SCHWEIZER THEATERTREFFEN - NACHGEFRAGT BIOGRAFIEN - SZENESCHWEIZ

Die Seite wird erstellt Melanie Arnold
 
WEITER LESEN
BÜHNE FILM FERNSEHEN

Zeitschrift des Schweizerischen Bühnenkünstlerverbandes    Nr. 86 / Oktober – November – Dezember 2014

                                                           Nachgefragt
                                                           Schweizer
                                                           Theatertreffen
                                                           Bücher im Blick
                                                           Biografien
PROLOG
                                      Dies nicht, weil die Welt edel und     entwurf liegt dem SBKV vor. Es
                                      gut ist und das Leben stets ge-        werden weder Gage noch Sozial­
                                      recht, sondern weil es für mich        versicherungsbeiträge gezahlt,
                                      unvorstellbar war, dass sich Mei-      sondern eine Spesenentschädi-
                                      nungsverschiedenheiten nicht bei       gung in der Höhe von Fr. 1‘500.
                                      einem ruhigen (oder auch etwas         Damit werden das Einstudieren,
                                      lauteren) Gespräch im Direktions-      16 Chorproben, weitere szeni-
                                      büro klären lassen.                    sche Proben und 7 Vorstellungen
                                      Nein, die guten Gründe waren’s         abgegolten. Freihalten muss man
                                      nicht. (Ich stellte auch erst nach     sich zusätzlich vier weitere Da-
                                      meinem Beitritt mit grosser Freu-      ten wegen witterungsbedingter
 Elisabeth Graf                       de fest, dass ich nun viel billiger    Ausfälle. Der Chorist verpflich-
                                      ins Theater konnte.) Ich war ge-       tet sich, bei 80 % der Proben an-
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen     prägt vom angelsächsischen The-        wesend zu sein. Versicherung ist
                                      ater, der Beitritt war für mich eine   Sache der «Teilnehmer» und die
Vielleicht haben Sie auch schon       schlichte Selbstverständlichkeit.      «Teilnehmer» treten mit der Ver-
die Erfahrung gemacht, dass Sie       Und so wurde ich von meiner ehe-       einbarung alle Leistungsschutz-
Argumente benutzen wollten,           maligen Sprechtechnik-Lehrerin,        rechte ab (nebenbei sei daran
von denen Sie dachten, die sind’s,    einem SBKV-Vorstandsmitglied,          erinnert, dass Swissperform- und
die überzeugen. Vielleicht haben      innerhalb von zwei Minuten an-         SUISA-Mitglieder ihre diesbezüg-
Sie kurz innegehalten und sich        geworben. Es war ein schneller         lichen Rechte bereits abgetreten
überlegt, wie war’s denn damals       Bauch-Entscheid, eine Herzens-         haben – also diese Klausel in der
bei mir, was hat mich von dieser      angelegenheit.                         «Vereinbarung» gar nicht unter-
Sache überzeugt. Und vielleicht       Mein Pep-Talk fiel dann etwas an-      schreiben können). Die Choristen
stellten Sie verwundert fest, dass    ders aus als ursprünglich geplant.     werden nicht direkt von der Festi-
bei Ihnen alles ganz anders war.      Ich denke, es hat nicht geschadet.     valleitung engagiert, sondern von
So ging es mir, als ich mich kürz-    Wem die Mitgliedschaft beim            einem Verein, der die Choristen
lich darauf vorbereitete, an einem    SBKV mehr bedeutet als eine            «organisiert» (die Choristen sind
Theater die Ensemble-Mitglieder       Rückversicherung für schwierige-       nicht Mitglied des Vereins, son-
von der Mitgliedschaft beim SBKV      re Zeiten, soll das beim Anwer-        dern werden lediglich von diesem
zu überzeugen, und mich an die        ben von Kollegen nicht vergessen       verpflichtet.) Nun hat das «Sys-
Zeit meines Beitritts erinnerte.      und ruhig auch sein Herz spre-         tem Subunternehmen» auch auf
Damals lagen auch viele (nicht        chen lassen. Im anderen Fall, sind     der Bühne Einzug gehalten. Vom
so viele, wie heute!) gute Grün-      auch nur die guten Gründe mehr         Bau zum «Bau» …
de für einen SBKV-Beitritt auf        als gut genug für einen Beitritt.      Der SBKV rät seinen Mitgliedern
dem Tisch. – Beratung, Rechts-        Übrigens geht’s mir wie glückli-       dringend von einer Teilnahme ab.
schutz, es würden mir keine Soli-     cherweise den meisten Mitglie-         Eine Teilnahme in dieser Produk-
daritätsabzüge mehr abgezogen,        dern: Die Rechtsberatung oder          tion kann zum Privatvergnügen
dafür würde ich für nur ein biss-     den Rechtsschutz musste ich bis        erfolgen, aber mit einem profes-
chen mehr Geld in den Genuss          jetzt nie in Anspruch nehmen.          sionellen Engagement hat dies
vieler (nicht so vieler, wie heu-     Aber die Diskussionen im Direk-        nichts zu tun.
te!) Dienstleistungen kommen. –       tionsbüro, die hat’s zwei Mal ge-      In der letzten Ausgabe des «En-
Aber all das spielte damals bei mir   geben.                                 sembles» hat sich Hannes Steiger
gar keine Rolle. So war ich z.B. in   Diskussionen gibt es zurzeit wie-      von den Mitgliedern verabschie-
meinem jugendlichen Übermut           der um das Festival «La Perla»         det. Im Namen des Vorstands dan-
davon überzeugt, die Rechtsbe-        (Pfäffikon, ZH). Für die Auffüh-       ke ich ihm für seinen Einsatz und
ratung oder den Rechtsschutz nie      rung 2015 von «Carmen» werden          wünsche ihm für seine Zukunft
in Anspruch nehmen zu müssen.         Choristen gesucht. Ein Vertrags-       beruflich wie privat alles Gute.

Titelseite: Lena Schwarz, Carolin Conrad, Fritz Fenne in «Amphitryon und sein Doppelgänger»,
Schauspielhaus Zürich 2013/14, Schweizer Theatertreffen 2014, © Foto: Matthias Horn

2                                                                                            Ensemble Nr. 86
Die Findungskommission war             Wir hoffen, Ihnen bald die neue        abschliessen können, wünsche
während der letzten Monate mit         Geschäftsleiterin oder den neuen       ich Ihnen von Herzen alles Gu-
der Suche nach einer Geschäfts-        Geschäftsleiter vorstellen zu kön-     te, Gesundheit und viele beglü-
leiterin oder einem Geschäfts-         nen.                                   ckende Momente auf, hinter und
leiter beschäftigt. Es wurden          Für die Spielzeit 2014/2015, wäh-      neben der Bühne. – Und bitte
über 50 Bewerbungen gesichtet.         rend der wir hoffentlich den neu-      vergessen Sie nicht: Solidarität ist
Zurzeit (vor Redaktionsschluss)        en GAV Gruppen mit unserem             nie unkünstlerisch!
werden Gespräche mit den Inte-         Sozialpartner, dem Schweizeri-                          Herzlichst,
ressenten geführt.                     schen Bühnenverband, werden                             Elisabeth Graf

FLUSTERKASTEN
…Baden                                 wurde zum deutschsprachigen            vierende Lohngefälle» innerhalb
Das Theater im Kornhaus ThiK           Stück des Jahres gewählt, Laura        der Institution auszugleichen.
in Baden hat eine neue Leitung.        de Wecks «Archiv des Unvollstän-       Neu werden das Schlachthaus-
Nachdem die bisherigen Leiter,         digen» kam auf Platz zwei. Thom        Theater und die Dampfzentrale
Anita Rösch und Simon Egli, an-        Luz wurde mit «Archiv des Un-          nur noch von der Stadt Bern un-
kündigten, das Haus im Sommer          vollständigen» in Oldenburg und        terstützt, und diese hat Pläne mit
2015 nach 25 Jahren zu verlassen,      «When I die» in der Kaserne Basel      den beiden Institutionen: Zum
wurde die Vakanz ausgeschrieben.       zum Nachwuchsregisseur 2014 ge-        1.1.2016 sollen beide Theater in
Jetzt steht fest, dass Nadine Tob-     kürt.                                  eine gemeinsame Trägerschaft
ler (33) und Markus Lerch (61)                                                überführt werden, um ein «Mehr-
gemeinsam das Theater leiten wer-      …Bern                                  spartenhaus» für die freie Szene zu
den. Tobler, die aus Baden stammt,     Die Kulturbotschaft 2016–2019          schaffen. Stadtpräsident Alexander
arbeitete als Regieassistentin, Pro-   ist zur Vernehmlassung vorgestellt     Tschäppät äusserte sich folgender-
duktionsleiterin und Performerin.      worden. Rund 895 Millionen Fran-       massen: «Für mich ist klar, dass wir
Der aus Zürich stammende Markus        ken will der Bund in dieser Zeit für   unser Profil in der zeitgenössischen
Lerch war als Schauspieler, Regis-     die Kultur ausgeben, das sind 112      Kultur schärfen wollen und dass
seur und Projektleiter tätig. Unter    Millionen Franken mehr als in der      wir dafür ein starkes Mehrspar-
anderem hatte er seit 2009 die         laufenden Periode. Den grössten        tenhaus brauchen.» Er sprach von
Produktionsleitung des Figura The-     Anteil der Mittel erhält der Film.     einem «Flaggschiff für zeitgenös-
aterfestivals inne.                    Für vier Jahre wurden 200 Millio-      sische Kultur». Der Berufsverband
                                       nen Franken veranschlagt. Zudem        der Freien Theaterschaffenden
…Berlin                                soll es ein zusätzliches Programm      (ACT) reagierte auf diese Ankündi-
Die Fachzeitschrift «Theater heute»    «Film Standort Schweiz» geben,         gung mit einer Online-Petition mit
gab wie jedes Jahr die Bestenliste     das die Schweiz als Dreh- und Pro-     inzwischen 1'124 Unterschriften
des deutschsprachigen Theaters         duktionsstandort fördern soll. Da-     zu Handen der verantwortlichen
bekannt. Mehrfach nannten die          für stehen sechs Millionen Franken     Leiterin der Abteilung Kulturelles
44 Kritikerinnen und Kritiker auch     zur Verfügung.                         Veronica Schaller. In dieser fordert
Produktionen mit Schweizer Be-                                                ACT unter anderem, dass «die Kul-
teiligung: Die Schauspielerin Ursi-    Kanton, Stadt und Regionsgemein-       turschaffenden Berns als Fachleute
na Lardi in Thomas Ostermeiers         den stellten bei einer Medienkon-      in die aktuelle kulturpolitische Dis-
Schaubühneninszenierung «Kleine        ferenz die Subventions­periode         kussion eingebunden werden» und
Füchse» erhielt vier Stimmen und       2016 bis 2019 vor. Hervorgeho-         dass «die laufende Kooperations-
belegte damit den zweiten Platz        ben wurde, dass vier Institutionen     Diskussion zwischen Schlachthaus
hinter der Schauspielerin des Jah-     ab 2016 zusammen knapp 1,2 Mil-        Theater und Dampfzentrale ergeb-
res Bibiana Beglau. Karin Henkels      lionen Franken mehr erhalten sol-      nisoffen geführt wird und insbe-
Inszenierung «Amphitryon und           len. Es sind dies Konzert Theater      sondere der Mehrwert für das Freie
sein Doppelgänger» nach Kleist am      Bern, das Historische Museum, die      Theaterschaffen geprüft wird».
Schauspielhaus Zürich erhielt          Camerata Bern und das Theater an
den Titel Inszenierung des Jahres.     der Effingerstrasse. Den grössten      Der Max-Reinhardt-Preis des The-
Sibylle Bergs Stück «Es sagt mir       Teil davon erhält Konzert Theater      atertreffens deutschsprachiger
nichts, das sogenannte Draußen»        Bern, unter anderem um «das gra-       Schauspielstudierender      2014

Ensemble Nr. 86                                                                                                 3
Ensembleszene mit Sophie Berner als Amneris in Elton John/Tim Rices Musical «Aida»,
 © Foto: Thunerseespiele / Sandra Studer, foto4you.biz

in Höhe von 10’000 Euro ging an       Glanzlichtern im Kulturangebot des       Oltner Kabarett-Casting und da-
die Schauspielstudierenden der        Kantons», so der Regierungsrat.          mit den Förderpreises im Wert von
Hochschule der Künste Bern. Aus-      Der mit 20'000 Franken dotierte          10’000 Franken. Er wird beim Fes-
gezeichnet wurde das Programm         Kulturpreis ist die höchste kulturelle   tival 2015 am Nachwuchswettbe-
«Vier Soli» mit «Jom Kippur»          Auszeichnung, die der Kanton ver-        werb «Sprungfeder» auftreten.
­(Simon Labhart), «Nina La Frida»     gibt.
 (Nina Wyss), «For James» (Maxi-                                               …Thun
 milian Reichert) und «Der Cow-       …Luzern                                  Die Thuner Seespiele gaben Ende
 girls Blues» (Johanna Dähler).       Michael Haefliger leitet seit 1999       August die Auslastungszahlen ihrer
                                      das Lucerne Festival. Nun wurde          diesjährigen Produktion «­ Aida» be-
…Einsiedeln                           sein Vertrag, der bis 2016 galt, um      kannt: Insgesamt wurden 60'000
Vor einem Jahr fand zum 16. Mal       weitere vier Jahre bis Ende 2020         Tickets verkauft. Das entspricht ei-
das Einsiedler Welttheater statt.     verlängert. Michael Haefliger sei ein    ner Gesamtauslastung von 70 Pro-
Die Produktion, eine Neubearbei-      Intendant voller Tatendrang und In-      zent. «Wir schliessen die Saison mit
tung von Calderons Welttheater        spiration, der den Gestaltungsfrei-      einer positiven Bilanz ab. Aufgrund
durch Tim Krohn in der Inszenierung   raum in seiner Tätigkeit mit aller       des erfolgreichen Vorverkaufs im
von Beat Fäh, verzeichnet – wie       Kreativität nutze – und ausserdem        Frühling hatten wir uns natürlich
jetzt feststeht – bei einem Gesamt-   zu hervorragenden Ergebnissen            mehr erhofft. Den Wetterumstän-
umsatz von 4,28 Millionen Franken     gelange, künstlerisch wie wirt-          den entsprechend können wir uns
ein Defizit von 410'000 Franken.      schaftlich, so Hubert Achermann,         aber glücklich schätzen, dass wir die
Schuld daran ist eine «massive Zu-    der Präsident des Lucerne Festival.      Saison mit einer schwarzen Null ab-
schauereinbusse». Statt budge-                                                 schliessen», so Geschäftsführer Ste-
tierter 51'000 Besucherinnen und      …Olten                                   phan Zuppinger.
Besucher sahen nur 45'000 Perso-      Die 27. Oltner Kabarett-Tage
nen die Produktion. Weitere Auf-      waren erfolgreich. An zehn Festi-        …Zürich
führungen des Welttheaters 2019       val-Tagen fanden an neun verschie-       Andreas Homoki, Direktor des
oder 2020 sind indes nicht gefähr-    denen Spielorten in Olten sowie als      Opernhauses Zürich, wird noch
det. Die Welttheatergesellschaft      Gastspiele in Schötz und Laufen          mindestens weitere fünf Spielzei-
verfügt über ausreichende Reser-      34 Veranstaltungen mit 56 Künst-         ten am Opernhaus tätig sein. Sein
ven, um den Verlust zu decken. Im     lerinnen und Künstlern statt. Rund       Vertrag wurde bis 2021/22 verlän-
Oktober wird sie für ihre grossen     7'000 Besucherinnen und Besu-            gert. Auch die Verträge des Ge-
Verdienste mit dem Kulturpreis des    cher verzeichnete das Festival. Das      neralmusikdirektors Fabio Luisi
Kantons Schwyz ausgezeichnet.         entspricht einer Auslastung von          und des Ballettdirektors Christian
«Die Aufführungen im Klosterdorf      90 Prozent. Der Berner Christoph         Spuck wurden dementsprechend
gehören zu den herausragenden         Simon gewann das diesjährige 3.          verlängert.

4                                                                                                Ensemble Nr. 86
Zum zweiten Mal vergaben die          Vom Regierungsrat gewählt wurde       das Schauspielhaus Zürich Bei-
Freunde des Balletts Zürich im        Madeleine Herzog, die ihr Amt         träge in Höhe von 6 Millionen und
Opernhaus ihren Tanzpreis. Die        am 1. Oktober antritt. Herzog, die    das Theater Winterthur 2,8 Mil-
Berlinerin Katja Wünsche und der      als wissenschaftliche Mitarbeiterin   lionen.
Lissabonner Filipe Portugal erhiel-   und Dozentin am Deutschen Se-
ten die Auszeichnung. Wünsche         minar der Universität Zürich tätig    Der Zürcher Stadtrat beantragte
war in Spucks Choreografien «Ro-      und als Dramaturgin und Chef-         im Juli dem Gemeinderat, die jähr-
meo und Julia» und «Leonce und        dramaturgin am Theater St. Gal-       liche Unterstützung von 300'000
Lena» zu sehen, Portugal war unter    len engagiert war, leitete zuletzt    Franken für das Zurich Film Festi-
                                                                            val (ZFF) auch in den Jahren 2015
 Preisträger des Tanzpreises der Freunde des Balletts Zürich:               bis 2018 weiterzuführen. «Der
 Benoît Favre, Filipe Portugal, Katja Wünsche, Manoela Gonçalves            Stadtrat anerkennt somit die Leis-
 © Foto: Danielle Liniger
                                                                            tungen und die positiven Auswir-
                                                                            kungen des Zurich Film Festivals
                                                                            für die Filmkultur und die Filmwirt-
                                                                            schaft in Zürich.»

                                                                            Die Sanierung der Roten Fabrik
                                                                            in Zürich kostet rund 16 Millionen
                                                                            Franken. Vor zwei Jahren verur-
                                                                            sachte ein Brand im Atelierbereich
                                                                            der Roten Fabrik einen grossen
                                                                            Schaden. Zudem fallen Unterhalts-
                                                                            arbeiten an, die nach rund 30 Jah-
                                                                            ren der Nutzung des Gebäudes als
                                                                            Kulturzentrum notwendig wurden.
                                                                            Im nächsten März kann mit der Re-
anderem König ­  Peter in «Leonce     die Fachstelle Kultur der Stadt St.   novation begonnen werden; die
und Lena». Vom Junior Ballett er-     Gallen.                               Bauzeit ist mit rund eineinhalb Jah-
hielten Manoela Gonçalves und                                               ren veranschlagt. Einschränkungen
Benoît Favre den Preis. Die Preis-    Der Zürcher Kantonsrat bewillig-      des Betriebs sind dann notwendig:
summe für alle vier Ausgezeichne-     te einstimmig einen Sonderkredit      Die Halle beispielsweise muss von
ten beträgt 10'000 Franken.           für Kulturinstitute aus Zürich und    März 2015 bis Herbst 2016 ge-
                                      Winterthur. 20 Millionen Franken      schlossen werden.
Die Fachstelle Kultur des Kan-        aus dem Lotteriefonds wurden ge-
tons Zürich hat eine neue Leiterin.   sprochen. Unter anderem erhalten

PERSÖNLICHES
Der      Tessiner     Kameramann      Die     48-jährige    Berne-
­Renato Berta wurde bei der           rin ­ Franziska Burkhardt
 Verleihung der 24. Deutschen         trat am 1. J­uli die neu ge-
 Kamerapreise in Köln mit dem         schaffende Stelle einer Ge-
 Ehrenpreis ausgezeichnet. Berta      schäftsleiterin im Berner
 arbeitete mit Regisseuren wie Da-    Kulturzentrum Progr an.
 niel Schmid, Alain Tanner, Jean-     Sie arbeitete nach dem
 Luc Godard und Claude Chabrol.       Studium für die Pro Helve-
 Er prägte mit seiner Arbeit das      tia, lebte danach zwei Jahre
 Neue Schweizer, wie auch das         in Italien, leitete während
 europäische Kino. 1988 wurde er      vier Jahren die Geschäfte
 für «Au revoir les enfants» (1987)   des internationalen Film-
 von Louis Malle mit dem César        festivals Freiburg und stand                        Franziska Burkhardt
                                                                                        © Foto: Martin Bichsel
 ausgezeichnet.                       2009 bis 2013 der Sektion

Ensemble Nr. 86                                                                                                 5
Kulturschaffen beim Bundesamt         schule der Künste, die beiden Per-    film «Schweizer Helden», der in
für Kultur vor.                       formerinnen Mira Kandathil und        einem Schweizer Asylantenheim
                                      Annina Machaz alias Destiny’s         spielt, dessen Bewohner gemein-
 Drei Theaterstudierende mit          Children, für ihre Produktion         sam das Theaterstück «Willhelm
 Vertiefung Szenografie an der        «Follow us», eine Annährung an        Tell» aufführen, den mit 30'000
 Zürcher Hochschule der Küns-         Marilyn Monroe und Amy Wine-          Franken dotierten «Prix du Pub-
 te haben den diesjährigen            house. Den zweiten Preis, der mit     lic». Elf internationale Produktio-
­Roman-Clemens-Preis erhalten.        8'000 Franken dotiert ist, bekam      nen standen zur Auswahl. Nach
 Nicole Frei, ­ Camille Schmid        die Zürcher Theatertruppe Hitz-       «Giulias Verschwinden» (2009)
 und ­Johannes Frei überzeugten       kopf und Hengst für ihre Wes-         von Christoph Schaub geht der
 mit ihren B­achelorarbeiten. Der     ternparodie «Once Upon A Time         Publikumspreis damit erstmals
 Preis ist mit insgesamt 10'000       In The Middle East». Den dritten      wieder an eine Schweizer Pro-
 Franken dotiert, die für künftige    Platz belegte der Luzerner Da-        duktion.
 Theaterprojekte verwendet wer-       niel Korber mit «Weltmodelle
 den müssen.                          wegschmeissen», sein Preisgeld        Der Kulturredaktor der Basler Zei-
                                      betrug 2’000 Franken.                 tung, Stephan Reuter, ist der
Der Dramatiker und Hörspielau-                                              neue Schweizer Juror für das Ber-
tor Wolfram Höll, der für die                                               liner Theatertreffen. Er folgt auf
Spielzeit 2014/15 am Theater                                                Daniele Muscionico, die im Ver-
Basel als Hausautor verpflich-                                              lauf des 51. Festivals zurücktrat,
tet ist, hat für sein Drama «Und                                            weil Texte von ihr sich als Plagiate
dann» den Mülheimer Dramati-                                                herausstellten. Die Amtszeit be-
kerpreis erhalten, der mit 15'000                                           trägt normalerweise drei Jahre.
Euro dotiert ist. Das Stück, das in                                         Die sieben ehrenamtlichen Juro-
der Uraufführungsinszenierung                                               ren visionieren jährlich rund 400
des Schauspiels Leipzig präsen-                                             Theaterstücke in der Schweiz, in
tiert wurde, biete eine neue Qua-                                           Deutschland und in Österreich.
lität dramatischen Schreibens.
Die Jury hob die strenge Formung                                            Rimini Protokoll (Helgard Haug,
und hohe Musikalität seiner Dich-                                           Daniel Wetzel und Stefan Kaegi)
tung hervor.                                                                erhielt an den 39. Mülheimer
                                                                            Theatertagen den Publikums-
Der Schweizer Schriftsteller und                        Iris Laufenberg     preis der «Stücke 2014» für das
Dramatiker Thomas Hürlimann                      © Foto: Matthias Horn      in Koproduktion mit dem Schau-
erhält den Alemannischen Lite-                                              spiel Stuttgart entstandene Stück
raturpreis, der mit 10'000 Euro       Iris Laufenberg, seit 2012/13         «Qualitätskontrolle».
dotiert ist. Die Jury würdigt mit     Schauspieldirektorin am Kon-
dem Preis das Gesamtwerk Hür-         zert Theater Bern, wird Inten-        Tomas Schweigen, seit 2012
limanns und schrieb in ihrer Be-      dantin am Schauspielhaus Graz.        Co-Leiter des Schauspiels am
gründung unter anderem, dass          Ihren bis Mitte 2015 laufenden        Theater Basel mit seiner Grup-
er mit seinen Theaterstücken «in      Vertrag wird sie erfüllen und zur     pe Far A Day Cage (FADC), wird
der Tradition von Max Frisch und      Spielzeit 2015/16 ans Schauspiel-     2015/16 Intendant des Schau-
Friedrich Dürrenmatt die Verwick-     haus wechseln. Der Direktor von       spielhauses Wien. Schweigen
lungen und Verstrickungen seines      Konzert Theater Bern, Stephan         wurde in Wien geboren und hat
Heimatlandes in sich selbst und in    Märki, äusserte sich folgender-       dort Theaterwissenschaft stu-
den Nationalsozialismus» thema-       massen: «Die Berufung von Iris        diert. 2000 folgte ein Regiestudi-
tisiere.                              Laufenberg an ein bedeutendes         um in Zürich, 2004 gründete er
                                      deutschsprachiges      Schauspiel-    die freie Kompagnie FADC.
Ende Mai wurde zum 13. Mal            haus ist eine grosse Anerkennung
der Nachwuchspreis für Theater        auch ihrer Arbeit in Bern.»           Otto Tausk ist seit 2012/13
und Tanz, Premio 2014, verge-                                               Chefdirigent von Sinfonieorches-
ben. Den ersten Preis und damit       Der Schweizer Filmemacher Peter       ter und Theater St. Gallen. Nun
25’000 Franken erhielten zwei         Luisi erhielt beim 67. Festival del   verlängerten er und das Thea-
Absolventinnen der Berner Hoch-       Film in Locarno für seinen Spiel-     ter seinen Vertrag bis 2018. Als

6                                                                                             Ensemble Nr. 86
«inspirierende und Publikum           tung «Blue Blue Sky» den Deut-
                                       wie Orchestermusiker gleicher-        schen Kamerapreis der Kategorie
                                       massen begeisternde Künstler-         «Nachwuchsfilm Schnitt».
                                       persönlichkeit» habe Otto Tausk
                                       in den ersten zwei Jahren seiner      Dem Berner Schriftsteller und
                                       Amtszeit bereits «Wesentliches        Dramatiker Matthias Zschokke
                                       beigetragen zur regionalen wie        wurde der Grosse Literaturpreis
                                       internationalen Ausstrahlung des      von Stadt und Kanton Bern verlie-
                                       St. Galler Orchesters und Musik-      hen. Mit der mit 30’000 Franken
                                       theaters».                            dotierten Auszeichnung würdigte
                                                                             die Jury Zschokkes herausragen-
                                       Die Zürcherin Bigna Tomschin          des literarisches Gesamtwerk, das
                                       erhielt an der Verleihung der         durch erzählerische Vielschichtig-
                      Otto Tausk       24. Deutschen Kamerapreise in         keit, feine Figurenzeichnungen
     © Foto: Konzert und Theater       Köln für ihren Diplomfilm an der      und abgründigen Humor über-
              St.Gallen, Tine Edel
                                       Zürcher Hochschule für Gestal-        zeuge.

ABSCHIED
Der Puppenspieler Ueli Balmer          Theaterwissenschaft, Philosophie
verstarb Ende Juli nach langer         und Germanistik in Wien und
schwerer Krankheit mit 77 Jahren.      Berlin und kam 1981 dann für
Balmer, der eine Lehrerausbildung      eine Regieassistenz an das Ber-
absolvierte und auch als Lehrer        ner Stadttheater. Bis 1990 war sie
tätig war, gründete 1956 die Zo-       dort als Regisseurin und Drama-
finger Puppenbühne, mit der er         turgin mit dem Schwerpunkt zeit-
bis 1997 im In- und Ausland un-        genössische Dramatik verpflichtet,
terwegs war. 1959 war er Grün-         danach war sie als freischaffende
dungsmitglied der Vereinigung          Regisseurin tätig. 1983 führte der
der schweizerischen Puppenbüh-         damalige Berner Schauspieldi-
nen, für die er zuerst als Sekre-      rektor Peter Borchardt eine Gast-
tär, dann als Präsident (1964–65)      spielreihe für zeitgenössisches
amtete. Während elf Jahren en-         deutschsprachiges Theater ein,
gagierte sich Balmer auch im Ex-       die er «Aua, wir leben!» nannte.       Beatrix Bühler
ekutivkomitee des Weltverbands         Ab 1985 arbeitete Beatrix Büh-         © Foto: Anna Lupien
UNIMA, von der UNIMA Suisse            ler bei der Planung und Durch-        entwickelte sich zu einem wichti-
wurde ihm 2009 die Ehrenmit-           führung mit. Ab 1988 führten          gen europäischen Festival des frei-
gliedschaft verliehen. Er war auch     Borchardt und Bühler als künstle-     en Theaters und zur Bereicherung
als Autor tätig: In den ersten         rische Leiter das Festival unabhän-   des Theaterlebens in Bern. «Die
Jahren war er einer der Verant-        gig vom Stadttheater Bern weiter.     Kulturlandschaft der Schweiz ver-
wortlichen für die Redaktion der       Sie gründeten die freie Gruppe        liert mit Trix eine eigenständige,
Zeitschrift p+p (Vorgänger der «fi-    Berner Ensemble, um das Festi-        herausragende und mit Leib und
gura»), zudem publizierte er unter     val durch Uraufführungen von          Seele engagierte Persönlichkeit»,
anderem 1979 das Buch «Freude          Schweizer Autoren (in der Regel       so das Leidzirkular. Bühler setzte
am Puppenspiel», 1982 «Puppen-         Dialektstücke, einige in der Re-      sich in zahlreichen Jurys, Gremi-
bau und Puppenspiel» und 2013          gie von Bühler) zu bereichern. Bis    en und Vorständen für die freie
«Eintritt frei – Kinder die Hälfte».   1998 fungierte das Berner Ensem-      Theaterszene der Schweiz ein
                                       ble als Veranstalter von «auawirle-   und wurde für ihre Arbeit mehr-
Die Berner Regisseurin und Festi-      ben». Als Borchardt 1998 aus dem      fach ausgezeichnet: 1997 erhielt
valleiterin Beatrix Bühler ist ge-     Leitungsteam zurücktrat, führte       sie gemeinsam mit Borchardt den
storben. Im Alter von 65 Jahren        Bühler – die an die Vorzüge des       Sisyphus-Preis der Stadt Bern für
erlag sie im Juni ihrem Lungen-        Kollektivs glaubte – das Festival     das Theaterfestival «auawirleben»
krebsleiden. 1948 in Freiburg im       mit wechselnden Leitungsteams         und die Förderung des zeitgenös-
Breisgau geboren, studierte sie        erfolgreich weiter. «auawirleben»     sischen Theaters, 2008 mit «aua-

Ensemble Nr. 86                                                                                              7
wirleben» den Grossen Kulturpreis    eine Ausbildung zum Theaterpäd-         in Zürich», das seit 1999 von ih-
des Kantons Bern. Es folgten kurz    agogen an der Schauspiel-Akade-         ren Nichten Sibyll Metzenthin und
vor ihrem Tod der Prix Swisscultu-   mie in Zürich. Ab 1986 war er als       Corinne Roos geleitet wird. Rund
re sowie mit «auawirleben» einer     freier Regisseur tätig; er inszenier-   600 Kinder und Jugendliche be-
der fünf vom Bundesamt für Kul-      te mit Kindern und Jugendlichen,        suchen momentan die Schule
tur neu geschaffenen Theaterprei-    Amateuren und professionellen           und machen sie damit zur gröss-
se.                                  Truppen. Ab 1989 leitete er die         ten Schweizer Theaterschule für
                                     Beratungsstelle Schultheater des        Kinder und Jugendliche. «Ihr Ziel
Der Dirigent und Pianist Torsten     Kantons Aargau (später Bera-            eines hochstehenden Unterrichts,
Buldmann verstarb Anfang Juni        tungsstelle «Theaterpädagogik»          in dem sich die Persönlichkeit der
im 53. Lebensjahr. Der in Düssel-    an der Fachhochschule) und lehrte       Kinder durch Theater, Bewegung
dorf geborene Buldmann studierte     zunächst als Dozent, später als Pro-    und Musik entfaltet, hat die Päd-
an der Musikhochschule Hamburg       fessor für Kulturvermittlung und        agogin erreicht», so der Nachruf
Klavier und Dirigieren und war       Theaterpädagogik an der Fach-           in der «Neuen Zürcher Zeitung».
danach als Solorepetitor an der      hochschule        Nordwestschweiz.      Zu Metzenthins Schülerinnen und
Deutschen Oper am Rhein in Düs-      Lille schrieb Erzählungen und The-      Schülern, denen ihre Schule auch
seldorf tätig. Er dirigierte unter   aterstücke, letztere oft im Auftrag     zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten
anderem an der Staatsoper Han-       für ein Ereignis oder einen Ort. So     in Inszenierungen bot, gehörten
nover, am Staatstheater am Gärt-     kam beispielsweise «Schuhwerk»,         unter anderem Andres Bossard,
nerplatz München, in Heidelberg      ein Szenario für eine leere Fabrik-     Mitbegründer des Theaters Mum-
und Winterthur und war als stell-    halle, im November 1994 in der          menschanz, der Autor Charles Le-
vertretender Generalmusikdirek-      ehemaligen Bally-Fabrik in Dot-         winsky und die Eiskunstläuferin
tor am Theater Hagen engagiert.      tikon zur Uraufführung. Lille gab       Denise Biellmann. 1978 gründe-
Von 1989 bis 1995 arbeitete er       damit den vielen Menschen, die          te Metzenthin ein musisch-päda-
als Korrepetitor und Kapellmeister   einst dort gearbeitet hatten, eine      gogisches Seminar, an dem eine
am Theater Basel, daneben war er     Stimme und ein Gesicht. Er war          dreijährige Berufsausbildung mit
ein gefragter Klavierbegleiter von   jahrelang im Vorstand des Thea-         Diplomabschluss absolviert wer-
Liederabenden und als Dirigent       ters Tuchlaube (1990 bis 1996 als       den konnte, 2001 wurden die
unter anderem bei der Liedertafel    Präsident) und präsidierte 1995         letzten Absolventinnen und Absol-
Basel tätig.                         bis 2001 die Astej (association su-     venten diplomiert, seither besteht
                                     isse du théâtre pour l’enfance et la    noch die 1992 neu konzipierte
Der Puppenspieler Ernst Gärtner      jeunesse). Er wurde 1989 mit dem        einjährige berufsbegleitende Wei-
starb Mitte August kurz nach sei-    Förderpreis Literatur des Aargauer      terbildung für Pädagoginnen und
nem 81. Geburtstag. Gärtner, der     Kuratoriums ausgezeichnet und           Pädagogen. 1976 erhielt sie die
auch als Lehrer tätig war, führte    erhielt 1995 den Preis der Schwei-      Ehrengabe des Kantons Zürich,
mit seiner Ehefrau Maya ab 1981      zerischen Schillerstiftung.             1997 die Hans-Georg-Nägeli-Me-
hauptberuflich das von dieser                                                daille der Stadt Zürich.
1977 gegründete Puppentheater        Bereits Ende Mai starb die Schwei-
Gärtner (vormals «Puppentheater      zer Theaterpädagogin Rosemarie          Der langjährige Leiter des Figuren-
Maya Gärtner», «Puppentheater        Metzenthin in Zürich. 1927 im           theaters St. Gallen, Tobias Ryser,
Trio Gärtner»). Die Wanderbühne      deutschen Lindau geboren, ab-           ist tot. Er starb Ende Juni nach fast
mit Eigenproduktionen für Kinder     solvierte sie nach dem Krieg ein        zweijähriger schwerer Krankheit
und Erwachsene, die Mitglied der     Rhythmikstudium am Konserva-            im Alter von 62 Jahren. Sein mehr
UNIMA war, beendete 1999 ih-         torium Zürich. Es folgte eine Re-       als 30-jähriges, unermüdliches
re Spieltätigkeit nach über 1’500    gieassistenz an den Münchner            Engagement als Mitglied des En-
Aufführungen.                        Kammerspielen und Gaststudien           sembles, Theaterleiter, Regisseur,
                                     an der Otto-Falckenberg-Schule          Autor und Figurenspieler sei ein
Der Theatermann Roger Lille          in München sowie am Mozar-              Geschenk für das Figuren Thea-
verstarb Mitte Juni nach längerer    teum in Salzburg. 1951 gründete         ter St. Gallen gewesen, heisst es
Krankheit in seinem 57. Lebens-      sie ihre Bewegungsschule an der         in dessen offiziellem Schreiben.
jahr. Lille, der sich zum Primar-    Freiestrasse in Zürich, das heuti-      1986 übernahm Ryser, der damals
und Sekundarlehrer ausbilden         ge «Kinder- und Jugendtheater           schon fast zwanzig Jahre als Spie-
liess, arbeitete einige Jahre im     Metzenthin, die märchenhafte            ler und Regisseur am Theater tä-
Schuldienst und absolvierte dann     Theater- und Bewegungsschule            tig gewesen war, die Leitung des

8                                                                                              Ensemble Nr. 86
E­ sslingen und Verden kam er in die
                                                                                  Schweiz zurück und spielte unter
                                                                                  anderem in Bern. Von 1972 bis
                                                                                  zu seiner Pensionierung 1999 war
                                                                                  Serda als festes Ensemblemitglied
                                                                                  und danach weiterhin als Gast am
                                                                                  Städtebundtheater Biel-Solothurn/
                                                                                  Theater Biel Solothurn engagiert,
                                                                                  wo er in über 200 Inszenierungen
                                                                                  auftrat, darunter als Thoas in Goe-
                                                                                  thes «Iphigenie auf Tauris», Just in
                                                                                  Lessings «Minna von Barnhelm»,
                                                                                  Meister Anton in Hebbels «Maria
                                            Tobias Ryser, © Foto: Tine Edel       Magdalena», Pozzo in Becketts
                                                                                  «Warten auf Godot», Hauptmann
F­ igurentheaters und öffnete es für     schers «Brandnacht» (1993) und           in «Woyzeck» und Firs in Tsche-
 neuere, experimentelle Formen:          Jürg Ebes «Handyman» (2006).             chows «Kirschgarten». «Er blieb
 Mischformen von Figurenspiel mit        Unvergessen ist Schönherr vor al-        dem Haus über Jahrzehnte hinweg
 Schauspiel, Musiktheater, Tanz          lem durch die Rolle des Comman-          verbunden, hatte ein grosses und
 und Objekttheater. Nebst dem            der Cliff Allister McLane in der         überaus treues Publikum und war
 Kindertheater bot er auch hoch-         zum Kult gewordenen Fernsehse-           in Solothurn stadtbekannt», so im
 stehende Produktionen für Er-           rie «Raumpatrouille Orion» (1966)        Nachruf des TOBS (Theater Orches-
 wachsene an. Er war zudem einer         und als deutsche Synchronstimme          ter Biel Solothurn). 2012 wurde
 der Initianten von «Figurentheater      von James Dean. Mit der Fernseh-         dort sein 40-jähriges Solothurner
 bewegt», einem städteverbinden-         show «Wünsch Dir was», die er            Bühnenjubiläum gefeiert.
 den Figurentheaterfestival, wel-        gemeinsam mit seiner Ehefrau Vivi                             Simone Gojan
 ches jedes 2. Jahr in den festen        Bach moderierte, betrat er ebenso
 Häusern von Basel, Bern, St. Gal-       Neuland wie mit der ersten Talk-        AUSSCHREIBUNG
 len, Winterthur und Zürich statt-       show im Deutschen Fernsehen «Je
 findet. Ryser war mehrere Jahre         später der Abend», die er ab 1973       Das Luzerner Theater schreibt
 im Vorstand der UNIMA Suisse tä-        moderierte. Als Theaterschau-           zum achten Mal den internatio-
 tig und hat sich aktiv für die Belan-   spieler wirkte er unter anderem         nalen Mode- und Theaterförder-
 ge der Berufsgattung eingesetzt.        in Bonn, Wien, Salzburg, Berlin,        preis «Prix Juste-au-Corps» aus.
                                         Telfs und Innsbruck. Von 1977 bis       Der Wettbewerb für junge Nach-
Der Schauspieler Dietmar Schön-          1990 spielte er am Zürcher Schau-       wuchsdesignerInnen gibt diesen
herr starb Mitte Juli in seiner          spielhaus, wo er zuletzt 2000 als       die Möglichkeit, das Kostümbild
Wahlheimat auf Ibiza. 1926 in            Sorin in Tschechows «Die Möwe»          für zwei Figuren aus Puccinis
Innsbruck geboren, nahm er pri-          gastierte. Wichtig war ihm vor al-      Oper «La Bohème» zu gestalten,
vaten Schauspielunterricht und           lem sein politisches und soziales       Theatererfahrung zu sammeln
debütierte 1944 im nationalsozia-        Engagement, für das er eine Rei-
                                                                                 und ihr Werk einer internationa-
listischen Propagandafilm «Junge         he bedeutender Auszeichnungen
                                                                                 len Jury und der Öffentlichkeit
Adler». Nach dem Krieg begann            erhielt, daruter den «Change the
                                                                                 zu präsentieren. Der Preis bein-
er ein Architekturstudium, das er        World Award» des Club of Buda-
zugunsten der Arbeit als Rund-           pest für die Arbeit seiner in Nicara-   haltet einen mit 10'000 Franken
funksprecher und Reporter auf-           gua tätigen Stiftung «Pan y Arte».      dotierten Vertrag mit dem Luzer-
gab. 1955 wurde er durch den             Schönherr lebte viele Jahre lang        ner Theater für ein Kostümbild.
Film «Rosenmontag» als Schau-            im aargauischen Kaiserstuhl.            Als Publikumspreis wird eine
spieler populär. Insgesamt spielte                                               Bernina-Nähmaschine im Wert
                                                                                 ­
Schönherr in über 150 Kino- und          Ende Juni verstarb der Schauspie-       von 2'285 Franken vergeben.
Fernsehfilmen mit, darunter er-          ler Raoul Serda. 1934 in Bern ge-          Mehr Informationen unter
folgreiche Schweizer Produk-             boren, liess er sich in Zürich und       www.luzernertheater.ch/mode.
tionen wie Xavier Kollers «Der           Berlin zum Schauspieler ausbilden.          Einsendeschluss ist der
schwarze Tanner» (1985) und              Nach Engagements in Baden bei                  31. Oktober 2014.
«Reise der Hoffnung», Markus Fi-         Wien, Gera, Magdeburg, Dresden,

Ensemble Nr. 86                                                                                                    9
NACHGEFRAGT

      Leistungsschau und Branchentreff
             – ein Rückblick auf das
  erste Schweizer Theatertreffen in Winterthur

 Abschlussparty des Schweizer Theatertreffens, © Foto: Peter Knup

Auf Initiative des Schweizerischen Bühnenverbands fand vom                Theatertreffens in den Vorstand
22. – 31. Mai 2014 im Theater ­Winterthur das erste Schweizer             des Schweizerischen Bühnenver-
Theatertreffen statt, für das eine Fachjury, bestehend aus                bands trugen und damit innerhalb
sechs Kulturjournalistinnen und Kulturjournalisten aus                    des SBV auf sehr viel Wohlwollen
allen drei Sprachregionen, sieben herausragende Schweizer                 stiessen. Es wurde eine Arbeits-
Schauspielproduktionen ausgewählt hatte. Künftig soll                     gruppe gebildet, es wurden intern
diese Leistungsschau jeweils im Frühjahr dem interessierten               Diskussionen geführt und extern
Publikum die Vielfalt des schweizerischen Theaterschaffens                Gespräche mit möglichen Part-
näherbringen und zugleich eine Plattform für Theaterschaffende,           nern – insbesondere mit dem Bun-
Theaterfachleute und Veranstalter aus dem In- und Ausland                 desamt für Kultur – gesucht, bis
werden. Das Theatertreffen soll darüber hinaus den Austausch              der SBV schliesslich die Idee des
zwischen institutionalisierten Stadttheatern und der freien Szene         Theatertreffens mit der Gründung
fördern und die Identität des zeitgenössischen Theaterschaffens           eines selbständigen Vereins, der
in der Schweiz stärken.                                                   über den SBV hinaus die gesam-
                                                                          te schweizerische Theaterszene
Frau Lötscher, der SBV, dessen        ganz persönliches Highlight war     einbinden wollte, in die Selbstän-
Geschäftsführerin Sie sind,           die Eröffnung des Theatertreffens   digkeit entliess. Woraufhin ein
hat das Theatertreffen ins            im Foyer des Theaters Winterthur.   ausgesprochen motiviertes Team
Leben gerufen. Was war ihr            Bis dahin war es ein langer Weg,    unter dem Präsidium von Adrian
persönliches Highlight?               der damit begann, dass im Janu-     Marthaler und der Festivalleitung
Während zehn Tagen Theater-           ar 2011 Thomas Guglielmetti und     von Britta Rendlen gemeinsam
treffen gab es natürlich viele ver-   Marc Baumann vom Theater Win-       mit dem Theater Winterthur die
schiedene Highlights, aber mein       terthur die Idee eines Schweizer    Arbeit aufnahm, um in relativ kur-

10                                                                                        Ensemble Nr. 86
Das erste Theatertreffen war mei-
                                                                             nes Erachtens ein sehr gelunge-
                                                                             ner Auftakt, um dieses Ziel zu
                                                                             erreichen. Das Theatertreffen ist
                                                                             schweizweit die einzige Veranstal-
                                                                             tung im Theaterbereich, an der
                                                                             alle Sprachregionen der Schweiz
                                                                             und damit die verschiedenen The-
                                                                             aterkulturen zusammenkommen
                                                                             und die gleichzeitig eine Plattform
                                                                             für die gesamte Schweizer The-
                                                                             aterszene bietet. Der Zulauf des
                                                                             Theaterpublikums wie auch des
                                                                             Fachpublikums war zahlenmässig
                                                                             sicher noch bescheiden, aber es
                                                                             war doch eine riesige Freude, die
 Vizepräsidentin Sandrine Kuster (links) und Festivalleiterin Britta Rend-   Begeisterung und auch die Dank-
 len (rechts) übergeben Carina Braunschmidt (Mitte) den Publikums-           barkeit von Theaterschaffenden
 preis für die beste weibliche Darstellerin, © Foto: Peter Knup              aus allen Sprachregionen zu seh-
                                                                             en, die beim Theatertreffen die
zer Zeit das Programm des ersten       Der Verein Schweizer Theater-         Möglichkeit hatten, mit Kollegin-
Schweizer Theatertreffens end-         treffen, dessen Geschäfte             nen und Kollegen aus den ande-
gültig auf die Beine zu stellen. An-   Sie ebenfalls führen und zu           ren Sprachregionen in Kontakt zu
gesichts dieser Vorgeschichte, bei     dessen Fördermitgliedern auch         treten, sich auszutauschen oder
der nicht jederzeit klar war, dass     der SBKV gehört, bezweckt             auch einfach nur zu feiern. Dass
wir wirklich ans Ziel gelangen, war    laut Statuten «die Stärkung der       es dieses Bedürfnis gibt, hat sich
es schon ganz besonders, dem           Visibilität und die Darstellung       ganz klar gezeigt, und darauf kön-
Moment der Eröffnung des Thea-         der Vielfalt des zeitgenössi-         nen wir nun in Zukunft aufbauen.
tertreffens in Verbindung mit der      schen Theaterschaffens in der
Verleihung des Schweizer Thea-         Schweiz». Ist das beim ersten         Die «NZZ» schrieb, es
terpreises des BAK beizuwohnen.        Theatertreffen gelungen?              handle sich beim Schweizer

                                                 «Das Weisse vom Ei / Une île flottante» von Eugène Labiche,
                      Inszenierung: Christoph Marthaler, Theater Basel 2013/14, Schweizer Theatertreffen 2014
                                                              © Foto: Simon Hallström / ICONIQ Studio GmbH

Ensemble Nr. 86                                                                                             11
Theatertreffen «ganz klar um           chigen Schweiz ist, während er in     der SVP – eben gerade nicht eine
Kulturförderung in bunter              der Westschweiz seit Jahren ein       Schweizer Identität, sondern eine
Festivalverpackung. Denn               riesiges Renommee geniesst. Ich       Pluralität an Identitäten gibt, die
Festivals gibt es eigentlich           bin überzeugt, dass es ein gross-     durchaus mit- und nebeneinander
schon genug, hierzulande und           er Gewinn ist, wenn zum Beispiel      existieren können.
im Ausland, wo Schweizer Pro-          das die deutsche Theatertradition
duktionen, ob aus Stadtthe-            gewohnte Publikum aus der deut-       Die Idee der Vielsprachigkeit
atern oder der freien Szene,           schen Schweiz während des Thea-       sei eine Herausforderung,
durchaus ins Gewicht fallen.»          tertreffens die Möglichkeit erhält,   hatte der Präsident des ­Vereins
Wozu genau braucht es also             sich mit ganz anderen Stilen und      Schweizer Theatertreffen,
das Schweizer Theatertreffen?          Ästhetiken auf der Bühne ausei-       Adrian Marthaler, eingeräumt.
Dass es nicht wirklich einen Man-      nanderzusetzen, und sich unter        Wie hat man diese Heraus-
gel an Festivals gibt, steht ausser    Umständen auch daran reibt oder       forderung gemeistert?
Frage, auch dass es bereits an-        gar mit Unverständnis reagiert.       Als erstes natürlich durch mög-
dere Plattformen für Schweizer         Das Theatertreffen will die Viel-     lichst breites Übersetzen in ande-
Theaterproduktionen gibt. Das          falt des Schweizer Theaterschaf-      re Landessprachen, sei es durch
Einzigartige des Schweizer The-        fens darstellen, was eben gerade      Übertitelung der Stücke, aber
atertreffens ist, wie oben bereits     nicht heisst, dass damit der Fokus    auch durch Übersetzung der Web-
gesagt, dass hier die verschiede-      auf der Schaffung einer spezifisch    site, der Programmhefte. Auch
nen Theaterkulturen der Schweiz        schweizerischen Identität liegt       beim Rahmenprogramm wer-
zusammentreffen, dass damit ein        und das Theatertreffen gar dem        den wir in Zukunft darauf achten
sehr vielfältiges Bild des Schweizer   Abschottungsgedanken der Mas-         wollen, dass dieses möglichst der
Theaterschaffens gezeichnet wird       seneinwanderungsinitiative folgt,     Vielsprachigkeit gerecht wird, in-
und gerade das Interkulturelle und     wie teilweise aus dem deutsch-        dem entweder Veranstaltungen in
der Austausch im Vordergrund           sprachigen Ausland kritisch ver-      verschiedenen Sprachen durchge-
stehen. Es ist ja schon erstaun-       mutet wurde. Vielmehr kann das        führt werden oder die einzelnen
lich, wie wenig bekannt etwa ein       Theatertreffen zeigen, dass es        Veranstaltungen in die anderen
Omar Porras in der deutschspra-        – entgegen dem Leitgedanken           Sprachen übersetzt werden. An-

 «La Dame de la Mer» nach Henrik Ibsen in der Inszenierung von Omar Porras, Teatro Malandro u.a.,
 Schweizer Theatertreffen 2014, © Foto: Marc Vanappelghem

12                                                                                            Ensemble Nr. 86
«Woher die kleinen Kinder kommen. Ein Männerprojekt im Selbstversuch»
                   Kraut Produktion / Rote Fabrik Zürich, Schweizer Theatertreffen 2014, © Foto: Sava Hlavacek

sonsten haben wir aber natürlich        Wir haben deshalb auch bewusst         Wird man nächstes Jahr eine
auch darauf geachtet, dass in allen     darauf verzichtet, von den besten      rätoromanische Aufführung
Gremien, also in den Vereinsgre-        Produktionen zu sprechen – das         zeigen, inszeniert von einer
mien wie selbstverständlich auch        ist ja bekanntlich auch immer sehr     Nachwuchsregisseurin?
in der ­Jury, alle Sprachregionen re-   relativ – sondern v­ ielmehr von den   Das ist in der Tat eine Frage, der
präsentativ vertreten waren.            bemerkens­wertesten Produktio-         wir uns im Verein, der die strate-
                                        nen in dem Sinne, dass sie reprä-      gische Ausrichtung gibt, stellen
In der deutschen Presse                 sentativ sind für das Schweizer        müssen und derzeit auch stellen,
­konnte man die Frage lesen,            Theaterschaffen. Und die Dichte        also die Frage, ob der Jury kla-
 ob es überhaupt genügend               an Theatern und Theatergruppen         rere Vorgaben gemacht werden
 Theater in der kleinen Schweiz         ist in der kleinen Schweiz tatsäch-    sollen und wenn ja, welche. Soll
 gebe für eine regelmässige,            lich sehr gross, so dass wir diesbe-   die Qualität oder die regionale
 relevante Leistungsschau …             züglich sicher guten Mutes sein        Ausgewogenheit im Vordergrund
 Es fragt sich, was man unter           dürfen.                                stehen? Oder gilt es vielmehr, ei-
 Relevanz versteht. Relevanz be-
 ­                                                                             ne Ausgewogenheit zwischen
 zieht sich ja immer auf etwas, und     Darf die Jury wirklich die in          den unterschiedlichen Produk-
 im Fall des Theatertreffens ist es     ihren Augen herausragenden             tionsformen herzustellen? Die
 nicht eine Relevanz im ­    Hinblick   Produktionen einladen, oder            Auswahl der Jury für das Thea-
 auf einen internationalen Wett-        soll sie möglichst alle Landes-        tertreffen 2014 fiel ja tatsächlich
 bewerb, sondern im Hinblick auf        teile und alle Sprachregionen          sehr ausgewogen aus, und es
 das Schweizer Theaterschaffen.         berücksichtigen, das institu-          wurde oft von einer «inoffiziellen
 Das Theatertreffen will eine Werk-     tionalisierte ebenso wie das           Quote» gesprochen. Tatsächlich
 schau des gesamtschweizerischen        Freie Theater, Inszenierungen          war die Vorgabe an die Jury so,
 Theaterschaffens      präsentieren,    von etablierten Theaterma-             dass sie grundsätzliche Wahlfrei-
 die repräsentativ sein soll für das,   chern wie von Newcomern,               heit hat und dass vor allem die
 was in den Schweizer Theatern          natürlich unter Beachtung des          künstlerische Qualität und nicht
 und von der Freien Szene im Lau-       Geschlechterverhältnisses?             etwa politische Anforderungen
 fe des Jahres pro­ duziert wurde.      Oder noch spitzer formuliert:          im Vordergrund stehen sollen,

Ensemble Nr. 86                                                                                               13
Carolin Conrad, Marie Rosa Tietjen, Lena Schwarz, Fritz Fenne, Michael Neuenschwander
 in «Amphitryon und sein Doppelgänger», Schauspielhaus Zürich 2013/14,
 Schweizer Theatertreffen 2014, © Foto: Matthias Horn

dass sie aber doch darauf achten      mal mehr Ausdruck des schwei-         und die professionellen Theater-
sollte, dass die unterschiedlichen    zerischen Konsenses sein.             schaffenden nicht von einem Jahr
Sprachregionen und Produktions-                                             auf das andere zahlreich an ein
formen berücksichtigt werden.         Man hat in Winterthur in              Theatertreffen in Winterthur brin-
Die Jury war also nicht an feste      zehn Tagen bescheidene 2130           gen. So etwas braucht Zeit, und
Quoten gebunden. Es war aber          Eintritte verzeichnet. Wie            die Zukunft wird zeigen, ob wir es
doch interessant zu sehen, dass       erklären Sie sich dieses zurück-      schaffen, zu einem der wichtigs-
diese ausgewogene Auswahl fast        haltende Publikumsinteresse?          ten Theaterereignisse des Jahres
auf natürliche Weise so zustande      Insgesamt sind wir mit der Auslas-    zu werden.
kam allein schon durch die Tatsa-     tung zufrieden, aber dabei muss
che, dass in der Jury die verschie-   man klar vor Augen haben, dass        Wie haben das Publikum und
denen Sprachregionen vertreten        das Theatertreffen stark vom be-      die Theaterschaffenden die
waren. Es wurde in der Jury nicht     reits bestehenden Abonnenten-         begleitenden Workshops,
einfach knallhart abgestimmt,         publikum des Theaters Winterthur      Podiumsdiskussionen und
sondern die Mitglieder haben          profitieren konnte. Publikum da-      Vorträge wahrgenommen?
versucht, durch Gespräche und         rüber hinaus zu gewinnen war          Obwohl die Themen des Rahmen-
Diskussionen einen Konsens für        tatsächlich kein Leichtes, und da     programms sehr vielfältig und die
eine Auswahl zu finden. Das ist       sind der Verein wie das Organisa-     Podien sehr prominent besetzt
nicht jederzeit vollständig span-     tionsteam in Zukunft stark gefor-     waren, waren diese zahlenmässig
nungsfrei abgelaufen, aber es         dert. Die Kommunikation muss          leider nur spärlich besucht, insbe-
war sehr eindrücklich mitzuerle-      sicher noch um einiges verbes-        sondere die professionellen Thea-
ben, wie die Jurymitglieder über      sert werden, und wir werden ver-      terschaffenden konnten wir damit
die kulturellen und sprachlichen      schiedene Akteure und Verbände        nicht erreichen. Die Reaktionen
Differenzen hinweg einander           verstärkt in die Kommunikation        derjenigen aber, die teilgenommen
sehr gut zugehört haben. Dass         einbinden müssen. Aber auch           haben, waren sehr positiv, und
dabei eine so ausgewogene Aus-        beim besten Willen und mit den        auch hier hat sich gezeigt, dass
wahl ohne vorgegebene Quote           grössten Anstrengungen kann           durchaus ein Bedürfnis für Refle-
zustande kam, mag vielleicht ein-     man das interessierte Publikum        xionen und Diskussionen rund um

14                                                                                           Ensemble Nr. 86
das Thema Theater vorhanden ist
– welche Stellung hat das Theater       Kathrin Lötscher
in der Gesellschaft, ist das Theater    geboren 1971 in Luzern, studierte an
in Zukunft finanzierbar, in welcher     den Universitäten Zürich und Berlin
Beziehung stehen institutionali-        Germanistik, Philosophie und Italie-
sierte Theater zur Freien Szene,        nisch. Danach nahm sie ein Studium
das alles sind Fragen, die die pro-     der Islamwissenschaft und Arabi-
fessionellen Theaterschaffenden         schen Sprache auf, das sie nach mehr-
wie auch die interessierte Öffent-      jährigem Studienaufenthalt in Paris
lichkeit durchaus umtreiben. Aber       mit dem Lizentiat Phil. I an der Univer-
auch praxisnahe Themen fanden           sität Bern abschloss. Berufsbegleitend
durchaus Anklang, die Fachtagung        erwarb sie später an der Universität
                                                                                                     © Foto: zvg
«Lights on!», ein Workshop für          Basel zudem den Master of Advanced         Kathrin Lötscher,
Beleuchtungsfachleute, war von
­                                       Studies in Kulturmanagement. Sie war
allen Veranstaltungen des Rah-          tätig an der Diplomatischen Mission           Palästinas in Bern, als
menprogramms am besten be-              Kommissionssekretärin beim Parlamentsdienst Basel-Stadt sowie als
sucht. Wir sind derzeit daran, uns      Sekretärin der Parlamentarischen Gruppe Schweiz – Naher Osten des
zu überlegen, ob wir nicht durch        National- und Ständerates. 2005 publizierte sie eine Studie zur frü-
eine zeitliche Konzentration des        hen Filmkultur in Ägypten unter dem Titel «Hollywood am Nil – Die
Theatertreffens auf fünf anstatt        Orientalisierung der Moderne in Ägypten». Seit 1. August 2010 ist
wie bisher zehn Tage mehr Publi-        sie Geschäftsführerin des Schweizerischen Bühnenverbandes.
kum und insbesondere auch das
Fachpublikum aus der ganzen            Vergeben wurde auch ein Publi-         worden, die zur gemeinsamen
Schweiz anziehen können.               kumspreis. Ist das Theatertreffen      Weiterentwicklung des
                                       also auch ein Wettbewerb um            Festivals durch die Mitwirkung
Eine besondere Bedeutung               die Gunst des Publikums?               möglichst Vieler einlädt. Wie
hat das Theatertreffen durch           Mit dem Publikumspreis wollte          stellen Sie sich die ideale Wei-
die erstmalige Vergabe der             man einerseits das Publikum aktiv      terentwicklung konkret vor?
Schweizer Theaterpreise                mit einbinden, er war aber auch        Es wird zunächst Aufgabe des
erhalten. Wozu braucht                 eine Form, den primären Akteu-         Vereins und insbesondere des Ver-
es solche Preise?                      ren auf der Bühne, nämlich den         einsvorstands sein, durch gezielte
Die Preise sind einerseits eine be-    Schauspielerinnen und Schauspie-       Vernetzung und Kommunikation
stimmte Art der Kulturförderung,       lern, den Bühnenbildnern usw.          das Interesse am Theatertreffen
da sie ja nicht zuletzt auch mit ei-   ein Forum zu bieten. Die Aussage       weiter zu wecken und die aktive
nem Preisgeld ausgestattet sind,       von Publikumspreisträgerin Ca-         Beteiligung von verschiedenen
das einem Theaterschaffenden           rina Braunschmidt, dass sie sich       Akteuren zu erwirken. Eine gute
oder einer Organisation, die sich      ganz besonders freue, vom Publi-       Plattform dafür ist sicherlich das
um das Theater besonders verdient      kum und eben nicht einfach von         Rahmenprogramm, für dessen
macht, zugute kommt. Durch die         einer Fachjury oder von Kritikern      Entwicklung wir Inputs und Initia-
Öffentlichkeit der Preisverleihung     ausgezeichnet zu werden, da sie        tiven aus der Theaterszene beson-
wird aber andererseits auch das        ja in erster Linie für das Publikum    ders begrüssen. Dann wollen wir
Kulturschaffen, in diesem Fall das     spiele, kann den Sinn eines Publi-     natürlich auch die französische
Theaterschaffen, in den Fokus ge-      kumspreises unterstreichen. Den-       und italienische Sprachregion
rückt und gewürdigt. Nicht zuletzt     noch wurde die Verleihung des          noch weiter miteinbeziehen, und
schaffen die Theaterpreise durch       Publikumspreises von verschiede-       wir hoffen sehr und sind zuver-
den gesamtschweizerischen Cha-         nen Seiten sehr stark kritisiert und   sichtlich, dass wir für 2016 eines
rakter eine Brücke zwischen den        kam insgesamt nicht so gut an.         oder mehrere Theater aus der Su-
verschiedenen      Theaterkulturen     Wir werden uns daher überlegen,        isse romande für die Organisation
des Landes. In diesem Sinne ist die    ob und in welcher Form wir diesen      und Durchführung des Theater-
Verbindung der Verleihung des          in Zukunft ausrichten wollen.          treffens gewinnen können.
Schweizer Theaterpreises und des
Schweizer Theatertreffens eine         2014 sei, so hat das die                              Thomas Blubacher
sehr glückliche, da sie beide ähnli-   Festivalleiterin Britta Rendlen
che Ziele verfolgen.                   formuliert, eine Basis kreiert

Ensemble Nr. 86                                                                                              15
BÜCHER IM BLICK
Lilli Palmer. Die preußische Diva                                              die stets disziplinierte Schauspiele-
                                                                               rin selbst gerne bezeichnete, zeich-
Bis zu ihrem Tod im Jahre 1986         Posen als Tochter eines jüdischen       net Heike Specht chronologisch in
residierte die Schauspielerin L­illi
­                                      Arztes geborene, in Berlin aufge-       sieben Kapiteln nach, eingeleitet
Palmer 26 Jahre lang in ihrer Vil-     wachsene Lilli Marie Peiser, wie        jeweils durch spekulative «Mo-
la «La Loma» hoch über dem             sie bürgerlich hiess, verlor 1933       mentaufnahmen», die Einblicke in
sankt-gallischen Goldingen, wo         ihr Engagement am Landesthe-            Palmers Innenleben geben sollen.
sie 1979 auch das Schweizer Bür-       ater Darmstadt und musste aus           Wohl hat Specht Gespräche mit
gerrecht erhielt. Längst wurde         Deutschland fliehen, tingelte mit       einigen Zeitzeugen wie Lilli Pal-
das Domizil abgerissen, und auch       ihrer Schwester unter dem Künst-        mers Sohn Carey Harrison führen
«die preussische Diva», deren          lernamen «Les Sœurs Viennoises»         können, ein schriftlicher Nachlass
Autobiografie «Dicki Lilli – gutes     durch Pariser Nachtclubs, drehte        scheint aber nicht zu existieren
Kind» in mehrere Sprachen über-        rund zwei Dutzend Filme in Gross-       oder war ihr nicht zugänglich. So
setzt wurde und sich sagenhafte        britannien, heiratete 1943 den          muss sie statt aus Briefen oder Ta-
1,5 Millionen mal verkaufte, ist       Schauspieler Rex Harrison und           gebüchern immer wieder aus den
beinahe in Vergessenheit gera-         ging mit ihm nach Hollywood,            Memoiren Palmers zitieren, die sie
ten. 2012 degradierte die «Süd-        wo sie unter anderem mit Ga-            aber in vielen Einzelheiten zu kor-
ostschweiz» in einem Bericht           ry Cooper, John Garfield und ih-        rigieren und ergänzen weiss, und
über einen illegalen Neubau auf        rem Mann vor der Kamera stand.          aus Illustrierten wie der «Frau im
dem Goldinger Grundstück die           1954 kehrte sie nach Deutschland        Spiegel» und dem «Neuen Blatt».
Palmer gar zum «Filmsternchen».        zurück, um die Rolle der Iduna im       Zumindest aus Schweizer Sicht ist
Anlässlich des 100. Geburtsta-         Film «Feuerwerk» zu überneh-            es bedauerlich, dass ­Heike Specht,
ges legt nun die in Zürich leben-      men, drehte dann Streifen wie           die Palmers herausragender Dar-
de Autorin Heike Specht die erste      «Teufel in Seide», «Anastasia, die      stellung der Iduna im Film «Feu-
kritische Biografie der einst so ge-   letzte Zarentochter» und «Mäd-          erwerk» (selbst der grosse Gustaf
feierten Schauspielerin, Malerin       chen in Uniform» und gehör-             Gründgens war, als er sie d    ­arin
und Autorin vor.                       te rasch zu den höchstbezahlten         gesehen hatte, so «besoffen vor
Die 1914 in der damaligen preus­       Stars des bundesdeutschen Nach-         Glück», dass er die Kollegin brief-
sischen ­Provinzhaupt­stadt            kriegsfilms. Daneben arbeitete sie      lich um ein Autogramm bat) gleich
                                       weiterhin im Ausland, drehte un-        ein Dutzend Seiten widmet, nicht
                                       ter anderem in Frankreich, in den       erwähnt, dass der Film auf dem
                                       USA, England, Italien und Spanien       «Schwarzen Hecht» basiert und
                                       mit Partnern wie Gérard Philippe,       auch den Namen Paul Burkhard
                                       Clark Gable, Fred Astaire, Jean         verschweigt, der das von Palmer
                                        Gabin, Orson Welles, Gregory           gesungene Chanson «O mein Pa-
                                        Peck, Laurence Olivier, Maximili-      pa» komponierte. Dennoch: Hei-
                                         an Schell – und dem Argentinier       ke Specht hat nicht nur eine längst
                                         Carlos Thompson, der ihr zwei-        überfällige, lebendig erzählte und
                                          ter Ehemann wurde. Sie spielte       durchaus kritische Biografie der
                                          Theater am Broadway und in           Künstlerin vorgelegt, sondern da-
                                           London, war im Fernsehen prä-       bei zugleich – und nicht zuletzt
                                           sent, sei es in der US-Serie «Lo-   – die Zeitgeschichte beleuchtet.
                                            ve Boat» oder in der ihr auf       Lesenswert!
                                            den Leib geschriebenen deut-                         Thomas Blubacher
                                             schen Reihe «Eine Frau bleibt
                                             eine Frau», machte daneben
                                              eine zweite Karriere als Ro-
                                              manautorin und eine dritte                  Heike Specht:
                                               als Malerin.                     «Lilli Palmer. Die preußische
                                               Dieses von Umbrüchen ge-            Diva. Die Biographie»
                                                prägte Leben der «preussi-        Aufbau Verlag, Berlin 2014,
                                                schen Ameise», als die sich    423 Seiten, ca. CHF 32. 90 / € 22.99

16                                                                                               Ensemble Nr. 86
Sie können auch lesen