Journal Adlershof - Adlershof.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Adlershof Journal Mai | Juni 2021 Gute Nachrichten: Unserer Science-Community gehen die Ideen nicht aus Neue Realität: Visuelle Überraschungen: Frikadelle aus dem Bioreaktor: Ungewohnte Wege in der PR Werbespots von Angry Hamster-Film Pilzbasierter Fleischersatz
Adlershof Journal MAI | JUNI 2021 18 12 16 INHALT AUS DER REDAKTION 3 ESSAY Mehr Mut zum Dialog „Ach, dafür haben Sie Zeit?“: Warum Forschende, die Wissen- schaft transparent machen, belohnt werden sollten Die Zeiten von Forschung im Elfenbeinturm sind lange vorbei. Ob Klimakrise, Gendebatte oder aktuell die Coronapandemie – es 4 IM GESPRÄCH MIT gibt ein gesteigertes Interesse der Gesellschaft an Wissenschaft. Peter Strunk und Cindy Böhme, die bekannte und die neue Das zeigen nicht zuletzt Millionen Aufrufe der Podcast-Reihe vom Stimme Adlershofs Norddeutschen Rundfunk mit dem Virologen Christian Drosten oder des YouTube-Kanals „MaiLab“ von der Wissenschaftsjourna- 6 TITELTHEMA listin Mai Thi Nguyen-Kim. Auf der anderen Seite werden wissen- Wie in der Krise kommunizieren? Ein Erfahrungsbericht des schaftsskeptische Stimmen lauter. Aufgabe der Wissenschafts- WISTA-Kommunikationsteams nach einem Jahr Coronapandemie kommunikation ist daher nicht nur, Forschung verständlich zu machen. Bei der Informationsflut wird es auch wichtiger, aufzuklä- 9 MENSCHEN ren, einzuordnen und somit immer wieder Glaubwürdigkeit und Der Atomefänger: Markus Krutzik erforscht Grundlagen und Anwendungen hochpräziser Messgeräte Vertrauen für die Arbeit der Forschenden zu festigen. Wie Wissenschaftskommunikation heute funktioniert, erzählen 10 NACHGEFRAGT Anja Wirsing und Oliver Perzborn (S. 14 f.). Über Chancen und Risi- Sehen und verstehen: „Lange Nacht der Wissenschaften“ ken von Public Relations in der Krise berichtet das Kommunikati- am 5. Juni 2021 coronabedingt abgesagt, Sondersendung bei „radioeins“ onsteam der WISTA Management GmbH (S. 6 ff.). Dessen Chef und Pressesprecher des Technologieparks Adlershof ist Peter Strunk. 12 CAMPUS Er schreibt seit über 20 Jahren am Drehbuch der Erfolgsgeschich- Für Bürgerbeteiligung übers Wasser gehen: Zum 1. Juli startet te Adlershofs. Jetzt hat Cindy Böhme die Sprecherfunktion über- das Experimentallabor „AnthropoScenes” nommen. Was beide antreibt, verraten sie im Interview (S. 4 f.). Den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu inten- 14 FORSCHUNG sivieren und zu verstetigen soll auch mit neuen Formaten wie Die neue Realität: Digital und hybrid statt analog – ungewohnte Wege in der Öffentlichkeitsarbeit dem Experimentallabor „AnthropoScenes“, das im Juli die Arbeit aufnimmt, gelingen (S. 12 f.). Das Experimentallabor verbindet 16 UNTERNEHMEN Theater und Wissenschaften miteinander und thematisiert den Frikadelle aus dem Bioreaktor: Mushlabs GmbH nutzt Pilzzellen Umgang der Menschen mit ihren Ressourcen am Beispiel von für die Produktion eines veganen Fleischersatzes Wasser. Unmittelbar vor dem Druck dieses Heftes erreichte die Redaktion 18 MEDIEN die Absage der diesjährigen „Langen Nacht der Wissenschaften“. Zwei Cineasten und ein Hamster machen Werbung: Erklärfilme sind mehr als eine filmische Gebrauchsanweisung Kleiner Trost für Wissenschaftsfans: Es gibt Digitalangebote und eine Sondersendung auf „radioeins“ am 5. Juni 2021 um 19 Uhr. 20 GRÜNDER Unterschätzt werde auch das Medium Film bei der Wissenschafts- Voll im Bilde: Grafische Lösungen für geisteswissenschaftliche kommunikation, zumindest was das Thema Erklärfilme angeht. Inhalte Neu in Adlershof ist die Full-Service-Agentur Angry Hamster 22 KURZNACHRICHTEN | IMPRESSUM UG die nicht nur Bildungsangebote zu einem cineastischen Genuss werden lässt. (S. 18 f.) Ihre Ausführliche Texte und Adlershofer Termine finden Sie unter: Sylvia Nitschke www.adlershof.de/journal Chefredakteurin
ESSAY „Ach, dafür haben Sie Zeit?“ Ganz genau, und ich sage Ihnen jetzt auch, warum Das mit Corona ist schwierig. Womöglich steckt Bill Gates Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Da reichen keine dahinter, der ohnehin die Weltgesundheitsorganisation kontrol- Talkshows und kein cooler YouTube Channel über Wissenschaft. liert, um überall auf der Welt Menschen zwangsimpfen zu lassen. Da hilft keine charismatische Wissenschaftlerin, egal ob Nobel- Er will uns allen Microchips implantieren. Es könnte auch sein, preis-gekürt oder nicht, die all den Humbug öffentlich verurteilt. dass „die Chinesen“ mit Viren experimentiert haben und SARS- Da hilft keine Skeptiker-Bewegung. Das ist alles zu spät, weil die CoV-2 aus einem Labor in Wuhan freigesetzt wurde. Auf jeden Fall Weltbilder längst verfestigt sind. aber nutzt die Bundesregierung die Pandemie, um die Demokratie Schule hilft. So wie in den Schulen mehr und mehr „Media auszuhebeln. Sie schreckt dabei nicht davor zurück, eine Masken- Literacy“ (Medienkompetenz/Anm. d. Red.) gelehrt wird, sollte pflicht bei einer an sich harmlosen Erkrankung einzuführen, ob- auch „Scientific Literacy“ ins Curriculum. Das heißt konkret: Lehr- wohl doch schon Kinder durch das Masketragen gestorben sind. kräfte aus- und weiterbilden und ihnen zeigen, wie Wissenschaft All das sind Behauptungen, die im Internet kursieren, zum Teil von heute geht. Wissenschaftler/-innen in Kindergärten und Schu- namhaften Forschenden unterstützt, und millionenfach geteilt len schicken und den Kindern die wissenschaftliche Methode werden. Immer wieder berufen sich Demonstrierende gegen die nahebringen. Und zugleich darauf achten, sich nicht über Coronamaßnahmen auf die ein oder andere Aussage. Wunderglauben – sei er nun katholisch, anthroposophisch oder verschwörungsmythisch – lustig zu machen. Soll man sich jetzt darüber lustig machen? Oder sich die Mühen machen, alle oben aufgeführten Behauptungen als das zu entlar- Nur hilft uns das jetzt nicht weiter, wenn Corona grassiert. Wenn ven, was sie sind: Fake News, Falschaussagen, Verschwörungser- Gurus und Querdenker auftreten und gegen „die Wissenschaft“ zählungen? Das „Debunking“, wie die Entlarvung auf Englisch so hetzen. Wenn Forschende bedroht werden, weil sie aufklären, und schön heißt, ist wichtig und notwendig. Damit ist es jedoch nicht so zermürbt werden, dass sie mit ihrer öffentlichen Kommunika- getan. Es gibt solche verqueren Weltbilder ja nicht erst seit Corona. tion aufhören. „Chemtrails“ heißen die Kondensstreifen von Flugzeugen in be- Fazit: Klassische Aufklärung hilft nur bedingt, weil die Weltbilder stimmten Kreisen. Sie enthalten angeblich Stoffe, die uns gefügig zu verfestigt sind. Viel wichtiger ist es, die Menschen ernst zu machen sollen. Zu abgedreht? Was ist mit Chlorbleiche (MMS) nehmen. Auch wenn sie einem närrisch vorkommen. Das heißt, gegen Autismus? In Frankfurt an der Oder gab es an der Euro- immer wieder diskutieren, immer wieder Wissenschaft mitsamt pa-Universität Viadrina ein „Institut für transkulturelle Gesund- dem Prozess des Forschens, Zweifelns und Validierens transparent heitswissenschaften“, das mit hanebüchenen Masterarbeiten machen – und zwar durch die Forschenden selbst. Dafür müssen (unter anderem zu einem „Kozyrev-Spiegel“, der Hellsehen und sie belohnt und nicht von der eigenen Leitung bestraft werden: Kontakt zu Toten ermögliche) Schlagzeilen machte. „Ach, dafür haben Sie Zeit?“ Genau! Die Antwort lautet: „Ja, dafür Wer das als „Alle bekloppt“ abtut, verkennt, dass es oft höher brauche ich Zeit!“ Gebildete sind, die an Verschwörungsmythen glauben. Für mich ist jeder einzelne dieser Menschen auch eine Mahnung Josef Zens leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen an Forschende und deren Institutionen, verantwortungsvolle GeoForschungsZentrum GFZ, Helmholtz-Zentrum Potsdam. Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 3
INTERVIEW Name: Peter Strunk Beruf: Historiker Jahrgang: 1955 Wohnort: Berlin-Schöneweide Bei ihm dreht sich fast alles um Ge- diesen Ort in seiner Vielseitigkeit, aber schichte(n). Peter Strunk ist bekannt auch in seiner Widersprüchlichkeit lieben als die Stimme des Technologieparks gelernt. Hier in Adlershof bauen wir eine Adlershof. Seit über 20 Jahren sorgt er wissensbasierte Industrie neu auf. Das ist dafür, dass Deutschlands größter High- eine großartige Geschichte, die weiterer- techstandort in den Medien präsent zählt werden muss. ist. Nicht nur lokal, sondern überregi- onal und international. Zweimal wurde Ihr Tipp an Ihre Nachfolgerin? der quirlige Kommunikationschef der Die WISTA ist nicht mehr nur in Adlershof WISTA Management GmbH als „For- unterwegs. Es kommen neue Themen hin- schungssprecher des Jahres“ ausge- zu. Die Medienlandschaft ist im Umbruch, zeichnet. Nach Studium und Promotion neue Kommunikationskanäle gilt es zu in Geschichte an der Freien Universität nutzen. Das ist eine günstige Gelegenheit, Berlin entschied sich der in Frankfurt neue Akzente zu setzen, eine eigene Spra- (Main) Geborene für die PR, arbeitete che, den eigenen Stil zu finden. Was noch? zunächst für den Elektrokonzern AEG Interesse zeigen und versuchen, auch mal und die IHK Cottbus, bevor er 1999 zur größere Themen zu (be)setzen. WISTA kam. Sein Erfolgsgeheimnis: Storytelling. Nun hat der 65-Jährige die Welches Vorurteil haben Sie als Geistes- Unternehmenssprecherrolle an seine wissenschaftler gegenüber Naturwis- Nachfolgerin Cindy Böhme abgegeben. senschaftler/-innen abgebaut? An Ruhestand denkt Peter Strunk aber Als Historiker habe ich mich immer schon noch nicht. Als Berater, Autor, Mode- mit Technik und Naturwissenschaften be- rator stehen schon jede Menge neue fasst. Ich denke nicht in Schubladen. Viel- Projekte auf seiner To-do-Liste. mehr möchte ich wissen, was uns Men- Im Gespräch mit schen im Innersten antreibt. Da habe ich Adlershof Journal: Was war 1999 Ihr in Adlershof viel gelernt. Viele der großen erster Eindruck von Adlershof? Herausforderungen, derer wir uns anneh- Peter Strunk: Bei meinem Vorstellungs- gespräch beeindruckte ich den Personal- berater mit einer drastischen Schilderung: men müssen, lassen sich nur interdiszipli- när lösen. Peter Strunk & Was wollten Sie als Kind werden? große Ankündigungen, große Bilder, große Ein weiteres Steckenpferd von Ihnen Schon mit acht Jahren wollte ich Geschich- Baustelle, viele Zuständigkeiten, alles sehr sind Bücher. te studieren. Ich erinnere mich an einen komplex, unendlich kompliziert. Mein Ein- Ja, in meiner Heimbibliothek stehen an Schulausflug an den Limes. Der Grenzwall druck täuschte mich nicht. Ich war in den die 2.000 Bände, darunter alle wichtigen der Römer faszinierte mich. Wenn mein Va- falschen Film geraten! Aber dieser Film hat Publikationen zur deutschen Nachkriegs- ter „vom Krieg“ erzählte, wollte ich genau eine sehr spannende Handlung. geschichte. Ich lese nicht nur, sondern wissen, was passiert war. Wenn ich meine Wie gelang Ihnen der Mediendurch- Großeltern in der DDR besuchte, fragte ich ich schreibe auch. Ich habe nicht nur ein bruch? mich, warum mitten durch Deutschland Buch zur Geschichte der AEG, sondern Als ich anfing, am Drehbuch mitzuschrei- eine Grenze verläuft. auch zahlreiche Aufsätze veröffentlicht. ben. Das war 2003. Alles, was ich bisher Zwei Buchprojekte habe ich im Kopf: Eines Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? befasst sich mit der Geschichte der Auto- über Pressearbeit gelernt hatte, funktio- Ich bin ein Fan der großen und der klei- bahnen und eines mit der wirtschaftlichen nierte hier nicht. Wir mussten alles anders nen Eisenbahn. In meinem Arbeitszimmer Entwicklung des Technologieparks Adlers- machen: keine Pressemitteilungen, statt- fährt eine H0-Modellbahn mit funktions- hof. Da bin ich ja Zeitzeuge. dessen Redaktionsbesuche. Ich wollte wis- tüchtiger Oberleitung, an der es immer et- sen, was die Journalisten interessiert und Was ist Ihr Wunsch? was zu basteln gibt. Ich verreise gern mit welche Themen wir ihnen anbieten konn- Berlin war mal größte deutsche Indus- dem Zug. 2019 sind meine Frau und ich mit ten. So entstand ein neues Kommunikati- triestadt. Was hat Berlin groß gemacht? dem „Canadian“ (transkontinentaler Reise- onskonzept. Schönstes Ergebnis: Nach drei Nicht die Kohle unter der Erde, sondern ex- zug/Anm. d. R.) von Toronto nach Vancou- Jahren waren wir mit einer großen Repor- zellente Universitäten, eine gut ausgebau- ver gefahren. Das war unglaublich schön. tage im „Spiegel“. te Infrastruktur und vor allem der Zuzug Ich bin auch begeisterter Radfahrer. Meine Der Technologiepark Adlershof ist jetzt weiteste Radtour mit Freunden ging bis an junger Talente. So konnte die „Elektropolis“ 30 Jahre alt. Wie sehen Sie die Medien- die russische Grenze, nach Frauenburg in entstehen. Warum versuchen wir nicht arbeit von Adlershof heute? Polen. Ich möchte gern von München nach eine „Elektropolis 2.0“? Mit einer neuen, Auch wenn ich als Sprecher oft Vorturner Verona radeln. Dafür muss ich allerdings sauberen Industrie, die mit der Wissen- bin: Gute Öffentlichkeitsarbeit funktio- noch mächtig trainieren. Bewegung an schaft zusammenarbeitet. Adlershof ist niert nur mit einem guten Team. Adlers- der frischen Luft bekomme ich auch beim dafür der Prototyp: pulsierend und weit hof ist keine Angelegenheit, die man Gemüseanbau auf unserem Brandenbur- in die Zukunft reichend. Ich bin überzeugt, nach Schema F bearbeiten kann. Ich habe ger Ackerbeet. dass das gelingen kann. 4 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
Name: Cindy Böhme Beruf: Germanistin/ Kommunikationsmanagerin Jahrgang: 1990 Wohnort: Berlin-Köpenick Adlershof Journal: Mitten in der vernetzen, erleichtert vieles. Als Kommu- Pandemie im November 2020 haben nikatorin geht es nicht als Einzelkämpfe- Sie bei der WISTA angefangen. rin, man braucht Mitstreitende. Die Er- Ihr erster Eindruck von Adlershof? fahrungen meines Vorgängers helfen mir Cindy Böhme: Tatsächlich kenne ich die auch, manche Fallstricke rechtzeitig zu Wissenschaftsstadt schon aus der Ein- erkennen und mich nicht darin zu verhed- wohnerperspektive von der anderen dern. Seite des Adlergestells. Eineinhalb Jahre Was wollten Sie als Kind werden? hatte ich dort gewohnt. Da fand ich es Ich habe mich orientiert an den Berufs- im Technologiepark recht ruhig. Seitdem bildern, die ich aus meinem Umfeld – von ich selbst hier arbeite, sehe ich eifrigen meinen Eltern und Verwandten – kannte: Betrieb. Und das sogar, obwohl die Stu- Physiotherapeutin oder Kellnerin. dierenden wegen der Online-Vorlesun- gen fehlen und viele Beschäftigte im Wann haben Sie zuletzt etwas Neues Homeoffice sind. Ich habe direkt das Ge- gemacht und was war das? fühl gehabt, dass alle miteinander in Kon- Ich habe letztes Jahr angefangen zu gärt- takt stehen, sich kennen. Der Hochtech- nern. Auf dem Balkon. Erst waren es nur nologiestandort Adlershof ist nicht nur ein paar Töpfe mit Tomaten, Snackgurken, Arbeitsort, sondern wird mehr und mehr Kräutern und Blumen. Das hat mir so gro- zum Lebensmittelpunkt. ßen Spaß gemacht, dass ich inzwischen Mitglied in einem interkulturellen Garten- Sie treten in große Fußstapfen eines er- projekt in Köpenick geworden bin. Mein fahrenen Medienprofis. Ist Ihnen bange Freund und ich teilen uns ein 40 Quadrat- davor? meter großes Beet mit einer Rentnerin. So Nein, der Übergang ist fließend. Ich hatte habe ich einen Ausgleich zur Arbeit mit eine intensive Einarbeitungszeit, konnte dem schönen Nebeneffekt, frisches Ge- sowohl die diesjährige Adlershofer Jahres- & Cindy Böhme müse zu bekommen. pressekonferenz gemeinsam mit Peter Strunk bestreiten als auch die aktuelle Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? PR in der Coronazeit mitgestalten. Ich Ich bin leidenschaftliche Kinogängerin, habe großen Respekt vor seiner Arbeit. habe als Studentin Filmkritiken geschrie- Sie ist die neue Unternehmensspre- Seine Erfahrung lässt ihn entspannter an ben und als Schülerin im Kino gearbeitet. cherin der WISTA Management GmbH. Mit frischem Blick von außen schreibt Themen herangehen. Aber der schnelle Zu meinen Lieblingsfilmen gehören „Toni die gebürtige Mecklenburgerin Cin- Wandel in der Medienlandschaft und im Erdmann“, „Moonrise Kingdom“, „La La dy Böhme die Erfolgsgeschichte des Informations- und Medienverhalten zwin- Land“, „Finding Vivian Maier“ und „Lady Technologieparks Adlershof medial fort. gen uns, auch immer wieder zu schauen, Bird“. Mein Kinotipp: das Adlershofer Kino Doch das ist noch nicht alles. Stärker welche weiteren Kanäle neben Artikeln „Casablanca“. Als Germanistin habe ich kommunikativ begleiten wird sie in prestigeträchtigen Zeitungen für eine eine Affinität zu neuer deutscher Litera- WISTA-Projekte wie die Gründungszen- effektive und effiziente Kommunikation tur. Außerdem verbringe ich gern Zeit am tren CHIC und FUBIC, den CleanTech bedeutsam sind. Wasser, mag es, alte Möbel aufzuarbeiten Business Park Marzahn und die neuen und über Flohmärkte zu streifen, im Café Berliner Gewerbehöfe 2.0. Die 30-Jäh- Welche neuen Akzente wollen Sie bei zu sitzen und das Treiben um mich herum rige hat Germanistik und Kommuni- der Medienarbeit setzen? zu beobachten. kationsmanagement studiert sowie Adlershof ist kommunikativ gut aufge- Berufserfahrungen bei der Deutschen stellt. Es läuft unheimlich viel und das Was steht alles auf Ihrer Wunschliste? Telekom und der globalen PR-Agentur ziemlich gut. Potenzial sehe ich bei den Ich habe viele Urlaubsreiseziele angesam- Edelman gesammelt. Bereits in ihrer digitalen Kanälen in puncto Bewegtbild. melt – angefangen von New York über Studienzeit bewies die begeisterte Wichtig ist mir daneben, über Adlershof Südengland bis Gotland. Ein Wochen- Cineastin eine spitze Feder als Film- hinaus zu kommunizieren. Stärker die endhäuschen in Wassernähe wäre auch kritikerin. Als Ausgleich zum kommu- neueren WISTA-Projekte von Dahlem bis großartig. Ansonsten hätte ich gern wie- nikativen Job hat sie inzwischen das Marzahn zu bespielen, deren verbinden- der einen Hund. Als Kind hatte ich einen Gärtnern für sich entdeckt. Wachstum, egal ob bei beruflichen Aufgaben oder de Elemente zu finden und rauszustellen, Dackel. sn beim Gemüseanbau, treibt Cindy steht auf meiner Agenda. Böhme an. Was nehmen Sie von Ihrem Vorgänger mit? Besonders wertvoll sind die vielen Kon- takte, die Peter Strunk in den letzten 20 Jahren aufgebaut hat. Mich darüber zu Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 5
TITELTHEMA WIE IN DER KRISE Wie reagiert der Mensch auf Gefahr? Mit Angriff, Flucht oder Totstellen. Welche Wahl hat das Kommunikations- team der Betreibergesellschaft des Technologieparks Adlershof getroffen, als plötzlich, am 14. März 2020, Deutschland dichtgemacht wurde? Ein Erfahrungsbe- richt nach einem Jahr Coronapandemie. L ockdown! Was jetzt? Was wird aus der Erfolgsgeschichte Adlers- hof, fragten wir – Kommunikator/-innen der WISTA Management GmbH – uns, als wir uns plötzlich im Homeoffice wiederfanden? Uns hatte kein Krieg, kein pyroklastischer Sturm, kein Tsunami heimgesucht, sondern ein hochansteckendes Virus. Wir hatten Aber, im März 2020 herrschte zunächst beklemmende Ruhe. keine Medikamente, keine Impfstoffe und daher ein mulmiges Unser gut eingespieltes Onlineteam – wesentlicher Kanal der Gefühl. Das Virus zwang uns, das berufliche Leben in kürzester WISTA-Außenkommunikation – ergriff die Initiative. Es stellte Zeit gänzlich neu zu organisieren. Homeoffice und Videokonfe- eine Sonderseite mit Informationen zur Coronasituation be- renzen – das Präsenzland Deutschland stellte eilig um, all das war reit. Außerdem wurde eine B2B-Selbsthilfe-Kooperationsplatt- kein No-Go mehr. Wie schnell wir in der Lage waren, uns neu zu form entwickelt. Berliner Firmen, die sich mit Arbeitskräften, organisieren, vieles lernen zu müssen, ist eine der positiven Erfah- Geräten, Materialien oder Know-how aushelfen möchten, sind rungen, auf die wir nach einem Jahr zurückblicken können. die Adressaten. SANDRA CHABRIER & VALERIA FRIBUS CINDY BÖHME Mit schicken Plakaten und flotten Leute schauen wieder Nachrichten Sprüchen gegen das Virus? Unmöglich! Es wird viel über die Rolle von Medien in dieser Pandemie disku- Wir mussten unsere klassischen Marketingaufgaben erstmal tiert. Das reicht von der Verantwortung der Medien für die schlech- zur Seite legen und unterstützten bei der Standortrecherche te Stimmung unter den Leuten bis zum Vertrauen in Medien. Ich und Presseansprache. Wir wollten von den Adlershofer Unter- habe aber auch das Gefühl, dass Medien das kollektive Erleben nehmen wissen, wie es ihnen in der aktuellen Coronasituation aufrechterhalten, weil es zurzeit keine Großveranstaltungen, Kon- geht und wie sie sich gegen die Pandemie engagieren. Die Ergeb- zerte und Sportereignisse gibt, die sonst große Menschenmengen nisse waren überraschend und ermutigend. Viele Medien haben im gemeinsamen Erfahren und Erleben verbinden. Stattdessen ist anschließend darüber berichtet, welche unglaubliche Stärke es die Tagesschau, die man gemeinsam mit Freunden auswertet unser Technologiepark in der Coronakrise zeigt. Die darauf und überlegt, ob Familienbesuche nun okay sind oder nicht. Und es folgende Kampagne „#Wissen schützt“ auf unseren wieder- sind die Äußerungen, die Politiker/-innen in Talkshows tätigen, die verwendbaren Mund-Nasen-Masken hat das noch sichtbarer man analysiert. Der „Tatort“ wird gern als „Lagerfeuer der Nation“ gemacht. bezeichnet – ich denke, zu dem sind Medien in ihrer Gesamtheit in den letzten Monaten geworden. 6 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
KOMMUNIZIEREN? SYLVIA NITSCHKE Premiere: Erstes Adlershof Journal im Homeoffice entstanden Die Themen für die Mai-/Juni-Ausgabe 2020 zum Schwerpunkt „Wissenschaftskommunikation“ waren gesetzt, da platzten die Absagen der „Langen Nacht der Wissenschaften“ und aller an- deren Veranstaltungen herein. Sofort war mir klar, wir müssen umplanen. Neue Idee: Wir machen ein Heft zum Homeoffice. Damit wollten wir eine Debatte über neue Arbeitsformen initi- ieren. Weil das gesamte Journalteam mobil arbeitete, entstand die Ausgabe bis auf den Druck vollständig im Homeoffice. Viel Neues haben wir ausprobiert, sogar eine eigene Bildsprache für die Ausgabe entwickelt: Statt Fotos gab es viel Platz für Illustra- tionen. Die Jahrespressekonferenz fiel aus; eine ausführliche Pressemit- teilung wollten wir in jedem Fall herausgeben. Sie sollte nicht nur gute Zahlen enthalten, sondern auch Zuversicht verbreiten. Und wie sah es mit der Pressearbeit aus? Wenn alles stillsteht, Neben dem Hinweis auf das Engagement gegen das Corona- verstummt auch das angenehme Grundrauschen im öffentlichen virus half ein Blick in die Geschichte des Standortes: Sowohl aus Raum. Uns war von Anfang an klar: Wir müssen Präsenz zeigen, der Finanzkrise (2008/09) als auch aus der Solarkrise (2011) ging erreichbar sein. Flucht oder Totstellen kam für uns nicht infrage. Adlershof gestärkt hervor. Etliche Firmen hatten die Folgen der Coronapandemie in aller Härte zu spüren bekommen. Insgesamt Wer aber interessiert sich jetzt noch für gute Zahlen und Progno- jedoch zeichnet unseren Technologiepark ein gehöriges Maß an sen aus Adlershof? Würden wir diese überhaupt noch liefern kön- Robustheit und Resilienz aus. Das ermöglichte es uns, vor die nen? Wir mussten herausfinden, wie es den Firmen und Instituten Kamera des RBB-Fernsehens zu treten und zu sagen, „dass Un- im Technologiepark überhaupt geht. Was uns besonders interes- ternehmen und Einrichtungen in einem so breit aufgestellten sierte: Wer von ihnen engagiert sich gegen das Virus? Die Kolle- Wissenschafts- und Technologiepark wie in Berlin Adlershof ge- ginnen vom Marketing griffen zum Telefonhörer. Nach wenigen rade in Krisenzeiten flexibel agieren und sehr schnell innovative Tagen hatten wir über 30 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen ermittelt. Deren Engagement reicht von gespende- ten Atemmasken über Tests bis zur Entwicklung eines Impfstoffs. PEGGY MORY Mit dieser beeindruckenden Liste gingen wir an die Öffentlichkeit. Wir hatten wieder eine Story. Wir hatten keine schlechte, sondern Da geht Authentizität verloren eine gute Nachricht zu verkünden. Die Medien nahmen diese dankbar auf. Die Versorgung der klassischen Medien mit seriösen Unser Jugend-forscht-Regionalwettbewerb, den die WISTA Informationen war uns von Anfang an wichtig. Während in der Management GmbH als Pate ausrichtet, fand als rein digi- „Parallelwelt des Internets ein Feuerwerk an Falschmeldungen tales Format statt. Ohne öffentliche Ausstellung, bei der uns normalerweise Hunderte Schüler/-innen besuchen. Welch irre abgebrannt wird“, haben die meisten Menschen nicht vergessen, Idee hinter manchem Projekt stand, wie ausdauernd die „dass es noch ein Diesseits gibt“ und kehren „in Scharen“ zu eben jungen Leute an ihren Ideen gefeilt haben, das konnten nur die diesen klassischen Medien zurück, wie die Süddeutsche Zeitung wenigen Menschen erkennen, die jeweils im virtuellen Raum prägnant formulierte. zusammenkamen. Euphorie lässt sich so schlecht teilen. Auch Im April 2020 standen wir vor einer großen Herausforderung: die Siegerehrung fand online statt. Ohne direktes Feedback, ohne Die Ergebnisse unserer Jahresumfrage 2019 lagen vor; die Zah- jubelnde Familien und sich umarmende Teenager. Das Ganze len waren hervorragend, die Prognosen für 2020 ebenso – beste ließ uns erschöpft und ratlos zurück. Das „Neudenken-Müssen“ Voraussetzungen für unsere Jahrespressekonferenz. Bloß: Alle dieser normalerweise in Präsenz stattfindenden Veranstaltung Daten waren vor dem Lockdown erhoben worden. Also im Grun- hat aber auch Kreativität und Begeisterung freigesetzt. So habe de genommen wertlos? Natürlich hätten wir sie „kassieren“ und ich die Videoreihe „RoleModelsAdlershof“ konzipiert, in der stattdessen mit besorgter Miene düstere Szenarien entwerfen Adlershofer Akteure erzählen, was sie antreibt, wie sie mit können. Damit aber hätten wir unserem Standort – und uns – Erfolgen und Schwierigkeiten umgehen. keinen Gefallen getan. Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 7
ANKE LERP, NICOLE THAMM, ALEXANDER SEIFFERT Gut geöltes Online-Team mit erheblicher digitaler Arbeitsroutine Wir hatten einen großen Vorteil: Wir sind ein in der Mobilarbeit erfahrenes Team. Daher konnten wir schnell reagieren und in- nerhalb kürzester Zeit ein umfangreiches Informationsangebot schnüren. Über die Sonderseiten www.wista.de/corona haben wir fortlaufend über die Betriebssituation in Adlershof und an den weiteren WISTA-Standorten informiert. Das Spektrum der Informationen reichte von Empfehlungen zu Präventionsmaß- nahmen über den Betriebsstand der technischen Infrastruktur bis hin zu Mitteilungen zu wirtschaftlichen Fördermaßnahmen, Hilfspaketen und Unterstützungen von Seiten des Berliner Senats. Die Fülle an Berichterstattungen verteilten wir über alle WISTA-Kanäle sowie über den eigens dafür geschaffenen Twitterkanal „WISTA_update“. Mit dem Corona-Sondernews- letter hielten wir die Standortcommunity und Kunden auf dem Kräfte entfalten können. Das zumindest stimmt uns zuversicht- Laufenden. lich, dass der Technologiepark die gegenwärtige Krise in Gänze erfolgreich durchstehen kann.“ Natürlich galt dieses Statement zunächst nur für den Augenblick. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch in der nunmehr dritten Welle der Pandemie steht jede Prognose unter Irrtums- darüber zu sprechen? Das kostet Überwindung und verlangt von vorbehalt. Die Reaktion der Medien war damals durchweg posi- uns Kommunikator/-innen ein besonderes Fingerspitzengefühl. tiv; unsere Stimme fand im öffentlichen Raum deutlich hörbare Aus unserer langjährigen Erfahrung mit den Medien wissen wir, Resonanz. dass Journalist/-innen es sehr wohl würdigen, wenn man ihnen offen und ehrlich gegenübertritt. Im nächsten Schritt ging es darum, ein realistisches Bild des Tech- nologieparks in der Krise zu zeichnen. Uns ging es dabei nicht um Damit hatten wir „unsere Linie“ in der Kommunikation gefunden. abstrakte Zahlenwerke, sondern um konkrete Beispiele. Wer ist Wir blieben ihr auch dann treu, als sich im pandemischen Herbst als Unternehmerin oder Unternehmer bereit, in aller Offenheit das Meinungsklima selbst in seriösen Leitmedien änderte: Oft geht es seither nicht mehr nur um sachliche Aufklärung, sondern schlicht um politische Selbstinszenierung und um Aufmerksam- PETER STRUNK keit. Die vielen „Trompeter im Corona-Panikorchester“ (so der emeritierte Publizistikprofessor Stephan Ruß-Mohl) waren und Gleichermaßen Betroffene sind zwar laut, repräsentieren aber nicht „die Medien“ insgesamt. Für uns blieb und bleibt es beim sachlichen und reflektierten Lockdown. Ich musste etwas tun! Also griff ich zum Telefonhörer Dialog mit den Medien, was zum Beispiel eine „Süddeutsche und rief einen Journalisten an. Er fragte mich, wie es mir geht. Zeitung“ und eine „Frankfurter Zeitung“ sehr zu schätzen „Das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen“, antworte ich, „ich wissen. Auch in den „Social Media“ achten wir auf unseren guten sitze im Homeoffice.“ „Ich auch“, antwortete er. Ruf als seriöse Quelle. Sie sind für uns keine Echokammern, aus Pressevertreter/-innen und Pressesprecher/-innen verbindet denen heraus wir jeden anbrüllen, der nicht unsere Ansichten teilt. nicht unbedingt eine innige Freundschaft. Aber in diesem Augenblick war uns klar: Uns verbindet mehr als wir dachten: Was ist aus unserer Prognose vom April 2020 geworden? Schon Wir sind nämlich gleichermaßen betroffen. Auf Grundlage Ende des Jahres deutete vieles darauf hin, dass eintritt, was wir dieser Erkenntnis fallen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus vorausgesagt hatten. Am 23. März 2021, ein Jahr nach dem ersten eine ganz andere Verantwortung zu. Lockdown, konnten wird auf unserer (digitalen) Jahrespresse- konferenz verkünden, dass Adlershof auch in der Krise mit einem Umsatzplus von 6,8 Prozent einen deutlichen Wachstums- schritt gemacht hat. pst/cb/sn ANZEIGE IHRE STEUERMÄNNER AUS ADLERSHOF. WIRTSCHAFTSPRÜFER STEUERBERATER FACHBERATER FÜR INTERNATIONALES STEUERRECHT 8 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
MENSCHEN DER ATOMEFÄNGER Markus Krutzik erforscht Grundlagen und Anwendungen hochpräziser Messgeräte A ls er 2009 nach Berlin zog, um zu pro- movieren, bekam Markus Krutzik von sei- nem Doktorvater zu hören: „Wir werden aber bald nach Adlershof umziehen.“ Der Name sagte dem gebürtigen Frankfur- ter damals gar nichts. Mittlerweile ist es über ein Jahrzehnt her, dass sich sein wis- senschaftliches und berufliches Dasein im Berliner Südosten abspielt, derzeit an gleich zwei Standorten in der Newton- und der Gustav-Kirchhoff-Straße. Krutzik ist am physikalischen Institut der Humboldt- Universität zu Berlin und obendrein am Ferdinand-Braun-Institut gGmbH, Leibniz- Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) tätig. Er forscht hier an den Grundlagen für die Entwicklung – wie er sich ausdrückt – „kompakter und robuster atombasierter Markus Krutzik brennt nicht nur für die Wissenschaft, er singt auch in einer Heavy-Metal-Band Sensoren“, hochpräziser Instrumente, die etwa zur Zeitmessung oder zur Naviga- tion dienen können. Dabei stehen seine er gleichwohl sagt: „Das hat mich nicht Messungen von Zeit und physikalischen beiden Arbeitsorte zueinander in einem mehr losgelassen.“ Die Rede ist von „kalten Feldern“, beschreibt Krutzik seine Tätigkeit. Verhältnis gegenseitiger Ergänzung: „Die Atomen“. Konzepte, die wir uns als Physiker ausden- Was damit anzufangen ist? Zum Beispiel ken, bringen Wissenschaftler am FBH zur Wer davon noch nie gehört hat, dem die Fallgeschwindigkeit einer in Ultra- Anwendungsreife.“ Ausdenken, anwenden, erklärt es Krutzik etwa so: Mithilfe von hochvakuum frei fallenden „Atomwolke“ Krutziks Leidenschaft gehört beidem. Laserlicht und Magnetfeldern lassen sich messen, meint Krutzik, um so die Erd- atomare Gase herunterkühlen auf ein beschleunigung exakt zu bestimmen. Er nennt es den „Drang, übergeordnete Milliardstel Grad oberhalb des absolu- Solche „atombasierten“ Geräte seien der Zusammenhänge zu verstehen und zu be- ten Nullpunkts. Der wohlgemerkt nicht „spannendste Sensortyp, den man sich leuchten“, der Frage nachzugehen: „Was mit dem Gefrierpunkt zu verwechseln ist, vorstellen kann“. verbirgt sich hinter dem Unbekannten?“ sondern noch mehr als 273 Grad Celsius Das hat ihn zur Physik getrieben. Deswe- darunter liegt. Dabei verlieren die Atome Gibt es etwas ähnlich Faszinierendes? Seit gen auch ist er nach dem Abitur Semes- enorm an Geschwindigkeit und legen in 18 Jahren, sein halbes bisheriges Leben ter für Semester aus der Main-Metropole einer Sekunde nur rund 100 Mikrometer lang, gehört Krutzik als Sänger einer auf nach Darmstadt gependelt, dessen Tech- zurück, eine Strecke, die etwa dem Durch- dem Schulhof in Frankfurt-Sachsenhausen nische Universität nach seinem Eindruck messer eines Haares entspricht. Wirklich gegründeten Heavy-Metal-Band an. Mit in den Naturwissenschaften mehr zu langsam ist so ein Atom also nicht, für der er 2018 auch schon auf dem legen- bieten hatte. Dem Studium dort verdankt den Physiker aber doch langsam genug, dären Festival im schleswig-holsteinischen er die Faszination für ein Phänomen, das es um seine Bewegungen steuern zu können: Wacken aufgetreten ist. wid im Naturzustand gar nicht gibt, von dem „Wir fangen und manipulieren Atome für ANZEIGE Be Hören auf dem nächsten Hörakustik Brilliant ren Vereinba Level. Sie eine n KorneliaLehmann Termin! Albert-Einstein-Str. 4 | Adlershof | Tel. 030-639 22 437 Parkplätze im Parkhaus direkt gegenüber Dörpfeldstr. 36 | Adlershof | Tel. 030-209 53 833 www.hoerakustik-lehmann.de Brückenstr. 2 | Schöneweide | Tel. 030-636 4646 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 9
NACHGEFRAGT Sehen und verstehen Die Planungen liefen auf Hochtouren, Ende April kam die Absage: Auch dieses Jahr wird die „Lange Nacht der Wissenschaften” nicht wie gewohnt stattfinden. Wir haben bei den Organisatoren nachgefragt, wie Wissen- schaftsvermittlung auch digital glücken kann und wie wissenschaftliches Denken davor bewahrt, sich in Halbwahrheiten, Ideologien und Querdenkertum zu verrennen. F ür viele ist es ein fixer Termin im Kalender, auf den man sich schon Wochen vorher freut: Die „Lange Nacht der Wissenschaf- ten” (LNdW). Zu ihr strömen jährlich rund 25.000 Menschen, viele davon nach Adlershof. Sie ist ein Magnet, der Menschen anzieht, die Wissenschaft erleben und hinter die Kulissen von Forschungs- laboren schauen möchten. Leider fiel die LNdW als Mitmach-Event letztes Jahr flach. Corona. Stattdessen wurde ein Jahr lang monat- lich ein Wissenschafts-Podcast mit Inforadio umgesetzt. Mehr Normalität hatte man sich für 2021 erhofft. Den Vorsitz des LNdW e. V. hat derzeit Prof. Ulrich Panne, Vor- stand IGAFA e. V. sowie Präsident der Bundesanstalt für Mate- rialforschung und -prüfung (BAM). Nur: Ein Jahr später ist die Unsicherheit immer noch groß. Was geht? Was nicht? Wie plant man überhaupt in Zeiten der Pandemie? Nun steht fest: Auch die LNdW 2021 fällt aus. „Unter den gegebenen Bedingungen ist die Durchführung so einer Großveranstaltung nicht verantwort- bar“, so Ulrich Panne. Mehr als 50 Einrichtungen hatten ihre Teil- nahme zugesagt, berichtet er: „Das ist eine enorme Anzahl in diesen unsicheren Zeiten. Das zeigt: Der Wille ist groß.“ Es geht auch darum, den Draht zu den wissenschaftsinteressierten Menschen nicht zu verlieren – gerade in Zeiten, in denen Fake News verbreitet werden, Verschwörungstheoretiker und Corona- leugner Zulauf erhalten. Gerade jetzt wird klar, wie wichtig Wissenschaftskommunikation ist – und Veranstaltungen wie die Lange Nacht leisten dazu einen großen Beitrag. Neben analogen wurden von Anfang an auch digitale oder hybride Programmpunkte von den Einrichtungen geplant, berich- tet Nicola Rother, Leiterin der Geschäftsstelle des LNdW e. V.: „Virtuelle 360-Grad-Touren etwa durch den Speicherring BEESY II sind so kein Einmalerlebnis, sondern beliebig wiederholbare Erlebnisse.“ Nicola Rother koordiniert die „Lange Nacht der Wissenschaften“ jetzt von Adlershof aus 10 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
„Wissenschaft zum Anfassen” wie hier zur klügsten Nacht 2019, gibt es erst wieder zur LNdW 2022 Hybride Formate könnten auch ab der Pandemie an Popularität Nicht zuletzt sei die LNdW das beste Format, damit Wissenschafts- gewinnen. Ist das die Zukunft? Müssen sich solche Veranstaltun- einrichtungen ihre oft komplizierten Forschungsinhalte einem gen wandeln, digitaler werden? „Von ‚müssen‘ möchte ich nicht möglichst großen Publikum verständlich vermitteln können. „Wir sprechen“, winkt Rother ab, „wir selbst setzen lieber auf eine wollen, dass Wissenschaft nah dran bleibt an den Menschen und Präsenzveranstaltung, weil wir der Meinung sind, dass die LNdW nicht unerklärlich wirkt. Wissenschaft erzeugt einen Zugewinn Wissenschaft zum Anfassen ist und wir die Nähe zu den Besuche- für unser Leben“, sagt Ulrich Panne. Forschende gäben Antwor- rinnen und Besuchern wichtig finden.“ Aber die Pandemie habe ten, klärten auf und seien gerade in diesen Zeiten der Pandemie durch die vielen digitalen Meetings und Veranstaltungen auch unersetzlich: „Wir halten das heute, wo Fake News und popu- gezeigt, was für ein Potenzial im Digitalen stecke: „Wir können listische Vereinfachungen an der Tagesordnung sind, für enorm Menschen einbeziehen, die nicht vor Ort sein können, entwe- wichtig.“ Gerade jetzt komme Wissenschaftler/-innen eine be- der weil sie in einer anderen Stadt, in einem anderen Land oder sondere Bedeutung zu, unterstreicht Panne: „Denn sie tragen schlicht in Quarantäne sind.“ Daher werde die Digitalisierung mit ihrer Arbeit zu unserem Schatz an Wissen bei. Wissen, das mit von Veranstaltungen, oder Teilen davon, nach Rothers Meinung der Welt übereinstimmt und auf Evidenz gegründet ist.“ voranschreiten: „Das ist gut und wichtig. Es darf nur nicht dazu führen, dass wir nicht mehr zusammenkommen und uns Bei „radioeins“ vom Rundfunk Berlin-Brandenburg gibt es die im Privaten einschließen.“ klügste Nacht am 5. Juni 2021 ab 19:00 Uhr mit vielen Forschen- den aus Berliner Wissenschaftseinrichtungen als Sondersendung Das Erlebnis einer LNdW als Präsenzveranstaltung sei zumindest zu hören. „Nächstes Jahr werden wir unseren Besucherinnen und dauerhaft digital nicht ersetzbar. Der Kontakt, das Kennenlernen, Besuchern alles wieder live anbieten können“, freut sich Nicola das Eintauchen in neue, fremde Welten, der Geruch von Laboren Rother. cl und Hörsälen, das direkte Erleben von Experimenten und Vor- trägen, das alles geschehe nun mal vor Ort, so Rother: „Das ist es auch, woran wir uns erinnern, wenn wir Jahre später zurück- schauen. Das kann ein digitaler Besuch nicht voll ersetzen.“ ANZEIGE Dr. Desiree Mascher; Dr. Kristina Kahl; Dr. Uta Lücke Augenzentrum Adlershof, Albert-Einstein-Str. 2-4 FEMTO-LASIK IN ADLERSHOF • LASIK-Kurzcheck in der Mittagspause, Beratung, Laserbehandlung und Nachkontrollen ohne Arbeitsausfall • 17 Jahre LASIK-Erfahrung, geprüfte Technik aus Deutschland und der Schweiz • Sonderkonditionen für Studenten und Berufstätige auf dem WISTA-Campus. Termine zur Beratung unter 030 / 678 25 864 Mail: praxis@augen-adlershof.de www.augen-adlershof.de Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 11
CAMPUS ZUM 1. JULI 2021 STARTET DAS EXPERIMENTALLABOR „ANTHROPOSCENES“ Für Bürgerbeteiligung übers Wasser gehen Wissenstransfer, Austausch auf Augenhöhe, demokratische Teilhabe: Moderne Wissenschaft will Erkenntnisse nicht nur kommunizieren, sondern auch niederschwellig diskutieren. Impulse aus der Bevölkerung sollen dabei in die Forschung einfließen. Mit der Einrichtung sogenann- ter Experimentallabore zur Wissenschaftskommunikation hat die Berlin University Alliance kürzlich einem Projekt mit Adlershofer Beteiligung den Zuschlag erteilt. „AnthropoScenes“, das im Juli die Arbeit aufnimmt, wird sich theatraler Formate bedienen, um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. Koordiniert vom Theater des Anthropozäns und dem Integrative Research Institute on Transformations of Human-Environment Systems (IRI THESys) rückt das transdiszipli- näre Projekt das Thema Wasser ins Zentrum. I n Brandenburg ist das Wasser knapper als anderswo in Europa gegeben: Man versteht unmittelbar, warum das ein relevan- – und auch deshalb wird hier seit Jahren intensiv zu Wasserkreis- tes Thema für die Forschung ist. Darum eignet es sich, um läufen geforscht. Doch nicht nur Forschende blicken in diesen partizipativ mit Menschen dazu zu arbeiten.“ In den kom- Breiten bang auf Trockenheit und Extremwettereignisse: „Ob menden drei Jahren wollen Niewöhner und seine Mitstrei- Waldbrände, plötzliche Sturzregen oder Überschwemmungen tenden sich daher auf Forschungsergebnisse rund um das – für die Bevölkerung in Berlin und Brandenburg sind die Folgen Wasser konzentrieren und im Schulterschluss mit der Öffentlich- des Klimawandels schon heute deutlich spürbar“, sagt Jörg keit erkunden, wie es sich unter den regionalen Extrembedingun- Niewöhner, Sprecher von AnthropoScenes und leitender Direktor gen leben lässt. des IRI THESys an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Im Gegensatz zu den häufig sehr abstrakten Themen, die in der Wissenschaft verhandelt werden, ist hier direkte Betroffenheit 12 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
Inhalte zuliefern sollen Wasserforschende aus der Region, darunter auch Geografen aus Adlershof. Kunstschaffende vom Theater des Anthropozän entwickeln daraus Bühnenauf- führungen. Wenn das Budget es zulässt, will das AnthropoScenes-Team sein Theater zudem mit einem Bus auf Reisen durch Brandenburg schicken. „Zentral ist, dass es sich um einen offe- nen Prozess handelt“, so Niewöhner. Das bedeu- tet, dass die wissenschaftlichen Inhalte mit dem Publikum diskutiert werden und die Ergebnisse der Diskussion wieder in die Darbietungen, aber auch in die Forschung selbst einfließen. Zum Abschluss wird das Team seine Erkenntnisse zu- sammentragen und in ein Spiele-Show-Format einfließen lassen, das 2024 im Humboldt Labor einer internationalen Öffentlichkeit präsentiert werden soll. „Wir wollen Formate kreieren, die Menschen mehr Möglichkeiten geben, sich in Forschung Prof. Jörg Niewöhner will den Dialog von Forschenden und der Öffentlichkeit einzubringen“, betont Jörg Niewöhner. Öffent- intensivieren lichkeit müsse frühzeitiger und intensiver in wissenschaftliche Prozesse eingebunden wer- Zusammenarbeit zwischen Berlin University Alliance und den, als das bislang der Fall sei. Zudem sei es Bevölkerung legen zu können. „Es kommen massive ge- wichtig, mit Wissenschaftskommunikation nicht sellschaftliche Umwälzungen wie der Green Deal auf uns immer nur den sprichwörtlichen pensionierten zu. Diese sozialökologischen Transformationen müssen Oberstudienrat zu erreichen. Mithilfe der hier zu Wissenschaft und Gesellschaft gemeinsam angehen. Mit entwickelnden theatralen Methoden hofft das AnthropoScenes hoffen wir, diesen Austausch zu unter- Projektteam, den Grundstein für eine langfristige stützen und voranzutreiben.“ nl ANZEIGE Transfer BONUS Zuschüsse für die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft Bis zu 45.000 Euro Förderung für die Realisierung von Projekten der angewandten Forschung und Entwicklung! Profitieren Sie von wissenschaftlichem Know-how für Ihr Unternehmen. Das Berliner Förderprogramm Transfer BONUS bezuschusst Forschungsvorhaben von kleinen und mittleren Berliner Unternehmen (KMU) in Kooperation mit Wissenschaftseinrichtungen. Informieren Sie sich unter www.ibb-business-team.de/transfer-bonus Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 13
FORSCHUNG DIE NEUE REALITÄT „Book a Scientist“ heißt eine Veranstal- tungsreihe der Leibniz-Gemeinschaft. Interessierte können sich dabei 25 Minuten lang mit Forschenden zu ihrem Lieblingsthema austauschen. „Ein schönes Format, das in Corona- zeiten auch digital wunderbar funkti- oniert – so melden es unsere Institute zurück“, sagt Anja Wirsing vom For- schungsverbund Berlin. Oliver Perzborn von der Bundesanstalt für Materialfor- schung und -prüfung (BAM) empfindet die jetzige Pandemie als Katalysator, der sehr schnell zeigt, was in der Wissenschaftskommunikation funktio- niert und was nicht. Dass Wissenschaft vom Austausch lebt, darüber sind sich beide Kommunikatoren einig. Und auch darüber, dass es in Zeiten des Virus neuer Ideen und unkonventioneller Formate für deren Vermittlung bedarf. Selten hat Wissenschaft so viel Aufmerksam- keit erhalten. Der Anspruch an Wissenschafts- kommunikation hat sich auch in Coronazeiten nicht geändert. Noch immer muss der Brücken- schlag zwischen wissenschaftlicher Seriosi- tät und verständlicher Ansprache der breiten Öffentlichkeit gemeistert werden. Arbeitsab- läufe, Planungssicherheit oder die Möglichkei- ten zum direkten Austausch haben sich jedoch komplett verändert. „Wir müssen andere Wege finden, mit den Menschen zu reden“, erzählt Anja Wirsing. Sie ist verantwortlich für die Presse- und Öffent- lichkeitsarbeit im Forschungsverbund Berlin (FVB). Inzwischen bereichern wissenschaftliche Online-Vorträge von Forschenden aus dem FVB den Schulunterricht. Der Marthe-Vogt-Preis, der jährlich an eine junge Wissenschaftlerin ver- geben wird, ist im Rahmen der Berlin Science Week digital verliehen worden und ein gleich- namiger Podcast stellt in Gesprächen junge Forscherinnen und ihre Arbeit vor. „Wer in einer realen Veranstaltung sitzt, der steht nicht so schnell auf“, weiß Anja Wirsing, „digital kann man sich schnell rausklicken – das ist bei der Wahl der Formate zu bedenken.“ Dass sich physische Veranstaltungen nicht Eins-zu-eins ins Digitale transformieren las- sen, weiß auch Oliver Perzborn. Der ehema- lige Trendforscher hat im vergangenen Sep- tember die Leitung des neu geschaffenen Referates Kommunikation & Marketing an der Oliver Perzborn im BAM-Gebäude in Adlershof 14 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
Offen für experimentelle Formate der Wissensvermittlung: Anja Wirsing vor dem Eingang des Trudelturms in Adlershof Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) rückt, sei der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit in der Pan- übernommen. Damit hat er seit seinem Jobwechsel noch ganz demie alles andere als einfach. Die Nachrichtenlage ist oft ein- andere Herausforderungen zu bewältigen: Mit seinem Team seitig, Themenvorschläge durchzubringen, die sich nicht mit kommuniziert Perzborn nämlich, von wenigen Präsenztreffen zu Corona befassen, schwierig. „Die Relevanz unseres Tuns, unserer Beginn abgesehen, inzwischen ausschließlich über den Monitor. Forschung ist der Schlüssel“, sagt Perzborn. Und schiebt einen Alles Persönliche ist durch die Pandemie eingeschränkt. „Beim Anglizismus hinterher. Unsere Arbeit an der BAM ist „purpose- Essen zusammensitzen ist anders als digital“, erklärt er. „Die Pan- driven“, sie erfüllt einen höheren Zweck. Die BAM, davon ist er demie schafft aber auch die Möglichkeit, Bestehendes zu hinter- überzeugt, sei eine Institution mit „Zweck ohne Ende“. Diesen fragen und Neues auszuprobieren.“ Und bringt auch Vorteile: zeitgemäß für Zielgruppe und Medien zu vermitteln, sei die Meetings und Abstimmungen laufen effizienter, statt E-Mails Hauptaufgabe seines Teams. „Wir müssen Wissenschaft mit werden Themen- und projektbezogene Chats benutzt, die mehr klaren, verständlichen Botschaften konsumierbar machen. Wir Transparenz mit sich bringen. Die neue Vernetzung führte letzt- leben schließlich in einem Häppchen-Zeitalter.“ endlich auch zu mehr Sichtbarkeit und Partizipation jedes bzw. jeder Einzelnen und damit zu einem größeren Wir-Gefühl. „Mei- Anja Wirsing ist offen für experimentelle Formate für die Ver- ne Aufgabe als Chef ist es, die Möglichkeiten, die uns die neue mittlung von Wissenschaft. Doch ihr, wie auch Oliver Perzborn, Realität bietet, auszuloten und gewinnbringend für unsere Auf- fehlt der direkte Austausch. Kommunikation habe mit Begeg- gaben als Wissenschaftskommunikatoren zu nutzen“, erzählt nung zu tun. Richtig erlebbar werde Wissenschaft nur in der der 52-Jährige. persönlichen Begegnung. Einige der aktuellen Formate und Arbeitsweisen werden sich nach der Pandemie etabliert haben. Trotz der 150-jährigen Geschichte der BAM, vieler faszinierender Den persönlichen Dialog ersetzen werden sie nicht. „Aber“, sagt Forschungsthemen und -ergebnisse und neuer, digitaler Kom- Anja Wirsing, „Kommunikatoren sind ja gewohnt zu improvi- munikationskanäle, mit denen man näher an seine Zielgruppen sieren.“ rb ANZEIGE Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 15
UNTERNEHMEN FRIKADELLE AUS DEM BIOREAKTOR Pilze sind hocheffiziente Verwerter von pflanzlichen Abfällen, die sie zu Proteinen und weiteren wichtigen Nährstoffen wandeln. Die junge Hamburger Mushlabs GmbH entwickelt ein Bioreaktorverfahren, in dem Pilzzellen Abfälle aus der Lebensmittel- und Agrarindustrie zu einem hochwertigen Basismaterial für veganen Fleischersatz wandeln. Jüngst hat ein Adlershofer Mushlabs-Ableger die Arbeit aufgenommen. A ls promovierter Biologe möchte Mazen Rizk sein Wissen nutzen, um drängende Probleme unseres Planeten zu lösen. Fleischlastige Ernährung ist so ein Problem. So schlägt etwa die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch mit einem Verbrauch von 15.000 Litern Wasser, 7 kg Getreide, 30 Qua- dratmetern Nutzfläche sowie mit 25 kg CO2-Ausstoß zu Buche. „Der Ressourcenbedarf für die Ernährung der Mensch- heit stößt an natürliche Grenzen“, sagt er. Rizk, der in Hamburg lebt und forscht, trägt seinen Teil dazu bei, das zu ändern. Dafür hat er vor drei Jahren die Mushlabs GmbH gegründet. Mittlerweile ist das Start-up auf 20 Köpfe gewachsen und expandiert mit einem Forschungs- und Entwicklungs- (F&E-) Standort nach Adlershof. Ausgestattet mit insgesamt 13 Milli- onen US-Dollar ( ̴ 11 Mio. Euro) Risikokapital aus zwei Finanzie- rungsrunden entwickelt Mushlabs ein Verfahren, das Abfälle aus der Agrar- und Lebensmittelproduktion in hochwertige vegane Lebensmittel wandelt. Der Schlüssel dazu sind Pilze – oder genauer deren Myzelien, also das unterirdische Faden- netzwerk dessen Fruchtkörper wir als Speisepilze schätzen. Das Team züchtet sie in Bioreaktoren unter Beigabe von sonst bestenfalls an Tiere verfütterten, aber meist weggeworfenen Agrar- und Lebensmittelresten. „Auch Kaffeesatz, Sägemehl, Obstschalen aus Saftpressen oder Bagasse aus Zuckerfabriken verstoffwechseln die Myzelien in unserem Fermentationsver- fahren in hochwertige Proteine, Mineral- und Ballaststoffe, Kohlenhydrate und Vitamine“, erklärt Rizk. Während dieser 16 Adlershof Journal | Mai_Juni 2021
ANZEIGE Mast schwimmen die Pilzzellen in Flüssig- ersten Schritt deren vorhandene Produk- keit. Sobald alle Abfälle in nährstoffrei- tionsinfrastruktur und Vertriebswege nut- ches Wurzelwerk gewandelt sind, werden zen zu können. Bringen die Myzelien entnommen, getrocknet und wahlweise zu Würstchen, Nuggets oder Bis dahin wird ein Team um Catherine Sie Ihr Lächeln Burger-Frikadellen weiterverarbeitet. Chaput in brandneuen Büros und Laboren in der Adlershofer Schwarzschildstraße 6 in Form Derzeit haben die eingesetzten Bioreakto- bei der weiteren Prozessoptimierung mit- ren Laborformat. Das Team experimentiert wirken. Chaput ist für den Aufbau des mit vielen unterschiedlichen Pilzarten und Berliner F&E-Teams verantwortlich. „Wir Abfallstoffen, um den Fermentationspro- planen, bis Ende des Jahres auf fünf Mit- zess künftig präzise steuern zu können. arbeitende zu wachsen“, berichtet sie. Ar- Wir sorgen nicht nur Der Gründer kann noch nicht im Detail beit gibt es reichlich. Denn es geht dem darüber reden, wie die Zutaten den Ge- Team nicht darum, irgendeinen veganen bei Kindern für ein schmack und die Textur des pilzbasierten Fleischersatz zu schaffen. Vielmehr möch- perfektes und Fleischersatzes beeinflussen: „Noch ist die te es die Herstellung so energie- und res- strahlendes Lächeln, Patentanmeldung nicht abgeschlossen“, sourceneffizient wie irgend möglich ausle- erklärt er. Doch aufgrund der bisherigen gen. Laut Rizk ist das Verfahren schon jetzt denn Zahnspangen Ergebnisse ist er überzeugt, dass es sich doppelt so effizient wie in den Anfängen. kennen kein Alter. nicht um eine Ernährungslösung für die Die exakte Bilanzierung läuft. Weil die ferne Zukunft handelt. Vielmehr verfolge Gründer mit Agrarabfällen, voluminösen Lassen Sie sich von Mushlabs das Ziel, in ein bis zwei Jahren Bioreaktoren statt Ackerflächen und hoch- uns beraten. erste Produkte auf den Markt zu bringen. effizienten Stoffwechslern aus dem Reich Für die Skalierung der Fermentation auf der Pilze arbeiten, haben sie im Vergleich Industriemaßstab führt sein Team zurzeit zum „Ressourcenfresser“ Fleisch sicher intensive Gespräche mit potenziellen Part- nichts zu befürchten. Bleibt nur noch ab- nern aus der Lebensmittelbranche, um im zuwarten, wie es schmeckt. pt Felix German Kieferorthopädie kfo-german.de Gesundheitszentrum Albert-Einstein-Str. 4 Hier dreht sich alles um Pilze: Tel: 030 62 90 70-80 Catherine Chaput (l.) und Irmgard Schäffl arbeiten an info@kfo-german.de der Prozessoptimierung vom pilzbasierten Fleischersatz Adlershof Journal | Mai_Juni 2021 17
Sie können auch lesen