Lean Management im Jobcenter

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Lean Management im Jobcenter
Nordlicht Werkstattgespräch

Lean Management im Jobcenter
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Dokumentation / Hamburg und Frankfurt am Main, 27. und 28. September 2011
Lean Management im Jobcenter
Nordlicht Werkstattgespräch
Lean Management im Jobcenter
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Dokumentation / Hamburg und Frankfurt am Main, 27. und 28. September
2011

Nordlicht Management Consultants GmbH
Zirkusweg 1 / D-20359 Hamburg
Ihr Ansprechpartner: Tobias Bergmann
Telefon +49 (0)40 / 31 99 35-101
Mobil +49 (0)151 / 21 23 77 88
tb@nordlicht-consultants.com
Lean Management im Jobcenter
Nordlicht Werkstattgespräch
    Lean Management im Jobcenter
    _

    Inhalt

    1        Vorwort                                                        4

    2        Lean Management: Verschwendung eliminieren                     5

    3        Ein geschichtlicher Überblick – Lean auf einer Seite           7

    4        Warum Lean Management im öffentlichen Sektor bisher nie
             von Bedeutung war – eine Hypothese von Nordlicht               8

    5        Warum Personalräte eigentlich Lean Management fordern
             müssten                                                        9

    6        Wie erkennt ein Jobcenter Verschwendung?                       11

    7        Wie kann Verschwendung vermieden werden?                       15

    8        Wie kann ich erkennen, ob ein Jobcenter „Lean“ ist?            18

    9        Teilnehmer                                                     19

    Abbildungen

    Abbildung 1: Die Selbsteinschätzung der Werkstattgesprächsteilnehmer    4
    Abbildung 2: Die Grundlogik von Lean Management – Verschwendung
    eliminieren                                                             5
    Abbildung 3: Die Wirkung von Lean Management bei Toyota                 8
    Abbildung 4: Das bisherige Wirken von Lean Management im öffentlichen
    Sektor                                                                  8
    Abbildung 5: Das aktuelle Dilemma der Jobcenter                         10
    Abbildung 6: Die Darstellung der verschiedenen Tätigkeitsarten          12
    Abbildung 7: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die
    Hamburger Werkstattgesprächsteilnehmer                                  13
    Abbildung 8: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die
    Frankfurter Werkstattgesprächsteilnehmer                                14
    Abbildung 9: Der Problemlösereport zur Analyse von Problemen            15
    Abbildung 10: Das Fischgrätendiagramm der
    Werkstattgesprächsteilnehmer                                            16
1
Lean Management im Jobcenter
Vorwort

Jobcenter sehen sich zurzeit mit einem scheinbar unvermeidlichen
Paradox konfrontiert: Sie müssen gleichbleibende oder wachsende
Aufgaben mit weniger personellen und finanziellen Ressourcen erledigen.
In den beiden Werkstattgesprächen in Hamburg und Frankfurt haben wir
mit Praktikern diskutiert, inwiefern das Konzept des „Lean Management“
einen Ausweg aus diesem Dilemma liefern kann.

Es gibt bisher wenig Erfahrung mit Lean Management im öffentlichen
Sektor. Dies spiegelt auch die Selbsteinschätzung der Teilnehmer der
Werkstattgespräche wieder. Sie bezeichneten sich größtenteils als „Lean-
Neulinge“ – einen „Lean-Profi“ gibt es vermutlich in keinem deutschen
Jobcenter.

                  Wie schätzen Sie Ihre Erfahrung mit Lean Management ein?

 Ich bin                                                                     Ich bin
 „Lean Neuling“                                                              „Lean Profi

Abbildung 1: Die Selbsteinschätzung der Werkstattgesprächsteilnehmer

Ziel dieser Werkstattgespräche war es festzustellen, ob und wie Lean
Management generell im öffentlichen Sektor und speziell in Jobcentern
angewandt werden kann. Das Werkstattgespräch wurde von Nordlicht
Management Consultants in Zusammenarbeit mit Beratern von inGenics
durchgeführt.

Insgesamt haben 18 Vertreter von Kommunen und Jobcentern aus ganz
Deutschland an den Werkstattgesprächen teilgenommen. Sie sind an den
vorliegenden Ergebnissen maßgeblich beteiligt. Hierfür herzlichen Dank!

Tobias Bergmann / Geschäftsführer
Nordlicht Management Consultants

                                                                                           4
Lean Management im Jobcenter
2   Lean Management: Verschwendung eliminieren

    Lean Management wird oft mit den Begriffen „schlanke“ oder sogar „dürre“
    Organisation übersetzt. Daran anknüpfend gibt es leidenschaftliche
    konzeptionelle oder auch ideologische Debatten.

    Wir wählen einen anderen Zugang: Das Ziel von Lean Management ist die
    Eliminierung von Verschwendung. Die Tätigkeiten eines jeden Mitarbeiters
    und einer jeden Organisation werden demnach in drei Typen untergliedert:

        -    Wertschöpfende Tätigkeiten
        -    Notwendige Nebentätigkeiten
        -    Verschwendende Tätigkeiten

    Es gibt keine Organisation, die keine Verschwendung hat. Es gibt
    vermutlich auch keinen Beschäftigten, der nicht auch zum Teil
    verschwendenden Tätigkeiten nachgehen muss. Lean Management macht
    es sich zur Aufgabe, diese Verschwendungen aufzuspüren und zu
    eliminieren. Die freiwerdenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen
    können dann für wertschöpfendende Tätigkeiten eingesetzt oder zum
    Abbau von Überlastungen / Überstunden genutzt werden.

                                                                      Optimieren
                                                       Wert-
                                                       schöpfung
                        Ver-
                      schwen-
     Eliminieren
                      dung              Tätigkeiten
                                         in einem
                                        Jobcenter

                                                  Notwendige
                                              Nebentätigkeiten

                                                                 Reduzieren

    Abbildung 2: Die Grundlogik von Lean Management – Verschwendung eliminieren

                                                                                   5
Es ist somit nicht verwegen zu behaupten, dass die
Bundeshaushaltsordnung im § 7 (Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit für Verwaltungshandeln) in diesem Sinne ein Lean
Management von allen deutschen Verwaltungen fordert. Die VV-BHO wird
noch präziser, auch wenn sie den Begriff „Lean Management“ nicht
konkret verwendet: „Das Sparsamkeitsprinzip (Minimalprinzip) verlangt,
ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erzielen.“

                                                                             6
3   Ein geschichtlicher Überblick – Lean auf einer Seite

    Lean Management ist weder eine einzelne Erfindung noch eine kurzfristige
    Mode. Stattdessen hat Lean Management eine lange Geschichte und
    Tradition, ist aber eng mit der Geschichte von Toyota verbunden. In den
    50er Jahren entwickelten Elji Toyoda, Taiichi Ohno und Shigeo Shingo
    das „Toyota Production System.“ Toyotas Situation war nach dem Krieg
    vor allem von Ressourcenmangel geprägt. Es fehlte an Rohstoffen und
    Materialien, funktionierenden Fabriken und vor allem an Personal. Das
    „Toyota Production System“ ist, auch wenn es nicht so genannt wurde,
    Toyotas Lean Management System, welches Toyota bis heute
    weiterentwickelt.

    In den 90er Jahren prägten die Ökonomen James P. Womack und Daniel
    T. Jones im Rahmen einer Studie am Massachusetts Institute of
    Technology (MIT) erstmals den Begriff „Lean Management.“ In einer
    Untersuchung des Internationalen Automobilmarkts stellte sich heraus,
    dass Toyota in kürzerer Zeit wesentlich mehr Autos herstellen konnte als
    amerikanische Hersteller. Durch diese Studie erst wurde Lean
    Management populär und verbreitete sich in der westlichen Welt.
    Obwohl der Ursprung von Lean Management ohne Zweifel in der
    Automobilindustrie bzw. bei Toyota liegt, hat sich die Idee des Lean
    Management aber auch auf andere Industrien verbreitet.
    So wurde Lean Management zuerst von anderen verarbeitenden
    Industrien adaptiert. Von dort breitet sich die Idee dann weiter auf die
    Prozessindustrien aus. Zuletzt findet Lean Management auch im Service-
    Sektor immer mehr Anklang. So wird Lean Management bereits in
    Banken, Krankenhäusern und Versicherungen aber auch in Hotels,
    Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien genutzt. Der Nachweis
    wurde erbracht: Lean Management funktioniert nicht nur in japanischen
    Automobilunternehmen sondern auch in deutschen Büros.

                                                                               7
4   Warum Lean Management im öffentlichen Sektor bisher nie von
    Bedeutung war – eine Hypothese von Nordlicht

    Lean Management hat eine positive Grundlogik: Man eliminiere
    Verschwendungen und durch die gesteigerte Effizienz kann bei gleichem
    Input der Output gesteigert werden. Dies verhalf Toyota in der
    ressourcenknappen Nachkriegszeit dazu, mehr Autos zu produzieren.
    Durch die Eliminierung von Verschwendung konnten bei gleichbleibendem
    knappem Personal mehr Corolla und Avensis für den japanischen,
    amerikanischen und europäischen Markt produziert und verkauft werden.

     ⌀Input                        Lean Management
                                                                                   Output
     Produktions-                                                                  Produzierte
     ressourcen                                                                    Autos

    Abbildung 3: Die Wirkung von Lean Management bei Toyota

    Diese Logik funktioniert für den öffentlichen Sektor nicht: Beispielsweise
    kann kein Einwohnermeldeamt seinen Output an Reisepässen und
    Personalausweisen erhöhen, indem es Verschwendung strategisch
    vermeidet. Die kommunalen Grenzen zwischen zwei Dörfern sind hier
    unüberwindbare Barrieren, die den Output an Reisepässen unabhängig
    von der Produktivität der Einwohnermeldeämter limitieren. Die
    Vermeidung von Verschwendung führt in diesem Fall deshalb
    gezwungenermaßen zu einem Abbau von Personal. Haben sich Personen
    im öffentlichen Dienst Gedanken über Lean Management gemacht, so
    waren dies immer Gedanken sich selbst überflüssig zu machen.

       Input
                                  Lean Management
                                                                                   Output   ⌀
    Abbildung 4: Das bisherige Wirken von Lean Management im öffentlichen Sektor

                                                                                                 8
5   Warum Personalräte eigentlich Lean Management fordern müssten

    Heute gibt es einige Entwicklungen, die Lean Management gerade in
    Jobcentern zwingend notwendig macht.

    Viele Jobcenter müssen bereits heute Ressourcen aus dem
    Eingliederungstitel in das Verwaltungskostenbudget umschichten. In
    Zukunft wird sich diese Problematik verschärfen. Durch das Sparpaket II
    der Bundesregierung wird nicht nur der Eingliederungstitel sondern auch
    das Verwaltungskostenbudget gekürzt. Jobcenter werden in Zukunft also
    weniger Stellen zur Verfügung haben. Durch den sinkenden
    Eingliederungstitel wiederum ist es für Jobcenter nicht mehr möglich im
    bisherigen Ausmaß Leistungen von Trägern zu beziehen.

    Zusätzlich wird es in Zukunft Probleme geben die vorhandenen Stellen
    qualifiziert zu besetzen. Während es in der Vergangenheit im öffentlichen
    Sektor häufig Stellen mit „kw“-Vermerk (kann wegfallen) gab, so wird es in
    Zukunft Stellen mit einem „nb“-Vermerk (nicht besetzt) geben. Gab es in
    einer Abteilung früher zehn Stellen wurden dennoch zwölf Mitarbeiter
    eingesetzt, da es einen allgemeinen Personalüberhang gab. In naher
    Zukunft wird eine Abteilung mit zehn Stellen nur noch mit acht Mitarbeitern
    auskommen müssen, da der öffentliche Sektor einer der ersten sein wird,
    der unter dem demographischen Wandel und dem Fachkräftemangel zu
    leiden hat. Einen ersten Vorgeschmack erhalten die Jobcenter bereits
    heute bei der Suche nach Experten für Fachverfahren oder dem
    psychologischen Dienst.

    Neben diesen Reduzierungen des Inputs sehen sich der öffentliche Sektor
    und insbesondere die Jobcenter mit einem stetig steigenden Output
    konfrontiert. Immer wieder erhalten Jobcenter neue zusätzliche Aufgaben.
    Als Beispiele seien an dieser Stelle nur das Bildungs- und Teilhabepaket,
    die neue Warmwasserpauschale oder die allgemein steigende Komplexität
    der Vermittlung von Leistungsempfängern genannt.

    Jobcenter befinden sich also aufgrund externer Einflüsse in einem
    Dilemma zwischen sinkendem Input und der Forderung nach steigendem
    Output. Diese Situation führt unweigerlich zu einer Erhöhung der
    Belastung der Mitarbeiter und / oder einem Absinken der Qualität der
    Arbeit.

                                                                                  9
Der einzige Ausweg1 ist die „Vermeidung von Verschwendung.“ Nur wenn
es gelingt die verschwendenden Tätigkeiten zu reduzieren und die
freiwerdenden knappen personellen und finanziellen Ressourcen in
wertschöpfende Tätigkeiten zu investieren, kann Überlastung und
abnehmende Qualität verhindert werden.

    Input                                                                                        Output

Abbildung 5: Das aktuelle Dilemma der Jobcenter

1
 Gesamtgesellschaftlich und politisch bietet sich natürlich noch die Alternative mehr Ressourcen in den
öffentlichen Sektor zu investieren. Eine Erhöhung der Staatsquote wird jedoch nicht in den einzelnen
Jobcentern diskutiert und entschieden.

                                                                                                          10
6   Wie erkennt ein Jobcenter Verschwendung?Lean Management folgt
    dem Ideal einer Organisation ohne Verschwendung und optimaler
    Wertschöpfung. Dafür ist es unentbehrlich zu wissen, was der Wert ist,
    den eine Organisation schafft. Das erste Prinzip von Lean Management ist
    deshalb die genaue Spezifikation des Wertes. Toyota stellt dazu die
    folgende Frage: Was will der Kunde? Nur das, was der Kunde einer
    Organisation nachfragt, ist ein Wert: Wenn ein Auto einen Aschenbecher
    hat, der Kunde diesen jedoch nicht wünscht, ist das bereits
    Verschwendung.

    Bei Jobcentern droht die Frage nach dem Wert für den Kunden schnell auf
    den Holzweg zu führen. Jobcenter definieren i.d.R. Leistungsempfänger
    als ihre Kunden. Würde sich ein Jobcenter komplett an den Wünschen des
    Leistungsempfängers ausrichten, wäre es möglich, dass dieser nur
    Leistungen des passiven Bereichs nachfragt (z.B. unkomplizierte
    Genehmigung von ALG II und KdU). Dass „Sanktionen“ als
    „Kundenwunsch“ gesehen werden, ist eher unwahrscheinlich.

    Im Sinne des Lean Management empfehlen wir demnach einen anderen
    Begriff. Der „Kunde“ eines Jobcenters ist die Gesellschaft, und in der
    konkreten Nachfrage der Gesetzesgeber. Dieser hat im Gegensatz zu den
    meisten Käufern von Autos sehr präzise seinen „Kundenwunsch“ bereits
    geäußert – und zwar im §1 SGB II:

    1. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten
       ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen
       entspricht.
    2. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung
       von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit
       ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu
       beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der
       Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.
       Sie soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder
       Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den
       Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise
       bestreiten können.

    Alles was einen direkten Beitrag hierzu leistet, sind wertschöpfende
    Tätigkeiten: Der korrekte Bescheid und die nachhaltige, erfolgreiche

                                                                               11
Vermittlung – alles andere ist entweder eine notwendige Nebentätigkeit
oder Verschwendung.

Lean Management fordert jetzt von der Organisation alle ihre Tätigkeiten
darauf auszurichten – und zwar perfektionistisch. Lean Management ist
kein temporäres Großprojekt, das nach einer Zeit abgeschlossen ist.
Stattdessen ist es eine Unternehmenskultur, die danach strebt sich
ständig zu verbessern und Perfektion zu erzielen. Dabei werden hunderte
kleiner Schritte in Form von kleineren Verbesserungen unternommen.

Anhand der Spezifikation des Wertes lässt sich nun Verschwendung
feststellen. Das Gegenteil verschwendender Tätigkeiten sind
wertschöpfende Tätigkeiten. Zusätzlich existieren in jeder Organisation
notwendige Nebentätigkeiten (bspw. die Qualifizierung von Mitarbeitern).
Diese Nebentätigkeiten schaffen nicht direkt einen Wert, sind aber
notwendig, damit andere wertschaffende Tätigkeiten durchgeführt werden
können. Nach der Analyse dieser Tätigkeiten gilt es die wertschöpfenden
Tätigkeiten zu optimieren, die notwendigen Nebentätigkeiten zu
reduzieren sowie die verschwendenden Tätigkeiten zu eliminieren. Dabei
sollte immer bei den verschwenden Tätigkeiten begonnen werden, da
diese am offensichtlichsten sind.

                                                                    Optimieren
                                                       Wert-
                                                       schöpfung
                      Ver-
                    schwen-
 Eliminieren
                    dung               Tätigkeiten
                                        in einem
                                       Jobcenter

                                                 Notwendige
                                             Nebentätigkeiten

                                                                 Reduzieren

Abbildung 6: Die Darstellung der verschiedenen Tätigkeitsarten

                                                                                 12
Es ist wichtig festzustellen, dass jeder Prozess alle Arten von Tätigkeiten
beinhaltet und dass ebenso jede Stelle oder jeder Mitarbeiter
verschwendende, notwendige und wertschöpfende Tätigkeiten durchführt.
Jeder Prozess muss hierauf einzeln untersucht werden. Betrachtet man
jedoch ein Jobcenter mit einer ganzheitlichen Perspektive, fallen einzelne
Arbeitsbereiche des Jobcenters in verschiedene Tätigkeitskategorien.

Die Unterscheidung in „wertschöpfend“, „notwendig“ und „verschwendend“
ist in der Theorie relativ einfach. In der Praxis steckt der Teufel bei vielen
Fragen im Detail. Die Teilnehmer des Werkstattgesprächs haben deshalb
anhand ihres Arbeitsumfeldes Tätigkeiten den drei Kategorien zugeordnet.

Abbildung 7: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Hamburger
Werkstattgesprächsteilnehmer

                                                                                 13
Abbildung 8: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Frankfurter
Werkstattgesprächsteilnehmer

Es bestand sehr schnell Einigkeit darüber, dass Such- und Wartezeiten als
Verschwendung anzusehen sind. Weniger eindeutig sind Tätigkeiten wie
„Dienstbesprechungen“ – sind diese eine notwendige Nebentätigkeit oder
bereits Verschwendung? Hierbei fällt auf, dass häufig nicht die Tätigkeiten
selbst als Verschwendung eingestuft werden. Vielmehr beinhaltet die Art
und Weise, wie eine Tätigkeit durchgeführt wird, eine versteckte
Verschwendung.

Ein zentraler Diskussionspunkt der Teilnehmer war das Gefühl, dass viele
Tätigkeiten als Verschwendung gesehen werden, und dass einzelne
Jobcenter jedoch nicht die Möglichkeit haben diese Verschwendung
abzustellen. Ein typisches Beispiel sind Ausfallzeiten der IT oder
Datenabfragen durch die Träger. Richtig ist, dass eine solche
Verschwendung Frust hervorruft. Viele Beispiele zeigen jedoch auch, dass
für Verschwendung nicht immer andere schuld sind. Es gibt viele
Bereiche, in denen die Jobcenter Verschwendungen künftig autonom
vermeiden können. Es gibt genügend Potenziale, die es sich lohnt zu
stärken.

                                                                              14
7   Wie kann Verschwendung vermieden werden?

    Im Laufe der Geschichte des Lean Management wurde ein umfangreicher
    Methodenbaukasten entwickelt, wie Lösungen für Verschwendungen
    entwickelt und implementiert werden können.

    Die Berater von inGenics stellten im Rahmen des Werkstattgesprächs den
    Problemlösereport vor, anhand dessen in vier Schritten Lösungen
    entwickelt werden können:

      Problem                                                                                                      Bearbeitendes Team

      Festgestellt in/bei                                                                                          Erledigungs-Schritt

      Start-Datum                                                       zur Problemlösung                          End-Datum

                                                                       Maschine                  Methode
                        Problembeschreibung
                                                                                                         mögliche Ursachen
         1.   Was ist das Problem?
         2.   Warum ist das ein Problem?
         3.   Wann hat es einen Einfluss?                                                                                                            Problem
         4.   Wer ist betroffen?
         5.   Wo tritt die Auswirkung auf?
         6.   Wie wird eine Verbesserung gemessen?

                                                                            Mensch                       Material

                                     5-Warum-Methode                                                                  Gegenmaßnahmen

                                                                                                                   Wer? Was? Bis wann?
                            Hinterfragen der (Haupt-)ursache

      Schritt 1                              Schritt 2                               Schritt 3                                       Schritt 4
      Identifiziere das Problem              Brainstorming zur Findung               Wende die “5-Warum-Methode”                     Beschreibe wirksame Gegenmaßnahmen,
      mit Hilfe der 6W- Methode              möglicher Ursachen mit Hilfe            zur Analyse der Problem-                        terminiere diese und sorge für deren
                                             des Fischgrätendiagramms                Ursache(n) an                                   Umsetzung

    Abbildung 9: Der Problemlösereport zur Analyse von Problemen

    Eine klassische Falle ist, dass zu wenig in Problemen und zu schnell in
    Lösungen gedacht und gearbeitet wird. Das führt dazu, dass viele
    Lösungen oft nur gut gemeint sind, jedoch zu keinen Veränderungen
    sondern – im Gegenteil – zu Verschlimmbesserungen und
    Bürokratisierung führen. Das entwickeln von Lösungen ist keine kreative
    sondern eine analytische Aufgabe. Daher soll, bevor Lösungen entwickelt
    oder vorgeschlagen werden, das Problem systematisch analysiert werden.
    Dafür können folgende Schritte durchgeführt werden.

                                                                                                                                                                            15
1. 6W-Methode

Im ersten Schritt soll das Problem genau beschrieben werden. Dafür
können sechs W-Fragen gestellt werden. Diese sind:

    -    Was ist das Problem?
    -    Warum ist das ein Problem?
    -    Wann hat es einen Einfluss?
    -    Wer ist betroffen?
    -    Wo tritt die Auswirkung auf?
    -    Wie wird eine Verbesserung gemessen?

2. Fischgrätendiagramm

Im zweiten Schritt werden die Ursachen eines Problems offen gelegt. Das
folgende Bild ist eine Analyse der Werkstattgesprächsteilnehmer zu dem
Problem „Stellungnahme im Haus suchen.“

Abbildung 10: Das Fischgrätendiagramm der Werkstattgesprächsteilnehmer

                                                                          16
3.   5-Warum-Methode

Sind die Ursachen (oder ist die Hauptursache) des Problems identifiziert,
wird dieses Problem hinterfragt. Mit dem fünfmaligen „Warum?“-Fragen
wird der Punkt für einen möglichen Lösungsansatz gefunden.

                                                                            17
8   Wie kann ich erkennen, ob ein Jobcenter „Lean“ ist?

    Ein Lean-Jobcenter unterscheidet sich von einem normalen Jobcenter in
    zwei zentralen Bereichen:

    Ein Lean-Jobcenter ist bei der Leistungsgewährung in der Lage einen
    überdurchschnittlich hohen Fallzahlenschlüssel ohne eine Mehrbelastung
    der Mitarbeiter zu realisieren. Bereits heute gibt es Jobcenter, die in der
    Leistungsgewährung mit einem Fallzahlenschlüssel von 1:100 arbeiten;
    die Mitarbeiter sind jedoch überlastet – dies ist ein eindeutiges Signal für
    Verschwendung.

    In einem Lean-Jobcenter haben die Mitarbeiter im Fallmanagement und
    Vermittlung mehr Zeit für die direkte Arbeit mit den Hilfeempfängern zur
    Verfügung.

    Beispielrechnung:

    Bei einer Vollzeitstelle im Fallmanagement beträgt nach Abzug von
    Urlaub, Krankheit etc. die durchschnittliche Nettoarbeitszeit 1.566
    Stunden im Jahr. Bei einem Fallzahlenschlüssel von 1:75 hätte der
    Fallmanger für jeden Hilfeempfänger etwa 21 Stunden Zeit, diesen zu
    betreuen und zu vermitteln.
    Seine Arbeitszeit kann er jedoch nicht zu 100 Prozent für den
    Hilfeempfänger einsetzen. Notwendige Nebentätigkeiten (z.B.
    Dienstbesprechungen, Qualifizierungen etc.) und Verschwendungen
    reduzieren die Zeit, die er für die Hilfeempfänger einsetzen kann.
    Untersuchungen von Nordlicht Management Consultants in anderen
    sozialen Feldern zeigen, dass manchmal bis zu 70 Prozent der
    Arbeitszeit mit Dokumentieren, Netzwerken und Warten verbracht
    werden. Mit der Vermeidung der Verschwendung wird der Zeitanteil
    erhöht, den der einzelne Fallmanger direkt für den Hilfeempfänger
    einsetzen kann.

                                                                                   18
9   Teilnehmer

    Die vorliegenden Ergebnisse wurden gemeinsam von Nordlicht
    Management Consultants und den Teilnehmern der Werkstattgespräche
    erarbeitet.

    Dafür vielen Dank an:

    Böhmke, Karsten (Jobcenter Dithmarschen)
    Eckes, Bruno (Jobcenter Bad Kreuznach)
    Fischer, Wolfgang (Jobcenter Neckar-Odenwald)
    Frank, Kerstin (Jobcenter Nordvorpommern)
    Giesecke, Jörn (Kreis Segeberg)
    Karstens, Thorsten (Kreis Nordfriesland)
    Kehrberg (Darmstadt-Dieburg)
    Lang, Klaus (Jobcenter Bad Kreuznach)
    Lange, Klaus-Dieter (Jobcenter Steinburg)
    Lude, Wolfgang (Jobcenter Kreis Unna)
    Nietsch, Andrea (Jobcenter Steinburg)
    Rechenauer, Helmut (Jobcenter Berchtesgadener Land)
    Richter, Carsten (Jobcenter Essen)
    Schoenen, Jürgen (Jobcenter StädteRegion Aachen)
    Sibbe, Matthias (Jobcenter Nordvorpommern)
    Stechbarth, Ingo (Jobcenter Berchtesgadener Land)
    Thomsen, Hans Wilhelm (Jobcenter Flensburg)
    Wendrich, Thomas (Jobcenter Traunstein)

                                                                        19
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