden Freiwilligen wichtig, sich auch
     nen. Dank einem gut ausgebauten öffentlichen Ver-               mit der Frage der Freizeitgestaltung auseinanderzuset-
     kehrsnetz ist es sehr einfach, sich durch das Land zu           zen. Während man in seinen Dienstzeiten im Hospiz
     bewegen und seine persönlichen Reisepläne mit seinen            viel Arbeitserfahrung sammelt, kann in der Freizeit der
     Dienstzeiten im Hospiz abzustimmen. Fährt man vom               Fokus auf die persönliche Weiterentwicklung und die
     nördlichen bis zum südlichen Teil (ca. 5-6h Fahrzeit),          Erweiterung des eigenen Erfahrungs- und Wissenshori-
     begegnen einem die unterschiedlichsten Landschafts-             zont gelegt werden.
     bilder – von Gebirgszügen über fruchtbare Flusstäler,
     pulsierende Städte und menschenleere Wüsten bis hin             Nicht selten kommt es vor, dass unsere Freiwilligen in
     zum Mittelmeer, Rotem und Totem Meer.                           Jerusalem und bei ihren Reisen durchs Land für sich
                                                                     selbst auch herausfinden, welche Themen sie wirklich
     So wie das Land, ist auch die Stadt Jerusalem sehr di-          interessieren und was sie nach ihrem Einsatz studieren
     vers. Das enge Zusammenleben der verschiedenen Reli-            oder in welchem Gebiet sie arbeiten möchten.

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Leitartikel   Pilger­
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Hausgeschichte

                   M aximilian B auer

D
        as Österreichische Pilger-Hospiz zur Heiligen
        Familie in Jerusalem blickt auf eine sehr rei-
        che, oft herausfordernde, aber interessante Ge-
schichte zurück, welche die historischen Ereignisse in
Europa und im Heiligen Land widerspiegelt. Wir schaf-
fen einen Überblick über die wichtigsten Eckdaten in
unserer Hausgeschichte und ermöglichen so eine kleine          Foto: © Maximilian Bauer

Reise durch Zeit und Gegenwart.                                anlässlich der Eröffnung des Suezkanals, das Heilige
                                                               Land besuchte.
               Gründungsgedanke
                                                                                Erste Tiroler Volkswallfahrt
Im Jahr 1852 schlug der österreichische Vizekonsul Jo-
seph Graf Pizzamano vor, den österreichischen Einfluss         Im Jahr 1898 nahmen über 500 Personen an der ersten
im Heiligen Land durch den Bau einer Pilgerstätte mit          Tiroler Volkswallfahrt, unter der Leitung von Oberst
zugehöriger Kirche zu stärken. Dieser Gedanke ent-             a.D. Heinrich Himmel von Agisburg, ins Heilige Land teil.
sprach dem Zeitgeist, da die Etablierung Österreichs als
weitere Schutzmacht der Katholiken im Heiligen Land                                         Ausbauten
von vielen Seiten gutgeheißen wurde. Der damalige
Erzbischof von Wien, Joseph Othmar Ritter von Rau-             1902 wurde die Anzahl der Schlafplätze für die Pilger
scher, griff diese Idee auf und veranlasste die Errich-        auf 100 erhöht, die Terrasse hinzugefügt und von 1903
tung jener Pilgerstätte, die wir heute kennen.                 bis 1904 das Schwesternhaus errichtet. Im Jahr 1908,
                                                               zum 60. Jahrestag der Thronbesteigung von Kaiser Franz
                      Errichtung                               Joseph, wurde die Kapelle renoviert und mit einem
                                                               prächtigen Glassteinmosaik aus Innsbruck versehen.
Im Jahr 1854 wurde das Grundstück gekauft und die
ersten Pläne für das Gebäude entworfen. Bald darauf                                       Erster Weltkrieg
traten bereits Schwierigkeiten auf, als die Erdarbeiten
die Kosten in die Höhe trieben. Die Baupläne wurden            Im Laufe des Ersten Weltkrieges kam es zu einem Erlie-
abgeändert, sodass die Grundsteinlegung am 31. Dezem-          gen des Pilgerstroms und das Hospiz wurde ab 1916 als
ber 1856 und die Schlusssteinlegung, fast zwei Jahre           Kurhaus für Soldaten geführt. Infolge der britischen
später, am 20. Oktober 1858, erfolgen konnten. Die             Besetzung Jerusalems wurde das Pilgerhaus 1918 in ein
Fertigstellung und Inneneinrichtung fehlten zu diesem          englisches Kinderheim umfunktioniert, bis es Ende Au-
Moment noch.                                                   gust 1919 wieder der österreichischen Kirche überge-
                                                               ben wurde.
                      Eröffnung
                                                                                          Anschluss 1938
Nach der Weihe der Hospizkapelle durch den Lateini-
schen Patriarchen Giuseppe Valerga wurde das Hospiz            Auch nach dem „Anschluss“ nahm das Österreichische
am 19. März 1863 für Pilger geöffnet. Unser erster Gast        Hospiz eine Sonderstellung ein und konnte sich als
kam aus Prag.                                                  kirchliche Einrichtung unter dem Druck des Dritten
                                                               Reiches behaupten.
               Besuch des Kaisers
                                                                  Die Kriegserklärung Großbritanniens
Im November 1869 erfreute sich das Hospiz besonderer
Aufmerksamkeit und eines bedeutenden Prestigezu-               Unmittelbar nach der britischen Kriegserklärung am 3.
wachses im gesamten Reich als Kaiser Franz Joseph I.,          September 1939 wurde das Hospiz beschlagnahmt und

                                                                                                                              15
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                         herberge   Akademie   Gastbeitrag      Soziales   FRIEDENSDIENST              Chronik    Betrachtung

                                                                           Das Österreichische Pilger-Hospiz Ende der
                                                                                           80er Jahre.

                                                                    der Sechstagekrieg ausbrach, das Hospiz erneut in ein
                                                                    Militärkrankenhaus umgewandelt wurde und die israe-
                                                                    lische Armee letztlich die Altstadt Jerusalems besetzte.

                                                                           Schließung des Krankenhauses
                                                                    Im Jahr 1980 entließ das israelische Gesundheitsminis-
                                                                    terium Mitarbeiter des Krankenhauses, woraufhin Pro-
                                                                    teste der arabischen Bevölkerung ausbrachen. Weitere
     Foto: © ÖPH
                                                                    Haushaltskürzungen des israelischen Gesundheitsmi-
     in ein Lager für internierte deutsche und italienische         nisteriums zwangen die Einrichtung am 31. Juli 1985
     Geistliche verwandelt. Am 8. März 1940 wurde der da-           zu schließen.
     malige Rektor Franz Haider in ein Internierungslager                      Rückgabe des Hospizes
     überführt und übergab die Leitung des Hauses an die
     Schwestern, welche im Gebäude verbleiben durften. Spä-         Im Jahr 1985 erhielt der Erzbischof von Wien das Hospiz
     ter wurde das Hospiz geräumt, um ebendort ein Lager            zurück und es konnte am 21. Dezember 1985 bereits
     für britisch-ägyptische Flüchtlinge einzurichten. Im           die erste Messe in der Hauskapelle gefeiert werden. Die
     Jänner 1941 verließen die Flüchtlinge das Hospiz wie-          Wiedereröffnung als Pilgerstätte fand im März 1988 statt.
     der und kurze Zeit später wurde es erneut in ein Inter-
     nierungslager umgewandelt, diesmal für Ordensschwes-                               Gegenwart
     tern aus dem Deutschen Reich. Im Juli 1943 wurde das
     Internierungslager endgültig aufgelöst, woraufhin im           Diese sollten allerdings nicht die letzten Herausforde-
     Mai des nächsten Jahres eine britische Offiziersschule         rungen für das vielgeprüfte Österreichische Pilger-Hos-
     im Haus eingerichtet wurde. Diese wurde 1947 durch             piz werden, wie sowohl die Erste als auch die Zweite In-
     eine Niederlassung der Polizei ersetzt.                        tifada, sowie der Irak-Krieg und aktuell auch die
                                                                    Corona-Krise aufzeigen. Trotz allem ist das Hospiz
        Übernahme durch das Rote Kreuz                              heute eine äußerst erfolgreiche Institution, die Öster-
                                                                    reich im Heiligen Land repräsentiert.
     Nachdem die Briten die Altstadt Jerusalems verlassen
     hatten, wurde das Hospiz ab 1948 vom Roten Kreuz ver­          Seit Mai 2004 hat der gegenwärtige Rektor, Markus
     waltet, unter dessen Leitung ein Militärkrankenhaus ent-       Stephan Bugnyár, die Leitung des Hospizes inne und
     stand. Nach dem Ausbruch des israelischen Unabhängig-          verwirklichte in diesem Zeitraum bereits zukunftswei-
     keitskrieges wurde das Österreichische Hospiz als Feld-        sende Projekte, vor allem den Bau des 2019 eröffneten
     lazarett genutzt. Während dieser Zeit lag die Kontrolle        neues Gästehaustraktes „Casa Austria“.
     in den Händen des Roten Kreuzes und der transjordani-
     schen Verwaltung. Nach dem Waffenstillstand zwischen
     Transjordanien und Israel am 3. April 1949 befand sich
     das Hospiz in transjordanischem Besatzungsgebiet.
                                                                                    ZUR PERSON
                                                                            Maximilian Bauer, geboren 2003 in Wien.
      Vielversprechende Rückgabegespräche                                               Besuchte Schulen:
              und der Sechstagekrieg                                               PVS Judenplatz 2009–2013
                                                                                 AHS BG9 Wasagasse 2013–2021
     1966 war die jordanische Regierung dazu bereit Ver-                     Freiwilligendienst im Österreichischen
     handlungen über die Rückverwandlung des Krankenhau-                             Pilger-Hospiz 2021/22.
     ses in das Österreichische Pilger-Hospiz aufzunehmen,
     diese kamen jedoch zum Erliegen, als am 5. Juni 1967

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Leitartikel   Pilger­
                    herberge   Akademie      Gastbeitrag      Soziales           FRIEDENSDIENST            Chronik     Betrachtung

Ein Friedensdienst im Heiligen Land
braucht einen Trägerverein

                  G eraldine S teiner

B
        ereits seit vielen Jahren ist das Österreichische
        Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie ein sehr ge-
        schätzter Partner für Friedenseinsätze nach §26           Foto: © Geraldine Steiner

des österreichischen Freiwilligengesetzes. Als die Vor-
gängerorganisation der „Internationale Freiwilligenein-
sätze CÖ gGmbH“ 1993 ihren ersten Freiwilligen als                als kulturelles Zentrum, das freundschaftliche Kontak-
sogenannten „Auslandszivildiener“ entsandte, war es               te zwischen den verschiedenen Religionen und Kulturen
Jerusalem, wohin die Reise ging – ein bedeutsamer An-             des Landes unterstützt.
fang. Seither haben zahlreiche Freiwillige ihren Weg ins
Hospiz nach Jerusalem angetreten und ihren Horizont                    Wo einst Kaiser Franz Joseph, der auch als Grün-
erweitert.                                                        dervater gilt, 1869 zu Gast war, trifft man heute zahl-
      Als staatlich akkreditierter Rechtsträger kümmern           reiche PilgerInnen und TouristInnen aus Österreich und
sich die „Internationalen Freiwilligeneinsätze“ um die            anderen Ländern an, immer wieder Persönlichkeiten
formelle Abwicklung von Freiwilligeneinsätzen nach                wie den österreichischen Bundespräsidenten – und auch
§26 des österreichischen Freiwilligengesetzes. Der Ge-            junge Männer, die hier als Freiwillige einen Friedens-
setzgeber unterscheidet dabei Gedenkdienst, Friedens-             dienst absolvieren.
und Sozialdienst, der – wenn die entsprechenden Vor-
aussetzungen erfüllt sind – auch anstelle des Zivildienstes
angerechnet werden kann. Die „Internationalen Frei-
willigeneinsätze“ sind eine gemeinnützige Organisation
in Besitz der Caritas und stehen mit über 30 Jahren Er-
fahrung für Qualität und Seriosität. Schwerpunkte sind
                                                                                              ZUR PERSON
Entsendungen zu Sozialprojekten in Länder des Globa-                         Geraldine Maria Steiner (*1967) ist seit August
len Südens sowie Friedenseinsätze im Österreichischen                        2018 als Referentin der Geschäftsführung beim
Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie in Jerusalem.                             österreichischen Rechtsträger „Internationale
                                                                              Freiwilligeneinsätze“ tätig. Zu ihren inhaltli­
Mehr Informationen zu Friedens- und Sozialeinsätzen:                         chen Schwerpunkten gehören die Kommunika­
www.internationaler-freiwilligeneinsatz.at                                   tion sowie die Kontakte mit den Kooperations­
                                                                               partnern. Davor verantwortete sie bei einem
Apfelstrudel, Sachertorte, dazu eine Mélange – ein                           großen weltweit tätigen Vorarlberger Industrie­
Stückchen Österreich, serviert von einem österreichi-                         unternehmen Employer Branding Kampagnen
schen Zivilersatzdienstleistenden. Was hat das mit Frie-                        mit Fokus Lehrlingsausbildung und war
densdienst zu tun?                                                              Ansprechpartnerin für die internationale
     Das österreichische Pilger-Hospiz befindet sich in                                        Fachpresse.
der Altstadt von Jerusalem und dient als Gästehaus mit
Zimmern, Schlafsälen, Wiener Kaffeehaus, aber auch

                                                                                                                                     17
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     Der Nahe Osten –
     Die neue Heimat verstehen lernen

                           S imon H ammerer

     Z
             iel dieses Themenblocks ist es, sich intensiv mit
             der Geschichte der Region auseinanderzusetzen,
             die verschiedenen Interessensgruppen zu veror-
     ten und Schlussfolgerungen für die heutige sowie zu-
     künftige politische und gesellschaftliche Situation zu
     ziehen.
          Der erste Teil konzentriert sich auf das 19. und
     20. Jahrhundert; auf Zionismus und Staatsgründung               Foto: © Simon Hammerer

     Israels 1948 und deren Folgen. Ein zweiter Teil handelt
     von aktuellen politischen und gesellschaftlichen Gege-          nie als eigener Staat angesehen wurde, da es bei Erobe-
     benheiten.                                                      rungen immer in die bestehenden Herrschaftsgebiete
                                                                     eingegliedert wurde. Im Osmanischen Reich stellte Pa-
                   Region Palästina bis 1947                         lästina somit eine Verwaltungseinheit dar und war für
                                                                     die Osmanen von nicht allzu großer Bedeutung.
     Verbringt man ein Jahr in Israel, besonders in Jerusa-                Im Ersten Weltkrieg wurde Palästina 1917 von
     lem, ist es unumgänglich, sich mit dem Nahost-Konflikt          den Briten eingenommen. Diese hatte von Anfang an
     auseinanderzusetzen. Während des Auslandsjahres be-             mit Unruhen zu kämpfen und wurde dem dauerhaften
     gegnen uns die unterschiedlichsten Ansichten und Nar-           Konflikt zwischen arabischen und jüdischen Einwoh-
     rative israelischer und palästinensischer Prägung, oft          nern nicht Herr. Besonders nach dem Zweiten Welt-
     emotional aufgeladen. Umso wichtiger ist es, dass die           krieg wurden die Stimmen nach einem selbstständigen
     Freiwilligendiener gute Kenntnisse über die politischen         jüdischen Staat lauter und der Druck auf die Briten,
     und historischen Entwicklungen der Region besitzen,             eine Lösung zu finden, größer.
     um die Argumente beider Seiten hinterfragen und in                    Dabei beschäftigte sich Großbritannien schon seit
     Kontext setzen zu können.                                       Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Frage nach einem
          Die Geschichte Palästinas ist umfangreich; geht            jüdischen Staat in dieser Region.
     man in die Tiefe, kann es schnell kompliziert und un-                 Bereits 1917 wurde mit der Balfour-Deklaration
     übersichtlich werden, da sich an diesem relativ kleinen         den Zionisten eine Sympathieerklärung für eine „natio-
     Küstenstreifen enorm viel ereignet hat. Schon seit bibli-       nale Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ ge-
     schen Zeiten ist diese Region, deren Name vom Seevolk           geben. 1937 wurde von der Peel-Kommission erstmals
     der „Philister“ herrührt, heiß umkämpft und galt stets          vorgeschlagen, das Gebiet in einen arabischen und ei-
     als neuralgischer Punkt.                                        nen jüdischen Staat zu teilen. 1939 wurde noch ein
          Bis ins 16. Jahrhundert gab es eine Vielzahl an Kö-        Versuch gestartet, dieses Mal mit dem Ziel der Etablie-
     nig- und Kaiserreichen, beginnend mit dem jüdischen             rung eines gemeinsamen arabisch-jüdischen Staates,
     Königreich (König David und Salomon, ca. 1000 v.                was auch fehlschlug. So kam es, dass sich Großbritan-
     Chr.) über die Babylonier (ca. 600 v.Chr.) und Alexan-          nien 1947 an die Vereinten Nationen wandte, um die
     der dem Großen (ca. 300 v. Chr.) bis zum Römischen              Palästina-Frage zu lösen.
     Reich (ca. 60 v. Chr.), der arabischen Herrschaft (ca.
     600 n.Chr.) und den Kreuzfahrern (ca. 1100 n.Chr.),                               Entwicklungen nach 1947
     um nur einige zu nennen.
          Im 16. Jahrhundert eroberten die Osmanen das               Der UN-Teilungsplan sah vor, dass die Region in einen
     Gebiet von den regierenden Mameluken. 400 Jahre                 israelischen und palästinensischen Staat aufgeteilt wird,
     lang, bis zum Ersten Weltkrieg, war Palästina Teil des          wobei Jerusalem unter internationale UN-Verwaltung
     Osmanischen Reiches. Dabei ist es wichtig, zu erwäh-            gestellt werden sollte. Der Plan wurde von den arabi-
     nen, dass Palästina vor und auch während dieser Zeit            schen Staaten geschlossen abgelehnt, jedoch von den

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Leitartikel             Pilger­
                              herberge   Akademie   Gastbeitrag   Soziales    FRIEDENSDIENST               Chronik    Betrachtung

Foto: © Public Domain

                                                                                   Friedensverhandlungen
                                                                      1975 wurde im Camp-David-Abkommen zum ersten
                                                                      Mal ein Friedensvertrag zwischen einem arabischen
                                                                      Staat, Ägypten, und Israel geschlossen, der unter ande-
                                                                      rem die Rückgabe der Sinai-Halbinsel vorsah. Dem
                                                                      folgte in den 90er Jahren der Oslo-Friedensprozess, in
                                                                      dem sich zum ersten Mal beide Seiten, palästinensische
                                                                      und israelische, gegenseitig anerkannten. Es wurde ver-
                                                                      einbart, dass den Palästinensern die Kontrolle über Gaza
                                                                      und das Westjordanland übergeben wird, die PLO (Pa-
                                                                      lestine Liberation Organization) als offizielle Vertre-
                                                                      tung Palästinas anerkannt und das Westjordanland in
                                                                      verschiedene Zonen (A B C) eingeteilt wird. Heikle Fra-
                                                                      gen bezüglich des Status Jerusalems, der israelischen
                                                                      Siedlungen im Westjordanland oder der Flüchtlingsfra-
                                                                      ge wurden vertagt. Diese wichtigen Punkte konnten im
                                                                      Anschluss an den Osloer Friedensprozess aufgrund der
                                                                      veränderten politischen Landschaft und der explosiven
                                                                      Stimmung während der 2. Intifada nicht mehr verhan-
                                                                      delt werden und warten bis heute auf eine Lösung.
                                                                            Der Nahostkonflikt mag auf den ersten Blick kom-
                                                                      plex, undurchsichtig und verfahren wirken. Das stimmt
                                                                      schon – jedoch ist es keine Lösung, sich mit den erstbes-
                                                                      ten und einfachsten Lösungen zufrieden zu geben.
                                                                            Gerade bei Diskussionen rund um den Nahost-
                                                                      Konflikt ist es von enormer Wichtigkeit, sich stets selbst
                                                                      ein Bild zu machen, sich konstant Wissen zu diesem
                                                                      Thema anzueignen und nicht alles Gesagte unkritisch
                                                                      zu übernehmen.

                                                                      Verwendete Quellen: Martin Bunton – “The Palestini-
                   Der UN-Teilungsplan für das britische
                        Mandatsgebiet Palästina.                      an-Israeli Conflict: A Very Short Introduction”; Bundes-
                                                                      zentrale für politische Bildung; Wikipedia

Juden nach internen Diskussionen angenommen. Als Is-
rael 1948 den Staat Israel ausrief kam es zum Unab-
                                                                                        ZUR PERSON
hängigkeitskrieg, in dem sich der neugegründete Staat                          Simon Hammerer wurde 2000 in NÖ geboren
Israel und die arabischen Staaten gegenüberstanden.                          und absolvierte 2019/2020 seinen Freiwilligen­
Dem Unabhängigkeitskrieg folgten noch weitere Kriege.                         dienst im Österreichischen Pilger-Hospiz. Seit
Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel das Westjordan-                           Herbst 2020 studiert er Volkswirtschaft
land, die Golan-Höhen, Jerusalem und die Sinai-Halb-                          (Wirtschaftsuniversität Wien) und Französisch
insel. Die Kriege hatten zum Teil verheerende Folgen                         (Universität Wien). Neben seinem Studium ist er
für die arabische Bevölkerung. So flüchteten während                             noch weiterhin für das Hospiz tätig, u.a.
des Unabhängigkeitskrieges Tausende Palästinenser –                             arbeitet er an Vorbereitungsseminaren für
dieses Ereignis ist in der palästinensischen Bevölkerung                            zukünftige Freiwilligendiener mit.
bis heute unter dem Namen „Nakba“ (zu deutsch: Kata-
strophe) von besonders traumatischer Bedeutung.

                                                                                                                                    19
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