JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst - Österreichisches Hospiz
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Nr. 26 · 2022 JERUSALEM Themenheft: Freiwilligendienst Besuch der Al-Aqsa-Moschee. Mit freundlicher Sondergenehmigung der muslimischen Religionsgüterverwaltung Waqf dürfen unsere Freiwilligen auch in den Innenbereich der Moscheen. Im Inneren des Felsendoms.
IMPRESSUM: SPENDENAUFRUF Rektor Markus St. Bugnyar, Österreichisches Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie So helfen Sie uns: (Austrian Hospice) Via Dolorosa 37 · P.O.B. 19600 Österreichisches Hospiz – Sozialfonds 91194 Jerusalem AT43 1919 0003 0015 0125 rectorate@austrianhospice.com BSSWATWW Umschlagfotos: © ÖPH Österreichisches Hospiz – Bauspende Die Autoren dieses Magazins sind für AT17 1919 0004 0015 0124 Inhalt und Schlussfolgerungen in ihren Texten BSSWATWW ausschließlich selbst verantwortlich. Aussagen der Gastbeiträge müssen nicht Ich danke Ihnen sehr! die Meinung des Herausgebers widerspiegeln.
FreiwilligeR im Pilger-Hospiz A ls Österreichisches Pilger-Hospiz in Jerusa- lem sind wir unseren Freunden bekannt. Das „Österreichische“ in unserem Namen erschöpft sich nicht in Apfelstrudel und Sacher- torte, sondern will durch alle Bereiche unseres Gästehauses hindurch erfahrbar sein: An der Re- zeption, beim Abendessen, im Kaffeehaus. Das kann die Hausleitung alleine nicht leisten; auch Foto: © Fotostudio Floyd wenn wir mit Lucas J. Maier MA seit diesem März einen in Jerusalem lebenden Steirer als profilierten Viele werden es nicht wissen, darum sei es hier Gästehausmanager bei uns haben. ausdrücklich erwähnt: Mit dem neuen Freiwilli- gengesetz können auch Mädchen einen solchen Für das „typisch Österreichische“ in unserem Haus Einsatz machen! brauchen wir unsere Freiwilligen. Wir zeigen Ih- nen mit dieser Ausgabe der Jerusalem-Korrespon- In einem drei-tägigen Seminar kommen schließ- denz, wie wir unsere Freiwilligen auf ihren Einsatz lich „die Auserwählten“ das erste Mal als Gruppe vorbereiten. Die meisten von ihnen kommen im noch in Österreich zusammen. Dabei helfen uns Rahmen ihrer Suche nach einem „Zivildienst im ehemalige und aktuelle Freiwillige und der Trä- Ausland“ zu uns und bleiben 12 Monate. Ihre Mo- gerverein, den es für die Entsendung als Zwi- tivationslage ist unterschiedlich: Die einen lockt schenglied zwischen Sozialministerium und Ein- der alte religiöse Nimbus der Stadt, andere lassen satzstelle braucht. sich von den vielfältigsten kulturellen Facetten des Landes animieren, andere wiederum wollen den Jerusalem ist eine besondere Stadt. Eine Stadt, die Nahostkonflikt aus nächster Nähe erleben. Selten fasziniert. Manchen lässt sie nicht mehr los. Einige treten diese Motive in ihrer Reinform auf; zumeist unserer Freiwilligen haben sich nach ihrer Zeit bei ist es von Allem ein bisschen was. uns dazu entschlossen, im Land zu bleiben. Auch Lucas, unser neuer Manager, war einst Zivi im Neben Lebenslauf und Motivationsschreiben Hospiz. Dass er nun bei uns Leitungsaufgaben braucht es zum Start einer erfolgreichen Bewer- wahrnimmt, freut mich ganz besonders. bung auch ein Empfehlungsschreiben, von einem Lehrer oder geistlichem Begleiter. Wobei die indi- Unsere Freiwilligen sind kein Zierrat, sondern viel- viduelle Religionszugehörigkeit nicht entschei- mehr das Rückgrat unseres Hauses, das erst so zu dend ist; wie seltsam wäre es denn, wenn wir an- einem „österreichischen“ wird. gesichts der Vielfalt vor unserer Haustür versuchen würden, ein „katholisches Biotop“ im Inneren Ihr propagieren zu wollen. Auch vor selbsterklärten „Atheisten“ schrecke ich nicht zurück; im Gegen- teil. Es ist gerade der Kontrapunkt, der zu den spannendsten Gesprächen und Entwicklungen in jeder Generation führt. Rektor Markus St. Bugnyár Im Laufe der Jahre haben wir die Zahl der „Zivis“ im Haus sukzessive erhöht; aus zwei Gründen. Für den Betrieb des Hauses ist es sinnvoller, Mitarbei- ter zu haben, die so lange als möglich bei uns sind. Das schafft Kontinuität und Verlässlichkeit. Zum anderen war ich selbst mit Anfang 20 als Student in dieser Stadt. Eine Erfahrung, die mich prägt. Das will ich gerne jedem Interessenten ermöglichen. 3
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales Friedensdienst CHRONIK Betrachtung Jerusalem: Hohe Ehrung für Rektor von Österreichs Pilger-Hospiz Lateinischer Patriarch Pizza balla ernennt Markus Bugnyar zum Ehrenkanoniker des Patriarchalkapitels des Heiligen Grabes von Jerusalem K atholische P resseagentur Ö sterreich W ebsite kathpress . at (02.02.2022) J erusalem, 02.02.2022 (KAP) Markus Bugnyar, Rek- tor des Österreichischen Pilger-Hospizes in Jeru salem, ist zum Ehrenkanoniker des Patriarchal kapitels des Heiligen Grabes von Jerusalem ernannt worden. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erz- bischof Pierbattista Pizzaballa, setzte den österreichi- schen Priester zusammen mit einem weiteren Ehren kanoniker, dem italienischen Geistlichen Alfredo Pizzuto, am Mittwoch in sein neues Amt ein. Der 46-jährige Bugnyar leitet seit 2004 das tradi- tionsreiche Österreichische Hospize zur Heiligen Familie Foto: © Simon Hackl Im Anschluss an die feierliche Investitur im in Jerusalem, das älteste nationale Pilgerhaus im Heiligen Lateinischen Patriarchat sehen wir Ehren- Land. Im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem Kanonikus Rektor Markus St. Bugnyár hier vor bekleidet er den Rang eines Komturs. dem Hl. Grab in Jerusalem. Die Rolle der Kanoniker der Grabeskirche sei be- sonders, sagte Pizzaballa laut Katholischer Nachrichten- Anerkennung wirklich mehr als verdient“, dankte Zsif- Agentur (KNA) in seiner Ansprache. Die Grabeskirche kovics in einem Kathpress vorliegenden Schreiben Bug- sei weit mehr als eine Kathedrale, sie sei das Herz der nyar für dessen „äußert umsichtige und mit großer Kom Kirche Jerusalems und der Universalkirche. Selbst wenn petenz“ wahrgenommene Leitung des Österreichischen es dem Kanoniker nicht immer möglich sei, in der Gra- Pilger-Hospizes in Jerusalem. Letzteres sei nicht mehr beskirche zu beten, sei er eingeladen, „so gut wie mög- bloß ein Gästehaus, sondern „längst ein wichtiger Fak- lich im Rhythmus und Atem der Grabeskirche zu beten, tor im interkonfessionellen und interreligiösen Dialog“. spirituell mit dem Ort vereint zu sein und für die Kirche Der gebürtige Wiener Bugnyar war nach Studien Jerusalems zu beten“, so der Patriarch. an der Universität Wien und im Theologischen Studien- Bugnyar äußerte Dankbarkeit und Freude über die jahr der Jerusalemer Dormitio-Abtei im Jahr 2000 zum Ernennung. Die Grabeskirche sei „nicht irgendeine Priester der Diözese Eisenstadt geweiht worden. Er Kirche“, sondern „von hier nahm die Kirche ihren Weg wirkte zunächst als Kaplan in Mattersburg und Walders- in die Welt“, sagte er. Die ehrenvolle Auszeichnung ver- dorf. Von 2001 bis zu seiner Berufung zum Pilger- stehe er als Auftrag zu reifen und zu dienen. Hospiz-Rektor studierte Bugnyar an der von französi- Aus Österreich gratulierte unter anderem der Eisen- schen Dominikanern geführten Hochschule für Bibel - städter Bischof Ägidius Zsifkovics. „Du hast Dir diese wissenschaft und Biblische Archäologie in Jerusalem. 4
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales Friedensdienst CHRONIK Betrachtung Investiture of two Honorary Canons of the Holy Sepulchre Latin Patriarchate Website lpj.org (3rd Febr. 2022) A n Order of Canons of the Holy Sepulchre was instituted at the end of the First Crusade in 1099, to look after the Church and to ensure the liturgy in the Holy Places. Recognized by a bull of Pope Paschal II in 1113 and subject from 1114 to the Rule of St. Augustine, the canonical Order of the Holy Sepulchre spread to monasteries throughout Europe af- ter the fall of the Latin Kingdom of Jerusalem, eventu- ally evolving far from the Holy Land. However, it should not be confused with the Chap- ter of Canons of the Holy Sepulchre, which is governed by canon law and was created for the Diocese of Jerusa- Foto: © Andrea Krogmann Rektor Markus St. Bugnyár spricht die Professio lem, when the Latin Patriarchate was re-established in fidei vor Patriarch Pierbattista Pizzaballa. 1847. It is a college of priests to whom it falls to per- form more solemn liturgical functions in the cathedral or collegiate church of the diocese, or any other function profession of faith and the oath of fidelity, one hand ex- that may be entrusted to them by law or by the diocesan tended over the Bible presented by His Beatitude. bishop (Can. 503). This canonry is a distinction that The Patriarch then blessed and handed the insig- rewards exceptional dedication to the Church of the nia of the new canons to them: the white mozzetta (short Holy Land and its members. cape with buttons) with a red Jerusalem cross embroi- The effective canons are members of the local cler- dered on the left side, and the three-pointed black cubic gy, while the title of honorary canon is reserved for cler- hat, surmounted by the magenta pompom characteris- gymen who do not belong to the Diocese of Jerusalem, tic of the canons, whether effective or honorary. such as the two new members of the Canonical Chapter The Patriarch recalled that although the honorary of the Holy Sepulchre. canons cannot always go to the Holy Sepulchre, they The rite is simple and somewhat similar to a litur- are spiritually united to it and must pray for the Church gy of the word, but still retains some particularities. and the Diocese of Jerusalem, the heart of the Church. Yesterday, the entrance in procession was thus followed Their presence in their respective dioceses further by a reading and proclamation of the Gospel; then the strengthens the link between their communities, the two future canons knelt before the main altar of the co- Holy Sepulchre, which is the cathedral of the Mother cathedral, on either side of the Patriarch, for the invo- Church of Jerusalem, and the Christians of the Holy cation to the Holy Spirit, before pronouncing each the Land. 5
Leitartikel PILGERH ERBERGE Akademie Gastbeitrag SOZIALES Friedensdienst Chronik Betrachtung Spenden-Rechenschaftsbericht In Zeiten von Corona sind wir bei einem leeren Pilger-Hospiz in Jerusalem und einem nur sporadisch möglichem Kaffeehausbetrieb zur Gänze von der Großherzigkeit unserer Freunde abhängig. Kosten laufen weiter, Rechnungen nichts ändern. Das muss uns bewusst sein. Es erinnert uns aber auch daran, dass wir bislang jede Krise ge- sind zu bezahlen. Gemeinsam meistert haben! Nicht alleine, sondern mit Euch! haben wir Unglaubliches geschafft! Hier gilt es, eine Zwischenbilanz Ich will Ihnen über das gemeinsam Erreichte ganz ehr- zu ziehen. lich berichten. Es ist eine Zwischenbilanz: Die Pande- mie ist nicht vorüber, die Grenzen sind nicht wirklich M arkus S t . B ugnyár offen. Für den gesamten Herbst hatten uns die erwarte- ten Gruppen – unsere Hoffnung seit dem Jahresbeginn! S ie erinnern sich: Im März 2020 mussten wir alle ein – endgültig abgesagt. Ehrlich gesagt, kann auch noch neues Wort lernen und erfahren, wie es sich an- niemand genau sagen, wie die Osterzeit aussehen wird. fühlt: Lockdown. Geschlossene Grenzen, gesperrte Lufträume, definierte Ausgangszeiten, begrenzte Bewe- Sie erinnern sich: Im März 2020 galt meine erste Sorge gungsmöglichkeiten. Innerhalb weniger Tage sind un- jenen MitarbeiterInnen, die durch keine Absicherung sere Gäste beinahe fluchtartig abgereist. Seitdem steht un- des Staates gedeckt waren. Zwölf von 46 Angestellten ser geliebtes Österreichisches Pilger-Hospiz an der Via standen mit ihren Angehörigen von heute auf morgen Dolorosa in der Altstadt Jerusalems vollkommen leer. vor dem fühlbaren Nichts. Wir sind eine kirchliche Einrichtung, wir haben Wir alle wissen, dass auch ein leeres Haus verwaltet auch eine soziale Verantwortung. Nicht maximale Pro- werden muss; dass wir auf Gästeanfragen antworten fitsteigerung ist meine Maxime, sondern gelebte Sorge müssen, dass wir Rechnungen zu bezahlen haben und für die mir anvertrauten Menschen. es Schlüsselarbeitskräfte braucht, die ich nicht heim- schicken kann. Das Hospiz ist Arbeitgeber. Das ist konkrete „Hilfe vor Ort“, ein gerechtes und solides Einkommen für ein men- „Stolz und Sorgenkind“ – so formulierte es der öster schenwürdiges Auskommen im Alltag. Das Pilger-Hos- reichische Botschafter Arthur Breycha-Vauthier im Jahr piz wurde für Pilger gegründet. Pilger, die durch ihre 1972 an den damaligen Rektor Franz Sauer – wurde Wallfahrt nicht nur sich selbst, sondern auch den Men- zum aufrüttelnden Leitmotiv meines wöchentlichen schen des Landes Hoffnung und Perspektive geben. Briefes zur aktuellen Lage in Haus und Land. Bis heute sind es gezählte 114 Aussendungen. Immer wieder gilt Mit dem ersten Spendenaufruf haben Sie dafür gesorgt, es, die richtigen Worte zu finden, um die Herzen unse- dass diese Zwölf denselben Anteil an Kurzzeitarbeits- rer Freunde zu erreichen. zahlungen bekommen konnten wie auch ihre Kollegen von staatlicher Seite. Warum waren nicht auch sie be- Schon 1972 wurde dieses „Stück Heimat in der Stadt zugsberechtigt? Weil sie etwa aus der palästinensischen Jesu“ so selbstverständlich „Stolz und Sorgenkind“ ge- Westbank stammen und so keine israelische Identitäts- nannt: Das illustriert sehr anschaulich, wie wir immer karte besitzen; hier im Land ein bekanntes Phänomen. wieder in dieser Weltgegend in eine sehr prekäre Situa- Mit ihrer Hilfe konnten wir helfen: für das täglich Brot, tion geraten können. Daran wird sich auch künftig für das Schulgeld der Kinder. 6
Leitartikel PILGERH ERBERGE Akademie Gastbeitrag SOZIALES Friedensdienst Chronik Betrachtung Foto: © Jakob Levi Tauchner Ein unübliches Bild: Die Jerusalemer Altstadt menschenleer Corona breitete sich aus und der Lockdown wurde län- hatten wir einen Schwesternkonvent oder in Kriegszeiten ger. Es geht nicht mehr nur um unsere Mitarbeiter, son- doch noch die eine oder andere kleine Gruppe. dern vielmehr um die laufenden Betriebskosten des Hospizes. Der Stillstand kostet Geld. Das Haus ist groß Ich habe – Sie erinnern sich – die monatlichen Fixkos- und alt. Strom und Wasser haben wir reduziert, doch ten unseres Hauses beständig mit 40.000 Euro beziffert; Instandhaltungen, Wasserrohrbrüche, kaputte Geräte das bedarf einer Präzisierung und ist ein Durchschnitts- orientieren sich nicht am Lockdown – sie ereignen sich wert. Denn sobald es möglich war, haben wir natürlich auch ohne Gäste im Haus. Im Haus anwesend waren – wie andere Lokalitäten auch, wie auch zuhause – un- (von mir selbst abgesehen) noch die Freiwilligen, deren ser Kaffeehaus geöffnet. Das bedeutet sofort mehr Mit- Dienst im Sommer endete. Sie haben geputzt und ent- arbeiter im Café und in der Küche logischerweise; nicht rümpelt, den Garten versorgt, die Zimmer gestrichen. zu vergessen, mehr Waren müssen eingekauft werden und jemand am Eingang die hier geltenden Regeln kon- Abends lag das Haus vollkommen im Dunkeln. Wir ha- trollieren. ben sogar die Notlichter ausgeschaltet, um Strom zu sparen. Wir haben die bereits eingekauften Lebensmit- In Phasen der bescheidenen Öffnung liegen automatisch teln für die erwarteten und nun ausbleibenden Gäste auch die Ausgaben höher. Dabei kann niemand wissen, verzehrt. Oft genug auch deutlich jenseits des Haltbar- wann wir wieder schließen müssen. Aber ich hielte es für keitsdatums. Nach dem Motto: „Mindestens haltbar äußerst fragwürdig, wenn wir ohne eigenen Beitrag ein- bis“ bedeutet ja nicht: „Sicher tödlich ab“. fach auf Spenden hoffen würden! Wann immer es mög- Wir haben es mit Humor genommen, wenngleich lich war, haben wir auch selbst gearbeitet. Logisch! ich gestehe: Manchmal fühlte sich die Menschenleere gespenstisch an. Ich bin überzeugt, niemals zuvor gab Wer sind unsere Gäste, wenn die Grenzen dicht und es Tage in der Geschichte des Hauses, in denen der Rek- Flüge spärlich sind? Palästinenser wie Israelis, die man- tor tatsächlich völlig alleine die Stellung hielt. Am Ende gels Reisemöglichkeiten die Schönheiten des eigenen gab es nur noch einen Freiwilligen und mich. Früher Landes erkunden. Tourguides haben sich neu orientiert 7
Leitartikel PILGERH ERBERGE Akademie Gastbeitrag SOZIALES Friedensdienst Chronik Betrachtung und mit ihnen auch wir. Wir haben (für uns ein Novum, denn so groß ist unser Haus auch wieder nicht als das es für gewöhnlich nicht mit Pilgern gänzlich gefüllt wer- den könnte) Wege gesucht, diese lokale Bevölkerung zu erreichen. Wir wollen beitragen mit unserer eigenen Hände Arbeit zu unserem Lebensunterhalt. Wir können nicht einfach darauf warten, dass schon irgendwer unsere Rechnun- gen bezahlen wird. In Österreich könnten wir vielleicht Foto: © ÖPH Diesmal sind nicht Sie zu uns zur Ostermesse die Hilfen für Gastronomie und Hotellerie beantragen, gekommen, sondern wir haben Ihnen die Messe doch hier nicht. Für kirchliche Gästehäuser existieren nach Hause gebracht solche Modelle hier nicht und für einen Antrag in Öster- reich kommen wir nicht in Betracht, da wir eben in ei- nem anderen Land liegen. einen vertrauenden Menschen ist Jerusalem immer im Mittelpunkt! Wir lassen uns keinesfalls entmutigen. Das Hospiz hat so vieles schon erlebt und überlebt; gemeinsam schaffen Unser Hospiz aufzugeben, bedeutet, unsere Verbindung wir auch das! zu Jesus in Frage zu stellen. Er hat hier gelebt, litt an diesem Ort, starb für jeden von uns, wurde auferweckt, Ich habe Wege gesucht, SIE ZU ERREICHEN! Über so- wird wieder kommen, exakt hierher … und wir ziehen ziale Netzwerke, über unsere Homepage www.jeru- uns mutlos zurück? Das kommt für mich nicht in Be- salempilger.at. Wir haben gemeinsam Gottesdienste ge- tracht! Für Sie etwa? feiert und ich habe Sie mit kleinen Videos mitgenommen Wenn uns Corona gerade nicht in die Knie zwingt, zu den Heiligen Stätten. Wenn Sie nicht nach Jerusalem dann weil wir Hoffnung haben! Hoffnung, die von Jesus kommen können, dann bringen wir eben Jerusalem zu ausgeht, der Tod, Angst, Einsamkeit überwindet. Ohne ihn Ihnen! Mehr als 4000 Menschen weltweit haben mit uns sind wir nichts. Noch nie zuvor wurde mir das so deutlich. Ostern auf unserer Dachterrasse gefeiert: mit Blick auf die heilige Grabeskirche. Erlauben Sie mir konkret zu werden Sie haben ein Recht Eine einzigartige Erfahrung, die viele Früchte trägt! darauf! Wer spendet muss erfahren, was mit seinem Ich war tagelang beschäftigt, alle Zuschriften zu beant- Geld geschieht. 1. Für unsere Mitarbeiter im Pilgerhos- worten. Das war ein schönes Gefühl, das mich tief be- piz und 2. für den laufenden Betrieb. rührt hat. Ich will von Herzen Danke sagen für diese Mittlerweile konnten wir die Rechnungsprüfung für wunderbare Erfahrung! das Jahr 2020 und das erste Halbjahr 2021 abschlie- ßen; die Zahlen sind also für diesen Zeitraum endgül- Wir haben informiert, gesammelt, geschrieben, ge- tig. Die Pandemie aber hält uns weiter in Geiselhaft. dankt, von Neuem erbeten und erbittet. Alles im siche- ren Wissen, dass nur eines selbstverständlich ist: Jeru- Am 23. März 2020 ging mein erster Aufruf an un- salem. Wäre es nicht diese Stadt, die Stadt Jesu, hätte seren Freundeskreis; schon einige Tage davor haben die ich vor langer Zeit schon aufgegeben! besonders hellhörigen Freunde reagiert. Wir haben hier mit unserem Hospiz eine eigene Adresse Im Kalenderjahr 2020 haben Sie exakt 394.958,35 an der Via Dolorosa, inmitten der Altstadt von Jerusa- Euro gespendet; im ersten Halbjahr 2021 waren es lem. Viele Jahrhunderte hindurch glaubten Menschen, 161.662,79 Euro. dies hier sei das Zentrum der Welt. Auch wenn das geo- Zusätzlich kann ich Ihnen auch bereits die Zahlen für graphisch nicht stimmen mag: Für einen glaubenden, den Sommer 2021 nennen: 8
Leitartikel PILGERH ERBERGE Akademie Gastbeitrag SOZIALES Friedensdienst Chronik Betrachtung Im Juli 2021 waren es 60.400,30 Euro, sätzliche Spenden zu lukrieren. 2. Das Buch von Florian im August 46.203,00 Euro Schiemer, „Im Auge des Orkan“, die Hauschroniken und im September 13.220,00 Euro. des Pilgerhospizes, mit dem wir intensiv Werbung ma- chen für das Heilige Land. Diese beiden Projekte wur- Das sind in Summe 676.444,44 Euro im Zeitraum März den zur Gänze durch Sie finanziert und helfen uns ent- 2020 bis September 2021. scheidend, unseren Aktionsradius sichtbar zu erweitern. Wir sprechen hier von insgesamt 19 Monaten, die Für die Produktion von „Reise nach Jerusalem“ haben durchschnittlich mit 40.000 Euro zu Buche schlagen. Sie 17.452,30 gespendet; für „Im Auge des Orkan“ Von prognostizierten 760.000 Euro haben Sie alleine 12.205,00 Euro. an die 677.000 Euro gestemmt. Das ist wirklich abso lut und zutiefst beeindruckend! Andere Häuser im Heiligen Land nützen den Leerstand für Renovierungen. Obwohl das bei unserem Hauptge- Noch mehr, wenn man weiß, dass es lediglich 4.146 bäude notwendig wäre, können wir uns eine solche Inves- Email-Adressen sind, die uns zur Verfügung stehen so- tition im Moment nicht leisten. Wir müssen in Etappen wie 5.537 Postadressen in Österreich und 152 Adressen renovieren, damit wir konkurrenzfähig bleiben können. in anderen europäischen Ländern. Das ist wahrlich ein Deshalb hatten wir uns für ein übersichtliches und in sich überschaubarer Kreis. Und dennoch haben wir gemein- abschließbares Projekt entschieden: e inen neuen Emp- sam Unglaubliches erreicht. Ich bin Ihnen, den Spen- fangsbereich. Die Möbel sind da, wir warten auf die dern unter den Lesern dieses Rechenschaftsberichtes, Monteure aus Österreich; sobald die Grenzen aufgehen, unaussprechlich dankbar! wird die neue Rezeption installiert. Auch dieses Projekt haben Sie für uns geschultert mit 72.725,00 Euro. Zwei Dinge liegen dabei auf der Hand: Eine Postaus- sendung ist kostenintensiver als eine Email. Ich bitte In Summe haben die drei Crowdfundig-Aktionen nachdrücklich um Verzeihung und Verständnis, wenn also 102.382,30 Euro ergeben. jemand den Eindruck hatte, er bekommt zu viele Emails von mir. Was hätte ich denn sonst tun können. Das bedeutet: Sie haben seit März 2020 insgesamt Und: Für die Lücken in der Finanzierung sind wir 778.826,74 Euro an unser aller Pilger-Hospiz ge selbst aufgekommen, aus Rücklagen aus den „guten spendet. Zeiten“ vor der Pandemie. Es gibt sinnvollerweise – ich erzählte Ihnen mehrfach davon – eine „eiserne Reserve“ Das ist gewaltig und macht mich sprachlos. Ich hätte des Hauses. Deren Einlage nun zu zerbröseln beginnt. niemals gedacht, dass mir so etwas gelingen kann. Wie wohl auch niemand von uns gedacht hat, dass wir je- In dieser Weltgegend müssen wir leider immer mit einer mals eine Krise wie diese erleben müssen. Gewalteskalation rechnen; mit Attentaten, die Pilger abschrecken, oder einem Krieg, der zu Stornierungen Corona ist noch nicht vorbei. Bis jetzt sind wir mit ei- bei unseren Buchungen führt. Was wenn auf diese Pan- nem dunkelblauen Auge davongekommen. demie eine Intifada folgt? Dann sind wir schlicht bank- rott. Dem muss ich entgegensteuern. Das ist meine erste Diese Krise ist für uns alle existentiell: Aufgabe in dieser Zeit. Und ich weiß: Ohne Sie kann ich Für Sie. das nicht! Für Ihre Angehörigen und Freunde. Auch für uns: Ihr Österreichische Pilger-Hospiz Doch das ist noch nicht alles. Sie haben uns ebenso bei in Jerusalem. drei Crowdfunding-Aktionen unter die Arme gegriffen. 1. Mein Buch „Reise nach Jerusalem“, das unseren Ich bitte Sie herzlich weiterhin um Ihre wertvolle Hilfe. Freunden Lust aufs Pilgern macht und uns hilft, zu- Wir brauchen Sie nach wie vor! Ich danke Ihnen sehr! 9
Leitartikel Pilger herberge Akademie GASTBEITRAG Soziales Friedensdienst Chronik Betrachtung Arabisch-islamische und jüdische Kunst M atthias F ryd akralbauten nur als Kalligrafien dargestellt. Zum an- S deren sind Ornamente und geometrische Muster ein D er Islam hatte seit seiner Etablierung als domi- wichtiges Element der Dekoration. Hier bietet der Fel- nierende Religion im Orient einen enormen sendom in Jerusalem ein gutes Beispiel, denn nicht nur Einfluss auf die arabische Welt und deren Ein- im Inneren, sondern auch auf der Außenfassade sind wohner, die bis heute durch ihren Glauben einen star- unzählige farbenprächtige Muster angebracht. ken Zusammenhalt haben. Daher ist es kein Wunder, dass auch in der Kunst die Religion eine ganz zentrale Im Gegensatz zum Orient als Geographischem Raum Rolle spielt und zu deren Entwicklung maßgeblich bei- für den Islam hat es in der Vergangenheit keine einheit- getragen hat. Die Unterschiede zwischen sakraler und liche Umgebung gegeben, wo sich eine eigenständige jü- profaner Kunst sind gering. dische Kunst abgeschottet von äußeren Einflüssen ent- wickeln hätte können. Viel eher ist es sinnvoll, sich ein Unter arabischer Kalligrafie wird die kunstvoll ausge- paar Beispiele anzusehen, welche Formen der Kunst das führte Handschrift der arabischen Schrift verstanden. Judentum hervorgebracht hat bevor der Staat Israel Die genaue Entstehungsgeschichte dieser Kunstform entstanden ist. Zwar gibt es, je nach Herkunftsland der kann nur schwer eruiert werden, doch ihr Aufkommen Kunst, verschiedene Ausprägungen und Einflüsse, doch wird auf das Anfangszeitalter des Islams geschätzt, eine hat auch hier die Religion als gemeinsamer Nenner dem gängige Lehrmeinung bezieht sich auf den Zeitraum jüdischen Volk auf der ganzen Welt einen Leitfaden für zwischen 650 und 660 nach Christus. die Kunst an die Hand gegeben. Wir sehen an dieser Datierung, dass die arabische Kal- Wie auch im Christentum spielt die religiöse Musik im ligrafie ungefähr zur selben Zeit entstanden ist, in der Judentum eine wichtige Rolle und hat daher auch schon sich der Islam als Religion etabliert hat. Dadurch ist ein eine lange Geschichte. Jüdische Musik erstreckt sich Zusammenhang naheliegend: Sie hat sich aus der Be- über einen Zeitraum von rund 3000 Jahren, von der bi- schäftigung der Muslime mit ihrem heiligen Buch, dem blischen Periode über die Diaspora und die Gründung Koran, entwickelt und hat eine religiöse Bedeutung. des Staates Israel bis in die Gegenwart. Ein Faktor, der die jüdische Musik dabei besonders spannend macht, ist Das wohl bekannteste Beispiel für islamische Sakralar- die Diaspora. Durch ihre Zerstreuung kamen die Juden chitektur ist die Moschee. Die Moschee ist das Gebets- im Lauf der Geschichte in Kontakt mit einer Vielzahl haus der Muslime und gleichzeitig ein Treffpunkt zum regionaler musikalischer Stile, Praktiken und Ideen, die Lernen und Diskutieren. Grundsätzlich folgt jede Mo- wiederum ihre eigene Musik prägte. schee ungefähr demselben Aufbau und besteht aus dem Die Musik wird im Judentum nicht als Abbild einer Gebetsraum, dem Hof für rituelle Waschungen und ei- idealen, himmlischen Harmonie, sondern als Ausdruck nem oder mehreren Minaretten. der persönlichen Hingabe an Gott betrachtet, also ein Besonders interessant ist die künstlerische Gestal- Seelenzustand, der flüchtig ist und nicht mit Noten fest- tung einer Moschee. Im Gegensatz zu Kirchen im Chris- gehalten werden kann. Die einzelne Gesangsstimme als tentum gibt es in Moscheen keine bildlichen Darstellun- Ausdruck religiöser Empfindung eines Menschen bildet gen von Menschen oder Tieren, was auf das Bildverbot daher den Mittelpunkt der traditionellen jüdischen Mu- im Islam zurückzuführen ist. Um die Gotteshäuser je- sik. Da es sich bei der religiösen jüdischen Musik um doch trotzdem ansprechend zu gestalten und sozusagen eine sehr individuelle Ausdrucksform handelt, muss der der Schönheit Gottes gerecht werden zu lassen, sind in Gesang auch nicht unbedingt an fixe harmonische oder vielen Moscheen zwei künstlerische Gestaltungselemen- rhythmische Regelungen gebunden sein. te sehr wichtig. Zum ersten die Kalligrafie. Während in Kirchen oft biblische Szenen an der Decke oder den Die jüdische Literatur hat eine sehr lange Tradition als Wänden sehr bildhaft und detailgetreu dargestellt wer- Kunstform im Judentum und ihre Geschichte reicht sehr den, werden Verse aus dem Koran in muslimischen weit zurück. In der Antike befasste sich ein Großteil der 10
Leitartikel Pilger herberge Akademie GASTBEITRAG Soziales Friedensdienst Chronik Betrachtung jüdischen Literatur hauptsächlich mit religiösen Themen. Um auch über die heutige Situation von Kunstschaffen- So stand biblische und rabbinische Literatur lange im Vor- den und deren Arbeit in Israel und den palästinensi- dergrund. Erst in mittelalterlicher Zeit kamen andere schen Autonomiegebieten zu sprechen habe ich einige literarische Gattungen hinzu; etwa ethische oder philo- Aspekte des Themengebietes recherchiert, um an- sophische Literatur und die ersten fiktionalen Werke. hand von Beispielen über die derzeitige Lage und Prob- leme sprechen zu können, mit denen Künstler in der Zu Beginn wurde jüdische Literatur hauptsächlich über Region konfrontiert werden. die Sprache definiert. Erst mit dem Aufkommen der sä- kularen jüdischen Kultur sind Gattungen hinzugekom- In Israel werden beispielsweise die Förderungen für men, die den Raum des Hebräischen verlassen haben Kunst und Kultur leider oft missbraucht, um Macht und in anderen Sprachen verfasst wurden, die dadurch auszuüben. Der Staat kann durch die gezielte Förde- ebenfalls zu Teilen der jüdischen Kultur geworden sind. rung von Künstlern, die sich in der Frage des Nahost- Etwa die amerikanisch-jüdische Literatur, die in engli- konflikts auf die Seite Israels stellen, die Meinungsbil- scher Sprache begegnet, oder die deutsch-jüdische Lite- dung der Öffentlichkeit beeinflussen, die durch ratur, die offenkundig in deutscher Sprache vorliegt. Ge- veröffentlichte Kunst stattfindet. Künstler, die sich in rade deutsche jüdische Schriftsteller haben immens ihrer Arbeit der Regierung gegenüber kritisch äußern wichtige Beiträge zur Weltliteratur geliefert: Heinrich oder den Staat Israel oder seine Handlungen öffentlich Heine, Franz Kafka, Stefan Zweig. anzweifeln, werden einfach nicht mehr gefördert, oder Foto: © Wolgang Sréter Armored Dove of Peace von Banksy in Bethlehem 11
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Jedoch hat das Interesse des Westens an modernen Künstlern aus dem Nahen Osten seit Beginn der Zwei- tausenderjahre mit dem Wunsch, den «Anderen» zu verstehen, zugenommen. Palästinensische Künstler sind in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. Gerade durch den andauernden Nahostkonflikt, sind es gerade sie, deren Arbeiten, immer mehr an Beachtung gewin- nen und für den internationalen Kunstmarkt interes- sant werden. Viele Kunstschaffende in Israel und Palästina nutzen ihre Arbeit, um den Nahostkonflikt zu thematisieren. Als Beispiel sei die Streetart auf der Trennungsmauer Foto: © Matthias Fryd zwischen dem Westjordanland und Israel genannt, die erhalten wesentlich weniger Geld als regierungsfreund- vor allem in Betlehem durch Beiträge wie die Kunst des liche Kollegen. Dabei spielt es oft nicht einmal eine Rol- Briten „Banksy“ internationale Aufmerksamkeit be- le, ob es sich um arabisch-israelische Künstler handelt kommen haben. oder rein israelische. All dies geschieht, obwohl es grundsätzlich israelische Gesetze gibt, die die Freiheit So auch beispielsweise das berühmte Bild der weißen der Kunst schützen. 2018 hat die damals amtierende is- Taube, die mit einem Zweig im Schnabel ganz allge- raelische Kulturministerin Miri Regev einen Entwurf mein als Symbol für Frieden gilt. Das besondere an der für ein Gesetz auf den Weg gebracht, der das Ziel hatte, Taube ist, dass sie eine Schutzweste trägt. Auf der Brust die Förderung von Kultureinrichtungen an deren Loya- des Vogels sieht man ein Fadenkreuz, welches darauf lität gegenüber dem Staat zu knüpfen. hindeutet, dass jemand auf sie zielen würde. Dieses Bild vermittelt eine starke Botschaft: Frieden in der Region Auch auf der palästinensischen Seite müssen Künstler ist leider noch weit entfernt, jedoch ein sehr hohes Gut, gegen eine Vielzahl von Problemen ankämpfen. Kunst- das geschützt werden muss. schaffende Institutionen und deren Veranstaltungen wer- den kaum bis gar nicht gefördert, Meinungsfreiheit ist kaum vorhanden, vor allem nicht im Gazastreifen durch die strenge Überwachung der Hamas und innerhalb der ZUR PERSON eigenen Bevölkerung ist die Nachfrage nach Kunst rela- Matthias Fryd, 20, hat seinen Internationalen tiv gering, da die Armut im Gebiet hoch ist und andere Freiwilligeneinsatz im Österreichischen Probleme im Alltag einfach wichtiger sind. Es ist nur Pilger-Hospiz 2020/21 gemacht. Während der verständlich, dass die Menschen in den palästinensi- Zeit der Covid-Pandemie war er der einzige schen Gebieten mit den Mitteln, die sie haben, in erster Freiwillige vor Ort. Nach seinem Einsatz hat er Linie versuchen, ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung in Wien begonnen zu studieren. und Wohnung zu decken, bevor sie nach kulturellem Zeitvertreib suchen. 12
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Ein Jahr im Ausland Foto: © ÖPH Zu den alljährlichen Klassikern des Einsatz jahres gehört auch eine Wüstenwanderung mit P. Gregor Geiger ofm. Das Österreichische Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie in Jerusalem S imon H ammerer , M atthias F ryd Wird die Frage gestellt, was genau dieses Österreichi- sche Pilger-Hospiz in Jerusalem eigentlich ist, wäre D a ein Internationaler Freiwilligeneinsatz einiges man versucht, es kurz und knapp als Hotel und Kaffee- an Vorbereitung sowohl für den Entsendeten haus für Touristen im Heiligen Land vorzustellen. Doch als auch für die Einsatzstelle bedeutet, wäre es dies ist bei genauerer Betrachtung zu kurz gedacht und schade um die geleistete Arbeit, wenn ein Freiwilliger lässt die einzigartigen Seiten des Hospizes außer Acht. erst nach seinem Dienstantritt bemerkt, dass ein Jahr Das Österreichische Pilger-Hospiz ist kein „normales“ im Ausland doch nicht das Richtige für ihn ist. So ste- Hotel – das Österreichische Pilger-Hospiz bietet mehr! hen sehr grundsätzliche Themen am Beginn unseres Se- minares: Ein Einblick in die Tätigkeiten des Hauses 1863 eröffnet, 1869 vom Kaiser besucht, ist unser Haus und die Vielfalt jenes Landes, für das sie sich entschie- das älteste christliche Pilgergästehaus in Jerusalem und den haben, um ihre Wehrpflicht mit einer kräftigen untersteht dem Protektorat des jeweiligen Wiener Erz- Portion Horizonterweiterung anzureichern. bischofs. Im Begriff „Pilgergästehaus“ steckt schon eine der Hauptaufgaben: Pilger und Reisende im Heiligen Wer sich dazu entscheidet, ein ganzes Jahr in einem Land eine Bleibe zu bieten und sie während ihres Auf- neuen Umfeld zu arbeiten und zu leben, sollte wissen, enthaltes zu betreuen. Das historische Hauptgebäude was auf ihn zukommt und worum es in der Einsatzstel- und die moderne, erst kürzlich fertiggestellte Casa Aus- le geht. Israel und die palästinensischen Gebiete sind tria bieten dabei Platz für bis zu 150 Gäste. Im Wiener nicht „irgendein Land“; hier steht die lokale Bevölke- Kaffeehaus „Café Triest“ verwöhnen wir mit österrei- rung vor besonderen Herausforderungen – und so auch chischen Spezialitäten und Gerichten, die sich ent- unsere Freiwilligen. spannt im hauseigenen Garten genießen lassen. 13
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Inmitten des muslimischen Viertels der Altstadt Jerusa- lems, direkt an der Via Dolorosa, dem Leidensweg Jesu, treffen hier auf engstem Raum die unterschiedlichsten Kulturen und Religionen aufeinander. Besonders vor Augen geführt wird dies unserem Gast auf der Dachter- rasse – einer der schönsten Blicke auf die verschiedenen Viertel der Altstadt und die wichtigsten religiösen Stät- ten der Menschheit. Ein besonderes Augenmerk legt das Hospiz zudem auf seine sozialen und kulturellen Agenden. Im Rahmen der gionen und Kulturen macht vor allem das Leben in der „Akademie Österreichisches Hospiz Jerusalem“ werden Altstadt so spannend. Die religiösen Stätten der drei ab- Konzerte, Lesungen und Ausstellungen österreichischer rahamitischen Religionen in der Altstadt sind zweifels- und internationaler KünstlerInnen organisiert. Hier geht ohne die touristischen Highlights, jedoch gibt es auch es auch darum, Menschen, die durch die Politik getrennt für historisch interessierte Besucher unglaublich viel zu sind, durch Wege der Kultur zusammenzuführen. Und entdecken. Empfehlenswert ist auch, in den kleinen aus den Mitteln des Sozialfonds unterstützen wir paläs- Gassen der Altstadt zu spazieren und so die Stadt zu er- tinensische Familien und Kinder in prekären Verhält- kunden. nissen durch verschiedenste Projekte im Westjordan- land und in Gaza. Hier gibt es sogar eine Pfarre, die ein Kommt man von der Altstadt nach Westjerusalem, Rektor des Hospizes im 19. Jahrhundert gegründet hat. stellt man sich vielleicht die Frage, ob man sich noch in derselben Stadt befindet. Im Gegensatz zu Ostjerusalem Freizeit und der Altstadt wirkt Westjerusalem europäisch, die anderen Teile aber sehr orientalisch. Hier finden sich Bei 34 Stunden pro Arbeitswoche bleibt einem Freiwil- große Einkaufsstraßen, Shoppingzentren, Restaurants ligen auch viel Freizeit, die selbstständig und nach per- mit internationaler Küche und eine Vielzahl an Bars. sönlichen Vorstellungen gestaltet wird. Die Möglichkei- ten sind nahezu grenzenlos, ganz gleich, ob sich jemand Es spricht natürlich auch nichts dagegen, seine freien nun mehr für Geschichte und Archäologie oder Religi- Tage im Haus zu verbringen, sich bei Kaffee und Ku- on, Kultur und Kunst begeistert. Israel ist trotz seiner chen im Garten auszuruhen und mit dem ein oder ande- überschaubaren Größe ein unglaublich vielseitiges Rei- ren Gast interessante Gespräche zu führen und neue Be- seland, in dem es so viel zu entdecken gibt, dass manch kanntschaften zu knüpfen. einer das Gefühl bekommen könnte, ein Jahr ist zu Im Rahmen der Vorbereitungen für ein Jahr im kurz, um das kleine Land am Mittelmeer kennenzuler- Ausland ist es für jeden Freiwilligen wichtig, sich auch nen. Dank einem gut ausgebauten öffentlichen Ver- mit der Frage der Freizeitgestaltung auseinanderzuset- kehrsnetz ist es sehr einfach, sich durch das Land zu zen. Während man in seinen Dienstzeiten im Hospiz bewegen und seine persönlichen Reisepläne mit seinen viel Arbeitserfahrung sammelt, kann in der Freizeit der Dienstzeiten im Hospiz abzustimmen. Fährt man vom Fokus auf die persönliche Weiterentwicklung und die nördlichen bis zum südlichen Teil (ca. 5-6h Fahrzeit), Erweiterung des eigenen Erfahrungs- und Wissenshori- begegnen einem die unterschiedlichsten Landschafts- zont gelegt werden. bilder – von Gebirgszügen über fruchtbare Flusstäler, pulsierende Städte und menschenleere Wüsten bis hin Nicht selten kommt es vor, dass unsere Freiwilligen in zum Mittelmeer, Rotem und Totem Meer. Jerusalem und bei ihren Reisen durchs Land für sich selbst auch herausfinden, welche Themen sie wirklich So wie das Land, ist auch die Stadt Jerusalem sehr di- interessieren und was sie nach ihrem Einsatz studieren vers. Das enge Zusammenleben der verschiedenen Reli- oder in welchem Gebiet sie arbeiten möchten. 14
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Hausgeschichte M aximilian B auer D as Österreichische Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie in Jerusalem blickt auf eine sehr rei- che, oft herausfordernde, aber interessante Ge- schichte zurück, welche die historischen Ereignisse in Europa und im Heiligen Land widerspiegelt. Wir schaf- fen einen Überblick über die wichtigsten Eckdaten in unserer Hausgeschichte und ermöglichen so eine kleine Foto: © Maximilian Bauer Reise durch Zeit und Gegenwart. anlässlich der Eröffnung des Suezkanals, das Heilige Land besuchte. Gründungsgedanke Erste Tiroler Volkswallfahrt Im Jahr 1852 schlug der österreichische Vizekonsul Jo- seph Graf Pizzamano vor, den österreichischen Einfluss Im Jahr 1898 nahmen über 500 Personen an der ersten im Heiligen Land durch den Bau einer Pilgerstätte mit Tiroler Volkswallfahrt, unter der Leitung von Oberst zugehöriger Kirche zu stärken. Dieser Gedanke ent- a.D. Heinrich Himmel von Agisburg, ins Heilige Land teil. sprach dem Zeitgeist, da die Etablierung Österreichs als weitere Schutzmacht der Katholiken im Heiligen Land Ausbauten von vielen Seiten gutgeheißen wurde. Der damalige Erzbischof von Wien, Joseph Othmar Ritter von Rau- 1902 wurde die Anzahl der Schlafplätze für die Pilger scher, griff diese Idee auf und veranlasste die Errich- auf 100 erhöht, die Terrasse hinzugefügt und von 1903 tung jener Pilgerstätte, die wir heute kennen. bis 1904 das Schwesternhaus errichtet. Im Jahr 1908, zum 60. Jahrestag der Thronbesteigung von Kaiser Franz Errichtung Joseph, wurde die Kapelle renoviert und mit einem prächtigen Glassteinmosaik aus Innsbruck versehen. Im Jahr 1854 wurde das Grundstück gekauft und die ersten Pläne für das Gebäude entworfen. Bald darauf Erster Weltkrieg traten bereits Schwierigkeiten auf, als die Erdarbeiten die Kosten in die Höhe trieben. Die Baupläne wurden Im Laufe des Ersten Weltkrieges kam es zu einem Erlie- abgeändert, sodass die Grundsteinlegung am 31. Dezem- gen des Pilgerstroms und das Hospiz wurde ab 1916 als ber 1856 und die Schlusssteinlegung, fast zwei Jahre Kurhaus für Soldaten geführt. Infolge der britischen später, am 20. Oktober 1858, erfolgen konnten. Die Besetzung Jerusalems wurde das Pilgerhaus 1918 in ein Fertigstellung und Inneneinrichtung fehlten zu diesem englisches Kinderheim umfunktioniert, bis es Ende Au- Moment noch. gust 1919 wieder der österreichischen Kirche überge- ben wurde. Eröffnung Anschluss 1938 Nach der Weihe der Hospizkapelle durch den Lateini- schen Patriarchen Giuseppe Valerga wurde das Hospiz Auch nach dem „Anschluss“ nahm das Österreichische am 19. März 1863 für Pilger geöffnet. Unser erster Gast Hospiz eine Sonderstellung ein und konnte sich als kam aus Prag. kirchliche Einrichtung unter dem Druck des Dritten Reiches behaupten. Besuch des Kaisers Die Kriegserklärung Großbritanniens Im November 1869 erfreute sich das Hospiz besonderer Aufmerksamkeit und eines bedeutenden Prestigezu- Unmittelbar nach der britischen Kriegserklärung am 3. wachses im gesamten Reich als Kaiser Franz Joseph I., September 1939 wurde das Hospiz beschlagnahmt und 15
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Das Österreichische Pilger-Hospiz Ende der 80er Jahre. der Sechstagekrieg ausbrach, das Hospiz erneut in ein Militärkrankenhaus umgewandelt wurde und die israe- lische Armee letztlich die Altstadt Jerusalems besetzte. Schließung des Krankenhauses Im Jahr 1980 entließ das israelische Gesundheitsminis- terium Mitarbeiter des Krankenhauses, woraufhin Pro- teste der arabischen Bevölkerung ausbrachen. Weitere Foto: © ÖPH Haushaltskürzungen des israelischen Gesundheitsmi- in ein Lager für internierte deutsche und italienische nisteriums zwangen die Einrichtung am 31. Juli 1985 Geistliche verwandelt. Am 8. März 1940 wurde der da- zu schließen. malige Rektor Franz Haider in ein Internierungslager Rückgabe des Hospizes überführt und übergab die Leitung des Hauses an die Schwestern, welche im Gebäude verbleiben durften. Spä- Im Jahr 1985 erhielt der Erzbischof von Wien das Hospiz ter wurde das Hospiz geräumt, um ebendort ein Lager zurück und es konnte am 21. Dezember 1985 bereits für britisch-ägyptische Flüchtlinge einzurichten. Im die erste Messe in der Hauskapelle gefeiert werden. Die Jänner 1941 verließen die Flüchtlinge das Hospiz wie- Wiedereröffnung als Pilgerstätte fand im März 1988 statt. der und kurze Zeit später wurde es erneut in ein Inter- nierungslager umgewandelt, diesmal für Ordensschwes- Gegenwart tern aus dem Deutschen Reich. Im Juli 1943 wurde das Internierungslager endgültig aufgelöst, woraufhin im Diese sollten allerdings nicht die letzten Herausforde- Mai des nächsten Jahres eine britische Offiziersschule rungen für das vielgeprüfte Österreichische Pilger-Hos- im Haus eingerichtet wurde. Diese wurde 1947 durch piz werden, wie sowohl die Erste als auch die Zweite In- eine Niederlassung der Polizei ersetzt. tifada, sowie der Irak-Krieg und aktuell auch die Corona-Krise aufzeigen. Trotz allem ist das Hospiz Übernahme durch das Rote Kreuz heute eine äußerst erfolgreiche Institution, die Öster- reich im Heiligen Land repräsentiert. Nachdem die Briten die Altstadt Jerusalems verlassen hatten, wurde das Hospiz ab 1948 vom Roten Kreuz ver Seit Mai 2004 hat der gegenwärtige Rektor, Markus waltet, unter dessen Leitung ein Militärkrankenhaus ent- Stephan Bugnyár, die Leitung des Hospizes inne und stand. Nach dem Ausbruch des israelischen Unabhängig- verwirklichte in diesem Zeitraum bereits zukunftswei- keitskrieges wurde das Österreichische Hospiz als Feld- sende Projekte, vor allem den Bau des 2019 eröffneten lazarett genutzt. Während dieser Zeit lag die Kontrolle neues Gästehaustraktes „Casa Austria“. in den Händen des Roten Kreuzes und der transjordani- schen Verwaltung. Nach dem Waffenstillstand zwischen Transjordanien und Israel am 3. April 1949 befand sich das Hospiz in transjordanischem Besatzungsgebiet. ZUR PERSON Maximilian Bauer, geboren 2003 in Wien. Vielversprechende Rückgabegespräche Besuchte Schulen: und der Sechstagekrieg PVS Judenplatz 2009–2013 AHS BG9 Wasagasse 2013–2021 1966 war die jordanische Regierung dazu bereit Ver- Freiwilligendienst im Österreichischen handlungen über die Rückverwandlung des Krankenhau- Pilger-Hospiz 2021/22. ses in das Österreichische Pilger-Hospiz aufzunehmen, diese kamen jedoch zum Erliegen, als am 5. Juni 1967 16
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Ein Friedensdienst im Heiligen Land braucht einen Trägerverein G eraldine S teiner B ereits seit vielen Jahren ist das Österreichische Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie ein sehr ge- schätzter Partner für Friedenseinsätze nach §26 Foto: © Geraldine Steiner des österreichischen Freiwilligengesetzes. Als die Vor- gängerorganisation der „Internationale Freiwilligenein- sätze CÖ gGmbH“ 1993 ihren ersten Freiwilligen als als kulturelles Zentrum, das freundschaftliche Kontak- sogenannten „Auslandszivildiener“ entsandte, war es te zwischen den verschiedenen Religionen und Kulturen Jerusalem, wohin die Reise ging – ein bedeutsamer An- des Landes unterstützt. fang. Seither haben zahlreiche Freiwillige ihren Weg ins Hospiz nach Jerusalem angetreten und ihren Horizont Wo einst Kaiser Franz Joseph, der auch als Grün- erweitert. dervater gilt, 1869 zu Gast war, trifft man heute zahl- Als staatlich akkreditierter Rechtsträger kümmern reiche PilgerInnen und TouristInnen aus Österreich und sich die „Internationalen Freiwilligeneinsätze“ um die anderen Ländern an, immer wieder Persönlichkeiten formelle Abwicklung von Freiwilligeneinsätzen nach wie den österreichischen Bundespräsidenten – und auch §26 des österreichischen Freiwilligengesetzes. Der Ge- junge Männer, die hier als Freiwillige einen Friedens- setzgeber unterscheidet dabei Gedenkdienst, Friedens- dienst absolvieren. und Sozialdienst, der – wenn die entsprechenden Vor- aussetzungen erfüllt sind – auch anstelle des Zivildienstes angerechnet werden kann. Die „Internationalen Frei- willigeneinsätze“ sind eine gemeinnützige Organisation in Besitz der Caritas und stehen mit über 30 Jahren Er- fahrung für Qualität und Seriosität. Schwerpunkte sind ZUR PERSON Entsendungen zu Sozialprojekten in Länder des Globa- Geraldine Maria Steiner (*1967) ist seit August len Südens sowie Friedenseinsätze im Österreichischen 2018 als Referentin der Geschäftsführung beim Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie in Jerusalem. österreichischen Rechtsträger „Internationale Freiwilligeneinsätze“ tätig. Zu ihren inhaltli Mehr Informationen zu Friedens- und Sozialeinsätzen: chen Schwerpunkten gehören die Kommunika www.internationaler-freiwilligeneinsatz.at tion sowie die Kontakte mit den Kooperations partnern. Davor verantwortete sie bei einem Apfelstrudel, Sachertorte, dazu eine Mélange – ein großen weltweit tätigen Vorarlberger Industrie Stückchen Österreich, serviert von einem österreichi- unternehmen Employer Branding Kampagnen schen Zivilersatzdienstleistenden. Was hat das mit Frie- mit Fokus Lehrlingsausbildung und war densdienst zu tun? Ansprechpartnerin für die internationale Das österreichische Pilger-Hospiz befindet sich in Fachpresse. der Altstadt von Jerusalem und dient als Gästehaus mit Zimmern, Schlafsälen, Wiener Kaffeehaus, aber auch 17
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Der Nahe Osten – Die neue Heimat verstehen lernen S imon H ammerer Z iel dieses Themenblocks ist es, sich intensiv mit der Geschichte der Region auseinanderzusetzen, die verschiedenen Interessensgruppen zu veror- ten und Schlussfolgerungen für die heutige sowie zu- künftige politische und gesellschaftliche Situation zu ziehen. Der erste Teil konzentriert sich auf das 19. und 20. Jahrhundert; auf Zionismus und Staatsgründung Foto: © Simon Hammerer Israels 1948 und deren Folgen. Ein zweiter Teil handelt von aktuellen politischen und gesellschaftlichen Gege- nie als eigener Staat angesehen wurde, da es bei Erobe- benheiten. rungen immer in die bestehenden Herrschaftsgebiete eingegliedert wurde. Im Osmanischen Reich stellte Pa- Region Palästina bis 1947 lästina somit eine Verwaltungseinheit dar und war für die Osmanen von nicht allzu großer Bedeutung. Verbringt man ein Jahr in Israel, besonders in Jerusa- Im Ersten Weltkrieg wurde Palästina 1917 von lem, ist es unumgänglich, sich mit dem Nahost-Konflikt den Briten eingenommen. Diese hatte von Anfang an auseinanderzusetzen. Während des Auslandsjahres be- mit Unruhen zu kämpfen und wurde dem dauerhaften gegnen uns die unterschiedlichsten Ansichten und Nar- Konflikt zwischen arabischen und jüdischen Einwoh- rative israelischer und palästinensischer Prägung, oft nern nicht Herr. Besonders nach dem Zweiten Welt- emotional aufgeladen. Umso wichtiger ist es, dass die krieg wurden die Stimmen nach einem selbstständigen Freiwilligendiener gute Kenntnisse über die politischen jüdischen Staat lauter und der Druck auf die Briten, und historischen Entwicklungen der Region besitzen, eine Lösung zu finden, größer. um die Argumente beider Seiten hinterfragen und in Dabei beschäftigte sich Großbritannien schon seit Kontext setzen zu können. Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Frage nach einem Die Geschichte Palästinas ist umfangreich; geht jüdischen Staat in dieser Region. man in die Tiefe, kann es schnell kompliziert und un- Bereits 1917 wurde mit der Balfour-Deklaration übersichtlich werden, da sich an diesem relativ kleinen den Zionisten eine Sympathieerklärung für eine „natio- Küstenstreifen enorm viel ereignet hat. Schon seit bibli- nale Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ ge- schen Zeiten ist diese Region, deren Name vom Seevolk geben. 1937 wurde von der Peel-Kommission erstmals der „Philister“ herrührt, heiß umkämpft und galt stets vorgeschlagen, das Gebiet in einen arabischen und ei- als neuralgischer Punkt. nen jüdischen Staat zu teilen. 1939 wurde noch ein Bis ins 16. Jahrhundert gab es eine Vielzahl an Kö- Versuch gestartet, dieses Mal mit dem Ziel der Etablie- nig- und Kaiserreichen, beginnend mit dem jüdischen rung eines gemeinsamen arabisch-jüdischen Staates, Königreich (König David und Salomon, ca. 1000 v. was auch fehlschlug. So kam es, dass sich Großbritan- Chr.) über die Babylonier (ca. 600 v.Chr.) und Alexan- nien 1947 an die Vereinten Nationen wandte, um die der dem Großen (ca. 300 v. Chr.) bis zum Römischen Palästina-Frage zu lösen. Reich (ca. 60 v. Chr.), der arabischen Herrschaft (ca. 600 n.Chr.) und den Kreuzfahrern (ca. 1100 n.Chr.), Entwicklungen nach 1947 um nur einige zu nennen. Im 16. Jahrhundert eroberten die Osmanen das Der UN-Teilungsplan sah vor, dass die Region in einen Gebiet von den regierenden Mameluken. 400 Jahre israelischen und palästinensischen Staat aufgeteilt wird, lang, bis zum Ersten Weltkrieg, war Palästina Teil des wobei Jerusalem unter internationale UN-Verwaltung Osmanischen Reiches. Dabei ist es wichtig, zu erwäh- gestellt werden sollte. Der Plan wurde von den arabi- nen, dass Palästina vor und auch während dieser Zeit schen Staaten geschlossen abgelehnt, jedoch von den 18
Leitartikel Pilger herberge Akademie Gastbeitrag Soziales FRIEDENSDIENST Chronik Betrachtung Foto: © Public Domain Friedensverhandlungen 1975 wurde im Camp-David-Abkommen zum ersten Mal ein Friedensvertrag zwischen einem arabischen Staat, Ägypten, und Israel geschlossen, der unter ande- rem die Rückgabe der Sinai-Halbinsel vorsah. Dem folgte in den 90er Jahren der Oslo-Friedensprozess, in dem sich zum ersten Mal beide Seiten, palästinensische und israelische, gegenseitig anerkannten. Es wurde ver- einbart, dass den Palästinensern die Kontrolle über Gaza und das Westjordanland übergeben wird, die PLO (Pa- lestine Liberation Organization) als offizielle Vertre- tung Palästinas anerkannt und das Westjordanland in verschiedene Zonen (A B C) eingeteilt wird. Heikle Fra- gen bezüglich des Status Jerusalems, der israelischen Siedlungen im Westjordanland oder der Flüchtlingsfra- ge wurden vertagt. Diese wichtigen Punkte konnten im Anschluss an den Osloer Friedensprozess aufgrund der veränderten politischen Landschaft und der explosiven Stimmung während der 2. Intifada nicht mehr verhan- delt werden und warten bis heute auf eine Lösung. Der Nahostkonflikt mag auf den ersten Blick kom- plex, undurchsichtig und verfahren wirken. Das stimmt schon – jedoch ist es keine Lösung, sich mit den erstbes- ten und einfachsten Lösungen zufrieden zu geben. Gerade bei Diskussionen rund um den Nahost- Konflikt ist es von enormer Wichtigkeit, sich stets selbst ein Bild zu machen, sich konstant Wissen zu diesem Thema anzueignen und nicht alles Gesagte unkritisch zu übernehmen. Verwendete Quellen: Martin Bunton – “The Palestini- Der UN-Teilungsplan für das britische Mandatsgebiet Palästina. an-Israeli Conflict: A Very Short Introduction”; Bundes- zentrale für politische Bildung; Wikipedia Juden nach internen Diskussionen angenommen. Als Is- rael 1948 den Staat Israel ausrief kam es zum Unab- ZUR PERSON hängigkeitskrieg, in dem sich der neugegründete Staat Simon Hammerer wurde 2000 in NÖ geboren Israel und die arabischen Staaten gegenüberstanden. und absolvierte 2019/2020 seinen Freiwilligen Dem Unabhängigkeitskrieg folgten noch weitere Kriege. dienst im Österreichischen Pilger-Hospiz. Seit Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel das Westjordan- Herbst 2020 studiert er Volkswirtschaft land, die Golan-Höhen, Jerusalem und die Sinai-Halb- (Wirtschaftsuniversität Wien) und Französisch insel. Die Kriege hatten zum Teil verheerende Folgen (Universität Wien). Neben seinem Studium ist er für die arabische Bevölkerung. So flüchteten während noch weiterhin für das Hospiz tätig, u.a. des Unabhängigkeitskrieges Tausende Palästinenser – arbeitet er an Vorbereitungsseminaren für dieses Ereignis ist in der palästinensischen Bevölkerung zukünftige Freiwilligendiener mit. bis heute unter dem Namen „Nakba“ (zu deutsch: Kata- strophe) von besonders traumatischer Bedeutung. 19
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