KURSBUCH MUSEALOG 2019 | 2020 - Dirk Heisig (Hg.)

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KURSBUCH MUSEALOG 2019 | 2020 - Dirk Heisig (Hg.)
M U S E A L O G

                          DI E M U S E U M SAK AD E M I E

KURSBUCH MUSEALOG
    2019 | 2020
      Dirk Heisig (Hg.)
KURSBUCH MUSEALOG 2019 | 2020 - Dirk Heisig (Hg.)
Fachreferent*in für
 Sammlungs­management
und Qualitäts­standards
               in Museen
Inhalt
                                                                                                                         4    MUSEALOG 2019 | 2020 – Vorwort | Dirk Heisig
                                                                                                                         8    Die Projekte
                                                                                                                         10   Verkauft und vergessen? Anthropologische Provenienzforschung am Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg | Marianne Kupetz
                                                                                                                         12   Von Francksen zu Freitag. Kleinplastik des 19. Jahrhunderts im Stadtmuseum Oldenburg | Nicky Heise
                                                                                                                         14   Krieg, Flut, Pest und Mäusefraß | Dr. Kristina Kuhn
                                                                                                                         16   Wandschmuck aus Papier und Leder. Die Papier- und Goldledertapetenfunde aus dem Fresenturm und einem Jeverschen Wohnhaus | Julia Jauch
                                                                                                                         18   Vom Wert der Freiheit. »Was nun? – Wat zou JIJ doen? Entscheidungen 1933 –1940 –1945–2020« | Margarete Zimmermann
                                                                                                                         20   »Salto Mortale« – Zirkuswelten in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts | Evelina Schäfer

                                                                                                                         22   Von Schiffen, Kästen und Buddeln | Anke Holtappels
                                                                                                                         24   Faszination Tracht. Die Sammlung Jennebach im Museumsdorf Cloppenburg | Julia Keßler & Elisabeth Momma
                                                                                                                         28   Das Kamerawerk Vredeborch. Ein Ausflug in die Geschichte der Fotokameraproduktion in Nordenham | Florentine Schmalhaus
                                                                                                                         30   Stadtgeschichte neu entdecken. Frauenrechtlerin Helene Lange im Stadtmuseum | Christian Elz
                                                                                                                         32   Moor than welcome. Emsländische Siedlungskultur im Dalumer Feld und Versenermoor nach 1945 | Lena Lewald
                                                                                                                         34   Plakate aus dem Nachlass der Diskothek »Charts« | Maxim Wegner
                                                                                                                         36   Post aus Emden! | Valentin Weiß

                                                                                                                         38   Biografien im Emsland | Heiner Kayser
                                                                                                                         40   Festtagskleidung im biografischen Rückblick. Eine private Kleidersammlung aus den Jahren 1960 bis 1990 | Imke Seidel
                                                                                                                         42   Die Sammlungen des Ostfriesischen Landesmuseums Emden im Spiegel ihrer zeitgenössischen Dokumentation | Elisabeth Burmeister
                                                                                                                         44   Vom Hümmling ins Moor | Delia Viola Kottmann
                                                                                                                         46   Besuchsforschung am Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg. Ein Werkzeug für Management, Marketing und Controlling | Volker J. Thiel
                                                                                                                         48   Die Teilnehmer*innen

Die Teilnehmer*innen an MUSEALOG 2019 | 2020, Zeichnungen: Elisabeth Burmeister, Lena Lewald und Florentine Schmalhaus   54   Die Museen
                                                                                                                         58   Die FACHSeminare & EDV-Schulungen
                                                                                                                         66   Die Dozent*innen
                                                                                                                         72   MUSEALOG | DIE MUSEUMSAKADEMIE
                                                                                                                         76   BILDNACHWEIS
                                                                                                                         77   IMPRESSUM
VORWORT
                        Am 2. Juni 2020 endete nach acht           den Arbeitsmarkt misst. Sechs Mona-          verdoppelt. Die Erhöhung der Stellen-       Professionalisierung der Museumsarbeit       agentur für Arbeit: Gute Bildung – gute
                        Monaten der dreißigste Kurs der Mu-        te nach Kursende liegt diese Quote im        ausschreibungen schlägt sich auch in        in einem steigenden Personalbedarf           Chancen. Der Arbeitsmarkt für Akademi-
                        seumsakademie MUSEALOG. Über 600           Durchschnitt bei über 70% und drei Jahre     der Beschäftigungsstatistik der Bun-        der Museen zeigt. Als Ergebnis dieser        kerinnen und Akademiker in Deutschland,
                        Wissenschaftler*innen haben seit 1997      später ist sie auf über 85% gestiegen.       desagentur für Arbeit nieder. Für den       Entwicklungen könnte auch an den             Nürnberg 2016). Im Ergebnis führt dies
                        an der beruflichen Weiterbildungsmaß-      Dieser Erfolg von MUSEALOG auf dem           Zeitraum von 2013 bis 2018 weist diese      Museen zukünftig ein Fachkräftemangel        dazu, dass diese trotz ihres hochqualifi-
                        nahme MUSEALOG teilgenommen. Von           Arbeitsmarkt korrespondiert sowohl           ein Wachstum der Beschäftigtenzahlen        auftreten, bei dem nicht mehr alle ausge-    zierten Studienabschlusses nicht immer
                        Beginn an richtet sich MUSEALOG an         mit dem kontinuierlichen Anstieg der         von Akademiker*innen im Museum um           schriebenen Stellen im Museum adäquat        eine studienadäquate Beschäftigung
          Dirk Heisig   Arbeit suchende Wissenschaftler*innen      Zahl der Stellenausschreibungen für          1566 Stellen aus, was einen Zuwachs von     besetzt werden können (hierzu: Dirk          aufnehmen. Ebenso stellt der erfolgreiche
                        mit dem Berufsziel Museum. Wäh-            Wissenschaftler*innen im Museum als          37,2 % bedeutet. Diese Zahlen machen        Heisig, Arbeitsmarkt im Wandel. Droht        (Wieder-)Einstieg in den Museumsberuf
                        rend MUSEALOG sich zu 100 Prozent          auch mit der Zunahme sozialversiche-         deutlich, dass die professionelle Muse-     ein Fachkräftemangel im Museum?,             nach Erziehungsphasen, nach Zeiten der
                        über die Kursgebühren finanziert und       rungspflichtiger Beschäftigungsverhält-      umsarbeit ein relevanter Arbeitsmarkt für   in: Museumsblätter – Mitteilungen des        Familienpflege, nach Erkrankung oder
                        selbst keine Förderung erhält, werden      nisse für Akademiker*innen in Museen.        Geisteswissenschaftler*innen ist.           Museumsverbands Brandenburg, Heft 36,        Arbeitslosigkeit für Fachkräfte eine große
                        die Kursteilnehmer*innen mit einem                                                                                                  Potsdam 2020).                               Herausforderung dar.
                        Bildungsgutschein der Bundesagentur für    Seit 2011 führt die Museumsakademie          Die Gründe für das Stellenwachstum
                        Arbeit und der lokalen Jobcenter geför-    MUSEALOG jährliche Arbeitsmarktana-          im Museumsbereich sind vielfältig.          Deshalb ist der Gewinn hochqualifi-          Hier bildet die Museumsakademie
                        dert, so dass für sie keine Teilnahmege-   lysen auf der Basis von Stellenausschrei-    Sie liegen zum einen an der als Folge       zierter Bewerber*innen und erfahrener        MUSEALOG mit der beruflichen Weiter-
                        bühren anfallen.                           bungen für Akademiker*innen durch. In        der Museumsneugründungen und der            Mitarbeiter*innen für die Museumsar-         bildungsmaßnahme »Fachreferent*in für
                                                                   diesem Zeitraum ist die Zahl der Stellen-    Überführung ehemals ehrenamtlich            beit derzeit eine wichtige Aufgabe. Der      Sammlungsmanagement und Qualitäts-
                        Ziel von MUSEALOG ist die Integration      ausschreibungen für Akademiker*innen         geführter Museen in die Hauptamtlich-       Übergang vom Studium in den Beruf ist        standards in Museen« seit vielen Jahren
                        der Teilnehmer*innen in den Arbeits-       im Museum von 592 Stellen im Jahr 2011       keit gestiegenen Zahl von professionellen   jedoch auch im Berufsfeld Museum nicht       eine erfolgreiche Brücke für hochqualifi-
                        markt durch passgenaue Qualifizierung.     auf 1160 Stellen im Jahr 2018 angestiegen.   Museen und dem damit gewachsenen            einfach. Oftmals fehlen berufsprakti-        zierte und Arbeit suchende Menschen in
                        Der Nachweis für den arbeitsmarktpo-       Innerhalb von nur acht Jahren hat sich da-   Bedarf an Mitarbeiter*innen. Zugleich ist   sche Kenntnisse und Erfahrungen der          den Arbeitsmarkt der Museen.
                        litischen Sinn und den nachhaltigen        mit die Zahl der Stellenausschreibungen      der wachsende Qualitätsanspruch an die      Bewerber*innen. Die Agentur für Arbeit
                        Erfolg von MUSEALOG ist die regelmäßig     für wissenschaftliche Volontär*innen,        Museumsarbeit mit einer immer weiteren      stellt fest, dass insbesondere Kultur- und   So haben sich auch die an diesem Kursbuch
                        erhobene Integrationsquote, die die        wissenschaftliche Mitarbeiter*innen          Ausdifferenzierung der beruflichen          Gesellschaftswissenschaftler*innen Prob-     beteiligten 19 Kulturwissenschaftler*innen
                        Eingliederung der Teilnehmer*innen in      und Leitungskräfte im Museum nahezu          Arbeitsfelder verbunden, so dass sich die   leme beim Berufseinstieg haben (Bundes-      in den vergangenen acht Monaten
                                                                                                                                                                                                         erfolgreich zu »Fachreferent*innen für

Vorwort                                                                                                                                                                                                                                           5
Stellenausschreibungen von Museen                                                                                                        Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse von Akademiker*innen im Museum
   Jahr         wiss. Volontariate              wiss. Mitarbeiter*innen                      Leitungen                   Gesamt              Jahr        Museumsberufe ohne           Museums- und Ausstellungs- Kunstsachverständige             Führungskräfte        Gesamt
   2011                 223                                285                                   84                        592                             Spezialisierung                     technik                                               Museum
   2012                 281                                299                                   77                         657             2013                  1.466                             1.858                             72                 815              4.211
   2013                 262                                307                                   70                        639              2014                  1.586                             2.003                             78                830              4.497
   2014                 277                                 351                                  79                         707             2015                  1.697                             2.150                             95                853              4.795
   2015                284                                 420                                   78                         782             2016                  1.837                             2.214                             108               876              5.035
   2016                 322                                533                                  106                         961             2017                  1.967                             2.309                             125                881             5.282
   2017                 365                                 575                                 108                        1048             2018                  2.381                             2.377                             127               892               5.777
   2018                 376                                689                                   95                        1166          Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigte nach Berufen (KldB 2010), Nürnberg, 09/2019

Quelle: Arbeitsmarkt- und Bildungsbedarfsanalysen MUSEALOG 2011 bis 2018

Sammlungsmanagement und Qualitäts-               Tagesstätten stellten die Kinderbetreu-     keiten zu einzelnen Sammlungen und          Vermittlung der Inhalte in den Web-Semi-           umsobjekten als auch im Erfahrungsaus-          treffen mit den Teilnehmer*innen des
standards in Museen« weitergebildet.             ung ein und MUSEALOG beendete den           Ausstellungen rückten in den Mittelpunkt    naren. Auch wenn die Digitalisierung des           tausch mit den Museumskolleg*innen              Kurses ohne Distanzregeln.
Sie starteten den Kurs am 30. Sep-               Präsenzunterricht. Von einem Tag auf        der Museumspraxis. Gemeinsame Be-           Unterrichts uns die Chance eröffnet hat,           und Museumsbesucher*innen wurde von
tember 2019 und kamen, gefördert von             den anderen organisierten MUSEALOG-         sprechungen und persönliche Unterstüt-      MUSEALOG 2019 | 2020 trotz der Pande-              allen schmerzlich vermisst.                     Ich wünsche den Absolvent*innen alles
ihren jeweiligen Arbeitsagenturen und            Teilnehmer*innen die Betreuung ihrer        zung fanden nun per Telefon, E-Mail oder    mie ohne Unterbrechung weiter durchzu-                                                             Gute für Ihre Zukunft und hoffe, dass
Jobcentern, aus elf Bundesländern in den         Kinder neu und MUSEALOG stellte den         Videokonferenz statt. All dies bildet den   führen, wurden gleichzeitig die Grenzen            Mein Dank gilt unseren Teilnehmer*innen,        MUSEALOG sie bei der Erreichung ihrer
Nordwesten Deutschlands, um sich hier            Unterricht kurzfristig auf Homeoffice und   Hintergrund der Projektdarstellungen in     einer virtualisierten Lehre deutlich. Die          Dozent*innen und Betreuer*innen, die            beruflichen Ziele ein wesentliches Stück
in den gemeinsamen Fachseminaren und             Web-Seminare um.                            diesem Kursbuch.                            unter den Bedingungen des Coronavi-                sich alle ganz schnell auf das Experiment       weiterbringen konnte. Ich bin gespannt,
EDV-Schulungen in Oldenburg theoretisch                                                                                                  rus notwendige Distanzierung ging mit              mit der für uns neuen Unterrichtsform           welche beruflichen Wege sie nach
und an den 10 beteiligten Museen prak-  Die Umgestaltung des praktischen Un-                 Die technische Umstellung der Gruppen-      einem Verlust sozialer Nähe einher, der            eingelassen haben. Dank ihres hohen Ein-        MUSEALOG einschlagen werden.
tisch weiterzubilden.                   terrichts in den Museen auf Homeoffice               seminare auf Internet-basierte Web-Se-      durch Videokonferenzen, Web-Seminare,              satzes und Engagements konnten wir
                                        bzw. Homeschooling veränderte zugleich               minare gelang sehr schnell dank der Lap-    E-Mail und Telefon nicht kompensiert               trotz des dreimonatigen Verzichts auf
Fünf Monate nach Kursstart kam es Mitte auch die praktischen Aufgabenstellungen              tops, die den Teilnehmer*innen bereits      werden konnte. So wurde uns der hohe               weitere gemeinsame Veranstaltungen
März 2020 im Zuge der Coronavirus-Pan- in den Projekten. Die direkte Arbeit mit              seit Kursstart leihweise zur Verfügung      Wert des gemeinsamen Lernens mit-                  MUSEALOG 2019 | 2020 zu einem erfolg-
demie zu einem Shutdown weiter Teile    den Museumsobjekten wurde abgelöst                   standen. Die viel größere Herausforde-      und voneinander in den Fachseminaren               reichen Abschluss führen. Jetzt freuen wir
des öffentlichen Lebens in Deutschland. von wissenschaftlicher Recherche und                 rung für alle Beteiligten waren hingegen    und EDV-Schulungen deutlich, und das               uns auf ein hoffentlich baldiges Nach-
Museen schlossen ihre Ausstellungen,    Forschungsarbeit; konzeptionelle Tätig-              die neue Kommunikationsform und die         praktische Lernen sowohl mit den Muse-

Vorwort                                                                                                                                                                                                                                                                                7
Die Teilnehmer*innen an MUSEALOG 2019 | 2020 stellen im
Folgenden die Projekte vor, die sie an den Museen entwickelt und
durchgeführt haben.                                                DIE PROJEKTE
Verkauft und vergessen?
Anthropologische Provenienzforschung zu den
kolonialzeitlichen Menschenschädeln am Landesmuseum
Natur und Mensch Oldenburg

Am Landesmuseum Natur und Mensch            Da weltweit Museen etwa seit den 1970er       nachvollziehen und zum anderen die An-
Oldenburg befinden sich umfangrei-          Jahren Anfragen von Nachfahren der            kaufs- bzw. Auffinderegionen rekonstru-
che Objektbestände aus Archäologie,         Herkunftsgesellschaften zum Bestand           ieren zu können. Dabei wurden von mir
Ethnologie und Naturkunde, die teilwei-     von menschlichen Überresten mit der           19 Schädel aus der Museumssammlung
se auf die Großherzogliche Sammlung         Forderung um Rückgabe (Repatriie-             identifiziert sowie nach standardisierten,
Paul Friedrich Augusts aus dem frühen       rung) ihrer Ahnen erhalten, steht die         anthropologischen Methoden untersucht
19. Jahrhundert zurückgehen. Durch das      Aufarbeitung dieser sensiblen Bestände        und umfassend dokumentiert. Letzte-
damalige spartenübergreifende Sammeln       zunehmend im Fokus vieler Institutionen.      res soll dem Projekt und vor allem dem
und Erwerben von »Naturalia und Curio-      Im Projekt »Provenienzforschung zur           Museum eine datenbasierte Hilfestellung
sitäten« findet man dort eine Fülle von     anthropologischen Schädelsammlung             für das pro-aktive Zugehen auf die Her-
sogenannten »sensiblen Objekten«. Zu        im Landesmuseum Natur und Mensch              kunftsgesellschaften liefern.
diesen Objekten zählen auch die mehr als    Oldenburg«, welches insgesamt auf zwei
30 in den Archivunterlagen verzeichneten    Jahre angelegt ist, war es meine Aufgabe,     Die (noch nicht vollständig abgeschlosse-
Menschenschädel außereuropäischer           durch morphologische und metrische            nen) Untersuchungen deuten bereits jetzt
Herkunft, welche insbesondere in der Zeit   Analysen Aufschlüsse über das Todesal-        darauf hin, dass nicht bei allen Individuen   Gipsabguss eines Schädels aus der Sammlung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg
des Kolonialismus im 19. und frühen         ter, das biologische Geschlecht, intravital   vermerkte Herkunftsangaben mit
20. Jahrhundert aus verschiedenen über-     erlittene Erkrankungen und vor allem die      anthropologischen Ergebnissen überein-
seeischen Gebieten wie Afrika, Australien   biogeografische Provenienz der Schädel        stimmen und somit noch Forschungs-
und Ozeanien unter oftmals ungeklärten      zu erhalten. Anhand dieser Daten sollen       bedarf besteht, welcher zukünftig zu
Umständen nach Deutschland und im           die in den schriftlichen Überlieferungen      weiteren Drittmittelanträgen führen soll.
Zuge dessen auch ans Landesmuseum           enthaltenen Hinweise auf Herkunft,
gelangt sind.                               Händler oder Geber der Schädel überprüft
                                            und, wenn nötig, korrigiert werden, um
                                            zum einen die individuellen Handelswege

                                                                                          Marianne Kupetz
                                                                                                                                        Auszug aus dem Inventarbuch des Museums, Kladde »Scelette und        Anthropologisches Messwerkzeug für die morphometrische
                                                                                                                                        Menschenschädel« von 1894                                            Dokumentation der Schädel

Die Projekte                                                                                                                                                                                                                                                          11
Von Francksen zu Freitag
                                                                                              Kleinplastik des 19. Jahrhunderts im Stadtmuseum Oldenburg

                                                                                              Der Stifter des Oldenburger Stadtmu-         Museumsinszenierung. Im Nachlass           bert Freitag (1913–2002) erweitert. Zur
                                                                                              seums, Theodor Francksen (1875–1914),        erhaltene Fotografien zeigen, dass der     Sammlerpersönlichkeit Freitag, zuletzt in
                                                                                              war ein Kunstsammler und Mäzen mit           Sammler seine Kleinfiguren zeittypisch     Bremen lebend, ließ sich nur sehr wenig
                                                                                              Blick auf die Historie der Stadt, ihrer      auf dem Schreibtisch oder Kamin im         herausfinden. Neben einer Vielzahl hier
                                                                                              Umgebung und weit darüber hinaus: Er         Arbeitszimmer aufstellte und mittlere      ungenannter Objekte überließ er dem
                                                                                              sammelte antike Vasen, Terrakotten,          Formate autonom, zentriert und auf         Haus mehrere Bildwerke, wovon seither
                                                                                              Kleinfiguren, Asiatika, japanische Farb-     einer Säule exponiert im Galerietrakt      etwa 15 Salon- und Schreibtischbronzen
                                                                                              holzschnitte des 18. und 19. Jahrhunderts,   zwischen den beiden Villen präsentierte.   von Künstlern wie Barye, Daumiller, Gaul,
                                                                                              europäische Grafiken des 16. bis 20. Jahr-   Mittels der von ihm gesammelten Kunst-     Kaesbach, Klinger, Liebermann, Seifert,
                                                                                              hunderts und Oldenburgensien wie Ge-         und Museumsliteratur, Kunstperiodika,      von Stuck, Thiele, Tuaillon und Zügel in
                                                                                              mälde und Kunstgewerb- und -handwerk-        Reiseführer, Kunstpostkarten, fotografi-   der Dauerausstellung zu betrachten sind.
                                                                                              liches aus dem 17. bis zum beginnenden       schen Sondereditionen und auf mehreren     Diese Arbeiten profitieren von ihrer Auf-
                                                                                              20. Jahrhundert. Diese Objekte stellen       ausgedehnten Italienreisen mit Stationen   stellung in Francksens Jugendstil-Arbeits-
                                                                                              die Ursprungssammlung dar; sie sind          in Frankreich und der Schweiz studierte    zimmer und in der die Villen verbinden-
                                                                                              seit 1910 Teil wiederholt umgearbeiteter     Francksen auch die Kunstgeschichte der     den Galerie mit hohen Seitenlichtfenstern
                                                                                              Inszenierungen in den Epochenräumen          Bildhauerei von der Antike bis in seine    und Oberlichtern.
                                                                                              der Dauerausstellung der benachbarten        Zeit hinein.
                                                                                              Francksen- und Jürgens’schen-Villen und                                                 Ziel meines MUSEALOG-Projektes war
                                                                                              bilden den Lebensstil und Geschmack des      Die tradierte Salon- und Schreibtisch-     die Inventarisierung und museologische
                                                                                              Museumsgründers als Sammler der Zeit         bronze des 19. Jahrhunderts nahm für den   Katalogisierung der Kleinplastiken an-
                                                                                              um 1900 ab.                                  Sammler keinen größeren Stellenwert        hand Teilen des Nachlasses zu Francksen,
                                                                                                                                           ein, obwohl sie sich bestens, ganz dem     anderer historischer Dokumente und der
                                                                                              Francksen trug, verglichen mit seinen        gängigen Zeitgeschmack entsprechend,       Fachliteratur. Auf diesen Ergebnissen
                                                                                              Hauptsammelgebieten, nicht ausgefallen       in das Ensemble der historistischen Ge-    basierend entstand ein Aufsatz, in dem
                                                                                              viel Kleinplastik aus dem 19. Jahrhundert    samtinszenierung einer repräsentativen     die Sammlerpersönlichkeiten Francksen
               »Nicht das Schönste auf der Welt soll dir am meisten gefallen; sondern,
                                                                                              zusammen. Nur wenige zeitgenössi-            großbürgerlichen Wohn- und Wirkungs-       und Freitag, die Kleinplastiken und die
               was dir wohlgefällt, sei dir das Schönste von allen.« Diesen Sinnspruch des
               Dichters Friedrich Rückert hielt Francksen in einem Notizbuch für sich fest.   sche Antikenkopien in Gips und Carrarit,     stätte hätte integrieren lassen.           aktuelle Aufstellungssituation der Bild-
                                                                                              Porzellanfiguren und Bronzefigurinen,                                                   hauerwerke im Stadtmuseum Oldenburg
                                                                                              darunter zwei Arbeiten von Peterich,         2004/05 wurde die Sammlung durch           thematisiert werden.
                                                                                              wurden Bestandteil seiner historistischen    eine passgenaue Schenkung von Her-
                                                                                                                                                                                      Nicky Heise

Die Projekte                                                                                                                                                                                                                  13
Krieg, Flut, Pest und
               Mäusefraß
               Wie lassen sich abstrakte dynastische        setzesverordnungen. Denn die damalige        für den Viehhandel waren Gesundheits-
               Entwicklungen längst vergangener             Obrigkeit reagierte mit ebenso präzisen      pässe mit genauester Beschreibung
               Zeiten lokal verorten? Gelingt es, abseits   Vorschriften wie rigiden Maßnahmen,          der Tiere von nun an obligatorisch. Wie
               von epochalen Ereignissen wie den            etwa auf regelmäßig wiederkehrende           mag so ein Rinder-Pass ausgesehen
               Nordischen Kriegen einen Zugang zur          Pestausbrüche zwischen den Menschen.         haben? Die Suche nach anschaulichen
               Alltagsrealität zu finden? Wie entsteht      Ebenso rigoros suchte sie Untertanen und     wie exemplarischen Zeugnissen setzte
               ein Gespür für die Sorgen und Nöte der       Steuerkasse vor Seuchen zu schützen, die     ich im Landesarchiv Oldenburg fort: Hier
               zeitgenössischen Bevölkerung: zwischen       unter dem Rindvieh grassierten.              sichtete ich Archivalien, dokumentierte
               Jade und Weser, in der Wesermarsch?                                                       sie fotografisch, fertigte Transkripte an
               Diese Aufgaben stellte mir die Konzepti-     Im Archiv entdeckte ich mein Lieblings-      und leitete Leihgaben in die Wege. Dazu
               on der Sonderausstellung »Die Dänenzeit      stück, ein handgeschriebenes Büchlein        gehören auch wunderschöne handkolo-
               in Butjadingen 1667–1776« am Museum          aus dem späten 18. Jahrhundert. Darin        rierte Karten zu Deichbaumaßnahmen
               Nordenham. Im Grobkonzept kristallisier-     verzeichnet ein schriftkundiger Landwirt     aus dem frühen 18. Jahrhundert.
               ten sich rasch einige Kernthemen heraus      Rezepte für Arzneien gegen die Viehseu-
               wie die Weihnachts- und Neujahrsflut         che – daneben ein auf den ersten Blick       Ähnlich ging ich im Museum vor: sichtete
               (1717 und 1720/21), die verheerende          recht unscheinbarer, vergilbter, mehrmals    Spezialliteratur, erstellte Objektlisten,
               Folgen für die gesamte Region nach sich      gefalteter und stark brüchiger Notizzettel   inszenierte das Nebeneinander poten-
               zogen. Aber wie werden diese Ereignisse      etwa in Größe des heutigen DIN A 4-For-      tieller Ausstellungsstücke in fotografi-
               plastisch, wie »dokumentiert« man sie        mats. Ein unbekannter Schreiber notiert      scher Zusammenschau und formulierte
               für eine Ausstellung?                        darauf die einschneidendsten Ereignisse      Ausstellungstexte für den allgemeinen
                                                            der vergangenen tausend Jahre: Neben         Überblick und zu den erarbeiteten Ein-
               Meine Recherchen nach geeigneten Quel-       Einträgen zu Kometensichtungen und           zelthemen. Diese Bausteine fügen sich
               len, Dokumenten wie Ausstellungsobjek-       ruhmreichen Herrschern wird besonders        zu Tafelhängungen, die die Ausstellung
               ten erschlossen das Inventar des eigenen     über zwei Begebenheiten kontinuierlich       strukturieren.
               Hauses. Ausgehend von der Museums-           Buch geführt, die das Überleben in der
               datenbank FirstRumos und zahlreichen         agrarischen Region existentiell bedrohen:    Neben meiner Projektarbeit habe ich zu-
               Findbüchern führten sie in das Archiv        Viehseuchen und Mäusefraß.                   sammen mit meiner Kollegin Florentine
               des Rüstringer Heimatbundes und in die                                                    Schmalhaus museumspädagogische Pro-
               Magazine. Als erstaunlich tagesaktuelle    Bei Seuchen unter Menschen und Tieren          gramme mit Schulklassen durchgeführt,
               Quelle für substantielle Einschnitte ent-  verordnete die Regierung Quarantäne-           zwei Sonderausstellungen abgebaut und
               puppte sich ein Original der dänischen Ge- maßnahmen für den weit reichenden              Objekttexte vorbereitet.
                                                          Schiffsverkehr auf Jade und Weser. Selbst
                                                                                                         Dr. Kristina Kuhn

Die Projekte                                                                                                                                     15
Wandschmuck aus
Papier und Leder
Die Papier- und Goldledertapetenfunde aus dem
Fresenturm und einem jeverschen Wohnhaus
Der Drang, die Wände zu verzieren,          Hälfte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des   Objektes in der Ahnengalerie des Schlos-
ist fast so alt wie die Menschheit. Ob      20. Jahrhunderts ermöglicht.                ses, in Vitrinen ausgestellt. Bei meinem
Wandmalereien oder Wandbekleidungen                                                     abendlichen Vortrag: »Wandlust - ein
aus bemaltem Leder, Samt oder Seide         Im Rahmen meines MUSEALOG-Pro-              Spaziergang durch die Tapetenfunde
- Tapeten und ihre Vorfahren begleiten      jektes habe ich die Tapetenfunde des        des Schlosses Jever« brachte ich inter-
die Menschen durch alle Zeiten und          Schlosses mit feinen Pinseln gereinigt      essierten Zuhörern die Geschichte der
Regionen. Auf dem Weg von den ersten        und sie von Insektenbefall befreit. Die     Tapetenfunde näher. In der Museumspä-
Höhlenzeichnungen bis zur Wohnraum-         Papiertapeten des Schlosses konnten         dagogik konnte ich bei der Ausarbeitung
gestaltung hat die Tapete eine ganz         überwiegend dem Biedermeier und dem         eines Museumsbegleitheftes zum Thema
eigene Kultur entwickelt.                   Style Empire zugeordnet werden und          Wand für Familien mitwirken. Mit der
                                            stammen vermutlich aus dem Elsass. Bei      Homepageüberarbeitung des Schloss-
Wenn Tapeten aus der Mode waren,            den Goldledertapetenfragmenten handelt      museums und weiteren Projekten wurde
überklebte man sie achtlos, kratzte sie     es sich um Randstücke aus der nieder-       ich zusätzlich betraut.
von den Wänden oder warf sie einfach        ländischen Werkstatt des Carolus Jacobs
weg. Im »Fresenturm« des Schlosses          in Mechelen (1693 – 1728), welche zu den    Ziel meiner Arbeiten war es, die histo-
Jever wurden bei Restaurierungsarbeiten     Tapeten der Beletage des Schlosses gehö-    rische und mannigfaltige Tapetenkunst
unter Dielen Reste von wertvollen Papier-   ren sowie um einen bislang unbekannten      in der Wohnkultur Jevers interessierten
und Goldledertapeten gefunden. Auch         Fragmentfund, der noch nicht zugeordnet     Besuchern und Berufsgruppen nahezu-
in einem Jeverschen Wohnhaus an der         werden konnnte.                             bringen und Anregungen zu geben, über
Schlachte, dem früheren Hafen der Stadt,                                                die schmuckvolle Gestaltung der Wände
fand man eine alte Tapetentür, welche       Als Abschluss dieses Projektes wurden       nachzudenken.
eine »Zeitreise« durch den Tapetenge-       die Tapetenfragmente mit Kurztexten
schmack der Bewohner aus der zweiten        und der Beschreibung des jeweiligen         Julia Jauch

Die Projekte                                                                                                                       17
Vom Wert der Freiheit
               »Was nun? – Wat zou JIJ doen? Entscheidungen 1933–1940–1945–2020«

               Die grenzüberschreitende Ausstellung         die Bedeutung und den Wert von Freiheit.     die Finanzen als auch die Zeitplanung im
               »Was nun? – Wat zou JIJ doen? Entschei-      Wichtige Meilensteine der Ausstellung        Auge zu behalten und darüber Nachweis
               dungen 1933–1940–1945–2020« richtet          sind die Jahre 1933 (Machtübertragung),      zu führen.
               75 Jahre nach dem Kriegsende ein beson-      1940 (Überfall auf die Niederlande und
               deres Augenmerk auf die Geschichten          anschließende Besatzung), 1945 (Kriegs-  Interviews mit Zeitzeugen, Expert*innen
               von Menschen und die Entscheidungen,         ende) und 2020 (Herausforderungen an     und einer Schüler*innengruppe wurden
               die sie getroffen hatten. Die Sonderaus-     die Demokratie).                         geführt und mithilfe der Ehrenamtlichen
               stellung am Emslandmuseum Lingen                                                      beider Museen in Video- und Audio-
               wurde in Kooperation mit dem Museum          In meinem Aufgabenbereich lagen sowohl stationen integriert. Die umfangreiche
               Collectie Brands in Nieuw-Dordrecht (NL)     die inhaltliche Konzeption als auch die  Sammlung des Emslandmuseums Lingen
               konzipiert und ist bis zum Jahresende        Auswahl der Exponate und die Erstellung konnte ich durch Kontaktaufnahme zu
               2020 in den Niederlanden und ab Anfang       der Objekt- und Begleittafeln. Während   Archiven und Privatpersonen für die Dau-
               2021 in Lingen zu sehen. Das zentrale        der Konzeptphase habe ich mehrere Vor-   er der Sonderausstellung durch einzigarti-
               Thema lautet »Entscheidungen«, und es        schläge sowohl von Hand als auch digital ge Exponate zur Geschichte des Wider-
               geht darum, welche Handlungsspielräu-        erstellt und der Museumsleitung sowie    standes während der NS-Zeit erweitern.
               me Menschen in den Jahren der national-      unseren Partner*innen zur Entscheidung
               sozialistischen Herrschaft zwischen 1933     vorgelegt. Da die Ausstellung durchgän-  Neben der Sonderausstellung habe
               bis 1945 hatten. Die Ausstellung bricht      gig zweisprachig, deutsch und nieder-    ich ein Outreach-Projekt initialisiert,
               die starre Dichotomie von Kollaboration      ländisch, konzipiert wurde, mussten      durchgeführt und evaluiert, dessen Ziel
               und Widerstand auf und zeigt anhand          die Inhalte stark komprimiert werden.    die Einbindung der Besucher*innen in
               einzelner Schicksale die Vielfalt auf: von   Der biografische Zugang erforderte viel  die Neugestaltung der Dauerausstellung
               begeisterter Annahme über Arrangement        Fingerspitzengefühl, um unterschiedliche nach der Umbauphase des Museums 2021
               und punktueller Unzufriedenheit bis zum      Akteur*innen authentisch zum Sprechen war.
               Widerstand. Die Geschichten vermitteln       zu bringen. Da das Projekt von mehreren
               Perspektiven für die Zukunft und zeigten     Seiten kofinanziert wurde, galt es, sowohl
                                                                                                         Margarete Zimmermann

Die Projekte                                                                                                                                   19
SALTO MORTALE
Zirkuswelten in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts
Zirkus ist ein Begriff, den Menschen        erstmals seit dem Mauerfall in einem         Rahmeninventur und der Rahmung von
jeglichen Alters kennen und etwas           westlichen Bundesland gezeigt und ist        Grafiken, war ich vor Ort aktiv an der
damit zu verbinden wissen. Er ist eine      damit eine Besonderheit. Dabei war es        Koordination, dem Ausstellungsaufbau
prägnante Bezeichnung für eine Welt,        Teil des Ausstellungskonzeptes, keine        und der thematischen Hängung beteiligt,
in der scheinbar nichts unmöglich ist.      Unterscheidung der Künster*innen nach        ebenso am Schreiben und Herstellen von
Gravitationsgesetze werden aufgehoben,      Ost- und West-Zugehörigkeit vorzuneh-        Ausstellungstexten. Zudem habe ich
körperliche Limitationen aufgelöst und      men. Denn es waren keine Unterschiede        den Projektbereich der aktiven Statio-
menschliche Kräfte wachsen in naturtrot-    zu sehen, die die jeweilige Herkunft         nen übernommen, inhaltlich passende
zenden Ausmaßen. Seit Jahrhunderten         erkennen ließen. Stattdessen wurde eine      Bücher für die kleine Bibliothek sowie
sind Künstler von dieser Welt und ihrer     thematische Sortierung vorgenommen,          die Requisite für die Selfie-Ecke recher-
nahezu endlosen Vielfalt fasziniert.        einer Zirkusaufführung gleich, die ver-      chiert und zusammengestellt. Im Fokus
                                            schiedene inhaltliche und gestalterische     stand hierbei die Vielfalt in Bezug auf die
Auch das Ostfriesische Landesmuseum         Positionen nebeneinander präsentierte        Besuchergruppen. Kinder wie Erwachsene
Emden wandte sich dem fesselnden The-       und verdeutlichte. Komplettiert wurde die    sollten sich, angeregt durch die Aus-
ma des Zirkus zu, in einer Sonderausstel-   Ausstellung durch zwei aktive Stationen,     stellung, weitergehend mit dem Thema
lung mit Kunstwerken des Privatsamm-        eine kleine Bibliothek mit Zirkusliteratur   beschäftigen können. Schließlich folgte
lers Wolfgang Finkbein. »Salto Mortale«     und eine Selfie-Ecke mit diversen Requi-     mit der Beendigung der Ausstellung der
zeigte über 150 Arbeiten von mehr als       siten zum Kostümieren.                       Abbau, an dem ich ebenfalls mitarbei-
90 Künster*innen und damit eine große                                                    tete. Dies umfasste das Ausrahmen, die
Vielfalt an atmosphärischen, absur-         Gleich zu Beginn meiner Tätigkeit am         Prüfung der Objekte auf Zustand und
den, aber auch gesellschaftskritischen      Ostfriesischen Landesmuseum Emden            Vollständigkeit sowie das Sortieren und
Themen. Diese Privatsammlung, die auch      konnte ich vollumfänglich und intensiv       sachgemäße Verpacken.
zahlreiche Arbeiten von Künster*innen       in die Ausstellungsarbeit einsteigen.
aus der ehemaligen DDR enthält, wurde       Neben den Vorbereitungen wie der
                                                                                         Evelina Schäfer

                                                                                                                                       Gerhard Marcks, Jongleur, 1956, Sammlung Finkbein © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Die Projekte                                                                                                                                                                                                          21
Von Schiffen,
Kästen und Buddeln
Im zurzeit geschlossenen Groot Hus,         bzw. heute noch zu finden sind. Das hieß      Auch Buddelschiffe sind in ihrem Ur-
dem größten der drei Museumshäuser in       folglich Kuffe, Tjalken und Schmacken         sprung typische Seemannsarbeiten, die
Carolinensiel, soll nach den momentan       anstatt von Galeonen, Briggs und Fre-         der Seemann an Bord anfertigte und ent-
stattfindenden Sanierungsarbeiten im        gatten in der Austellung zu präsentieren.     weder im nächsten Hafen gegen eine vol-
Zuge der Neukonzeption ein Schaumaga-       Viele dieser Modelle befanden sich im         le Buddel eintauschte oder sie mit nach
zin eingerichtet werden. Als Objekte sind   Groot Hus, welches für die bevorstehen-       Hause nahm. Ich legte bei der Auswahl
dafür Schiffs- und Kastenmodelle vor-       de Sanierung zu dieser Zeit ausgeräumt        den Schwerpunkt auf die Entwicklung des
gesehen. Eines meiner MUSEALOG-Pro-         wurde. Aufgrund des Zeitdrucks und um         Buddelschiffs: von der oftmals groben
jekte bestand darin, eine Auswahl dieser    unnötiges Hin- und Hertransportieren zu       Seemannsarbeit über die touristische
Modelle in einem kleinen Schaumagazin       vermeiden, hatten die Auswahl und der         Massenherstellung bis zum extravagan-
im Kapitänshaus zu präsentieren, quasi      Transport der dortigen Objekte Priorität.     ten Buddelschiff, bei dem nicht nur die
als »Appetithappen« auf die Ausstellung                                                   Flasche, sondern auch das Schiff selber
im Groot Hus, die 2022 eröffnet werden      Die Kastenmodelle, auch Halbkastendio-        aus Glas besteht.
soll. Da im Ausstellungsraum bereits eine   ramen genannt, sind typische Seemanns-
kunstvoll geschnitzte Hängevitrine, eine    arbeiten. In ihrer Freizeit, zuhause oder     Nachdem ich alle ausgewählten Objekte
sogenannte Buddelei, vorhanden war,         an Bord beschäftigten sich viele See-         überprüft und an den Ausstellungsort
sollte zusätzlich eine kleine Sammlung      männer häufig damit, diese dekorativen        transportiert hatte, erfolgte der Aufbau,
von Buddelschiffen darin gezeigt werden.    Objekte herzustellen. Sie dienten ihren       welcher mithilfe meiner Kolleg*innen
                                            Familien als Andenken, wenn sie wieder        schnell vonstattenging. Trotz der coro-
Um die Menge der diversen Schiffsmo-        zur See fuhren oder sie brachten sie als      navirusbedingten Museumsschließung
delle einzuschränken, wählte ich nach       Geschenk von der Fahrt mit nach Hause.        konnte das Kapitänshaus und damit das
Absprache mit der Leitung nur regionale     Aufgrund ihrer Individualität variieren die   Schaumagazin durch einen virtuellen
Typen aus, also Modelle von Schiffen, die   Kästen in ihrer Größe, was die Auswahl        Rundgang der Öffentlichkeit zugänglich
auch tatsächlich in Carolinensiel und an-   und besonders die spätere Hängung             gemacht werden.
deren Häfen der Region zu finden waren      spannend machte.

                                                                                          Anke Holtappels

Die Projekte                                                                                                                          23
Faszination Tracht
     Die Sammlung Jennebach im Museumsdorf Cloppenburg
     Am Anfang unseres Projekts standen um       stücken, Schmuck und unterschiedlichen     gültigen Verkauf der Sammlung durch die
     die 40 große Archivkisten, die anlässlich   Kopfbedeckungen der Landbevölkerung        Witwe Jennebach an das Museumsdorf
     eines Depotumbaus umgelagert wer-           im heutigen Niedersachsen und nördli-      blieb die Sammlung dort eingelagert.
     den mussten. In den Kisten befanden         chen Nordrhein-Westfalen. Zusammen-
     sich komplette Trachtenensembles von        getragen wurden die Stücke seit Ende des  Ein kleiner Teil der Sammlung Jennebach
     Männern und Frauen aus Niedersachsen        Zweiten Weltkrieges vom Handelsreisen-    mit dem Schmuck wurde bereits nach
     und dem Schaumburger Trachtengebiet.        den Textilkaufmann Hermann Jennebach      dem Ankauf 1973 inventarisiert. Mitte
     Die genaue Provenienz war nicht bekannt     (1909–1969).                              der 1980er-Jahre wurden weitere große
     und die Stücke wiesen auf den ersten                                                  Teile der Sammlung inventarisiert und im
     Blick keine Inventarnummern auf. Woher      Im Zuge unserer Forschungen zur           Rahmen einer Sonderausstellung 1986
     die Kisten kamen und wie lange sie dort     Sammlungsgenese haben wir intensive       präsentiert. Seit den 2000ern wurden
     standen, war ungewiss. Die Objekte darin    Recherchen zur Geschichte der Sammlung Teile der Sammlung in mehreren MUSEA-
     befanden sich in einem teilweise sehr       Jennebach betrieben, Akten und andere     LOG Projekten weiterbearbeitet, u.a. von
     schlechten Zustand, da sie über einen       Archivalien gesichtet und ein Zeitzeugen- Kristin Otto 2016 mit einer fotografischen
     längeren Zeitraum nicht sachgerecht         gespräch mit der wissenschaftlichen Erst- Erfassung aller Stücke sowie durch Vera
     gelagert wurden.                            bearbeiterin Gerda Schmitz (geb. 1926)    Kudlinski 2018 für die neue Daueraus-
                                                 geführt. Sie dokumentierte zusammen       stellung »Herausgeputzt«. Eine voll-
     Recht schnell konnten wir die Stücke der    mit Dr. Martha Bringemeier (1900–1991)    ständige Inventarisierung aller Teile hat
     Sammlung Jennebach zuweisen, einer          für die Volkskundliche Kommission         bislang jedoch nicht stattfinden können,
     sehr großen privaten Sammlung von           Westfalen die Sammlung bereits vor        weshalb die Identifizierung vieler Objekte
     Trachten des nordwestdeutschen Raums,       ihrer Übernahme durch das Museumdorf, wirkliche Detektivarbeit war. Mit Hilfe der
     die im Sommer 1973 von Dr. Helmut           und kuratierte auch eine Ausstellung der Karteikarten von Gerda Schmitz und mit
     Ottenjann für das Museumsdorf Cloppen-      Trachten im Herrenhaus Arkenstede auf     ihren Informationen aus dem Interview,
     burg erworben worden war. Die weit über     dem Museumsgelände im Jahr 1969, kurz konnten wir die Stücke in den Kisten
     2000 Einzelteile umfassende Sammlung        bevor Hermann Jennebach verstarb. Nach eindeutig identifizieren. Darüber hinaus
     besteht im Wesentlichen aus Kleidungs-      Ende der Ausstellung und bis zum end-     waren in vielen Kleidungsstücken Zettel

24                                                                                                                                 25
eingenäht, auf denen handschriftlich die      Trachtenensembles musste gleichzeitig       um die Sammlung langfristig vollständig
     Provenienz verzeichnet war. Hermann           auch schon über die notwendige Restau-      erfassen zu können, und diese Erfassung
     Jennebach notierte sich mit viel Liebe fürs   rierung entschieden werden.                 so zu strukturieren, dass sie von uns oder
     Detail die Namen, Daten und die Herkunft                                                  von anderen Mitarbeiter*innen konti-
     der ursprünglichen Besitzer*innen,            Unser ursprünglich geplantes Projekt,       nuierlich fortgeführt werden kann. Das
     seine Frau befestigte diese Zettel in den     die Kisten komplett zu sichten und die      Projekt gliederte sich somit in folgende
     einzelnen Kleidungsstücken, um somit          darin enthalten Stücke zu dokumentieren     Bereiche: Erschließung, Abgleich und Be-
     einen wichtigen Teil der Geschichte dieser    und zu inventarisieren, wandelte sich im    wertung der bisherigen Inventarisierungs-
     Stücke zu bewahren. Auch den Weg der          Laufe der immer intensiveren Auseinan-      ansätze, Forschung zur Sammlungsge-
     Kleidungsstücke von der Ausstellung           dersetzung und der Zuordnung zu diesem      schichte, Erfassung der bislang nicht ins
     1969 in die Kisten im Depot konnten wir       in großen Teil bereits inventarisierten     neue Depot überführten Objekte, Planung
     rekonstruieren.                               Sammlungsbestand, der im neuen Depot        und Anlage einer Erfassungsstruktur
                                                   seinen Standort gefunden hat, zuse-         für die Sammlung nebst ausführlicher
     Für unsere Arbeit konnten wir uns in der      hends. Die Inventarisierung der Objekte     Schreibanweisung mit Musterbeispielen
     Landwirtschaftshalle des Museumsdor-          konnte zu unserem Bedauern nicht abge-      für die verschiedenen Objektgruppen
     fes einen provisorischen Arbeitsplatz         schlossen werden, da die Auswirkungen       der Sammlung sowie die Strukturierung
     einrichten und somit zeitnah mit der          der Covid-19-Pandemie zu einem abrup-       aller verfügbaren Daten und Archivalien
     Durchsicht und Aufnahme der Kisten            ten Ende der Bearbeitung führten. Statt-    für nachfolgende Bearbeiter*innen und
     beginnen. Während der fotografischen          dessen mussten wir uns darauf konzen-       Forscher*innen.
     und schriftlichen Dokumentation der           trieren, eine solide Struktur aufzubauen,

                                                                                               Julia Keßler
                                                                                               Elisabeth Momma

26                                                                                                                                    27
Obwohl das Prinzip der Camera obscura
bereits in der Antike von Aristoteles
                                             Bereichen Kunst, Journalismus, Unterhal-
                                             tung und Bildung.
                                                                                       Diese interessanten Zusammenhänge
                                                                                       habe ich zum Anlass genommen, um
                                                                                                                                  Das Kamerawerk
                                                                                                                                  Vredeborch
erkannt und später von Leonardo da Vinci                                               mich eingehender mit der Thematik Ka-
genutzt wurde, etablierte sich die Foto-     Angefangen von massiven analogen          merabau in Nordenham zu beschäftigen.
grafie als neues Medium erst im 19. Jahr-    Box-Kameras über Sofortbildkameras bis Dafür habe ich ein Konzept zur Präsenta-
hundert. Sinngemäß bedeutet Fotografie       hin zu Digitalkameras im Miniaturformat tion der Geschichte der Firma Vredeborch
»mit Licht zeichnen«. Physikalisch basiert   – die Entwicklungen im Bereich der Foto- als Erweiterung der Dauerausstellung des
sie auf den Grundlagen der Lichtbrechung     grafie sind noch längst nicht abgeschlos- Museums entworfen. Die Recherche über      Florentine Schmalhaus
unter Verwendung von optischen Linsen.       sen. Besonders umfangreiche technische die Firma und die dazugehörige Firmen-

Die neue Erfindung entwickelte sich
                                             Innovationen in Europa folgten in den
                                             wirtschaftlich starken Jahrzehnten nach
                                                                                       und Produktionsgeschichte stand am
                                                                                       Anfang meines Projekts. Danach habe
                                                                                                                                  Ein Ausflug in die Geschichte der
rasant und stetig ergaben sich neue          dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es       ich Informationen zu den einzelnen         Fotokameraproduktion in Nordenham
Möglichkeiten der Verwendung. Die Wei-       ist erkennbar, dass die Geschichte von    Objekten, Kameras und verschiedenen
terentwicklung der technischen Voraus-       Fotografie, Kamerabau und fotografischer technischen Geräten gesammelt und
setzung, um Umgebungen und mensch-           Technik lang, komplex und sehr facetten- diese für die Texttafeln an den Objekten
liche Lebensrealitäten abzubilden, den       reich ist. Auch am Werdegang der Firma    und der Vitrine aufbereitet. Bearbeitete
Moment festzuhalten und historische          »Vredeborch GmbH Kamerawerk und Me- Fotografien wurden von mir beigefügt.
Ereignisse zu dokumentieren, hatte           tallwarenfabrik« aus Nordenham ist der    Diverse historische Kameramodelle und
zusätzlich entscheidende Auswirkungen        Zusammenhang zwischen Innovationen, weitere technische Produkte der Firma
auf das kulturelle und individuelle Leben    fotografisch-technischen Entwicklungen    Vredeborch werden nun in einer Vitrine
der Menschen. Gesellschaftlich bewirkte      und historischen Begebenheiten deutlich präsentiert und ergänzen die Dauerstel-
die Entwicklung der Fotografie schnell       nachzuvollziehen.                         lung des Museums Nordenham.
zahlreiche Veränderungen, etwa in den

Die Projekte                                                                                                                                                          29
Stadtgeschichte neu
entdecken
Frauenrechtlerin HELENE LANGE im Stadtmuseum
Der geplante Neubau des Stadtmuseums      Lange stammt aus der Verbindung zweier        Während der Dokumentations und
Oldenburg ist Anlass, die Daueraus-       alter Oldenburger Familien (Lange und         Katalogisierungsarbeiten stieß ich auf
stellung zur Stadtgeschichte völlig neu   tom Dieck), die beide viele angesehene        ein ehemaliges Helene-Lange-Zimmer,
aufzustellen. Während der gemeinsamen     Personen hervorbrachten. Ihr Bestreben        welches ihr zu Ehren am Museum
Konzipierungsphase wurden die The-        war es, Bildungsungerechtigkeiten zu          eingerichtet worden war, mittlerweile
men aufgearbeitet und in verschiedene     beseitigen, für Mädchen ein besseres          aber nicht mehr existiert. Es ist nur ein
neue Sinnzusammenhänge gestellt. Die      Schulsystem und für Frauen die politi-        einziges Foto überliefert, auf dem ihre
dazugehörige Objektrecherche wurde        sche Gleichberechtigung zu erkämpfen.         Büste, die Ehrenmedaille und etliches
auch dazu genutzt, zu inventarisieren,    Sie arbeitete als Lehrerin und Politikerin,   Bildwerk zu sehen ist. Die Rekonstruktion
dokumentieren und katalogisieren.         hielt Reden und publizierte zahlreiche        der Bildwand lässt u.a. eine Darstellung
                                          einschlägige Fachliteratur. So wurde sie      ihrer Familienportraits vermuten, zeigt
Parallel zu den Themen der allgemeinen    zu einer Wegbereiterin für das Frauen-        aber auch andere sozial arbeitende Ol-
Stadtgeschichte habe ich außerdem zu      wahlrecht und die Mädchenschulbildung.        denburgerinnen, wie z.B. Frieda Lübsen.
der aus Oldenburg stammenden Frauen-      Die wichtigsten bürgerlichen Frauen-          Aufgrund der Objektabmessungen konnte
rechtlerin und Reformerin Helene Lange    vereine in Deutschland wurden von ihr         ich, nach einer perspektivischen Transfor-
gearbeitet und tiefergehend geforscht.    gegründet, geleitet oder beraten. Auf         mation des Bildes und nach Ermittlung
Der Sammlungsbestand des Stadtmuse- dem Höhepunkt ihrer politischen Karriere            des Skalierungsfaktors, die Ausmaße des
ums umfasst viele Portraits der Ehrenbür- eröffnete sie die Hamburger Bürgerschaft      Raumes berechnen und so ein dreidi-
gerin der Stadt und ihrer weitverzweigten nach dem Ersten Weltkrieg 1919 als Al-        mensionales Modell der Inszenierung
Familie sowie eine Kalksteinbüste, einige terspräsidentin.                              erstellen. Aus einem 150 x 122 mm großen
Gemälde (u.a. von Bernhard Winter) und                                                  Foto diese Menge Daten zu extrahieren,
eine Gedenkmünze anlässlich ihres Todes.                                                gelang nur mit digitalen Methoden und
                                                                                        zeigt, was Digitalisierung an Museen zu
                                                                                        leisten vermag.

                                                                                        Christian Elz

Die Projekte                                                                                                                         31
Moor than welcome
Emsländische Siedlungskultur im Dalumer Feld
und Versenermoor nach 1945

Im Archiv des Emsland Moormuseums           schlesien, Ost- und Westpreußen. Lokale     21 Typenbauten, ein Sonderentwurf
liegt ein Bestand von 65 Stellenakten der   Unternehmer errichteten 1948–69 nach        sowie Umbauten im Bestand entstanden.
Niedersächsischen Landesgesellschaft        Entwürfen des Architekten Hermann           Eine Typisierung der Stellen wird in den
(NLG) für den Zeitraum von 1946 bis in      Ruge (geb. 1902, Sterbedatum unbe-          standardisierten Entwurfspausen offen-
die 1980er Jahre. Die NLG begann nach       kannt) der Niedersächsischen Heimstätte     sichtlich. Die Backsteingebäude trugen
dem Zweiten Weltkrieg in Nachfolge der      Höfe mit einer Größe von rund drei bis      rotgedeckte Satteldächer, teilweise mit
Hannoverschen Siedelungsgesellschaft        20 ha. So entstanden am Reißbrett           Krüppelwalm am Wirtschaftsgiebel. Ende
gemäß des Emslandplanes von 1950 die        entworfene Dörfer mit den notwendigen       der 1950er Jahre wurden die Vollerwerbs-
Kultivierung der Moorböden und den Bau      Versorgungseinrichtungen.                   stellen moderner, die Fenster kleiner und
von Siedlerstellen. Der Bestand wurde                                                   breitgelagerter. Die Bauten entstanden
von mir inventarisiert und die Siedlungs-   Traditionell fand sich im Emsland das       eingeschossig mit riesiger Dachfläche,
kultur nach 1945, die Herkunft und der      Niederdeutsche Hallenhaus in Zweistän-      später vereinzelt als zweigeschossige
soziale Status der Siedler, die Zusam-      derbauweise. Ab Mitte des 19. Jahr-         Wohngebäude. Durchgängig ist der fast
menarbeit beteiligter Einrichtungen so-     hunderts entstanden Gulfhäuser nach         vollständige Verzicht auf architektoni-
wie die architektonischen Entwicklungen     ostfriesischem Vorbild. Die Architektur     schen Schmuck. Eine Modifizierung der
ausgewertet.                                der Siedlerstellen basierte auf diesem      Grundrisse für bessere Benutzbarkeit ist
                                            ostfriesischen Bauernhaus mit Vorder-       verifizierbar.
Die Siedlerstellen für den Voll- oder Ne-   haus als Wohntrakt und verbreitertem
benerwerb erhielten Ehepaare, Familien      Wirtschaftstrakt mit tief heruntergezo-     Der erfolgte Abgleich der Siedlerstellen
und zweitgeborene Söhne als Rentengü-       gener Traufe. Hier befanden sich Lager-     mit dem heutigen Bestand ermöglicht die
ter zu besonders günstigen Krediten. Es     flächen und Ställe sowie, historisch in     Aufarbeitung der Architekturgeschich-
waren Aussiedler, Neusiedler, Anlieger-     der äußersten Ecke, der Abort. Auch die     te einer Teilregion des Emslandes. Es
siedler, Heuerleute, Traktatgeschädigte     Upkammer, aufgrund des Hochkellers          verbleibt unklar, ob in anderen Gebieten
und Vertriebene aus Pommern, Ober-          darunter höher gelegen, wurde realisiert.   weitere Typen errichtet wurden.

                                                                                        Lena Lewald

Die Projekte                                                                                                                        33
Plakate aus
               dem Nachlass
               der Diskothek
               »Charts«
               Während MUSEALOG 2019 | 2020 habe            zwischen 1978 und 1995 in der Nähe von      Maxim Wegner
               ich am Schlossmuseum Jever an der            Oldenburg befand. Das Ziel ist dabei un-
               Vorbereitung der Ausstellung »Break on       ter anderem, das Erbe und die Erinnerung
               through the other side – Diskoplakate der    an den im Jahr 2003 verstorbenen Disko-
               1970er, 1980er und 1990er Jahre« mitge-      thekeninhaber Wolfgang Schönenberg
               arbeitet und dafür Plakate aus dem Nach-     aufrecht zu erhalten.
               lass der Diskothek »Charts« archiviert und
               inventarisiert.                              Die Plakate der Diskothek »Charts«
                                                            wurden im Jahr 2019 vom Museum
               Die Ausstellung ist eine Ergänzung           erworben und sind ein zeitgeschichtliches
               zum Themenschwerpunkt Jugend- und            Dokument aus 17 Jahren Diskoleben. Sie
               Musikkultur der vergangenen Jahrzehn-        zeichnen eine chronologische Entwick-
               te, der seit 2007 im Schlossmuseum           lung der Popkultur nach. Unterschiedliche
               besteht – ursprünglich in Form einer sehr    Stilrichtungen wie Jazz-Fusion, Rock,
               erfolgreichen Sonderausstellung über die     Experimental Rock, Country, Synthie-Pop
               »Tanzschuppen, Musikclubs und Disko-         sowie die in den 1990er Jahren aufblühen-
               theken« im Weser-Ems-Gebiet, die nach        de Rock-Stilrichtung Grunge haben in der
               fünf Jahren in neuer Konzeption in die       Sammlung ihren Niederschlag gefunden.
               Dauerausstellung integriert wurde.           Weitere Objekte wie beispielsweise
                                                            Fotografien von Zeitzeugen, populäre
               In der derzeit geplanten Sonderausstel-      Schallplatten und CDs aus diesem Zeitab-
               lung soll die Diskothek »Charts« in den      schnitt sowie Zeitzeugenberichten sollen
               Mittelpunkt gestellt werden, die sich        die Ausstellung ergänzen.

Die Projekte                                                                                                           35
Post aus Emden!
Das von mir am Ostfriesischen Landes-         land erhob. Das stieß auf Widerstände
museum Emden bearbeitete Projekt hat-         der anderen Häuplinge, die in den nächs-
te die Erfassung und Erschließung einer       ten Jahrhunderten ihre Autonomie er-
Sammlung von Briefen, Postkarten und          folgreich zu verteidigen wussten. Jedoch
anderen postalischen Belegen ab dem 17.       hat jede Medaille zwei Seiten, wie der
Jahrhundert zum Thema, die dem Haus           hiesige Streitfall illustriert: Der von Bolo
vom Verein Emder Briefmarkensammler           eingesetzte Dorfprediger Eiben beklagt
überlassen worden ist. Daher haben alle       sich, dass die Gemeinde ihn unter Straf-
Belege einen Bezug zu Emden. Gerade           androhung der Kirche verwiesen habe.
hier lassen sich an Hand der häufig wech-     Das geschah zu Recht, denn im Haager
selnden Briefmarken im 19. Jahrhundert        und Emder Vergleich von 1662 hatten die
die wandelnden politischen Verhältnisse       Gemeinden das Recht der freien Prediger-
verfolgen – bis 1866 war Emden Teil des       wahl erworben. Dieses Mitspracherecht
Königreichs Hannover, dann Preußens           geht auf den Osterhusischen Akkord von
und ab der Reichsgründung 1871 kamen          1611 zurück, der eigentlich im Sinne der
wieder neue Marken. So setzt sich die         Häuptlinge gräfliche Einflüsse beschränk-
Sammlung bis zum Ende des 20. Jh. fort.       te, aber eben auch die Belange der Bürger
Briefmarken an sich standen allerdings        und Bauern berücksichtigte. Letztlich
nicht im Mittelpunkt des Projekts, son-       musste Eiben seine Stellung aufgeben.
dern – neben der Inventarisierung – die
Transkription und Erforschung ausge-          Die Dokumentationsarbeiten begannen
wählter Briefe.                               mit der Erstellung eines Inventarnum-
                                              mernsystems, aus dem die Anordnung
Der abgebildete Brief von 1667 streift        der Belege in den Alben hervorging. Die
einen Vorfall, der erst im Kontext der ost-   Entfernung der Ordner aus Kunststoff
friesischen Regionalgeschichte verständ-      war zwingend, da ausgasendes Lösungs-
lich wird. Adressat ist Häuptling Bolo IV.    mittel das Papier angriff. Dann versah ich
Ripperda. Anders als in anderen Teilen        die Objekte mit Inventarnummern und
Deutschlands unterstand Ostfriesland          digitalisierte sie. Im Ergebnis entstanden
vorerst keiner zentralen Herrschaft, es       ca. 1700 Datensätze in einer Excel-Tabelle
gab einzelne regional regierende Adelige      und über 3200 Bilder, die dann in die Mu-
(Häuptlinge). Im Jahr 1464 versuchte Kai-     seumsdatenbank zu importieren waren.
ser Friedrich III. dies zu ändern, indem er   Dabei zeigte sich der Nutzen von Funktio-
einen von ihnen zum Grafen von Ostfries-      nen für die Massenverarbeitung.

                                              Valentin Weiß
Die Projekte                                                                                 37
Biografien im
Emsland                                                                                  Heiner Kayser

Gleich zu Beginn der Weiterbildung           museum Lingen aus. Die Recherche im         Interviews mit einem Zeitzeugen, einem
fuhren wir, der Direktor des Emslandmu-      Archiv brachte wertvolle Dokumente aus      Archivar sowie einem Jugendlichen aus
seums Lingen Dr. Andreas Eiynck, meine       den 1930er Jahren hervor, welche ergänzt    Lingen geplant und durchgeführt. Bei
MUSEALOG-Kollegin Margarete Zimmer-          durch bereits veröffentlichte Biografie-    einem Besuch in dem Diözesanmuseum
mann und ich, von Lingen nach Niew-          Forschungen zu einem differenzierten        und Domschatz des Bistums Osna-
Dordrecht in den Niederlanden zu dem         wissenschaftlichen Bild führten. Dabei      brück konnte ich den Museumsleiter Dr.
Museum Collektie Brands. Dort trafen wir     ging es zum Beispiel um die lokale Dis-     Hermann Queckenstedt über die Position
uns mit dem dortigen Museumspersonal         kussion, ob dem Lingener Ehrenbürger        und das Wirken des Osnabrücker Bischofs
und Historikern, um die gemeinsame           Bernd Rosemeyer ein eigenes Museum          befragen.
Planung für die Ausstellung: »Was nun?       in der Innenstadt von Lingen gewidmet
– Wat zou JIJ doen? Entscheidungen 1933–     werden soll, oder, ob dem ehemaligen        Neben der Ausstellungsvorbereitung hat-
1940–1945–2020« zu besprechen. Bei der       Erzbischof von Osnabrück, Wilhelm           te ich ebenfalls Gelegenheit, ausgewählte
Ausstellung handelt es sich um eine Part-    Berning, ein getrübtes Bild über sein Amt   Objekte der Museumssammlung unter
nerausstellung, in der die Sichtweisen von   während der Diktatur der Nationalsozia-     die Lupe zu nehmen. Ein Beispiel ist ein
beiden Seiten der Grenze über verschiede-    listen zu Unrecht anhängt.                  Enghalskrug mit Lingener Silbermontie-
ne Einzelschicksale während des Dritten                                                  rung aus der Manufaktur in Delft. Des
Reiches gegenübergestellt werden.            Bei weiteren Treffen mit den Kollegen       Weiteren konnte ich bei der Bearbeitung
                                             aus den Niederlanden wurden Doku-           des umfangreichen Fotoarchives, insbe-
Die Ausstellungsvorbereitung, das hieß       mente vorgestellt und ausgetauscht.         sondere von Landschaftsaufnahmen, das
konkret die Biografie-Forschung über         Die Auswahl individueller Geschichten       Emsland und dessen ökologische, wie
Bischof Wilhelm Berning und den Renn-        während der Kriegs-, bzw. Besatzungs-       auch wirtschaftliche Bedeutung kennen-
fahrer Bernd Rosemeyer, machte den           zeit der Niederlande trat in den Fokus      lernen.
Schwerpunkt des Projektes im Emsland-        des Ausstellungskonzeptes. Es wurden

Die Projekte
Festtagskleidung im
     biografischen Rückblick
     Eine private Kleidersammlung aus den Jahren 1960 bis 1990
     Das Jahresmotto 2020 im Museumsdorf         Stellwänden in der Münchhausenscheune       für den Büroalltag in der Bank oder das
     Cloppenburg lautet »›Was geht?!‹ Von        vor und entwickelten ein Konzept, nach      »Sonntagskleid«.
     Feiern und Festen im Nordwesten«, da        dem wir die Bilder aufhängten.
     in diesem Jahr zahlreiche Jubiläen im                                                   Für die Erstaufnahme führte ich Inter-
     Museumsdorf gefeiert werden. Deshalb        Als eigenständiges Projekt bearbeitete      views mit der Vorbesitzerin der Samm-
     wurden meine MUSEALOG-Kolleginnen           ich im Rahmen von MUSEALOG die Erst-        lung zu jedem einzelnen Kleidungsstück
     Julia Keßler, Elisabeth Momma und ich       aufnahme eines großen Konvolutes an         über dessen Kauf und Geschichte durch.
     vom Kurator und Sammlungsleiter             Kleidungsstücken. Dieses schenkte eine      Anhand der Interviews dokumentierte
     Dr. Eike Lossin direkt in die Konzeption    Cloppenburger Bürgerin dem Museum im        ich jedes Objekt oder zusammengehörige
     der neuen Sonderausstellung eingebun-       Mai 2018. Damit erhielt das Museumsdorf     Ensemble im Depot-Eingangsprotokoll
     den. Wir beschäftigten uns unter ande-      eine umfangreiche Kleidersammlung           und erstellte Arbeitsfotos. Die Ergebnisse
     rem mit der passenden Objektrecherche       von über 200 Einzelteilen, Ensembles        habe ich dann in eine Excel-Tabelle über-
     und Objektfotografie für die Ausstellung.   und Kombinationen, vor allem aus dem        tragen und die Interviews transkribiert.
                                                 Zeitraum vom Beginn der 1960er Jahre
     Zusammen mit meinen MUSEALOG-               bis zum Ende der 1990er Jahre. Neben        Da zu einer entsprechenden Feier oder
     Kolleginnen und der Volontärin Maren        Alltagskleidung befinden sich unter den     Festlichkeit das richtige Outfit gehört,
     Böhm kümmerten wir uns außerdem um          Objekten viele schicke Kleider und andere   wählte ich aus der Sammlung ein schwar-
     den Aufbau der Ausstellung »›Land der       festliche Outfits, die die Vorbesitzerin    zes Abendkleid mit schwarzen Samt- und
     Alleen‹ – Die schönsten und wertvollsten    bei zahlreichen privaten und beruflichen    blauen Glitzer-Applikationen für die
     Alleen in Niedersachsen«. Diese wurde       Gelegenheiten sowie feierlichen Anlässen    Sonderausstellung »Was geht?!« aus.
     vom Niedersächsischen Heimatbund als        trug, so zum Beispiel bei Bällen, Hoch-     Dieses Kleid wurde von der Vorbesitzerin
     Wanderausstellung entwickelt. Wir or-       zeitsfeiern, Galerieeröffnungen, Konzert-   1989 auf einem Ball getragen. Weitere
     ganisierten den Transport der Bilder vom    besuchen oder Hauspartys. Daneben gibt      Ergebnisse zu dem Thema »Besondere
     Museum Nordenham nach Cloppenburg,          es in der Sammlung aber auch Outfits        Kleidungstücke für Feiern und Feste« prä-
     bereiteten den Ausstellungsraum mit den                                                 sentierte ich in der Veranstaltungsreihe
                                                                                             »Sonntagsspaziergang«.

                                                                                             Imke Seidel

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