Lean Management im Jobcenter
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Nordlicht Werkstattgespräch Lean Management im Jobcenter _ Dokumentation / Hamburg und Frankfurt am Main, 27. und 28. September 2011
Nordlicht Werkstattgespräch Lean Management im Jobcenter _ Dokumentation / Hamburg und Frankfurt am Main, 27. und 28. September 2011 Nordlicht Management Consultants GmbH Zirkusweg 1 / D-20359 Hamburg Ihr Ansprechpartner: Tobias Bergmann Telefon +49 (0)40 / 31 99 35-101 Mobil +49 (0)151 / 21 23 77 88 tb@nordlicht-consultants.com
Nordlicht Werkstattgespräch Lean Management im Jobcenter _ Inhalt 1 Vorwort 4 2 Lean Management: Verschwendung eliminieren 5 3 Ein geschichtlicher Überblick – Lean auf einer Seite 7 4 Warum Lean Management im öffentlichen Sektor bisher nie von Bedeutung war – eine Hypothese von Nordlicht 8 5 Warum Personalräte eigentlich Lean Management fordern müssten 9 6 Wie erkennt ein Jobcenter Verschwendung? 11 7 Wie kann Verschwendung vermieden werden? 15 8 Wie kann ich erkennen, ob ein Jobcenter „Lean“ ist? 18 9 Teilnehmer 19 Abbildungen Abbildung 1: Die Selbsteinschätzung der Werkstattgesprächsteilnehmer 4 Abbildung 2: Die Grundlogik von Lean Management – Verschwendung eliminieren 5 Abbildung 3: Die Wirkung von Lean Management bei Toyota 8 Abbildung 4: Das bisherige Wirken von Lean Management im öffentlichen Sektor 8 Abbildung 5: Das aktuelle Dilemma der Jobcenter 10 Abbildung 6: Die Darstellung der verschiedenen Tätigkeitsarten 12 Abbildung 7: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Hamburger Werkstattgesprächsteilnehmer 13 Abbildung 8: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Frankfurter Werkstattgesprächsteilnehmer 14 Abbildung 9: Der Problemlösereport zur Analyse von Problemen 15 Abbildung 10: Das Fischgrätendiagramm der Werkstattgesprächsteilnehmer 16 1
Vorwort Jobcenter sehen sich zurzeit mit einem scheinbar unvermeidlichen Paradox konfrontiert: Sie müssen gleichbleibende oder wachsende Aufgaben mit weniger personellen und finanziellen Ressourcen erledigen. In den beiden Werkstattgesprächen in Hamburg und Frankfurt haben wir mit Praktikern diskutiert, inwiefern das Konzept des „Lean Management“ einen Ausweg aus diesem Dilemma liefern kann. Es gibt bisher wenig Erfahrung mit Lean Management im öffentlichen Sektor. Dies spiegelt auch die Selbsteinschätzung der Teilnehmer der Werkstattgespräche wieder. Sie bezeichneten sich größtenteils als „Lean- Neulinge“ – einen „Lean-Profi“ gibt es vermutlich in keinem deutschen Jobcenter. Wie schätzen Sie Ihre Erfahrung mit Lean Management ein? Ich bin Ich bin „Lean Neuling“ „Lean Profi Abbildung 1: Die Selbsteinschätzung der Werkstattgesprächsteilnehmer Ziel dieser Werkstattgespräche war es festzustellen, ob und wie Lean Management generell im öffentlichen Sektor und speziell in Jobcentern angewandt werden kann. Das Werkstattgespräch wurde von Nordlicht Management Consultants in Zusammenarbeit mit Beratern von inGenics durchgeführt. Insgesamt haben 18 Vertreter von Kommunen und Jobcentern aus ganz Deutschland an den Werkstattgesprächen teilgenommen. Sie sind an den vorliegenden Ergebnissen maßgeblich beteiligt. Hierfür herzlichen Dank! Tobias Bergmann / Geschäftsführer Nordlicht Management Consultants 4
2 Lean Management: Verschwendung eliminieren Lean Management wird oft mit den Begriffen „schlanke“ oder sogar „dürre“ Organisation übersetzt. Daran anknüpfend gibt es leidenschaftliche konzeptionelle oder auch ideologische Debatten. Wir wählen einen anderen Zugang: Das Ziel von Lean Management ist die Eliminierung von Verschwendung. Die Tätigkeiten eines jeden Mitarbeiters und einer jeden Organisation werden demnach in drei Typen untergliedert: - Wertschöpfende Tätigkeiten - Notwendige Nebentätigkeiten - Verschwendende Tätigkeiten Es gibt keine Organisation, die keine Verschwendung hat. Es gibt vermutlich auch keinen Beschäftigten, der nicht auch zum Teil verschwendenden Tätigkeiten nachgehen muss. Lean Management macht es sich zur Aufgabe, diese Verschwendungen aufzuspüren und zu eliminieren. Die freiwerdenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen können dann für wertschöpfendende Tätigkeiten eingesetzt oder zum Abbau von Überlastungen / Überstunden genutzt werden. Optimieren Wert- schöpfung Ver- schwen- Eliminieren dung Tätigkeiten in einem Jobcenter Notwendige Nebentätigkeiten Reduzieren Abbildung 2: Die Grundlogik von Lean Management – Verschwendung eliminieren 5
Es ist somit nicht verwegen zu behaupten, dass die Bundeshaushaltsordnung im § 7 (Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit für Verwaltungshandeln) in diesem Sinne ein Lean Management von allen deutschen Verwaltungen fordert. Die VV-BHO wird noch präziser, auch wenn sie den Begriff „Lean Management“ nicht konkret verwendet: „Das Sparsamkeitsprinzip (Minimalprinzip) verlangt, ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erzielen.“ 6
3 Ein geschichtlicher Überblick – Lean auf einer Seite Lean Management ist weder eine einzelne Erfindung noch eine kurzfristige Mode. Stattdessen hat Lean Management eine lange Geschichte und Tradition, ist aber eng mit der Geschichte von Toyota verbunden. In den 50er Jahren entwickelten Elji Toyoda, Taiichi Ohno und Shigeo Shingo das „Toyota Production System.“ Toyotas Situation war nach dem Krieg vor allem von Ressourcenmangel geprägt. Es fehlte an Rohstoffen und Materialien, funktionierenden Fabriken und vor allem an Personal. Das „Toyota Production System“ ist, auch wenn es nicht so genannt wurde, Toyotas Lean Management System, welches Toyota bis heute weiterentwickelt. In den 90er Jahren prägten die Ökonomen James P. Womack und Daniel T. Jones im Rahmen einer Studie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) erstmals den Begriff „Lean Management.“ In einer Untersuchung des Internationalen Automobilmarkts stellte sich heraus, dass Toyota in kürzerer Zeit wesentlich mehr Autos herstellen konnte als amerikanische Hersteller. Durch diese Studie erst wurde Lean Management populär und verbreitete sich in der westlichen Welt. Obwohl der Ursprung von Lean Management ohne Zweifel in der Automobilindustrie bzw. bei Toyota liegt, hat sich die Idee des Lean Management aber auch auf andere Industrien verbreitet. So wurde Lean Management zuerst von anderen verarbeitenden Industrien adaptiert. Von dort breitet sich die Idee dann weiter auf die Prozessindustrien aus. Zuletzt findet Lean Management auch im Service- Sektor immer mehr Anklang. So wird Lean Management bereits in Banken, Krankenhäusern und Versicherungen aber auch in Hotels, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien genutzt. Der Nachweis wurde erbracht: Lean Management funktioniert nicht nur in japanischen Automobilunternehmen sondern auch in deutschen Büros. 7
4 Warum Lean Management im öffentlichen Sektor bisher nie von Bedeutung war – eine Hypothese von Nordlicht Lean Management hat eine positive Grundlogik: Man eliminiere Verschwendungen und durch die gesteigerte Effizienz kann bei gleichem Input der Output gesteigert werden. Dies verhalf Toyota in der ressourcenknappen Nachkriegszeit dazu, mehr Autos zu produzieren. Durch die Eliminierung von Verschwendung konnten bei gleichbleibendem knappem Personal mehr Corolla und Avensis für den japanischen, amerikanischen und europäischen Markt produziert und verkauft werden. ⌀Input Lean Management Output Produktions- Produzierte ressourcen Autos Abbildung 3: Die Wirkung von Lean Management bei Toyota Diese Logik funktioniert für den öffentlichen Sektor nicht: Beispielsweise kann kein Einwohnermeldeamt seinen Output an Reisepässen und Personalausweisen erhöhen, indem es Verschwendung strategisch vermeidet. Die kommunalen Grenzen zwischen zwei Dörfern sind hier unüberwindbare Barrieren, die den Output an Reisepässen unabhängig von der Produktivität der Einwohnermeldeämter limitieren. Die Vermeidung von Verschwendung führt in diesem Fall deshalb gezwungenermaßen zu einem Abbau von Personal. Haben sich Personen im öffentlichen Dienst Gedanken über Lean Management gemacht, so waren dies immer Gedanken sich selbst überflüssig zu machen. Input Lean Management Output ⌀ Abbildung 4: Das bisherige Wirken von Lean Management im öffentlichen Sektor 8
5 Warum Personalräte eigentlich Lean Management fordern müssten Heute gibt es einige Entwicklungen, die Lean Management gerade in Jobcentern zwingend notwendig macht. Viele Jobcenter müssen bereits heute Ressourcen aus dem Eingliederungstitel in das Verwaltungskostenbudget umschichten. In Zukunft wird sich diese Problematik verschärfen. Durch das Sparpaket II der Bundesregierung wird nicht nur der Eingliederungstitel sondern auch das Verwaltungskostenbudget gekürzt. Jobcenter werden in Zukunft also weniger Stellen zur Verfügung haben. Durch den sinkenden Eingliederungstitel wiederum ist es für Jobcenter nicht mehr möglich im bisherigen Ausmaß Leistungen von Trägern zu beziehen. Zusätzlich wird es in Zukunft Probleme geben die vorhandenen Stellen qualifiziert zu besetzen. Während es in der Vergangenheit im öffentlichen Sektor häufig Stellen mit „kw“-Vermerk (kann wegfallen) gab, so wird es in Zukunft Stellen mit einem „nb“-Vermerk (nicht besetzt) geben. Gab es in einer Abteilung früher zehn Stellen wurden dennoch zwölf Mitarbeiter eingesetzt, da es einen allgemeinen Personalüberhang gab. In naher Zukunft wird eine Abteilung mit zehn Stellen nur noch mit acht Mitarbeitern auskommen müssen, da der öffentliche Sektor einer der ersten sein wird, der unter dem demographischen Wandel und dem Fachkräftemangel zu leiden hat. Einen ersten Vorgeschmack erhalten die Jobcenter bereits heute bei der Suche nach Experten für Fachverfahren oder dem psychologischen Dienst. Neben diesen Reduzierungen des Inputs sehen sich der öffentliche Sektor und insbesondere die Jobcenter mit einem stetig steigenden Output konfrontiert. Immer wieder erhalten Jobcenter neue zusätzliche Aufgaben. Als Beispiele seien an dieser Stelle nur das Bildungs- und Teilhabepaket, die neue Warmwasserpauschale oder die allgemein steigende Komplexität der Vermittlung von Leistungsempfängern genannt. Jobcenter befinden sich also aufgrund externer Einflüsse in einem Dilemma zwischen sinkendem Input und der Forderung nach steigendem Output. Diese Situation führt unweigerlich zu einer Erhöhung der Belastung der Mitarbeiter und / oder einem Absinken der Qualität der Arbeit. 9
Der einzige Ausweg1 ist die „Vermeidung von Verschwendung.“ Nur wenn es gelingt die verschwendenden Tätigkeiten zu reduzieren und die freiwerdenden knappen personellen und finanziellen Ressourcen in wertschöpfende Tätigkeiten zu investieren, kann Überlastung und abnehmende Qualität verhindert werden. Input Output Abbildung 5: Das aktuelle Dilemma der Jobcenter 1 Gesamtgesellschaftlich und politisch bietet sich natürlich noch die Alternative mehr Ressourcen in den öffentlichen Sektor zu investieren. Eine Erhöhung der Staatsquote wird jedoch nicht in den einzelnen Jobcentern diskutiert und entschieden. 10
6 Wie erkennt ein Jobcenter Verschwendung?Lean Management folgt dem Ideal einer Organisation ohne Verschwendung und optimaler Wertschöpfung. Dafür ist es unentbehrlich zu wissen, was der Wert ist, den eine Organisation schafft. Das erste Prinzip von Lean Management ist deshalb die genaue Spezifikation des Wertes. Toyota stellt dazu die folgende Frage: Was will der Kunde? Nur das, was der Kunde einer Organisation nachfragt, ist ein Wert: Wenn ein Auto einen Aschenbecher hat, der Kunde diesen jedoch nicht wünscht, ist das bereits Verschwendung. Bei Jobcentern droht die Frage nach dem Wert für den Kunden schnell auf den Holzweg zu führen. Jobcenter definieren i.d.R. Leistungsempfänger als ihre Kunden. Würde sich ein Jobcenter komplett an den Wünschen des Leistungsempfängers ausrichten, wäre es möglich, dass dieser nur Leistungen des passiven Bereichs nachfragt (z.B. unkomplizierte Genehmigung von ALG II und KdU). Dass „Sanktionen“ als „Kundenwunsch“ gesehen werden, ist eher unwahrscheinlich. Im Sinne des Lean Management empfehlen wir demnach einen anderen Begriff. Der „Kunde“ eines Jobcenters ist die Gesellschaft, und in der konkreten Nachfrage der Gesetzesgeber. Dieser hat im Gegensatz zu den meisten Käufern von Autos sehr präzise seinen „Kundenwunsch“ bereits geäußert – und zwar im §1 SGB II: 1. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. 2. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Sie soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Alles was einen direkten Beitrag hierzu leistet, sind wertschöpfende Tätigkeiten: Der korrekte Bescheid und die nachhaltige, erfolgreiche 11
Vermittlung – alles andere ist entweder eine notwendige Nebentätigkeit oder Verschwendung. Lean Management fordert jetzt von der Organisation alle ihre Tätigkeiten darauf auszurichten – und zwar perfektionistisch. Lean Management ist kein temporäres Großprojekt, das nach einer Zeit abgeschlossen ist. Stattdessen ist es eine Unternehmenskultur, die danach strebt sich ständig zu verbessern und Perfektion zu erzielen. Dabei werden hunderte kleiner Schritte in Form von kleineren Verbesserungen unternommen. Anhand der Spezifikation des Wertes lässt sich nun Verschwendung feststellen. Das Gegenteil verschwendender Tätigkeiten sind wertschöpfende Tätigkeiten. Zusätzlich existieren in jeder Organisation notwendige Nebentätigkeiten (bspw. die Qualifizierung von Mitarbeitern). Diese Nebentätigkeiten schaffen nicht direkt einen Wert, sind aber notwendig, damit andere wertschaffende Tätigkeiten durchgeführt werden können. Nach der Analyse dieser Tätigkeiten gilt es die wertschöpfenden Tätigkeiten zu optimieren, die notwendigen Nebentätigkeiten zu reduzieren sowie die verschwendenden Tätigkeiten zu eliminieren. Dabei sollte immer bei den verschwenden Tätigkeiten begonnen werden, da diese am offensichtlichsten sind. Optimieren Wert- schöpfung Ver- schwen- Eliminieren dung Tätigkeiten in einem Jobcenter Notwendige Nebentätigkeiten Reduzieren Abbildung 6: Die Darstellung der verschiedenen Tätigkeitsarten 12
Es ist wichtig festzustellen, dass jeder Prozess alle Arten von Tätigkeiten beinhaltet und dass ebenso jede Stelle oder jeder Mitarbeiter verschwendende, notwendige und wertschöpfende Tätigkeiten durchführt. Jeder Prozess muss hierauf einzeln untersucht werden. Betrachtet man jedoch ein Jobcenter mit einer ganzheitlichen Perspektive, fallen einzelne Arbeitsbereiche des Jobcenters in verschiedene Tätigkeitskategorien. Die Unterscheidung in „wertschöpfend“, „notwendig“ und „verschwendend“ ist in der Theorie relativ einfach. In der Praxis steckt der Teufel bei vielen Fragen im Detail. Die Teilnehmer des Werkstattgesprächs haben deshalb anhand ihres Arbeitsumfeldes Tätigkeiten den drei Kategorien zugeordnet. Abbildung 7: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Hamburger Werkstattgesprächsteilnehmer 13
Abbildung 8: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Frankfurter Werkstattgesprächsteilnehmer Es bestand sehr schnell Einigkeit darüber, dass Such- und Wartezeiten als Verschwendung anzusehen sind. Weniger eindeutig sind Tätigkeiten wie „Dienstbesprechungen“ – sind diese eine notwendige Nebentätigkeit oder bereits Verschwendung? Hierbei fällt auf, dass häufig nicht die Tätigkeiten selbst als Verschwendung eingestuft werden. Vielmehr beinhaltet die Art und Weise, wie eine Tätigkeit durchgeführt wird, eine versteckte Verschwendung. Ein zentraler Diskussionspunkt der Teilnehmer war das Gefühl, dass viele Tätigkeiten als Verschwendung gesehen werden, und dass einzelne Jobcenter jedoch nicht die Möglichkeit haben diese Verschwendung abzustellen. Ein typisches Beispiel sind Ausfallzeiten der IT oder Datenabfragen durch die Träger. Richtig ist, dass eine solche Verschwendung Frust hervorruft. Viele Beispiele zeigen jedoch auch, dass für Verschwendung nicht immer andere schuld sind. Es gibt viele Bereiche, in denen die Jobcenter Verschwendungen künftig autonom vermeiden können. Es gibt genügend Potenziale, die es sich lohnt zu stärken. 14
7 Wie kann Verschwendung vermieden werden? Im Laufe der Geschichte des Lean Management wurde ein umfangreicher Methodenbaukasten entwickelt, wie Lösungen für Verschwendungen entwickelt und implementiert werden können. Die Berater von inGenics stellten im Rahmen des Werkstattgesprächs den Problemlösereport vor, anhand dessen in vier Schritten Lösungen entwickelt werden können: Problem Bearbeitendes Team Festgestellt in/bei Erledigungs-Schritt Start-Datum zur Problemlösung End-Datum Maschine Methode Problembeschreibung mögliche Ursachen 1. Was ist das Problem? 2. Warum ist das ein Problem? 3. Wann hat es einen Einfluss? Problem 4. Wer ist betroffen? 5. Wo tritt die Auswirkung auf? 6. Wie wird eine Verbesserung gemessen? Mensch Material 5-Warum-Methode Gegenmaßnahmen Wer? Was? Bis wann? Hinterfragen der (Haupt-)ursache Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3 Schritt 4 Identifiziere das Problem Brainstorming zur Findung Wende die “5-Warum-Methode” Beschreibe wirksame Gegenmaßnahmen, mit Hilfe der 6W- Methode möglicher Ursachen mit Hilfe zur Analyse der Problem- terminiere diese und sorge für deren des Fischgrätendiagramms Ursache(n) an Umsetzung Abbildung 9: Der Problemlösereport zur Analyse von Problemen Eine klassische Falle ist, dass zu wenig in Problemen und zu schnell in Lösungen gedacht und gearbeitet wird. Das führt dazu, dass viele Lösungen oft nur gut gemeint sind, jedoch zu keinen Veränderungen sondern – im Gegenteil – zu Verschlimmbesserungen und Bürokratisierung führen. Das entwickeln von Lösungen ist keine kreative sondern eine analytische Aufgabe. Daher soll, bevor Lösungen entwickelt oder vorgeschlagen werden, das Problem systematisch analysiert werden. Dafür können folgende Schritte durchgeführt werden. 15
1. 6W-Methode Im ersten Schritt soll das Problem genau beschrieben werden. Dafür können sechs W-Fragen gestellt werden. Diese sind: - Was ist das Problem? - Warum ist das ein Problem? - Wann hat es einen Einfluss? - Wer ist betroffen? - Wo tritt die Auswirkung auf? - Wie wird eine Verbesserung gemessen? 2. Fischgrätendiagramm Im zweiten Schritt werden die Ursachen eines Problems offen gelegt. Das folgende Bild ist eine Analyse der Werkstattgesprächsteilnehmer zu dem Problem „Stellungnahme im Haus suchen.“ Abbildung 10: Das Fischgrätendiagramm der Werkstattgesprächsteilnehmer 16
3. 5-Warum-Methode Sind die Ursachen (oder ist die Hauptursache) des Problems identifiziert, wird dieses Problem hinterfragt. Mit dem fünfmaligen „Warum?“-Fragen wird der Punkt für einen möglichen Lösungsansatz gefunden. 17
8 Wie kann ich erkennen, ob ein Jobcenter „Lean“ ist? Ein Lean-Jobcenter unterscheidet sich von einem normalen Jobcenter in zwei zentralen Bereichen: Ein Lean-Jobcenter ist bei der Leistungsgewährung in der Lage einen überdurchschnittlich hohen Fallzahlenschlüssel ohne eine Mehrbelastung der Mitarbeiter zu realisieren. Bereits heute gibt es Jobcenter, die in der Leistungsgewährung mit einem Fallzahlenschlüssel von 1:100 arbeiten; die Mitarbeiter sind jedoch überlastet – dies ist ein eindeutiges Signal für Verschwendung. In einem Lean-Jobcenter haben die Mitarbeiter im Fallmanagement und Vermittlung mehr Zeit für die direkte Arbeit mit den Hilfeempfängern zur Verfügung. Beispielrechnung: Bei einer Vollzeitstelle im Fallmanagement beträgt nach Abzug von Urlaub, Krankheit etc. die durchschnittliche Nettoarbeitszeit 1.566 Stunden im Jahr. Bei einem Fallzahlenschlüssel von 1:75 hätte der Fallmanger für jeden Hilfeempfänger etwa 21 Stunden Zeit, diesen zu betreuen und zu vermitteln. Seine Arbeitszeit kann er jedoch nicht zu 100 Prozent für den Hilfeempfänger einsetzen. Notwendige Nebentätigkeiten (z.B. Dienstbesprechungen, Qualifizierungen etc.) und Verschwendungen reduzieren die Zeit, die er für die Hilfeempfänger einsetzen kann. Untersuchungen von Nordlicht Management Consultants in anderen sozialen Feldern zeigen, dass manchmal bis zu 70 Prozent der Arbeitszeit mit Dokumentieren, Netzwerken und Warten verbracht werden. Mit der Vermeidung der Verschwendung wird der Zeitanteil erhöht, den der einzelne Fallmanger direkt für den Hilfeempfänger einsetzen kann. 18
9 Teilnehmer Die vorliegenden Ergebnisse wurden gemeinsam von Nordlicht Management Consultants und den Teilnehmern der Werkstattgespräche erarbeitet. Dafür vielen Dank an: Böhmke, Karsten (Jobcenter Dithmarschen) Eckes, Bruno (Jobcenter Bad Kreuznach) Fischer, Wolfgang (Jobcenter Neckar-Odenwald) Frank, Kerstin (Jobcenter Nordvorpommern) Giesecke, Jörn (Kreis Segeberg) Karstens, Thorsten (Kreis Nordfriesland) Kehrberg (Darmstadt-Dieburg) Lang, Klaus (Jobcenter Bad Kreuznach) Lange, Klaus-Dieter (Jobcenter Steinburg) Lude, Wolfgang (Jobcenter Kreis Unna) Nietsch, Andrea (Jobcenter Steinburg) Rechenauer, Helmut (Jobcenter Berchtesgadener Land) Richter, Carsten (Jobcenter Essen) Schoenen, Jürgen (Jobcenter StädteRegion Aachen) Sibbe, Matthias (Jobcenter Nordvorpommern) Stechbarth, Ingo (Jobcenter Berchtesgadener Land) Thomsen, Hans Wilhelm (Jobcenter Flensburg) Wendrich, Thomas (Jobcenter Traunstein) 19
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