Knut Hüneke Mitbestimmung bei der Einführung einer integrierten EDV - EinFeldfür Organisationsentwicklung?

 
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                                                                  Knut Hüneke

                        Mitbestimmung bei der
                              Einführung einer
                              integrierten EDV

                 - Ein Feld für
     Organisationsentwicklung?

Dieser Artikel basiert in Teilen auf der Veröffentlichung ‘SAP-Regelung als Prozeß’ von Bernd Zimmermann und Knut
Hüneke in der Zeitschrift ‘Computer -Fachwissen für Betriebs- und Personalräte’ 6/97, S.9-14, ist aber für die Zielgruppe
der ZfOE durch den Autor wesentlich verändert und erweitert worden.

                                                           1
Bei der Einführung einer integrierten Standard-       Das Problem
Business-EDV wie SAP haben Betriebs- und
Personalräte ein Mitbestimmungsrecht, daß
angesichts der Komplexität sowohl des Sy-             Bei der Einführung von EDV-Systemen steht dem Betriebs- oder
                                                      Personalrat nach bundesdeutscher Gesetzgebung gemäß Betriebs-
stems als auch der zu regelnden Mitbestim-            verfassungsgesetz (BetrVG) oder den/dem Länder- bzw. Bundesper-
mungsbereiche kaum mehr sinnvoll und prak-            sonalvertretungsrecht/en ein Mitbestimmungs- und/ oder Mitwir-
tikabel ausgeübt werden kann. Insbesondere            kungsrecht zu, daß sich aus den verschiedenen Belangen der Mitar-
kann die ängstliche, enge ‘Zurichtung’ des Sy-        beiterschaft speist (im nachfolgenden wird nur noch auf den Be-
                                                      triebsrat und das Betriebsverfassungsgesetz bezug genommen). Da
stems durch die Interessenvertretung das Sy-          ist beispielsweise der Schutz vor Leistungs- und Verhaltenskontrol-
stem derart entstellen, das unverhältnismäßig         le, der Gesundheitsschutz, der Datenschutz, Rationalisierungseffek-
hohe Aufwände entstehen bzw. das Arbeitsmit-          te, angemessene Qualifizierung um nur die wichtigsten zu nennen.
tel EDV kontraproduktiv -auch im Sinne der            Üblicherweise wird ein EDV-System, das hier aus Sicht eines Be-
                                                      triebsrates Gefährdungspotentiale beinhaltet daher vor seinem Ein-
Beschäftigten- zugeschnitten wird. Zudem ist          satz per Betriebsvereinbarung (ein ‘Vertrag’ zwischen Betriebsrat
das Mitbestimmungsrecht so angelegt, das die          und Arbeitgeber) ‘geregelt’, es wird also festgeschrieben, wie und
stärkste Form der Mitsprachemöglichkeit für           zu welchen Bedingungen das System produktiv gesetzt werden
die Interessenvertretung vor dem Zeitpunkt der        kann. In dieser Vereinbarung werden Regeln aufgestellt, wie etwa
                                                      Protokolldaten zu behandeln sind, Zeit- und Leistungsdaten gespei-
Inbetriebnahme liegt, was für die umfassende          chert, verarbeitet und ausgewertet werden dürfen, wie die Arbeits-
Betrachtung der Auswirkungen einer SAP-               plätze auszusehen haben, an denen mit dem System gearbeitet wer-
Einführung zu kurz greift.                            den darf, wie die Systemnutzer/innen geschult werden etc.

Im folgenden Artikel soll die Problemlage, die
sich bei der Mitbestimmung zu SAP ergibt nä-                                                                        ,QWHUHVVHQVDXVJOHLFKLP5DKPHQ
                                                                                                                      GHU6R]LDOYHUWUlJOLFKNHLWSUIXQJ

her beleuchtet werden und eine erweiterte,
umfassende prozessurale Vorgehensweise                                                                                                            X
                                                              Ausschluß
                                                              Ausschluß unerlaubter
                                                                        unerlaubter Leistungs-
                                                                                    Leistungs- und                                                Q

                                                                                                                                                                                                             ätt

                                                                                                                                                                                                            nz
                                                                                               und

                                                                                                                                                                                                        ienz
                                                                                                                                                                                                       ivititä
vorgestellt und erste Erfahrungen mit diesem                          Verhaltenskontrolle
                                                                                                                                                  G
                                                                                                                                                  

                                                                                                                                                                                                     izie
                                                                      Verhaltenskontrolle

                                                                                                                                                                                                      nd
                                                                                                                                                  G

                                                                                                                                                                                                   uund
                                                                                                                                                                                                    ktiv

                                                                                                                                                                                               EEffffiz
                                                                                                                                              X   H

                                                                                                                                                                                               ffekt
                                                                                                                                              Q   U
                                                                                Handlungs-
                                                                                 Handlungs- und   und                                         G   

                                                                                                                                                                                            EEffe
Prozeß geschildert.                                                  Entscheidungsspielräume
                                                                      Entscheidungsspielräume
                                                                                                                                  utz
                                                                                                                                    tz
                                                                                                                                              
                                                                                                                                              Z
                                                                                                                                              L
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                                                                                                                                                  U
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                                                                                                                                                      (
                                                                                                                                                      L
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                                                                    a
                                                                  nalilis
                                                                        sie                                   DDaate tenn                     V
                                                                                                                                              F
                                                                                                                                                  K
                                                                                                                                                  W
                                                                                                                                                      O
                                                                                                                                                      D                                    tanz
                                                                                                                                                                                        epta
                                                                                                                                                                                      kzep
                                                                                                                                                                                              nz
                                                                            ierurunnggs                                           nss--       K   L   Q                             Akz
                                                                                                                                                                                    A
                                                                                                                            atiioon
                                                          A                                                                               0       J   J
                                                           Arb rbeeitits                ssc
                                                                                          sch
                                                                                            huutz                  n  ik
                                                                                                                       ik  at                 D   W
                                                                        sin
                                                                          inh                   tz Koom           u  n
                                                                                                             mu keeititeenn
                                                                                                             m                            L
                                                                                                                                          W   I   H   
                                                                                                                                                      E                                    ngg
                                                                                                                                                                                       eruun
                                                                                                                                                                                     miier
                                                             AArbrbeeitits haaltltee uunnd            K m glilic    chhk                  D   W
                                                                                                                                              O
                                                                                                                                              L
                                                                                                                                                  Q   H
                                                                                                                                                                        Koste
                                                                                                                                                                        Ko    nm
                                                                                                                                                                           sten
                                                                                                                                                                                 ini
                                                                                                                                                                                mi nim
                                                                          sqquuaali        d             möög
                                                                                                         m                        utztz   U
                                                                                                                                          E   F   
                                                                                                                                                     W
                                                                                                                                                      U
                                                                                   litä
                                                                                      tätt                                  scchhu        H   K   L
                                                                                                                                                  Q   L
                                                                                                                                                                               äftspro
                                                                                                                                                                           schäfts
                                                                                                                                                                                        zeß--
                                                                                                                                                                                    prozeß
                                                                                                                    eeititsss
                                                                                                                                                      H
                                                                 FFoort                                           h                       L   H   V   E                 Gesch
                                                                                                                                                                        Ge
                                                                      rtbbilild
                                                                               duunng                   s uunnd d h                       W
                                                                                                                                          H
                                                                                                                                              Q
                                                                                                                                              
                                                                                                                                                  E
                                                                                                                                                  H   O
                                                                                                                                                      L                    optim
                                                                                                                                                                           op        ungg
                                                                                                                                                                                  ierun
                                                                                                                                                                              timier
                                                                                                      ee s                        e       U   6       F
                                                                 BBeete               g             G
                                                                                                    G                        ichhe
                                                                                                                          rlic            
                                                                                                                                          X   F   V   K   R
                                                                       teililig                                fördrdeerl n                   K   R       Raatitioon                       Wettbewerbs-
                                                                                                           fsfö                           Q           H                                    Wettbewerbs-
                                                                              iguunng                  rufs
                                                                                                                                                  Q                naalilissie
                                                                                                   bbeeru          keeititeen             G   X       U
                                                                                     g                                                            G                         ieru
                                                                                                                                                                               runngg       fähigkeit
                                                                                                         TTäätitiggk                         W       1                                      fähigkeit
                                                                                                                                          0   ]   H
                                                                                                                                              E   U   R
                                                                                                                                          L
                                                                                                                                          W   H   H   W
                                                                                                                                          D   G      Z
                                                                                                                                                  S
                                                                        ArbeitnehmerInneninteressen                                       U          H
                                                                                                                                          E
                                                                                                                                          H   U
                                                                                                                                                  H
                                                                                                                                                  U   Q                   Arbeitgeberinteressen
                                                                                                                                              I   V   G
                                                                                                                                          L   Q   |
                                                                                                                                          W   L       L
                                                                                                                                          H   V   Q   J
                                                                                                                                          U   V   O   N
                                                                                                                                          L
                                                                                                                                          Q   H   L
                                                                                                                                                  F   H
                                                                                                                                          Q      K   L
                                                                                                                                              G       W
                                                                                                                                          H   H   H   H
                                                                                                                                          Q   U   Q   Q

                                                      Diese klassische Art der Regelung von EDV-Systemen stößt nun
                                                      immer öfter an ihre Grenzen, erweist sich als nicht mehr handhab-
                                                      bar.
                                                      Erstens sind die EDV-
                                                      Systeme immer mächtiger,
                                                      integrierter und vernetzter,
                                                      so daß es immer schwerer
                                                                                                                                                  Diese klassische
                                                      fällt, die Gefährdungen                                                                     Art der Regelung
                                                      abzuschätzen     und     den
                                                      Schutz der berechtigten                                                                     von EDV-
                                                      Interessen der Mitarbeiter-
                                                      schaft so zu regeln, daß am                                                                 Systemen stößt
                                                      Ende überhaupt noch ein                                                                     nun immer öfter
                                                      EDV-System bleibt, mit dem
                                                      effektiv und effizient gear-                                                                an ihre Grenzen,
                                                      beitet werden kann. Und
                                                      zweitens muß aufgrund von                                                                   erweist sich als
                                                      Papierlage, Systemdemon-
KNUT HÜNEKE                                           strationen etc. vor der Pro-
                                                                                                                                                  nicht mehr hand-
Diplompsychologe. Selbständiger Berater,              duktivsetzung ohne fundierte                                                                habbar.
Mitglied im Netzwerk innovative Mitbestimmung,        praktische Erfahrung abge-
lebt in Olching bei München                           schätzt werden, wie sich der
                                                      Einsatz des Systems z.B. auf

                                                  2
Arbeitsabläufe auswirkt, ob die softwareergonomischen Kriterien
erfüllt werden etc.                                                                     Die Regelungserfordernisse
Am Beispiel der Einführung der Standardsoftware SAP soll hier ein
Verfahren vorgestellt werden, wie dieser Regelungsprozeß organi-                        n    Das Beispiel Persönlichkeitsrechte
siert werden und ablaufen kann. Dieses Verfahren, daß haben meh-
rere praktische Durchgänge gezeigt, erfüllt dabei den Tatbestand                        Dem Betriebsrat steht bei der Einführung einer solchen Software ein
einer Organisationsentwicklung in vielerlei Hinsicht, aber dazu                         umfängliches Mitbestimmungsrecht zu. Nach §80(1)1 BetrVG hat er
später mehr.                                                                            „darüber zu wachen, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden
                                                                                        Gesetze, ... durchgeführt werden“ und dazu zählt das Bundesdaten-
Um nun einigermaßen zu verstehen, wie notwendig ein integriertes                        schutzgesetz. Oder nach §87(1)6 BetrVG hat er ein volles Mitbe-
und fortlaufendes Verfahren zur Begleitung der innerbetrieblichen                       stimmungsrecht bei „Einführung und Anwendung von technischen
Regelung einer SAP-Einführung ist, bleibt es dem geneigten Leser/                       Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die
der geneigten Leserin nicht erspart, sich zunächst ein klein wenig                      Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen“, wobei die höchstrich-
mit der Software und den aus Sicht einer betrieblichen Interessen-                      terliche Rechtssprechung bereits die Eignung zur Verhaltens- und
vertretung daran hängenden Regelungserfordernissen auseinander-                         Leistungskontrolle als Mitbestimmungstatbestand festgeschrieben
zusetzen.                                                                               hat und nicht den tatsächlichen Vollzug. Nun kann der Betriebsrat
                                                                                        eine solche Leistungs- und Verhaltenskontrolle nicht einfach in
                                                                                        einer Betriebsvereinbarung untersagen. Denn ohne die Feststellung
                                                                                        und Auswertung von An- und Abwesenheiten kann kein Lohn aus-
                                                                                        gezahlt werden, ohne die namentliche Dokumentation eines Bele-
Die Software SAP                                                                        gerfassers/ einer Belegerfasserin kann z.B. ein Zahlvorgang nicht
                                                                                        mehr nachvollziehbar sein, ohne den Instandhaltungsbeleg kann
                                                                                        nicht mehr rückverfolgt werden, wer den die Bremsmuttern am Bus
                                                                                        nicht richtig angezogen hat oder ohne Namensbezug einfach ein
SAP ist zunächst einmal das größte deutsche Softwarehaus mit Sitz                       Mitarbeiter nicht zu einer betrieblichen Bildungsmaßnahme ange-
in Walldorf, das mit seinen Programmen SAP R/2 und R/3 ein                              meldet werden. Darüber hinaus gibt es eine Menge gesetzlicher
umfängliches, integriertes Standardsoftwarepaket für alle betriebli-                    Anforderungen aus dem Bereich der Datenübertragungsverordnung,
chen Funktionsbereiche von der Buchhaltung über die Kostenrech-                         dem Sozialversicherungsbereich sowie aus dem Bundesdaten-
nung, die Personalwirtschaft, die gesamte Logistik (vom Vertrieb                        schutzgesetz heraus, die zwingend vorschreiben, das personenbezo-
über die Produktionsplanung und Steuerung bis zum Versand)                              gene und -beziehbare Daten erfaßt und verarbeitet werden.
abzudecken verspricht. Flankiert werden die einzelnen betriebswirt-
schaftlichen Funktionalitäten von Querschnittsfunktionen wie Text-                      Erlaubte und verbotene Leistungs- und Verhaltenskontrollen sind
verarbeitung, Mail und Workflow sowie Intra-/ Interneteinbindung                        also zu unterscheiden, wobei es darauf ankommt, einerseits zu er-
bis hin zu Qualitätsmanagement und Instandhaltung. Für einzelne                         mitteln und sich zwischen den Betriebsparteien darauf zu verständi-
Branchen (z.B. Banken, Versicherungswirtschaft, Handel, Kranken-                        gen, was aufgrund gesetzlicher Grundlagen sein muß und was rein
häuser) gibt es dazu noch vorgefertigte Standardbranchenlösungen.                       betriebliche Interessen sind, die der freien Vereinbarung offenste-
Die SAP-Programme zeichnen sich durch eine hohe Integration                             hen. Aber diese Einteilung alleine macht die Auseinandersetzung
(Einmalerfassung und -verarbeitung von Daten über alle Funktions-                       darüber, wie die Datenerfassung und -auswertung im Detail aussieht
bereiche hinweg), Realtime-Verarbeitung (sofortige Verbuchung                           noch keineswegs obsolet. Denn das Gesetz macht keine Vorschrif-
und Auskunftsbereitschaft des Systems) und einen hohen Standardi-                       ten darüber, daß erforderliche Daten in einer EDV verarbeitet wer-
sierungsgrad aus (Software ‘von der Stange’ zwingt in vielen Berei-                     den müssen (man kann z.B. die Lohnpfändung als sensiblen Bereich
chen betrieblicherseits zu Anpassungen des Betriebes an die Soft-                       durchaus auch außerhalb eines integrierten Systems abwickeln),
ware statt umgekehrt).                                                                  wieviel Adressdaten gehalten werden dürfen (Hauptwohnsitz, Ne-
                                                                                        benwohnsitz, Notfalladresse, Heimatanschrift, Urlaubsadresse) und
                                                                                        ob die jeweiligen Telefonnummern dazugehören, wer denn im Be-
                                                          FI
                                                                                        trieb diese Daten wofür/ zu welchen Zwecken einsehen, auswerten
                                      SD
                                    Vertrieb            Finanz-
                                                        wesen
                                                                                        und gegebenenfalls in anderen Systemen weiterverarbeiten darf etc.
                          MM
                         Material-
                         wirtschaft
                                                                  CO
                                                               Controlling
                                                                                        Um das dann alles zu gewährleisten muß sich mit einem hochkom-
                    PP                                                   AM             plexen Berechtigungssystem auseinandergesetzt werden, sich in die
                 Produktions-                                          Anlagen-
                                                                                        Tiefen des Zusammenspiels von Netzwerk, SAP und sonstigen
                                               R/3
                   planung                                             wirtschaft

                                                                                        Anwendungsprogrammen hineingekniet werden, vor-, neben- und
                   QM                 Client/Server
                 Qualitäts-
                 sicherung
                                                                         PS
                                                                        Projekt-
                                                                                        nachgelagerte Systeme zu SAP in Augenschein genommen werden,
                                         ABAP/4                         system
                                                                                        ... .
                          PM                                      OC
                         Instand-                             Office &
                         haltung                             Communi-
                                    HR                  IS     cation
                                 Personal-           Branchen-
                                 wirtschaft          lösungen

                                6$3$QZHQGXQJHQLPhEHUEOLFN

                                                                                    3
Inhalte
                                                                        betrieblichen
                                                                         Handelns

              Rationa-                                     Datenschutz
                                                                          Psychische Belastungen
              lisierung                       geeignete Trainer
                                                                     Schutz vor Leistungs-
                                                                    und Verhaltenskontrolle          ...
                                        Besitzstandswahrung
                                                              Beteiligung           Körperliche Probleme
                                 Arbeitsabläufe
                                                      Arbeitszeit                      Mischarbeit                    Persön-
                                                                                                       Pausen
                                   Wer darf was?            ...      Softwareergonomie                            lichkeitsrechte
                                                                                           Hintergrundwissen
                                Soziale Beziehungen                Arbeitsplatzanalysen

                               Dokumemtation                                           Entwertungen/
                                                                                    Wissensenteignungen
                                        ...                Arbeitsverdichtung
                                                                                   Netzsicherheit
                                          Arbeitsplatzgestaltung
                                                                                      Sollvorgaben
                                                     ...          Abhängigkeiten
                 Qualifikation
                                                                             Arbeitsumwelt-
                                                                              und Gesund-
                                                                               heitsschutz

                          'LH693PX‰$XVZLUNXQJHQXPIDVVHQGXQGYHUQHW]WEHWUDFKWHQ

Es scheint gar nicht mehr aufzuhören.                                              Gesundheitsschutz
Um klar zu machen, wie umfänglich vor dem Hintergrund, den                         Nach §80(1) BetrVG muß der Betriebsrat dafür Sorge tragen, daß
Schutz vor Leistungs- und Verhaltenskontrolle und den Datenschutz                  auch die Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften etc.
zu gewährleisten, der Versuch ist zu ermitteln, wie oft ein Mitar-                 zum Arbeitsumwelt- und Gesundheitsschutz durchgeführt werden.
beiter/ eine Mitarbeiterin in SAP erfaßt sein kann hier nur ein paar               Nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Bildschirmarbeitsverord-
Zahlen: Alleine die Personalnummer erscheint im SAP-System an                      nung (BildschArbVO) sowie nachfolgender Verordnungen und
747 Stellen, der Username eines SAP-Benutzers an 198 Stellen, das                  Normen gehört hierzu auch
Namensfeld ‘Belegerfasser’ an bis zu 1.939 Stellen. Insgesamt                      • die Durchführung von ‘Beurteilungen der Arbeitsbedingungen/
haben wir es in einem SAP-System mit 20.000 Datenfeldern, mehr                        Arbeitsplatzanalysen’ mit Dokumentation und Mängelabhilfe-
als 8.000 vorgefertigten Auswertungen und mehr als 10.000 Tabel-                      planung ‘insbesondere für die mögliche Gefährdung des Seh-
len zu tun.                                                                           vermögens sowie für körperliche Probleme und psychische Be-
                                                                                      lastungen’ (ArbSchG u. BildschArbVO),
n    Weitere Regelungserfordernisse                                                • die Durchführung von Augenuntersuchungen an Bildschirmar-
                                                                                      beitsplätzen (BildschArbVO),
Qualifizierung                                                                     • die Organisation von Mischarbeit oder -falls dies nicht möglich
                                                                                      ist- die Einführung von Bildschirmpausen (BildschArbVO),
Über den Schutz der Persönlichkeitsrechte hinaus muß der Betriebs-                 • die Beteiligung der Betroffenen bei der „integrierten Planung
rat sich auch darum kümmern, daß die Mitarbeiter für ihre Tätigkeit                   von Organisation, Arbeitsmitteln, personellen Auswirkungen
mit SAP ausreichend qualifiziert werden. Und ‘ausreichend’ ist                        und Qualifizierung“ (ISO 9241-2),
immer wieder umstritten, denn geht es nur um die reine Systembe-
                                                                                   • die Einrichtung eines Verfahrens, daß „laufende Überprüfung
dienung, müssen auch fachliche Erweiterungen vermittelt werden,
                                                                                      und kontinuierlicher Verbesserungsprozeß in Hinblick auf Er-
wird den Mitarbeitern auch Hintergrundwissen über den Aufbau des
                                                                                      gonomie, Arbeitsinhalte, Arbeitszufriedenheit, Qualifizierungs-
Systems vermittelt, wird Fehlermanagement eingeübt, gibt es Perso-
                                                                                      möglichkeiten, Kommunikationsmöglichkeiten“ (ISO 9241-2)
nalersatz für die Qualifizierungszeiten, steht ein adäquates Übungs-
                                                                                      gewährleistet,
system auch nach der Qualifizierung zur Verfügung, wird zeitnah
zum Produktiveinsatz der Software geschult, ...?

                                                                              4
•   die Unterweisung der Mitarbeiter über Sicherheit und Gesund-          ren Projekten befaßte Interessenvertretung zwangsläufig (oder auch
    heitsschutz am Arbeitsplatz (ArbSchG),                                absichtlich) bruchstückhaft über sein bereits durchgeplantes und in
•   ...                                                                   großen Teilen abgeschlossenes bzw. zur Produktivsetzung vorbe-
                                                                          reitetes Vorhaben, um dann 'zu gegebener Zeit' gemäß Betriebsver-
Soziale Sicherung/ Rationalisierungsschutz                                fassung eine endgültige Zustimmung zu erbitten.
Über kurz oder lang beabsichtigt wohl jeder Arbeitgeber, die Mil-         Die Interessenvertretung weiß aufgrund ihrer geringen Einbindung
lionen, die er in eine SAP-Einführung investiert auch wieder zu           wenig bis nichts über die eigentlichen Ziele des Projektes und über
erlangen. Das wird auf verschiedenen Ebenen wie Einsparungen              die zu erwartenden Auswirkungen auf die Beschäftigten. Fachzeit-
durch EDV-Hardware, Eigenprogrammierungen, Durchlaufzeiten,               schriften werden zu Rate gezogen, die Gewerkschaft befragt und
verfeinertes Steuerungs- und Planungswissen etc. erwartet. Und            weitere Quellen wie z.B. Spezialseminare für Betriebs- und Perso-
diese Einsparungen sind zu einem nicht unerheblichen Teil auch            nalräte belegt.
immer Einsparungen im Bereich Personal. Hier muß der Betriebsrat
-ggfls. durch Aushandlung eines Sozialplanes nach §§ 111/ 112             Letztendlich werden Szena-
BetrVG- gleichfalls Vorkehrungen und Sicherungsmaßnahmen                  rien über die zu erwartenden
                                                                          Auswirkungen der SAP-
ergreifen.
                                                                          Einführung entworfen. Dabei
                                                                                                           Die Interessenver-
Inhalte betrieblichen Handelns und Planens                                nimmt die Interessenvertre-      tretung nimmt in
Anläßlich und aufgrund einer SAP-Einführung und weiterer Sy-              tung in ihrer Unsicherheit
stemanpassungen über die Einführung hinaus kann es zu mehr oder           und Unwissenheit zwangs-         ihrer Unsicherheit
                                                                          läufig den 'worst case', die
weniger massiven Veränderungen im Bereich betrieblichen Han-
delns und Planens geben. Dies muß nicht gleich in Form eines              schlechtesten zu erwartenden     und Unwissenheit
Business Process Reengineering geschehen (was aber durchaus auch          Auswirkungen an, denn es         zwangsläufig den
angestrebt wird). Meist geht es lediglich um Vorgaben für Bearbei-        wird eine Zustimmung ohne
tungszeiten, es soll ein betriebliches Beurteilungswesen in SAP           nachfolgende        Korrektur-   'worst case', die
abgebildet werden, Profitcenter(-rechnung) soll(en) eingeführt            möglichkeiten verlangt. Es
werden, aufgrund der Datenintegration soll es zu einer verfeinerten       muß also alles auf einmal        schlechtesten zu
                                                                          und unwiderbringlich richtig
Berechnung der Personalreserve kommen, Arbeitsprozesse neu
                                                                          gemacht werden und so stellt
                                                                                                           erwartenden
verteilt werden -alles Maßnahmen, die die Interessen der Kollegen/
Kolleginnen, die der Betriebsrat zu vertreten hat berühren.               die       Interessenvertretung   Auswirkungen an
                                                                          basierend auf diesem 'worst
                                                                          case' ihre Forderungen auf.
                                                                          Für den Arbeitgeber sind
                                                                          diese aufgrund der Gesetzeslage ernstzunehmende, aber unver-
Konventionelle Herangeh-                                                  ständliche, überzogene wenn nicht gar unerfüllbare und das Projekt
                                                                          unnötig verteuernde Forderungen, die dazu noch den Einführungs-
ensweise an eine SAP-                                                     termin gefährden.
                                                                          Selbst wenn die Interessenvertretung das Stehvermögen hat, hart zu
Einführung                                                                bleiben und trotz der Klagen über die Kosten und die vertanen
                                                                          Chancen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Unter-
                                                                          nehmens die Interessen der Beschäftigten wahren will, ihre Versu-
Vor diesem Hintergrund nun läuft in den Betrieben häufig ein ganz         che den Moloch SAP in den Griff zu kriegen bleiben dennoch
klassisches Mitbestimmungsverfahren ab:                                   bruchstückhaft angesichts der vielen zu berücksichtigen Regelungs-
                                                                          bereiche die noch dazu hochgradig interdependieren.
                                                                          Und am Ende kommen
                                              LNM                         Regelungen heraus, die das
                                                                          SAP-System eher zurichten
                                                                          als in beiderseitigem Sinne
                                                                                                            Und am Ende
                                    "                                     optimieren: Wo aus Gründen
                                                                          des Datenschutzes und des
                                                                                                            kommen Rege-
                                                                          Schutzes vor Leistungs- und       lungen heraus,
                                                                          Verhaltenskontrolle       Zu-
             6$3                                                          griffsbeschränkungen veran-       die das SAP-
                                                                          kert werden, die die Arbeit       System eher zu-
                                                                          der Kollegen und Kollegin-
                                                                          nen deutlich behindern, wo        richten als in bei-
                                                                          statt angemessener Vermitt-
                                                                          lung über die Gefahren für        derseitigem Sinne
                                                                          Sicherheit und Gesundheit
                                                                          ein unterschriebenes Form-
                                                                                                            optimieren
                                                                          blatt über erhaltene Beleh-
Der Arbeitgeber plant in einem mehrmonatigen Prozeß mit vielen
                                                                          rungen herauskommt und die
Beteiligten, Fachkräften und externen Beratern die SAP-Einführung.
                                                                          Beschäftigten Beteiligungsbemühungen des Betriebsrates als zu-
Zwischendurch oder kurz vor der Produktivsetzung unterrichtet er
                                                                          sätzliche zeitliche Belastungen in einer durch die SAP-Einführung
die fachlich überforderte, zugleich knapp besetzte und mit X ande-
                                                                          eh gestreßten Zeit erfahren.

                                                                      5
Aus meinen Erfahrungen als
                                        Berater von Interessenver-            Das Unmögliche versuchen:
                                        tretungen     bei      SAP-
Das SAP-System                          Einführungen heraus möchte            Die SAP-Einführung
                                        ich folgende Thesen über die
ist klassisch gar                       Problemlage zur Regelung              begleiten
                                        der integrierten Standard-
nicht mehr regel-                       software SAP aufstellen:
bar                                     •  SAP nebst der vor-,                Mit dem Blick auf den Widerspruch zwischen idealtypischer (d.h.
                                           neben- und nachgela-               gesetzeskonformer und ‘sicherer’) Regelung und den tatsächlichen
                                           gerten Systeme ist zu              Gegebenheiten haben Kollegen und ich im Laufe der Zeit ein Kon-
    umfangreich und zu integriert, um es überhaupt noch vollständig           zept zur Begleitung einer SAP-Einführung entwickelt, genauer ein
    regeln zu können                                                          Prozeßmodell, das, wenn es greift, den Tatbestand einer von der
                                                                              Interessenvertretung initiierten arbeitnehmerorientierten Organisati-
•   SAP ist vorab nicht mehr umfassend regelbar, weil viele Aus-              onsentwicklung im Bereich der Einführung von IuK-Technologien
    wirkungen erst auftreten, wenn der Produktivbetrieb (schon län-           darstellt. Eigentlich ist die Einschränkung ‘SAP-Einführung’ über-
    gere Zeit) läuft. Auch mit den besten Beteiligungsmethoden,               flüssig. Es ist ein allgemeines Konzept bezüglich der Handhabung
    Szenariotechniken etc. ist es z.B. nicht mehr möglich, alle Aus-          von EDV-Einführungen, das nur für die jeweiligen Systeme spezifi-
    wirkungen im vorhinein abzuschätzen oder die Güte eines neu-              scher Ergänzungen bedarf. Wir haben damit -wenn auch in unter-
    gestalteten Geschäftsprozesses mit ‘Trockenübungen’ vorab zu              schiedlichen Ausprägungen- auch gute Erfahrungen im Bereich
    bemessen                                                                  Bürokommunikation und insbesondere bei der Regelung von Lotus
                                                                              Notes gemacht.
•   Es gibt niemanden, der (sicher) alles weiß/ wissen kann, was bei
    SAP und wie zu regeln ist (weder Berater noch Interessenver-              Es gilt, im Sinne eines kontinu-
    treter und schon gar nicht der Arbeitgeber). Wer weiß schon al-           ierlichen Verbesserungsprozes-
    les, was in ‘seinem Laden’ läuft und wie sich alles verändern             ses, ein Verfahren zu installie-
    wird                                                                      ren, das mehreren Anforderun-
                                                                                                                    Es gilt ein Ver-
•   Mit der Aussage ‘SAP geregelt’ ist immer nur ein Teil geregelt,
                                                                              gen zugleich gerecht wird:            fahren zu in-
    da durch SAP neue Möglichkeiten entstehen und SAP immer                   •   Die schützenswerten Belan-        stallieren, das
    willkommener Anlaß für betriebliche Änderungen/Neuerungen                     ge der Kollegen und Kolle-
    ist                                                                           ginnen müssen bestimmt und        als kontinuierli-
                                                                                  auf ihre Beeinträchtigung hin
•   Jeder Versuch, SAP zum Zeitpunkt der Produktivsetzung ab-                     abgeprüft werden.                 cher Verbesse-
    schließend zu regeln zum Scheitern verurteilt, ganz abgesehen
    davon, daß es den eindeutigen Zeitpunkt der Produktivsetzung              •   Diese    Beeinträchtigungen       rungsprozess
    gar nicht mehr gibt. Es gibt den ersten Produktivsetzungstermin               müssen der Komplexität des
    bestimmter SAP-Module in bestimmten Bereichen, dann erfol-                    Systems gemäß umfassend
                                                                                                                    läuft
    gen Verfeinerungen, Erweiterungen, weitere Bereiche und zu-                   und vernetzt betrachtet wer-
    sätzliche Module, von den regelmäßigen Updates und Release-                   den
    wechseln mal ganz abgesehen. Leicht zieht sich eine SAP-
    Einführung über 2 Jahre hin (manche sprechen gar von der                  •   Diese Betrachtungen müssen dabei sowohl vor, während als
    ‘Dauerbaustelle SAP’)                                                         auch über den Zeitpunkt der Einführung/ Produktivsetzung hin-
                                                                                  aus angestellt werden
•   ‘SAP regeln’ reicht auch deswegen nicht mehr, weil in kaum
    einem Hause nur mit SAP gearbeitet wird. Zusatzprogramme,                 •   Um diese zeitliche Ausdehnung zu sichern sind die Mitbestim-
    Einbindung von Fremdprogrammen und die zunehmende Inte-                       mungsrechte entsprechend zeitlich zu strecken oder dauerhaft zu
    gration bis hin zu Intra- und Internet etc. macht es schnell erfor-           verankern
    derlich, (weit) über SAP hinaus zu schauen                                •   Der Unwissen- und Unsicherheit auf sowohl Arbeitgeber als
•   Somit ist der Versuch, SAP punktgenau zur Produktivsetzung                    auch Arbeitnehmerseite gemäß müssen Möglichkeiten gefunden
    und umfassend zu regeln unbezahlbar und zeitlich nicht vertret-               werden, die ein Herantasten an effektive und effiziente Lösun-
    bar                                                                           gen im Sinne von Erprobungs- und Testphasen zulassen
                                                                              Das alles muß organisiert, festgeschrieben und in das betriebliche
                                                                              Geschehen (insbesondere auch in den SAP-Einführungsprozeß)
                                                                              eingebunden werden. Und zwar unternehmensspezifisch, das heißt
                                                                              in Abhängigkeit von Umgangskultur zwischen Interessenvertretung
                                                                              und Arbeitgeber, Betriebs- und Führungskultur, fachlichen, perso-
                                                                              nellen und finanziellen Möglichkeiten der Beteiligten, bereits vor-
                                                                              handenen Regelungen sowie letztendlich in Abhängigkeit von Per-
                                                                              sonen. Denn die Personen müssen einen Diskurs, zum Teil mit sich
                                                                              selbst, zum Teil untereinander austragen, abwägen, ausbalancieren.
                                                                              Diesen Diskurs zu organisieren ist die eigentliche, neue Qualität,
                                                                              macht den Organisationsentwicklungsprozeß aus.
                                                                              Ich möchte betonen, daß ich selbst dabei geholfen habe (und noch
                                                                              sehr erfolgreich tue) ‘ganz normale Regelungen’ zu SAP abzu-
                                                                              schließen und habe dabei ausführliche Checklisten zur Qualifizie-

                                                                          6
rung, zum Datenschutz, zum           Besonders bewährt hat sich die Einrichtung eines paritätisches
‘Schöne’ Rege-                          Berechtigungskonzept, zur            Gremium, das die Sozialverträglichkeit (s.u.) steuert und die Ergeb-
                                        Netzsicherheit etc. aufge-           nisse der Sozialverträglichkeitsprüfung einvernehmlich abnimmt
lungen sind eben                        stellt. Es gibt immer wieder         und bewertet.
                                        gute Begründungen und
nicht unbedingt                         Bedingungen für ein solches          n    Prinzip der Rückholbarkeit
auch ‘gute’ Re-                         Vorgehen.
                                         Es begegnen mir bei meiner          Wenn beide Seiten darin übereinstimmen, daß die Möglichkeit
gelungen.                                Beratungstätigkeit für Be-          gegeben sein soll, zu erproben und auszuprobieren, wie sich z.B.
                                         triebsräte immer wieder             eine bestimmte Maskenabfolge bewährt, was denn nun an Gefah-
                                         ausgefeilte, wissenschaftlich       renpotential in den Protokollierungen wirklich drinsteckt, inwieweit
äußerst fundierte und/ oder detaillierte Regelungen, die auf die gute        die Informationen einer Auswertung Rückschlüsse auf einzelne
und hochkompetente Arbeit von Kollegen und Kolleginnen zurück-               Personen oder Abteilungen zuläßt etc., dann muß natürlich auch
gehen. Ich mußte jedoch feststellen, daß eine z.B. ausgefeilte und           gegeben sein, daß der Betriebsrat die Maskenabfolge, die Protokol-
kaum zu beanstandende Regelung zur Qualifizierung als Optimum                leinstellungen auch später noch ändern, Zugriffe auf die Auswertung
gerade deswegen keine Anwendung findet, weil sie realitätsfern ist.          beschränken kann. Die Rückholbarkeit muß gegeben sein, d.h. daß
Weder lassen sich Schulungsanbieter finden, die den dort formu-              Systemeinstellungen und -festlegungen auch wieder in den ur-
lierten inhaltlichen und didaktischen Anforderungen genügen, noch            sprünglichen Zustand zurückgesetzt und/ oder aufs neue aber anders
sind die Kollegen und Kolleginnen zeitlich so lange am Arbeitsplatz          eingestellt werden können.
entbehrlich wie für optimale Schulungen gefordert. Oft sind sie
nicht bereit, die wichtige und richtige Forderung nach entsprechen-
dem Personalersatz durchzusetzen und/ oder für die Vertretung sind
gar keine qualifizierten und mit der Arbeit vertrauten Kräfte rekru-
tierbar.

Wie kann die Idee in die
Praxis umgesetzt werden?                                                                     5FNKROEDUNHLWZHQQIDOVFKH
                                                                                           (QWVFKHLGXQJHQJHWURIIHQZXUGHQ

Es gilt, sechs Eckpunkte in eine Einführungs- oder Verfahrensver-
einbarung einzubauen:                                                        Rückholbarkeit ist aber wegen Kosten und Aufwendungen sowie
                                                                             wegen Zeitrestriktionen nicht vollständig durchzuhalten. Wenn, um
n    Die Organisation der Mitbestimmung                                      ein einfaches Beispiel zu wählen, bereits fünfzig 15’’-Bildschirme
                                                                             angeschafft wurden, dann wird es kaum möglich sein, diese nach
Allein dieses Thema könnte ein ganzes Buch füllen. Somit können              einem halben Jahr in 17’’-Monitore umzutauschen, nur weil die
die hier angesprochenen Punkte nur Hinweise sein, wie die Organi-            Beteiligten festgestellt haben, daß gescannte Dokumente größer
sation der Mitbestimmung verankert werden muß.                               gezoomt werden müßten, um eine gute Lesbarkeit auch des Klein-
                                                                             gedruckten zu gewährleisten.
Zunächst müssen die mitbestimmungsrelevanten Tatbestände, also
worüber eigentlich mitbestimmt werden kann/soll, festgelegt wer-             Auch Systemeinstellungen im SAP-Customizing unterliegen sol-
den. Es kann nicht sein, daß sich die Interessenvertretung und der           chen Beschränkungen. Bestimmte Festlegungen sind so grundsätz-
Arbeitgeber wochenlang und immer wieder darüber streiten, ob es              lich wie die Grundmauern im Keller eines Gebäudes. Von ihnen
nur um die Anwendung des § 87 (1) 6 BetrVG (Mitbestimmung bei                hängt ab, an welcher Stelle in den oberen Stockwerken Zwischen-
Leistungs- und Verhaltenskontrollpotentialen der Systeme) geht               wände eingezogen werden.
oder auch um §§ wie 80 (1) i.V.m. dem Bundesdatenschutzgesetz,               Rückholbarkeit/ Umkehrbarkeit muß also vereinbart werden. Zu-
§§96-98 bei der Qualifikation oder §87 (1) 7 i.V.m. den Regelungen           gleich muß für die Fälle, wo bereits im Planungsprozeß Fakten/
zum Arbeitsschutz, um nur einige zu nennen. Dies ist auf Dauer               Sachzwänge geschaffen werden, die Rückholbarkeit/ Umkehrbarkeit
unproduktiv und immer wieder Anlaß für Konflikte.                            jedoch eingeschränkt oder unmöglich ist, eine Absprache getroffen
Hier bietet sich an Leitbilder zu vereinbaren - ganz analog der ISO          werden, die es der Interessenvertretung ermöglicht, ihren Einfluß
9241-2, 4.3, wo entsprechendes für den Arbeitsumwelt- und Ge-                geltend zu machen.
sundheitsschutz festgelegt wurde.
Besonders wichtig ist auch, betriebspezifisch festzulegen, wann
(Zeitpunkt) und wie (Inhalte) die Interessenvertretung über neue
Projekte informiert wird. Viele Konflikte entstehen allein dadurch,
daß der Arbeitgeber schlichtweg oft nicht weiß, über was und wann
die Interessenvertretung informiert werden will/ muß. In diesem
Zusammenhang ist auch zu klären in welcher Art und Weise die
Interessenvertretung beteiligt wird und wie sie sich qualifizieren
kann und muß.

                                                                         7
n     Sicherung der Mitbestimmung über den Einfüh-                         zung, Kontrolle und Bewertung sowie ggfls. Korrekturmaßnahmen
      rungszeitpunkt hinaus                                                erfolgen, um so die kontinuierliche Verbesserung zu gewährleisten,
                                                                           die ein Herantasten an Lösungen ermöglicht. Dies tatsächlich in die
                                                                           Tat umzusetzen, setzt zumindest in Teilen eine Erweiterung, zumin-
                                                                           dest aber eine offensive Anwendung (alle Register) der Mitbestim-

                                                        †                  mung voraus.

                                                                           n    Sozialverträglichkeitsprüfung

                                                                           Eine Prüfung der Sozialverträglichkeit ist so zu vereinbaren, daß
                                                                           alle relevanten Bereiche umfassend und vernetzt aber auch struktu-
                                                                           riert und mit klaren Verantwortlichkeiten abgeprüft werden können.
                                                                           Sozialverträglichkeit meint dabei die Sicherstellung der schutzwür-
                                                                           digen Belange der Beschäftigten (natürlich: in Abwägung mit den
                                                                           Unternehmenszielen).
                    0LWEHVWLPPXQJEHUGHQ                                Sozialverträglichkeitsprüfung heißt dabei zweierlei:
          6$3(LQIKUXQJV]HLWSXQNWKLQDXVVLFKHUQ
                                                                           Zunächst muß auf Grundlage der Leitbilder festgelegt werden, was
Das Verfahren muß es der Interessenvertretung ermöglichen, ihre            denn die schützenswerten Belange der Beschäftigten sind, d.h. aus
Erfahrungen mit dem System auch noch im laufenden Betrieb zu               der Fülle der Möglichkeiten sind die auszuwählen, die wichtig
machen (bzw. die Erfahrungen der Beschäftigten einzuholen), ohne           genug sind, sie einer Prüfung zu unterziehen.
dadurch seine Mitbestimmung aus der Hand zu geben. Dies ist ein            Dann aber geht die eigentliche Arbeit los, die Sozialverträglich-
problematisches Unterfangen, denn in der Realität ist es so, daß vor       keitsprüfung (SVP) muß durchgeführt werden. Wer führt die SVP
einer Systemeinführung sehr wohl über den Weg einer einstweiligen          wie und wann durch und berichtet wem? Welches sind Kennzahlen,
Anordnung die Sytemeinführung gestoppt werden kann, wenn Mit-              die zur Messung einer Auswirkung herangezogen werden können,
bestimmungsrechte nicht beachtet wurden. Der Druck auf Unter-              wie können diese gemessen werden, welchen Kriterien müssen sich
nehmensleitungen, vor der Produktivsetzung den Wünschen/ Forde-            diese stellen, wie wird bewertet und abgewogen, welche Schlußfol-
rungen des Betriebsrates nachzukommen ist also gegeben. Ist ein            gerungen sind zu ziehen und wie und (bis) wann werden sie umge-
EDV-System aber erst einmal produktiv, wird Geld damit verdient            setzt?
oder ist das Altsystem abgeschaltet und damit keine Alternative
mehr gegeben, wird kaum ein Richter das System mehr stillegen.             n    Grundsicherungskorridor

Der Betriebsrat gibt also ein
mächtiges Faustpfand frei, wenn                                                      
die Systemeinführung vollzogen,
die mitbestimmungsrelevanten
Bereiche aber noch nicht voll-                                                                                    Bewertung
ständig begutachtet und geregelt
sind.
                                             Kontrolle
n     Schleifenförmiges
      Vorgehen als kontinu-
      ierlicher    Verbesse-                                                                                     Umsetzung
      rungsprozeß

Die ISO 9241-2 (5) benennt                   Korrektur-
einen     „..   kontinuierliche(n)            planung
Verbesserungsprozeß im Hin-
blick auf Ergonomie, Arbeitsin-
halte,        Arbeitszufriedenheit,                                                                               Bewertung
Qualifizierungsmöglichkeiten“
als Zielsetzung.
                                             Kontrolle

Gleiches ist auch für andere
Bereiche als nur den Arbeitsum-                                                                                  Umsetzung
welt- und Gesundheitsschutz
denkbar. Grundsätzlich soll die
Abprüfung der schützenwerten                             Planung
Belange der Kollegen in einer
ständig verfeinerten, immerwie-
derkehrenden, schleifenförmigen                          'DVVFKOHLIHQI|UPLJH)RUWVFKUHLWHQHLQHV
Abfolge von Planung, Umset-                              NRQWLQXLHUOLFKHQ9HUEHVVHUXQJVSUR]HVVHV

                                                                       8
• Prüfung Schulungskonzeption,                           • Prüfung der Software-Ergonomie durch
                       -durchführung sowie Schulungsbewertung für               Expertenscreening und
                       EinführerInnen wie AnwenderInnen                         AnwenderInnenbefragung

               • Arbeitsplatzbegehung zur Hardware-                                   • Prüfung Betriebs- und Ausfallsicherheit inkl.
                 Ergonomie und Teilprüfung zu Anlage § 9                                organisatorischer Regelungen wie
                 BDSG (örtliche Maßnahmen)                                              Doppelerfassung und doppelte Datenhaltung

                                                                                       • Arbeitsplatzanalysen an ausgewählten
           • Prüfung organisatorischer Maßnahmen zum
                                                                                         Arbeitsplätzen
             Datenschutz (insb. Punkt 10,
             Organisationskontrolle der Anlage zu § 9
             BDSG)                                                                        • Aufgaben- und Arbeits- sowie Stellenbilanzen

       • Prüfung der Customizingdokumentation

                                                                                            • Prüfung AnwenderInnenbetreuung/
      • Prüfung von Daten- und Auswertungskatalog
                                                                                              Userservice

        • Prüfung der Protokollierung
                                                                                        • Zur Sicherstellung der Umsetzung der
                                                                                          Betroffenenbeteiligung
           • Prüfung der Berechtigungen                                                      – Erfahrungs-Jourfixe der Beteiligten
                                                                                             – Testprotokollierung durch
                                                                                               TestanwenderInnen
              • Prüfung der Netzsicherheit                                                   – ’Tagebuch’ Anwendungsbetreuung
                                                                                             – Workshops mit AnwenderInnen zur
                 • Prüfung der Systemdokumentation und der                                     Festlegung und Bewertung Sollkonzepte,
                   Revisionsfähigkeit                                                          Customizingphasen, Pilotprojekten und
                                                                                               Gesamtwirkungen

                                                                              • ...

                                             0|JOLFKH3UIPD‰QDKPHQHLQHU6$3693

Trotz all dem ‘Versuch-und-Irrtum’, eine Grundsicherung für die
Interessen der Beschäftigten muß garantiert werden. Mit der Ge-
sundheit der Kollegen kann nicht experimentiert werden, eine klare
und eindeutige Rechtsvorschrift über den Fluchtweg ist nicht aus-
legbar, wenn sensible Personaldaten in falsche Hände gelangen, ist        Wie sieht der Ablauf eines
dies unverzeihlich.
Vor dem Beginn des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses
                                                                          solchen Verfahrens nun
müssen daher Grundbedingungen gesetzt werden, die die Software,
die Qualifikationsmaßnahmen, die Arbeitsorganisation etc. zu er-
                                                                          konkret aus?
füllen haben. Es wird also einen Bereich an grundsätzlichen Festle-
gungen geben, der klar bestimmt ist, Bedingungen die nicht in Frage
gestellt werden dürfen (wenn auch jede Regelung, jedes Gesetz und         Ich möchte im folgenden die Durchführung eines solchen Verfah-
jede Verordnung dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit unterliegt),          rens beschreiben, wie sie konkret in einem Unternehmen durchge-
und einen zweiten Bereich, der dem Ausprobieren, Herantasten und          führt wurde, in dem ein Teil der SAP-Module zunächst in einem
‘erst-mal-sehen-was-dabei-herauskommt’ zugänglich ist.                    Geschäftsbereich eingeführt wurden.

                                                                          n       Abschluß einer Einführungsbetriebsvereinbarung

                                                                          Zunächst wurde eine Betriebsvereinbarung über den Einführungs-
                                                                          prozeß abgeschlossen. In diesem wurden die Leitbilder der SAP-
                                                                          Einführung benannt und Gremien sowie Einigungsverfahren für die
                                                                          durchzuführende Sozialverträglichkeitsprüfung vereinbart.
                                                                          Wichtige Eckpunkte:
                                                                          •     Leitbildbestimmung für die Sozialverträglichkeit
                                                                                Als sozialverträglich sollte das System bezeichnet werden, wenn
                                                                                die betrieblichen Notwendigkeiten und die berechtigten, insbe-
                                                                                sondere persönlichen und wirtschaftlichen Schutzbedürfnisse
                                                                                der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Einklang gebracht wur-
                                                                                den. Als persönliche und wirtschaftliche Interessen der Mitar-

                                                                      9
beiter und Mitarbeiterinnen wurden hierbei definiert: Gesund-                  ausschusses des Betriebs-
     heitsschutz, Rationalisierungsschutz, Datenschutz, Arbeitsin-                  rates, ein Betroffenen-        Als sozialverträg-
     halte und Arbeitsqualität, Handlungs- und Entscheidungsspiel-                  vertreter/ eine Betroffe-
     räume, Kommunikationsmöglichkeiten, Ausschluß unerlaubter                      nenvertreterin, eine Teil-     lich sollte das Sy-
     Leistungs- und Verhaltenskontrolle, Fortbildung, berufsförderli-               projektleitung etc. sein.
     che Tätigkeiten, Beteiligung (das die hier definierten Interessen                                             stem bezeichnet
                                                                                •   Bestimmung der Aufga-
     der Beschäftigten nicht deckungsgleich mit den gesetzlichen
     Regelungspunkten formuliert sind, hat ausschließlich historische               ben des Steuerungsgre-         werden, wenn die
     Gründe)                                                                        miums                          betrieblichen
                                                                                    Dem Steuerungsgremium
                                                                                    oblag die Definition der
                                                                                                                   Notwendigkeiten
                                                                                    Sozialverträglich-             und die berechtig-
                                                                                    keitsprüfung.      Hierzu
    $UE6FK*                                          †  %HWU9*
                                                                                    wurde festgelegt: Prüf-        ten, insbesondere
                                                                                    maßnahmen der Sozial-
    %LOGVFK$UE9                                      †  %HWU9*
                                                                                    verträglichkeit, die je-       persönlichen und
                                                                                    weiligen Kriterien, Meß-       wirtschaftlichen
                                                                                    verfahren, Prüfzeitpunkte
    %'6*                                                 †%HWU9*                und -orte, verantwortli-       Schutzbedürfnis-
                                                                                    che Personen und von
                                                                                    der Durchführung be-           se der Mitarbeiter
    899V                                                      %9HQ
                                                                                    troffene Personen, Do-
                                                                                    kumentation und Ent-
                                                                                                                   und Mitarbeite-
                  *UXQGVLFKHUXQJVNRUULGRUHLQULFKWHQ
                                                                                    scheidungsverfahren            rinnen in Einklang
                                                                                Dieses Steuerungsgremium           gebracht wurden
                                                                                traf sich regelmäßig einmal
•    Sozialverträglichkeitsprüfung als Bringschuld
                                                                                im Monat und bei Bedarf
Die Sozialverträglichkeitsprüfung wird vom Arbeitgeber durchge-                 auch öfters. Der erste Schritt
   führt. Nicht der Betriebsrat muß an allen möglichen Sitzungen                der gemeinsamen Tätigkeit bestand darin, die einzelnen Prüfmaß-
   der diversen Projektgremien teilnehmen und immer wieder auf-                 nahmen der Sozialverträglichkeit zu bestimmen.
   passen, das ihm nichts Mitbestimmungsrelevantes durch die
                                                                                Der nächste Schritt bestand darin, zu jeder einzelnen Prüfmaßnahme
   Finger gleitet, sondern der Arbeitgeber hat das von ihm geplante
                                                                                einen ganzen Katalog zur näheren Bestimmung der Zielsetzung,
   bzw. das von ihm einzuführende System immer wieder auf mit-
                                                                                einzelner Schritte, Meßverfahren und Meßzeitpunkte sowie verant-
   bestimmungsrelevante Tatbestände hin abzuklopfen und ent-
                                                                                wortlicher Personen zu benennen. Ein solcher Katalog ist beispiel-
   sprechende Punkte mit dem Betriebsrat abzuklären. Dieser
                                                                                haft für eine Prüfmaßnahme angefügt.
   Punkt ist enorm wichtig. Der Betriebsrat ist in der Regel fach-
   lich, personell und zeitlich überfordert, an den diversen Pro-               Das Steuerungsgremium legte als Grundsatz relativ bald fest, daß
   jektteams teilzunehmen, Protokolle zu sichten und Systemun-                  die Erprobungsphase durch eine ganz reguläre Testphase, den soge-
   terlagen in Hülle und Fülle zu analysieren. Auch wenn ihm die                nannten Musterbetrieb zeitlich und juristisch eingegrenzt werden
   Teilnahme an all diesen Sitzungen und die Einsichtnahme in                   sollte. Nach Produktivsetzung des Systems sollten der überwiegende
   entsprechende Unterlagen großzügig angeboten wird - ‘Dabei                   Teil der Prüfmaßnahmen innerhalb eines halben Jahres abgeprüft
   sein ist alles’ ist das Motto für Olympia, nicht aber für die Mit-           und bewertet sowie Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden.
   bestimmung im Rahmen einer SAP-Einführung.                                   ‘Überwiegend’ deswegen, weil klar war, daß sich bestimmte Prü-
                                                                                fungen auch über den Musterbetrieb hinaus ziehen würden. Fragen
•    Festlegung einer Gremienstruktur sowie eines Einigungs- und
                                                                                zur Softwareergonomie kann mensch z.B. sinnvollerweise erst dann
     Konfliktverfahrens
                                                                                den Usern und Userinnen stellen, wenn sie hinlänglich mit dem
     In der fraglichen Unternehmung wurde ein Steuerungsgremium                 System vertraut sind, Unzulänglichkeiten des Systems und der
     für die Sozialverträglichkeit eingerichtet, das paritätisch durch          Systemeinstellungen nicht mehr auf ihre mangelnde Erfahrung und
     Betriebsrat und Arbeitgeberseite besetzt war. Dieses Gremium               Unsicherheit im Umgang mit dem System zurückführen, anderer-
     hatte seine Entscheidungen einvernehmlich zu treffen. Kam die-             seits aber auch nicht sich schon so sehr an die Systemmängel ge-
     ser Konsens nicht zustande war eine sog. Dauereinigungsstelle              wöhnt haben, daß sie bereits als selbstverständlich hingenommen
     mit einem bereits vorab bestimmten externen Vorsitzenden be-               werden. Korrekturen aber ziehen sich durch die mit ihnen verbun-
     stimmt, dessen Stimme bei Stimmengleichheit zwischen den                   denen Aufwände eventuell so in die Länge, daß der Zeitraum des
     Betriebsparteien den Ausschlag gab. Im wesentlichen war das                Musterbetriebes bereits verlassen wurde.
     Gremium auf Seite des Betriebsrates durch den Betriebsratsvor-
                                                                                Die Einrichtung des Musterbetriebes bedeutete auch von juristischer
     sitzenden und dessen Stellvertreter sowie ein Betriebsrat aus
                                                                                Seite her einen Vorteil, da der Arbeitgeber bis zum Ende des Mu-
     dem vordringlich betroffenen Geschäftsbereich besetzt. Dies wa-
                                                                                sterbetriebes verpflichtet war, das Altsystem betriebsbereit zu halten
     ren die stimmberechtigten Mitglieder auf Betriebsratsseite. Die
                                                                                und damit die Rückholbarkeit und die Sicherung der Mitbestim-
     Arbeitgeberseite hatte den Personalleiter, die Projektleitung so-
                                                                                mung zumindest bis zum Ende des Musterbetriebes gesichert war.
     wie die Geschäftsbereichsleitung entsandt. Dem Steuerungsgre-
     mium stand es frei, nach Bedarf weitere, jedoch nicht stimmbe-
     rechtigte Mitglieder hinzuzuziehen. Dies konnte die Fachkraft
     für Arbeitssicherheit, der betriebsärztliche Dienst, die betriebli-
     che Datenschutzbeauftragte, der Vorsitzende des Gesundheits-

                                                                           10
einbringen mußten. Keine Insel der Glückseligen also in einem
Jenseits von Verfahren und                                                    Unternehmen mit nahezu 10.000 Beschäftigten.

Systemen -                                                                    Vor allem der Unter-
                                                                              schied zwischen dem
Organisationsentwicklung?!                                                    ersten und dem zweiten
                                                                              Durchgang war deutlich
                                                                              spürbar. Mußten beim
                                                                                                             Als fast unglaub-
Ich verzichte an dieser Stelle jetzt auf großartigen Rekurs auf eine
                                                                              ersten Mal noch alle           lich muß die Zu-
                                                                              mitbestimmungsrelevan-
allgemeine Darstellung zur Organisationsentwicklung (etwa ‘auftau-            ten Punkte einzeln be-         sammenarbeit in
en - verändern - wieder verfestigen’) und ellenlange Erörterungen zu          gründet und in ihrer
Fragen der Ganzheitlichkeit, Langfristigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe,          jeweiligen Ausprägung
                                                                                                             der Steuerungs-
lernender Organisation usw. In der praktischen Arbeit kann sich der
Berater/ die Beraterin daran orientieren, sich und sein Projekt immer
                                                                              im SAP-System nachge-          gruppe bezeich-
                                                                              wiesen werden, so zeigen
wieder selbstkritisch hinterfragen, die eigentliche Musik liegt jedoch        jetzt die jeweilig zustän-     net werden
in den Details, die auf die jeweilige Klientel und Situation abge-            digen        betrieblichen
stimmt sich bedarfsorientiert bewähren müssen.                                Gruppen (SAP-Gruppe,
Da das ganze Projekt im übrigen nie als eine Organisationsent-                Personalwirtschaft, Netzbetriebsgruppe etc.) ein vorauseilendes
wicklung angelegt war -schließlich sollte nur eine betriebliche Re-           Bestreben, bereits mit selbsterarbeiteten Lösungen für durch sie
gelung zum SAP-Einsatz erstellt werden, wenn auch eine umfassen-              entdeckte Probleme an die Steuerungsgruppe heranzutreten oder
de, ganzheitliche, praktikable und erfahrungsorientierte- und sich            zumindest mit der entsprechend fragenden Haltung auf die Steue-
erst im nachhinein in seiner Gesamtsicht als solches entpuppte, will          rungsgruppe und ihren Berater für die SVP zuzukommen. Das hat
ich jetzt auch nicht hochsystematisch einzelne bestimmende Ele-               auch damit zu tun, daß über die Systematik der Sozialverträglich-
mente von Organisationsentwicklung auf ihre Passung mit dem                   keitsprüfung eine Art Qualitätssicherungssystem für die fraglichen
Projekt abklopfen. Das mir als Berater mit den beiden Standbeinen             Bereiche erarbeitet worden ist (beispielsweise im Bereich der Da-
Organisationsentwicklung einerseits und Beratung von Interessen-              tensicherung, Hardwarebeschaffung, Büroausstattung), die sich nun
vertretungen andererseits produktiv und kreativ was durcheinander-            weiter und weiter ausweitet und im Moment sogar über eine
geriet ist eher Zufall.                                                       ISO9000-Zertifizierung für die EDV-Abteilung nachgedacht wird.
                                                                              Als besonderes Glanzstück soll auch die Betroffenenbeteiligung
n    Was bleibt sind Erfahrungen                                              hervorgehoben werden. War für die meisten Beteiligten zu Anfang
                                                                              alles viel zu aufwendig, zu viele Termine, zu viele Personen und
Ich bin darüber hinaus in der glücklichen Lage, nicht nur auf diesen          mühsam, sowohl die besondere Prüfmaßnahme zur Betroffenenbe-
einen durchlaufenen Prozeß in diesem Unternehmen zurückschauen                teiligung als auch Beteiligungselemente in allen anderen Prüfmaß-
zu können, sondern zur Zeit gerade eben dort einen weiteren Prozeß            nahmen durchzusetzen, sah es am Ende ganz anders aus. Beteili-
der Einführung von SAP mit anderen Modulen zu erleben.                        gung war für alle Betroffenen im ersten Durchgang eines der we-
                                                                              sentlichen Elemente in der Durchführung der Sozialverträglichkeits-
Mein grundsätzliches Erleben: Es gibt für mich kaum noch etwas zu             prüfung. Keiner mochte mehr darauf verzichten, trotz hoher Auf-
verdienen und es wird wohl das letzte mal sein, daß ich in diesem             wände. Und alle Seiten mußten sich durch die Betroffenen immer
Unternehmen für die Durchführung einer Sozialverträglich-                     wieder korrigieren lassen, sei es der Betriebsrat mit seiner Forde-
keitsprüfung herangezogen werde. Und das zeigt, welche funda-                 rung nach mehrfach durch unterschiedliche Paßwörter gesicherten
mentalen Änderungen sich hier vollzogen haben.                                Systemzugänge die in regelmäßigen Abständen nach bestimmten
Als fast unglaublich muß die Zusammenarbeit in der Steuerungs-                Regeln geändert werden sollten, sei es die Projektleitung, die mit
gruppe bezeichnet werden. Ohne das hier eine ‘Friede-Freude-                  wohldurchdachten Abläufen immer mal wieder auf Ablehnung
Eierkuchen-Mentalität’                                                          durch die Betroffenen stieß.
aufgetreten wäre wird hier                                                     Und heute, im zweiten Durchgang werden die Betroffenen in
derart konzentriert und mit                                                    einem Maße in den Projektlauf eingebunden, der nichts mehr zu
hohem Verständnis für die                                                      wünschen übrigläßt und ein hohes Maß an Optimierung des Sy-
Belange der anderen Seite an   Das hat auch da-                                stems im Sinne der Betroffenen gewährleistet.
der Lösung von Sach- und
Fachproblemen gearbeitet,
                               mit zu tun, daß                                 Soweit zunächst die Darlegungen über die Notwendigkeit und
das von außen schon fast       über die Systema-                               Erfahrungen (mit) einer prozeßorientierten Begleitung von SAP-
mißtrauisch auf diese Grup-                                                    Einführungen.
pe geschaut wird. Trotzdem     tik der Sozialver-                              Das Verfahren ist in Teilen und als Ganzes erprobt, und es braucht
sind die Interessen klar und
prallen auch immer wieder      träglichkeitsprü-                               auch niemand Angst zu haben, alles in einem Rutsch und fehlerfrei
                                                                               durchführen zu müssen. Es gibt viele Zwischenstufen, in denen
deutlich aufeinander. Es gibt  fung eine Art                                   eine -auch vorsichtige- Annäherung möglich ist.
aber ohne Häme auch immer
wieder     Verständnis    für  Qualitätssicher-                                Und es steckt ein ungeheueres Entwicklungspotential in einem
(betriebs-)politische Zwänge                                                   solchen Vorgehen, eine neue Qualität -nein, nicht nur in den Be-
wenn sach- und fachfremde      ungssystem für                                  ziehungen, sondern in den daraus entwickelten Lösungen: Wer so
Belange sich störend auf die   die fraglichen Be-                              strukturiert und ganzheitlich die Sache angeht, hat die Chance zu
Arbeit der Steuerungsgruppe                                                    Lösungen zu kommen statt Schlagabtausche mit Reizwörtern
auswirken, auch wenn die       reiche erarbeitet                               vorzunehmen.
Beteiligten     selbst  diese
                                   worden ist

                                                                         11
Mit diesbezüglichen Beispielen könnte ich hier ein ganzes Heft
füllen. Sei es der Personalchef der nach guten Erfahrungen in sei-          n    Wer zieht Nutzen aus einer solchen Vorgehenswei-
nem Hause gemeinsam mit einem meiner Kollegen ein Seminar zu                     se?
dieser Vorgehensweise anbieten will, seien es die Berater der Ar-
beitgeberseite, die mit aller gebotenen Härte durch den Arbeitgeber         Mit einer solchen Vorgehensweise wird an einem besseren System
auf die für sie neue und ungewohnte Vorgehensweise ‘eingeschwo-             im Sinne der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer gearbeitet. Hier
ren’ wurden, sei es die Projektleitung, die mit ihren Erfahrungen in        wird die Kritik gleich vermerken: Der Arbeitnehmer und Arbeit-
diesem Bereich offensiv eine Bewerbung bei einem anderen Arbeit-            nehmerinnen die übrig bleiben. Das bessere System im Sinne der
geber erfolgreich lancieren kann und letztendlich die Betroffenen,          Arbeitgeber heißt auch, das System mit mehr Akzeptanz, höherer
die dem Arbeitgeber bescheinigen, noch nie so gut und vielbeachtet          Effizienz und Effektivität, auch im Sinne der Rationalisierung.
in technisch-organisatorische Änderungen eingebunden worden zu
seien.                                                                      Sätze wie ‘ein Personalabbau aufgrund der SAP-Einführung findet
                                                                            nicht statt’ in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu verankern
Zum Schluß noch drei Denkanstöße, die im Rahmen einer Regelung              und sich dann beruhigt zurückzulehnen heißt, sich in die eigene
von SAP nach dem beschriebenen Muster bedacht werden sollten:               Tasche zu lügen, wenn solche Sätze vielleicht einfach sein müssen
                                                                            (das Zurücklehnen allerdings nicht).
n    Es kommt immer drauf an!
                                                                            Klar ist doch: Wenn nicht aufgrund von SAP selbst, dann wird es im
Dies Verfahren ist eine Regelungsmöglichkeit, die in Abhängigkeit           Zusammenhang mit den mit Hilfe von SAP umgesetzten Geschäfts-
von Situation und Personen das Optimum sein kann oder auch                  prozeßoptimierungen zu Rationalisierungen kommen. Der ‘return of
gerade nicht. Es setzt sowohl auf Interessenvertretungs- als auch           invest’ wird in mehr oder weniger großem Umfang in Personalein-
Arbeitgeberseite ein Mindestmaß an Reife voraus, eine gewisse               sparungen berechnet werden.
Umgangskultur im Sinne der vertrauensvollen Zusammenarbeit                  Ein heißes Eisen und hier ist die Meinungsbildung auch alles andere
gem. § 2 BetrVG und die Einsicht, daß die vermeintlich höheren              als abgeschlossen. Zudem ist die Entscheidung, wie sich die Interes-
Aufwände in diese Art der Regelung Zukunftsinvestitionen darstel-           senvertretung hierzu stellt deren Sache in ihrer jeweiligen persönli-
len. Diese kann und soll durch den Organisationsentwicklungspro-            chen, betrieblichen und gesamtgesellschaftlichen Situation und
zeß natürlich weiter fortentwickelt und gefestigt werden.                   Verantwortung und nicht die der Berater.
Was tun, wenn diese Reife und dieses Einsicht nicht vorhanden
sind?                                                                       n    Veränderung in der Organisation der Interessenver-
                                                                                 tretungsarbeit
Auch wenn Grundsicherungen eingebaut werden, sollen in dem
Verfahren für den Konfliktfall Regelungen und Entscheidungswege             Der von uns vorgeschlagene Weg einer Begleitung von SAP-
vorhanden sein, die den                                                     Einführungen erfordert auch Überlegungen, wie denn ein Betriebs-
reibungslosen        Ausstieg                                               oder Personalrat sich diesbezüglich organisieren muß. Welche
ermöglichen. Mag es doch                                                    Organisations- und Kommunikations- bis hin zu Entscheidungsfin-
Situationen geben (Perso-        Mit einer solchen                          dungsformen sind notwendig, um eine solche Vorgehensweise
nenwechsel,       Übernahme                                                 angemessen zu begleiten, die Abwägungsprozesse qualifiziert
durch eine andere Firma,         Vorgehensweise                             vorzunehmen und die Betroffenen angemessen mit einzubinden?
Bekanntmachungen         über
den Abbau von weiteren           wird an einem                              Projektarbeitsorganisation, Kreativitätstechniken, Techniken der
10% der Beschäftigten, ...),                                                Ziel- und Entscheidungsfindung, Prioritätensetzung um im ver-
in denen die klassische
                                 besseren System                            netzten Ganzen nicht die Übersicht zu verlieren sind von Nöten, um
Regelung des Systems nach        im Sinne der Ar-                           einen solchen Prozeß bewerkstelligen zu können.
wie vor als der bessere Weg
erscheint. Auch wenn der         beitgeber als
konventionelle Weg -wenn
ernsthaft    betrieben-    in
                                 auch der Arbeit-
keiner Weise weniger ar-         nehmer gearbei-
beitsintensiv ist als der von
uns skizzierte: Er muß           tet. Hier wird die
(zunächst) manchmal sein.
                                 Kritik gleich ver-
                                 merken: Der Ar-
                                 beitnehmer und
                                 Arbeitnehmerin-
                                 nen die übrig
                                 bleiben

                                                                       12
Beispiel 1 für Konkretisierung einer Prüfmaßnahme
∗   Maßnahmenbezeichnung                            ∗   Prüfung Schulungskonzeption, -durchführung sowie Schulungsbe-
                                                        wertung für EinführerInnen wie AnwenderInnen
∗   Beschreibung/ Zweck                             ∗   Abstimmung der jeweiligen und zukünftigen Anforderungen an
                                                        Schulungen
∗   Prüfgegenstand                                  ∗   TN-Unterlagen
                                                    ∗   Schulungsplan
                                                    ∗   Schulungskonzept (Ziele, Inhalte, Methoden)
                                                    ∗   TrainerInnen
                                                    ∗   Rahmenbedingungen
                                                    ∗   Durchführung
∗   Verfahren                                       4-stufig:
                                                    ∗   Durchsicht von Unterlagen
                                                    ∗   Erfahrungsbericht TeilnehmerInnen über Fragebogen oder Befra-
                                                        gung
                                                    ∗   dto. AnwenderInnen in wöchentlichem AnwenderInnen-Jour-Fixe
                                                    ∗   Analyse eines Betreuungstagebuches, in dem die Anfragen und
                                                        Probleme aus der Hotline und den Besuchen vor Ort festgehalten
                                                        werden
∗   Instrumente/ Werkzeuge/ Hilfsmittel             ∗   Anforderungen an Schulungen gem. ‘Checkliste Schulung’
∗   Beteiligte                                      ∗   BR, TrainerInnen, TeilnehmerInnen
∗   Durchführende/r (verantw.)                      ∗   N.N.
∗   Zeitpunkt                                       ∗   vor, während und nach den einzelnen Maßnahmen
∗   Voraussetzungen für die (Durchführbarkeit der) ∗    -
    Prüfmaßnahme
∗   Aufwand (geschätzt)                             ∗   -
∗   Besonderheiten Prüfdokumentation                ∗   -
∗   Testabnahme durch                               ∗   SVP-Steuerungsgruppe
∗   Konsequenzen/ Folgemaßnahmen                    ∗   Überarbeitung Schulungen;      Nachschulungen;    Problem-WS’s,
                                                        BenutzerInnenservice
∗   Bemerkungen/ Sonstiges                          ∗   Teilnahme BR an Schulungen möglich
                                                    ∗   TrainerInnen absolvieren ein ‘Train-the-Trainer’-Seminar

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