Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich

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Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
laut&leise
Magazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich
Nr. 2, Juni 2019, erscheint dreimal jährlich

Sucht beginnt im Alltag.
Prävention auch.
Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
Mit dem Game verschmelzen
Selbst kein Gamer, hat Andrea Caprez in den Anfangszeiten der Internetspiele doch eine stattliche Reihe von Games gestaltet
(comicgames.ch). Mit der interessanten Aufgabe betraut, das Thema Gamen zu illustrieren, hat sich Caprez bei seinen Studieren-
den im Fach Grafik informiert. Sie zeigten ihm, was zurzeit angesagt ist und der/die eine oder andere outete sich gar als latent
spielsüchtig. Die Illustrationen zeigen einerseits, wie die Spieler/innen visuell mit den Spielmotiven verschmelzen, andererseits
die Faszination und Leidenschaft, aber auch Isolation und Illusion dieses Phänomens. (www.andreacaprez.ch)
Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
Editorial
                                                                                                                                                                                            le   i se :
                                                                                                                                                                                  l   aut &
                                                                                                                                                                            ation
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                                                                                                                                                                             a chen
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                                                                                                                                                                        auf 12

                                          Liebe Leserinnen und Leser

                                                                «Nur noch das Level abschliessen!»                        che und soziale Faktoren mitspielen, wenn das Gamen zur
                                                                Das bekommen die meisten Eltern                           Sucht wird. Marc Bodmer erschliesst die Welt der Games
                                                                von Jungs häufig zu hören. Zwei Drit-                      und erklärt, mit welchen Mechanismen Produzenten die
                                                                tel aller Jungen zwischen 12 und 19                       Gamer an ein bestimmtes Spiel binden. Wie Familien mit
                                                                Jahren sind regelmässige Gamer. Bei                       dem Thema einen konstruktiven Umgang finden und wann
                                                                den Mädchen sind es nur 12 Prozent.
                                                                Games eröffnen fremde Welten und                          «Games eröffnen fremde Welten und lassen
                                                                lassen Jungs zu Superhelden werden.
                                                                                                                          Jungs zu Superhelden werden.»
                                                                Sie bieten Unterhaltung, Ablenkung
                                          undauchSelbstwirksamkeitserfahrungen:JedeBewegung
                                          hat Konsequenzen! Die Feinmotorik wird trainiert, Denk-                         bei Eltern die Alarmglocken läuten sollten, können Sie im
                                          vermögen und Kreativität sind gefragt. Online gespielte                         Interview mit Larissa Hauser nachlesen. Sie stellt zudem
                                          Multiplayer-Games ermöglichen gemeinsame Erlebnisse                             die Angebote der regionalen Stellen für Suchtprävention
                                          und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Eine tolle Sache                           für Schulen und Eltern vor. Die eindrücklichen Effekte
                                          also. Für Familien ist das Gamen dennoch häufig Anlass                           eines dieser Angebote – der «Flimmerpause» – beschreibt
                                          für Zwist: Schule, Sport und andere Hobbys werden ver-                          Simone Rindlisbacher in ihrem Beitrag. Und Christian
                                          nachlässigt. Spielzeiten müssen ausgehandelt werden.                            Ingold erläutert, was hinter E-Sports steckt und wie die
                                          Auch die Game-Inhalte bieten Stoff für Diskussionen: Ist                        Suchtprävention diesen neuen Trend nutzen will.
                                          das Spiel gewaltverherrlichend, sind die Rollenvorbilder                          Ich wünsche Ihnen anregende Lektüre!
                                          allzu stereotyp oder frauenfeindlich? Auch die Angst vor
                                          der «Spielsucht» beschäftigt viele Erziehende.                                  n
                                             In dieser Ausgabe von «laut&leise» zeigen wir auf, wo
                                                                                                                          Sibylle Brunner, Beauftragte des Kantons Zürich für Prävention und
                                          die Chancen und Risiken von Games liegen und was unser
                                                                                                                          Gesundheitsförderung
                                          Stellenverbund Eltern und Schulen rund um das Thema
                                          anbietet. Die Fallbeispiele von Florian Lippuner illustrie-
                                          ren, dass zusätzlich zurMachartvon Gamesviele persönli-

                                              Impressum
                                              Herausgeber: Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich
                                                                                                                                   Inhalt
                                              Zuschriften: info@suchtpraevention-zh.ch. Redaktions- und Produktions-          4    Meldungen
                                              leitung: Brigitte Müller, muellertext.ch. Redaktionsteam: Larissa Hauser,
                                              Christian Ingold, Marlen Rusch, Domenic Schnoz (Vorsitz), Esther Vogler.        7    Geiz ist geiler als gamen
                                              Redaktion Meldungen aus der Suchtprävention: Annett Niklaus, Maja                    Essay
                                              Sidler. Mitarbeiter/innen dieser Nummer: Marc Bodmer, Florian Lippuner,
                                                                                                                              8    Im Bann der Videospiele
                                              Simone Rindlisbacher, Markus Tschannen. Illustrationen: Andrea Caprez.
                                                                                                                                   Spielerfahrung zwischen Spass und Sucht
                                              Gestaltung: Fabian Brunner. Druck: FO-Fotorotar.
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                              Abonnement, Adressänderung: www.suchtpraevention-zh.ch >                        12   Faszination Games
                                              Publikationen > laut&leise                                                           Interview mit Larissa Hauser, M.Sc. Psychologin
                                              Die Beiträge und die Fotos in diesem «laut & leise» geben die Meinung
                                                                                                                              15   Gamen als Sport
                                              der Autorinnen und Autoren wieder. Diese muss nicht mit der Meinung
                                              des Herausgebers, der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich,
                                                                                                                                   E-Sport
                                              übereinstimmen.                                                                 16 Keine Fastenkur
                                              Artikel, Fotos, Illustrationen sind urheberrechtlich geschützt und                 Präventionsprojekt Flimmerpause
                                              dürfen ohne Genehmigung der Redaktion nicht verwendet werden. Falls
                                              Sie Interesse an einem Artikel haben: Anfrage bitte an Annett Niklaus
                                                                                                                              18 Wie das Leben so spielt
                                                                                                                                 Drei Gamer und ihre Geschichten
                                              (annett.niklaus@uzh.ch).

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Meldungen

                                                                                        In eigener Sache
                                                                                        «laut & leise» abonnieren
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                                                                                        mal jährlich und ist jeweils einem
                                                                                        Schwerpunktthema gewidmet.
                                                                                        Bleiben Sie stets auf dem Lau-
                                                                                        fenden in Sachen Suchtpräven-
                                                                                        tion im Kanton Zürich – abon-
                                                                                        nieren Sie das «laut & leise».
                                                                                        Abo unter:
                                                                                        www.suchtpraevention-zh.ch >
                                                                                        Publikationen > Magazin laut&leise

                                                                                       Gesunde und nachhaltige Volksschulen
                                                                                       Angebote der PH Zürich
                                                                                       Sie möchten sich an Ihrer Schule für
                                                                                       Prävention und Gesundheitsförderung
Jugendschutz                                                                           stark machen und interessieren sich für
                                                                                       Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Age Calculator                                                                         (BNE)? Die PH Zürich unterstützt Sie
                                                                                       dabei: In der frisch überarbeiteten Wei-
Darf ich diesem jungen Mann Ziga-         daten man Tabak, Bier und Wein               terbildung «Unterwegs zur gesunden und
retten verkaufen? Ist diese Kundin alt    oder Spirituosen verkaufen darf.             nachhaltigen Schule» werden ab Septem-
genug, dass ich ihr Bier ausschenken      Letztere Funktion bietet auch die Web-       ber 2019 Kontaktpersonen für Gesund-
darf? Für Mitarbeitende in Verkauf        seite age-calculator.ch. Sie ist vor allem   heitsförderung und BNE ausgebildet. Die
und Service ist diese Frage nicht immer   für Festveranstalter hilfreich. Diese        Weiterbildung richtet sich an Lehrperso-
einfach zu beantworten. Selbst dann       können das Festdatum eingeben. An-           nen der Volksschule und weitere Mitar-
nicht, wenn sie den Ausweis verlangen,    schliessend werden die Datumsgrenzen         beitende im Schulkontext (vorzugsweise
da sie schnell vom Geburtsdatum auf       generiert und auf einem übersicht-           im Rahmen der Mitgliedschaft im Schul-
das aktuelle Alter schliessen müssen.     lichen PDF dargestellt. Dieses kann          netz 21). Der Kurstag «Grundlagentag zu
Dies ist insbesondere auch für Hel-       ausgedruckt und an die Mitarbeitenden        Bildung für Nachhaltige Entwicklung»
ferinnen und Helfer an Festveran-         eines Festanlasses verteilt werden.          steht auch bisherigen Kontaktpersonen
staltungen eine Herausforderung. Seit     Das PDF im Format A4 eignet sich gut         sowie interessierten Steuergruppenmit-
vielen Jahren bieten wir deshalb den      zum Anbringen an den Festständen.            gliedern von Netzwerkschulen offen.
Verkaufsstellen und Festveranstaltern     Wenn Gemeinden Bewilligungen für             Zusätzlich bietet die PHZH im Septem-
einen gedruckten «Age Calculator» an.     Festveranstaltungen vergeben, kön-           ber und Oktober je eine zweistündige
                                                                                                                                    Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

Nun gibt es diesen auch online und als    nen sie die Verwendung dieser hilf-          Einführung zu den «Planungshilfen Ge-
App, mit verschiedenen Funktionen.        reichen PDFs zur Auflage machen.              sundheitsförderung und Prävention» an.
In der App kann das Geburtsdatum          Die Zürcher Fachstelle zur Prävention        Die Lehrplan 21-orientierten Planungs-
der Kundin oder des Kunden einge-         des Suchtmittelmissbrauchs ZFPS kon-         hilfen umfassen die Themen Bewegung,
geben werden. Sofort wird angezeigt,      zipierte die Webseite und die Jugend-        Ernährung, Stress, Gewalt, Sucht und
was verkauft werden darf und was          schutz-App in Zusammenarbeit mit der         sexuelle Gesundheit. Sie beinhalten für
nicht. Zudem zeigt die App für den        Arbeitsgruppe Jugendschutz. (ZFPS)           alle drei Zyklen auch Lehrmittelempfeh-
aktuellen Tag an, wo die Datumsgren-      Web: www.age-calculator.ch und               lungen, Literatur und Websites. (PHZH)
zen liegen: So wird auf den Tag genau     www.age-calculator.ch/apps                   Web: www.phzh.ch/weiterbildungssuche >
ersichtlich, bis zu welchen Geburts-                                                   Im Suchfeld «Kurstitel» eingeben.

                                                                                                                                4
Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
Evaluation

                                                                                         l e i se :
                                                                                                              Helfen Sie uns, noch besser zu werden
                                                                                 aut &
                                                                          tion l
                                                                         hen
                                                                      a                                       Was vermissen Sie im Magazin «laut&leise?» Was gefällt Ihnen? Was nicht?
                                                                Evalu
                                                                    m a c                                     Wir möchten noch besser werden und unser Magazin auf Ihre Bedürfnisse
                                                                 Mit 3y.ch!                                   ausrichten. Dafür sind wir auf Ihre Rückmeldung angewiesen. Machen

                                                                 auf 12
                                                                                                              Sie mit bei der Evaluation. Entweder mit dem beigelegten Fragebogen oder
                                                                                                              bequem online unter www.123y.ch
                                                                                                              Mitmachen lohnt sich: Unter den Teilnehmenden wird ein Eintritt für zwei Personen für das
                                                                                                              Irisch-Römische Spa-Ritual im Thermalbad Zürich verlost.

                                          Spielsucht                                                                                «zackstark – rauchfrei durch die Lehre»
                                          Win Back Control                                                                          Präventionsprojekt in Zürcher
                                          Viele problematisch oder pathologisch Spielende möchten ihr                               Lehrbetrieben
                                          Glücksspiel unter Kontrolle bringen, reduzieren oder ganz aufge-                          Im Juni startet im Kanton Zürich das Präventionsprojekt
                                          ben. Nicht allen fällt dies leicht. In Ergänzung zum niederschwel-                        «zackstark – rauchfrei durch die Lehre». Es motiviert
                                          ligen Safer Gambling oder einer Beratung vor Ort bietet das                               Lernende, während der
                                          Zentrum für Spielsucht mit Win Back Control nun einen 8-wöchi-                            gesamten Lehrzeit rauch-
                                          gen Onlinekurs an. In neun Modulen lernen die Teilnehmenden                               frei zu bleiben. Dies
                                          Strategien und Techniken, die ihnen helfen, Herausforderungen                             schützt und stärkt die
                                          zu meistern. Darin enthalten: Führen eines Spieltagebuches mit                            Gesundheit der Jugend-
                                                                                        Glücksspielzeit und                         lichen und erspart ihnen
                                                                                        Stimmung, Planung                           hohe Ausgaben. Gleich-
                                                                                        von alternativen                            zeitig profitieren die
                                                                                        Aktivitäten für jede                        teilnehmenden Betriebe.
                                                                                        Woche, direkte                              Das Projekt «zack-
                                                                                        Unterstützung vom                           stark» wird von der Zürcher Fachstelle zur Präven-
                                                                                        Online-Coach.                               tion des Suchtmittelmissbrauchs ZFPS umgesetzt und
                                                                                        Das Programm                                von der Fachstelle Suchtprävention Mittelschulen
                                                                                        wird durch den                              und Berufsbildung sowie Lunge Zürich begleitet und
                                          Kanton Zürich, die 16 SOS-Spielsucht-Kantone und Ge-                                      unterstützt. Es ist Teil des Zürcher Tabakpräventions-
                                          sundheitsförderung Schweiz finanziert und vom Institut                                     programms, das von Prävention und Gesundheits-
                                          für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF umgesetzt.                                       förderung Kanton Zürich gesteuert wird. (ZFPS)
                                          (Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte)
                                                                                                                                    Web: www.zh.zackstark.ch
                                          Web: www.winbackcontrol.ch und www.safer-gambling.ch

                                          Primarschulen                                               Berufs- und Mittelschulen                                        Rauchfrei bleiben
                                          Hinschauen und Handeln                                      Schulungstool «Anabolika für                                     Videos mit Tipps
                                          Am 28. Oktober 2019 findet von 13.30                         den perfekten Body»                                              Die Fachstelle für interkul-
                                          bis 17 Uhr im Kulturpark Zürich die                         Für die Fachstelle Suchtprävention Mittel-                       turelle Suchtprävention und
                                          Veranstaltung «Ganz konkret – Früh-                         schule und Berufsbildung konzipierte die                         Gesundheitsförderung FISP
                                          erkennung und Frühintervention an                           Zürcher Fachstelle zur Prävention des Sucht-                     hat das Video «Bleiben Sie
                                          Primarschulen» statt. Eingeladen sind                       mittelmissbrauchs ZFPS ein Schulungstool                         beim Nichtrauchen. Tipps
                                          Schulleitende, Schulsozialarbeitende                        zum Thema «Anabolika für den perfekten                           für ein rauchfreies Leben.»
                                          und Kontaktlehrpersonen Schulnetz 21.                       Body». Das Schulungstool umfasst einen Kurz-                     veröffentlicht. Es ist online
                                          Ziel ist es, dass Schulen die Probleme                      film (30 Minuten) mit Interviews, ein Dossier                     in acht Sprachen verfüg-
                                          von Schülerinnen und Schülern frühzei-                      mit Fakten zum Thema Anabolikakonsum und                         bar: Deutsch, Albanisch,
                                          tig wahrnehmen und darauf reagieren,                        Vorschläge für die Bearbeitung des Themas im                     Bosnisch/Kroatisch/Ser-
                                          bevor die Situation aus dem Ruder läuft.                    Unterricht, beispielsweise durch Sportlehr-                      bisch, Englisch, Französisch,
                                          Eine systematische Vorgehensweise                           personen. Im Film interviewen eine Berufs-                       Portugiesisch, Spanisch
                                          in Schulen entlastet die Lehrpersonen                       schülerin und ein Kantonsschüler insgesamt                       und Türkisch. Die Texte der
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                          und stärkt die Kinder. Die Veranstal-                       vier Anabolikakonsumierende (drei Männer                         Videos basieren auf der Bro-
                                          tung der Stellen für Suchtprävention                        und eine Frau), einen Sportarzt und Kardio-                      schüre «Rauchstopp – Tipps,
                                          im Kanton Zürich stellt solche Vorge-                       logen des Universitätsspitals Zürich sowie                       die sich bewährt haben» der
                                          hensweisen vor. Das Programm finden                          einen Sportpsychiater der Psychiatrischen                        Arbeitsgemeinschaft Tabak-
                                          Sie auf suchtpraevention-zh.ch unter                        Universitätsklinik Zürich. Ab Sommer 2019                        prävention AT Schweiz sowie
                                          «Aktuelles». Anmeldungen nehmen die                         steht das Unterrichtstool den Lehrpersonen                       auf Texten der Tabakpräven-
                                          regionalen Suchtpräventionsstellen                          der Mittel- und Berufsschulen auf der Websei-                    tionskampagne «SmokeFree».
                                          entgegen, die Adressen finden Sie auf                        te der Fachstelle Suchtprävention Mittelschule                   Die Videos sind der zweite
                                          der Rückseite dieses Heftes. (EBPI)                         und Berufsbildung zur Verfügung. (ZFPS)                          Teil einer Videoserie. (FISP)
                                          Web: www.suchtpraevention-zh.ch                             Web: www.fs-suchtpraevention-zh.ch                               Web: https://bit.ly/2MP4zv8

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Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
Essay

                                          Geiz ist geiler als gamen

                                          D
                                                  er Nachbar und ich hatten unsere      verrückt wurde ich deswegen übrigens        en, um ihren Geburtstagsbatzen einzu-
                                                  gleichaltrigen Kinder – Maximi-       nicht. Ich habe so oft das Obligatorische   kassieren. Der wird natürlich klein aus-
                                                  lian-Jason und den Brecht – gerade    geschwänzt, dass die Armee irgendwann       fallen, schliesslich brauche ich das Geld
                                          im Kindergarten abgeliefert und waren zu      mein Sturmgewehr zurückverlangte – was      für Hardware. Die lässt man sich dann
                                          Fuss auf dem Heimweg. «Endlich ein paar       mir ganz recht war.                         im Mediamarkt direkt ins Hirn schiessen.
                                          Stunden in Ruhe zocken», freute er sich          Man konnte mich zwischen 13 und 25       So wie man bei Claire’s zu den gekauften
                                          auf den Rest des Vormittags. Ob ich auch      Jahren also öfter beim Gamen antreffen.     Creolen gleich noch die Ohrlöcher gebolzt
                                          zocke, wollte er dann wissen. Ich lachte      Nur nicht an meinem eigenen Bildschirm.     bekommt oder das Büsi beim Tierarzt den
                                          leicht mitleidig: «Haha nein, ich bin über-   Ich war offenbar zu geizig, Geld für Kon-   Chip ins Füdli.
                                          haupt kein Gamer!»                            solen und Spiele auszugeben. Lieber            Als Vater eines fünfjährigen Kindes
                                             Bei uns zu Hause ist nämlich meine         schnorrte ich mir Bildschirmzeit in mei-    beschäftigen mich erst einmal andere
                                          FraufürsSpielenzuständig.SieliebtBrett-       nem Umfeld zusammen. Das bewahrte           Fragen: Wann wird der Brecht zum Ga-
                                          spiele, puzzelt leidenschaftlich und spielt
                                          Games auf dem Handy und am Compu-             Schon erstaunlich, wie mein Interesse für Computerspiele
                                          ter. Ich halte das für Zeitverschwendung
                                          und kümmere mich lieber um «sinnvolle         vollständig verschwand. Eventuell ist die fehlende Freizeit
                                          Tätigkeiten». Schaut her, der feine Herr      dran schuld. Früher als Jugendlicher hatte der Tag gefühlte
                                          Tschannen: Erist etwas Besseres! Ich habe
                                                                                        72 Stunden. Heute müsste ich Arbeit, Haushalt oder Kind
                                          gegenüber Computerspielen eine ganz
                                          schön überhebliche Haltung entwickelt.        vernachlässigen, wenn ich auch noch gamen wollte.
                                          Das realisierte ich erst, als mich Maximi-
                                          lian-Jasons Vater fragte, ob ich denn frü-    mich vor einer möglichen Gamesucht:         mer? Tauscht er seine Plüschtiere im Kin-
                                          her ein Gamer war. Ich antwortete erneut      Ich verbrachte nicht Tag und Nacht mit      der-Darknet schon bald gegen Fortnite?
                                          mit einem zackigen «Nein».                    Computerspielen, denn nachts liess mich     Entwickelt er ein gesundesVerhältnis zum
                                             Das Problem: Es stimmt nicht. Ich bin      niemand an seinen PC. Und als ich dann      Bildschirm oderwird erTag und Nacht nur
                                          einfach vergesslich. Als 13-Jähriger bau-     irgendwann alleine wohnte, war es mit       noch mit Anschleichen, Schiessen und
                                          te ich zusammen mit meinem Cousin an          dem Gamen gleich ganz vorbei.               Nachladen beschäftigt sein? Etwas Angst
                                          seinem Mac prachtvolle Städte in SimCity         Schon erstaunlich, wie mein Interes-     macht mir dieser Gedanke ja schon. Zum
                                          2000. An der Playstation meines Bruders       se für Computerspiele vollständig ver-      Glück weiss ich aus Erfahrung, was den
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                          ballerte ich als Archäologin Lara Croft       schwand. Eventuell ist die fehlende Frei-   Brecht vor der Spielsucht bewahren wird:
                                          mit der Maschinenpistole kantige Schur-       zeit dran schuld. Früher als Jugendlicher   Ich muss ihn nach meinem Ebenbild zum
                                          ken über den Haufen. Ich lenkte am Fa-        hatte der Tag gefühlte 72 Stunden. Heute    Geizhals erziehen.
                                          miliencomputer in Command & Conquer           müsste ich Arbeit, Haushalt oder Kind
                                          die Panzer der Global Defense Initiative      vernachlässigen, wenn ich auch noch ga-     n
                                          GDI zum Gefecht gegen die Bruderschaft        men wollte. Aber es werden wieder andere
                                          von NOD. In der Studenten-WG schlich          Lebensphasen kommen. Bestimmt wende         Markus Tschannen ist Papablogger im Mamablog
                                                                                                                                    des «Tages-Anzeigers».
                                          ich mich an den PC meines Mitbewoh-           ich mich dereinst in der Seniorenresidenz
                                          ners, um Counter Strike zu spielen, eines     Bärgblüemli erneut den Ego-Shootern
                                          dieser umstrittenen Ballergames. Waffen-      zu –wenn die Enkel nur nochvorbeischau-

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Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
Spielerfahrung zwischen Spass und Sucht

Im Bann der Videospiele

Während die etablierten Kulturformen wie Musik und Film bestenfalls stagnieren, gewinnen Games laufend neue Fans
hinzu. Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen – mit all ihren positiven wie negativen Seiten.
Von Marc Bodmer

I
   n den frühen Achtzigerjahren zog es       PDP-1-Computer des Hingham Institutes        liebte «Spacewar!», eine Konkurrenz für
   mich zusammen mit meinem besten           «Spacewar!».                                 Flipperkästen in die Spielhallen. Das Spiel
   Freund in den Spielsalon Frosch in           Sieht man einmal von diesen verein-       überforderte jedoch die Klientel, weshalb
Zürichs Froschaugasse. Obschonwirnoch        zelten experimentellen Versuchen in          der spätere Gründer des Videospiel-
keine 16 Jahre alt waren, durften wir – da   elektrotechnischen Forschungslaborato-       herstellers Atari das einfachere «Pong»,
wir uns anständig benahmen – an den          rien ab, wie «Spacewar!» und noch zuvor      eine Art Tischtennis in Schwarz-Weiss,
Flipperkästen unsere Geschicklichkeit        «Tennis for Two», entwickelt von William     nachschob. Pong erweist sich als belieb-
und Reaktionsfähigkeit testen und uns        Higginbotham 1958 im Brookhaven Natio-       ter Münzschlucker, den Bushnell in ganz
beim Tischfussball messen. Eines Tages       nal Laboratory, so gilt der deutschstäm-     Amerika vertreibt. So lässt sich die Ge-
blickte ich bei einem Kasten mit einem       mige Ralph Baer aus juristischer Sicht       burtsstunde der kommerziellen Compu-
eingebauten Monitor wie durch ein Visier.
Vor mir eröffnete sich eine monochrome       So richtig los geht’s mit «Space Invaders» (1978), «Pac-Man» (1981)
Landschaft, deren fluoreszierend grüne        und dem ersten Auftritt eines schnauzbärtigen Zimmermanns
Linien mich an geometrisches Zeichnen
erinnerten. Pyramidenartige Berge er-        im Jump’n’Run-Titel «Donkey Kong» (1980). Aus dem damals noch
hoben sich am Horizont und kubistische       namenlosen Jumpman wird der legendäre Super Mario.
Dinge bewegten sich durch die Gegend.
Mit dem Joystick in meiner Hand konnte       als der Vater des Videospiels. Vor Gericht   ter- und Videospiele ins Jahr 1972 legen.
ich einen für mich nicht sichtbaren «Pan-    erstritt sich Baer die Definition eines Vi-   Pong wurde damit auch das erste Sport-
zer» steuern, mit einem Knopf schiessen,     deospiels, die ein Gerät umschreibt, das     spiel, eine Kategorie, die heute innerhalb
denn schon bald wurde ich von UFOs und       Raster-Videotechnologie zur Darstellung      der Games-Welt viel Platz einnimmt.
anderen Tanks angegriffen. Ich war fas-      des Spiels verwendet – sprich ein TV-Ge-
ziniert von diesem Gefühl der Kontrolle,     rät oder TV-Monitor – und nicht wie in       Space Invaders und Co.
denn sowohl beim Flippern als auch beim      früheren Versuchen ein Osziloskop, das       So richtig los geht’s dann ein paar Jah-
Töggeln zog der Ball unberechenbare Bah-     an einen Computer angeschlossen wur-         re später mit «Space Invaders» (1978),
nen. Hier in «Battlezone» (1980) von Atari   de. Baer entwickelte 1966 «Fox & Hounds».    «Pac-Man» (1981) und dem ersten Auftritt
lag das Geschick in meinen Händen. Ich       Das Spiel bestand darin, sich vorzustel-     eines schnauzbärtigen Zimmermanns im
hatte das Geschehen im Griff.                len, dass ein Punkt ein Fuchs war und der    Jump’n’Run-Titel «Donkey Kong» (1980).
                                             andere ein Jagdhund. Das Ziel war es, dass   Aus dem damals noch namenlosen Jump-
                                                                                                                                        Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

Die ersten Computerspiele                    der Hund den Fuchs jagen musste, bis er      man wird der legendäre Super Mario,
Auch wenn dieses Erlebnis schon 40 Jah-      ihn erwischte, indem er schlicht den an-     der dann auch noch seinen Job wechselt
re zurückliegt, die Geschichte der Video-    deren Punkt berührte. Es war das erste       und zum Sanitär «avanciert», der zeitle-
spiele beginnt bereits 1961 im Hingham       «Videospiel», das je auf einem Fernseh-      bens Prinzessin Peach retten muss. Kurz
Institute, Cambridge, Massachusetts.         bildschirm gespielt wurde.                   vor den Olympischen Sommerspielen in
Hier fanden sich drei junge Forscher und        Die Ur-Konsole «Magnavox Odyssey»,        Los Angeles wurde 1983 «Track & Field»,
Fans kruder Science-Fiction-Geschichten      basierend auf Baers Patent, wird 1972 auf    ein sogenannter «button masher» par
zusammen. Wohl nicht zuletzt deshalb         den Markt gebracht. Doch ein Jahr zuvor      excellence, veröffentlicht, der weiter das
tauften sie ein einfaches Demonstrations-    stellte Nolan Bushnell mit «Computer         Sport-Genre befeuert. Nur wer die drei
programm für den damals revolutionären       Space», eine Referenz an das von ihm ge-     Tasten am schnellsten drücken konnte,

                                                                                                                                   8
Wer Games spielt, wird in die Ecke potenzieller Gewalttäter
                                          gestellt, obschon die Auswirkungen von medialen Gewalt-
                                          inszenierungen marginal sind und gegenüber realen Vorbildern
                                          wie Lehrpersonen, Eltern und der Peer-Gruppe verblassen.

                                          hatte Chancen, seine Athleten als Ers-        Gewaltinszenierungen marginal sind und         Computergames dar. Sorgten während
                                          te über die Ziellinie zu bugsieren. Dem       gegenüber realen Vorbildern wie Lehr-          der ersten Blütezeit in den frühen Acht-
                                          grossen Finale von «Star Wars – Episode       personen, Eltern und der Peer-Gruppe           zigerjahren Videospiele in den USA für
                                          IV» (1978) nachempfunden war der erste        verblassen. Doch all diese «abstrakten»        Knappheit bei den Quarter-Münzen (25
                                          First-Person-Shooter «Tailgunner» (1979),     Einflüsse lassen sich eben nicht so dank-       Cents), ist die heutige Omnipräsenz und
                                          in dem bläuliche Strichraumschiffe abge-      bar ins Bild rücken wie eine Szene aus         stetige Verfügbarkeit des interaktiven
                                          schossen werden mussten und der Spieler       einem Shooter-Game im Kontext einer            Mediums in manchen Konstellationen
                                          direkt aus einer subjektiven Perspektive      Schiesserei. Leidtragende dieses Stell-        problematisch. Noch vor gut zehn Jah-
                                          ins Geschehen blickte.                        vertreterkrieges sind die Gamer, die auf-      ren beschränkte sich die Suchtthematik
                                             Für unrühmliches Aufsehen sorgt das        grund dieser Stigmatisierung sich entwe-       praktisch auf einen Titel: World of War-
                                          Ego-Shooter-Genre in den Neunzigerjah-        der nicht outen oder auf gehässige Weise       craft. Dieser mutierte über Zeit zu einem
                                          ren und wird in einen verstörenden Kon-       in Online-Diskussionen zurückschlagen.         sozialen Netzwerk mit dem gemeinsamen
                                          text gestellt:Am 20.April 1999 erschiessen    Wie unschön das werden kann, zeigte das        Nenner eines Fantasy-Settings in der Art
                                          die beidenTeenagerEric Harris und Dylan       Beispiel von Gamergate, wo Spielerinnen        von «Lord of the Rings». Zusätzlich zur ex-
                                          Klebold an ihrer Highschool in Littleton,     und Kritikerinnen gewisser Trends in der       trem wichtigen Sozialkomponente spielte
                                          Colorado, 12 Mitschülerinnen und -schü-       Gaming-Welt beschimpft und teils sogar         ein intermittierendes Belohnungssystem
                                          ler, eine Lehrperson und anschliessend        massiv bedroht wurden.                         eine Rolle, das die Bindung an das Spiel
                                          sich selbst. Die Medien mussten für das          Während in Fachkreisen die Frage zu         erhöhte.
                                          Unfassbare schnell eine Erklärung finden       möglichen negativenAuswirkungen durch
                                          und sahen sie darin, dass die beiden Tä-      den Konsum von gewaltinszenierenden            Kompetenz statt Glück
                                          ter exzessive «Doom»-Spieler waren. Die       Games nicht weiter als relevant einge-            Diese Form der scheinbar zufälligen
                                          Logik lag auf der Hand: Im Game wird          stuft wird, und die Unterhaltungssoftware      Belohnung, die nach unberechenbaren
                                          auf alles geschossen, was sich bewegt. An     Selbstkontrolle (USK) in Deutschland, die      Kriterien Anerkennungen verteilt, ist bei
                                          der Schule wurde geschossen. Ergo: Das        weltweit schärfste Jugendschutzinstitu-        Glücksspielen verbreitet und trägt dazu
                                          Ballerspiel muss eine verrohende Wir-         tion in Sachen Computerspiele, in den          bei, dass die Kunden immer wiederkeh-
                                          kung auf die Spieler gehabt haben. Als die    letzten Jahren keine Titel mehr auf den        ren. Das Prinzip der «near misses», des
                                          Schlagzeilen schon längst geschrieben         Index gestellt oder Zensurschnitte einge-      fast gelungenen Volltreffers wie er bes-
                                          waren, wurde bekannt, dass Klebold und        fordert hat, spuken in den Köpfen vieler       tens von Einarmigen Banditen bekannt
                                          Harris während eineinhalb Jahren das          Erwachsener nach wie vor Bedenken he-          ist, ist bei den sogenannten «Free 2 Play
                                          Massaker vorbereitet haben. Eigentlich        rum. Nichtspielenden helfen bei der Ein-       Games» beliebt. Sie sind zwar in der An-
                                          wollten sie die vollbesetzte Schulcafete-     ordnung der Game-Inhalte die Angaben           schaffung kostenlos, setzen aber auf mo-
                                          ria in die Luft sprengen, was zu mehreren     derPan European Game Information, kurz         netäre Mikrotransaktionen für gewisse
                                          hundert Toten geführt hätte. Bewusst leg-     Pegi, die auf jedem Spiel, das in derSchweiz   Objekte im Spiel. Nur wer bei der Stange
                                          ten sie das Datum auf den 110. Geburtstag     verkauft wird, über Altersfreigabe sowie       gehalten werden kann, wird auch Geld in
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                          von Adolf Hitler, denn sie verehrten Na-      kritische Themen wie Gewalt, Drogenkon-        die Hand nehmen, um virtuelle Dinge zu
                                          zi-Gedankengut, litten aber auch unter        sum, Sprache usw. informieren.                 kaufen. Die Integration von Glücksspiel-
                                          psychischen Störungen.                                                                       elementen widerspricht aber dem Kern
                                                                                        Umstritten: zufällige Belohnung                von Computerspielen zutiefst, weshalb
                                          Diskussion über Videospiele                   Kritischer als die medial gehypte «Kil-        sie unter Game-Entwicklern unbeliebt
                                          So findet seit 20 Jahren die Diskussion        lerspiele»-Debatte, die hauptsächlich          sind: Games sind Lernmaschinen und
                                          über Videospiele in diesem medialen           der Profilierung mässig begabter Politi-        bauen auf Kompetenz und Geschick. Klar
                                          Rahmen statt. Wer Games spielt, wird in       ker und Politikerinnen diente, stellt sich     winkt das Glück gelegentlich dem Tüchti-
                                          die Ecke potenzieller Gewalttäter gestellt,   die Herausforderung möglicher Abhän-           gen, aber die oben beschriebenen Mecha-
                                          obschon die Auswirkungen von medialen         gigkeitsformen in Zusammenhang mit             nismen haben nichts mit Fähigkeiten zu

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Auch wenn viele Nichtspieler es ungern zur Kenntnis nehmen,
aber Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft
angekommen – mit all ihren positiven wie negativen Seiten.
Während die etablierten Kulturformen wie Musik und
Film bestenfalls stagnieren, gewinnen Games laufend neue
Fans hinzu.

tun, sondern dem gesteuerten Zufall. Der     mobilen Plattformen eine Renaissance im       Kulturformen wie Musik und Film besten-
Einsatz dieser Bindungssysteme ist übri-     Steam-Punk-Zeitalter. Die Entscheidun-        falls stagnieren, gewinnen Games laufend
gens nicht (kostenlosen) Computerspielen     gen der Romanfigur Passepartout treffen        neue Fans hinzu. So hat sich auch die De-
vorbehalten. Soziale Netzwerke wie Face-     die Leserin oder der Leser und steuern so     mografie der Spielenden über die Zeit ver-
book, Instagram und Co. arbeiten schon       den Verlauf der äusserst amüsanten Ge-        ändert: Knapp ein Viertel der Spielenden
seit geraumer Zeit mit deren Hilfe und ge-   schichte.                                     ist in den USA bereits über 50 Jahre und
raten deshalb auch mehr und mehr in Ver-                                                   46 Prozent sind Frauen. Videospiele sind
ruf. Ausserdem gibt es eine beträchtliche    Leitmedium der Zukunft                        also bei Weitem nicht Kinderkram, son-
Anzahl von «Free 2 Play Games», bei denen       Es ist denn auch diese Möglichkeit,        dern das Leitmedium der Zukunft und in
man irgendwann bezahlen muss, weil man       Entscheide zu treffen und in die Geschi-      mancher Hinsicht bereits der Gegenwart.
mit reiner Kompetenz und Geschicklich-       cke einzugreifen oder zumindest nach
keit (fast) nicht mehr weiterkommt, was      den besten Fähigkeiten zu beeinflussen,        n
ebenfalls dem ursprünglichen Game-Pa-        die mehr und mehr Leute in den Bann
                                                                                           Marc Bodmer, Master of Law UZH und Game-
radigma widerspricht. Gamer sprechen         zieht. In einer Welt, in der Kinder und Ju-
                                                                                           consultant, beschäftigt sich seit rund 25 Jahren
in diesem Zusammenhang auch von «Pay-        gendliche oft ohnmächtig den Regeln und       mit den soziokulturellen Auswirkungen und
2Win».                                       Vorschriften der Erwachsenenwelt gegen-       Nutzungsformen von Videospielen. Er berät
                                             überstehen, sind das (virtuelle) Ausüben      Schulen, Eltern und Firmen zum Thema Games
Entscheiden und lenken                       von Macht und das Erlebnis von Selbst-        und Gamification.

Auch wenn die Frage der Computerspiel-       wirksamkeit besonders für Jungs attrak-
sucht in manchen Fällen das Erlebnis         tiv. Hinzu kommt, dass sich Games eignen,
trübt, weit über 90 Prozent der Spielenden   um sich von omnipräsenten, coolen und
hat keine Probleme im Umgang mit dem         hippen Eltern abzugrenzen. Die heuti-
                                                                                               Jugendschutz «Film
interaktiven Medium. Gemäss jüngsten         ge Nachwuchsgeneration hat praktisch              und Videospiele»
Zahlen erfreuen sich weltweit über drei      keine Möglichkeit, sich der Supervision           Mit dem Gesetz über denJugendschutz
Milliarden Menschen immer imposan-           der Erwachsenen zu entziehen. Um sich             in Film und Videospielen sollen Min-
teren, epischeren und komplexeren Sze-       dieser Dauerbeobachtung zu entziehen,             derjährige vor Medieninhalten ge-
narien. Sie tauchen ab in fantastische       bieten sich Computerspiele an. Zum einen          schützt werden, die «ihre körperliche,
Welten, die sie retten, verteidigen, aber    verlangt die Erschliessung der Game-Welt          geistige, psychische, sittliche oder
auch erobern können. Sie dribbeln und        gewisses technisches Geschick und viel            soziale Entwicklung gefährden kön-
tricksen Gegner auf dem Fussball- oder       Zeit, die vielen Erwachsenen fehlen. Zum          nen». Der Fachverband Sucht und das
Basketballfeld aus. Sie vernetzen sich       anderen bieten manche Inhalte Gewalt-             Zentrum für Spielsucht und andere
in globalen Clans und chatten in der         darstellungen, die zwar in der Regel weit         Verhaltenssüchte unterstützen dieses
westlichen Hemisphäre in der Regel auf       banaler ausfallen als die sadistische Perfi-       Anliegen in ihrer Vernehmlassungs-
                                                                                                                                                   Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

Englisch. Die Genrevielfalt von heute und    die in Spielfilmen à la Tarantino, aber den-       antwort und fordern deshalb, dass
die Diversität der Geschichten und Set-      noch im Falle von «Mortal Kombat 11» zum          der Zugang eingeschränkt und kont-
tings, die heute geboten werden, halten      Beispiel über einen gewissen Schockwert           rolliert wird. Die vorgesehene Einfüh-
problemlos mit den Varianten des Spiel-      verfügen, der zu innerfamiliären Diskus-          rung von Testkäufen wird befürwor-
films mit. Selbst sperrige Themen wie die     sionen führen kann.                               tet. Gewisse Games machen schneller
Flucht aus oder das Leben in Kriegsgebie-       Auchwennviele Nichtspieler es ungern           süchtig als andere. Deshalb muss das
ten wird in Titeln wie «Bury Me, My Love»    zur Kenntnis nehmen, aber Computer-               Abhängigkeitspotenzial der Games für
oder «This War of Mine» differenziert auf-   spiele sind in der Mitte der Gesellschaft         die Festlegung der Alterslimiten mit-
gegriffen. Literarische Klassiker erleben    angekommen – mit all ihren positiven wie          berücksichtigt werden.
in interaktiver Form wie in «80 Days» auf    negativen Seiten. Während die etablierten

                                                                                                                                              10
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

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Larissa Hauser, M.Sc. Psychologin, Fachmitarbeiterin der Suchtpräventionsstelle Winterthur

Faszination Games

Gamen und Chatten decken wichtige Grundbedürfnisse von Jugendlichen ab: Zugehörigkeit, Anerkennung, Autonomie
und sich kompetent fühlen. Online ist für junge Menschen genauso eine Realität wie das Sein in der realen Welt.
Von Brigitte Müller

laut & leise: Larissa Hauser, Sie arbei-        kunden dabei gleichzeitig, was für eine       Wissen an Lehr- und Fachpersonen sowie
ten als ausgebildete Psychologin auf der        Bedeutung gewisse Dinge, beispielsweise       Eltern weitergeben.
Suchtpräventionsstelle Winterthur. Was          die Medien, innerhalb der Familie haben.
interessiert Sie am Thema Gamen?                Das ist ein wichtiger Aspekt der Medien-      l & l: Haben Sie Erklärungen, warum Ju-
Larissa Hauser: Mich faszinieren die            kompetenz.                                    gendliche gamen und chatten?
Menschen, die gamen und die damit ver-                                                        Hauser: Gamen und Chatten befriedigen
bunden Fragen – wie und warum gamen             l & l: Lassen Sie Ihren Sohn auch mit ei-     natürliche Bedürfnisse von Jugendlichen.
sie, was erleben und fühlen sie dabei.          nem iPad oder Smartphone spielen?             Es sind dies vor allem Zugehörigkeit, An-
Es sind also psychologische Aspekte, die        Hauser: Unser Sohn ist fünf Jahre alt,        erkennung, Autonomie und sich kompe-
mich interessieren. Ich selber game nicht.      und er darf diese Geräte regelmässig be-      tent zu fühlen. Diese Bedürfnisse kennen
Manchmal schaue ich meinem Mann zu,             nützen. Wichtig ist mir, dass der zeitliche   auch Erwachsene, nur suchen Kinder und
wenn er spielt, doch nach kurzer Zeit bin       Rahmen begrenzt ist und ich genau weiss,      Jugendliche im Zuge ihrer Entwicklung
ich gelangweilt. Aber ich rede gerne mit        was er anschaut oder spielt. Als Fachfrau     verstärkt danach. Zudem möchte ich be-
Menschen über das Gamen.                        empfehle ich, dass Eltern bewusst reflek-      tonen, dass Gamen und Chatten einfach
                                                tieren und sich möglichst einig sind, wel-    Spass machen. Die Jugendlichen erleben
l & l: Ihr Sohn ist in einem Alter, wo das      chen Umgang sie ihren Kindern ermögli-
Thema Gamen noch nicht aktuell ist. Nut-        chen möchten. Gleichzeitig ist es wichtig,
zen Sie als Mutter schon heute Gelegen-         seinen eigenen Konsum und Umgang mit           Angebote der regionalen
heiten, dass er spielerisch mit digitalen       diesen Geräten zu hinterfragen. Diese          Suchtpräventionsstellen
Medien in Berührung kommt?                      Diskussion sollten Eltern im besten Fall
                                                                                               Die Suchtpräventionsstellen bieten
Hauser: Unser Sohn hat sich bereits mit         schon vor der Geburt führen, denn wie die
                                                                                               rund ums Thema Gamen und On-
drei Jahren einen Laptop aus Papier und         bereits erwähnten Rollenspiele klar zei-
                                                                                               line-Sucht folgende Dienstleistungen
Moosgummi für die Tasten gebaut. Wenn           gen, beobachten schon Babys und Klein-
                                                                                               für Schulen, Eltern und Gemeinden:
mein Mann oder ich zu Hause mit dem Lap-        kinderihre Eltern sehrgenau. Schliesslich
                                                                                               • Beratung und Unterrichtsmate-
top arbeiten, dann holt er oft seinen gebas-    sind wir Erwachsenen es, die den Kindern
                                                                                               rialien für Schulen, unter anderem
telten Laptop, setzt sich zu uns und arbeitet   den Umgang mit den Medien vorleben.
                                                                                               Freelance mit leicht umsetzbaren,
ebenfalls konzentriert und geschäftig mit.
                                                                                               erprobten Unterrichtseinheiten
Erspielt so dieWelt derErwachsenen nach.        l & l: In welchem Zusammenhang haben
                                                                                               • Elternabende an Schulen und in
Genauso war er vor eineinhalb Jahren mit        Sie beruflich mit dem Thema Gamen zu
                                                                                               Gemeinden
mir schwanger, indem er sich einen dicken       tun?
                                                                                               • Elternbroschüren in verschiede-
Bauch bastelte und mir erzählte «wie an-        Hauser: Ich arbeite seit neun Jahren auf
                                                                                               nen Sprachen. Kostenlos bestellen
strengend es langsam sei».                      der Suchtpräventionsstelle Winterthur
                                                                                               oder lesen unter: suchtpraeventi-
                                                                                                                                          Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                                und so lange beschäftigen uns auch die
                                                                                               on-zh.ch > Publikationen > Infomate-
l & l: Die digitale Welt wird also erfahrbar    Themen Gamen und Social Media, für die
                                                                                               rial für Familien
durch Rollenspiele.                             wir Weiterbildungen anbieten. Ich habe
                                                                                               • Kurzberatung für besorgte Bezugs-
Hauser: Genau. Wir alle haben selber als        zudem einen Master mit dem Schwer-
                                                                                               personen von Jugendlichen
Kinder solche Rollenspiele gespielt mit         punkt Medienpsychologie abgeschlossen.
                                                                                               • Weitere Angebote bei einzelnen
Puppen, mit einem Verkaufsladen, mit            Das Interessante ist, dass sich die On-
                                                                                               Stellen
den Spielzeugautos. Rollenspiele sind           linewelt rasant verändert, und ich mich
                                                                                               Den Kontakt zur Suchtpräventions-
sehr wichtig. Damit lernen, erfahren und        also stetig informieren muss. An Weiter-
                                                                                               stelle Ihrer Region finden Sie auf der
verstehen Kinder auf ihre eigene, spiele-       bildungen oder in Beratungsgesprächen
                                                                                               Rückseite dieses Heftes.
rische Art die Erwachsenenwelt und er-          kann ich meine Erkenntnisse und mein

                                                                                                                                    12
Gamen und Chatten befriedigen natürliche Bedürfnisse von
                                          Jugendlichen. Es sind dies vor allem Zugehörigkeit, Anerkennung,
                                          Autonomie und sich kompetent zu fühlen.

                                          dabei eine Verbundenheit untereinander,      wo Gamer gefordert sind schnell und ge-         auch jemanden, der sich um sie kümmert
                                          sie können sich austauschen, können neu-     schickt zu reagieren oder gewisse Dinge         und sich mit ihnen beschäftigt, spielt,
                                          gierig sein, sie erfahren neue Dinge oder    zu verwalten und zu managen. Oder ein           streitet, verhandelt und Grenzen setzt –
                                          entspannen sich einfach.                     Jugendlicher möchte gewisse Kompeten-           und sie dann trotzdem wieder gewähren
                                                                                       zen lernen und Tricks herausfinden, in-          lässt. Das braucht viel Kraft – tagtäglich.
                                          l & l: Internet und Gamen – gibt es Unter-   dem er einem anderen Gamer auf Youtube          Oft sind wir versucht, das Kind einfach
                                          schiede zwischen Jungen und Mädchen?         zuschaut. Gamer erstellen oft Video-An-         vor dem Fernseher oder der Spielkonsole
                                          Hauser: Ja, den gibt es, und das unter-      leitungen für andere Spieler.                   sitzen zu lassen, weil wir so unsere Ruhe
                                          schiedliche Verhalten ist sogar sehr                                                         haben und Dinge erledigen können. Zu-
                                          «klassisch». Die Jungs spielen lieber, ha-   l & l: Welche Jugendlichen sind besonders       dem müssen wir das eigene Verhalten
                                          ben gerne «Action». Die Mädchen reden        gefährdet, gamesüchtig zu werden?               reflektieren, gerade in Bezug auf den Me-
                                          gerne miteinander und tauschen Bilder        Hauser: Es sind mehrheitlich männliche          dienkonsum. Ist man selber ständig am
                                          aus. Jungs sind auch auf den Social Media    Jugendliche, die in der realen Welt Mühe        Smartphone und beantwortet beispiels-
                                          unterwegs und bei älteren Jugendlichen       haben, Anschluss zu finden, keine Freun-         weise Whatsapp-Nachrichten am Ess-
                                          gleichen sich die Zahlen an. Beim Gamen      deoderHobbyshaben,vielalleinund/oder            tisch, kann es schwierig werden, seinem
                                          jedoch wird der Unterschied je älter desto   in Konflikte in der Familie oder der Schule      12-jährigen Kind plötzlich strikte Regeln
                                          grösser.                                     verwickelt sind. Solche Jugendliche kön-        abzuverlangen. Trotzdem kann es gelin-
                                                                                       nen beim Gamen eine Ersatzwelt erleben,         gen, wenn sich die Eltern zuerst unter-
                                          l & l: Welche Rolle spielt die Peer-Group    wo sie Anschluss finden und erfolgreich          einander absprechen und sich einig sind
                                          beim Gamen und Chatten?                      sind. Beim Gamen werden wichtige Be-            über die Abmachungen.
                                          Hauser: Die Peer-Group ist für Jugendli-     dürfnisse erfüllt, die sie in der realen Welt
                                          che zentral. Auch online wird mit Freun-     vermissen. In dieser Situation sollten El-      l & l: Wann sollte man professionelle Hilfe
                                          den zusammen gespielt und über Social        tern hellhörig werden, wenn sich ihr Kind       holen?
                                          Media wird miteinander kommuniziert.         nur noch mit dem Gamen beschäftigt.             Hauser: Wenn man ein ungutes Gefühl
                                          Jugendliche unterscheiden wenig, ob sie                                                      hat, sein Kind nicht mehr versteht, nur
                                          via digitale Medien oder von Angesicht       l & l: Reagieren Mütter anders, wenn ihr        noch das Problem sieht und kein ver-
                                          zu Angesicht miteinander kommunizie-         Sohn am Gamen ist, als Väter?                   nünftiges Gespräch mehr entsteht oder
                                          ren. Für sie laufen beide Welten parallel    Hauser: Meiner Erfahrung nach ja. Es            die Kraft und Energie fehlt, sich mit dem
                                          nebeneinander her und werden als die-        sind meistens Mütter, die wegen ihrer           Thema auseinanderzusetzen. Es gibt ja
                                          selbe Realität erlebt. Deshalb können sie    Söhne zu uns zu einer Kurzberatung kom-         verschiedene Stufen von Hilfe, von sich
                                          nebeneinander auf dem gleichen Sofa          men. Sie haben oft einen geringen oder          informieren und austauschen, eine Wei-
                                          sitzen und trotzdem via Whatsapp mitei-      keinen Zugang zur Welt des Gamens und           terbildung oder Kurzberatung besuchen
                                          nander hin und her chatten. Was wir er-      sie verstehen deshalb nicht, warum ihr          bis hin zu einer psychologischen Beratung
                                          leben, ist ein Kulturwandel des Kommu-       Sohn davon so begeistert ist. Wird dann         oder Therapie.
                                          nizierens. Wenn wir ehrlich sind, stecken    noch geschossen und gekämpft, dann sind
                                          wir selber mitten drin. Weil mein Mann       sie schnell verunsichert und haben Vor-         l & l: Wie können Eltern mit ihren Kindern
                                          nur eine Onlineagenda führt, muss ich        urteile. Ich denke, ein weiterer Grund,         einen gesunden Umgang mit dem Gamen
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                          ihm einen Termin, beispielsweise Wäsche      warum sich vorwiegend Mütter melden,            vereinbaren?
                                          aufhängen oder Brot einkaufen, online als    ist, weil sie immer noch mehrheitlich die       Hauser: Entscheidend sind drei Dinge:
                                          Terminblocker mitteilen.                     Erziehungsverantwortung übernehmen.             das Mass, der Inhalt und der Ausgleich.
                                                                                                                                       Man sollte vereinbaren, wie viele Zeit ge-
                                          l & l: Können Jugendliche beim Gamen         l & l: Was können Eltern präventiv tun,         spielt werden darf und diese Zeitlimite
                                          Kompetenzen erwerben?                        damit das Kind nicht onlinesüchtig wird?        muss eingehalten werden. Dann gilt es
                                          Hauser: Ja. Je nach Game muss man Pla-       Hauser: Das Wichtigste ist sehr grund-          zu klären, ob der Inhalt eines Games dem
                                          nen, sich eine Strategie überlegen und       legend: Liebe, Zuwendung, Präsenz – und         Alter und Temperament des Kindes ent-
                                          im Team zusammenspielen, um gewisse          Loslassen. Kinder und Jugendliche brau-         spricht. Wenn ein Kind nach dem Spielen
                                          Ziele zu erreichen. Es gibt auch Spiele,     chen einerseits Zeit, andererseits aber         immer aggressiv reagiert, sollte das zu-

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Es gilt zu klären, ob der Inhalt eines Games dem Alter und
Temperament des Kindes entspricht. Wenn ein Kind nach
dem Spielen immer aggressiv reagiert, sollte das zusammen
mit dem Kind besprochen und ein neues Game gesucht
werden, das besser zum Naturell und Entwicklungsstand
des Kindes passt.

sammen mit dem Kind besprochen und
ein neues Game gesucht werden, das bes-
ser zum Naturell und Entwicklungsstand
des Kindes passt. Am Wichtigsten ist, dass
das Kind einen Ausgleich in der realen
Welt hat. Spielt zum Beispiel ein Junge
vor dem Fussballtraining eine Stunde ein
Game, kann diese Gamezeit genauso eine
Erholung sein wie das Fussballspielen. Es
geht nicht darum, das Gamen zu verbieten,
sondern einen vernünftigen Weg für alle
zu finden.

l & l: Bietet die Suchtpräventionsstelle
Winterthur Angebote zum Thema Gamen
an?
Hauser: Wir bieten Weiterbildungskurse
für Bezugspersonen an und für Jugendli-
che präventive Kurzinterventionen unter
dem Namen Virtublick. Und wie bereits
erwähnt, können Eltern zu einer Kurzbe-
ratung kommen.

l & l: Wie können Schulen mit dem Thema
Gamen umgehen?
Hauser: Auch beim Thema Gamen schät-
zen Kinder und Jugendliche, wenn sie Ant-
worten von Erwachsenen auf ihre Fragen
erhalten. Lehrpersonen, die selber spie-
len, haben es da sicher einfacher. Grund-
sätzlich wäre es toll, wenn sich aber auch
andere Lehrpersonen für Games interes-
sieren und diese im Schulunterricht the-
matisieren und darüber diskutiert wird.
Warum nicht beispielsweise ein histori-
sches Thema sogar anhand eines Games
aus der entsprechenden Epoche erklären?
                                                                  Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

n

Larissa Hauser ist Psychologin und Fachmitarbeiterin
der Suchtpräventionsstelle Winterthur. Seit neun
Jahren beschäftigt sie sich mit der Nutzung von
digitalen Medien in der Präventionsarbeit.

Brigitte Müller, Texterin und Redaktionsleiterin
«laut & leise» stellte die Fragen.

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E-Sport

                                          Gamen als Sport

                                          E-Sport kann eine Chance sein für Gamer und Eltern. Profispieler können Struktur und Orientierung in die unübersichtliche
                                          Gamingwelt bringen und für die Prävention die Rolle als Botschafter für verantwortungsvolles Gamen übernehmen.
                                          Von Christian Ingold

                                          E
                                                -Sport? Schon viel gehört aber den-          als kompetitive Profis. Um sich auf diesem    gehensweise eher Erfolg verspricht als
                                                noch keine klare Vorstellung davon?          Erfolgsniveau zu halten, ist nicht auszu-    Dauergamen und Verantwortungsver-
                                                Beim E-Sport treten via Online-              schliessen, dass selbst Athleten mit Ab-     weigerung. Vom grossen Erfolg und Geld-
                                          Computerspiele zwei Spieler oder zwei              hängigkeitstendenzen zu kämpfen haben.       verdienen träumen viele Gamer und ori-
                                          Teams gegeneinander an. Die gefragten              Ausserdem fehlen Förderstrukturen für        entieren sich deshalb an professionellen
                                          «Disziplinen» sind «Fifa» oder «Dota 2»,           ein nachhaltiges Training, wie es der ana-   E-Sportlern. Die mediale Berichterstat-
                                          «League of Legends» oder «Starcraft II»:           loge Sport mit lokalen Vereinen, Verbän-     tung darüber gibt auch Eltern, Lehrper-
                                          Primär geht es darum, das gegnerische              den und Subventionen kennt.                  sonen und Therapeuten einen Einblick
                                          Team in der virtuellen Welt zu besiegen.                                                        in diese sonst geheimnisvolle Welt, darf
                                          E-Sport ist ein rasant wachsender Markt,           Sponsoring für E-Sport                       es aber nicht unterlassen, die Gefahren
                                          an dem viele Nutzniesser teilhaben wol-            Nach Unternehmen aus der Hardware-           klar zu benennen. Die von den E-Sport-
                                          len. Nicht nur Marken, Produkteanbieter            und Technologiebranche sind unterdes-        lern real gelebte Einstellung, Ausdauer
                                          und Dienstleister interessieren sich für           sen viele Sponsoren aktiv geworden, die      und Selbstdisziplin sind authentische und
                                          diese neue Sportart, auch die Prävention           auf den ersten Blick wenig mit Gaming        positive Botschaften, die ankommen und
                                          muss genauer hinschauen. E-Sport ver-              zu tun haben. Eine Schweizer Bank stösst     den Gamern eine neue Sicht auf ihr Spiel-
                                          spricht den Zugang zu einer nicht nur              damit nicht nur auf Zustimmung, son-         verhalten ermöglichen. Das Zentrum für
                                          für die Werbung, sondern auch die Prä-             dern insbesondere bei Eltern auch auf        Spielsucht hat die notwendigen Kontakte
                                          vention relevanten Zielgruppe: Es sind             verständnisloses Kopfschütteln. Das Ex-      zur Branche aufgebaut und entwickelt für
                                          die jungen, gutausgebildeten, zahlungs-            periment der Bank ermöglicht fünf aus-       Spieler, Eltern und Fachpersonen Mass-
                                          kräftigen, männlichen Konsumenten, die             gewählten E-Sportlern während eines          nahmen in der Früherkennung und bietet
                                          selber spielen oder sich für E-Sport über          Jahres ein professionelles E-Sport-Trai-     Kurzberatungen an.
                                          relevante Kanäle wie twitch oder reddit            ning inklusive Lohn. Die Spieler können
                                                                                                                                          n
                                          interessieren.                                     als Profiteam Vollzeit «League of Legends»
                                                                                             trainieren und sich in Wettkämpfen mes-      Christian Ingold arbeitet als Leiter Prävention am
                                          E-Sportler versus Gamer                            sen. Um Profiniveau zu erreichen, wird        Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte
                                                                                                                                          in Zürich. Er beschäftigt sich mit den Zusammen-
                                          Die meisten gehören, auch wenn sie es              das Team durch einen international er-
                                                                                                                                          hängen zwischen Gaming und Gambling sowie deren
                                          selber meinen, zu den Gamern * und                 fahrenen E-Sportler gecoacht. Zum rund       Präventionsmassnahmen. Interessensbindungen zu
                                          nicht zu den E-Sportlern. Dieser Unter-            fünfstündigen Training vor dem Bild-         Sponsoren und Agenturen von E-Sports oder der
                                          schied ist relevant und einfach zu erklä-          schirm gehört eine ausgewogene Ernäh-        genannten Schweizer Bank bestehen keine.
                                          ren. E-Sportler sind meist Profis in einer          rung, gewährleistet durch den Teamkoch,
                                          Disziplin, also in einem Game. Gamer hin-          spezifisches Konditionstraining im Fit-
                                          gegen spielen oft mehrere Games parallel           nessstudio, sowie mentales Coaching und          laut & leise
                                          mit weniger Ambitionen. E-Sportler kön-            Teamberatung als auch Entspannung.               Folgende «laut & leise» beschäftigten
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

                                          nen mit Spitzensportler verglichen wer-                                                             sich mit den Neuen Medien:
                                          den, Gamer eher mit Breitensportler, die           E-Sportler als Vorbild
                                                                                                                                              • Nr. 1-2008: Neue Medien
                                          Unterhaltung und Entspannung suchen.               Einzelne Gamer schaffen es nicht, ihre           • Nr. 3-2011: Social Media – Revolu-
                                          E-Sportler trainieren in die Tiefe, wieder-        Onlinezeit zu kontrollieren und zeigen           tion, Hype oder bloss zeitfressende
                                          holen Sequenzen, feilen an den Details,            Suchtsymptome. Hier könnte die Chan-             Banalität?
                                          sind diszipliniert und wollen langfristig          ce liegen, prominente E-Sportler als             • Nr. 2-2017: Digitale Angebote der
                                          siegen. Sie verhalten und verstehen sich           Botschafter einzusetzen. Professionelle          Suchtpräventionsstellen
                                                                                             E-Sportler leben zumindest vom Konzept
                                                                                                                                              Alle Ausgaben finden Sie als PDF auf der
                                          * Die Mehrheit der Spielenden ist männlichen Ge-   her vor, wie verantwortungsvolles Gamen
                                                                                                                                              Website: www.suchtpraevention-zh.ch.
                                          schlechts, Spielerinnen sind mitgemeint.           verstanden wird und dass diese Heran-

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Präventionsprojekt Flimmerpause – Freizeit ohne Bildschirme

Keine Fastenkur

Wie viel Freizeit möchte ich vor einem Bildschirm verbringen? Beim Präventionsprojekt Flimmerpause erleben Kinder
und Jugendliche, dass offline Spass macht und wie man «schmerzfrei» auf Smartphone & Co. verzichten kann.
von Simone Rindlisbacher

E
      inmal im Jahr in der Freizeit – wäh-      Gibt es Eltern, die sich um die Sicherheit   den zusammen oder einzeln «unverplan-
      rend einer Woche – auf Bildschirm-        der Kinder sorgen? Kommt das Handy           te» Zeit erleben möchten, ob sie den Wald
      medien zu verzichten und zu erle-         in eine Kiste oder braucht es die mobile     oder das Vereinsangebot der Gemeinde
ben, was es dabei zu gewinnen oder zu           Telefonfunktion? Die Diskussion über         erkunden, Bastel-Workshops oder Spiel
verlieren gibt, erscheint fast allen als eine   Ausnahmen, Funktionen, Joker und Not-        ohne Grenzen veranstalten.
ausgezeichnete Idee. Viele staunen, dass        fallpläne ist erhellend und wichtig, auch
sie aus einer Zeit stammt, in der das Fern-     damit alle Ja sagen können.                  Konsumverhalten ändert sich
sehgerät noch im Fokus stand. In Luzern,                                                     Es ist wichtig, dass alle etwas Attraktives
wo Flimmerpause entstanden ist, gehört          Freizeit ohne Bildschirm                     ausprobieren und ihre Erfahrungen, auch
das Projekt für viele Primarschüler/innen       Das Projekt Flimmerpause – seit Jahren       die schwierigen, besprechen. So durch-
zum normalen Schuljahr.                         erfolgreich durchgeführt – wurde von Ak-     brechen sie ihre Gewohnheiten, entde-
   So einleuchtend die Idee erscheint,          zent Prävention und derSuchttherapie des     cken Interessen und entwickeln eigene
wenn es konkret wird für Jugendliche            Kantons Luzern entwickelt. Im Kanton         Ideen zur Freizeitgestaltung. Neben vie-
und deren Bezugspersonen, erscheint             Zürich bieten folgende Regionalstellen       len interessanten Diskussionen wird da-
das Experiment plötzlich als eine echte         dieses Präventionsprojekt an: Suchtprä-      bei die Erfahrung, dass Mediennutzung
Herausforderung: Sei es, weil das The-          ventionsstelle Zürcher Oberland, Sucht-      tatsächlich gestaltbar ist, in Köpfen und
ma Bildschirmkonsum bereits als Pu-             präventionsstellen Zürcher Unterland         Körpern verankert. Studien belegen, dass
bertätskampfplatz dient oder resignativ         und Samowar Meilen. Zielgruppen sind         durch einen zeitlich begrenzten Verzicht
verdrängt wird. Hier beginnt die Arbeit         auf der einen Seite Kinder und Jugend-       auf bestimmte Verhaltensweisen, der
der Prävention, die mit Ideen und pas-          liche (ab Primarstufe) und Eltern und auf    Konsum kurz- bis mittelfristig abnimmt
senden Materialien einen gangbaren Weg          der anderen Seite Schlüsselpersonen aus      und ein verantwortungsbewusstes Ver-
aufzeigt. Das Experiment bildschirm-            Schule und Jugendarbeit.                     halten gefördert wird. Bewusster Ver-
freie Zeit lenkt den Fokus weg vom Ver-            Folgende Schritte gehören zur Flim-       zicht ermöglicht, dass sich Kinder und
zicht hin auf die Erfahrung vielfältiger,       merpause:                                    Jugendliche neu erleben. Zusammen mit
lustvoller Tätigkeiten. Handbücher und          • Die eigenen Konsummuster wahrneh-          der Familie, der Schulklasse oder der Ju-
Begleitmaterialien ermöglichen es, mit          men und ein Flimmertagebuch führen.          gendgruppe schafft das Experiment eine
wenig Aufwand kleine Experimente mit            • Details werden zur Flimmerpause aus-       neue Grundlage für die gemeinsame Ge-
der Familie oder Klasse umzusetzen oder         gehandelt, was zum Abschluss eines Flim-     staltung von Zeit. *
grössere Events mit der ganzen Schule zu        mervertrags führt.
planen. Wichtig bleibt bei beiden Varian-       • Die flimmerfreie Zeit wird gemeinsam        n
                                                                                                                                                      Suchtprävention laut & leise, Juni 2019

ten, dass dem Experiment genügend Vor-          mit alternativen Aktivitäten geplant.
bereitungszeit eingeräumt wird.                 • In der Freizeit werden keine digitalen     Simone Rindlisbacher, Soziologin, forschte lange
                                                                                             in Bereich Gesundheit und Change. Als Fachmitar-
   Ausgehend von der Reflexion der eige-         Medien mehrkonsumiert. Generellwerden
                                                                                             beiterin in der Suchtpräventionsstelle Zürcher
nen Nutzung der Bildschirmmedien, tau-          Bildschirmmedien eingeschränkt genutzt.      Oberland betreut sie seit Herbst 2016 das Projekt
chen viele Fragen auf wie beispielsweise:       • Sich flimmerfrei begegnen und Alter-        Flimmerpause.
Was gehört zur Freizeitnutzung und was          nativen erleben – Erlebnisse schaffen.
zur Arbeit? Welche Informationen und            • Das flimmerfreie Erleben besprechen –
Ausnahmen müssen vor der Flimmerpau-            Erfahrungen austauschen und festhalten.
se geregelt werden, damit niemand Trai-            Die Bildschirm-freie Zeit wir unter-      * vgl. Raschke, P. (2002). Lernen durch Verzicht. Ho-
nings, Nachhilfestunden usw. verpasst.          schiedlich ausgefüllt: Ob die Teilnehmen-    hengehren: Schneider Verlag.

                                                                                                                                                 16
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