KULTUR.REGION schaufenster - Volkskultur NÖ
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Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . November 2015 schaufenster KULTUR.REGION Vom Leben in der Region Agnes Palmisano / Vom Dudeln und Schdeam . Musikschulen / We are Musical Integration / Kleine Schritte . Museen / Freiwilliges Engagement P.b.b. · Vertragsnummer GZ 10Z038552 S · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295
WIEN NORD us ik . Bezahlte Anzeige. z . M Tan zMusik. Tan skulTur Volk n und e M f Tu uch rreich. f a a Br Mehr iederösTe für n r sch wi . da s www.noevers.at Wir schaffen das.
EinBlick / 3 Vital und verankert: LEBEN IN DER REGION Der ländliche Raum und die hier lebenden Men- schen stehen schon die längste Zeit vor großen Herausforderungen: strukturell, ökonomisch, sozial oder kulturell. Das Überleben in der Region hängt also nicht zuletzt vom Willen ab, mit allen Kräften zu ihrer Vitalität und Stärkung beizutragen. Stadtluft macht frei, so lautete ein Rechtsgrundsatz im Mittelalter, vital, weitgehend autonom und bedacht auf die eigenen Vorzüge. demzufolge ein bislang Unfreier in den damals erstarkenden Städ- Idealerweise bietet das Leben auf dem Land ausreichend Raum und ten nach Jahr und Tag nicht mehr von seinem Dienstherrn zurück- Ruhe für ein sinnliches Wahrnehmen der Natur, frische Luft, ein der beordert werden konnte, also Stadtbewohner und somit frei gewor- Gesundheit zuträgliches Klima, mittlerweile zahlreiche Angebote in den war. Im übertragenen Sinn erfuhr der Spruch „Stadtluft macht den Bereichen Bildung und Kultur und viel Platz, ob für den Bewe- frei“ die Bedeutung, befreit aus der Enge festgefahrener Dorfstruk- gungsdrang von Kindern, das so genannte Freiwerden des Kopfes bei turen, inmitten zahlreicher Konsum- und Kulturangebote und weit- Wanderungen oder das von störender Betriebsamkeit unbeeinträch- gehend losgelöst von sozialer Kontrolle leben zu können. Doch so tigte künstlerische Schaffen. Gerade in den Städten will die Sehnsucht wie die meisten Geschichten hat auch diese eine zweite Seite, die mit nach solchen Qualitäten in ländlich anmutenden Inseln gestillt wer- Begriffen wie Vereinsamung, Anonymität oder Entfremdung ein- den, handelt es sich nun um Parks, begrünte Dächer und Hinterhöfe, hergeht. Gemüse am Balkon oder Garteln im öffentlichen Raum. Heute ist jedenfalls eine sich oft rasch und ständig ändernde Mixtur Im besten Fall funktioniert ein Zusammenwirken von Stadt und aus Gefühlen, Motiven und Sachzwängen ausschlaggebend dafür, Land gleichberechtigt auf Augenhöhe und in einer Weise, die den wo Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben, und die Bandbreite Menschen Möglichkeiten zur Wahl ihres Lebensmittelpunktes ein- reicht von den wenigen, die über Domizile in mehreren Welt- räumt. Der ländliche Raum benötigt dazu eine entsprechende Infra- gegenden verfügen, bis zu den vielen, die an einen einzigen Wohn- struktur und die zur Daseinsvorsorge nötigen Einrichtungen, darü- sitz gebunden sind. Der gegenwärtige Trend zeigt dabei eindeutig ber hinaus vor allem aber jene Menschen, die ihre Kraft aus einer ein Wachsen urbaner Ballungsräume: So lebt mittlerweile mehr als starken emotionalen Bindung zu ihrem Dorf und ihrer Region die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. schöpfen, vielleicht auch trotz mancher Nachteile und Schwierig- keiten. Solchen Menschen gebührt unsere Aufmerksamkeit, und vor Doch wie kann sich angesichts solcher Tatsachen die Zukunft des diesen Menschen ziehen wir unseren Hut. ländlichen Raums gestalten: keinesfalls als bloßer Ressourcenspender für entfernte Machtzentren, sondern im besten Fall selbstbewusst, Dorli Draxler, Edgar Niemeczek schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Top-Termine / 4 November 2015 TOP-TERMINE JUNGE MEISTER —————————————————— Sa, 28. 11. 2015, 18.00 Uhr Haus der Regionen, Donaulände 56, 3500 Krems-Stein —————————————————— Junge Meister konzertieren für einen guten Zweck! Dass man sich um den MUSICAL „HIGH SOCIETY“ musikalischen Nachwuchs unseres Bun- MARTINILOBEN —————————————————— deslandes keine Sorgen machen muss, —————————————————— November 2015 haben die Talente aus den Musikschulen So, 8. 11. 2015 Hollabrunn, Korneuburg, Zistersdorf im Vorjahr wieder eindrucksvoll bei Brandlhof, 3710 Radlbrunn 24 —————————————————— Jugendmusikwettbewerben bewiesen. —————————————————— Musikschüler und Musicalbegeisterte aus 1.200 Musikschüler sind angetreten, um Am 8. November findet das mittlerweile dem Weinviertel bringen den Filmklas- ihre Können unter Beweis zu stellen und traditionelle Martiniloben im Brandlhof siker von Cole Porter auf die Bühne. Im sich mit Gleichaltrigen in den musikali- statt. „In der heiligen Martininacht wird Rahmen des Projekts „Wir sind Bühne“. schen Austausch zu begeben. Nun setzen der Most zum Wein gemacht“ – und so Musical erarbeiteten junge Nachwuchs- Preisträger verschiedener Wettbewerbe gilt der Festtag des hl. Martin traditionell talente unter der künstlerischen Lei- mit einem gemeinsamen Konzert im als der früheste Termin, die Qualität des tung von Luzia Nistler innerhalb eines Haus der Regionen ein deutliches Zei- neuen Weins zu beurteilen, ihn beim Schuljahres das Stück. Das Ergebnis gibt chen. Zugunsten des karitativen Vereins neuen Namen zu nennen, ihn zu loben. es im November in sieben Vorstellun- „Hilfe im eigenen Land – Katastrophen- Die Volkskultur Niederösterreich und die gen zu sehen: Die Premiere findet am hilfe Österreich“ präsentieren Solisten Winzer von weingueter-weinviertel.at 7. November im Stadtsaal Hollabrunn und Ensembles ein abwechslungsreiches präsentieren den jungen Wein. Karl statt, weitere Aufführungen folgen in der Potpourri aus ihrem Wettbewerbspro- Korab gestaltet dazu die Flaschenetiket- Werft Korneuburg und dem Kulturhaus gramm. Mit dabei sind unter anderem ten. Das Original wird beim Martini- Zistersdorf. das A-cappella-Ensemble Ciderellas aus loben zugunsten von „Hilfe im eigenen dem Mostviertel und das Volksmusik- ————— Land“ versteigert. ensemble Pfiffikus aus dem Weinviertel. ————— Information ————— Musikschulmanagement Niederösterreich Information Tel. 02742 9005 16891 Information Tel. 0664 8208595 tamara.sedlmaier@musikschul VVK: EUR 10,00, AK: EUR 12,00 / Reservierungen Martinigansl: management.at Freie Platzwahl, Tel. 02732 85015 Tel. 02956 81222 www.musikschulmanagement.at ticket@volkskultureuropa.org www.volkskulturnoe.at/brandlhof www.oeticket.com www.volkskultureuropa.org schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Inhalt / 5 November 2015 INHALT Interview 30 Jahre Niederösterreich 6/ Agnes Palmisano 20 / Dorf- und Stadterneuerung 34 / Kulturpreise 2015 —————— —————— —————— Haus der Regionen Trachtenmappe Museumsmanagement & 8/ Kremser Kamingespräche 21 / Frische Dirndl Museumsdorf Niedersulz —————— —————— 37 / Ehrenamtliches Haus der Regionen Advent Engagement 9/ Musik der Auvergne 22 / Märkte im November —————— —————— —————— Forschung Haus der Regionen Galerie der Regionen 40 / Tannbauerhof 9/ Beziehungsreich 23 / Feine Ware —————— —————— —————— Kulturgeschichte Brauch Handwerk 42 / Tagebuchschreiben 10 / Pilgerwege 24 / Der Kalmuck-Janker —————— —————— —————— Kolumne Industrieviertel Kreativakademie 44 / Zwischen Himmel und Erde 12 / Die Kräuterwirtin 26 / Musik- und Kunstschulen Sendetermine —————— —————— —————— Waldviertel Musikschulen Kultur.Region 14 / Klostermusiker 28 / Wir sind Musical 45 / Fortbildungen neu entdeckt —————— —————— —————— Spiel Kultur.Region Weinviertel 30 / Cool Notes 46 / Intern 16 / Kellergassen —————— —————— —————— Integration Kultur.Region Brandlhof 31 / Kleine Schritte 47 / Nachschau 19 / Martiniloben —————— —————— —————— Auslage Kolumne 32 / Bücher & CDs 50 / Die letzte Seite —————— —————— IMPRESSUM Herausgeber: Prof. Dr. Edgar Niemeczek, Prof. Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Dachmarketing: Martin Lammerhuber, Produktionsleitung: Mag. Marion Helmhart. Redaktionsteam: Dr. Michaela Hahn, Mag. Katharina Heger, Markus Kiesenhofer, MA, DI Claudia Lueger, Miriam Molin Pradel, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Tina Schmid, Carina Stadler, Mag. Andreas Teufl, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Eva Zeindl, Mag. Doris Zizala. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Theresia Draxler, Mag. Claus Hamberger, Univ. Prof. Dr. Monika Kil, Traute Molik-Riemer, Prof. Dr. Franz Oswald, Josef Schick, Prof. Dr. Helga Maria Wolf. Eigentümer/Medieninhaber: Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at. Geschäftsführerin: Prof. Dorothea Draxler. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien. Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Postamt 3112 St. Pölten. ISSN 1680-3434. Copyrights: Kultur.Region.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Geschäftsführung: Prof. Dr. Edgar Niemeczek, Prof. Dorothea Draxler, Martin Lammerhuber. Artikelüber- nahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: Wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und Kultur und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer Berücksichtigung der Regionalkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise. Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion widerspiegeln. Cover: Agnes Palmisano. Foto: Erich Marschik schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Interview / 6 Agnes Palmisano EMOTIONALE HEIMAT Die Sängerin Agnes Palmisano im Gespräch mit Edgar Niemeczek und Mella Waldstein über den Wiener Dudler, ihre neue CD „Wean & Schdeam“ und das Verhältnis zum Tod. Wiener sein“: Das Wienerlied hat immer zwei Seiten, es ist nie so ganz traurig und auch nie nur lustig. Auch unsere neue CD „Wean & Schdeam“ hat eine doppelbödige Bedeutung – „Wean“ steht für Wien ebenso wie für „Werden“. Schaufenster: Das ist der große Unterschied zur alpenländischen Volksmusik. Da wird auch von großen Gefühlen gesprochen – zum Beispiel über Freundschaft und das Wieder- sehen, doch das Thema Tod ist hier nicht so präsent. Agnes Palmisano: Im Wienerlied hingegen wird der Tod besungen, man scherzt darü- ber, und so schaffte man es, durch das Lied und durch die Thematisierung des Sterbens den Schrecken und die Furcht davor zu dämpfen. Man sieht es mir nicht so an, aber der Gedanke ans Sterben ist bei mir extrem präsent. Das war schon als Kind so. Und „Worüber man nicht sprechen kann, das dudelt man. Für mich ist das Dudeln emotionale Heimat.“ mit den eigenen Kindern wird es ja nur schlimmer. Es gibt keinen Tag, an dem man sich nicht vorstellt: „Was wäre, wenn …?“ Dafür habe ich ein ausgeprägtes Sensorium. Ein regnerischer Herbsttag. Aus den Kellern Schaufenster: Beim Wienerlied kommt man des Heurigen Hengl-Haselbrunner in Wien um das Thema Abschied von der Welt nicht Schaufenster: Ist das Wienerlied heroisch? dampft warme Luft, der Wein ist in den Fäs- herum. sern, die Flaschen we rden gewaschen. In Agnes Palmisano: Heroisch ist es nicht, den Altwiener Gaststuben beginnt das Agnes Palmisano: Man kommt ja auch im ganz im Gegenteil, da gibt’s immer Hoppa- Leben: Die Buffetdamen wickeln das Besteck Leben nicht darum herum. Warum mir las. in die Servietten, die Sulz wird aufgeschnit- Wienerlieder so zusagen, ist, dass sie eine ten, die Salate mariniert, der Kümmelbraten gewisse Doppelbödigkeit haben. Meistens Schaufenster: Besonders die junge Genera- im Rohr gewendet. Auch die Katze erwacht. sind die Lieder übers Schdeam durchaus tion findet am Wienerlied Gefallen – auch heiter: „Kinder, wegen mir brauchts ka deshalb, weil das Sterben darin Thema ist? Agnes Palmisano, verheiratet mit dem Win- Trauerg’wand“, „Schmeißt mi in a Fassl zer und Heurigenwirt Matthias Hengl, bittet rein“ oder „Erst wann’s aus wird sein“ oder Agnes Palmisano: Ich glaub schon, dass zum Haustisch. Georg Kreislers „Der Tod, das muss ein sich die jungen Leute darüber Gedanken schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Interview / 7 Schaufenster: Sie haben zwei Kinder, Sie unterrichten, Sie sind Musikerin, und Sie leben in einem Winzer- und Heurigen betrieb. Wie ist das unter einen Hut zu bringen? Agnes Palmisano: Der Heurige ist der Aufgabenbereich meines Mannes. Das ist bei uns klar getrennt. Ich weiß, manche erwarten, dass ich die Frau Chefin werde. Aber das ist nicht meins. Doch mich unter- stützt die Heurigenstruktur insofern, als ich eigentlich nicht kochen muss. Der Heurige ist wie eine Dorfstruktur, wo die Kinder auch hie und da „mitlaufen“ können. Ich Agnes Palmisano im Gespräch mit Mella Waldstein und Edgar Niemeczek: „Der Wiener Dudler ist quasi ein bin sehr froh, dass in meinem Leben für Dialekt vom Jodler.“ beides Platz ist, für Familie und Musik. / Fotos: Erich Marschik machen. Unsere Zeit definiert sich durch Der Wiener Dudler ist quasi ein Dialekt das Ausblenden des Todes und ein Nicht- vom Jodeln. Es gibt verschiedene Entste- sterben-lassen-Können, weil wir eine hungsweisen der Dudler. Erstens Lieder mit erfolgsorientierte und leistungsbewusste Migrationshintergrund: Steirische Jodler Gesellschaft sind. und Tiroler Lieder haben sich in Wien angesiedelt. Und da in Wien eine andere AGNES PALMISANO Schaufenster: Wenn zu Allerheiligen und Musikzierweise herrschte und eine größere ——————————————————— Allerseelen alle auf die Friedhöfe pilgern … Kunstfertigkeit, hat der Jodler eine eigene Stilistik bekommen. Zweitens gibt es Lieder, Agnes Palmisano: … tu ich das gar nicht. die sind in Wien entstanden, das hört man Man wird es nicht glauben, aber ich war an der Harmonik. Der Dudler ist dazu da, noch nie am Zentralfriedhof. Für mich sind eine Emotionalität zu kanalisieren. Das ist Tote nicht am Friedhof zu finden. Doch eine Charakteristik für den Weana Tanz – Begräbnisse sind etwas sehr Bewegendes die schwermütigen Lieder mit dem und Berührendes. Es ist wichtig, dass es anschließenden Jauchzen. Aus dieser die Rituale des Abschieds gibt. Und es ist Ursuppe der Wiener Musik ist das Dudeln wichtig, dass wir sie im Angesicht eines auf die Theaterbühne gekommen. Dabei ist Verlustes nicht neu erfinden müssen. zu bemerken: Wie tief verwurzelt muss Wean & Schdeam etwas sein, dass man es auf der Theater- Eine augenzwinkernde musikalisch- Schaufenster: Lassen wir das Schdeam hin- bühne als typisch wienerisch hinstellt! philosophisch Abhandlung über das Wer- ter uns. Sie haben sich dafür engagiert, dass den und Vergehen im Allgemeinen sowie das Dudeln auf die Liste des immateriellen Schaufenster: Woher kommt das Wort über Wien und seine Beziehung zum Tod Weltkulturerbes kommt. Was ist Dudeln? „Dudler“? im Speziellen: bisweilen nachdenklich, zumeist sehr vergnüglich und allemal Agnes Palmisano: Dass ich überhaupt Agnes Palmisano: Im 19. Jahrhundert hat unausweichlich. Traditionelle Wiener Wienerlieder singe und dudle, ist ein Wun- man durchwegs – das ist auch bei Nestroy Lieder, Dudler und Kabarettlieder treffen der. Ich bin ja nicht in Wien aufgewachsen, nachzulesen – die Dudler als Jodler be- auf Neukompositionen, die bereit sind, wiewohl ich in Ottakring geboren bin – zeichnet. Wann das Wort „dudeln“ aufkam, das Erbe anzutreten und mit heutigen dort, wo das Dudeln zu Hause war. Wiener ist nicht so ganz klar. Der Unterschied zum Stilmitteln zu bereichern. Musik und Wienerlied haben eine eigene Jodeln ist der Stimmgebrauch. Der Jodler Mit Daniel Fuchsberger, Peter Havlicek, Stilistik. Die Tatsache ist, dass die Musiker wird mit viel mehr Masse und Druck pro- Helmut Thomas Stippich, Maria Stippich, in Wien in der Regel immer Berufsmusiker duziert, der Dudler wird mit mehr Kolora- Roland Sulzer, Peter Uhler und Paul waren und nicht Bauern, die in der Freizeit tur gesungen. Der emotionale Gehalt steckt Gulda. spielen. Auch die Sänger, die dudelten, hat- im Jodler wie im Dudler. Denn worüber Erhältlich bei: ten ausgebildete Stimmen. Deshalb hat sich man nicht sprechen kann, das dudelt man. Preiser Records der Dudler anders entwickelt als der Jodler. Für mich ist das Dudeln emotionale Heimat. EUR 19,90 schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Haus der Regionen / 8 Kremser Kamingespräche DAS UNIVERSUM IM KLEINEN Namhafte Referenten diskutieren bei den Kremser Kamingesprächen über große Zusammenhänge und alltägliche Herausforderungen. Haslinger, Direktorin der Raiffeisen Hol- ding Wien, und Professor Alfred Winter, INFORMATION Salzburger Landesbeauftragter für kultu- ——————————————————— relle Sonderprojekte i. R. Im Mittelpunkt Kostbarkeiten stand dabei unter anderem das Wirken von Mi, 11. 11. 2015, 18.00 Uhr Leopold Kohr, einem österreichischen Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, wis- Nationalökonomen, Philosophen und Trä- senschaftliche Leiterin des Museumsdorfs ger des Alternativen Nobelpreises, der Niedersulz, und Univ.-Prof. Dr. Stefan autonome Kleinräumigkeit und ein Leben Karner, Leiter des wissenschaftlichen nach menschlichem Maß forderte. Fachbeirats des Hauses der Geschichte Das Universum im Kleinen ist die Niederösterreich Herausforderung, im täglichen Handeln das große Ganze mitzudenken. Sammeln – Deuten – Bewahren Wunschbilder Mi, 9. 12. 2015, 18.00 Uhr Am 11. November findet das dritte Krem- Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl, Institut ser Kamingespräch der Reihe „Das Univer- für Geschichtswissenschaften der Univer- Das Streben nach Monopolen, Alleinherr- sum im Kleinen“ statt. Dr. Veronika Plö- sität Innsbruck schaft und Machtkonzentration auf der ckinger-Walenta, wissenschaftliche Leiterin Univ.-Prof. Dr. Ernst Bruckmüller, Autor einen Seite und Autonomie sowie Wider- des Museumsdorfs Niedersulz, und Univ.- und Vorsitzender des Instituts für Öster- stand auf der anderen sind zwei Pole, zwi- Prof. Dr. Stefan Karner, Leiter des wissen- reichkunde schen denen ein nicht selten gewaltsamer schaftlichen Fachbeirats des Hauses der Edelsorten Interessenkonflikt ausgetragen wird. Im- Geschichte Niederösterreich, unterhalten Mi, 13. 1. 2016, 18.00 Uhr perien verschwanden von der Landkarte, sich über „Kostbarkeiten“, die in großen Mag. Dorli Muhr, Geschäftsführerin Weltkonzerne verloren ihre Vorherrschaft, Häusern ebenso zu entdecken sind wie in Wine and Partners Megasysteme brachen zusammen. Dem kleinen Museen. ÖkR Dipl.-HLFL-Ing. Josef Pleil, Auf- gegenüber bot nicht selten das Kleine und sichtsratsvorsitzender der NÖ Versiche- Überschaubare die Basis für Ideen und In Museen werden Objekte bewahrt, doku- rung, ehem. Präsident des Österreichi- Erfindungen zum Nutzen für die ganze mentiert, inventarisiert und konserviert, schen Weinbauverbands Welt. Die 19. Staffel der Kremser Kamin- und es wird lokale, regionale und nationale Eintritt frei, Anmeldung erbeten. gespräche beleuchtet verschiedene Aspekte Geschichte präsentiert. Österreich gilt als des „Universums im Kleinen“. vielseitiges Museumsland, und allein in Die Gespräche werden jeweils eine Woche Niederösterreich gibt es rund 700 Museen später um 21.00 Uhr auf Radio Nieder- Die Kremser Kamingespräche starteten „on und Sammlungen. Wie repräsentativ, um- österreich ausgestrahlt. tour“ im Haus Tostmann Trachten in Wien, fangreich oder spezialisiert kann oder soll Haus der Regionen – wo Anita Querfeld (Inhaberin des Café eine museale Sammlung sein? In welcher Volkskultur Europa Landtmann) und Dr. Alfred Noll (Rechts- Form soll Geschichte präsentiert werden? 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 anwalt und Publizist) über die Räume des Welchen Wert haben regionale Exponate Tel. 02732 85015 Lebens und deren zunehmende Kommer- im Austausch mit der Welt? / Anmeldung: zialisierung diskutierten. Unter dem Motto ticket@volkskultureuropa.org „Machtsphären“ sprachen Mag. Veronika Text: Miriam Molin Pradel www.volkskultureuropa.org schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Haus der Regionen / 9 Frankreich Begegnungsreich MUSIQUE STIMMUNG DE L’AUVERGNE BRAUCHT STIMME Eine französische Sommernacht – Umfragen der persönlichen Art, mitten im November. die wirklich etwas bringen. Seit langem ist Patrick Bouffard als Das Superwahljahr mit den Landtags- einer der herausragenden Musiker aus und Gemeinderatswahlen ist gelaufen. Patrick Bouffard Trio. Foto: z. V. g. dem Kreis traditioneller Musik der Es interessieren an dieser Stelle aber zentralfranzösischen Region Auvergne nicht die politischen Konstellationen, /Bourbonnais bekannt. Sein feuriges sondern die medial gepushten, hoch- Spiel auf der Drehleier wird im Trio komplexen Wählerumfragen. Bezeich- von Rémy Villeneuve an der Corne- nend das Statement eines Experten muse, der zentralfranzösischen Sack- anlässlich der letzten großen Wahl: pfeife, und Raphaël Maurel am diato- „Alle Daten für die Trendanalyse wur- nischen Akkordeon ergänzt. den mittels Calls und Recalls erhoben und mit tausenden weiteren Details ins Die Musik des Trios folgt dem überlie- EDV-System eingespeist.“ ferten Repertoire und wird mit einem solchen Feuer und derartiger Virtuosität gespielt, dass es schwer fällt, Eine Berufsbranche erlebte dann ihr Waterloo, denn das Endergebnis nicht zu tanzen. Mit Bourées, Schottischen, Polkas und Walzern ver- brachte verglichen mit den Prognosen, sogar die Schwankungsbreite ins breiten die Musiker das Flair einer heißen Sommernacht in der Wanken. Sind so manch verkorkste Umfragen, auch abseits der Politik, Auvergne. Die Instrumentalstücke werden durch berührende Lieder nicht eine völlige Überschätzung derer, die glauben, alles zu erforschen? mit der Sängerin Violaine Jourdren ergänzt. / Für das Persönliche braucht es keine digitalen Datenchecks, sondern Zeit, Muße und Freude für Umfragen der ganz persönlichen Art, die dann aber wirklich stimmen. Stellen wir in unserer nächsten Umge- bung ganz einfach die ehrliche Frage: „Wie geht es dir?“. Hier bedarf es keiner Methode, sondern des Willens, auf den anderen zuzugehen und KONZERT bei der meist schnellen Antwort „Gut“ dann ehrlich nachzufragen: ———————————————————————————————— „Warum geht es dir gut?“ Viele Menschen sind erstaunt, dass jemand Sa, 14. 11. 2015, 19.30 Uhr nicht gleich weiterläuft, sondern echtes Interesse zeigt, und da kann es schon vorkommen, dass aus einem „Es geht mir gut“ ein „Eigentlich Patrick Bouffard Trio geht es mir nicht gut“ wird. Karten Kat. I: VVK: EUR 18,00; AK: EUR 20,00 Dort, wo man das Leben trifft und das richtige Gespür mitbringt, ist ein Kat. II: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Einlassen auf das Denken, Wissen und Fühlen des anderen möglich. Wir haben die Wahl, unseren Nächsten jene ehrliche Stimmung zu Tipp: Genießen Sie vor dem Konzert ein dreigängiges Menü bieten, damit auch sie ihre Stimme erheben und sich nicht noch mehr im Restaurant BLAUENSTEIN inklusive Konzerteintritt um zurückziehen. Die Zahl der Stimmlosen wird aufgrund von Getrieben- insgesamt EUR 36,00. heit, Zeitdruck oder Angst immer größer. Das Miteinander braucht Haus der Regionen – Volkskultur Europa Platz und Raum für Umfragen, die Herz-Wert haben und Sinn geben. 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 PS: Sie wollen wissen, wie „der andere“ wirklich denkt? Fragen Sie! / ticket@volkskultureuropa.org Martin Lammerhuber www.volkskultureuropa.org martin.lammerhuber@kulturregionnoe.at schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Brauch / 10 Wallfahrt WEG UND ZIEL Wallfahrten in Niederösterreich: Große Heilige und Bräuche zu ihren Ehren. Die berühmteste Grablege ist aber jene des Landespatrons. Der Babenberger Leopold III. (geb. um 1075) regierte 1095 bis 1136 als Markgraf und heiratete 1106, in zweiter Ehe, die verwitwete Kaisertochter Agnes († 1143). Beide gründeten 1114 in Klosterneuburg ein Säkular-Kanonikerstift, das 1133 die regu- lierten Augustiner-Chorherren übernahmen. Diese schrieben eine Generation nach dem Tod des Stifters eine Chronik und begannen mit der Ausspeisung armer Leute an seinem Todestag. 1323 gab es ein Verzeichnis mit Gebetserhörungen an seinem Grab. Eine päpstliche Ablassurkunde von 1326 lässt auf häufige Wallfahrten schließen. 500 Wallfahrtsorte Heiliger Leonhard Ablasswesen, Reliquien- und Bilderkult waren Hauptkritikpunkte der Protestanten. Sie machten um 1570 in Niederösterreich 75 bis 80 Prozent der Bewohner aus. Dadurch Seit mehr als einem Jahrtausend bestehen in ehrung breitete sich rasch aus, nachdem kam das Wallfahrtswesen zum Erliegen. Niederösterreich Wallfahrtsorte. Die ersten Markgraf Heinrich I. anno 1014 die Gebeine Umso größeren Aufschwung erfuhr es im Pilger besuchten die Gräber des hl. Koloman in das Stift Melk hatte bringen lassen. Kolo- Zuge der Rekatholisierungsmaßnahmen der in Melk, des hl. Altmann in Göttweig und man war 1244 bis 1663 der Landespatron Gegenreformation. Die barocken Frömmig- des hl. Leopold in Klosterneuburg. Dies ent- Österreichs. keitsformen standen, gefördert durch das sprach ganz der Tradition, die seit dem Kaiserhaus, im Zeichen des bewussten Ein- 7. Jahrhundert überall im christlichen Europa Altmann (1015–1091) war Bischof von Pas- tretens für die katholische Kirche. Damals Wallfahrtsorte zu Reliquien entstehen ließ. sau. Im Konflikt zwischen Kirche und Staat entstanden die bedeutendsten niederöster Schon zuvor waren die Gräber heiligmäßig um die Rolle der weltlichen Herrscher bei der reichischen Wallfahrtsorte wie Maria Taferl, verehrter Personen Ziele hilfesuchender Amtseinsetzung von Bischöfen und Äbten Maria Dreieichen oder Mariahilfberg bei Gläubiger gewesen. unterstützte er Papst Gregor VII. bei der Gutenstein. Zusammen mit den wieder- Absetzung Kaiser Heinrichs IV. Als dieser belebten zählte das Bundesland damals rund Koloman, ein irischer Pilger, befand sich um wieder an die Macht kam, flüchtete Altmann 500 Wallfahrtsziele, zu denen ein- oder mehr- die Jahrtausendwende auf dem Weg ins Hei- in das 1070 von ihm gegründete Stift Gött- tägige Prozessionen führten, 2008 waren lige Land. Bei Stockerau wurde er 1012 wegen weig. Hier wirkte er trotz seiner Absetzung rund ein Zehntel davon aktiv. (Liste der Wall- seiner fremdländischen Kleidung als Spion durch den Kaiser bis zum Lebensende als fahrtstermine von Franz Groiß in: Denkmal- verdächtigt, gefoltert und gehängt. Seine Ver- Bischof. pflege in Niederösterreich, Band 38). schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Brauch / 11 Heiliger Leopold Heiliger Koloman Heiliger Leonhard Fiakerwallfahrt tel, ist dem hl. Leonhard geweiht. Hier gab es toren, Autos und deren Besitzer. Dann pre- noch in den 1980er Jahren einen Opfergang digte er auf einer improvisierten Kanzel im Den größten Wallfahrtszuzug verzeichneten mit Wachsvotiven. Univ.-Prof. Helmut Fiel- Freien der Menschenmenge. die Kirchen an den Gedenktagen der Heili- hauer hat dies 1969 in einem wissenschaft gen. Berühmt ist bis heute der „Leopolditag“, lichen Film dokumentiert. Er zeigt das Im Zuge der Josephinischen Reformen, die der 15. November, wo die Männer- und die Geschehen am 6. November und am folgen schon 1772 unter Maria Theresia begannen, Ministrantenwallfahrten zahlreiche Teilneh- den Sonntag. Am Leonharditag fanden sich wurden mehrtägige Wallfahrten und Bru mer nach Klosterneuburg führen. Einige mehrere Pilgergruppen ein. Der Pfarrer und derschaften verboten und Kirchen abgeris- Tage davor, am 6. November, steht der zwei Ministranten mit Fahnen begrüßten die sen, wie die beim Bründl von Schöngrabern hl. Leonhard im Kalender. Leonhard von Angekommenen. Bei der Kirche war ein errichtete Wallfahrtskirche. 1778 mit enor Limoges († 559/620), war ein fränkischer Tisch aufgebaut, an dem sie weiße, natur mem Aufwand fertiggestellt, musste sie schon Adeliger, der sich für das Einsiedlerleben farbene und rote Wachsvotive erwerben fünf Jahre später demoliert werden. Während entschied. Als Bauernheiliger erfreute er sich konnten. Die Pferde, Rinder, Schweine, Häu- der romantischen Bestrebungen im 19. Jahr- vor allem in Bayern und Österreich größter ser, menschlichen Figuren und Körperteile, hundert, zu deren Galionsfigur der spätere Popularität. Der „bayrische Herrgott“ gilt als wie Herzen oder Beine, waren dazu bestimmt, Wiener Landespatron Klemens Maria Hof- Löser feindlicher Ketten, wohl wegen des dass man sie am Altar ablegte. Nach einiger bauer wurde, kam auch das Wallfahrten wie- Gleichklangs seines Namens im Franzö- Zeit kamen Buben mit großen Schachteln, der zu Ehren. sischen (Lienard) mit lien (Fessel). Aus tür- holten die Votivgaben und brachten sie wie- kischer Gefangenschaft Gerettete opferten in der zum Verkaufstisch. Die Kirche besitzt Von Sport bis Selbsterfahrung den Leonhardskirchen ihre Ketten. Manche eine Leonhardsreliquie in einem Reliquiar, Gotteshäuser waren mit (Vieh-)Ketten das der Pfarrer den Gläubigen zum Kuss Eine völlig neue Qualität erreicht das Pilgern umspannt. Die Schmiede an der Eisenstraße reichte. Danach gingen sie hinter dem Hoch- im 20. und 21. Jahrhundert. Nun machen sich errichteten ihm Kapellen und Bildstöcke. Das altar in die Kirche zurück. Während sich am viele, vor allem jüngere Menschen wieder zu Patronat als Pferdeheiliger wurde mit Leon- eigentlich Festtag der Andrang in Grenzen Fuß auf den Weg. Ihre Motivation ist nicht hardiritten, Pferdesegnungen oder Reiter- hielt, war der folgende Leonhardisonntag ein nur religiöser Art. Persönliches Erleben – spielen began gen. Die Pfarrkirche in großes Ereignis. Die Pilger kamen mit Auto- Medi tation, Selbsterfahrung, Grenzen spü- St. Leonhard am Walde im Mostviertel heißt bussen und eigenen Autos, die Blasmusik ren –, Sport und Gemeinschaft gewinnen an „Fiakerkirche“, weil sie seit 1826 Ziel der spielte, mehrere Standl boten Spielzeug, Bedeutung. Touristische Initiativen kommen Wallfahrt der Wiener Fiaker ist. 1908 stifteten Devotionalien und heiße Würstel an. Für die diesem Trend entgegen. / sie sogar einen Altar, später fanden sich auch religiöse Handlung war an der Außenseite Taxifahrer als Pilger hier ein. der Kirche ein Altar samt Opferstock aufge- Text: Helga Maria Wolf stellt. Während die Besucher dort beteten Illustrationen: Magdalena Steiner Wachsvotive zu Leonhardi und ihre Votivgaben ablegten, kamen ständig die Buben mit den Schachteln, damit dem Die Pfarrkirche von Unterolberndorf, einer Verkäufer die Ware nicht ausging. Der Pfarrer Katastralgemeinde von Kreuttal im Weinvier- segnete in der Folge einige aufgestellte Trak- schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Industrieviertel / 12 ÜberLeben in der Region WOHLFÜHLFAKTOR WIRTSHAUS Wie in einem kleinen Ort das Weiterbestehen eines Gasthauses möglich ist, zeigt die Kräuterwirtin Gerda Stocker in der Buckligen Welt. Rauchverbot ab 2018 eine große Hürde für die heimischen Gastronomen darstellen. Weiters schildert Pulker, dass es Gegenden ohne Tourismus noch schwieriger hätten, diesem Strukturwandel standzuhalten. Wirtshaussterben: nicht in Lembach Dies alles dürfte aber nicht für Lembach und schon gar nicht bei Gerda Stocker gelten. Die Mutter eines Sohnes betreibt seit bald 20 Jahren das Gasthaus. „So einfach wie früher ist es nicht mehr, als die Leute noch Gesellschaft gesucht haben. Vor 30 Jahren war keine Werbung für das Gasthaus not- wendig – da früher die Mobilität einge- schränkter war, gehörte es zum Fixpro- Gerda Stocker beim Backofen im Gastgarten. gramm, ins Gasthaus zu gehen. Unsere Stammgäste kommen beispielsweise jeden Samstagvormittag zum Kartenspielen und Lembach, das ist ein lieblicher Ort, einge- boden sowie den alten Kommoden und die Kirchgeher jeden Sonntag ab halb zehn“, bettet in der traumhaft schönen Kulisse der Öfen. Gerda Stocker ist auch Liebhaberin so die Wirtin. Mittlerweile liege die Heraus- Buckligen Welt, dem „Land der tausend von altem Geschirr, wie etwa Goldrandtel- forderung in Lembach, im Vergleich zu Hügel“. Die Katastralgemeinde der Stadt lern und Tellern mit traditionellen Mustern. größeren Ortschaften oder Städten, darin, Kirchschlag wurde erstmals 1459 erwähnt dass Stocker die Gäste mit ihrer Spitzen- und damals noch „Lempach“ geschrieben. Jedoch die Zeiten ändern sich und somit küche anlocken müsse. Sie wurde schon des Heute zählt die kleine Ortschaft rund 350 auch die gastronomischen Herausforde- Öfteren gefragt, warum sie mit dem Gast- Einwohner. Mitten in Lembach befindet sich rungen. Immer öfter ist vom „Wirtshaus- haus nicht in eine Stadt umziehe. Für die das Gasthaus von Kräuterwirtin Gerda Sto- sterben“ die Rede, und auch aktuelle Statis- Gastronomin ist dies aber ein undenkbarer cker. Mit nur 24 Jahren übernahm die gebür- tiken der Wirtschaftskammer zeigen, dass in Schritt. Ihre Kraft holt sich die Kräuterwirtin tige Lembacherin 1996 das Gasthaus ihrer Niederösterreich die Zahl der Gasthäuser im Kreise der Familie, in der Natur, und Eltern. Als innovativer Gastronomin ist es merklich gesunken ist. Hinsichtlich dieser sogar beim Autofahren biete sich die Mög- Gerda Stocker ein großes Anliegen, ihr im Zahlen erklärt Mario Pulker, Obmann des lichkeit, Energie zu tanken, schildert sie Jahr 1932 erbautes, traditionelles Wirtshaus Fachverbandes der österreichischen Gastro- lächelnd. lebendig zu halten: angefangen von der Ein- nomen, dass der gesellschaftliche Wandel richtung, welche bisher nur geringfügig weg vom klassischen Wirtshaus hin ins eige- Im Wirtshaus bekommen die Gäste, passend geändert wurde, um den technischen Stan- ne Wohnzimmer, aber auch gesetzliche zu jeder Jahreszeit mit Wildkräutern und dards zu entsprechen, bis hin zum Dielen- Regelungen wie beispielsweise das generelle Wildfrüchten verfeinert, einen Schweinsbra- schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Industrieviertel / 13 ten mit Kraut und Knödel, genauso wie das klassische Wiener Schnitzel frisch zubereitet serviert. Ein mit Schmalz und Grammeln zubereiteter Sterz wird immer öfter von den Gästen bestellt. „Eine ehrliche und echte Küche verbindet Tradition mit der Jetztzeit am besten“, fügt die Gastwirtin hinzu. Schafgarbe, Gundelrebe und Dinkelgrießschmarrn Selbstverständlich ist das Gasthaus Stocker Mitglied bei der Aktion „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“. Für die Kräuterwirtin stehen die sanften Hügel der Buckligen Welt für das „sanfte“ Herstellen der Produkte. Eine verantwortungsvolle, artgerechte Tier- haltung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Biobauern aus der Umgebung beliefern das Die Kräuterwirtin in der Küche des 1932 erbauten Wirtshauses. Gasthaus mit selbstgemachten Ölen, behut- sam gepflückten Kräutern und mit Bio- Rindfleisch. Im Fokus stehen der bewusste Umgang mit der Natur und die Vorzüge der betreut neben ihrem Wirtshaus weitere Pro- Region. In ihrer Küche legt Gerda Stocker jekte, beispielsweise das „gesunde Schulbuf- AUSFLUGSTIPP einen großen Wert auf frische und saisonale fet“ am BORG Wiener Neustadt. „Es ist mir ——————————————————— Kräuter und Lebensmittel. Brennnesseln ste- ein Anliegen, jungen Leuten frischgekochtes hen ganz vorne auf der Liste, da sie guten regionales Essen anbieten zu können. Darauf Geschmack und reichlich Farbe geben. Auch lege ich besonderen Wert, und seit bald fünf die Schafgarbe aus der Pflanzengattung der Jahren läuft diese Aktion sehr erfolgreich. Korbblütler und ihr Lieblingskraut, die Mein Schulbuffet ist abgestimmt auf den Gundelrebe, auch Gundermann genannt, Schulzweig ,Sport‘ und die Notwendigkeit, aus der Familie der Lippenblütler, werden gerade bei jungen Sportlerinnen und Sport- oft für Süßspeisen verwendet. Auf die Frage, lern auf eine gesunde Ernährung zu achten“, welches Lieblingsrezept beziehungsweise so Stocker. welches Lieblingsessen Gerda Stocker selbst Foto: Wiener Alpen/Walter Strobl bevorzuge, antwortet sie schmunzelnd: Im Laufe der vergangenen Jahre etablierte „Dinkelgrießschmarrn mit Holler-Zwetsch- sich in Lembach der 8. Dezember zu Mariä ken-Koch“. Empfängnis als Feiertag für die Jagd. In Rom begeht der Papst den Feiertag mit einem an Vielseitiges Talent die Jungfrau Maria gerichteten Gebet an der Piazza di Spagna, während bei der Stocker- Gerda Stocker kam die Idee, eine eigens Wirtin in Lembach die Jägerschaft zu einem kreierte Limonade zu produzieren, um eine „Weidmannsdank“ prostet. / gesunde Alternative zu anderen zuckerhal- tigen Getränken zu bieten. Daraus entstand Text und Fotos: Theresia Draxler Promotion „Stocker’s Bucklige Welt Limo“ aus Wild- Paradies der Blicke kräutern und Wildfrüchten. Die Gastwirtin Einen herrlichen Rundblick über die möchte aber auch bei den Jugendlichen Hügellandschaft der Buckligen Welt wieder das Bewusstsein für gutes Essen INFORMATION genießt man am Feuerturm in Kirch- erwecken, weg von Pizza und Burger – hin ——————————————————— schlag in der Buckligen Welt. Die zum Wohlfühlfaktor im Wirtshaus. In die- Aussichtswarte ist Teil der Burgruine Gasthaus Stocker sem Zusammenhang veranstaltet sie in Kirchschlag und ein „Blickplatz“ entlang regelmäßigen Abständen Kochkurse, um auf Lembach 11, 2860 Kirchschlag in der des Wegs am Wiener Alpenbogen – Buckligen Welt des großen Wanderwegs durch das die Vielfalt der Natur und die Reize der regi- onalen und saisonalen Produkte aufmerk- Tel. 02646 2288 „Paradies der Blicke“! sam zu machen. Die Niederösterreicherin www.gasthaus-stocker.at www.wieneralpen.at/wanderweg schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Waldviertel / 14 Kirchenmusik KLOSTERKOMPONISTEN Die Wiederentdeckung unveröffentlichter Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts aus heimischen Stifts- und Pfarrarchiven. Georg Donberger (* 1709 Bruck a.d. Leitha, † 1768 Herzogenburg), für Göttweig Johann Georg Zechner (* 1716 Gleisdorf, † 1778 Krems-Stein), für St. Florian Franz Joseph Aumann (* 1728 Traismauer, † 1797 St. Flo- rian) oder für Stift Melk Franz Schneider (*1737 Pulkau, † 1812 Melk). Sie alle und noch viele weitere Komponisten dieser Epoche sind heute weitgehend der Verges- senheit anheimgefallen. Vielleicht auch weil das Dreigestirn der Wiener Klassik, Haydn, Mozart und Beethoven, alles über- strahlte, ist das Musikleben jener Zeit ins- gesamt noch vergleichsweise wenig er- for scht. Sowohl wissenschaftliche Ausga- ben als auch gedrucktes praktisches Auf- führungsmaterial dieser Klosterkompo- nisten sind bis heute nur ganz vereinzelt erhältlich. Von jeher fand ein reger Austausch an Musikalien – und damit auch an neuen Ideen, Entwicklungen und Stilelementen – zwischen den Klöstern statt. Und die Kom- ponisten kannten einander sehr gut. Dass in diesem Netzwerk eine fruchtbare wech- Wiederentdeckte Klosterkomponisten – Konzert in der Pfarrkirche Spitz am Samstag, dem 7. November. selseitige musikalische Beeinflussung statt- Foto: BSonne/WikiCommons fand, ist evident. „Lärmende“ Instrumente untersagt „Im Zeitalter Maria Theresias (1740–1780) des klassischen Stils der Epoche Haydns nahmen die österreichischen Ordensstifte und Mozarts bei.“1 Reizvoll ist daher, die Entwicklung der Kir- eine führende Stellung im öffentlichen chenmusik jener Epoche anhand ausge- Musikleben ein. In den Klöstern wirkten Die meisten heimischen Klöster hatten in wählter Kompositionen der genannten fähige Komponisten, von denen manche jener Zeit ihre „Hauskomponisten“, die sie Meister nachzuvollziehen: Der Tod des am kaiserlichen Hof in Wien ausgebildet mit Musik für den täglichen liturgischen k aiserlichen Hofkapellmeisters Johann wurden. Ihr reiches musikalisches Schaffen Gebrauch, aber auch mit Festmusiken zu Joseph Fux im Jahr 1741 markiert den fand weite Verbreitung und trug in besonderen Anlässen versorgten. Zu nen- Beginn des langsamen Übergangs vom aus- beträcht l ichem Maße zur Herausbildung nen wären hier etwa für Stift Herzogenburg gehenden Barock zur Wiener Klassik – der schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Waldviertel / 15 nicht zuletzt von (kirchen)politischen Ein- Chorstimmen aufgeteilt und gleichzeitig flüssen geprägt war. So regelte Papst Bene- „abgesungen“ wurden. Mitunter nahm das dikt XIV. 1749 in seiner Enzyklika „Annus durchaus kuriose Züge an, wie etwa eine qui“ die Kirchenmusik neu: Oberstes Ziel Gloria-Vertonung mit nur 17 Takten (!) des war die Verständlichkeit des liturgischen Melkers Franz Schneider zeigt, die dennoch Textes, zudem sollte Kirchenmusik nie den vollständigen Text (84 Worte) „unter- profan oder gar theatermäßig klingen. bringt“, unterlegt von gehetzten Läufen der Dementsprechend wurde die Verwendung Violinen. – Ein musikalischer Protest gegen „lärmender“ Instrumente wie Trompeten die neuen Vorschriften in Form einer Persi- und Pauken untersagt! In Wien, und noch flage? viel mehr in den Klöstern der „Provinz“, wurde diese Maßnahme aber erst um Jahre Schon 1790, nach dem plötzlichen Tod verspätet und nur halbherzig umgesetzt. Josephs II., kam es unter seinem Bruder Dennoch fand eine Säkularisierung der Leopold II. zu einer nachhaltig konserva- Kirchenmusik statt: Elemente der volks- tiven Wende: Viele Reformen seines Vor- tümlichen Tanzmusik flossen nach und gängers wurden zurückgenommen, und die nach ein, die Harmonik wurde einfacher, Lage im Bereich der Kirchenmusik ent- und ein oftmals heiterer Duktus löste zu- spannte sich deutlich. sehends den strengen Kontrapunkt ab. Zudem wurden nun auch Sinfonien und Forschung in Archiven und Pfarren Deckblatt der „Missa Sancta Catharina“ Instrumentalkonzerte im Gottesdienst von Georg Reutter – Musikarchiv Stift Göttweig. gespielt. Die beiden Spitzer Michael Koch und der Autor dieses Beitrags forschen seit Jahren Zeitalter der Aufklärung in Stiftsarchiven, Wallfahrtskirchen und Pfarren und haben dabei zahlreiche Schätze INFORMATION Einschneidende Veränderungen brachte dieser Epoche wieder ans Tageslicht ——————————————————— dann das antiklerikale Zeitalter der Aufklä- gebracht: Handschriftliche Abschriften und rung mit den Kirchenreformen Josephs II. Autographen zahlreicher Messen, Motet- Neben der Schließung von mehr als 700 ten, Offertorien und Instrumentalkompo Klöstern und vielen kirchlichen Einrich- sitionen wurden in aufwändiger Arbeit tungen stand die Reform der Liturgie im ediert und erstmals seit oft mehr als 200 Mittelpunkt – mit massiven Auswirkungen Jahren wieder aufgeführt, teilweise auch am auf die Kirchenmusik: So durfte nach dem Ort ihrer Uraufführung. Erfreuliche „Ne- Hofdekret vom 25. Februar 1783 nur mehr benprodukte“ der Recherchen waren u. a. an Sonn- und Feiertagen mit Orchester die Wiederentdeckung des alten Spitzer musiziert werden, und die Zahl der Prozes Kirchenmusikarchivs im bayerischen Klos- sionen und Andachten – ebenfalls meist ter Niederaltaich sowie zweier – mittlerwei- musi kalisch begleitet – wurde erheblich le restaurierter – barocker Kesselpauken im eingeschränkt. Von den Folgen berichtete Turm der Spitzer Pfarrkirche. Niederösterreichische Kirchenmusik der Melker Abt Anton Reyberger: „Stifts- im 18. Jahrhundert geistliche, Musiker und Musikfreunde wur- In zwei moderierten Konzerten Anfang den auf Pfarreien zerstreut, und das Musik- November wird nun die Entwicklung der Unveröffentlichtes aus heimischen Stiftsarchiven von Zechner, Donberger, fach im Stifte lag brach.“2 Weiters sollten niederösterreichischen Kirchenmusik im Albrechtsberger, Schneider, Reutter, deutschsprachige Kirchenlieder den Ritus 18. Jahrhundert hör- und erlebbar gemacht. Krottendorfer, Preindl, Weigl u. a. allgemein verständlich machen. Michael Gleichzeitig begeht der 1845 gegründete Haydns Deutsche Messe „Hier liegt vor Wachau-Chor Spitz damit sein 170-jähriges Sa, 7. 11. 2015, 18.00 Uhr, deiner Majestät“ ist das wohl bekannteste Bestandsjubiläum. / Pfarrkirche Spitz an der Donau Beispiel dafür, aber auch von F. J. Aumann So, 8. 11. 2015, 17.00 Uhr, ist eine „Missa Germanica“ (sic!) überlie- Text: Claus Hamberger Pfarrkirche Ottenschlag fert. Zudem entstand für die Komponisten 1 Hug, Raimund: „Georg Donberger und die Musik- Wachau-Chor Spitz & ein Zwang zur Kürze, der in sogenannten „Schachtelmessen“ seinen extremsten Aus- pflege im Augustiner-Chorherrenstift Unionchor Ottenschlag Herzogenburg“, Teil 1, Sinzig 2007 druck fand: Im Bestreben um höchstmög- 2 Trittinger, Adolf: „Die musikhistorische Bedeutung Cappella Wachovia liche Knappheit des Satzes wurden die des Stiftes Melk im österreichischen Musikschaf- Franz Haselböck, Orgel l angen Ordinariumstexte ineinanderge- fen“, 105. Jahresbericht des öffentlichen Stiftsgym- Claus Hamberger, Moderation schachtelt, indem Textpassagen auf die vier nasiums der Benediktiner zu Melk, 1963 Michael Koch, Dirigent schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Weinviertel / 16 Die Kellergasse lebt KELLERGASSE GOES KULTUR Die Kellergasse hat den Funktionswandel vom Produktionsplatz zur Kultureinrichtung längst vollzogen. Der Kellergassen-Kongress beschäftigt sich mit der Zukunft der Weinviertler Architekturjuwele. Kellergasse Hadres – immer mehr Adventveranstaltungen finden in den Kellergassen statt. Foto: Manfred Horvath Sonntagsausflug mit Familie im Jahr 2015: stift und einem GPS-tauglichen Handy, schloss möglicherweise schon einmal geän- Geocaching in der Öhlbergkellergasse in macht sich besagte Familie auf den Weg. Die dert. Nach ein bisschen Tüfteln, und mit Pillersdorf. Die Aufgabenstellung ist, die Kellergasse liegt ein ganzes Stück vom Dorf Hilfe eines erfahrenen Geocachers ist der Kellergasse zu durchwandern und zehn Pillersdorf entfernt, ein Hohlweg zwischen Schatz am Ende des Weges schnell gefun- Fotos, die Details von Presshäusern zeigen, den Weingärten. Jedes Presshaus wird genau den. Und die Familie hat ein kleines Juwel, in die richtige Reihenfolge zu bringen. Ein- inspiziert, die Beschläge der Türen werden abseits der selbst im Weinviertel schon getragen in einem Raster, bekommt man für untersucht, mit den Abbildungen verg- bestehenden Touristenpfade, entdeckt. jedes Bild eine Zahl, was wiederum die lichen. Die Fotos stammen schließlich aus Koordinaten des Caches ergibt. Ausgerüstet dem Jahr 2012, da hat sich die Farbe der Als Dorf ohne Rauchfang werden sie mit einem Ausdruck der Bilder, einem Blei- Türen, des Beschlages oder das Vorhänge- bezeichnet – die Kellergassen. Sie prägen die schaufenster / Kultur.Region / November 2015
Weinviertel / 17 Kellergasse, mit der Ausbildung geht eine vier Kellern auf. Aufgrund des Erfolgs wurde Bewusstseinsbildung einher, die auch bei dieses Modell eines Konzerts wieder der Erhaltung und Renovierung der Ensem- gewählt, zuletzt 2015 in der Jetzelsdorfer bles eine große Rolle spielt. 500 ausgebildete Kellertrift. Kellergassenführer gibt es mittlerweile, im Oktober dieses Jahres hat der 41. Lehrgang, Kellergassen-Kongress diesmal wieder im Pulkautal, begonnen. Im November laden die Kellergassenführer Ein Vorzeigeprojekt ist sicherlich die Keller- und die Agrar Plus zu einem Kellergassen- gasse in Raschala, in der auch der Presshaus- Kongress. „Wozu brauchen wir noch Keller- experte Helmut Leierer einen Keller besitzt, gassen?“ ist das Thema. Die Weichen für den er mit großem Fachwissen herrichtete. eine neue Nutzung der Kellergassen sind Die Besitzer der übrigen Keller schlossen längst gestellt, die Kellergasse als erhaltens- sich zum Verein Köllamauna zusammen wertes Kulturerbe ist in den Köpfen ange- und in einer beispielgebenden Gemein- kommen. Jetzt gilt es die Menschen auf den schaftsleistung konnten sie das Ensemble Schatz aufmerksam zu machen: auf den erhalten. Aber auch das Feiern kommt nicht besonderen Zauber der Kellergasse im Öhlbergkellergasse in Pillersdorf. Foto: z. V. g. zu kurz: Der Kirtag, der stimmungsvolle Herbst, auf das spannende und vielfältige Adventmarkt und die Pinkelsteinfeste (diese Kulturprogramm und last, but not least auf finden am Faschingssonntag statt, aber nur die wunderbaren Weine, die vielleicht noch zu den Schaltjahren) prägen schon seit Jahr- in einem der Keller gekeltert werden. / Landschaft des Weinviertels, die funktionale zehnten das Vereins- und Gesellschaftsleben Architektur fügt sich in Geländekanten und in Raschala. Text: Eva Zeindl Hohlwege ein. Die oben angeführte Keller- gasse liegt einen knappen Kilometer von Kultur in der Kellergasse Pillersdorf entfernt, umfasst 32 Keller mit Presshäusern und zehn Kellerkappeln. Um Auf eine viel kürzere Geschichte blickt die 1400 sollen schon die ersten Keller in den Sitzendorfer Kellergasse zurück. Der Name INFORMATION Lehm gegraben worden sein, im 18. Jahr- kann einen hier leicht in die Irre führen, ——————————————————— hundert erfolgte der Zubau der Presshäuser. denn die Kellergasse befindet sich am Rande Geocaching ist eine Art elektronische Die Blütezeit der Öhlbergkellergasse war von Hollabrunn, nur die Richtung der Gasse Schatzsuche oder Schnitzeljagd; zwischen 1900 und 1930, heute wirkt die weist auf das etwa 13 Kilometer entfernte die Verstecke werden anhand geogra- Kellergasse gerade zur Weinlesezeit etwas Sitzendorf an der Schmida hin. Der Verein fischer Koordinaten im Internet ver verwaist – nur mehr wenige Keller sind in zur Förderung der Sitzendorfer Kellergasse öffentlicht und können mit Hilfe von Betrieb, die meisten werden zur Repräsen- hat sich ebenfalls der Erhaltung, der Aufar- GPS gesucht werden. tation, zum Verkosten genutzt. Aber gerade beitung und Darstellung der Kellergasse und www.geocaching.com deshalb macht die Kellergasse einen aus- nicht zuletzt der Abhaltung von kulturellen gesprochen gepflegten Eindruck. und gastronomischen Veranstaltungen ver- Kellergassen-Kongress schrieben, wie es auf der Homepage des Do, 5. 11. 2015 Botschafter der Kellergasse Vereins dargestellt wird. Seit 2010 findet Reichensteinerhof Poysdorf hier mit großem Erfolg die Reihe „Kultur akadmie.agrarplus.at Die Pillersdorfer Öhlbergkellergasse steht und Kino im Keller“ statt. Der Obmann des wohl für viele dieser Art im Weinviertel. Aus Vereins kann nach sechs erfolgreichen Jah- wirtschaftlichen und hygienischen Gründen ren die Bilanz ziehen: „Die Kellergasse lebt. Kellergasse Sitzendorf (bei Hollabrunn) wurde die Weinproduktion längst in Hallen Das einmalige Ambiente ist in Verbindung Kellerkatzenweg mit riesigen Tanks verlagert. Dennoch wird mit anspruchsvoller Unterhaltung und der kulturhistorische Wert dieser Gassen gepflegter Kulinarik ein attraktiver Anzie- www.kellerkatzenweg.at erkannt. Schon seit 1999 bietet die Agrar hungspunkt für ein kulturinteressiertes Plus einen Lehrgang zur Ausbildung von Publikum.“ Advent in Raschala Kellergassenführern an. In sechs Modulen So, 29. 11. 2015, 10.00–19.00 Uhr werden dem Interessierten einerseits Ge- Die Musikschule Pulkautal hat schon anläss- Kunsthandwerk, Turmbläser „Ensemble schichte, Architektur, Weinbau, Kellerwirt- lich des ersten Tages der Musikschulen im Weinlandmusik Thern“, Christkindl- schaft und Degustation, andererseits aber Jahr 2011 die Kellergasse für sich entdeckt. -keller für die Kleinen und die größte auch Basics in Sachen Vermittlung und Tou- In der längsten geschlossenen Kellergasse Krippe im Weinviertel 2020 Raschala, Kellergasse Pinkelstein rismus nähergebracht. Die Kellergassenfüh- Europas, nämlich in Hadres, spielten die rerinnen und -führer sind Botschafter der Schüler zur Präsentation der Musikschule in www.pinkelstein.at schaufenster / Kultur.Region / November 2015
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