Architektur mit Faserzement 2018-2 - Eternit
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2018—2 Architektur mit Faserzement Wohngenuss oder Dichtestress? Um mehr Wohnraum zu schaffen, werden bestehende Siedlungsgebiete erneuert und ergänzt. Gefragt sind neue Bauten und Wohnformen. WOHNBAU: SIEDLUNGEN Michael Meier & Marius Hug und Armon Semadeni Siedlung Stöckacker Süd, Bern Buchner Bründler Architekten Genossenschaftshaus Stadterle, Basel Adrian Streich Architekten Wohnhaus B3 Green City, Zürich
2018—2 Architektur mit Faserzement Wohngenuss oder Dichtestress? Um mehr Wohnraum zu schaffen, werden bestehende Siedlungsgebiete erneuert und ergänzt. Gefragt sind neue Bauten und Wohnformen. WOHNBAU: SIEDLUNGEN Michael Meier & Marius Hug und Armon Semadeni Siedlung Stöckacker Süd, Bern Buchner Bründler Architekten Genossenschaftshaus Stadterle, Basel Adrian Streich Architekten Wohnhaus B3 Green City, Zürich
EDITORIAL Zusammen leben 3 DOMINO 4 FLASHBACK Das vorliegende Heft widmet sich dem grossmass- stäblichen urbanen Wohnungsbau: mehrgeschossigen WOHNBAU: SIEDLUNGEN Häusern, Siedlungen oder Überbauungen mit zu sätzlichen Nutzungen. Viele dieser Bauten sind in Faser 8 SHARING WIE IM GRANDHOTEL In seinem Essay erörtert der Historiker zement gekleidet: ihre Fassaden und Dächer, gross Daniel Kurz die unterschiedlichen Bedürfnisse, flächig oder partiell. Auch gewellte Faserzementplatten die ans Wohnen gestellt werden, und fragt finden sich an so manchem Wohngebäude. sich, wieso ideenreiche Wohnüberbauungen die Die hohe Zuwanderung und die räumliche Ballung Ausnahme bleiben. der Nutzungen lassen unsere Städte wachsen und stellen uns vor grosse Herausforderungen. So haben neue 12 SIEDLUNG STÖCKACKER SÜD, BERN Wohnbauten hohen Ansprüchen zu genügen: Die MICHAEL MEIER & MARIUS HUG UND Grundrisse müssen den sich wandelnden Lebensformen ARMON SEMADENI Die Neubauten in einer bestehenden Siedlung entsprechen, die Gebäude sollen ressourcenschonend bedeuten eine Stadterneuerung. Als Bauherrin und nachhaltig erbaut werden und die Charakteristik wollte die Stadt Bern eine städtebaulich und des Städtebaus fortschreiben. Der Wohnungsbau architektonisch wie auch sozial und ökologisch ist eine höchst komplexe Bauaufgabe auf verschiedenen mustergültige Siedlung erstellen. Massstabsebenen; nebst städtebaulichen und archite ktonischen sind auch soziale und gesellschaftsrelevante 24 GENOSSENSCHAFTSHAUS STADTERLE, BASEL Aufgaben zu meistern. BUCHNER BRÜNDLER Die in diesem Heft vorgestellten Beispiele stammen 28 WOHNHAUS B3 GREEN CITY, ZÜRICH aus grossen und kleinen Städten in der Schweiz ADRIAN STREICH und in Österreich. Sie zeigen je eigene Ansätze und Schwerpunkte auf. Alle suchen sie nach zeitgemäs- 32 BIKE CITY UND TIME 2 LIVE, WIEN sen Wohnbauformen und Wohnlichkeit. KÖNIGLARCH ARCHITEKTEN Michael Hanak, Chefredaktor 33 WOHNÜBERBAUUNG ROOST, ZUG GMÜR & GESCHWENTNER 34 ÜBERBAUUNG STADTWERK LEHEN, SALZBURG TRANSPARADISO 35 BEDNAR PARK RESIDENCES, WIEN BAUMSCHLAGER EBERLE 36 SIEDLUNG HOFWIESENWEG, WINTERTHUR ATELIER STRUT 38 KNOW-HOW 40 DESIGN 42 CARTE BLANCHE & JAUNE
Drei Anliegen standen beim interdisziplinären Entwicklungsprojekt «Empower» von Urban- Think Tank im Vordergrund, um den Slum in Khayelitsha, eine der grössten Townships in Südafrika am Stadtrand von Kapstadt, aufzuwerten: 1. ein partizipativer Planungs prozess; 2. der Prototyp eines zweigeschossigen Wohnblocks; 3. den Lebensunterhalt ins Pro- gramm zu integrieren. Mit einem festen Service- kern und einer schützenden, temporären Fassadenbekleidung können die Wohnbauten schrittweise verbessert werden.
DOMINO – Eine Persönlichkeit aus Architektur und Design stellt einem Kollegen oder einer Kollegin eine Frage, die unsere Gesellschaft bewegt. Der österreichische Designer und Designtheoretiker Harald Gründl fragte den Architekten Hubert Klumpner, Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich: WIE ENTWIRFT MAN völkerung so jung wie heute: Mehr als die Hälfte der 7,8 Milliarden Menschen auf der Welt sind unter 25 Jahre alt. Bald wird einer von drei jungen Menschen in Afrika aufwach- HÄUSER FÜR SLUMS sen und neun von zehn Menschen in Entwick- lungsländern leben. Wer diese Tatsachen ausblendet, schaut in die falsche Richtung. In diesem Zusammenhang sehen wir, dass Menschen – nicht Maschinen – die Infra ODER INFORMELLE strukturen ersetzen können, wenn wir Pro- zesse und Objekte aktiv gestalten und gleichzeitig verstehen, mit welchen Heraus- forderungen die Gesellschaft konfrontiert SIEDLUNGEN? ist. Junge Menschen in unseren Städten stellen heute die höchsten Anforderungen in allen Bereichen an unsere Gesellschaft. So steckt der weltweite Urbanisierungs prozess in einer tiefen Krise. Weil bessere Lösungen fehlen, beginnt der Bau der meis- Mehr als neunzig Prozent aller Gebäude ten Siedlungen weltweit, indem Slums ent- dieser Welt sind ohne Architekten entworfen stehen. Wir haben dies als Tatsache und und gebaut worden. Das ist weder ein Prob- Aufgabe akzeptiert, obschon wir wissen, lem der Architektur noch des Städtebaus, dass es starke Allianzen und viele engagierte sondern der Architekten, und hat verschie- Entwerfer und Designer brauchen wird, um dene Gründe. Ihr berufliches Talent entfaltet dieses Problem zu lösen. sich losgelöst von den grossen Herausforde- rungen der Bevölkerungsgruppen mit dem Es stimmt, dass man nicht mehr in einer geringsten Einkommen. Nur durch den Markt Stadt leben muss, um ein urbanes Leben zu allein werden keine Entwurfslösungen, etwa führen. Es trifft aber auch zu, dass man heute für den öffentlichen Raum, entstehen, obwohl gänzlich ohne urbane Qualitäten in einer dafür ein grosses Bedürfnis vorhanden ist. Stadt leben kann. Das führt zu einer Situati- Stadtplanung braucht deshalb entschiedene on, in der urban nicht mehr das Gegenteil von Führung und Handlungsbereitschaft, um die ländlich bedeutet, sondern einen Zustand «Top-down–» und die «Bottom-up»-Kräfte des Nicht-Urbanen beschreibt. Weder Urba- miteinander in Einklang zu bringen. Es gibt nisierungsprozesse noch informelle Städte jedoch weitere Hürden: An entscheidenden können dieses Dilemma lösen. Es gilt viel- Stellen sitzen zu viele bestechliche Leute; mehr, eine neue Urbanität zu schaffen, die zudem gehört es nicht mehr zum Berufsbild das Informelle formalisiert und das Formelle der Architekten, über das ihnen zugewiese- ins Informelle auflöst. Es ist ein Prozess, bei ne, eng begrenzte Marktsegment hinauszu- dem eine Synthese entsteht, die wiederum zu blicken. Aus meiner Sicht befassen sie sich einer dritten Ordnung führt. Das bedeutet zu wenig mit den grossen Herausforderungen konkret, dass Urbanisierungsprojekte quali- der Gesellschaft. Ich hingegen finde, dass die tativ und quantitativ aufgewertet werden Slums die nächste Herausforderung und müssen, um in allen Massstäben Entwurfs gleichzeitig das Labor für Innovation sind, in lösungen für ein alternatives urbanes Para- dem heute Städte neu erfunden und getestet digma entwickeln zu können. Darin besteht Hubert Klumpner (*1965) und werden. wohl die derzeit grösste Herausforderung. sein Partner Alfredo Brillem- bourg (*1961) sind Gründer Während prominente Stimmen behaupten, In der nächsten Ausgabe von ARCH und Direktoren des Urban- dass wir die Stadt für eine alternde Gesell- fragt Hubert Klumpner den Direktor Think Tank (U-TT) in Caracas, schaft gestalten müssen, belegen demogra- des Architekturmuseums München, São Paulo und Zürich. Seit Andres Lepik: «Kann eine Archi 2010 haben sie den Lehrstuhl fische Daten, dass das Zusammenleben der tekturausstellung Einfluss auf die für Architektur und Städtebau Generationen ein eng verwobener, organi- Gesellschaft haben?» an der ETH Zürich inne. scher Prozess ist. Noch nie war die Weltbe- 3
FLASHBACK – Mit dem Bau des Ortstockhauses gelangte die Moderne in die a bgeschiedene Glarner Bergwelt. In einer Art Willkommensgeste wendet sich die konkave Form dem Ortstock zu. Unlängst wurde der alpine Pionierbau sorgfältig renoviert. GESTE DER GEBORGENHEIT Das Berggasthaus, das Hans Leuzinger 1931 Haben die fortschritte der technik es möglich die weissen Fensterrahmen und das Rot von oberhalb von Braunwald erbaute, liegt auf gemacht, die form zu verbessern, so ist im- Fensterläden, Dachgebälk und Rundstützen einer Sonnenterrasse. Seine gebogenen Form mer diese verbesserung zu verwenden.» der Vorhalle einen klassischen modernen nimmt Bezug auf die dahinterliegende Berg- Nach einem Besitzerwechsel nahm man 2016 Farbkontrast. Im Entwicklungslabor der Eter- kette und wendet sich in einer Art Willkom- die seit Längerem anstehende Sanierung in nit (Schweiz) AG versuchte man, die Farbe mensgeste dem Ortstock zu. Mit der konka- Angriff. Die Architekten strebten danach, der Originalplatten nachzumischen. Die Re- ven Form, einem weit auskragenden Pultdach den ursprünglichen Bau so weit als möglich sultate waren aber zu wenig zufriedenstel- und einer mit gleichformatigen Platten ge- wiederherzustellen, ihn aber für die weitere lend, da die einstige Faseroptik fehlte. Daher fügten Fassade verlieh der Architekt dem Nutzung als Gasthaus zu ertüchtigen. Wäh- fiel die Wahl auf die anthrazitfarbene Plat- Bau ein charakteristisches Er- te aus der Xpressiv-Kollektion scheinungsbild. Die Fenster samt (Dark Grey 8220): Sie kam der Läden – Schiebeläden im Erd ursprünglichen Optik am nächs- geschoss und Klappläden im ten. Das Ravenna-Rot der Holz- Obergeschoss – und die leicht teile entsprach – zufälliger- und vorkragenden Fenstersimse bil- glücklicherweise – dem Farbton den horizontale Bänder. der Avera-Kollektion (AV 030). Das Holzfachwerk wurde allsei- So wurden Platten dieses Farb- tig mit grossformatigen, schwarz tons für die Füllungen der Schie- durchgefärbten Faserzement- beläden eingesetzt. platten versehen. Das handliche Michael Hanak Plattenformat fand Leuzinger, indem er die Fabrikationsgrösse viertelte. «Es schien mir wider- sinnig, dass der Eternit, der in grossen Tafeln von 1,20 mal Die Postkarte aus den 1930er-Jahren zeigt das Ortstockhaus 2,40 m fabrikmässig hergestellt in seinem ursprünglichen Zustand. (Foto: Hans Schönwetter-Elmer) wird, zu seiner Verwendung als Aussenbekleidung von Bauten wieder in kleinste Formate zerschnitten wer- rend nur vier Monaten im Sommerhalbjahr de, in blosser Nachahmung der Holzschindel- wurden originale Bauteile instand gesetzt, oder Schieferbekleidung», wird der Architekt spätere Umbauten rückgebaut, fehlende alte in der Zeitschrift Baumeister von 1932 zitiert. Bauteile rekonstruiert und neue Sanitär- und Damit beherzigte er Adolf Loos’ Regeln für Haustechnikanlagen, etwa Küche und Wasch den, der in den Bergen baut: «Achte auf die räume, installiert. formen, in denen der bauer baut. Denn sie Die ursprüngliche Farbigkeit wiederherzu- sind der urväterweisheit geronnene subs- stellen, war ein zentraler Aspekt der Sanie- tanz. Aber suche den grund der form auf. rung. Einst bildeten die schwarzen Platten, 4 ARCH 2018–2
Das Ortstockhaus liegt auf der Braun- waldalp, einer Geländeterrasse im Glarner- land, umgeben von einem imposanten Alpenpanorama. Seit Sommer 2016 erstrahlt das denkmalgeschützte Haus in neuem Glanz. Es bietet Wanderern und Ausflüglern Unterkunft, Verköstigung und Erfrischung sowie Ausblicke auf die vielen Gipfel und Grate. Ortstockhaus, Braunwald, Schweiz Architekt: Hans Leuzinger, Glarus / Zürich Sanierung: Althammer Hochuli Architek- ten, Zürich, und Steiger Architekten, Baden Bauzeit: 1931 Sanierung: 2016 Eine Baumonografie ist geplant. 5
WOHNBAU: SIEDLUNGEN Beim Wohnungsbau spielt die Architektur unterschiedlichste, meist flexible Formen der Raumnutzung durch. Der Akzent liegt auf sozialer Durch- mischung und Gemeinschaftlichkeit. Individuell leben, sich lebhaft aus tauschen: von Wohn- und Lebensformen in «Communities». 6 ARCH 2018–2
7 Illustration: Patric Sandri
WOHNBAU: SIEDLUNGEN Die Wohnung deckt unterschiedlichste Bedürfnisse ab. Warum nur bleiben ideenreiche Wohnüberbauungen trotzdem eine Ausnahme? Sharing wie im Grandhotel Text von Daniel Kurz selt genauso für jede und jeden Einzelnen im Lauf des Tages und mit den Phasen des Lebens: von der Kindheit Eine Wohnung ist vieles – für (fast) jede und jeden über die Ausbildungsjahre, das Leben als Single oder bedeutet sie etwas anderes; vielleicht bloss Unterkunft junges Paar, die Familienzeit und jene danach. Wohnun- oder Obdach. Oft sind die eigenen vier Wände primär gen, wäre daraus zu schliessen, können gar nicht indivi- ein Ort der Erholung und der Intimität, Höhle oder Burg, duell genug gedacht und geplant werden. Um so indivi- ein geschützter Rahmen zum In-sich-Gehen oder Träu- duellen Bedürfnissen zu genügen, sollten sie sich nicht men. Mitunter auch ein Ort für Begegnung und Gesel- nur voneinander unterscheiden, sondern zugleich an- ligkeit, der äussere Rahmen von Familien- oder Bezie- passbar sein für wechselnde Arten ihrer Nutzung. hungsleben, nicht selten ein Arbeitsplatz. Und schliess- lich ist die Wohnung meist auch Spiegel und Zu viel vom Immergleichen Repräsentation des eigenen Selbst, in ihrer konkreten Die Voraussetzungen dafür wären eigentlich günstig, Lage, Grösse und Gestaltung bietet sie individuelle Ver- denn selten wurden in der Schweiz so viele Wohnungen ortung in der Gesellschaft. gebaut wie in den letzten 15 oder 20 Jahren. Der Boom Der Vorrang des einen oder anderen Bedürfnisses unter- scheint sich, trotz allmählich wachsender Leerstände, scheidet sich nicht nur von Person zu Person, er wech- nicht abschwächen zu wollen; er hat ländliche Regionen genauso erfasst wie die grossen Städte und ihr Umfeld. Treiber des wachsenden Angebots scheinen freilich we- niger die Bedürfnisse der Wohnungssuchenden zu sein WOHNBAU SCHWEIZ KENNZAHLEN als der Bedarf für sichere Kapitalanlagen. Und da Anle- ger gewöhnlich Risiken scheuen, gleicht sich die grosse Wohnungsbestand (2016) 4 420 829 Masse an neuen Wohnungen wie ein Ei dem anderen. Neu erstellte Wohnungen (2015) 53 126 Die allermeisten sind für Familien ausgelegt, mit drei bis Leerwohnungsziffer (2017) 1,45 % viereinhalb Zimmern, zwei Nasszellen, einem grossen Durchschnittliche Fläche pro Wohnung (2016) 99 m² Wohnraum. Und das Wohnumfeld bleibt unspezifisch: Wohnfläche pro Person (2016) 45 m² rundum ein wenig Grün, eine einsame Schaukel. Nur selten ist an eine kluge Zonierung und eine bewusste Bewohner pro Wohnung (2016) 2,2 Abstufung zwischen öffentlichem und privatem Raum Bewohner pro Zimmer (2016) 0,60 gedacht worden. Wohneigentumsquote (2016) 38,2% Die Frage ist erlaubt, ob die grosse Masse des neu Ge- bauten den Bedürfnissen der Zukunft – oder nur schon Wohnungen nach Anzahl Zimmer (2016) der Gegenwart – wirklich entspricht. 57 Prozent aller Wohngebäude in der Schweiz sind Einfamilienhäuser; 1 2 3 4 5 6+ am Mietwohnungsmarkt bilden die Vierzimmerwohnun- 6,4 % 14,1 % 26,8 % 27,7 % 15,3 % 9,8 % gen die grösste Gruppe. Lauter Wohnraum für traditio- Quelle: Bundesamt für Statistik, Neuenburg nelle Familien also, doch die bilden in unserer Gesell- 8 ARCH 2018–2
WOHNBAU: SIEDLUNGEN schaft längst nicht mehr die Mehrheit. Schweizweit sind Gemeinschaftssiedlungen übertragen auf das private Zu- Singlehaushalte mit 35 Prozent noch vor den Paarhaus- hause, was wir in grossen Hotels so schätzen: Zugang zu halten die häufigste Wohnform, in den grossen Städten grossen, gemeinschaftlichen Räumen – zum Preis eines erreicht ihr Anteil sogar gegen 50 Prozent. Da erstaunt bescheideneren individuellen Flächenkonsums. Im Ho- es eigentlich, dass für diesen bedeutenden Markt kaum tel hat der Einzelne nur sein Zimmer, vielleicht eine spezifische Angebote vorhanden sind. Denn wenn es mit Suite, aber zugleich stehen ihm Foyer und Speisesaal, der Verdichtung ernst gelten soll, müssen für kleine Billardzimmer und Bibliothek, vielleicht ein Tennisplatz Haushalte spezifische Angebote geschaffen werden, die und ein Spa zur Verfügung. An diesem Reichtum orien- nicht von vornherein 60 oder 80 Quadratmeter pro Per- tiert sich das neue Gemeinschaftswohnen, nicht an klös- son in Anspruch nehmen, wie das bei konventionellen terlicher Kargheit. Dreizimmerwohnungen immer der Fall ist. Angebote Urbanes Singlewohnen kann bedeuten, dass im eigenen auch, die den Alleinlebenden Anschluss an eine Form Haus ein Gemeinschaftsraum, Lounge und Gästezimmer der Gemeinschaft geben und ihnen so die Möglichkeit zur Verfügung stehen, vielleicht sogar ein Arbeitsplatz bieten, der Enge der eigenen vier Wände bei Bedarf zu als Flexbüro. Arbeiten und Wohnen sind eng verbunden, entfliehen. Je kleiner der Haushalt als sozioökonomische sodass im Wohnkomplex zu jeder Tageszeit Betrieb Einheit, desto fragwürdiger der Anspruch, dass alles in herrscht. Die Wege sind kurz, das Auto wäre nur unnö- den eigenen vier Wänden stattfinden muss: Garten? Ter- tiger Ballast. Nicht Verzicht und soziale Zwänge sind das rasse? Gästezimmer? Waschmaschine? Ein Tisch für Thema, sondern zusätzliche Angebote. Gemeinschaftli- grosse Gästerunden? Bibliothek? Das alles wird eher sel- ches Wohnen und Arbeiten macht es möglich, den Fern- ten gebraucht und lässt sich leicht teilen. Der Kern des seher nicht zwingend in den eigenen vier Wänden zu ha- Wohnens bleibt ein relativ kleiner, intimer Bereich. ben, dafür ein- oder mehrmals die Woche an einen ge- deckten Tisch zu sitzen, ohne langes Kochen und ohne Teilen, um mehr zu bekommen Convenience Food. Im Austausch zu stehen mit Mitbe- Hier setzen die immer zahlreicheren Projekte der wohnern – und trotzdem umso individueller zu leben: «neuen» Baugenossenschaften an, die mit gemeinschaft- Die neuen Gemeinschaftssiedlungen sind Communities lichen Wohnformen die Enge der Normalwohnung moderner, ungebundener Grossstädter, einer Generation sprengen wollen: In der Zürcher Kalkbreite, im Zwi- der digitalen Nomaden. Für sie ist «Sharen» das Alltäg- cky-Areal oder in der Basler Erlenmatt Ost. Die neuen lichste der Welt. Labore für zukünftige IBA WIEN: IBA STADTREGION STUTTGART: Wohn- und Lebensformen NEUES SOZIALES WOHNEN WANDEL IM WACHSTUM Internationale Bauausstellungen (IBA) Die IBA Wien fokussiert auf die zukünftigen Mit der IBA 2027 will die Region Stuttgart setzen seit mehr als hundert Jahren Impul- Herausforderungen des «neuen sozialen zur Modellregion für industriell geprägte, se, die über ihre Zeit hinausweisen. Heute Wohnens». «Stadt ist nicht, sie wird», so polyzentrische Wachstumsräume und deren sind sie Grossveranstaltungen der Bau wird postuliert. Diese IBA nimmt sich drei Erneuerung werden. Sie soll – hundert kultur, die neben ästhetischen und techno- Leitthemen vor: neue soziale Quartiere, Jahre nach Fertigstellung der Weissenhof- logischen Aspekten zunehmend komplexe neue soziale Qualitäten und neue soziale siedlung – Antworten finden auf die Frage: soziale, ökonomische und ökologische Verantwortung. Es geht um urbane Suk Wie leben, wohnen, arbeiten wir im digi- Fragen miteinbeziehen. Als Ausblicke auf zessionsprozesse, Anforderungen an das talen und globalen Zeitalter? Die vier Leit- das Wohnen und das Leben von morgen. Wohnen und um das Instrumentarium themen sind die Baukultur einer Neuen des geförderten Wohnbaus. 2020 will Wien Moderne, integrierte Quartiere, neue Tech- in einer Zwischenpräsentation bis dahin nologien für die lebenswerte Stadtregion entwickelte Projekte zur Diskussion stellen. sowie «Region ist Stadt und Stadt ist Im Präsentationsjahr 2022 sollen dann Region». Alle IBA-Projekte orientieren sich städtebaulich und sozial innovative Projekte an den vier Querschnittsqualitäten einer aus den Handlungsfeldern Neubau, Be- mobilen, nachhaltigen, solidarischen und standsentwicklung und Zusammenleben partizipativen Region. zu besichtigen sein. www.iba2027.de www.iba-wien.at 9
WOHNBAU: SIEDLUNGEN ENTWICKLUNG HAUSHALTSGRÖSSEN RELATIV HAUSHALTSGRÖSSEN ABSOLUT 45 % 2 000 000 1 600 000 35 % 1 200 000 25 % 800 000 Quelle: Bundesamt für Statistik, Neuenburg 15 % 400 000 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen und mehr Prognose 2017 Radikale Architektur für die neue Gemeinschaft den Innenausbau, wo roher Beton und Beplankungen aus Im Osten des Basler Neubauquartiers Erlenmatt haben Sperrholz dominieren. Im hofseitigen Winkel des Gebäu- Buchner Bründler Architekten mit dem Genossen- des kommen alle Wege zusammen, eine breite Treppe schaftshaus Stadterle dieser Vision einen direkten und führt mit Grandezza zu den Gemeinschaftsräumen, un- überzeugenden architektonischen Ausdruck gegeben. ter den Blicken der Mitbewohner, denen die breiten Lau- Der Neubau der jungen Genossenschaft «zimmerfrei» bengänge als Veranda dienen. vereinigt die unterschiedlichsten Wohnformen, von der Familienwohnung über die Clusterwohnung bis zur Leichtes Wohnen ohne Gemeinschaftszwang Gross-WG, zusammengehalten durch gemeinsame Be- Mit dem Gebäude MinMax im Glattpark am Nordrand reiche wie den Dachgarten, den Waschsalon und einen von Zürich haben EMI Architekten 2016 ein massge- überaus grosszügigen Gemeinschaftsraum. In partizipa- schneidertes Projekt für kleine und sehr grosse Haus- tiven Prozessen haben die künftigen Bewohnerinnen und halte geschaffen, ein Haus, das kleine Wohneinheiten mit Bewohner ihr Projekt nach dem Wettbewerb zusammen ungewöhnlich grosszügigen Gemeinschaftsangeboten mit den Architekten weiterentwickelt. Der Gedanke ei- verbindet, ohne jedoch die Bewohner zum Gemein- ner nachhaltigen Lebensweise im Sinn der 2000-Watt-Ge- schaftsleben zu verpflichten. Wüest & Partner entwickel- sellschaft ist ihnen dabei ebenso wichtig wie der Grund- ten das Programm für den Wettbewerb, dabei zeigten sie eigentümerin im Stadtteil Erlenmatt Ost, der Basler Stif- auf, dass im Neubauquartier mit seinem Überhang an tung Habitat. Familienwohnungen eine Alternative gefragt war. Schon Eine radikale und konsequente Ästhetik bestimmt den äusserlich grenzt sich der Neubau vom Wohnquartier ab: Charakter des grossen Hauses. Wellacryl-Bänder über- Mit Sockel und Dachzone vertikal gegliedert strahlt ziehen die Fassadenverkleidung aus Aluminium und Fa- der dunkel eingekleidete Bau eine dezidiert städtische serzement, dazu kommen die kräftigen Signale der offe- Haltung aus. Im Inneren umschliesst er mit Terrassen nen Treppentürme aus verzinktem Stahl. Das unvermit- und Laubengängen einen intimen Innenhof. Die Mehr- telte Nebeneinander der industrierohen Materialien zahl der Wohnungen von MinMax sind knapp bemessen: verleiht dem Gebäude einen sehr direkten Ausdruck: Er 40 Quadratmeter gross und schmal geschnitten; der tiefe versinnbildlicht eine Gemeinschaft, die eben erst ent- Wintergarten, ein frei stehendes Küchenmöbel und Glas- standen ist und sich entwickeln will. Eine Gemeinschaft wände zonieren den Raum – eine grosse Zelle nur, ein auch, die auf Unnötiges gerne verzichtet und dem Nöti- Studio, aber vielfältig bespielbar. Atelierwohnungen, gen sichtbaren Ausdruck geben will. Das Gleiche gilt für Maisonettes und drei grosse Cluster-Wohnungen mit Ge- 10 ARCH 2018–2
WOHNBAU: SIEDLUNGEN meinschaftsküche ergänzen das Angebot. Das Wichtigste Vermehrt wird nur noch das Basisangebot in den eige- jedoch: Alles, was unnötigen Raum einnimmt, ist aus nen vier Wänden genutzt, der Rest ist ausgelagert – es den Kleinwohnungen ausgelagert: die Waschküchen in kommt zu einer Co-Evolution zwischen Wohnung, Nach- einen Glasturm am Hof, der Aussenraum auf die gemein- barschaft und Stadt.» Die Wohnung für mobile Gross- same Dachterrasse. Und wer mit Nachbarn oder Gästen städter muss in Zukunft vielleicht gar nicht mehr alle Be- den Abend verbringen will, kann sich den voll ausge dürfnisse auf einmal abdecken – vieles davon kann ins statteten Gemeinschaftsraum – pardon: die Party Box – Umfeld ausgelagert werden. Sei es analog im eigenen reservieren. Haus oder virtuell über das weltweite Netz. Wohnen ver- netzt sich damit verstärkt mit dem städtischen Umfeld. Die dekonstruierte Wohnung In seiner aktuellen Studie «Microliving» skizziert das Daniel Kurz (*1957) ist promovierter Historiker und Architek- turkritiker sowie seit 2012 Chefredaktor der Architektur Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) eine dekonstruierte zeitschrift werk, bauen + wohnen. Als Autor zahlreicher Publi- Wohnzukunft für die kleineren Haushalte: «Momentan kationen äussert er sich seit vielen Jahren zur Geschichte und erfüllt eine einzelne Wohnung eine Vielzahl von Funkti- zur Praxis des Wohnens. onen: Schlafplatz, Kochnische, Reinigungsort, Wohn- zimmer, Arbeitsstätte, Erholungsraum, Wohlfühloase Quellen: GDI, Stefan Breit, Detlef Gürtler, «Microliving. Urbanes Wohnen im 21. Jahrhundert», Zürich 2018. oder Stauraum – ein ‹Heim›, das so erst im 20. Jahrhun- Andreas Hofer, Ruedi Weidmann, «Inspiration Grandhotel», dert entstanden ist. Im digitalen Zeitalter werden diese in: Tec21 36/2013. Funktionen dekonstruiert und neu zusammengesetzt. GENOSSENSCHAFTS- LEBEN IN DER ZÜRICHS JÜNGSTE WIENS SOZIALE WOHNEN HEUTE GEMEINSCHAFT WOHNUNGSBAUTEN WOHNBAUTRADITION Dieses Buch stellt das Phänomen In den europäischen Städten ent- Seit Mitte der 1990er-Jahre ent- «Wiens soziale Wohnbaupolitik ist des genossenschaftlichen Bauens stehen zurzeit gemeinschaftlich standen im Grossraum Zürich eine hinsichtlich ihrer langen Tradition in der Schweiz und insbesondere in orientierte Wohnprojekte, die eine Reihe von Wohnbauten von aus und ihrer Kontinuität einzigartig.» der Stadt Zürich in den Mittelpunkt. enorme Kraft und Lebendigkeit serordentlich hoher Qualität: Die Ausgehend von dieser Feststellung In den letzten 15 Jahren haben sich entfalten. Noch vor wenigen Jahren öffentliche Hand, eine hochstehen- präsentiert das Buch Das Wiener solche Genossenschaftsprojekte sahen Kritiker in den neuen Wohn- de Wettbewerbskultur und eine Modell sechzig typische Projekte deutlich verändert. Ermöglicht projekten nur periphere Inseln für rege Architektenszene haben ein der vergangenen hundert Jahre. durch Steuergelder und dank inno- gemeinschaftssehnsüchtige Nostal- Experimentierfeld guter Wohnbau- Bemerkenswert ist unter anderem vationsfördernden Wettbewerben giker. Inzwischen finden gemein- architektur hervorgebracht. Die das innovative Ausschreibungs entwickelten sich in Zürich neue schaftliche Wohn- und Lebenspro- Anthologie über den Zürcher Woh- system der sogenannten Bauträger- Wohnformen, die einen grossen Ein- jekte eine breite Anerkennung. nungsbau versammelt mehr als wettbewerbe, womit Wohnungs- fluss auf die Stadt und das urbane Vorliegendes Buch ist das Ergebnis hundert Einzelbauten, Ensembles standard und Bauqualität stetig Leben haben. Diese Bauten können aus einem Forschungsprojekt und und Siedlungen, die innerhalb verbessert und eine soziale Durch- als vorbildhafte Modelle dafür die- richtet den Blick auf die unter- von zwanzig Jahren in der Stadt mischung erreicht werden. Da die nen, wie das global steigende Be- schiedlichen Dimensionen der Quar- Zürich entstanden sind. Es ist Stadt rasch weiterwächst, liegt der dürfnis nach städtischem Wohn- tiervernetzung und Nachbar- eine eindrückliche Übersicht zur Schwerpunkt auch in Zukunft auf raum zu befriedigen sein könnte. schaftsbildung gemeinschaftlicher Wohnbaukultur, die auch interna den Themen Integration und urbane Wohnprojekte. Diese wollen indi tional Beachtung findet. Identität sowie dem Ziel einer Dominique Boudet (Hrsg.), Wohn viduelles Leben ermöglichen, aber hohen Lebensqualität. genossenschaften in Zürich. auch neue Formen der Gemein- Heinz Wirz und Christoph Wieser Gartenstädte und neue Nachbar schaft. (Hrsg.), Zürcher Wohnungsbau Wolfgang Förster, William Menking schaften, Textbeiträge von Domi- 1995 – 2015 / Zurich housing de (Hrsg.), Das Wiener Modell. nique Boudet, Sylvia Claus, Irina Susanne Dürr und Gerd Kuhn, velopment 1995 – 2015, Textbeiträge Wohnbau für die Stadt des 21. Jahr Davidovici, Daniel Kurz, Caspar Wohnvielfalt: Gemeinschaftlich von Daniel Kurz, Patrick Gmür, hunderts, Deutsch / Englisch, Jovis Schärer und Axel Simon sowie In- wohnen – im Quartier vernetzt Christoph Wieser, Quart Verlag, Verlag, Berlin 2016. terviews mit Peter Ess und Patrick und sozial orientiert, Wüstenrot Luzern 2017. Gmür, Park Books, Zürich 2017. Stiftung, Ludwigsburg 2017. 11
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Michael Meier & Marius Hug und Armon Semadeni Vorbild in allen Belangen Im Westen von Bern bieten drei unregelmässig geformte, viergeschossige Bauten Raum für verschiedene Wohnformen. Mit Gewerberäumen, einer Kinderkrippe und einem Bistro trägt die neue Siedlung Stöckacker Süd zur besseren sozialen Durchmischung des Quartiers bei. Text: Michael Hanak, Fotos: Roman Keller, Jürg Zimmermann 13
WOHNBAU: SIEDLUNGEN Die Siedlung Stöckacker Süd umfasst drei unregelmässig geformte, mehrfach abgewinkelte Gebäude. Diese fassen 146 Wohneinheiten und ersetzen Satteldachhäuser aus den 1940er-Jahren. In ihrem äussersten Westen liess die Stadt Sozial gut durchmischt Strassen angeordneten Häuser der Vorgän- Bern vor siebzig Jahren eine ganze Wohn- Die drei unregelmässig geformten, mehr- gersiedlung. Die drei «Figuren» – die aus siedlung errichten. Nun realisierte sie im fach abgewinkelten Häuser mit vier der Vogelschau an einen Knochen, ein Beil Quartier Bümpliz-Bethlehem zum ersten Geschossen fassen 146 Wohneinheiten und einen Anker erinnern – verschränken Mal wieder Wohnbauten: die Siedlung mit dreieinhalb bis sechs Zimmern, Alters- sich ineinander. Dazwischen entstehen Stöckacker Süd. Diese ersetzt die 1945 / 46 wohnungen mit eineinhalb bis drei Zim- mehr oder minder gefasste Plätze und Hof- erbauten dreigeschossigen Satteldach mern, aber auch mehrgeschossige «Town bereiche; zu den Strassen hin Vorgarten häuser. Zwar stufte die Denkmalpflege Houses» mit bis zu sechseinhalb Zimmern. bereiche. Alle Aussenräume sind mit jene als wirtschafts- und sozialgeschichtlich Im Erdgeschoss befinden sich neben Büschen und Bäumen bepflanzt und stehen bedeutsam ein; da die Bauten aber den Gewerberäumen auch eine Kinderkrippe der Gemeinschaft zur Verfügung. Die aktuellen Wohnbedürfnissen nicht mehr und ein Bistro. Das Nebeneinander der Erdgeschosswohnungen sind über Treppen genügten, wurden sie abgebrochen. unterschiedlichen Wohnformen und Ge- direkt mit dem Garten verbunden. Der anhaltende Boom im Wohnungsbau werberäume soll eine soziale und alters- Die Bauten sind allseitig gleich behandelt, betrifft vermehrt bestehende Siedlungen. mässige Durchmischung bewirken und die keine Ausrichtung scheint bevorzugt. Neuen Wohnraum zu schaffen, ist ein Wohnqualität im Quartier erhöhen. Zur Bahnlinie sind die «Town Houses» mit wichtiges politisches Ziel. Die Wettbewerbsausschreibung liess die je zwei Hauptgeschossen angeordnet: Rund 7850 Wohnungen oder gut zehn Pro- Bebauungsform und -höhe offen: Die die unteren sind über einen auskragenden zent aller Wohnungen gehören in Bern baurechtlichen Vorschriften sollten später Windfang, die oberen über einen Lauben- gegenwärtig gemeinnützigen Wohnbauträ- dem Bauprojekt angepasst werden. gang erschlossen. Vor der Lärmquelle gern; weitere rund 2000 Wohnungen Das Grundstück wird von Quartierstrassen weicht die Siedlung aber nicht zurück. befinden sich in städtischem Besitz. Mit und einer Bahnlinie begrenzt; seine drei- der neuen Siedlung Stöckacker sah die eckige Fläche bildete den Ausgangspunkt Balkon als dynamisches Element Stadtverwaltung die Chance, in sozialer, für die Bebauungsstruktur. Ungewöhnliche Prägendes Merkmal der Fassaden sind die ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht Umrisse mit stumpfen und spitzen Win- Balkone, die – ausser an den Nordseiten vorbildlichen Wohnraum zu realisieren. keln, Verengungen und Weitungen charak- der drei Bauten – durchlaufen. Es gibt brei- Sie erhoffte sich damit eine Wirkung weit terisieren die drei Baukörper, anders tere und schmalere Bereiche. Die Aussen- über Bern hinaus. als die parallel und rechtwinklig zu den wände sind mit grossformatigen, dunkel- 14 ARCH 2018–2
Illu Wohnungen 1:2000 / 1:400 WOHNBAU: SIEDLUNGEN Alterswohnung Alterswohnung Geschosswohnung Geschosswohnung Die drei Baukörper fassen verschiedene Wohnungstypen und bilden den Rahmen für unterschiedliche Lebens- und Wohn formen. Doppelgeschosswohnung Doppelgeschosswohnung /T W Regelgeschoss (1. Obergeschoss) grauen Faserzementplatten bekleidet. Holzstützen integriert: Diese hybride Kon- Balkone vermitteln zwischen Wohnraum Dynamischer wirken die Balkone dank ver- struktion bringt nebst einer positiven und Umgebung. Im Aussenraum überzeugt tikal strukturierten, hellgrauen Glasfaser- Ökobilanz Vorteile in der Fertigung. Die die Balance zwischen Privatsphäre und betonelementen mit mal tieferen, mal hinterlüftete Fassade mit den stockwerk Öffentlichkeit. Den beabsichtigten Vorbild- höheren Brüstungshöhen. Dahinter befin- hohen Faserzementplatten gewährleistet charakter erreichte man bei der Siedlung den sich diagonale Gitter. Hellrote Vor- einen wirtschaftlichen Unterhalt und Stöckenacker auch bezüglich Ökologie und hänge, die sich entlang der trapezförmigen erlaubt eine getrennte Auswechslung oder Nachhaltigkeit im Sinn der 2000-Watt- und Aufenthaltsbereiche als Sonnen- und Sicht- Erneuerung. Alle Wohnungsfenster sind 1-Tonne-CO2-Gesellschaft: dank verschie- schutz vorziehen lassen, bringen Farbe in – vor allem aus ökonomischen Gründen – dener Massnahmen wie Erdsonden, Son- die Siedlung. Zusammen mit dem braunen, ebenfalls geschosshoch und in den gleichen nenkollektoren und integrierter Wasser- pulverbeschichteten Aluminiumblech der Grössen ausgeführt. und Biomassenutzung. Storenkästen, der Tür- und Fensterrahmen Die Siedlung trägt zur städtebaulichen erhält die Siedlung aber eher eine zurück- Identität bei: Indem sich die Architektur haltende Tonalität. auf die Geschichte und den Ort bezieht, Wohnungstrennwände und Treppenkerne passen sich die Neubauten in das gewach- aus Beton sind tragend, dagegen sind sene Quartier ein. Die einfachen Mate die Deckenplatten äusserst schlank dimen- rialien sind eine Reminiszenz an die Vor- sioniert. In die Aussenwände sind tragende gängersiedlung. Differenziert gestaltete 15
WOHNUNGSBAU 16 ARCH 2018–2
WOHNUNGSBAU Die einfachen Mate- rialien sind eine Reminiszenz an die Vorgängersiedlung aus der frühen Nach- kriegszeit. 17
Für die Balkone entwi- ckelten die Architek- ten gezackt profilierte Glasfaserbetonele- mente. Die Aussen- wände der Gebäude sind mit grossformati- gen, dunkelgrauen Faserzementplatten bekleidet. 18 ARCH 2018–2
WOHNBAU: SIEDLUNGEN 1 cm Bern horizontal section Scale: 1:20 Die neue Siedlung bietet Einheiten für verschiedenste Wohn- formen: neben Wohnungen mit drei- einhalb bis sechs Zim- mern auch kleinere Alterswohnungen und mehrgeschossige «Town Houses». 6 7 6 8 9 10 12 1 2 3 4 5 11 1 Faserzement, 8 mm Standort: Bethlehemstrasse 161 – 167, 169 – 173, 2 Hinterlüftung, Vertikallattung 175 – 183, Bern, Schweiz 3 Horizontallattung Bauherrschaft: Immobilien Stadt Bern 4 Feuchtigkeitssperre 1 Swisspearl® 8 mm Architekten: Planergemeinschaft Michael Meier 5 Gipsfaserplatte 2 Hinterlüftung, Vertikallattung & Marius Hug Architekten AG, Zürich, und 6 Wärmedämmung, Mineralwolle 3 Horizontallattung Armon Semadeni Architekten GmbH, Zürich 7 Grobspanplatte 4 Feuchtigkeitssperre 8 Gipskartonplatte 5 Gipsfaserplatte Bauleitung: ANS Architekten und Planer 9 Französisches Fenster, Dreifachverglasung 6 Wärmedämmung, Mineralwolle SIA AG, Worb 10 Französisches Geländer, Streckmetall 7 Grobspanplatte Landschaftsarchitekten: Müller Illien 11 Brandriegel 8 Gipskartonplatten Landschaftsarchitekten, Zürich 9 Französisches Fenster, Dreifach-Isolierverglasung 12 Festverglasung Bauzeit: 2014 – 2017 (Wettbewerb 2008 / 09 ) 10 Französisches Geländer, Streckmetall 11 Brandriegel Fassadenbau: Holzbau Burn AG, Adelboden 12 Festverglasung Fassadenmaterial: Faserzement Swisspearl Xpressiv, Grau 8060 19
WOHNBAU: SIEDLUNGEN Wie kam die Zusammenarbeit für das Seither haben Sie bei einer Reihe von Wett Armon Semadeni: Der Wohnungsbau ist Projekt der Siedlung Stöckacker in Bern bewerben den ersten Preis geholt. Verraten unser zentrales Thema, da das Wohnen zustande? Sie uns Ihr Erfolgsrezept? eine Hauptbeschäftigung des Menschen ist. Michael Meier: Die Zusammenarbeit ent- Armon Semadeni: Voraussetzungen, dass Die Bauaufgabe ist vielfältig, da jede Lage wickelte sich schrittweise aus der ehe wir an einem Wettbewerb teilnehmen, und jede Bauherrschaft – ob öffentlich, maligen Mitarbeit und aus Freundschaft; sind, dass uns das Programm interessiert privat oder genossenschaftlich – anders ist. weniger aus Ressourcenbedürfnissen. und dass er gut begleitet und juriert wird. Armon Semadeni: 2009 machte ich Michael Meier: Am wichtigsten scheint An der Stelle der Siedlung Stöckacker in mich selbstständig und arbeitete noch etwa mir, dass wir immer wieder möglichst offen Bern standen zuvor gewöhnliche Bauten 50 Prozent bei Michael Meier und Marius und neu an eine Aufgabe herangehen. aus den 1940er-Jahren. Inspirierten die Hug. Die offene Ausschreibung des Berner Wir wollen gute, gültige Antworten finden bestehenden Bauten und deren «normale» Wettbewerbs stand am Anfang einer und nicht eine Autorenhaltung wiederho- Ästhetik Sie bei Ihrem Entwurf? bis heute anhaltenden Serie gemeinsamer len. Entscheidend ist auch, zu Beginn die Armon Semadeni: Tatsächlich sind die Projekte. richtige Strategie zu finden. einfachen Materialien eine Reminiszenz an Armon Semadeni: Wir bearbeiten etwa die Vorgängersiedlung aus der frühen einmal im Jahr einen grösseren Wettbewerb Nachkriegszeit, als nur wenige Baumateria- zusammen. Bisher konnten wir drei lien verfügbar waren. Projekte gemeinsam ausführen: das Natur Michael Meier: An der früheren Siedlung «Wir benutzen gerne museum St. Gallen, die Siedlung Stöck gefielen uns besonders die Gärten und Industrieprodukte acker in Bern und die Wohnbauten der Gaiwo in Winterthur (siehe Abbildungen). die Balkone. Auch die pragmatische Mate- rialisierung mit Putzfassaden und Well mit handwerklichem Beschäftigen Sie sich eher aus geschäft eternit vor den Balkonen hat uns fasziniert. Diese Qualitäten wollten wir übernehmen, Potenzial oder lichen oder ideellen Motiven mit dem Wohnungsbau? ohne sie zu karikieren. Wie die einstigen Fassaden zeigen auch die neuen eine Fein- Hintergrund.» Michael Meier: Alle Fragen des Wohnens heit und einen gewissen formalen Reich- interessieren uns sehr. Zudem betreffen tum. viele Wettbewerbsausschreibungen Wohnbauten an spannenden Orten mit städtebaulichem Potenzial. Naturmuseum St. Gallen, 2016 Marius Hug (*1970) und Michael Meier (*1972) gründeten 2001 ihr Architekturbüro in Zürich. Zuvor hatten beide bei Miller & Maranta in Basel gearbeitet. Michael Meier hat an der MFH Kastellweg, Winterthur, 2014 FH Winterthur und Marius Hug an der ETH Zürich studiert. Das Büro zählt heute rund fünfzig Mitarbeiter. Ihre Bauten de- cken ein breites Spektrum verschiedener Bauaufgaben und konstruktiver Lösungen ab. Armon Semadeni (*1979), rechts im Bild, arbeitete nach dem Studium an der EPF Lausanne und ETH Zürich im Büro Michael Meier und M arius Hug Architekten und gründete 2008 sein eigenes A rchitekturbüro, das etwa 25 Mitarbeiter zählt. Fast alle bisher realisierten Bauten resultierten aus Wettbewerben. Züri-WC am Stadthausquai, 2014 20 ARCH 2018–2
1 cm CH_Siedlung_Bern_vs Vertical section WOHNBAU: SIEDLUNGEN Wie wählen Sie Materialien aus? Scale: 1:20 Michael Meier: Oberstes Gebot bei der Siedlung Stöckacker war die Material trennung. Wir entschlossen uns schon im 12 13 14 15 16 17 Wettbewerb zu einer Konstruktion mit Betondecken und Holzstützen, ebenso zur hinterlüfteten Fassade mit industriellen Materialien. Danach experimentierten wir hauptsächlich mit Strukturen und mit der Farbigkeit. Armon Semadeni: Wir erwogen eine textile Struktur und eine Lasur der Faserzement- platten. Heute bin ich froh, dass wir davon 1 abkamen. Wir sahen uns die Siedlung Bur- 2 riweg in Zürich-Schwamendingen an, die 3 Frank Zierau 2000–2002 erbaute, und wa- 4 ren überzeugt von den Faserzementplatten 5 mit der lebendigen Oberflächenzeichnung. 6 Ihre Bauten prägen häufig strukturierte Oberflächen und die Kombination 7 verschiedener Materialien. Beides verleiht 6 den Fassaden Tiefe und Lebendigkeit. 8 Armon Semadeni: Bieder will es ja niemand haben. Die Tendenz zum Collagierten gefällt mir, aber sie birgt auch ein gewisses Risiko: Wir wollen nicht, dass es aufge- setzt wirkt. Michael Meier: Wir benutzen gerne Indus trieprodukte mit handwerklichem Potenzial oder Hintergrund. Die heutige Vielfalt an Fassadenmaterialien macht die Auswahl allerdings nicht einfach. Für die Siedlung in Bern entwickelten wir gezackt profilierte Glasfaserbetonelemente von geringer Di- cke, die eine hohe Wertigkeit ausdrücken. Wir wollten die Fassade aber zum Beispiel 11 9 nicht mit Mustern gestalterisch aufladen. 10 Wir befinden uns in einer spannenden Phase des Wohnungsbaus: Neue Ideen sind gefragt und werden auch umgesetzt. 1 Swissp Was bringt die Zukunft? 2 Hinter 3 Horizo Armon Semadeni: Gegenwärtig herrscht 4 Feucht eine Überproduktion an konventionellen, 5 Gipsfa 6 Wärm stinknormalen Wohnungen. In den letzten 7 Grobsp Jahren entwickelten sich Vorstellungen 8 Gipska davon, anders zu wohnen. In Zukunft müs- 1 Faserzement, 8 mm 9 Balkon 2 Hinterlüftung, Vertikallattung 10 Brüstu sen wir weitere alternative Modelle finden 11 Balkon 3 Horizontallattung und mutig ausprobieren. 4 Feuchtigkeitssperre 12 Begrün 13 Drains Michael Meier: Ökologische Forderungen 5 Gipsfaserplatte 14 Abdich dürfen kein Bremsklotz sein. Innovative 6 Wärmedämmung, Mineralwolle 15 Wärm Wohnkonzepte sollten mit guter architek- 7 Grobspanplatte 16 Damp 8 Gipskartonplatten 17 Beton tonischer Gestaltung zusammenkommen. 9 Balkongeländer, Streckmetall 10 Brüstungselement, Glasfaserbeton Für ARCH sprach Michael Hanak mit 11 Balkonplatte, vorfabrizierter Beton Michael Meier und Armon Semadeni. 12 Begrünung, extensiv 13 Drainschutzbahn 14 Abdichtung 15 Wärmedämmung, expandierter Polystyrol 16 Dampfbremse 17 Beton 21
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WOHNBAU: SIEDLUNGEN Buchner Bründler Postindustrielle Lebensvielfalt Auf dem Areal Erlenmatt Ost entstand an der Stelle eines ehemaligen Güterbahnhofs ein Wohnquartier um einen Park. Mit vielen Wohnungstypen will der genossenschaftliche Bauträger verschiedenen Lebens phasen und Lebensentwürfen gerecht werden. Text: Buchner Bründler Fotos: Rory Gardiner 24 ARCH 2018–2
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WOHNBAU: SIEDLUNGEN Genossenschaftshaus Stadterle, Basel Das Ziel beim Wohnhaus Stadterle war es, das gemeinschaftliche Leben und den nachbarschaftlichen Austausch zu fördern. Die Wohnungsgrundrisse sind sparsam, dennoch erzeugen sie ein Gefühl von Weite, da sie einfach strukturiert und zwei- seitig orientiert sind. Intim ist das Wohnen zum Park, sozial aktiv zum Hof, denn erschlossen werden die Wohnungen durch einen Laubengang. Dieser dient der Begeg- nung und soll von den Bewohnern, einer eigenen Veranda gleich, belebt werden. Von der sozial wie architektonisch verbin- denden Laube betritt man die Wohnungen hofseitig über die Wohnküche, die in Seekiefersperrholz gehalten ist und deren farbige Lasur von den Bewohnern be- stimmt wurde. Die Privatheit nimmt über den anschliessenden Wohnbereich zu den Schlafzimmern zu. Der für einen Genos- senschaftsbau dieser Art wichtige Aspekt der Finanzen wurde in der Erstellung und Materialisierung des Baus respektiert. Die mehrschichtige Fassade beherrschen Industriematerialien, die unterhaltsarm und langlebig sind. Industrierohes Alumi- nium, unbehandelte gewellte Faserzement- platten, verzinkte Elemente und Acryl- Wellplatten nehmen den ursprünglichen Charakter des Orts auf und verleihen dem Haus durch ihre Direktheit einen hapti- schen und lebendigen Charakter. Grüne, transparente Wellplatten kleiden das Haus in horizontale Bänder ein, sodass die Schichtung lesbar bleibt. Grosszügige Son- nensegel geben ihm Leichtigkeit, zwei offene Treppenhäuser an den Stirnseiten des Winkelbaus Plastizität. Das Haus ist aus Kostengründen ein Hybridbau mit einer Massivstruktur aus Beton und hat eine Holzkonstruktionsfassade. Standort: Goldbachweg 8, Basel Bauherrschaft: Wohngenossenschaft Zimmerfrei, Basel Architekten: Buchner Bründler Architekten, Breite Laubengänge Basel erschliessen die Bauzeit: 2016 /17 (Wettbewerb, 2014 ) Wohnungen und die- Holzbauingenieur Fassade: Makiol Wiederkehr nen als Begegnungs- AG, Beinwil am See zone wie auch als Veranda. Fassadenplaner: Christoph Etter, Basel Fassadenbau: Hürzeler Holzbau AG, Madgen, und Rudolf Senn AG, Muttenz Fassadenmaterial: Faserzement-Wellplatte Ondapress 36, Naturgrau 26 ARCH 2018–2
WOHNBAU: SIEDLUNGEN 1. Obergeschoss 0 2.5 5 7.5 15 30 2 11 _ Ge no s s e ns c ha f t s ha us Sta dter le | Gr undr iss 1. O G | 1:5 0 Die Küchen sind mit farbig lasiertem Seekiefersperrholz ausgebaut. Die Bewohner durften Erdgeschoss die Farbe wählen. 0 2.5 5 7.5 15 30 2 11 _ Ge no s s e ns c ha f t s ha us Sta dter le | Gr undr is s E G | 1:5 0 0 1 cm CH_Siedlung_Erlenmatt Scale: 1:5000 N 27
Adrian Streich Architekten L(i)ebenswerte Wohnmaschine In Green City, Zürichs jüngstem Neustadtgebiet, entsteht auf einem ehemaligen Industrieareal ein dicht bebautes Wohnquartier. Adrian Streichs Wohnblock öffnet sich zu einem Innenhof, der Zurückgezogenheit und Gemeinschaftlichkeit zugleich verspricht. Text: Adrian Streich Architekten, Fotos: Roland Bernath 28 ARCH 2018–2
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WOHNBAU: SIEDLUNGEN Wohnhaus B3 Green City, Zürich Der Wohnbau wird als Wohnmaschine in- terpretiert. Von einer grosszügigen Ein- gangshalle aus erschliessen zwei Treppen- häuser jeweils vier Wohnungen pro Geschoss. Ein halbgeschossiger Versatz zwischen den beiden Haushälften erzeugt im Erdgeschoss unterschiedliche Raum höhen bis zu 4,3 Metern. Zum Spinnerei platz hin sind eine Bäckerei mit Café und der Gemeinschaftsraum für alle ge- meinnützigen Wohnbauträger des Areals untergebracht, in den übrigen Bereichen liegen Atelierwohnungen. Ein acht mal zehn Meter messender Innen- hof gibt dem Wohnhaus eine Mitte. Der im Splitlevel verlaufende Balkonring dient als privater Aussenraum und ermöglicht nachbarschaftliche Besuche; da er keine Fluchtwegfunktion erfüllt, kann er frei möbliert werden. Im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss angeordnete Winter- gärten und Dachterrassen sind allen Be- wohnern zugänglich. Die Wohnungen in den mittleren Geschos- sen sind um den Innenhof gruppiert. Während sich deren Wohn- / Essbereiche zum gemeinschaftlichen inneren Freiraum orientieren, richten sich die übrigen Zim- mer nach aussen. Die hinterlüftete Fassade sollte eine robuste Konstruktion sein. Die Kombination von Betonelementen, Faserzement-Wellplatten und Aluminium erinnert an die industri- elle Vergangenheit des Areals und verstärkt das serielle Moment der Wohnmaschine. Die Faserzement-Wellplatten haben als Material eine hohe Wertigkeit, und das Die Balkone rings schöne Licht- und Schattenspiel verleiht um den gemeinschaft- der Fassade zusätzlich Tiefe. Durch die La- lichen Innenhof er- sur bleibt die Zementstruktur gut sichtbar; leichtern den Kontakt im Streiflicht wirkt die Oberfläche fast zu den Nachbarn. samtig. Im Hof und in den Loggien reflek- tieren die weiss getünchten Faserzement- Wellplatten das Sonnenlicht und schaffen helle, freundliche Aufenthaltsorte. Standort: Maneggplatz 34 / Maneggstrasse 73, Zürich (Baufeld B3 Süd) Bauherrschaft: Genossenschaft Hofgarten, Zürich Architekten: Adrian Streich Architekten AG, Zürich Bauzeit: 2015 – 2017 (Wettbewerb, 2011) Fassadenbau: Durrer AG, Alpnach Dorf Fassadenmaterial: Faserzement-Wellplatte Ondapress 36, Lasur Warmgrau N214 (Hauptfassade) und Blanc P113 (Loggien, Innenhof, Balkone, Dachterrasse) Längsschnitt 30 ARCH 2018–2
WOHNBAU: SIEDLUNGEN 2. Obergeschoss Erdgeschoss 31
WOHNBAU: SIEDLUNGEN Königlarch Architekten Wohnhausanlage Bike City und Time 2 live, Wien Dieses Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, Anreize zur Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel zu bieten. Einige bau- liche Massnahmen erleichtern das und mo- tivieren: ein einfacher und komfortabler Zugriff auf das eigene Fahrrad, grosszügige Erschliessungsflächen, kurze Wege sowie verschiedene Möglichkeiten, die unter- schiedlichen Ansprüchen genügen, um das Fahrrad sicher unterzubringen. Besonders attraktiv sind die extragrossen Transport- lifte, in denen man Fahrräder mitnehmen kann, und die Abstellplätze direkt bei den Wohnungseingängen. Für die 99 Woh- nungen wurden etwa 330 Fahrradstell- plätze und separate Räume für Kinderfahr- räder geschaffen. Die unverwechselbare, markante Architek- tur, die Massstäblichkeit der Baukörper und die differenzierte Gestaltung der Frei- räume sollten in Bike City dazu führen, dass sich die künftigen Mieter stark mit ihrer Anlage identifizieren. Die Erdge- schosszone samt vorgelagertem Aussen- raum steht den Einrichtungen für Fahrrad und Wellness zur Verfügung. Die Aussen- haut der vorwiegend hinterlüfteten Bau- teile zeigt diverse Oberflächen wie Faser zementplatten, 1 cm AUT_Siedlung_WienBike Profilbleche und Alu-Glas-Konstruktionen. Scale: 5000 N Standort: Vorgartenstrasse 130 – 132, Wien Bauherrschaft: Gesiba, Wien (Bike City); Projekta, Wien (Time 2 live) Architekten: Königlarch, Wien (Claudia König, Werner Larch) Bauzeit: 2006 – 2008 (Wettbewerb, 2003 ) Fassadenbau: Thyssen-Krupp Systembau, Wien Fassadenmaterial: Faserzementplatte Auria C 6710 (Bike City); Faserzementplatte Auria T Sonderfarbe (Time 2 live) 32 ARCH 2018–2
WOHNBAU: SIEDLUNGEN Gmür & Geschwentner Wohnüberbauung Roost, Zug, Schweiz Preisgünstiger Wohnungsbau mit Seeblick in der Stadt Zug, einer der steuergünstigs- ten Gemeinden der Schweiz? Das alleine ist schon eine Sensation! Die vier Häuser, deren Adressen prägnante, teils brückenar- tig ausgebildete Eingangsportale markie- ren, weisen einen vielfältigen Wohnungs- spiegel auf. Aus der Hanglage werden in den unteren zwei Geschossen Maisonettes gewonnen, je mit patioähnlichem Aussen- sitzplatz. Im Übrigen dominiert der be- währte Wohnungstyp mit grosser Wohnkü- che, Rundlauf um einen zentralen Nasszellenkern und klar voneinander abge- trennte Tag- und Nachtbereiche. Gross- wohnungen profitieren von der Ecklage. Die unteren beiden Häuser weisen zudem Attikageschosse auf. Die Fassaden schöpfen ihre architektoni- sche Kraft aus der schieren Länge der Baukörper. Durchlaufende Balkone auf beiden Längsseiten betonen die Grosszü- gigkeit optisch. Eine pastellig bleiche Farbgebung für die feingliedrig gestalteten Geländer, die Stahlstützen und die Deckenuntersichten verleihen den Häusern eine beschwingte Leichtigkeit. Die weiss lackierten CH_Siedlung_Zug 1 cm Faserzement-Wellplatten und die blau-weiss gestreiften Balkonmarkisen Scale: 1:5000 runden die mediterrane Stimmung ab. N Standort: Fridbachweg 1– 3, 5 – 9, 11– 17, 19 – 23, Zug Bauherrschaft: Stadt Zug, AWZ Allgemeine Baugenossenschaft Zug, Gewoba Genossen- schaft für gemeinnützigen Wohnungsbau Architekten: Gmür & Geschwentner, Zürich Bauzeit: 2004 – 2008 und 2010 – 2013 (Studienauftrag, 2001 ) Fassadenbau: Gerber & Gadola Fassaden AG, Cham Fassadenmaterial: Faserzement-Wellplatten Ondapress 36, Nobilis, weiss (Spezialfarbton) 33
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