Laut&leise - Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch - Suchtprävention im Kanton Zürich
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laut&leise Magazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich Nr. 2, Juni 2019, erscheint dreimal jährlich Sucht beginnt im Alltag. Prävention auch.
Mit dem Game verschmelzen Selbst kein Gamer, hat Andrea Caprez in den Anfangszeiten der Internetspiele doch eine stattliche Reihe von Games gestaltet (comicgames.ch). Mit der interessanten Aufgabe betraut, das Thema Gamen zu illustrieren, hat sich Caprez bei seinen Studieren- den im Fach Grafik informiert. Sie zeigten ihm, was zurzeit angesagt ist und der/die eine oder andere outete sich gar als latent spielsüchtig. Die Illustrationen zeigen einerseits, wie die Spieler/innen visuell mit den Spielmotiven verschmelzen, andererseits die Faszination und Leidenschaft, aber auch Isolation und Illusion dieses Phänomens. (www.andreacaprez.ch)
Editorial le i se : l aut & ation Evalu a chen Mitm 3y.ch! auf 12 Liebe Leserinnen und Leser «Nur noch das Level abschliessen!» che und soziale Faktoren mitspielen, wenn das Gamen zur Das bekommen die meisten Eltern Sucht wird. Marc Bodmer erschliesst die Welt der Games von Jungs häufig zu hören. Zwei Drit- und erklärt, mit welchen Mechanismen Produzenten die tel aller Jungen zwischen 12 und 19 Gamer an ein bestimmtes Spiel binden. Wie Familien mit Jahren sind regelmässige Gamer. Bei dem Thema einen konstruktiven Umgang finden und wann den Mädchen sind es nur 12 Prozent. Games eröffnen fremde Welten und «Games eröffnen fremde Welten und lassen lassen Jungs zu Superhelden werden. Jungs zu Superhelden werden.» Sie bieten Unterhaltung, Ablenkung undauchSelbstwirksamkeitserfahrungen:JedeBewegung hat Konsequenzen! Die Feinmotorik wird trainiert, Denk- bei Eltern die Alarmglocken läuten sollten, können Sie im vermögen und Kreativität sind gefragt. Online gespielte Interview mit Larissa Hauser nachlesen. Sie stellt zudem Multiplayer-Games ermöglichen gemeinsame Erlebnisse die Angebote der regionalen Stellen für Suchtprävention und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Eine tolle Sache für Schulen und Eltern vor. Die eindrücklichen Effekte also. Für Familien ist das Gamen dennoch häufig Anlass eines dieser Angebote – der «Flimmerpause» – beschreibt für Zwist: Schule, Sport und andere Hobbys werden ver- Simone Rindlisbacher in ihrem Beitrag. Und Christian nachlässigt. Spielzeiten müssen ausgehandelt werden. Ingold erläutert, was hinter E-Sports steckt und wie die Auch die Game-Inhalte bieten Stoff für Diskussionen: Ist Suchtprävention diesen neuen Trend nutzen will. das Spiel gewaltverherrlichend, sind die Rollenvorbilder Ich wünsche Ihnen anregende Lektüre! allzu stereotyp oder frauenfeindlich? Auch die Angst vor der «Spielsucht» beschäftigt viele Erziehende. n In dieser Ausgabe von «laut&leise» zeigen wir auf, wo Sibylle Brunner, Beauftragte des Kantons Zürich für Prävention und die Chancen und Risiken von Games liegen und was unser Gesundheitsförderung Stellenverbund Eltern und Schulen rund um das Thema anbietet. Die Fallbeispiele von Florian Lippuner illustrie- ren, dass zusätzlich zurMachartvon Gamesviele persönli- Impressum Herausgeber: Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich Inhalt Zuschriften: info@suchtpraevention-zh.ch. Redaktions- und Produktions- 4 Meldungen leitung: Brigitte Müller, muellertext.ch. Redaktionsteam: Larissa Hauser, Christian Ingold, Marlen Rusch, Domenic Schnoz (Vorsitz), Esther Vogler. 7 Geiz ist geiler als gamen Redaktion Meldungen aus der Suchtprävention: Annett Niklaus, Maja Essay Sidler. Mitarbeiter/innen dieser Nummer: Marc Bodmer, Florian Lippuner, 8 Im Bann der Videospiele Simone Rindlisbacher, Markus Tschannen. Illustrationen: Andrea Caprez. Spielerfahrung zwischen Spass und Sucht Gestaltung: Fabian Brunner. Druck: FO-Fotorotar. Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 Abonnement, Adressänderung: www.suchtpraevention-zh.ch > 12 Faszination Games Publikationen > laut&leise Interview mit Larissa Hauser, M.Sc. Psychologin Die Beiträge und die Fotos in diesem «laut & leise» geben die Meinung 15 Gamen als Sport der Autorinnen und Autoren wieder. Diese muss nicht mit der Meinung des Herausgebers, der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich, E-Sport übereinstimmen. 16 Keine Fastenkur Artikel, Fotos, Illustrationen sind urheberrechtlich geschützt und Präventionsprojekt Flimmerpause dürfen ohne Genehmigung der Redaktion nicht verwendet werden. Falls Sie Interesse an einem Artikel haben: Anfrage bitte an Annett Niklaus 18 Wie das Leben so spielt Drei Gamer und ihre Geschichten (annett.niklaus@uzh.ch). 3
Meldungen In eigener Sache «laut & leise» abonnieren Unser Magazin erscheint drei- mal jährlich und ist jeweils einem Schwerpunktthema gewidmet. Bleiben Sie stets auf dem Lau- fenden in Sachen Suchtpräven- tion im Kanton Zürich – abon- nieren Sie das «laut & leise». Abo unter: www.suchtpraevention-zh.ch > Publikationen > Magazin laut&leise Gesunde und nachhaltige Volksschulen Angebote der PH Zürich Sie möchten sich an Ihrer Schule für Prävention und Gesundheitsförderung Jugendschutz stark machen und interessieren sich für Bildung für Nachhaltige Entwicklung Age Calculator (BNE)? Die PH Zürich unterstützt Sie dabei: In der frisch überarbeiteten Wei- Darf ich diesem jungen Mann Ziga- daten man Tabak, Bier und Wein terbildung «Unterwegs zur gesunden und retten verkaufen? Ist diese Kundin alt oder Spirituosen verkaufen darf. nachhaltigen Schule» werden ab Septem- genug, dass ich ihr Bier ausschenken Letztere Funktion bietet auch die Web- ber 2019 Kontaktpersonen für Gesund- darf? Für Mitarbeitende in Verkauf seite age-calculator.ch. Sie ist vor allem heitsförderung und BNE ausgebildet. Die und Service ist diese Frage nicht immer für Festveranstalter hilfreich. Diese Weiterbildung richtet sich an Lehrperso- einfach zu beantworten. Selbst dann können das Festdatum eingeben. An- nen der Volksschule und weitere Mitar- nicht, wenn sie den Ausweis verlangen, schliessend werden die Datumsgrenzen beitende im Schulkontext (vorzugsweise da sie schnell vom Geburtsdatum auf generiert und auf einem übersicht- im Rahmen der Mitgliedschaft im Schul- das aktuelle Alter schliessen müssen. lichen PDF dargestellt. Dieses kann netz 21). Der Kurstag «Grundlagentag zu Dies ist insbesondere auch für Hel- ausgedruckt und an die Mitarbeitenden Bildung für Nachhaltige Entwicklung» ferinnen und Helfer an Festveran- eines Festanlasses verteilt werden. steht auch bisherigen Kontaktpersonen staltungen eine Herausforderung. Seit Das PDF im Format A4 eignet sich gut sowie interessierten Steuergruppenmit- vielen Jahren bieten wir deshalb den zum Anbringen an den Festständen. gliedern von Netzwerkschulen offen. Verkaufsstellen und Festveranstaltern Wenn Gemeinden Bewilligungen für Zusätzlich bietet die PHZH im Septem- einen gedruckten «Age Calculator» an. Festveranstaltungen vergeben, kön- ber und Oktober je eine zweistündige Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 Nun gibt es diesen auch online und als nen sie die Verwendung dieser hilf- Einführung zu den «Planungshilfen Ge- App, mit verschiedenen Funktionen. reichen PDFs zur Auflage machen. sundheitsförderung und Prävention» an. In der App kann das Geburtsdatum Die Zürcher Fachstelle zur Prävention Die Lehrplan 21-orientierten Planungs- der Kundin oder des Kunden einge- des Suchtmittelmissbrauchs ZFPS kon- hilfen umfassen die Themen Bewegung, geben werden. Sofort wird angezeigt, zipierte die Webseite und die Jugend- Ernährung, Stress, Gewalt, Sucht und was verkauft werden darf und was schutz-App in Zusammenarbeit mit der sexuelle Gesundheit. Sie beinhalten für nicht. Zudem zeigt die App für den Arbeitsgruppe Jugendschutz. (ZFPS) alle drei Zyklen auch Lehrmittelempfeh- aktuellen Tag an, wo die Datumsgren- Web: www.age-calculator.ch und lungen, Literatur und Websites. (PHZH) zen liegen: So wird auf den Tag genau www.age-calculator.ch/apps Web: www.phzh.ch/weiterbildungssuche > ersichtlich, bis zu welchen Geburts- Im Suchfeld «Kurstitel» eingeben. 4
Evaluation l e i se : Helfen Sie uns, noch besser zu werden aut & tion l hen a Was vermissen Sie im Magazin «laut&leise?» Was gefällt Ihnen? Was nicht? Evalu m a c Wir möchten noch besser werden und unser Magazin auf Ihre Bedürfnisse Mit 3y.ch! ausrichten. Dafür sind wir auf Ihre Rückmeldung angewiesen. Machen auf 12 Sie mit bei der Evaluation. Entweder mit dem beigelegten Fragebogen oder bequem online unter www.123y.ch Mitmachen lohnt sich: Unter den Teilnehmenden wird ein Eintritt für zwei Personen für das Irisch-Römische Spa-Ritual im Thermalbad Zürich verlost. Spielsucht «zackstark – rauchfrei durch die Lehre» Win Back Control Präventionsprojekt in Zürcher Viele problematisch oder pathologisch Spielende möchten ihr Lehrbetrieben Glücksspiel unter Kontrolle bringen, reduzieren oder ganz aufge- Im Juni startet im Kanton Zürich das Präventionsprojekt ben. Nicht allen fällt dies leicht. In Ergänzung zum niederschwel- «zackstark – rauchfrei durch die Lehre». Es motiviert ligen Safer Gambling oder einer Beratung vor Ort bietet das Lernende, während der Zentrum für Spielsucht mit Win Back Control nun einen 8-wöchi- gesamten Lehrzeit rauch- gen Onlinekurs an. In neun Modulen lernen die Teilnehmenden frei zu bleiben. Dies Strategien und Techniken, die ihnen helfen, Herausforderungen schützt und stärkt die zu meistern. Darin enthalten: Führen eines Spieltagebuches mit Gesundheit der Jugend- Glücksspielzeit und lichen und erspart ihnen Stimmung, Planung hohe Ausgaben. Gleich- von alternativen zeitig profitieren die Aktivitäten für jede teilnehmenden Betriebe. Woche, direkte Das Projekt «zack- Unterstützung vom stark» wird von der Zürcher Fachstelle zur Präven- Online-Coach. tion des Suchtmittelmissbrauchs ZFPS umgesetzt und Das Programm von der Fachstelle Suchtprävention Mittelschulen wird durch den und Berufsbildung sowie Lunge Zürich begleitet und Kanton Zürich, die 16 SOS-Spielsucht-Kantone und Ge- unterstützt. Es ist Teil des Zürcher Tabakpräventions- sundheitsförderung Schweiz finanziert und vom Institut programms, das von Prävention und Gesundheits- für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF umgesetzt. förderung Kanton Zürich gesteuert wird. (ZFPS) (Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte) Web: www.zh.zackstark.ch Web: www.winbackcontrol.ch und www.safer-gambling.ch Primarschulen Berufs- und Mittelschulen Rauchfrei bleiben Hinschauen und Handeln Schulungstool «Anabolika für Videos mit Tipps Am 28. Oktober 2019 findet von 13.30 den perfekten Body» Die Fachstelle für interkul- bis 17 Uhr im Kulturpark Zürich die Für die Fachstelle Suchtprävention Mittel- turelle Suchtprävention und Veranstaltung «Ganz konkret – Früh- schule und Berufsbildung konzipierte die Gesundheitsförderung FISP erkennung und Frühintervention an Zürcher Fachstelle zur Prävention des Sucht- hat das Video «Bleiben Sie Primarschulen» statt. Eingeladen sind mittelmissbrauchs ZFPS ein Schulungstool beim Nichtrauchen. Tipps Schulleitende, Schulsozialarbeitende zum Thema «Anabolika für den perfekten für ein rauchfreies Leben.» und Kontaktlehrpersonen Schulnetz 21. Body». Das Schulungstool umfasst einen Kurz- veröffentlicht. Es ist online Ziel ist es, dass Schulen die Probleme film (30 Minuten) mit Interviews, ein Dossier in acht Sprachen verfüg- von Schülerinnen und Schülern frühzei- mit Fakten zum Thema Anabolikakonsum und bar: Deutsch, Albanisch, tig wahrnehmen und darauf reagieren, Vorschläge für die Bearbeitung des Themas im Bosnisch/Kroatisch/Ser- bevor die Situation aus dem Ruder läuft. Unterricht, beispielsweise durch Sportlehr- bisch, Englisch, Französisch, Eine systematische Vorgehensweise personen. Im Film interviewen eine Berufs- Portugiesisch, Spanisch in Schulen entlastet die Lehrpersonen schülerin und ein Kantonsschüler insgesamt und Türkisch. Die Texte der Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 und stärkt die Kinder. Die Veranstal- vier Anabolikakonsumierende (drei Männer Videos basieren auf der Bro- tung der Stellen für Suchtprävention und eine Frau), einen Sportarzt und Kardio- schüre «Rauchstopp – Tipps, im Kanton Zürich stellt solche Vorge- logen des Universitätsspitals Zürich sowie die sich bewährt haben» der hensweisen vor. Das Programm finden einen Sportpsychiater der Psychiatrischen Arbeitsgemeinschaft Tabak- Sie auf suchtpraevention-zh.ch unter Universitätsklinik Zürich. Ab Sommer 2019 prävention AT Schweiz sowie «Aktuelles». Anmeldungen nehmen die steht das Unterrichtstool den Lehrpersonen auf Texten der Tabakpräven- regionalen Suchtpräventionsstellen der Mittel- und Berufsschulen auf der Websei- tionskampagne «SmokeFree». entgegen, die Adressen finden Sie auf te der Fachstelle Suchtprävention Mittelschule Die Videos sind der zweite der Rückseite dieses Heftes. (EBPI) und Berufsbildung zur Verfügung. (ZFPS) Teil einer Videoserie. (FISP) Web: www.suchtpraevention-zh.ch Web: www.fs-suchtpraevention-zh.ch Web: https://bit.ly/2MP4zv8 5
Essay Geiz ist geiler als gamen D er Nachbar und ich hatten unsere verrückt wurde ich deswegen übrigens en, um ihren Geburtstagsbatzen einzu- gleichaltrigen Kinder – Maximi- nicht. Ich habe so oft das Obligatorische kassieren. Der wird natürlich klein aus- lian-Jason und den Brecht – gerade geschwänzt, dass die Armee irgendwann fallen, schliesslich brauche ich das Geld im Kindergarten abgeliefert und waren zu mein Sturmgewehr zurückverlangte – was für Hardware. Die lässt man sich dann Fuss auf dem Heimweg. «Endlich ein paar mir ganz recht war. im Mediamarkt direkt ins Hirn schiessen. Stunden in Ruhe zocken», freute er sich Man konnte mich zwischen 13 und 25 So wie man bei Claire’s zu den gekauften auf den Rest des Vormittags. Ob ich auch Jahren also öfter beim Gamen antreffen. Creolen gleich noch die Ohrlöcher gebolzt zocke, wollte er dann wissen. Ich lachte Nur nicht an meinem eigenen Bildschirm. bekommt oder das Büsi beim Tierarzt den leicht mitleidig: «Haha nein, ich bin über- Ich war offenbar zu geizig, Geld für Kon- Chip ins Füdli. haupt kein Gamer!» solen und Spiele auszugeben. Lieber Als Vater eines fünfjährigen Kindes Bei uns zu Hause ist nämlich meine schnorrte ich mir Bildschirmzeit in mei- beschäftigen mich erst einmal andere FraufürsSpielenzuständig.SieliebtBrett- nem Umfeld zusammen. Das bewahrte Fragen: Wann wird der Brecht zum Ga- spiele, puzzelt leidenschaftlich und spielt Games auf dem Handy und am Compu- Schon erstaunlich, wie mein Interesse für Computerspiele ter. Ich halte das für Zeitverschwendung und kümmere mich lieber um «sinnvolle vollständig verschwand. Eventuell ist die fehlende Freizeit Tätigkeiten». Schaut her, der feine Herr dran schuld. Früher als Jugendlicher hatte der Tag gefühlte Tschannen: Erist etwas Besseres! Ich habe 72 Stunden. Heute müsste ich Arbeit, Haushalt oder Kind gegenüber Computerspielen eine ganz schön überhebliche Haltung entwickelt. vernachlässigen, wenn ich auch noch gamen wollte. Das realisierte ich erst, als mich Maximi- lian-Jasons Vater fragte, ob ich denn frü- mich vor einer möglichen Gamesucht: mer? Tauscht er seine Plüschtiere im Kin- her ein Gamer war. Ich antwortete erneut Ich verbrachte nicht Tag und Nacht mit der-Darknet schon bald gegen Fortnite? mit einem zackigen «Nein». Computerspielen, denn nachts liess mich Entwickelt er ein gesundesVerhältnis zum Das Problem: Es stimmt nicht. Ich bin niemand an seinen PC. Und als ich dann Bildschirm oderwird erTag und Nacht nur einfach vergesslich. Als 13-Jähriger bau- irgendwann alleine wohnte, war es mit noch mit Anschleichen, Schiessen und te ich zusammen mit meinem Cousin an dem Gamen gleich ganz vorbei. Nachladen beschäftigt sein? Etwas Angst seinem Mac prachtvolle Städte in SimCity Schon erstaunlich, wie mein Interes- macht mir dieser Gedanke ja schon. Zum 2000. An der Playstation meines Bruders se für Computerspiele vollständig ver- Glück weiss ich aus Erfahrung, was den Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 ballerte ich als Archäologin Lara Croft schwand. Eventuell ist die fehlende Frei- Brecht vor der Spielsucht bewahren wird: mit der Maschinenpistole kantige Schur- zeit dran schuld. Früher als Jugendlicher Ich muss ihn nach meinem Ebenbild zum ken über den Haufen. Ich lenkte am Fa- hatte der Tag gefühlte 72 Stunden. Heute Geizhals erziehen. miliencomputer in Command & Conquer müsste ich Arbeit, Haushalt oder Kind die Panzer der Global Defense Initiative vernachlässigen, wenn ich auch noch ga- n GDI zum Gefecht gegen die Bruderschaft men wollte. Aber es werden wieder andere von NOD. In der Studenten-WG schlich Lebensphasen kommen. Bestimmt wende Markus Tschannen ist Papablogger im Mamablog des «Tages-Anzeigers». ich mich an den PC meines Mitbewoh- ich mich dereinst in der Seniorenresidenz ners, um Counter Strike zu spielen, eines Bärgblüemli erneut den Ego-Shootern dieser umstrittenen Ballergames. Waffen- zu –wenn die Enkel nur nochvorbeischau- 7
Spielerfahrung zwischen Spass und Sucht Im Bann der Videospiele Während die etablierten Kulturformen wie Musik und Film bestenfalls stagnieren, gewinnen Games laufend neue Fans hinzu. Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen – mit all ihren positiven wie negativen Seiten. Von Marc Bodmer I n den frühen Achtzigerjahren zog es PDP-1-Computer des Hingham Institutes liebte «Spacewar!», eine Konkurrenz für mich zusammen mit meinem besten «Spacewar!». Flipperkästen in die Spielhallen. Das Spiel Freund in den Spielsalon Frosch in Sieht man einmal von diesen verein- überforderte jedoch die Klientel, weshalb Zürichs Froschaugasse. Obschonwirnoch zelten experimentellen Versuchen in der spätere Gründer des Videospiel- keine 16 Jahre alt waren, durften wir – da elektrotechnischen Forschungslaborato- herstellers Atari das einfachere «Pong», wir uns anständig benahmen – an den rien ab, wie «Spacewar!» und noch zuvor eine Art Tischtennis in Schwarz-Weiss, Flipperkästen unsere Geschicklichkeit «Tennis for Two», entwickelt von William nachschob. Pong erweist sich als belieb- und Reaktionsfähigkeit testen und uns Higginbotham 1958 im Brookhaven Natio- ter Münzschlucker, den Bushnell in ganz beim Tischfussball messen. Eines Tages nal Laboratory, so gilt der deutschstäm- Amerika vertreibt. So lässt sich die Ge- blickte ich bei einem Kasten mit einem mige Ralph Baer aus juristischer Sicht burtsstunde der kommerziellen Compu- eingebauten Monitor wie durch ein Visier. Vor mir eröffnete sich eine monochrome So richtig los geht’s mit «Space Invaders» (1978), «Pac-Man» (1981) Landschaft, deren fluoreszierend grüne und dem ersten Auftritt eines schnauzbärtigen Zimmermanns Linien mich an geometrisches Zeichnen erinnerten. Pyramidenartige Berge er- im Jump’n’Run-Titel «Donkey Kong» (1980). Aus dem damals noch hoben sich am Horizont und kubistische namenlosen Jumpman wird der legendäre Super Mario. Dinge bewegten sich durch die Gegend. Mit dem Joystick in meiner Hand konnte als der Vater des Videospiels. Vor Gericht ter- und Videospiele ins Jahr 1972 legen. ich einen für mich nicht sichtbaren «Pan- erstritt sich Baer die Definition eines Vi- Pong wurde damit auch das erste Sport- zer» steuern, mit einem Knopf schiessen, deospiels, die ein Gerät umschreibt, das spiel, eine Kategorie, die heute innerhalb denn schon bald wurde ich von UFOs und Raster-Videotechnologie zur Darstellung der Games-Welt viel Platz einnimmt. anderen Tanks angegriffen. Ich war fas- des Spiels verwendet – sprich ein TV-Ge- ziniert von diesem Gefühl der Kontrolle, rät oder TV-Monitor – und nicht wie in Space Invaders und Co. denn sowohl beim Flippern als auch beim früheren Versuchen ein Osziloskop, das So richtig los geht’s dann ein paar Jah- Töggeln zog der Ball unberechenbare Bah- an einen Computer angeschlossen wur- re später mit «Space Invaders» (1978), nen. Hier in «Battlezone» (1980) von Atari de. Baer entwickelte 1966 «Fox & Hounds». «Pac-Man» (1981) und dem ersten Auftritt lag das Geschick in meinen Händen. Ich Das Spiel bestand darin, sich vorzustel- eines schnauzbärtigen Zimmermanns im hatte das Geschehen im Griff. len, dass ein Punkt ein Fuchs war und der Jump’n’Run-Titel «Donkey Kong» (1980). andere ein Jagdhund. Das Ziel war es, dass Aus dem damals noch namenlosen Jump- Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 Die ersten Computerspiele der Hund den Fuchs jagen musste, bis er man wird der legendäre Super Mario, Auch wenn dieses Erlebnis schon 40 Jah- ihn erwischte, indem er schlicht den an- der dann auch noch seinen Job wechselt re zurückliegt, die Geschichte der Video- deren Punkt berührte. Es war das erste und zum Sanitär «avanciert», der zeitle- spiele beginnt bereits 1961 im Hingham «Videospiel», das je auf einem Fernseh- bens Prinzessin Peach retten muss. Kurz Institute, Cambridge, Massachusetts. bildschirm gespielt wurde. vor den Olympischen Sommerspielen in Hier fanden sich drei junge Forscher und Die Ur-Konsole «Magnavox Odyssey», Los Angeles wurde 1983 «Track & Field», Fans kruder Science-Fiction-Geschichten basierend auf Baers Patent, wird 1972 auf ein sogenannter «button masher» par zusammen. Wohl nicht zuletzt deshalb den Markt gebracht. Doch ein Jahr zuvor excellence, veröffentlicht, der weiter das tauften sie ein einfaches Demonstrations- stellte Nolan Bushnell mit «Computer Sport-Genre befeuert. Nur wer die drei programm für den damals revolutionären Space», eine Referenz an das von ihm ge- Tasten am schnellsten drücken konnte, 8
Wer Games spielt, wird in die Ecke potenzieller Gewalttäter gestellt, obschon die Auswirkungen von medialen Gewalt- inszenierungen marginal sind und gegenüber realen Vorbildern wie Lehrpersonen, Eltern und der Peer-Gruppe verblassen. hatte Chancen, seine Athleten als Ers- Gewaltinszenierungen marginal sind und Computergames dar. Sorgten während te über die Ziellinie zu bugsieren. Dem gegenüber realen Vorbildern wie Lehr- der ersten Blütezeit in den frühen Acht- grossen Finale von «Star Wars – Episode personen, Eltern und der Peer-Gruppe zigerjahren Videospiele in den USA für IV» (1978) nachempfunden war der erste verblassen. Doch all diese «abstrakten» Knappheit bei den Quarter-Münzen (25 First-Person-Shooter «Tailgunner» (1979), Einflüsse lassen sich eben nicht so dank- Cents), ist die heutige Omnipräsenz und in dem bläuliche Strichraumschiffe abge- bar ins Bild rücken wie eine Szene aus stetige Verfügbarkeit des interaktiven schossen werden mussten und der Spieler einem Shooter-Game im Kontext einer Mediums in manchen Konstellationen direkt aus einer subjektiven Perspektive Schiesserei. Leidtragende dieses Stell- problematisch. Noch vor gut zehn Jah- ins Geschehen blickte. vertreterkrieges sind die Gamer, die auf- ren beschränkte sich die Suchtthematik Für unrühmliches Aufsehen sorgt das grund dieser Stigmatisierung sich entwe- praktisch auf einen Titel: World of War- Ego-Shooter-Genre in den Neunzigerjah- der nicht outen oder auf gehässige Weise craft. Dieser mutierte über Zeit zu einem ren und wird in einen verstörenden Kon- in Online-Diskussionen zurückschlagen. sozialen Netzwerk mit dem gemeinsamen text gestellt:Am 20.April 1999 erschiessen Wie unschön das werden kann, zeigte das Nenner eines Fantasy-Settings in der Art die beidenTeenagerEric Harris und Dylan Beispiel von Gamergate, wo Spielerinnen von «Lord of the Rings». Zusätzlich zur ex- Klebold an ihrer Highschool in Littleton, und Kritikerinnen gewisser Trends in der trem wichtigen Sozialkomponente spielte Colorado, 12 Mitschülerinnen und -schü- Gaming-Welt beschimpft und teils sogar ein intermittierendes Belohnungssystem ler, eine Lehrperson und anschliessend massiv bedroht wurden. eine Rolle, das die Bindung an das Spiel sich selbst. Die Medien mussten für das Während in Fachkreisen die Frage zu erhöhte. Unfassbare schnell eine Erklärung finden möglichen negativenAuswirkungen durch und sahen sie darin, dass die beiden Tä- den Konsum von gewaltinszenierenden Kompetenz statt Glück ter exzessive «Doom»-Spieler waren. Die Games nicht weiter als relevant einge- Diese Form der scheinbar zufälligen Logik lag auf der Hand: Im Game wird stuft wird, und die Unterhaltungssoftware Belohnung, die nach unberechenbaren auf alles geschossen, was sich bewegt. An Selbstkontrolle (USK) in Deutschland, die Kriterien Anerkennungen verteilt, ist bei der Schule wurde geschossen. Ergo: Das weltweit schärfste Jugendschutzinstitu- Glücksspielen verbreitet und trägt dazu Ballerspiel muss eine verrohende Wir- tion in Sachen Computerspiele, in den bei, dass die Kunden immer wiederkeh- kung auf die Spieler gehabt haben. Als die letzten Jahren keine Titel mehr auf den ren. Das Prinzip der «near misses», des Schlagzeilen schon längst geschrieben Index gestellt oder Zensurschnitte einge- fast gelungenen Volltreffers wie er bes- waren, wurde bekannt, dass Klebold und fordert hat, spuken in den Köpfen vieler tens von Einarmigen Banditen bekannt Harris während eineinhalb Jahren das Erwachsener nach wie vor Bedenken he- ist, ist bei den sogenannten «Free 2 Play Massaker vorbereitet haben. Eigentlich rum. Nichtspielenden helfen bei der Ein- Games» beliebt. Sie sind zwar in der An- wollten sie die vollbesetzte Schulcafete- ordnung der Game-Inhalte die Angaben schaffung kostenlos, setzen aber auf mo- ria in die Luft sprengen, was zu mehreren derPan European Game Information, kurz netäre Mikrotransaktionen für gewisse hundert Toten geführt hätte. Bewusst leg- Pegi, die auf jedem Spiel, das in derSchweiz Objekte im Spiel. Nur wer bei der Stange ten sie das Datum auf den 110. Geburtstag verkauft wird, über Altersfreigabe sowie gehalten werden kann, wird auch Geld in Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 von Adolf Hitler, denn sie verehrten Na- kritische Themen wie Gewalt, Drogenkon- die Hand nehmen, um virtuelle Dinge zu zi-Gedankengut, litten aber auch unter sum, Sprache usw. informieren. kaufen. Die Integration von Glücksspiel- psychischen Störungen. elementen widerspricht aber dem Kern Umstritten: zufällige Belohnung von Computerspielen zutiefst, weshalb Diskussion über Videospiele Kritischer als die medial gehypte «Kil- sie unter Game-Entwicklern unbeliebt So findet seit 20 Jahren die Diskussion lerspiele»-Debatte, die hauptsächlich sind: Games sind Lernmaschinen und über Videospiele in diesem medialen der Profilierung mässig begabter Politi- bauen auf Kompetenz und Geschick. Klar Rahmen statt. Wer Games spielt, wird in ker und Politikerinnen diente, stellt sich winkt das Glück gelegentlich dem Tüchti- die Ecke potenzieller Gewalttäter gestellt, die Herausforderung möglicher Abhän- gen, aber die oben beschriebenen Mecha- obschon die Auswirkungen von medialen gigkeitsformen in Zusammenhang mit nismen haben nichts mit Fähigkeiten zu 9
Auch wenn viele Nichtspieler es ungern zur Kenntnis nehmen, aber Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen – mit all ihren positiven wie negativen Seiten. Während die etablierten Kulturformen wie Musik und Film bestenfalls stagnieren, gewinnen Games laufend neue Fans hinzu. tun, sondern dem gesteuerten Zufall. Der mobilen Plattformen eine Renaissance im Kulturformen wie Musik und Film besten- Einsatz dieser Bindungssysteme ist übri- Steam-Punk-Zeitalter. Die Entscheidun- falls stagnieren, gewinnen Games laufend gens nicht (kostenlosen) Computerspielen gen der Romanfigur Passepartout treffen neue Fans hinzu. So hat sich auch die De- vorbehalten. Soziale Netzwerke wie Face- die Leserin oder der Leser und steuern so mografie der Spielenden über die Zeit ver- book, Instagram und Co. arbeiten schon den Verlauf der äusserst amüsanten Ge- ändert: Knapp ein Viertel der Spielenden seit geraumer Zeit mit deren Hilfe und ge- schichte. ist in den USA bereits über 50 Jahre und raten deshalb auch mehr und mehr in Ver- 46 Prozent sind Frauen. Videospiele sind ruf. Ausserdem gibt es eine beträchtliche Leitmedium der Zukunft also bei Weitem nicht Kinderkram, son- Anzahl von «Free 2 Play Games», bei denen Es ist denn auch diese Möglichkeit, dern das Leitmedium der Zukunft und in man irgendwann bezahlen muss, weil man Entscheide zu treffen und in die Geschi- mancher Hinsicht bereits der Gegenwart. mit reiner Kompetenz und Geschicklich- cke einzugreifen oder zumindest nach keit (fast) nicht mehr weiterkommt, was den besten Fähigkeiten zu beeinflussen, n ebenfalls dem ursprünglichen Game-Pa- die mehr und mehr Leute in den Bann Marc Bodmer, Master of Law UZH und Game- radigma widerspricht. Gamer sprechen zieht. In einer Welt, in der Kinder und Ju- consultant, beschäftigt sich seit rund 25 Jahren in diesem Zusammenhang auch von «Pay- gendliche oft ohnmächtig den Regeln und mit den soziokulturellen Auswirkungen und 2Win». Vorschriften der Erwachsenenwelt gegen- Nutzungsformen von Videospielen. Er berät überstehen, sind das (virtuelle) Ausüben Schulen, Eltern und Firmen zum Thema Games Entscheiden und lenken von Macht und das Erlebnis von Selbst- und Gamification. Auch wenn die Frage der Computerspiel- wirksamkeit besonders für Jungs attrak- sucht in manchen Fällen das Erlebnis tiv. Hinzu kommt, dass sich Games eignen, trübt, weit über 90 Prozent der Spielenden um sich von omnipräsenten, coolen und hat keine Probleme im Umgang mit dem hippen Eltern abzugrenzen. Die heuti- Jugendschutz «Film interaktiven Medium. Gemäss jüngsten ge Nachwuchsgeneration hat praktisch und Videospiele» Zahlen erfreuen sich weltweit über drei keine Möglichkeit, sich der Supervision Mit dem Gesetz über denJugendschutz Milliarden Menschen immer imposan- der Erwachsenen zu entziehen. Um sich in Film und Videospielen sollen Min- teren, epischeren und komplexeren Sze- dieser Dauerbeobachtung zu entziehen, derjährige vor Medieninhalten ge- narien. Sie tauchen ab in fantastische bieten sich Computerspiele an. Zum einen schützt werden, die «ihre körperliche, Welten, die sie retten, verteidigen, aber verlangt die Erschliessung der Game-Welt geistige, psychische, sittliche oder auch erobern können. Sie dribbeln und gewisses technisches Geschick und viel soziale Entwicklung gefährden kön- tricksen Gegner auf dem Fussball- oder Zeit, die vielen Erwachsenen fehlen. Zum nen». Der Fachverband Sucht und das Basketballfeld aus. Sie vernetzen sich anderen bieten manche Inhalte Gewalt- Zentrum für Spielsucht und andere in globalen Clans und chatten in der darstellungen, die zwar in der Regel weit Verhaltenssüchte unterstützen dieses westlichen Hemisphäre in der Regel auf banaler ausfallen als die sadistische Perfi- Anliegen in ihrer Vernehmlassungs- Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 Englisch. Die Genrevielfalt von heute und die in Spielfilmen à la Tarantino, aber den- antwort und fordern deshalb, dass die Diversität der Geschichten und Set- noch im Falle von «Mortal Kombat 11» zum der Zugang eingeschränkt und kont- tings, die heute geboten werden, halten Beispiel über einen gewissen Schockwert rolliert wird. Die vorgesehene Einfüh- problemlos mit den Varianten des Spiel- verfügen, der zu innerfamiliären Diskus- rung von Testkäufen wird befürwor- films mit. Selbst sperrige Themen wie die sionen führen kann. tet. Gewisse Games machen schneller Flucht aus oder das Leben in Kriegsgebie- Auchwennviele Nichtspieler es ungern süchtig als andere. Deshalb muss das ten wird in Titeln wie «Bury Me, My Love» zur Kenntnis nehmen, aber Computer- Abhängigkeitspotenzial der Games für oder «This War of Mine» differenziert auf- spiele sind in der Mitte der Gesellschaft die Festlegung der Alterslimiten mit- gegriffen. Literarische Klassiker erleben angekommen – mit all ihren positiven wie berücksichtigt werden. in interaktiver Form wie in «80 Days» auf negativen Seiten. Während die etablierten 10
Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 9
Larissa Hauser, M.Sc. Psychologin, Fachmitarbeiterin der Suchtpräventionsstelle Winterthur Faszination Games Gamen und Chatten decken wichtige Grundbedürfnisse von Jugendlichen ab: Zugehörigkeit, Anerkennung, Autonomie und sich kompetent fühlen. Online ist für junge Menschen genauso eine Realität wie das Sein in der realen Welt. Von Brigitte Müller laut & leise: Larissa Hauser, Sie arbei- kunden dabei gleichzeitig, was für eine Wissen an Lehr- und Fachpersonen sowie ten als ausgebildete Psychologin auf der Bedeutung gewisse Dinge, beispielsweise Eltern weitergeben. Suchtpräventionsstelle Winterthur. Was die Medien, innerhalb der Familie haben. interessiert Sie am Thema Gamen? Das ist ein wichtiger Aspekt der Medien- l & l: Haben Sie Erklärungen, warum Ju- Larissa Hauser: Mich faszinieren die kompetenz. gendliche gamen und chatten? Menschen, die gamen und die damit ver- Hauser: Gamen und Chatten befriedigen bunden Fragen – wie und warum gamen l & l: Lassen Sie Ihren Sohn auch mit ei- natürliche Bedürfnisse von Jugendlichen. sie, was erleben und fühlen sie dabei. nem iPad oder Smartphone spielen? Es sind dies vor allem Zugehörigkeit, An- Es sind also psychologische Aspekte, die Hauser: Unser Sohn ist fünf Jahre alt, erkennung, Autonomie und sich kompe- mich interessieren. Ich selber game nicht. und er darf diese Geräte regelmässig be- tent zu fühlen. Diese Bedürfnisse kennen Manchmal schaue ich meinem Mann zu, nützen. Wichtig ist mir, dass der zeitliche auch Erwachsene, nur suchen Kinder und wenn er spielt, doch nach kurzer Zeit bin Rahmen begrenzt ist und ich genau weiss, Jugendliche im Zuge ihrer Entwicklung ich gelangweilt. Aber ich rede gerne mit was er anschaut oder spielt. Als Fachfrau verstärkt danach. Zudem möchte ich be- Menschen über das Gamen. empfehle ich, dass Eltern bewusst reflek- tonen, dass Gamen und Chatten einfach tieren und sich möglichst einig sind, wel- Spass machen. Die Jugendlichen erleben l & l: Ihr Sohn ist in einem Alter, wo das chen Umgang sie ihren Kindern ermögli- Thema Gamen noch nicht aktuell ist. Nut- chen möchten. Gleichzeitig ist es wichtig, zen Sie als Mutter schon heute Gelegen- seinen eigenen Konsum und Umgang mit Angebote der regionalen heiten, dass er spielerisch mit digitalen diesen Geräten zu hinterfragen. Diese Suchtpräventionsstellen Medien in Berührung kommt? Diskussion sollten Eltern im besten Fall Die Suchtpräventionsstellen bieten Hauser: Unser Sohn hat sich bereits mit schon vor der Geburt führen, denn wie die rund ums Thema Gamen und On- drei Jahren einen Laptop aus Papier und bereits erwähnten Rollenspiele klar zei- line-Sucht folgende Dienstleistungen Moosgummi für die Tasten gebaut. Wenn gen, beobachten schon Babys und Klein- für Schulen, Eltern und Gemeinden: mein Mann oder ich zu Hause mit dem Lap- kinderihre Eltern sehrgenau. Schliesslich • Beratung und Unterrichtsmate- top arbeiten, dann holt er oft seinen gebas- sind wir Erwachsenen es, die den Kindern rialien für Schulen, unter anderem telten Laptop, setzt sich zu uns und arbeitet den Umgang mit den Medien vorleben. Freelance mit leicht umsetzbaren, ebenfalls konzentriert und geschäftig mit. erprobten Unterrichtseinheiten Erspielt so dieWelt derErwachsenen nach. l & l: In welchem Zusammenhang haben • Elternabende an Schulen und in Genauso war er vor eineinhalb Jahren mit Sie beruflich mit dem Thema Gamen zu Gemeinden mir schwanger, indem er sich einen dicken tun? • Elternbroschüren in verschiede- Bauch bastelte und mir erzählte «wie an- Hauser: Ich arbeite seit neun Jahren auf nen Sprachen. Kostenlos bestellen strengend es langsam sei». der Suchtpräventionsstelle Winterthur oder lesen unter: suchtpraeventi- Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 und so lange beschäftigen uns auch die on-zh.ch > Publikationen > Infomate- l & l: Die digitale Welt wird also erfahrbar Themen Gamen und Social Media, für die rial für Familien durch Rollenspiele. wir Weiterbildungen anbieten. Ich habe • Kurzberatung für besorgte Bezugs- Hauser: Genau. Wir alle haben selber als zudem einen Master mit dem Schwer- personen von Jugendlichen Kinder solche Rollenspiele gespielt mit punkt Medienpsychologie abgeschlossen. • Weitere Angebote bei einzelnen Puppen, mit einem Verkaufsladen, mit Das Interessante ist, dass sich die On- Stellen den Spielzeugautos. Rollenspiele sind linewelt rasant verändert, und ich mich Den Kontakt zur Suchtpräventions- sehr wichtig. Damit lernen, erfahren und also stetig informieren muss. An Weiter- stelle Ihrer Region finden Sie auf der verstehen Kinder auf ihre eigene, spiele- bildungen oder in Beratungsgesprächen Rückseite dieses Heftes. rische Art die Erwachsenenwelt und er- kann ich meine Erkenntnisse und mein 12
Gamen und Chatten befriedigen natürliche Bedürfnisse von Jugendlichen. Es sind dies vor allem Zugehörigkeit, Anerkennung, Autonomie und sich kompetent zu fühlen. dabei eine Verbundenheit untereinander, wo Gamer gefordert sind schnell und ge- auch jemanden, der sich um sie kümmert sie können sich austauschen, können neu- schickt zu reagieren oder gewisse Dinge und sich mit ihnen beschäftigt, spielt, gierig sein, sie erfahren neue Dinge oder zu verwalten und zu managen. Oder ein streitet, verhandelt und Grenzen setzt – entspannen sich einfach. Jugendlicher möchte gewisse Kompeten- und sie dann trotzdem wieder gewähren zen lernen und Tricks herausfinden, in- lässt. Das braucht viel Kraft – tagtäglich. l & l: Internet und Gamen – gibt es Unter- dem er einem anderen Gamer auf Youtube Oft sind wir versucht, das Kind einfach schiede zwischen Jungen und Mädchen? zuschaut. Gamer erstellen oft Video-An- vor dem Fernseher oder der Spielkonsole Hauser: Ja, den gibt es, und das unter- leitungen für andere Spieler. sitzen zu lassen, weil wir so unsere Ruhe schiedliche Verhalten ist sogar sehr haben und Dinge erledigen können. Zu- «klassisch». Die Jungs spielen lieber, ha- l & l: Welche Jugendlichen sind besonders dem müssen wir das eigene Verhalten ben gerne «Action». Die Mädchen reden gefährdet, gamesüchtig zu werden? reflektieren, gerade in Bezug auf den Me- gerne miteinander und tauschen Bilder Hauser: Es sind mehrheitlich männliche dienkonsum. Ist man selber ständig am aus. Jungs sind auch auf den Social Media Jugendliche, die in der realen Welt Mühe Smartphone und beantwortet beispiels- unterwegs und bei älteren Jugendlichen haben, Anschluss zu finden, keine Freun- weise Whatsapp-Nachrichten am Ess- gleichen sich die Zahlen an. Beim Gamen deoderHobbyshaben,vielalleinund/oder tisch, kann es schwierig werden, seinem jedoch wird der Unterschied je älter desto in Konflikte in der Familie oder der Schule 12-jährigen Kind plötzlich strikte Regeln grösser. verwickelt sind. Solche Jugendliche kön- abzuverlangen. Trotzdem kann es gelin- nen beim Gamen eine Ersatzwelt erleben, gen, wenn sich die Eltern zuerst unter- l & l: Welche Rolle spielt die Peer-Group wo sie Anschluss finden und erfolgreich einander absprechen und sich einig sind beim Gamen und Chatten? sind. Beim Gamen werden wichtige Be- über die Abmachungen. Hauser: Die Peer-Group ist für Jugendli- dürfnisse erfüllt, die sie in der realen Welt che zentral. Auch online wird mit Freun- vermissen. In dieser Situation sollten El- l & l: Wann sollte man professionelle Hilfe den zusammen gespielt und über Social tern hellhörig werden, wenn sich ihr Kind holen? Media wird miteinander kommuniziert. nur noch mit dem Gamen beschäftigt. Hauser: Wenn man ein ungutes Gefühl Jugendliche unterscheiden wenig, ob sie hat, sein Kind nicht mehr versteht, nur via digitale Medien oder von Angesicht l & l: Reagieren Mütter anders, wenn ihr noch das Problem sieht und kein ver- zu Angesicht miteinander kommunizie- Sohn am Gamen ist, als Väter? nünftiges Gespräch mehr entsteht oder ren. Für sie laufen beide Welten parallel Hauser: Meiner Erfahrung nach ja. Es die Kraft und Energie fehlt, sich mit dem nebeneinander her und werden als die- sind meistens Mütter, die wegen ihrer Thema auseinanderzusetzen. Es gibt ja selbe Realität erlebt. Deshalb können sie Söhne zu uns zu einer Kurzberatung kom- verschiedene Stufen von Hilfe, von sich nebeneinander auf dem gleichen Sofa men. Sie haben oft einen geringen oder informieren und austauschen, eine Wei- sitzen und trotzdem via Whatsapp mitei- keinen Zugang zur Welt des Gamens und terbildung oder Kurzberatung besuchen nander hin und her chatten. Was wir er- sie verstehen deshalb nicht, warum ihr bis hin zu einer psychologischen Beratung leben, ist ein Kulturwandel des Kommu- Sohn davon so begeistert ist. Wird dann oder Therapie. nizierens. Wenn wir ehrlich sind, stecken noch geschossen und gekämpft, dann sind wir selber mitten drin. Weil mein Mann sie schnell verunsichert und haben Vor- l & l: Wie können Eltern mit ihren Kindern nur eine Onlineagenda führt, muss ich urteile. Ich denke, ein weiterer Grund, einen gesunden Umgang mit dem Gamen Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 ihm einen Termin, beispielsweise Wäsche warum sich vorwiegend Mütter melden, vereinbaren? aufhängen oder Brot einkaufen, online als ist, weil sie immer noch mehrheitlich die Hauser: Entscheidend sind drei Dinge: Terminblocker mitteilen. Erziehungsverantwortung übernehmen. das Mass, der Inhalt und der Ausgleich. Man sollte vereinbaren, wie viele Zeit ge- l & l: Können Jugendliche beim Gamen l & l: Was können Eltern präventiv tun, spielt werden darf und diese Zeitlimite Kompetenzen erwerben? damit das Kind nicht onlinesüchtig wird? muss eingehalten werden. Dann gilt es Hauser: Ja. Je nach Game muss man Pla- Hauser: Das Wichtigste ist sehr grund- zu klären, ob der Inhalt eines Games dem nen, sich eine Strategie überlegen und legend: Liebe, Zuwendung, Präsenz – und Alter und Temperament des Kindes ent- im Team zusammenspielen, um gewisse Loslassen. Kinder und Jugendliche brau- spricht. Wenn ein Kind nach dem Spielen Ziele zu erreichen. Es gibt auch Spiele, chen einerseits Zeit, andererseits aber immer aggressiv reagiert, sollte das zu- 13
Es gilt zu klären, ob der Inhalt eines Games dem Alter und Temperament des Kindes entspricht. Wenn ein Kind nach dem Spielen immer aggressiv reagiert, sollte das zusammen mit dem Kind besprochen und ein neues Game gesucht werden, das besser zum Naturell und Entwicklungsstand des Kindes passt. sammen mit dem Kind besprochen und ein neues Game gesucht werden, das bes- ser zum Naturell und Entwicklungsstand des Kindes passt. Am Wichtigsten ist, dass das Kind einen Ausgleich in der realen Welt hat. Spielt zum Beispiel ein Junge vor dem Fussballtraining eine Stunde ein Game, kann diese Gamezeit genauso eine Erholung sein wie das Fussballspielen. Es geht nicht darum, das Gamen zu verbieten, sondern einen vernünftigen Weg für alle zu finden. l & l: Bietet die Suchtpräventionsstelle Winterthur Angebote zum Thema Gamen an? Hauser: Wir bieten Weiterbildungskurse für Bezugspersonen an und für Jugendli- che präventive Kurzinterventionen unter dem Namen Virtublick. Und wie bereits erwähnt, können Eltern zu einer Kurzbe- ratung kommen. l & l: Wie können Schulen mit dem Thema Gamen umgehen? Hauser: Auch beim Thema Gamen schät- zen Kinder und Jugendliche, wenn sie Ant- worten von Erwachsenen auf ihre Fragen erhalten. Lehrpersonen, die selber spie- len, haben es da sicher einfacher. Grund- sätzlich wäre es toll, wenn sich aber auch andere Lehrpersonen für Games interes- sieren und diese im Schulunterricht the- matisieren und darüber diskutiert wird. Warum nicht beispielsweise ein histori- sches Thema sogar anhand eines Games aus der entsprechenden Epoche erklären? Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 n Larissa Hauser ist Psychologin und Fachmitarbeiterin der Suchtpräventionsstelle Winterthur. Seit neun Jahren beschäftigt sie sich mit der Nutzung von digitalen Medien in der Präventionsarbeit. Brigitte Müller, Texterin und Redaktionsleiterin «laut & leise» stellte die Fragen. 14
E-Sport Gamen als Sport E-Sport kann eine Chance sein für Gamer und Eltern. Profispieler können Struktur und Orientierung in die unübersichtliche Gamingwelt bringen und für die Prävention die Rolle als Botschafter für verantwortungsvolles Gamen übernehmen. Von Christian Ingold E -Sport? Schon viel gehört aber den- als kompetitive Profis. Um sich auf diesem gehensweise eher Erfolg verspricht als noch keine klare Vorstellung davon? Erfolgsniveau zu halten, ist nicht auszu- Dauergamen und Verantwortungsver- Beim E-Sport treten via Online- schliessen, dass selbst Athleten mit Ab- weigerung. Vom grossen Erfolg und Geld- Computerspiele zwei Spieler oder zwei hängigkeitstendenzen zu kämpfen haben. verdienen träumen viele Gamer und ori- Teams gegeneinander an. Die gefragten Ausserdem fehlen Förderstrukturen für entieren sich deshalb an professionellen «Disziplinen» sind «Fifa» oder «Dota 2», ein nachhaltiges Training, wie es der ana- E-Sportlern. Die mediale Berichterstat- «League of Legends» oder «Starcraft II»: loge Sport mit lokalen Vereinen, Verbän- tung darüber gibt auch Eltern, Lehrper- Primär geht es darum, das gegnerische den und Subventionen kennt. sonen und Therapeuten einen Einblick Team in der virtuellen Welt zu besiegen. in diese sonst geheimnisvolle Welt, darf E-Sport ist ein rasant wachsender Markt, Sponsoring für E-Sport es aber nicht unterlassen, die Gefahren an dem viele Nutzniesser teilhaben wol- Nach Unternehmen aus der Hardware- klar zu benennen. Die von den E-Sport- len. Nicht nur Marken, Produkteanbieter und Technologiebranche sind unterdes- lern real gelebte Einstellung, Ausdauer und Dienstleister interessieren sich für sen viele Sponsoren aktiv geworden, die und Selbstdisziplin sind authentische und diese neue Sportart, auch die Prävention auf den ersten Blick wenig mit Gaming positive Botschaften, die ankommen und muss genauer hinschauen. E-Sport ver- zu tun haben. Eine Schweizer Bank stösst den Gamern eine neue Sicht auf ihr Spiel- spricht den Zugang zu einer nicht nur damit nicht nur auf Zustimmung, son- verhalten ermöglichen. Das Zentrum für für die Werbung, sondern auch die Prä- dern insbesondere bei Eltern auch auf Spielsucht hat die notwendigen Kontakte vention relevanten Zielgruppe: Es sind verständnisloses Kopfschütteln. Das Ex- zur Branche aufgebaut und entwickelt für die jungen, gutausgebildeten, zahlungs- periment der Bank ermöglicht fünf aus- Spieler, Eltern und Fachpersonen Mass- kräftigen, männlichen Konsumenten, die gewählten E-Sportlern während eines nahmen in der Früherkennung und bietet selber spielen oder sich für E-Sport über Jahres ein professionelles E-Sport-Trai- Kurzberatungen an. relevante Kanäle wie twitch oder reddit ning inklusive Lohn. Die Spieler können n interessieren. als Profiteam Vollzeit «League of Legends» trainieren und sich in Wettkämpfen mes- Christian Ingold arbeitet als Leiter Prävention am E-Sportler versus Gamer sen. Um Profiniveau zu erreichen, wird Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich. Er beschäftigt sich mit den Zusammen- Die meisten gehören, auch wenn sie es das Team durch einen international er- hängen zwischen Gaming und Gambling sowie deren selber meinen, zu den Gamern * und fahrenen E-Sportler gecoacht. Zum rund Präventionsmassnahmen. Interessensbindungen zu nicht zu den E-Sportlern. Dieser Unter- fünfstündigen Training vor dem Bild- Sponsoren und Agenturen von E-Sports oder der schied ist relevant und einfach zu erklä- schirm gehört eine ausgewogene Ernäh- genannten Schweizer Bank bestehen keine. ren. E-Sportler sind meist Profis in einer rung, gewährleistet durch den Teamkoch, Disziplin, also in einem Game. Gamer hin- spezifisches Konditionstraining im Fit- gegen spielen oft mehrere Games parallel nessstudio, sowie mentales Coaching und laut & leise mit weniger Ambitionen. E-Sportler kön- Teamberatung als auch Entspannung. Folgende «laut & leise» beschäftigten Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 nen mit Spitzensportler verglichen wer- sich mit den Neuen Medien: den, Gamer eher mit Breitensportler, die E-Sportler als Vorbild • Nr. 1-2008: Neue Medien Unterhaltung und Entspannung suchen. Einzelne Gamer schaffen es nicht, ihre • Nr. 3-2011: Social Media – Revolu- E-Sportler trainieren in die Tiefe, wieder- Onlinezeit zu kontrollieren und zeigen tion, Hype oder bloss zeitfressende holen Sequenzen, feilen an den Details, Suchtsymptome. Hier könnte die Chan- Banalität? sind diszipliniert und wollen langfristig ce liegen, prominente E-Sportler als • Nr. 2-2017: Digitale Angebote der siegen. Sie verhalten und verstehen sich Botschafter einzusetzen. Professionelle Suchtpräventionsstellen E-Sportler leben zumindest vom Konzept Alle Ausgaben finden Sie als PDF auf der * Die Mehrheit der Spielenden ist männlichen Ge- her vor, wie verantwortungsvolles Gamen Website: www.suchtpraevention-zh.ch. schlechts, Spielerinnen sind mitgemeint. verstanden wird und dass diese Heran- 15
Präventionsprojekt Flimmerpause – Freizeit ohne Bildschirme Keine Fastenkur Wie viel Freizeit möchte ich vor einem Bildschirm verbringen? Beim Präventionsprojekt Flimmerpause erleben Kinder und Jugendliche, dass offline Spass macht und wie man «schmerzfrei» auf Smartphone & Co. verzichten kann. von Simone Rindlisbacher E inmal im Jahr in der Freizeit – wäh- Gibt es Eltern, die sich um die Sicherheit den zusammen oder einzeln «unverplan- rend einer Woche – auf Bildschirm- der Kinder sorgen? Kommt das Handy te» Zeit erleben möchten, ob sie den Wald medien zu verzichten und zu erle- in eine Kiste oder braucht es die mobile oder das Vereinsangebot der Gemeinde ben, was es dabei zu gewinnen oder zu Telefonfunktion? Die Diskussion über erkunden, Bastel-Workshops oder Spiel verlieren gibt, erscheint fast allen als eine Ausnahmen, Funktionen, Joker und Not- ohne Grenzen veranstalten. ausgezeichnete Idee. Viele staunen, dass fallpläne ist erhellend und wichtig, auch sie aus einer Zeit stammt, in der das Fern- damit alle Ja sagen können. Konsumverhalten ändert sich sehgerät noch im Fokus stand. In Luzern, Es ist wichtig, dass alle etwas Attraktives wo Flimmerpause entstanden ist, gehört Freizeit ohne Bildschirm ausprobieren und ihre Erfahrungen, auch das Projekt für viele Primarschüler/innen Das Projekt Flimmerpause – seit Jahren die schwierigen, besprechen. So durch- zum normalen Schuljahr. erfolgreich durchgeführt – wurde von Ak- brechen sie ihre Gewohnheiten, entde- So einleuchtend die Idee erscheint, zent Prävention und derSuchttherapie des cken Interessen und entwickeln eigene wenn es konkret wird für Jugendliche Kantons Luzern entwickelt. Im Kanton Ideen zur Freizeitgestaltung. Neben vie- und deren Bezugspersonen, erscheint Zürich bieten folgende Regionalstellen len interessanten Diskussionen wird da- das Experiment plötzlich als eine echte dieses Präventionsprojekt an: Suchtprä- bei die Erfahrung, dass Mediennutzung Herausforderung: Sei es, weil das The- ventionsstelle Zürcher Oberland, Sucht- tatsächlich gestaltbar ist, in Köpfen und ma Bildschirmkonsum bereits als Pu- präventionsstellen Zürcher Unterland Körpern verankert. Studien belegen, dass bertätskampfplatz dient oder resignativ und Samowar Meilen. Zielgruppen sind durch einen zeitlich begrenzten Verzicht verdrängt wird. Hier beginnt die Arbeit auf der einen Seite Kinder und Jugend- auf bestimmte Verhaltensweisen, der der Prävention, die mit Ideen und pas- liche (ab Primarstufe) und Eltern und auf Konsum kurz- bis mittelfristig abnimmt senden Materialien einen gangbaren Weg der anderen Seite Schlüsselpersonen aus und ein verantwortungsbewusstes Ver- aufzeigt. Das Experiment bildschirm- Schule und Jugendarbeit. halten gefördert wird. Bewusster Ver- freie Zeit lenkt den Fokus weg vom Ver- Folgende Schritte gehören zur Flim- zicht ermöglicht, dass sich Kinder und zicht hin auf die Erfahrung vielfältiger, merpause: Jugendliche neu erleben. Zusammen mit lustvoller Tätigkeiten. Handbücher und • Die eigenen Konsummuster wahrneh- der Familie, der Schulklasse oder der Ju- Begleitmaterialien ermöglichen es, mit men und ein Flimmertagebuch führen. gendgruppe schafft das Experiment eine wenig Aufwand kleine Experimente mit • Details werden zur Flimmerpause aus- neue Grundlage für die gemeinsame Ge- der Familie oder Klasse umzusetzen oder gehandelt, was zum Abschluss eines Flim- staltung von Zeit. * grössere Events mit der ganzen Schule zu mervertrags führt. planen. Wichtig bleibt bei beiden Varian- • Die flimmerfreie Zeit wird gemeinsam n Suchtprävention laut & leise, Juni 2019 ten, dass dem Experiment genügend Vor- mit alternativen Aktivitäten geplant. bereitungszeit eingeräumt wird. • In der Freizeit werden keine digitalen Simone Rindlisbacher, Soziologin, forschte lange in Bereich Gesundheit und Change. Als Fachmitar- Ausgehend von der Reflexion der eige- Medien mehrkonsumiert. Generellwerden beiterin in der Suchtpräventionsstelle Zürcher nen Nutzung der Bildschirmmedien, tau- Bildschirmmedien eingeschränkt genutzt. Oberland betreut sie seit Herbst 2016 das Projekt chen viele Fragen auf wie beispielsweise: • Sich flimmerfrei begegnen und Alter- Flimmerpause. Was gehört zur Freizeitnutzung und was nativen erleben – Erlebnisse schaffen. zur Arbeit? Welche Informationen und • Das flimmerfreie Erleben besprechen – Ausnahmen müssen vor der Flimmerpau- Erfahrungen austauschen und festhalten. se geregelt werden, damit niemand Trai- Die Bildschirm-freie Zeit wir unter- * vgl. Raschke, P. (2002). Lernen durch Verzicht. Ho- nings, Nachhilfestunden usw. verpasst. schiedlich ausgefüllt: Ob die Teilnehmen- hengehren: Schneider Verlag. 16
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