LANDTAGS NACHRICHTEN - Landtag MV
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
LANDTAG LANDTAGS NACHRICHTEN Mecklenburg-Vorpommern 15. April 3/ 2021 www.landtag-mv.de +++ Landtag diskutiert über mehr Mitsprache +++ Letzte Ruhe? Nicht im Garten! +++ Rechnungshof erhält kein Re- derecht +++ Landtag debattiert über Gleichstellung +++ AufgeSCHLOSSen für Kultur +++ Bauen bei laufendem Plenarbetreib +++ Ohne gesicherte Kriterien - Stasi-Überprüfung im Frühjahr 1991 +++
2 I n h a l t AUS DEM PLENUM 3 Aktuelle Stunde „Kosten der Corona-Pandemie gerecht verteilen – Vermögensabgabe jetzt“ auf Antrag der Fraktion DIE LINKE 4 – 10 Auszüge aus der Simone Oldenburg (Fraktionsvorsitzende DIE LINKE), Original-Debatte Finanzminister Reinhard Meyer, Dirk Lerche (AfD), Bernhard Wildt (CDU), Tilo Gundlack (SPD) 11 – 21 Berichte Landtag diskutiert über mehr Mitsprache Letzte Ruhe? Nicht im Garten! Auf gute Nachbarschaft Kooperation statt Verbote Zähes Ringen um die Werften 21 – 25 Meldungen 13 Änderungsvorschläge zur Verfassung Behörden sollen offener mit Daten umgehen Landes-Krebsregister soll erweitert werden Rechnungshof erhält kein Rederecht Keine verbindliche Beteiligung Wählen? Wie gehabt ab 18! Landtag debattiert über Gleichstellung Normenkontrolle bleibt, wie sie ist Wie weiter? – Erneute Dringlichkeitssitzung 26 - 27 Gesetzgebung Laufende und abgeschlossene Gesetzgebung 28 – 29 AUS DEN AUSSCHÜSSEN Mobilität und Gesundheit Glück zu! – Beratung im Petitionsausschuss Titelfoto: Cornelius Kettler 30 – 31 PANORAMA Das Schloss vor 30 Jahren Ohne gesicherte Kriterien – Stasi-Überprüfung im Frühjahr 1991 32 Chronik Impressum Herausgeber: Layout: Uwe Sinnecker Namentlich gekennzeichnete Beiträge Landtag mecklenburg-Vorpommern geben nicht in jedem Fall die Meinung des - Öffentlichkeitsarbeit - Druck: produktionsbüro TINUS Herausgebers wieder. Schloss, Lennéstraße 1, 19053 Schwerin Gedruckt auf Recyclingpapier Alle Abbildungen sind urheberrechtlich Fon: 0385 / 525-2113, Fax 525-2151 geschützt. Nachdruck nur mit schriftlicher E-Mail: oeffentlichkeitsarbeit@landtag-mv.de Zugunsten des Leseflusses und aus Platz- Genehmigung des Herausgebers. Internet: www.landtag-mv.de gründen haben wir bei der Bezeichnung von Menschengruppen manchmal nur die Die LANDTAGSNACHRICHTEN können redaktion: Referat Öffentlichkeitsarbeit, männliche Form verwendet. In solchen kostenlos bezogen werden. Bestellungen Anna-Maria Leistner Fällen ist die weibliche Form mitgedacht. sind an den Herausgeber zu richten. Redaktionsschluss: 30. März 2021 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A k t u e l l e S t u n d e 3 Foto: Uwe Sinnecker Corona und die Kosten Landtag diskutiert über gerechte Verteilungen Seit mehr als einem Jahr stellt Co- Die finanzielle Bewältigung der Co- Finanzminister Reinhard Meyer (SPD) rona unser aller Leben auf den Kopf. rona-Krise dürfe nicht auf Familien, begrüßte es, das Thema vor der Bundes- Bundesweit stehen weite Teile des ge- Arbeitnehmer oder kleine und mittel- und Landtagswahl zu diskutieren. An- sellschaftlichen und wirtschaftlichen ständische Unternehmen abgewälzt dernfalls könnten die Bürgerinnen und Lebens still. Bund und Länder stem- werden, mahnte Simone Oldenburg, Bürger das Gefühl bekommen, ihnen men sich mit milliardenschweren Ret- Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. „Wir würde etwas verschwiegen. „2,85 Milli- tungspaketen dagegen. Ausgaben, wollen, dass nicht mehr Otto Normal- arden Euro neue Schulden sind ein Kul- für die sie Kredite, also Schulden, in verbraucher für die Krise zahlt, sondern turschock für die solide Finanzpolitik des Rekordhöhe aufnehmen. In MV sind Otto, der Versandhausriese, der sein Landes.“ Auch für ihn stehe fest: Bei der das bislang 2,85 Milliarden Euro. Doch Vermögen allein im ersten Halbjahr des Finanzierung müssen stärkere Schultern wer soll das bezahlen? Für DIE LINKE Krisenjahres um zwölf Prozent vermehrt mehr tragen als schwächere. „Das muss ist die Antwort klar: die Millionäre und hat.“ Im Visier haben die Linken eine in der Steuerpolitik sichtbar werden.“ Er Milliardäre Deutschlands. Und zwar Abgabe von zehn Prozent – für alle, die plädierte dafür, die ausgesetzte Vermö- mit einer Vermögensabgabe. Ein The- mehr als zwei Millionen Euro Privatver- genssteuer wieder einzuführen, kleine ma, das sie in der Aktuellen Stunde im mögen und mehr als fünf Millionen Euro und mittlere Unternehmen davon aber März zur Diskussion stellte. Finanziell Betriebsvermögen haben. Sie betonte: auszunehmen. stärkeren Schultern mehr abzuverlan- Der Millionär würde trotzdem weiterhin gen als schwächeren stößt auch bei Millionär bleiben – Deutschland jährlich Dirk Lerche (AfD) erneuerte die Kri- der SPD auf Zuspruch. Sie plädiert für aber 19 Milliarden Euro zusätzlich ein- tik seiner Fraktion an der hohen Neu- die Rückkehr der Vermögenssteuer. nehmen. „Für unser Land bedeutet das verschuldung des Landes. Viele die- CDU und AfD lehnen derartige Abga- jährliche Mehreinnahmen von 300 Milli- ser Ausgaben hätten keinen direkten ben ab. onen Euro.“ Corona-Bezug gehabt. DIE LINKE habe LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
4 A k t u e l l e S t u n d e sie trotzdem mitgetragen. Dann nach moratorium. Das trage am besten dazu Der Umgang mit den Kosten der Pan- einer Vermögensabgabe zu rufen, sei bei, die Konjunktur wieder anzukurbeln, demie werde nach Ansicht von Tilo „sozialistische Propaganda in Reinkul- um dann mit steigenden Steuerein- Gundlack (SPD) einen wesentlichen tur“, verhindere wichtige Investitionen nahmen Schulden abzubauen. „Was Einfluss auf den gesellschaftlichen Zu- und treibe Unternehmen aus Deutsch- wir nicht brauchen ist eine ungerechte sammenhalt in Deutschland haben. land weg. „Sehen Sie doch erst mal zu, Steuer, die in die Substanz unserer Wirt- Bekämen Normalverdiener das Gefühl, dass alle Firmen und Konzerne, die in schaft eingreift.“ den größten Teil der Kosten tragen zu Deutschland Umsätze tätigen, auch hier müssen, würde es viel Unmut geben. Steuern zahlen.“ Holger Arppe (fraktionslos) warf den „Wir wollen deshalb die Vermögens- Linken vor, die Corona-Krise „zu miss- steuer wieder in Kraft setzen.“ Er sprach Die CDU sprach sich ebenfalls gegen brauchen, um ihre marxistisch-leninis- von einem Prozent auf „sehr hohe Ver- weitere Belastungen für die Wirtschaft tischen Konzepte wieder an den Mann mögen“. Arbeitsplätze dürften durch aus. Anstatt das wirtschaftliche Wachs- zu bringen“. Sein Vorschlag: Nicht den eine solche Steuer aber nicht gefährdet tum mit Vermögenssteuern abzuwür- Reichen den Reichtum wegnehmen, werden. gen, sollte man die Wirtschaft mal ma- sondern den Ärmeren helfen, reich zu chen lassen, meinte Bernhard Wildt. werden. „Ich möchte, dass jeder Deut- Was sie dazu brauche: ein Belastungs- sche am Ende ein Millionär sein kann.“ Simone Oldenburg, DIE LINKE: […] macht es die Bundesregierung genauso still und heim- lich wie 2008, als man begann, genau dem Restaurantfach- „Kosten der Corona- mann, der Erzieherin oder dem Richter das Geld für die Bankenkrise aus der Tasche und das Fell über die Ohren zu Pandemie gerecht verteilen - ziehen? Bis heute hat eine vierköpfige Familie 3.000 Euro für die Rettung der Banken auf den Tisch gelegt – Vermögensabgabe jetzt“ (Beifall Jeannine Rösler, DIE LINKE) […] Wir brauchen eine Schuldenbremse für die Arbeiter und Foto: Uwe Sinnecker Angestellten, für die Familien und für die Unternehmen. Wir brauchen eine Schuldenbremse für die privaten Haushalte, aber keine für den Landes- und den Bundeshaushalt. […] Wir wollen eine Vermögensabgabe für Milliardäre und Mehrfachmillionäre. […] Wir wollen nur diejenigen endlich mit einer zehnprozentigen Abgabe beteiligen, die mehr als 2 Millionen Privatnettovermögen und mehr als 5 Millionen Betriebsvermögen haben. Dieser Freibetrag bleibt komplett unangetastet. Bei einem privaten Nettovermögen von 2,5 Millionen nach Abzug sämtlicher Schulden (Zuruf von Daniel Peters, CDU) […] 241 Milliarden Neuverschuldung im Bund, 2,85 Milliar- wären pro Jahr 250.000 Euro fällig. Wer über ein Milliarden- den im Land – macht Corona uns arm? Was drohen uns für vermögen verfügt, der müsste 17 Millionen Euro zahlen. Er Szenarien, für Einsparungen und für Kürzungen oder Steu- hat dann immer noch 983 Millionen Euro zur Verfügung. ererhöhungen in den kommenden Monaten, Jahren oder gar Jahrzehnten? […] (Peter Ritter, DIE LINKE: Der Arme!) Allein in unserem Bundesland meldeten rund 25.000 Unter- Mit dieser Vermögensabgabe könnte Deutschland zusätz- nehmen für etwa eine Viertelmillion Beschäftigte Kurzarbeit lich 19 Milliarden Euro einnehmen pro Jahr und in 20 Jahren an. Mit 67 Prozent Kurzarbeitergeld sollen die Familien im 310 Milliarden. Niedriglohnland Nummer eins die Mieten, die Strom- und Gasrechnung und die immer weiter steigenden Kosten für (Zuruf von Daniel Peters, CDU) Lebensmittel berappen. Ein Restaurantfachmann verdient in unserem Bundesland durchschnittlich 1.800 Euro, eine Erzie- Für unser Land bedeutet das jährliche Mehreinnahmen von herin 2.700, ein Richter am Landgericht 6.700. Wie viel von 300 Millionen Euro. diesem Verdienst sollen sie für die Krise bezahlen […]? LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 5 (Daniel Peters, CDU: Milchmädchenrechnung.) Minister Reinhard Meyer: […] wir wollen also, „Wir brauchen […] eine (Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sozialismus! – Debatte über die Zukunft Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU und Nikolaus Kramer, AfD) unserer Gesellschaft.“ dass exakt 400.000 Personen beziehungsweise Haushalte für diese Krise zahlen. Das sind nämlich nur 0,7 Prozent der Fotos: Uwe Sinnecker reichsten Bevölkerung. Das heißt, dass wir von 82,5 Millionen Menschen keinen einzigen Cent haben wollen. (Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU) Wer da etwas dagegen hat, der gibt offen zu, dass er wieder diejenigen schröpfen will, die im Supermarkt oder im Kran- kenhaus oder in der Schule (Zuruf von Dietmar Eifler, CDU) oder am Gericht schuften. (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Sebastian Ehlers, CDU, […] 2,85 Milliarden Euro neue Schulden sind ein Kultur- und Egbert Liskow, CDU) schock für die solide Finanzpolitik des Landes Mecklenburg- Vorpommern. […] Wir sollten uns [daher] nicht verstecken vor der Debatte […] um die Finanzierung der Corona-Lasten. Wer zur Schuldenbremse steht […], der muss sich die Frage stellen, wie er Corona-Lasten finanziert, und der landet dann fast automatisch bei Steuern und Abgaben. […] Haben wir den Mut, die Krise auch als Chance zu begreifen, gerade in der Steuerpolitik? Wir wissen seit der Bankenkrise, dass die Ungleichheit, die Schere zwischen Arm und Reich, […] gewachsen ist. [...] Des- wegen ist die Frage einer Vermögensbesteuerung hier ge- nau die richtige. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE) Wenn wir über Vermögensbesteuerung reden, dann müs- sen wir aber das nicht nur als Verteilungsfrage begreifen, sondern wir müssen das Thema Leistungsgerechtigkeit mit einbeziehen. Das heißt, wer die Vermögen besteuert, muss gleichzeitig die Steuerbelastung kleiner und mittlerer Ein- kommen senken […]. Der Vorschlag der Vermögensabgabe der LINKEN überrascht mich ein wenig, weil ich hätte Ihnen mehr Mut zugetraut, meine Damen und Herren, weil Sie reden zunächst einmal von einer einmaligen Abgabe, (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.) wenn auch über 20 Jahre lang gestreckt […]. Und Sie reden über eine Bundessteuer. Ich möchte lieber über eine Vermö- Pressebeobachter*innen sind immer dabei. genssteuer reden, LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
6 A k t u e l l e S t u n d e (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Dirk Lerche, AfD: Das ist der zweite Schritt.) „Vermögensabgabe weil diese a) dauerhaft und b) die Finanzkraft der Länder stärkt, denn die Vermögenssteuer würde den Ländern zu- oder Vermögenssteuer gutekommen. wirkt in Krisenzeiten auch (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) krisenverschärfend.“ Das heißt, wir könnten hier vor Ort auch mit diesen Einnah- Fotos: Uwe Sinnecker men vernünftig umgehen, meine Damen und Herren. Das stärkt unsere Finanzkraft. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Simone Oldenburg, DIE LINKE) Und es wird Sie vielleicht überraschen, dass die Vermögens- steuer ja eigentlich da ist. Sie muss nur wiederbelebt wer- den, meine Damen und Herren. (Zuruf von Marc Reinhardt, CDU) […] aber ich sage genauso deutlich, die Vermögenssteuer braucht eine Schonung bei Personengesellschaften. Wir wollen die kleinen und mittleren Unternehmen an der Stelle Sehr geehrte Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Lands- schonen. Es geht um die hohen Vermögen. […] Und nur so leute! DIE LINKE möchte in dieser Aussprache die „Kosten der kann eine Vermögenssteuer auch in der Akzeptanz der brei- Pandemie gerecht verteilen – Vermögensabgabe jetzt“. ten Bevölkerung wirklich funktionieren. […] Meine Damen und Herren, als Mitglied der Landesre- Kommen wir erst mal zu den Kosten. Da wir hier im Landtag gierung kann ich hier und heute natürlich nur Denkanstöße von Mecklenburg-Vorpommern sitzen, schauen wir uns die geben. Das tue ich auch. Kosten beim Landeshaushalt an: 2,85 Milliarden Kreditaufnah- me für den Corona-Schutzfonds. Wir von der AfD-Fraktion (Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Sehr gut! – haben als Einzige dagegen gestimmt und wir bereiten zurzeit Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU) auch die Klage dagegen vor. Sie, meine Damen und Herren der LINKEN, haben das alles mitgetragen, Die Vorbehalte der Koalitionspartner sind bekannt. Aber ich werbe nicht dafür, nur eine Debatte zu führen, wie wir Fi- (Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU) nanzlöcher der Corona-Pandemie stopfen können, sondern ich werbe dafür, eine Debatte darüber zu führen, […] wie wir die vielen Titel, die keinen direkten Corona-Bezug hatten. Sie die Lasten in unserer Gesellschaft gerechter verteilen kön- werfen hier nur so mit dem Geld fremder Leute um sich und nen, meine Damen und Herren. […] Wir brauchen […] eine rufen dann „Vermögensabgabe jetzt“! Sozialistische Propa- Debatte über die Zukunft unserer Gesellschaft. Und diese ganda in Reinkultur, der Klassenfeind ist ausgemacht: Debatte ist aktueller denn je. Sie geht weit über die Tagesak- tualität einer Aktuellen Stunde hinaus, aber sie ist dringend (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) notwendig, meine Damen und Herren. der Multimillionär beziehungsweise Milliardär, Und lassen Sie uns aus der Geschichte lernen, insbesondere auch aus der Geschichte nach der Bankenkrise. Sorgen wir (Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Ei, ei, ei!) gerade in Corona-Zeiten für weniger Ungleichheit und mehr Gerechtigkeit! […] diejenigen 10 Prozent der Bevölkerung, die 60 Prozent der Ein- kommenssteuer in diesem Land entrichten und den ganzen (lang anhaltender Beifall vonseiten Laden hier noch irgendwo am Laufen halten. der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Daniel Peters, CDU) (Jeannine Rösler, DIE LINKE: Machen Sie sich doch nicht lächerlich!) […] LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 7 Sieht so Ihre Gerechtigkeit aus? Deutscher Multimillionär, der Wir von der AfD würden die kalte Progression abschaffen. Leis- hier Hunderte Arbeitsplätze geschaffen hat, mit die weltweit tung muss sich wieder lohnen. Bei uns würde die Staatsquote höchsten Abgaben bezahlt, soll jetzt milliardenschweren US- gesenkt. Konzernen unter die Arme greifen?! (Thomas Krüger, SPD: […] Wo nehmen Sie das Geld her?) Ich sage Ihnen hier deutlich: Vermögensabgabe oder Vermö- Wir würden Haushaltseinsparungen vornehmen. genssteuer wirkt in Krisenzeiten auch krisenverschärfend. Un- ternehmensinterne Investitionen in Forschung und Entwick- (Thomas Krüger, SPD: lung werden benötigt, eigenkapitalstärkende Maßnahmen Die Reichen wollen Sie schützen. für den Mittelstand werden benötigt und keine substanzzeh- Und wo nehmen Sie das Geld her?) renden Vermögensabgaben. Wir würden mit Sonderwirtschaftszonen in strukturschwa- […] chen Regionen arbeiten. Und welchen Reichen geht es denn nun an den Kragen? Den (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Multimillionären, die ihr Vermögen in Windkraftanlagen inves- Zuruf von Thomas Krüger, SPD) tiert haben, oder den Reichen, die jetzt in Wasserstofftech- nologie investieren sollen, oder den Reichen, welche noch Wir würden regionale Unternehmen stärken und jeden Rei- Verbrennerautos bauen oder ihre Zulieferer sind? Mit dieser chen, der nach Mecklenburg-Vorpommern zieht, willkommen Aussprache locken Sie keinen Reichen nach Mecklenburg- heißen. Wir würden unserem Tourismus und dem Einzelhan- Vorpommern. Und in einem Land, wo es keine Reichen gibt, del mit einer temporären Änderung des Ladenschlussge- gibt es nur Arme. setzes unter die Arme greifen, (Thomas Krüger, SPD: Ach so!) (Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Jawoll!) Deswegen sind wir wohl überall Schlusslicht bei den Bundes- um aus der von Ihnen verursachten volkswirtschaftlichen Kri- ländern. se wieder herauszukommen. (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – (Zuruf von Thomas Krüger, SPD) Zuruf von Thomas Krüger, SPD) […] Ich danke für die Aufmerksamkeit. Die LINKEN liebten schon immer den Klassenkampf, die Ge- sellschaft zu spalten, Neid und Missgunst zu schüren. Ihr Frak- (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, tionsvorsitzender im Bundestag Dietmar Bartsch hat ja am 1. Holger Arppe, fraktionslos, und Mai letzten Jahres verkündet, es wird wieder Klassenkampf Christel Weißig, fraktionslos) geben. Aber nach den gescheiterten sozialistischen Experi- menten auf deutschem Boden werden Ihre Plakate und Ini- tiativen – jedenfalls bei denjenigen, die den Verfall der DDR miterlebt haben – nur ein müdes Mitleidslächeln hervorrufen. (Heiterkeit bei Thomas Würdisch, SPD – Beifall Dr. Ralph Weber, AfD) […] Fotos: Uwe Sinnecker Ja, es werden Ihre Ausgabenorgien, meine Damen und Herren, die Steuerzahler bezahlen müssen, und das bei einer aus Sicht der AfD-Fraktion ungerechten Einkommenssteuer- progression. (Beifall Christoph Grimm, AfD) Wenn mittlerweile schon gut verdienende Arbeiter und An- gestellte in den Genuss des Spitzensteuersatzes kommen, stimmt etwas nicht in diesem Staat. (Beifall vonseiten der Fraktion der AfD) Für jeden/jede Redner*in wird das Pult desinfiziert. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
8 A k t u e l l e S t u n d e Bernhard Wildt, CDU: Und das Leistungsfähigkeitsprinzip sagt ja nichts anderes aus, als dass eben die berühmten starken Schultern mehr tragen „Was wir nicht brauchen, sollen als die schwächeren. […] Dafür brauchen wir keine LIN- KEN, Frau Oldenburg, das macht die CDU seit 70 Jahren. ist eine ungerechte Steuer, […] Die zweite Säule ist das Sozialstaatsprinzip. […], denn die in die Substanz unserer dieses Geld, was wir […] den reicheren Leuten ja mehr ab- nehmen als den ärmeren Leuten […], dieses Geld wird ja Wirtschaft eingreift.“ nicht nur ausgegeben für Polizei oder Straßenbau, sondern es wird ja in Form von Sozialleistungen den ärmeren Leuten zur Verfügung gestellt. Fotos: Uwe Sinnecker (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Franz-Robert Liskow, CDU: Richtig!) Und ein guter Maßstab für den Erfolg dieser Umverteilungs- maschinerie ist der Gini-Koeffizient, der sich zwischen 0 und 1 bewegt. […] 0 bedeutet absolute Gleichverteilung, jeder bekommt das Gleiche. 1 bedeutet absolute Ungleichvertei- lung, einer hat alles, alle anderen haben gar nichts. Dazwi- schen bewegt sich das und so werden die internationalen Vergleiche aufgebaut. Und in Deutschland – jetzt hören Sie gut zu, Frau Olden- burg! –, haben wir einen Gini-Koeffizienten vor Umvertei- lung von 0,51 und nach Umverteilung von 0,27. Das heißt, 40 Schönen guten Morgen, Frau Präsidentin! […] Prozent des Einkommens werden umverteilt. Und das ist ein Spitzenwert im internationalen, weltweiten Vergleich. […] Die CDU-Fraktion […] steht uneingeschränkt für ein gerech- tes Steuersystem. […] und […], dann stellt sich doch die Frage, brauchen wir das tatsächlich. […] In den Jahren von 2012 bis 2018, nach […] Es geht tatsächlich nicht nur um die Vermögenssteuer, der Finanzkrise, […] wurde die Verschuldung von 80,7 Pro- sondern, […] man muss, […] das gesamte Steuersystem be- zent des Bruttosozialproduktes runtergefahren auf 60,9 Pro- leuchten. zent. […] […] Gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern ist es ja ge- […] Das Steuersystem soll gerecht werden und soll gerecht lungen, eine starke Reduktion der Schulden herbeizuführen sein, schon seit 70 Jahren. Und dieses Empfinden basiert auf um mehr als 1 Milliarde Euro. Also das ist ja der beste Beweis zwei großen Säulen: Das eine ist das Leistungsfähigkeits- dafür, dass man mit Wachstum, […] es schafft, die Verschul- prinzip, […] das zweite ist das Prinzip des Sozialstaates. dung wieder herunterzufahren. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e 9 […] Und genau deshalb ist es so wichtig, was wir fordern: ein Tilo Gundlack, SPD: Belastungsmoratorium. „Gerechte Verteilung Allerdings […], wenn wir […] dieses Wachstum wollen, dann werden wir in der Zukunft stärker auf die Umweltschutz- von Einkommen und aspekte achten müssen, […] das ist ein Kernelement der CDU-Politik, die Schöpfung zu bewahren. […] Vermögen ist eine Grund- […] müssen Sie bei einer Vermögenssteuer immer beden- voraussetzung für den ken, dass wir nicht in die Substanz eingreifen dürfen. Zusammenhalt.“ (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) Foto: Uwe Sinnecker und dass diese Vermögenssteuer eben aus den Erträgen des Vermögens erwirtschaftet werden muss. Und da müssen Sie dann auch noch vorher die Inflation abziehen, damit das Vermögen wirklich bestehen bleibt. Und, Herr Meyer, da, […], wundere ich mich sehr über Sie, […], denn Sie wissen genau, dass die Kapitalerträge mit der Abgeltungssteuer noch nicht mal der vollen Einkommens- steuer unterworfen werden. Das hat der Finanzminister Steinbrück der SPD seinerzeit so eingeführt. [...] Kapitalgesellschaften können Kapitalgesellschaften veräu- ßern, steuerfrei. […] Und auch das ist übrigens von Rot-Grün eingeführt worden. Das war eine der ersten Taten nach […] Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen dem Amtseintritt von Gerhard Schröder. und Herren! Wir haben alle die Plakate mit Frau Oldenburg gesehen. Daher kommt das Thema der Fraktion DIE LINKE Und das lässt doch tief blicken, dass ausgerechnet eine rot- „Kosten der Corona-Pandemie gerecht verteilen – Vermö- grüne Bundesregierung da als Erstes so eine Steuervergüns- gensabgabe jetzt“ nicht überraschend für die heutige Ak- tigung in die Welt gebracht hat. tuelle Stunde. […] […] Wir haben auf der einen Seite die großen Schwierig- (Peter Ritter, DIE LINKE: Das nennt man Strategie.) keiten bei der Bewertung des Vermögens – das war ja der […] Grund für das Bundesverfassungsgericht – […]. Das Zwei- (Heiterkeit und Zuruf te sind natürlich die Vermeidungsstrategien […] wir müs- von Peter Ritter, DIE LINKE) sen doch die Realität anerkennen. [...] es gibt nur noch drei OECD-Staaten, die eine Vermögenssteuer haben –, da kön- Dass es eine gerechte Verteilung der Kosten der Corona- nen wir nicht als einziges größeres Land eine einführen und Pandemie geben muss, möchten auch ich und meine Frak- glauben, es bliebe also alles ohne Auswirkungen. […] Wenn tion unterstreichen. Nur, warum fordern Sie jetzt die Vermö- Unternehmen verkauft werden müssen, um das Geld für gensabgabe, wo wir noch mitten in der Pandemie sind, die diese Steuer aufzubringen, dann führt das dazu, dass Geld Inzidenzzahlen sogar wieder steigen, weil es mittlerweile ja für Investitionen, für Forschung und Entwicklung und für Ar- die Virusmutationen gibt? Außerdem wäre die Einführung beitsplätze fehlt. einer Vermögensabgabe eine zutiefst bundespolitische Aufgabe. Oder wollen Sie etwa eine Vermögensabgabe aus- Und das ist in der DIW-Studie, in dem Gutachten, auch ent- schließlich für Mecklenburg-Vorpommern? Ich denke, eher halten. Also lesen Sie das bitte mal bis zu Ende, Herr Meyer nicht. und Frau Oldenburg! […] Außerdem ist eine Vermögensabgabe nicht die einzige Wenn man also die Wirtschaft wachsen lassen möchte, sind Möglichkeit zur Umsetzung einer solchen Forderung. Ne- wir sehr dafür, und wir sind auch sehr dafür, ein gerech- ben der geforderten Vermögensabgabe sind auch die tes Einkommenssteuersystem zu haben, Schlupflöcher zu Vermögenssteuer, eine Reichensteuer oder sogar, wie der schließen, unbedingt […] Was wir nicht brauchen, ist eine Finanzminister schon sagte, ein Corona-Soli in der Diskussi- ungerechte Steuer, die in die Substanz unserer Wirtschaft on. Für jede Abgabe gibt es ja bekanntlich Vor- und Nach- eingreift. – Herzlichen Dank! teile, gerade hinsichtlich auf das jährliche Aufkommen und die Anzahl von Steuerpflichtigen, und auch die Kosten der (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU Erhebungen darf man nicht außer Acht lassen. Ich finde es und Christel Weißig, fraktionslos) aber gut, dass die Fraktion DIE LINKE sich über Wege einer LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
10 A u s d e m P l e n u m / A u s z ü g e a u s d e r O r i g i n a l - D e b a t t e gerechten Kostenverteilung Gedanken macht und deren (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Bundestagsfraktion gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg- Stiftung eine Studie über die Angemessenheit einer einma- Wir wollen die Vermögenssteuer wieder in Kraft setzen, ligen Vermögensabgabe – und das ist sie auch nur – auf die auch um die Finanzkraft der Länder, also auch unseres Vermögen von Milliardären und Multimillionären mit hohen Bundeslandes, für Zukunftsaufgaben zu verbessern. Dazu Freigrenzen für Betriebsvermögen in Auftrag gegeben hat. gehört ein Prozent auf sehr hohe Vermögen, ein hoher per- Diese Studie zeigt doch einmal deutlich auf, dass das Netto- sönlicher Freibetrag. Die Grundlagen von Betrieben wollen vermögen in Deutschland extrem ungleich verteilt ist, wie wir nicht antasten, aber es darf auch keine Gefährdung von auch andere Untersuchungen das ja schon gezeigt haben. Arbeitsplätzen geben. Das reichste ein Prozent der Bevölkerung besitzt ein Drittel […] es wird für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der des Gesamtvermögens von etwa 12 Billionen Euro. Eine Un- Menschen in Deutschland wesentlich davon abhängen, wie tersuchung von PwC und der schweizerischen Großbank UBS die Kosten der Corona-Pandemie in den nächsten Jahren hat ergeben, dass das Vermögen in Deutschland bei den 119 ausgeglichen werden. Wenn nur die Normalverdiener das Dollarmilliardären 2019/2020 noch um 20 Prozent gestiegen Gefühl bekämen, dass sie den größten Teil der Kosten tragen ist. Damit liegt nahe, dass zumindest einige derer von der Kri- müssten, würde dies zu sehr viel Unmut führen, und das ist se massiv profitiert haben. Das stellt auch keiner außer Frage, auch nachvollziehbar. Die ungleiche Vermögensverteilung glaube ich. Bei den großen Discountern steht dies außer Fra- würde sich weiter verschärfen und dies kann tatsächlich von ge, denn die konnten gute Geschäfte machen, während der uns niemand wollen. Einzelhandel im Lockdown war. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir mit dem MV- (Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist Ihre Politik!) Schutzfonds 2,85 Milliarden Euro an Krediten aufgenom- […] men haben und beginnend mit dem Haushaltsjahr 2024 (Dr. Ralph Weber, AfD: Doch!) jährliche Tilgungen von 142,5 Millionen Euro pro Jahr leisten müssen. Das darf aber nicht dazu führen – und wir werden Im Gegensatz dazu haben Normalverdiener verstärkt Ein- es auch nicht zulassen –, dass die Wirtschaftsförderung und bußen hinnehmen müssen. Ich denke da an die vielen die Investitionen im Land dadurch abgewürgt werden. Unternehmer/-innen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer in der Kurzarbeit, die vielen Soloselbstständigen, die Weiterhin brauchen wir in Mecklenburg-Vorpommern eine Einzelunternehmer aus dem Tourismusgewerbe und die florierende nachhaltige Wirtschaft, um die Steuereinnah- Kulturschaffenden. Alles hatte seine Ursachen auch in der men erwirtschaften zu können. Hierbei spielen gute Löhne Corona-Pandemie […]. und eine tarifliche Bezahlung aller Beschäftigten eine we- sentliche Rolle. Meine Damen und Herren, die Einführung einer Vermö- gensabgabe oder einer anderen sinnvollen Maßnahme für (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) eine gerechte Kostenverteilung ist, wie ich schon erwähnte, eine bundespolitische Aufgabe. Und […]: Gerechte Vertei- Damit haben wir eine wichtige Aufgabe für die nächsten lung von Einkommen und Vermögen ist eine Grundvoraus- Landeshaushalte vor uns und für die nächste Legislaturperi- setzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, das ode stehen bereits Aufgaben im Hausaufgabenheft. steht […] außer Frage. […] ich möchte das hier mit meinen Ausführungen bewen- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) den lassen. Ich finde es legitim, hier im Landtag von Meck- lenburg-Vorpommern bundespolitische Themen zu erörtern, Die extrem ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermö- aber wir sollten hier keinen Bundestagswahlkampf machen. gen ist nicht nur sozialpolitisch bedenklich, sie ist auch ökono- misch unvernünftig. In dem SPD-Programm für die Bundes- Und zur AfD kann ich nur sagen, Sie kennen das Problem tagswahl 2021 werden Sie Aussagen dazu finden, auch, dass mit dem Kopf-Tisch, Kopf-Tisch, und mehr kann ich dazu die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden soll. nicht sagen. (Thomas Krüger, SPD: Genau.) (Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE) […] Deshalb werden wir die Besteuerung von Einkommen auch (Beifall vonseiten der Fraktionen gerechter gestalten. Wir wollen eine Entlastung kleinerer der SPD und DIE LINKE) und mittlerer Einkommen, einen höheren Beitrag für die fünf Prozent Besserverdiener, wozu wir auch alle gehören. Drei Prozent Aufschlag für das Einkommen über 500.000 In der Debatte haben noch weitere Redner gesprochen. Die für Verheiratete soll bestehen bleiben und die Besteuerung vollständigen Redebeiträge finden Sie zum Nachlesen auf nach Partnerschaftlichkeit oder Ehegattensplitting soll auch der Website des Landtags (Parlamentsdokumente/Plenar- verändert werden, wobei das Wahlrecht für eine bestehen- protokolle) oder zum Nachhören auf dem YouTube-Kanal de Ehe […] bestehen bleiben soll. unter www.landtag-mv.de LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 11 Foto: Jens Büttner Seit mehr als einem Jahr ist das gesellschaftliche Leben von starken Einschränkungen geprägt, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Landtag diskutiert Entscheidungsbefugnis zu verschaffen. Die Bekämpfung der Pandemie erfor- über mehr Mitsprache dert schnelles und flexibles Agieren. Die Schutzmaßnahmen seien deshalb als Verordnung gut bei der Landesre- DIE LINKE drängt auf stärkere Beteiligung des Parlaments gierung aufgehoben. „Aber diese Ver- ordnungen brauchen Rechtssicherheit. Und diese Rechtssicherheit erlangen sie aus unserer Sicht mehr, wenn der Land- Shoppen? Nur mit Termin! Ein gemütlicher Abend im Restaurant? Nicht tag stärker an ihnen beteiligt wird.“ möglich! Friseure? Dürfen öffnen! Hotels? Nicht! Die Corona-Pandemie schränkt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in MV weiterhin ein. Was er- „Unser Land hat die Covid-19-Epidemie laubt ist und was nicht, regelt die Landesregierung in Rechtsverordnungen. An- bis jetzt gut gemeistert. Wir waren ders als Gesetze werden diese nicht vom Landtag beschlossen. Das möchte DIE vorbereitet, haben über alle Ebenen LINKE ändern und Verordnungen, die in Grundrechte eingreifen, von der Zustim- hinweg eine wirkungsvolle Zusammen- mung des Landtags abhängig machen. Um in dringenden Fällen schnell reagie- arbeit gepflegt – und so schnelle und ren zu können, soll die Zustimmung auch als erteilt gelten, wenn der Landtag zielführende Maßnahmen möglich ge- dem Erlass nicht binnen sieben Tagen widerspricht. SPD und CDU lehnten eine macht, mit denen die Auswirkungen Änderung des bisherigen Vorgehens ab. der Infektionswellen abgemildert wur- den“, entgegnete Wirtschaftsminister „Die Dauer der Grundrechtseingriffe recht eingegriffen wird.“ Der Landtag Harry Glawe (CDU). Die Pandemie wird zum Problem in Bezug auf die habe der Landesregierung im Novem- zwinge die Landesregierung, rasch zu verfassungsrechtlichen Schranken des ber 2020 zwar auferlegt, das Parlament handeln. Den Landtag stärker an den Gesetzesvorbehalts und der Wesent- über alle Schutzmaßnahmen zu infor- Verordnungen zu beteiligen, berge die lichkeitslehre“, begründete Jacqueline mieren. Eine verpflichtende Beteiligung Gefahr, dringend notwendige Maß- Bernhardt (DIE LINKE) den Gesetzent- des Landtags gebe es jedoch nicht. „Das nahmen zu verzögern. Das wäre nicht wurf ihrer Fraktion. „Die Anforderungen widerspricht aus unserer Sicht der We- sinnvoll. „Ich kann nur davon abraten, an die parlamentarische Regelungsdich- sentlichkeitslehre.“ Ihrer Fraktion gehe dass wir an Schnelligkeit bei den Ver- te steigen, je intensiver in ein Grund- es nicht darum, dem Landtag jegliche ordnungen verlieren.“ Er versicherte, LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
12 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e rung in puncto Parlamentsbeteiligung Foto: Uwe Sinnecker gegeben habe. Aus seiner Sicht habe sich das bisherige Verfahren bewährt. Er fragte sich, warum DIE LINKE erst jetzt, gut ein Jahr nach Pandemie-Beginn, über das Thema diskutiere. „Ich hoffe, dass wir irgendwann wieder in den Nor- malmodus kommen und diese ganzen Formate, die wir hier seit Monaten mit- einander vollführen, dann auch nicht mehr brauchen.“ Ihre Fraktion dränge schon seit Langem auf mehr Parlamentsbeteiligung, wi- dersprach Jacqueline Bernhardt (DIE LINKE). Ein Gesetz würde über die Le- „Ruhe im Karton: Kein Osterurlaub in MV”, SVZ vom 25. März 2021 gislaturperiode hinaus ein verbindliches Verfahren sichern. Die Befürchtung, dass dass Grundrechte der Bürger nur so weit Mit jeder Dringlichkeitssitzung nach Maßnahmen dann nicht schnell genug eingeschränkt würden, wie unbedingt den Bund-Länder-Gesprächen habe der umgesetzt werden könnten, wies sie zu- nötig. Seine Empfehlung deshalb: Den Landtag auch die Möglichkeit, direkten rück. „Deswegen haben wir in unserem Gesetzentwurf nicht zur weiteren Bera- Einfluss auf die Ausgestaltung der neu- Gesetzentwurf drin, dass automatisch tung in die Ausschüsse zu überweisen. en Rechtsverordnung zu nehmen. Und die Zustimmung fiktiv angenommen auch im Vorfeld, vor jeder Konferenz der wird, wenn wir sieben Tage nach Erlass Seine Fraktion sei nicht bereit, weitere Ministerpräsidentinnen und Minister- der Rechtsverordnung uns als Land- massive Eingriffe in die Grundrechte der präsidenten, spreche Manuela Schwe- tag nicht geäußert haben. Ich denke, Bürger hinzunehmen, sagte Christoph sig mit den Fraktionsvorsitzenden, um das ist ein ausgewogener Kompromiss Grimm (AfD). „Die will der Gesetzvor- eine grobe Linie abzustecken. Mit dem zwischen wir müssen schnell handeln schlag aber geradezu manifestieren.“ Er Gesetzentwurf würde der Landtag und der Landtag soll einbezogen wer- warf den Linken vor, der Regierung da- an die Stelle des Verordnungsgebers den.“ Dem Vorwurf der AfD, keine Op- mit kühne Wünsche zu erfüllen. „Von Op- rücken, der Landesregierung also die positionsarbeit mehr zu leisten, trat sie positionsarbeit kann dabei keine Rede Ermächtigung zum Erlass von Rechts- entschieden entgegen. Zur Aufgabe mehr sein.“ Der Vorschlag, Rechtsverord- verordnungen in diesem Bereich ent- einer Opposition gehöre, eigene Vor- nungen gegebenenfalls auch stillschwei- ziehen – gleich darauf aber wieder an stellungen in den Landtag einzubrin- gend zu genehmigen, sei ein Schlag ins sie zurückdelegieren. „Mit dem einzigen gen – was ihre Fraktion unter anderem Gesicht des Parlaments und der Demo- Unterschied, dass wir uns den Zustim- mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kratie. „Schweigen als Zustimmung und mungsvorbehalt sichern“ – ohne inhalt- getan habe. „Wo ist Ihr Gesetzgebungs- das bei einem Parlament – wo gibt es lich aber an der Erarbeitung beteiligt verfahren? Wie stellen Sie sich die Betei- denn so etwas?“ Niemand wolle der Re- zu sein. „Wir werden dem vorliegenden ligung des Landtags vor, wenn sie Ihnen gierung die Möglichkeit nehmen, punk- Gesetzentwurf nicht zustimmen.“ so wichtig ist?“, fragte sie die AfD. tuelle Schutzmaßnahmen zu ergreifen. „Wenn es aber um einen landesweiten Sebastian Ehlers (CDU) führte an, dass Am Ende der ersten Lesung stimmten Lockdown geht, dann ist die vorherige die Landesregierung nicht in einem DIE LINKE, die AfD und der fraktionslose Genehmigung, mindestens aber die un- luftleeren Raum schwebe. „Natürlich ist Abgeordnete Holger Arppe dafür, den verzüglich folgende parlamentarische eine Regierung genauso legitimiert wie Gesetzentwurf zur weiteren Beratung Behandlung und Bestätigung binnen das Parlament. Das finde ich in der Dis- in die Ausschüsse zu überweisen. SPD, höchstens sieben Tagen das Gebot der kussion ganz wichtig.“ Wenn DIE LINKE CDU und die fraktionslose Abgeordnete Stunde.“ Wer Demokratie und parlamen- das im November beschlossene Verfah- Christel Weißig votierten dagegen. Da- tarische Mitbestimmung ernst nimmt, ren ändern oder nachschärfen wolle, mit wird der Gesetzentwurf spätestens könne von solchen Minimalforderungen wäre der richtige Weg aus seiner Sicht nach drei Monaten zur zweiten Lesung nicht abrücken. „Wir lehnen Ihren demo- ein entsprechender Antrag. „Da braucht auf die Tagesordnung gesetzt. kratiefeindlichen Antrag daher ab.“ man nicht zwingend ein Gesetz.“ Er sprach von einem Spagat, in dem sich Gesetzentwurf DIE LINKE Der Landtag sei bereits fortlaufend in die Politik befinde. Die Menschen er- Drucksache 7/5875 die Corona-Rechtsetzung eingebun- warteten zurecht, dass die Beschlüsse den, betonte Philipp da Cunha (SPD). der Konferenzen nicht noch tagelang „Mit unserem im November beschlos- diskutiert, sondern schnell umgesetzt senen Verfahren lassen wir uns die würden. Er verwies darauf, dass es im Rechtsverordnung nicht nur zusenden.“ Rechtsausschuss bereits eine Anhö- LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 13 Letzte Ruhe? Foto: Cornelius Kettler Nicht im Garten! Bestattungsgesetz hält an Friedhofspflicht fest Die Asche von Verstorbenen im Garten verstreuen? Das geht nicht! Daran wird auch die Überarbeitung des Bestattungsgesetzes nichts än- dern: Der Gesetzentwurf von CDU, SPD und DIE LINKE hält weiterhin an der Friedhofspflicht fest. Einen Teil der Bestattungspflichtige haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wo der zu bestattende Leichnam kremiert wird, wie beispielsweise im Krematorium auf dem Alten Friedhof in Schwerin. Asche zu Schmuckstücken zu verar- beiten, schließt er ebenfalls aus. Aus- Er wisse, dass die Meinungen dazu aus- den für ein mögliches Bündnis mit den drücklich erlaubt werden dagegen einandergingen und Hinterbliebene Linken ebnen. Erdbestattungen ohne Sarg. Hinter- dann vielleicht nach Holland oder in die bliebene haben zudem ein Recht da- Schweiz fahren. „Das wird man am Ende „Wir haben niemanden vor den Kopf rauf, zu erfahren, wo der Leichnam nicht verhindern können.“ Der Gesetz- gestoßen“, widersprach Martina Tegt- eingeäschert wird. Vorgesehen ist entwurf trage aus seiner Sicht sowohl meier (SPD). Der Gesetzentwurf sei ein auch eine Zertifizierung für Bestatter. der Kommissionsarbeit als auch der Konzentrat aus den Punkten, zu denen Der Gesetzentwurf stützt sich im We- gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung die drei einbringenden Fraktionen eine sentlichen auf Vorschläge einer Exper- Rechnung. Allen werde man es bei solch Einigkeit erzielt hätten. Das sei nicht im- tenkommission, die sich gut ein Jahr einem schwierigen Thema nie recht ma- mer einfach gewesen, schließlich gehe lang mit der Bestattungskultur in MV chen können. es hier um ethische Fragen und ganz befasst und daraus Handlungsemp- persönliche Ansichten dazu. „Ich finde fehlungen abgeleitet hat. Der Gesetz- Die AfD sprach sich ebenfalls für eine es sehr wichtig, da auch etwas lockerer entwurf wird nun, nach der ersten Le- Friedhofspflicht und gegen die Teilung mit der Fraktionsdisziplin umzugehen.“ sung im Landtag, in den Ausschüssen von Asche aus. Das seien Grundsätze Sie führte auch an, in welchen Punkten weiter beraten. Die SPD-Fraktion ent- der christlichen Bestattungs- und Fried- es keine Einigung gegeben habe. Zum band ihre Abgeordneten für das Ge- hofskultur, die es als kulturelles und na- Beispiel bei der Wiederverwertung von setzgebungsverfahren von der sonst tionales Erbe zu bewahren gelte, meinte Edelmetallen. „Das erwähne ich, weil üblichen Fraktionsdisziplin. Jens-Holger Schneider. Aus Asche Erin- es einen ziemlich breiten Raum in der nerungsstücke herzustellen oder Urnen Diskussion einnahm.“ Und unter ande- Die Bestattungskultur in MV befinde zu Hause aufzubewahren bringe kei- rem zu der Frage führte: „Was ist denn sich im Wandel, führte Sebastian Ehlers nen Nutzen für die Trauerbewältigung, mit einer künstlichen Hüfte bei einer (CDU) an. Deshalb sei es wichtig gewe- sondern käme einer fragwürdigen Li- Urnenbestattung?“ Sie machte darauf sen, sich Zeit zu nehmen und intensiv beralisierung gleich. „Die Öffnung der aufmerksam, dass Eltern bei Schwan- mit dem Thema auseinanderzusetzen. bisherigen Regelung zur Aufhebung gerschaftsabbrüchen unabhängig vom Seine Fraktion sei dabei stets einer der Sargpflicht zugunsten anderer Be- Gewicht des Fötus künftig auf das Be- Richtschnur gefolgt: „Die Würde des stattungsriten nehmen wir zur Kennt- stattungsrecht hinzuweisen seien. „Es Menschen endet nicht mit dem Tod.“ nis.“ Grabsteine aus Kinderarbeit ab- sind ja nicht nur Abtreibungen, die dazu Die Friedhofspflicht aufzuheben und Ur- zulehnen, Leichen nach DIN-Normen führen, dass Föten in sehr geringem Al- nen auch nur zeitweise mit nach Hause aufzubewahren und Bestattungspflich- ter versterben.“ Keine Übereinstimmung zu nehmen, lehnte er ab. „Was passiert tige über den Ort der Kremierung zu habe es indes bei der Frage gegeben, bei Zwistigkeiten in der Familie?“ Jeder informieren, befürworte seine Fraktion wer die Kosten für diese Bestattung müsse die Möglichkeit haben, zu trau- ausdrücklich. Der SPD warf er vor, mit übernehme. Insgesamt liege mit dem ern und öffentlich Abschied zu nehmen. der aufgehobenen Fraktionsdisziplin Gesetzentwurf aber eine „ordentliche Den bisherigen Weg beizubehalten, sei den erzielten Konsens infrage zu stellen Grundlage zur Beratung“ auf dem Tisch. deshalb vernünftig. Die Ehrfurcht vor und den Koalitionspartner zu brüskie- den Toten gelte auch für deren Asche. ren. Sein vermuteter Grund für diesen Aus der Asche von Verstorbenen Einer Ascheteilung werde es daher mit „zweifelhaften Coup“: Mit Blick auf die Schmuckstücke fertigen? Christel seiner Fraktion ebenfalls nicht geben. Landtagswahlen wolle die SPD den Bo- Weißig (fraktionslos) lehnte das ent- LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
14 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e schieden ab. „Wir wissen, dass es eine entscheiden und seinem eigenen Ge- Foto: Uwe Sinnecker Grauzone gibt und Hinterbliebene sich wissen zu folgen. Im Mittelpunkt stehe ans Ausland wenden. Dass ist aber kein der Mensch, nicht die Fraktionszugehö- Grund, die Totenruhe in Deutschland rigkeit. nicht zu achten und einem pietätlosen Zeitgeist nachzugeben.“ Hier gehe es „Die Würde des Menschen ist unantast- um Bestattungskultur und nicht um bar“, zitierte Wirtschaftsminister Harry eine Vermarktung der Liebsten. „Egois- Glawe (CDU) Artikel 1 des Grundge- mus, die eigenen Wünsche vor die Ehr- setzes. „Das sollte auch über den Tod furcht der Verstorbenen zu setzen, darf hinaus gelten.“ Die Expertenkommis- nicht per Gesetz legalisiert werden.“ sion habe sich ihrer Aufgabe aus ver- schiedenen Blickwinkeln genähert, viele Eva-Maria Kröger (DIE LINKE) wünschte Aspekte diskutiert und Empfehlungen sich mehr Mut und Offenheit für Ver- zum Umgang mit den Bedürfnissen der änderungen. Kleine Teile der Asche für Bevölkerung erarbeitet. „Diese Vorschlä- Erinnerungsstücke zu entnehmen, sei ge finden wir heute im Gesetzentwurf bereits gängige Praxis. Einen gelieb- wieder.“ Die Änderungen spiegelten ei- ten Menschen als Schmuckstück ganz nen würdevollen Umgang mit dem Tod nah bei sich zu tragen, habe nichts mit wider und berücksichtigten dabei auch Egoismus zu tun. Eine Urne für eine be- verschiedene kulturelle Rahmenbedin- grenzte Zeit mit nach Hause zu nehmen, gungen. „Im Ergebnis wurde so auch sollte nach ihrem Dafürhalten ebenfalls ein Beitrag zur Integration unterschied- kein Tabu sein. Die Sorge, dass mit der licher Religionen geleistet.“ Stichwort: Bestattungsgesetz Asche nicht würdevoll umgegangen würde, hielt sie für unbegründet. „Erst Im Anschluss an die erste Lesung wurde Die vorgeschlagenen Änderungen im recht, wenn die Zeit begrenzt ist.“ Wer der Gesetzentwurf einstimmig zur wei- Landesbestattungsgesetz umfassen die Urne mit nach Hause nehme, tue teren Beratung in die Ausschüsse über- im Wesentlichen sieben Punkte: dies aus Liebe und werde sicher den wiesen. schönsten Platz für sie aussuchen, um • Die Ehrfurcht vor den Toten soll Abschied zu nehmen. „Der Tod und die Gesetzentwurf CDU, SPD, DIE LINKE auch auf die Totenasche ausge- ihm folgende Trauer, sie haben so viele Drucksache 7/5844 dehnt werden. Gesichter, dass kein Schema und selten • Aufbewahrung und Beförderung eine absolute Antwort dieser Vielfalt von Leichen müssen den aktuellen gerecht werden kann.“ Individueller DIN-Normen entsprechen, Bestat- könne ein Thema nicht sein. Deshalb sei tungsunternehmen entsprechende es völlig richtig, in dieser Frage frei zu Zertifizierungen vorweisen. • Im Falle eines Schwangerschaftsab- bruchs muss die Einrichtung, in der stichwort: expertenkommission der Abbruch erfolgt, Eltern auf das Bestattungsrecht hinweisen. Bislang Entspricht das Bestattungsrecht in MV erarbeiteten CDU, SPD und DIE LINKE galt dies nur für Tot- und Fehlge- noch den gesellschaftlichen Wünschen einen gemeinsamen Gesetzentwurf burten. und Vorstellungen? Um Antworten da- zur Änderung des Bestattungsge- • Erdbestattungen können auch ohne rauf zu finden, setzte der Landtag im setzes. Die Kommission hatte sich auch Sarg erfolgen. Voraussetzung: Dies April 2018 eine Expertenkommission mehrheitlich für die Möglichkeit aus- entspricht dem Willen des Verstor- ein. In der Zeit von November 2018 bis gesprochen, Urnen zeitweise zu Hause benen. Dezember 2019 diskutierte sie in elf Sit- aufzubewahren. Dieser Vorschlag fin- • Erdbestattungen sollen bereits 24 zungen über Wertevorstellungen und det sich im Gesetzentwurf nicht wie- Stunden nach dem Tod möglich praktische Anwendungen. Dem Gre- der. Bestattungsrecht ist in Deutsch- sein. Bislang gilt eine Mindestfrist mium gehörten 20 Mitglieder an, unter land Ländersache. Bislang gilt überall von 48 Stunden. anderem Bestatter, Rechtsmediziner, eine Friedhofspflicht. Außer in Bremen: • Bestattungspflichtige haben einen Verbraucherschützer, Vertreter von Kir- Hier dürfen Hinterbliebene die Asche Anspruch darauf, zu erfahren, wo chen und Glaubensgemeinschaften, von Verstorbenen unter bestimmten der zu bestattende Leichnam kre- Ärzte, Verfassungsrechtler, Theologen Voraussetzungen auch im Garten ver- miert wird. und Vertreter der Landtagsfraktionen. streuen. In MV ist das nicht erlaubt. Die • Es dürfen nur Grabsteine und Grab- Im Januar 2020 legte die Kommission Friedhofspflicht schließt aber auch Be- male aufgestellt werden, die ohne ihren Bericht vor (Drucksache 7/4608). stattungen auf See oder in dafür aus- Kinderarbeit hergestellt wurden. Auf Grundlage dieser Empfehlungen gewiesenen Waldgebieten ein. LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e 15 Foto: Jens Büttner Das wirtschaftliche Potenzial der Metropolregion Stettin soll durch eine Gewerbeflächendatenbank besser genutzt werden können. Auf gute Nachbarschaft land: Ein Minimum an Sprachkenntnissen sollte selbstverständlich sein. Sprachbar- rieren bremsten insbesondere kleine Metropolregion Stettin: Unternehmen aus, jenseits der Landes- MV strebt engere Zusammenarbeit an grenze Geschäfte zu machen. „Deshalb ist uns daran gelegen, die Landkreise bei deutsch-polnischen Sprachkursen in Ko- operation mit den Volkshochschulen zu Geografisch betrachtet liegen zwischen Löcknitz und Stettin 25 Kilometer. stärken.“ Alle Maßnahmen eine das Ziel, Und eine deutsch-polnische Staatsgrenze. Wirtschaftlich betrachtet verweben die Wirtschaft im östlichen Teil des Lan- sich beide Orte gemeinsam mit Städten wie Pasewalk, Anklam und Ueckermün- des nach vorn zu bringen. Davon profi- de, Swinemünde und Gryfino sowie Teilen von Brandenburg zu einer grenzü- tiere am Ende die gesamte Region. berschreitenden Region: der Metropolregion Stettin. Ein Potential, das nach Ansicht der Koalitionsfraktionen weiter ausgebaut werden müsse. Dazu regten Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sie unter anderem an, eine grenzüberschreitende Datenbank für Gewerbeflä- (SPD) begrüßte den Antrag. Für den chen ins Leben zu rufen, Wirtschaftsbotschafter zu ernennen, ein grenzüber- östlichen Teil des Landes sei die Metro- schreitendes Wissenschafts- und Hochschulportal zu errichten sowie gemein- polregion Stettin ein wichtiger Identifi- sam mit Volkshochschulen mehr Sprachkurse anzubieten. DIE LINKE stimmte kationspunkt. Viele Polen und Deutsche den Vorschlägen zu. Die AfD enthielt sich. pendelten zwischen den Regionen und sorgten auf beiden Seiten dafür, dass Nach Ansicht von Bernhard Wildt (CDU) Von Wirtschaftsbotschaftern verspre- es der gesamten Grenzregion – dem müsse MV das Potential der Metropol- che er sich, alltägliche Probleme in der „Herzstück Europas“ – gut gehe. „Ge- region Stettin besser nutzen als bisher. Zusammenarbeit besser zu lösen. „Das rade in Zeiten, in denen das Verhältnis „Die Metropolregion Hamburg hat sehr müssen kompetente Menschen sein, die zwischen unseren Nationalregierungen gute Erfahrungen mit einer landesgrenz- sich in der Wirtschaft auskennen und mit eher angespannt ist, ist uns ganz wich- überschreitenden Gewerbeflächenda- Herzblut die internationalen Kontakte tig, auf die regionale Partnerschaft in tenbank gemacht. Wir möchten, dass so weiter ausbauen.“ Auch wenn Polnisch der Metropolregion Stettin zu setzen.“ eine Datenbank auch für die Metropol- als Fremdsprache in MV nicht den Stel- Die zeitweilige Grenzschließung wäh- region Stettin ins Leben gerufen wird.“ lenwert habe wie Französisch im Saar- rend der Corona-Pandemie habe ge- LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
16 A u s d e m P l e n u m / B e r i c h t e zeigt, dass die Partnerschaft viel größer lich europäisches ,Natura 2000'-Schutz- meinte Dr. Mignon Schwenke. Nun sei als bisher vielleicht angenommen. gebiet.“ Der Hafen werde auch Rostock komme es darauf an, Dinge nicht nur zu Die Landesregierung habe bereits viele das Wasser abgraben. „Wir müssen als beschließen, sondern auch umzusetzen. grenzübergreifende Projekte ange- Bundesland darüber reden und auch Die Zielvereinbarungen des Landes mit schoben, zum Beispiel gemeinsam mit unsere eigenen Interessen vertreten.“ der Universität Greifswald enthielten je- Brandenburg eine Geschäftsstelle für doch – abgesehen von der Einführung die Metropolregion in Anklam eröff- Patrick Dahlemann (SPD) monierte, dass eines binationalen Studiengangs – kei- net. Diese habe gemeinsam mit vielen sich die AfD bei dem für Vorpommern ne Hinweise auf einen Ausbau wissen- Partnern wichtige Dinge auf den Weg so wichtigen Antrag ausschließlich die schaftlicher Kooperationen mit Polen. gebracht – unter anderem das Neuge- kritischen Punkte herausgepickt habe. „Das kann so nicht bleiben, wenn Sie es borenen-Screening und eine grenzü- „Sorry, setzen! Sechs!“ Für Vorpommern tatsächlich ernst meinen mit Ihrem An- berschreitende Zusammenarbeit der sei die Metropolregion ein sehr großes trag. Es muss eine klare Agenda geben, Rettungsdienste. Die Regierungschefin Geschenk und wichtiges Zukunftsthe- die beinhaltet, wohin die hochschul- lud alle Fraktionen und Bürger ein, die- ma. „Die Metropolregion Stettin ist einer politische Reise gehen soll. Transferbe- sen Prozess mit guten Ideen weiter mit- der spannendsten Wachstumsräume auftragte reichen dafür ganz bestimmt zugestalten. zwischen den Metropolen Berlin und nicht.“ Mit Sorge blickte sie auf den Ha- Stettin in ganz Europa. Und mittendrin fenausbau mitten in einem FFH-Gebiet „Für MV ist die partnerschaftliche Zu- liegen wir.“ Wer diese Chance nicht er- (Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet) und sammenarbeit mit seinem Nachbarland kenne, der renne „wie ein Blinder durch den geplanten Tunnel unter der Swine. Polen aus historischen, politischen, wirt- die Landespolitik“. In einer Partnerschaft „Wir müssen alles dafür tun, um auf die schaftlichen und kulturellen Gründen sei es selbstverständlich, auch kritische polnische Seite mäßigenden Einfluss von zentraler Bedeutung“, pflichtete Themen anzusprechen. Der Contai- auszuüben.“ Ihre Forderung: Den Druck Christoph Grimm (AfD) bei. „Auch in nerhafen stehe dabei ebenso auf sei- auf allen Ebenen zu erhöhen und das Zukunft müssen die Beziehungen zu nem Zettel wie der Swine-Tunnel oder Thema auch mit den Aktivitäten um die Polen deshalb einen Schwerpunkt ein mögliches Kernkraftwerk an der Metropolregion Stettin zu verknüpfen. in der Landespolitik bilden.“ Gegen- deutsch-brandenburgischen Grenze, so wärtig bahnten sich in der Beziehung Dahlemann. „Sie können mir glauben: Dietmar Eifler (CDU) bezeichnete den aber auch Probleme an, sagte er mit Diese kritischen Themen sparen wir Antrag auch im Hinblick auf die Zeit Blick auf Pläne Polens für einen neuen nicht aus.“ Er setze dabei auf einen Di- nach Corona als gutes Zeichen für die Containerhafen in Swinemünde, einen alog mit Polen. „Kritischer Austausch ist Wirtschaft und Unternehmer in Vor- Autotunnel unter der Swine und neue die Grundlage dafür, voranzukommen.“ pommern. „Ich bin fest davon über- Kernkraftwerke. Sowohl die Minister- Er machte aber auch deutlich: Die an- zeugt: Will man ihnen eine gute Zukunft präsidentin als auch die Antragsteller geprangerten Vorhaben würden nicht geben, ist es zwingend notwendig, die hätten dieses Thema jedoch gekonnt vom Marschall oder der Woiwodschaft grenzüberschreitende Zusammenar- umschifft. „Es steht gewissermaßen ein Westpommern vorangetrieben, son- beit der Metropolregion Stettin weiter- Elefant im Raum und keiner hat davon dern von Warschau. zuentwickeln.“ Denn: Trotz der vielen gesprochen. Alles wurde nur in den bes- Aktivitäten der Landesregierung sei ten Farben dargestellt.“ Dabei verstoße Für DIE LINKE enthielt der Antrag wenig die Wirtschaft hier bislang nicht so ge- Polen mit dem Hafen nicht nur gegen Neues, aber begrüßenswerte Schritte wachsen wie in anderen Regionen des geltendes europäisches Recht: „Der in die richtige Richtung. Die IHK habe Landes oder flächenmäßig vergleich- künftige Bauplatz für das überdimensi- schon vor Jahren eine gemeinsame baren Bundesländern. Gespräche mit onale Containerhafenprojekt ist eigent- Gewerbeflächendatenbank gefordert, Unternehmern und Kammervertretern zeigten, an der Staatsgrenze, den unter- stichwort metropolregion schiedlichen Sprachen und Währungen liege das nicht. Die Frage sei daher, ob die bisherigen Bemühungen ausrei- Die Ministerkonferenz für Raumord- onen setzen sich aus einer Metropole chend gewesen seien. „Ganz klar ist die nung definiert Metropolregionen als und einen mit ihr verbundenen Um- Weiterentwicklung der partnerschaft- „räumliche und funktionale Standorte, landraum zusammen. Mecklenburg- lichen Beziehungen in der Metropolre- deren herausragende Funktionen im Vorpommern ist Bestandteil zweier gion Stettin einer der wichtigsten Mei- internationalen Maßstab über natio- Metropolregionen: Im westlichen Teil lensteine für die weitere wirtschaftliche nale Grenzen hinweg ausstrahlen. Als des Landes gehören die Kreise Lud- Entwicklung in Vorpommern. Deshalb Motoren der gesellschaftlichen, wirt- wigslust-Parchim und Nordwestmeck- müssen die begonnenen Maßnahmen schaftlichen, sozialen und kulturellen lenburg sowie die Stadt Schwerin zur in der deutsch-polnischen Zusammen- Entwicklung sollen sie die Leistungs- Metropolregion Hamburg. Im östlichen arbeit nicht nur fortgeführt, sondern und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands Teil des Landes schließt die Metropol- stabilisiert und ausgebaut werden.“ und Europas erhalten und dazu beitra- region Stettin die Mecklenburgische gen den europäischen Integrationspro- Seenplatte und Vorpommern ein. Antrag CDU/SPD zess zu beschleunigen“. Metropolregi- Drucksache 7/5849 LandtagsNachrichten Mecklenburg-Vorpommern 3/2021
Sie können auch lesen