Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de

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K
 Anpassungsstrategie und Maßnahmenprogramm 2012 – 2016

 Leben mit dem Klimawandel –
 Hannover passt sich an
 Schriftenreihe kommunaler Umweltschutz – Heft 53

LANDESHAUPTSTADT HANNOVER
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Inhalt
Vorwort .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1          Leben mit dem Klimawandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                          5
1.1        Der Klimawandel in Deutschland .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                   7
1.2        Der Klimawandel in der Region Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            8
1.3        Das Stadtklima und künftige Veränderungen für die Stadt Hannover .. . . . . . .                                                       9

2          Die Anpassungsstrategie für Hannover .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                  13
2.1        Ziele der hannoverschen Anpassungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  13
2.2        Das Entstehen der Strategie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             14
2.3        Das Maßnahmenprogramm 2012 – 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                14

3          Die Aktionsfelder und Beispiele erster Anpassungsmaßnahmen .. .                                                                      15
3.1        Hochwasserschutz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      15
3.1.1      Baulicher Hochwasserschutz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                15
3.1.2      Vorsorgender Hochwasserschutz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     16
3.1.3      Fließgewässerrenaturierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              17
3.2        Regenwassermanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                17
3.3        Vorsorgender Boden- und Grundwasserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                    20
3.4        Dachbegrünung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21
3.5        Klimaangepasste Vegetation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               23
3.6        Klimaangepasste Stadtplanung und klimaangepasstes Bauen .. . . . . . . . . . . . .                                                   25
3.6.1      Maßnahmen für Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              26
3.6.2      Maßnahmen für Freiräume und Stadtstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  28
3.6.3      Hilligenwöhren – ein klimaangepasstes Wohnquartier .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                          30
3.7.       Fachkarte Klimaanpassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              32
3.8        Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                   34

4          Forschung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             35
4.1        Klimauntersuchung eines urbanen Raumes
           am Beispiel der Landeshauptstadt Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                35
4.2        Verdichtung des Grundwasser-Messnetzes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                36
4.3        Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt
           und das Überflutungsverhalten in Siedlungsgebieten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                        37
4.4        Vorhersagen von urbanen Sturzfluten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                         38

5          Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

6          Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                           40
6.1        Umgesetzte Maßnahmen aus dem
           „Programm zur Minimierung der Folgen der Klimaerwärmung“ .. . . . . . . . . . .                                                      40
6.2        Verfahrenshinweis Sonnenschutz / Nachtlüftung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                     42
6.3        Klimawandel und Baumartenwahl in der Stadt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  44
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4                                                                                                                                                                                                                   5

    Vorwort                                                                                1 Leben mit dem Klimawandel
               Der Klimawandel ist ein Thema, das immer häufiger in den Medien             „Über den Klimawandel wird nicht mehr spekuliert, er             Die Hauptaussagen des 5. Sachstandsberichtes zur Kli-
               präsent ist, denn die Folgen des Klimawandels sind auch in Deutsch-         ist real“. Das war das Ergebnis von Klimaforschern, die          maänderung:
               land schon spürbar. Die Anzahl der Hitzetage pro Jahr steigt stetig         im Rahmen des UN-Klimarates zusammengearbeitet                   Seit Beginn der regelmäßigen instrumentellen Mes-
               an und die Starkregenereignisse 2016 in Bayern haben gezeigt, dass          und 2007 den vierten IPCC (Intergovernmental Panel               sung der Lufttemperatur in Bodennähe im Jahr 1881
               der Klimawandel ernst zu nehmen ist und wir gut beraten sind, uns           on Climate Change)-Bericht veröffentlicht haben. 2013            gab es bisher kein Jahr, das wärmer gewesen wäre als
               seinen Herausforderungen zu stellen und vorsorgend zu denken und            ist der fünfte IPCC-Sachstandsbericht zum Klimawan-              2014. Doch schon das darauffolgende Jahr verwies
               zu handeln.                                                                 del erschienen. Er bestätigt: Der gegenwärtige Klima-            das bisherige Rekordjahr auf den zweiten Platz. 2015
                                                                                           wandel ist Fakt und beruht vorwiegend auf menschli-              war global das wärmste Jahr seit Beginn der Wetter-
               Wir verfolgen in Hannover dabei zwei Handlungsstränge: Auf der              chen Einflüssen (Quelle: Perspektive Erde).                      aufzeichnungen. Fast alle Monate des Jahres weisen
               einen Seite arbeiten wir seit Gründung der Klimaschutzleitstelle im                                                                          Höchstwerte der globalen Mitteltemperatur auf. Ledig-
               Jahr 1994 gemeinsam mit vielen Akteuren daran, die für den Klima-           In der Klimaforschung ist es heute Konsens, dass die             lich ein zweitwärmster Januar und ein drittwärmster
               wandel verantwortlichen Treibhausgas-Emissionen zu verringern               steigenden Konzentrationen anthropogener, also men-              April tanzen geringfügig aus der Reihe (Umweltbun-
               und haben uns zum Ziel gesetzt, diese bis zum Jahr 2050 um 95 %             schengemachter Treibhausgase (CO2, Methan u. a.), die            desamt 2016).
               gegenüber 1990 zu reduzieren.                                               wichtigste Ursache der globalen Erwärmung sind. Der
                                                                                           IPCC, dessen Analysen den weltweiten Forschungs-
    Auf der anderen Seite hat sich Hannover schon frühzeitig mit den Folgen des            stand auf diesem Gebiet abdecken, spricht in seinem
    Klimawandels auseinandergesetzt und bereits 2012 eine lokale Anpassungs-               fünften Sachstandsbericht aus 2013 davon, dass dies
    strategie erarbeitet. Wir haben uns darüber hinaus 2014 mit dem Beitritt in die        „äußerst wahrscheinlich“ ist, was einer Wahrschein-
    Mayors Adapt Initiative (Initiative des Konvent der Bürgermeister zur Anpas-           lichkeit von 95-100 Prozent entspricht.
    sung an den Klimawandel) verpflichtet, zum übergeordneten Ziel der EU-Strategie
    zur Anpassung an den Klimawandel beizutragen und die Klimaresilienz Europas zu stär-   Der IPCC-Bericht ist der „weltweit bedeutendste Sach-
    ken. Dies bedeutet den Ausbau der Vorsorge durch die Kommune und die Erhöhung          standsbericht zur Klimaforschung“. Seit 2010 arbei-
    unseres Reaktionsvermögens in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels durch:       teten mehr als 3000 Experten aus mehr als 70 Län-
                                                                                           dern am Gesamtbericht mit, davon mehr als 100 aus
    • die Entwicklung einer umfassenden (eigenständigen) lokalen Anpassungsstrategie       Deutschland (Deutsches Zentrum für Luft und Raum-
      für unsere Kommune und                                                               fahrt e. V. 2014). Die IPCC-Aussagen haben deshalb so
    • die Einbindung der Anpassung an den Klimawandel in unsere bestehenden                großes Gewicht, weil sie in einem einzigartigen, mehr-
      einschlägigen Pläne.                                                                 stufigen Verfahren geprüft werden und daher sehr ver-
                                                                                           lässlich und ausgewogen sind. Die 195 Mitgliedstaaten
    Auch in dem Stadtentwicklungskonzept „Mein Hannover 2030“, das die Lan-                des Weltklimarates verabschieden die wissenschaftli-
    deshauptstadt Hannover im Februar 2016 veröffentlicht hat, wird die Anpas-             chen Hauptaussagen der IPCC-Berichte und erkennen
    sung an den Klimawandel thematisiert. Unter dem Oberziel, eine hohe Lebens-            sie damit offiziell an.
    und Freiraumqualität zu erhalten, heißt es konkret:
    „Mein Hannover 2030 hat ein ausgeglichenes und gesundes Stadtklima, ist auf dem
    Weg zur klimaneutralen Stadt, pflegt eine klimaangepasste Stadtentwicklung und för-
    dert die Widerstandsfähigkeit (Resilienz).“
                                                                                            Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig, und viele dieser seit den 1950er Jahren beobachteten
                                                                                            Veränderungen sind seit Jahrzehnten bis Jahrtausenden nie aufgetreten. Die Atmosphäre und der
    Leben mit dem Klimawandel – Hannover passt sich an!
                                                                                            Ozean haben sich erwärmt, die Schnee- und Eismengen sind zurückgegangen, der Meeresspiegel ist
                                                                                            angestiegen und die Konzentrationen der Treib­hausgase haben zugenommen.
    Mit der vorliegenden Broschüre berichtet die Landeshauptstadt Hannover
                                                                                            Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem ist klar. Das ist offensichtlich aufgrund der ansteigenden
    darüber, wie wir uns dieser Herausforderung stellen. Es werden die Anpas-
                                                                                            Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre, dem positiven Strahlungsantrieb, der beobachteten
    sungsstrategie an zukünftig veränderte Klimabedingungen in der Stadt und
                                                                                            Erwärmung und des Verständnisses des Klimasystems.
    die ersten durchgeführten Maßnahmen vorgestellt. Dabei wird deutlich, wie
                                                                                            (IPPC 2013. Klimaänderung 2013: Wissenschaftliche Grundlagen.
    vielfältig die Handlungsfelder sind, in denen Anpassungen an den Klimawandel            Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger)
    notwendig sind.

    Selbst wenn die Auswirkungen des Klimawandels derzeit in Hannover noch
    nicht als belastend empfunden werden, die durchgeführten Maßnahmen stei-
    gern die Lebensqualität in unserer Stadt schon jetzt.

    Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!

    Ihre

    Sabine Tegtmeyer-Dette
    Erste Stadträtin
    Wirtschafts- und Umweltdezernentin
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
6                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 7

        Abb. 1: Abweichungen des globalen
    Mittels der bodennahen Lufttemperatur
       vom Mittelwert im Referenzzeitraum
       1961 – 1990 (rote und blaue Balken),
         die durchgezogene schwarze Linie                                                                                                                                                                                                             Abb. 3: Ein Vergleich der Jahresdurchschnittstemperaturen
           stellt den nichtlinearen Trend dar                                                                                                                                                                                                         der 1970er Jahre mit denen, die für die 2070er Jahre in
                     (Quelle: Climate Research Unit,                                                                                                                                                                                                  Deutschland erwartet werden, zeigt einen deutlichen
                     University of East Anglia, 2015)                                                                                                                                                                                                 Anstieg – im Durchschnitt eine Zunahme von 3,5 °C
                                                                                                                                                                                                                                                      innerhalb von 100 Jahren.
                                                                                                                                                                                                                                                      (Quelle: KlimafolgenOnline.de)

                                                                                                                                                                                Im Dezember 2008 hat die Bundesregierung die Deut-       1.1 Der Klimawandel
                                                                                                                                                                                sche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS)
                                                                                                                                                                                beschlossen. Zur Weiterentwicklung der Strategie hat         in Deutschland
                                                                                                                                                                                die Bundesregierung in 2011 einen mit den Bundes-
                                                                                                                                                                                ländern und den kommunalen Spitzenverbänden ab-          Aufgrund einer immer größeren Datenfülle, verfeiner-
                                                                                                                                                                                gestimmten „Aktionsplan Anpassung“ vorgelegt. Der        ter Klimamodelle und leistungsfähigerer Computer
                                                                                                                                                                                nationale Strategieprozess zur Anpassung soll dazu       sind inzwischen relativ verlässliche Aussagen über
                                                                                                                                                                                beitragen, die Voraussetzungen für die Identifizierung   künftige klimatische Verhältnisse (sogar für einzelne
                                                                                                                                                                                von Anpassungsbedarfen und die Entwicklung von An-       Regionen Deutschlands) möglich. Das Umweltbundes-
                Abb. 2: Die atmosphärische                                                                                                                                      passungskonzepten und -maßnahmen auf der lokalen         amt fasst den Forschungsstand wie folgt zusammen:
     CO2-Konzentration seit dem Jahr 1700.
     Daten der NOAA (National Oceanic and
                                                                                                                                                                                Ebene zu schaffen bzw. zu verbessern. Das Bundesmi-      „Im Vergleich des möglichen Klimas der Jahre 2071
    Atmospheric Administration) aus Hawaii                                                                                                                                      nisterium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-    bis 2100 mit dem Zeitraum 1961 bis 1990 [Referenz-
              seit 1958, davor Berechnung                                                                                                                                       cherheit steht seit 2009 im Dialog mit den Kommunen.     zeitraum] zeigen die Klimamodelle, dass
                 anhand von Eisbohrungen.                                                                                                                                       Im Juli 2011 hat der Bundestag das Gesetz zur För-
               (Copyright/Quelle: Scripps Institution
                                                                                                                                                                                derung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den      • die Temperaturen in Deutschland regional und
                    of Oceanography, UC San Diego)
                                                                                                                                                                                Städten und Gemeinden und entsprechende Änderun-            jahreszeitlich unterschiedlich im Mittelwert um
                                                                                                                                                                                gen im Baugesetzbuch beschlossen (Bundesregierung          etwa +3,5 Grad Celsius (Sommer: +1,5 Grad bis
                                                                                                                                                                                2011). Damit wurde das Ziel, den Klimaschutz und die       +5 Grad Celsius; Winter: +2 Grad bis +4,5 Grad
                                                                                                                                                                                Klimaanpassung durch die Bauleitplanung zu fördern,        Celsius) steigen,
                                                                                                                                                                                in die Grundsätze des § 1 des Baugesetzbuches auf-       • es weniger Frosttage, mehr heiße Tage und
                                                                                                                                                                                genommen. Den Erfordernissen des Klimaschutzes             mehr Tropennächte geben wird sowie die Zahl
                                                        Die 16 wärmsten Jahre liegen – bis auf eine Ausnahme     Kosten zur Folge. Die Reduzierung von Treibhausgasen           soll sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel           und Dauer von Hitzewellen zunehmen werden,
                                                        – in den ersten 16 Jahren des neuen Jahrtausends. Die    in allen Ländern ist daher das zentrale Ziel aller Klima-      entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpas-    • sich die sommerlichen Niederschläge um bis zu
                                                        globale Mitteltemperatur der bodennahen Luftschicht      schutzmaßnahmen. Da das Klima auf äußere Einflüsse             sung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen          30 Prozent verringern und gleichzeitig die
                                                        hat sich zwischen 1850 und 2012 um 0,85 °C erhöht (s.    mit Verzögerungen von einigen Jahrzehnten reagiert,            werden (§ 1 a (5) BauGB). Über die Instrumente der         Häufigkeit von Starkniederschlägen zunimmt,
                                                        Abb. 1), 2015 betrug diese Abweichung bereits 0,9 °C.    wird eine globale Erwärmung um 2 Grad bis Mitte oder           Bauleitplanung besteht sowohl im Rahmen der vor-         • für den Gesamtniederschlag im Winter in den
                                                        Der CO2-Gehalt der Atmosphäre ist im April 2014 an der   spätestens Ende dieses Jahrhunderts trotz der bereits          bereitenden Planung (Flächennutzungsplan) als auch         meisten Regionen Deutschlands eher mit einer
                                                        weltweit ältesten Messstation Mauna Loa (Hawaii) auf     eingeleiteten Klimaschutzmaßnahmen voraussichtlich             durch die verbindliche Planung (Bebauungsplan) die         Zunahme zu rechnen ist (circa minus vier Prozent
                                                        den in der Menschheitsgeschichte höchsten Wert von       nicht mehr zu verhindern sein. Daher müssen neben              Möglichkeit, die Belange des Klimaschutzes und der         bis plus 20 Prozent). Die stärkste Zunahme ist
                                                        401 ppm (parts per million) gestiegen. Vor Beginn der    den Maßnahmen zur Verringerung der globalen Erwär-             Klimaanpassung über die zur Verfügung stehenden            dabei für Norddeutschland zu erwarten. Für den
                                                        Industrialisierung betrug der CO2-Gehalt lediglich 280   mung und ihrer Folgen (Mitigation) zugleich Maßnah-            Darstellungen und Festsetzungen zu berücksichtigen,        äußersten Süden wird dagegen keine wesentliche
                                                        ppm (s. Abb.2).                                          men zur Anpassung an den Klimawandel (Adaptation)              zum Beispiel durch Schaffung und/oder Erhaltung            Änderung, eher sogar eine leichte Abnahme,
                                                                                                                 erfolgen.                                                      von Freiräumen bzw. Grün- oder Frischluftzonen, Be-        erwartet. Auch im Winter werden künftig
                                                        Die Klimaerwärmung wird – auch in Deutschland –                                                                         pflanzungen, Umfang und Anordnung von Bebauung             häufiger starke Regenfälle zu verzeichnen sein.
                                                        weitreichende Folgen für die Lebensbedingungen der                                                                      einschließlich der Begrenzung/dem Ausschluss von         • extreme Windgeschwindigkeiten zukünftig
                                                        Menschen haben. Unter WissenschaftlerInnen und            „Es geht darum, das Unbeherrschbare zu ver­                   bestimmten Nutzungen, Regelungen zur Ableitung, Be-        ebenfalls verstärkt auftreten werden.
                                                        KlimaexpertInnen gelten die Folgen einer globalen         meiden und das Unvermeidbare zu beherrschen.“                 grenzung bzw. Versickerung von Niederschlagswasser       • mit einem Rückgang der Gletscher und Schnee­
                                                                                                                  (Prof. Hans Joachim Schellnhuber,
                                                        Erderwärmung bis 2 Grad Celsius über dem vorindus-                                                                      etc.. Die Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaan-       bedeckung in den Alpen gerechnet werden muss,­­
                                                                                                                  Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und
                                                        triellen Niveau als gerade noch beherrschbar. Eine        Klimaschutzbeauftragter der Bundesregierung)                  passung sind damit Teil der Abwägung öffentlicher und    • der Meeresspiegel mit im Mittel 30 Zentimeter
                                                        Erwärmung darüber hinaus hätte erhebliche Schäden                                                                       privater Belange, die bei Aufstellung der Bauleitpläne     deutlich höher liegen könnte.“ (UBA 2013)
                                                        für Mensch und Natur und extrem hohe wirtschaftliche                                                                    durchzuführen ist.
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
8                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           9

                                                     1.2 Der Klimawandel                                       Der Vergleich unterschiedlicher Zeitabschnitte der
                                                                                                               Temperaturdatenreihe 1950 bis 2013 zeigt, dass die
                                                         in der Region Hannover                                Mitteltemperatur generell angestiegen ist. Beträgt die
                                                                                                               Temperatur im Zeitraum 1951 bis 1970 im Mittel 8,6 °C,
                                                     An der Klimastation Hannover-Langenhagen des Deut-        so liegt sie im Zeitraum 1981 bis 2010 bei 9,6 °C, eine
                                                     schen Wetterdienstes liegen langjährige Messreihen        Erhöhung um 1 Grad Celsius. Der Klimawandel hat also
                                                     seit 1936 vor. Aufgrund der langen Datenreihe können      bereits begonnen und er wird sich weiter fortsetzen.
                                                     Trends zur Klimaentwicklung abgeleitet werden. So
                                                     zeigen die Daten, dass Klimaänderungen in der Region      Mit Hilfe von Modellen lassen sich Szenarien für zu-
                                                     Hannover bereits stattgefunden haben. Sowohl die An-      künftige Klimaentwicklungen erstellen. Ausgehend
                                                     zahl der Sommertage (Temperaturmaximum ≥ 25 °C)           vom internationalen Modell (ECHAM) und einer mitt-
                                                     als auch die Anzahl der Hitzetage (Temperaturmaxi-        leren globalen Erwärmung von 2 Grad können künftige
                                                     mum ≥ 30 °C) zeigen seit 1950 einen Trend zur Zu-         Veränderungen des Klimas infolge der globalen Erwär-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Abb. 6: Blick von der Auestraße zum
                                                     nahme. Tropennächte (Temperaturminimum ≥ 20 °C            mung mit den nationalen Klimafolgen-Rechenmodel-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Schwarzen Bären in Hannovers Stadtteil
                                                     treten erst seit 1986 in einzelnen Jahren auf, scheinen   len (CLM, REMO) auf die Region Hannover übertragen                                                                                                                                Linden. Ein hoch versiegelter Stadtraum,
                                                     seit 2007 aber häufiger zu werden.                        werden. Danach ist für die Region Hannover von rund                                                                                                                               dessen Klima deutlich von dem des
                                                                                                               3 Grad mittlerer Temperaturerhöhung bis zum Ende                                                                                                                                  grünen Umlandes abweicht.
                                                                                                               dieses Jahrhunderts auszugehen (Meteoterra/GEO-                                                                                                                                   (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)

                                                                                                               NET 2015).

                                                                                                                                                                         Der bereits in den Daten des Deutschen Wetterdiens-
                                                                                                                                                                         tes festgestellte Trend hinsichtlich der Sommertage        „Das Stadtklima ist das durch die Wechsel­­wirkung
                                                                                                                                                                         und Hitzetage wird sich verstärkt fortsetzen. Sie wer-     mit der Bebauung und deren Auswirkungen
                                                                                                                                                                         den – ebenso wie Tropennächte – immer häufiger. Hit-       (einschließlich der Abwärme und Emission von
                                                                                                                                                                         zesommer wie 2003 (56 Sommer- und 17 Hitzetage)            luftverunreinigenden Stoffen) modifizierte Klima“.
                                                                                                                                                                         werden ab 2050 mit großer Wahrscheinlichkeit den           (Definition der Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL)
                                                                                                                                                                         Normalfall darstellen.                                     im VDI und DIN, 1988)

                                                                                                                                                                         Auch wird sich die jährliche Niederschlagsverteilung      Der Klimawandel wird in innerstädtischen Verdich-
                                                                                                                                                                         verändern. So wird zum Beispiel die Auftrittshäufigkeit   tungsräumen zu einer Erhöhung von Wärmebelastung
                                                                                                                                                                         von trockenen (niederschlagsfreien) Tagen und mit         und Hitzestress für die Bevölkerung führen. Nach der
                                                                                                                                                                         ihr die Dauer von Trockenperioden im Laufe des 21.        von der Landeshauptstadt in 2010 beauftragten Mo-
                                                                                                                                                                         Jahrhunderts beständig zunehmen. Ebenfalls wird die       dellierung von meteorologischen Kenngrößen zum
                                                                                                                                                                         Anzahl von Tagen mit geringem bis mäßigem Nieder-         Klimawandel für das Stadtgebiet von Hannover ist bis
    Abb. 4: Anzahl von Sommertagen (gelb),                                                                                                                               schlag abnehmen.                                          zum Ende dieses Jahrhunderts mit einem erheblichen
        Hitzetagen (rot) und Tropennächten                                                                                                                                                                                         Anstieg der Zahl der heißen Tage mit einer Höchsttem-
    (grün) in Hannover-Langenhagen in den                                                                                                                                                                                          peratur von mehr als 30 Grad und der Tropennächte
                      Jahren 1950 bis 2013                                                                                                                                                                                         mit Lufttemperaturen nicht unter 20 Grad zu rechnen.
                (Quelle: Meteoterra/GEO-NET, 2015)
                                                                                                                                                                         1.3 Das Stadtklima                                        In der dicht bebauten und stark versiegelten Innen-
                                                                                                                                                                                                                                   stadt wird sich die durchschnittliche Zahl der Hitzeta-
                                                                                                                                                                             und Klimaprognosen                                    ge von 9,6 (Zeitraum 2001-2010) auf 21,9 im Zeitraum
                                                                                                                                                                                                                                   2090 bis 2099 mehr als verdoppeln. Die durchschnitt-
                                                                                                                                                                             für Hannover                                          liche Anzahl der Tropennächte wird sich von 1,4 auf
                                                                                                                                                                                                                                   9,8 Nächte deutlich steigern. Besonders in Stadtteilen
                                                                                                                                                                         In dicht bebauten Siedlungsgebieten wird der Klima-       mit Block- und Blockrandbebauung wird die Anzahl der
                                                                                                                                                                         wandel überlagert von den Effekten des Stadtklimas.       Hitzetage und Tropennächte deutlich zunehmen. Bei-
                                                                                                                                                                         Je nach Versiegelungsgrad und Größe der verdichteten      spielsweise wurde für den Stadtteil Vahrenwald eine
                                                                                                                                                                         Bebauung ist das Klima in den Städten im Vergleich        Steigerung der Hitzetage von durchschnittlich 8,7 auf
                                                                                                                                                                         zum Umland u. a. geprägt durch höhere Temperatu-          19,1 und der Tropennächte von durchschnittlich 1,2 auf
                                                                                                                                                                         ren („Wärmeinsel“), geringere relative Luftfeuchte,       9,2 für die o. g. Zeiträume berechnet (s. Abb. 5). Die Kli-
                                                                                                                                                                         geringere mittlere Windgeschwindigkeiten, aber auch       maprojektionen zeigen zudem, dass die Hitzeperioden
                                                                                                                                                                         höhere Böigkeit des Windes. Die Stadtklimaeffekte mit     länger andauern werden und ihr Beginn in das Frühjahr
                                                                                                                                                                         Auswirkung auf die Gesundheit des Menschen werden         verschoben wird, in eine Jahreszeit, in der der mensch-
                                                                                                                                                                         durch den Klimawandel zusätzlich verstärkt werden. So     liche Organismus noch nicht an die Hitze angepasst ist
                                                                                                                                                                         bedeutet die mittlere globale Erwärmung um 0,85 Grad      und deshalb sensibler auf Hitzebelastungen reagiert.
        Abb. 5: Modellierte Anzahl von Som-                                                                                                                              Celsius zwischen 1850 und 2012 beispielsweise für die
       mertagen (gelb), Hitzetagen (rot) und                                                                                                                             „Megacity“ Tokio eine Erwärmung um 3 Grad Celsius.
    Tropennächten (grün) für Hannover-Lan-
         genhagen im Zeitraum 1961 – 2100
      (Datenbasis: WETTREG 2010, Szenario
          A1B, Mittel über zehn Modelläufe)
                (Quelle: Meteoterra/GEO-NET, 2015)
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
10                                                                                                                                                                                                                                                              11

                                                                                                                                                                                               2001 bis 2010

            Abb. 7: Warme Sommertage
          genießen viele Menschen gern
          im Freien, z. B. im Straßencafé                                                                                                                                                      2046 bis 2055
            (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)

                                                         45                            41.8
                                                         40
                                                         35
                                                                           28.2
                                                         30
                                                         25    21.8                                                        21.9
                                                         20
                                                         15                                                    12.7
                                                                                                   9.6                                                            9.8
                                                         10
                                                          5                                                                               1.4         2.1
                                                          0
                                                               2001-2010

                                                                           2046-2055

                                                                                       2090-2099

                                                                                                   2001-2010

                                                                                                               2046-2055

                                                                                                                           2090-2099

                                                                                                                                          2001-2010

                                                                                                                                                      2046-2055

                                                                                                                                                                  2090-2099

                                                                                                                                                                                                                 Referenzpunkte:
     Abb. 8: Mittlere jährliche Häufigkeit                                                                                                                                                                       1) Innenstadt – Zentrumsbebauung
      klimatologischer Ereignisse in der                                                                                                                                                                         2) Nordstadt – Block- und Blockrandbebauung
        Innenstadt von Hannover für die                                                                                                                                                                          3) Kirchrode – lockere Einzel- und
       Zeithorizonte 2001 bis 2010, 2046                                   Sommertag                             Hitzetag                        Tropennacht                                                        Reihenhausbebauung
              bis 2055 und 2090 bis 2099                                                                                                                                                                         4) Georgengarten – Parkfläche
                    (Datenquelle: GEO-NET 2011)                                                                                                                                                                     mit Bäumen und Gehölz
                                                                                                                                                                                                                 5) Kronsberg – landwirtschaftlich
                                                                                                                                                                                               2090 bis 2099        genutzte Freifläche

                                                                                                                                                                                                               Die Referenzpunkte stehen für unterschiedliche
                                                                                                                                                                                                               Baudichten bzw. Freiräume innerhalb der Stadt.
                                                                                                                                                                                                               Die Art der Baustruktur (Dichte, Bauvolumen)
                                                   Betroffene des Hitzestresses werden vor allem ältere                                zum Ende des Jahrhunderts mit einer Erhöhung der To-                    und der Anteil städtischer Grünflächen haben
                                                   und geschwächte Menschen (aber auch Kleinkinder)                                    desrate aufgrund gefäßbedingter Herzkrankheiten um                      einen großen Einfluss auf die Höhe der Wärme­
                                                   sein. Vor dem Hintergrund des demographischen                                       den Faktor 3 bis 5 gerechnet (DWD 2015).                                belastung im jeweiligen Stadtteil.
                                                   Wandels und dem zu beobachtenden Trend, dass äl-
                                                   tere Menschen aus dem Umland wieder in die Stadt                                    Neben einer erhöhten Gesundheitsgefährdung bewir-
                                                   ziehen (kürzere Wege, hohes Dienstleistungsange-                                    ken längere Hitzeperioden eine Beeinträchtigung des
                                                   bot), wird die Zahl der betroffenen (hitzesensiblen)                                Wohlbefindens (Lebensqualität) und der Leistungsfä-
                                                   Menschen noch zunehmen. Folgen des Hitzestresses                                    higkeit der Stadtbevölkerung, wodurch die Produkti-
                                                   (insbesondere durch Tropennächte, da die nächtliche                                 vität und somit auch die städtische Wirtschaft beein-
                                                   Erholungsphase nach einem Hitzetag fehlt) können ge-                                trächtigt werden können.
                                                   sundheitliche Beeinträchtigungen (z. B. Herz-Kreislauf-                             Mit der Klimaerwärmung kann auch einhergehen,                           Abb. 9: Sommerliche Wärmebelastung
                                                   Erkrankungen) sein, die unter Umständen auch zum                                    dass Infektionskrankheiten zunehmen, die heute nur                      unter dem Einfluss des Klimawandels in der
                                                                                                                                                                                                               Landeshauptstadt Hannover – Durchschnittliche
                                                   Tode führen können. Während des Hitzesommers 2003                                   in heißeren Klimaten vorkommen bzw. über in diesen                      Anzahl der Tage mit starker Wärmebelastung
                                                   sind in Europa 55.000 zusätzliche Todesfälle verzeich-                              heißeren Klimaten sich wohlfühlende Wirtstiere ver-                     (Quelle: GEO-NET 2011)
                                                   net worden, davon 7.000 in Deutschland. Nach einer                                  breitet werden (z. B. Frühsommer-Meningoenzephalitis
                                                   Studie des Deutschen Wetterdienstes (2015) wird bis                                 (FSME) und Lyme-Borreliose durch Zecken).
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
12                                                                                                                                                                                                                                                                          13

                                                                                                                     2 Die Anpassungsstrategie für Hannover

                                                                                                                                                                                                                          K
                                                                                                                      „Die Zukunftsfähigkeit unserer Städte hängt
                                                                                                                      wesentlich von ihrer vorausschauenden Anpassung
                                                                                                                      an den Klimawandel ab.“
                                                                                                                      (Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium
                                                                                                                      für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2010)

                                                                                                                     Obwohl die Klimasimulationen die schwerwiegends-
                                                                                                                     ten Veränderungen erst für die zweite Hälfte dieses
                                                                                                                     Jahrhunderts vorhersagen, müssen schon heute die
                                                                                                                     Weichen zu einer klimaangepassten, nachhaltigen Ent-
                                                                                                                     wicklung Hannovers gestellt werden. Denn die Folgen
                                                                                                                     des Klimawandels sind bereits spürbar, z. B. anhand von
                                                                                                                     Schäden durch Starkregenereignisse und sommerliche
                                                                                                                     Trockenperioden, die Gegenmaßnahmen erfordern.

              Abb. 10: 1. Juni 2016: In Hannovers Innenstadt                                                         Die Anpassungsstrategie bezieht sich im Wesentlichen
              flüchten Passanten vor Starkregen und Gewitter.                                                        auf die künftigen Probleme durch
              (Bildrechte: dpa)

                                                                                                                     • Überwärmung der Stadt
                                                                                                                       (Hitzewellen, Tropennächte),                                                Anpassungsstrategie und Maßnahmenprogramm 2012 – 2016
                                                                                                                     • verändertes Niederschlagsverhalten
                                                                                                                                                                                                   lEBEN mIt DEm KlImAwANDEl –
                                                                                                                       (Starkniederschläge, Hochwassergefährdung),
                                                                                                                                                                                                   HANNOVER PAsst sICH AN
                                                                                Abb.11:                              • sommerliche Trockenperioden.
                                                     Sturzfluten machen das Autofahren                                                                                                             Schriftenreihe kommunaler Umweltschutz – Heft 53

                                                                 an diesem Tag zu einem                              Die von der Stadtverwaltung erarbeitete Anpassungs-
                                                                   besonderen Erlebnis.                              strategie setzt den Schwerpunkt auf acht Aktionen,
                                                                          (Bildrechte: dpa)                                                                                                   LANDESHAUPTSTADT HANNOVER
                                                                                                                     die aus ihrer Sicht für die Stadt Hannover besonders
                                                                                                                     wichtig sind. Sie sind eng an das „Positionspapier zur
                                                                                                                     Anpassung an den Klimawandel“ der Fachkommission
                                                                                                                                                                                   LHH_Brosch_Klimawandel_v06_bb.indd 1                                    28.11.16 10:21

                                                                                                                     Umwelt des Deutschen Städtetages angelehnt, dass im
                                                                                                                     Juni 2012 veröffentlicht wurde.                           frühzeitig einkalkuliert werden. Die Anpassungsstrate-
                                                                                                                                                                               gie soll dazu beitragen, dass rechtzeitig Maßnahmen
                                                           Eine weitere Folge des Klimawandels wird die Verschie-    Bei der Auswahl von Maßnahmen sind die Vernetzungen       zur Minimierung der negativen Folgen des Klimawan-
                                                           bung der jährlichen Niederschlagsverteilung sein. Im      und Wechselwirkungen der (Teil-) Systeme in der Stadt     dels in der Stadt getroffen werden. Dabei stellt die
                                                           Sommer werden die Niederschlagsmengen abneh-              zu betrachten und mehrere positive Effekte zu koppeln.    Machbarkeit und Finanzierbarkeit der Maßnahmen eine
                                                           men, länger anhaltende Trockenphasen mit negativen        Ein besonders gutes Beispiel ist die Maßnahme „Dach-      wichtige Voraussetzung für ihre Umsetzung dar. Je
                                                           Auswirkungen für die Stadtwälder, Grünflächen und         begrünung“, die zahlreiche positive Effekte vereint:      später eingegriffen wird, desto aufwändiger und teu-
                                                           die Gewässer werden häufiger auftreten. Durch Aus-        Sie mindert die Aufheizung des Gebäudes, dient dem        rer wird die Maßnahme bzw. die Schadensbeseitigung
                                                           trocknung des Oberbodens und höhere Erosionsgefahr        Rückhalt von Niederschlagswasser, der Befeuchtung         sein.
                                                           sind auch vermehrt Probleme durch Staub möglich. Im       und Kühlung der Umgebungsluft und ist Lebensraum          Die Anpassungsstrategie verfolgt nicht die Erstellung
                                                           Winter werden höhere Niederschläge erwartet, was die      für Insekten und andere Tiere. Zudem verringert das       eines vollständigen Anpassungsplanes, sondern gibt
                                                           Gefahr von Hochwasserereignissen steigen lässt. Au-       begrünte Dach die Wärmeverluste des Gebäudes und          Handlungshinweise und nennt wichtige Bausteine zur
                                                           ßerdem wird erwartet, dass die Häufigkeit und Inten-      damit den Heizbedarf und die CO2-Emissionen (ist da-      Anpassung. Da die Veränderungen durch den Klima-
                                                           sität lokaler Starkregenereignisse deutlich zunehmen      mit nicht nur eine Maßnahme der Anpassung, sondern        wandel nicht konkret vorhersagbar sind, muss die An-
                                                           wird (IPCC 2014). Für eine dicht bebaute und versiegel-   auch des Klimaschutzes) und erhöht die Lebensdauer        passungsstrategie flexibel auf Veränderungen und neue
                                                           te Stadtfläche bedeutet das eine erhöhte Vulnerabilität   des Daches.                                               Erkenntnisse reagieren können. Anpassungsmaßnah-
                                                           (Verwundbarkeit) gegenüber diesen Klimaänderungen,                                                                  men haben in der Regel eine Vielzahl von positiven As-
                                                           z. B. durch Sturzfluten und Überflutungen mit entspre-                                                              pekten. Unabhängig von den zu erwartenden Klimaän-
                                                           chender Gefahr für die Gebäude und die dazugehörige                                                                 derungen führen sie zur Schaffung von gesunden und
                                                           Infrastruktur wie Straßen und Kanalisation. Durch die     2.1 Ziele der hannoverschen                               angenehmen Lebensbedingungen und damit zu einer
                                                           Veränderung des Niederschlagsgeschehens können                                                                      Steigerung der Lebensqualität in der Stadt Hannover.
                                                           auch Hochwassersituationen in den Fließgewässern              Anpassungsstrategie
     1 In einer Mischwasserkanalisation wird häus­         verschärft werden. Wenn während längerer Trocken-
       liches, gewerbliches und industrielles Abwasser     phasen mit entsprechend niedriger Wasserführung in        Mit der Anpassungsstrategie sollen den Entscheidungs-      „Ideales Stadtklima“ ist ein räumlich und zeitlich
       gemeinsam mit dem Niederschlagswasser zur           den Fließgewässern Starkregenereignisse auftreten,        trägern die möglichen Folgen und Chancen des Klima-        variabler Zustand der Atmosphäre in urbanen Be-
       Kläranlage geleitet. Bei extremen Niederschlags-
                                                           kann durch Mischwasserentlastungen1 die Wasserqua-        wandels sowie geeignete Anpassungsoptionen bekannt         reichen, bei dem sich möglichst keine anthropogen
       ereignissen, für die die Kanalisation und das
       Klärwerk nicht bemessen wurden, reicht die
                                                           lität beeinträchtigt werden.                              gemacht werden, damit Anpassung in politischen und         erzeugten Schadstoffe in der Luft befinden und den
       Größe dieses Kanalnetzes und die Leistung des       Des Weiteren sind stärkere Schwankungen des Grund-        wirtschaftlichen Planungs- und Entscheidungspro-           Stadtbewohnern in Gehnähe eine möglichst große
       Klärwerkes nicht aus, um das gesamte Misch-         wasserspiegels aufgrund der Verschiebung der jährli-      zessen künftig verstärkt berücksichtigt werden kann.       Vielfalt der urbanen Mikroklimate unter Vermei-
       wasser zur Behandlung zuzuführen. Deshalb           chen Niederschlagsverteilung zu erwarten. Auch wer-       Insbesondere dort, wo es um mittel- bis langfristige       dung von Extremen geboten wird.
       wird ein Teil des mit Niederschlagswasser stark
       verdünnten Abwassers über eine Mischwasser-
                                                           den die Sturmstärken zunehmen und – besonders in der      Strukturentscheidungen (z. B. Raumnutzung) und In-         (Fachausschuss Biometeorologie der Deutschen
       entlastungsanlage in ein Fließgewässer geleitet     Stadt mit Häufung von wertvollen Immobilien – ent-        vestitionsentscheidungen (z. B. Infrastruktur, Forst-      Meteorologischen Gesellschaft)
       (Mischwasserentlastung).                            sprechende volkswirtschaftliche Schäden verursachen.      wirtschaft) geht, müssen die Folgen des Klimawandels
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
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                                      2.2 Das Entstehen der                                  mögliche Anpassungsmaßnahmen zur Minderung der           3 Die Aktionsfelder und Beispiele
                                                                                                                                                        erster Anpassungsmaßnahmen
                                                                                             zu erwartenden Belastungen (z. B. Hitzewellen, Hoch-
                                          Strategie                                          wasser) vermittelt. Im Anschluss an diesen Workshop
                                                                                             wurden drei Arbeitsgruppen zu drei Aspekten des Kli-
                                      Seit dem Frühjahr 2009 beschäftigt sich der Bereich    mawandels gebildet:
                                      Umweltschutz der Stadt Hannover intensiv mit dem
                                      Thema „Klimawandel und Anpassung“. Anlass war u.       • Hitzewellen, Tropennächte – Auswirkung
                                      a. der Beschluss der Deutschen Anpassungsstrategie       auf die menschliche Gesundheit
                                      durch die Bundesregierung im Dezember 2008. Zu-        • Änderung der Niederschlagsverteilung,
                                      nächst wurde im November 2009 ein Thesenpapier           Zunahme von Starkniederschlägen – Folgen
                                      „Anpassungsstrategien zum Klimawandel“ fertigge-         für die Stadtentwässerung, Umgang mit
                                      stellt. Es beschäftigt sich mit den möglichen Verän-     erhöhter Hochwassergefahr
                                      derungen in Hannover durch den Klimawandel, nennt      • Zunahme sommerlicher Trockenperioden –
                                      Anpassungsmaßnahmen, die bereits Bestandteil des         Auswirkung auf land- und forstwirtschaftliche
                                      Verwaltungshandelns sind, und weitere Maßnahmen,         Flächen sowie Naturschutz (insbesondere
                                      die noch für notwendig erachtet werden. Als erste        Gewässerschutz)
                                      Schritte zu einer Anpassungsstrategie wurden vorge-
                                      sehen:                                                 Einen Überblick über die beteiligten Fachressorts der
                                                                                             Arbeitsgruppen gibt nachfolgende Tabelle. Da das „Kli-
                                      1. Erstellung eines Fachplans „Klima“                  ma“ an der Stadtgrenze nicht endet, sind auch Fach-
                                         als Grundlage für andere Planungen                  stellen der Region Hannover eingebunden worden. (Die
                                      2. Durchführung eines Workshops zum Klimawandel        Abkürzung FB bedeutet Fachbereich, die Ziffern benen-
                                         und Anpassungsstrategien für Stadt- und             nen die Organisationseinheiten.)
                                         GrünplanerInnen und andere Beteiligte
                                      3. Auflegen von städtischen Förderprogrammen,          Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen waren
                                         z. B. für Dach- und Fassadenbegrünung               zentraler Bestandteil bei der Erarbeitung der Anpas-                                                                                                                        Abb. 12: Gründach in der
                                      4. Bildung eines Netzwerkes von städtischen            sungsstrategie für die Stadt Hannover. Mit der Bildung                                                                                                                      Innenstadt von Hannover
                                         und externen Akteuren                               der Arbeitsgruppen entstand zugleich ein Netzwerk                                                                                                                           (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)

                                                                                             von städtischen und externen Akteuren, das im weite-
                                      Die fachbereichsübergreifende Erarbeitung der Anpas-   ren Verlauf der Entwicklung der Anpassungsstrategie
                                      sungsstrategie für Hannover  begann im Frühjahr 2010   noch erweitert wurde und sicherlich auch zukünftig
                                      mit einem Einführungsseminar, an dem PlanerInnen       noch erweitert werden wird.
                                      der Stadtplanung, Grünflächenplanung und Stadtent-
                                      wässerung sowie weiter interessierte MitarbeiterIn-    Die „Anpassungsstrategie zum Klimawandel für die
                                      nen der Stadtverwaltung teilnahmen. Bei dieser Fort-   Landeshauptstadt Hannover“ wurde im April 2012 mit
                                      bildung wurden Informationen über zu erwartende        der Informationsdrucksache 0933/2012 der Öffent-
                                      Klimaänderungen in Region und Stadt Hannover sowie     lichkeit bekannt gemacht.

                                                                                             2.3 Das Maßnahmen­                                       Die Anpassungsstrategie unterteilt sich in acht Aktions­   notwendig erachtet und für die Zukunft geplant wird.
                                                                                                                                                      felder, die im Rahmen der Arbeitsgruppenphase (s. Pkt.     Nicht alle Anpassungsmaßnahmen sind im Rahmen des
     Landeshauptstadt Hannover                                                                   programm 2012                                        2.2) als besonders bedeutend definiert wurden:             Maßnahmenprogramms 2012 – 2016 finanziert und
                                                                                                                                                                                                                 durchgeführt worden, sondern wurden im Rahmen an-
     FB Büro Oberbürgermeister        15.2 Grundsatzangelegenheiten                              bis 2016                                             Aktionsfeld 1: Hochwasserschutz                            dere Maßnahmen (z. B. Hochwasserschutz, Straßensa-
     FB Gebäudemanagement             19.02 Zentrale Ingenieuraufgaben                                                                                Aktionsfeld 2: Regenwassermanagement und                   nierung) finanziert.
     FB Planen und Stadtentwicklung   61.1 Stadtplanung                                      Im Januar 2012 wurde die Stadtverwaltung vom Rat                        Umgang mit Starkregenereignissen
                                      61.4 Stadterneuerung und Wohnen                        der Landeshauptstadt Hannover beauftragt, ein auf        Aktionsfeld 3: Vorsorgender Boden- und
                                                                                             fünf Jahre anzulegendes „Programm zur Minimierung                       Grundwasserschutz
     FB Tiefbau
     FB Umwelt und Stadtgrün
                                      66.3 Straßenerhaltung, Wasser- und Brückenbau
                                      67.1 Umweltschutz
                                                                                             der Folgen der Klimaerwärmung“ zu erarbeiten und         Aktionsfeld 4: Dachbegrünung                               3.1 Hochwasserschutz
                                                                                             umzusetzen mit dem Ziel, die Lebensqualität in der       Aktionsfeld 5: Klimaangepasste Vegetation
                                      67.2 Planung und Bau                                   Stadt trotz der Klimaveränderung zu erhalten oder so-    Aktionsfeld 6: Klimaangepasste Stadtplanung und            3.1.1    Baulicher Hochwasserschutz
                                      67.3 Öffentliche Grünflächen                           gar zu verbessern. Zur Umsetzung erster Maßnahmen                       klimaangepasstes Bauen
                                      67.7 Forsten, Landschaftsräume und Naturschutz         wurde das Programm für den Zeitraum 2012 bis 2016        Aktionsfeld 7: Fachkarte Klimaanpassung                    Hochwasserereignisse – gemeint sind damit Überflu-
                                                                                             mit insgesamt 1.050.000 Euro ausgestattet.               Aktionsfeld 8: Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit         tungen durch Flusshochwasser (Überflutungen in Fol-
     Stadtentwässerung Hannover       68.1 Planung und Bau
                                                                                             Das daraufhin erarbeitete Maßnahmenprogramm wur-                                                                    ge von Starkregenereignissen werden im Aktionsfeld 2:
                                                                                             de im Juli 2012 als Informationsdrucksache 1554/2012     Im Folgenden werden diese Aktionsfelder genauer vor-       Regenwassermanagement behandelt) – treten in den
     Region Hannover                                                                         dem Rat und der Öffentlichkeit vorgestellt.              gestellt, wobei zunächst jeweils auf die grundsätzliche    letzten Jahren immer häufiger auf. Grund dafür können
     FB Umwelt                        36.02 Klimaschutz und Umweltmanagement                                                                          Bedeutung eingegangen und im Anschluss der Umset-          die klimatischen Veränderungen sein. Die Wahrschein-
                                                                                                                                                      zungsstand konkreter Maßnahmen erläutert wird.             lichkeit ist groß, dass Extremwetterlagen, die bei-
                                      36.09 Gewässerschutz (zentrale Aufgaben)
                                                                                                                                                      Einige Maßnahmen sind bereits umgesetzt worden, an-        spielsweise zu einem hundertjährlichen Regenereignis
     FB Gesundheit                    53.06 Allg. Infektionsschutz und Umweltmedizin                                                                  dere befinden sich in der Umsetzung oder ihre Umset-       führen, zukünftig häufiger auftreten als bisher.
     FB Planung und Raumordnung                                                                                                                       zung steht kurzfristig bevor (Planung abgeschlossen).      In der Stadt Hannover gibt es Hochwasserschutz-
                                      61.01 Regionalplanung
                                                                                                                                                      Teilweise war es erforderlich, einzelne Maßnahmen          anlagen wie Deiche, allerdings würden große Sied-
                                                                                                                                                      durch Förderprogramme zu unterstützen (z. B. durch         lungsflächen wie die Calenberger Neustadt und weite
                                                                                                                                                      das Dach- und Fassadenbegrünungsprogramm). Dane-           Teile Ricklingens bei einem hundertjährlichen Hoch-
                                                                                                                                                      ben gibt es weitere Maßnahmen, deren Umsetzung als         wasserereignis trotzdem überflutet werden. Die Stadt
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
16                                                                                                                                                                                                                                                                                         17

                                                                   hat daher im Jahr 2006 beschlossen, große Teile des
                                                                   Stadtgebietes vor einem hundertjährlichen Hochwas-
                                                                   serereignis zu schützen (LHH 2006). Dazu wurde das
                                                                   Maßnahmenprogramm Hochwasserschutz in Hannover
                                                                   mit einem Investitionsvolumen von etwa 30 Millionen
                                                                   Euro aufgestellt, das die Aufweitung des Abflussquer-
                                                                   schnitts an der Ihme in der Calenberger Neustadt zwi-
                                                                   schen Legionsbrücke und Leinertbrücke sowie die Ver-
                                                                   längerung der Deichanlagen in Ricklingen zum Inhalt
                                                                   hat. Teilmaßnahmen wie der Neubau der Benno-Oh-
                                                                   nesorg-Brücke und die Neugestaltung des Ihmeufers
                                                                   (incl. Sanierung des ehemaligen Gaswerkstandortes
                                                                   an der Glocksee) zum neuen Ihmepark sind in 2012
                                                                   abgeschlossen worden. Die Umsetzung der weiteren
                                                                   Maßnahmen (die Verlängerung des vorhandenen Dei-
                                                                   ches in Ricklingen sowie kleinere Verbesserungen an
                                                                   der Leine im Bereich der Königsworther Straße und
                                                                   in Linden-Nord) hat in 2012 begonnen und wird Ende
                                                                   2016 abgeschlossen werden.
                                                                                                                                                                                                                                                    Abb. 15: Das naturnah gestaltete
                                                                   Die Umsetzung der Hochwasserschutzmaßnahmen be-                                                                                                                                  Gewässerbett des Roßbruchgrabens
                                                                   deutet eine deutliche Verbesserung des technischen                                                                                                                               oberhalb der Hollerithallee im
                                                                   Hochwasserschutzes und damit verbunden eine Erhö-                                                                                                                                Stadtteil Marienwerder
                                                                   hung des Schutzniveaus für die Stadt Hannover.                                                                                                                                   (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)

     Abb. 13: Mit dem Neubau der Benno-Ohnesorg-Brücke
     ist der Abflussquerschnitt um 21 Meter vergrößert worden.
     (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)
                                                                   3.1.2     Vorbeugender Hochwasserschutz                      3.1.3    Fließgewässerrenaturierung
                                                                                                                                                                                         3.2 Regenwassermanage-
                                                                   Der bauliche Hochwasserschutz stellt jedoch nur eine         Durch Eingriffe des Menschen in das Einzugsgebiet
                                                                   Komponente des Hochwasserschutzes dar, die Sensi-            der Gewässer oder in die Gewässer selbst sind die ur-        ment und Umgang mit
                                                                   bilisierung und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung          sprünglich strukturreichen Fließgewässer stark verän-
                                                                   hinsichtlich vorbeugenden Hochwasserschutzes ist             dert worden. Mit der Begradigung der Gewässer und            Starkregenereignissen
                                                                   ebenso wichtig.                                              der Nutzung der Auen gingen vor allem Überschwem-
                                                                   2015 ist bei der Landeshauptstadt Hannover eine              mungsflächen verloren. Bei Hochwasserereignissen
                                                                   zentrale Hochwasserschutzkoordinationsstelle zur             führt der Verlust dieser natürlichen Retentionsräume      „Der Tiefausläufer eines Tiefs über der Nordsee
                                                                   Auswertung vergangener Hochwasserereignisse, zur             zu höheren Hochwasserspitzenabflüssen. Die Begradi-       überquert Deutschland ostwärts und führt feuchte
                                                                   Analyse von Schwachstellen, zur Optimierung des              gung der Fließgewässer beschleunigt die Abflüsse und      und zunächst noch milde Meeresluft heran. Dabei
                                                                   hannoverschen Hochwasserschutzsystems und zur                führt in den Unterläufen der Gewässer (und insbeson-      kommt es zu teils schauerartigem oder gewittri-
                                                                   Bevölkerungsinformation geschaffen worden. Durch             dere in der Leine) zur Erhöhung des Hochwasserpegels.     gem Regen. Besonders in der zweiten Tageshälfte
                                                                   diese bei der Stadtentwässerung angesiedelte Stelle          Zu den weiteren negativen Auswirkungen der mensch-        können Schauer und GEWITTER auftreten die
                                                                   werden die Planungen und Umsetzungen des Hoch-               lichen Eingriffe gehören der Verlust von Tier- und        auch heftig sind, so dass lokal unwetterartiger
                                                                   wasserschutzes für Hannover im fachübergreifenden            Pflanzenarten, die Verschlechterung der Wassergüte        STARKREGEN, HAGEL und STURMBÖEN nicht
                                                                   Dialog koordiniert. Ziel ist es, mit allen Beteiligten den   und die Veränderung der Grundwasserneubildung.            ausgeschlossen werden können. Auch in der Nacht
                                                                   hannoverschen Hochwasserschutz an sich ändernde              Seit 1996 besteht ein Ratsbeschluss, die hannover-        zum Samstag bleibt das Wetter unbeständig mit
                                                                   Rahmenbedingungen anzupassen und strategisch wei-            schen Fließgewässer wieder naturnäher und struktur-       Schauern und Gewittern, besonders im Süden
                                                                   terzuentwickeln.                                             reicher zu gestalten. Das dafür entwickelte „Programm     und in der Mitte.“
                                                                   BürgerInnen, die in überschwemmungsgefährdeten Ge-           naturnahe Gewässergestaltung“ wird federführend           (Wettervorhersage für Hannover vom 5.8.2011, DWD)
                                                                   bieten wohnen, müssen sich dieser Tatsache bewusst           durch die Stadtentwässerung umgesetzt. In das Pro-
                                                                   sein, damit sie eigenverantwortlich Vorsorgemaßnah-          gramm wurden insgesamt 37 Fließgewässer aufge-
                                                                   men treffen können, z. B. durch die Sicherung von            nommen. An der Mehrzahl der Gewässer wurden be-          Auf unversiegelten, mit Vegetation bewachsenen Flä-
                                                                   Kellerräumen vor Überflutung und hochwassersichere           reits Maßnahmen durchgeführt.                            chen kann ein großer Teil des Niederschlagswassers
                                                                   Lagerung von Wertgegenständen. Zum vorbeugenden              Zu den Umgestaltungsmaßnahmen gehören unter              (zwischen)gespeichert werden. Ein Teil des Wassers
         Abb. 14: Der neue Deichkörper mit Deichverteidigungsweg
                                                                   Hochwasserschutz gehört auch eine entsprechende              anderem die Anlage von Hochwasserprofilen mit ab-        versickert, ein Teil wird in der Vegetation zurückgehal-
         im Stadtteil Ricklingen im Februar 2015.                  Architektur (bauliche Schutz- und Vorsorgemaßnah-            wechslungsreich gestalteten Böschungsneigungen und       ten und verdunstet (Evaporation) oder wird nach Auf-
         (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)                      men). Umfangreiche Informationen dazu hat die Stadt-         Bermen (horizontaler Absatz innerhalb einer Böschung)    nahme durch die Pflanzen über die Blattoberflächen
                                                                   entwässerung auf ihrer Internetseite (www.stadtent-          in Mittelwasserhöhe, die Schaffung von Ersatzauen        an die Atmosphäre abgegeben (Transpiration). Nur ein
                                                                   waesserung-hannover.de) bereitgestellt.                      durch die Anlage strukturreicher Gewässerrandstreifen    relativ kleiner Anteil des Niederschlagswassers fließt
                                                                   Der Katastrophenschutz beinhaltet Hochwassermana­            und die Aufweitung der Abflussprofile sowie die Akti-    zeitverzögert oberflächig ab.
                                                                   gementpläne ebenso wie optimierte Frühwarnsysteme,           vierung von Überschwemmungsflächen durch den Ab-         Auf versiegelten Flächen, z. B. Straßen und Dächern,
                                                                   automatisierte Pegelabfragen und Notfallübungen.             trag von Deichen in der Leineaue, wie z. B. im Bereich   verdunstet nur ein sehr geringer Teil des Regenwas-
                                                                                                                                Stöcken erfolgt. Eine Aufweitung der Gewässerprofile     sers, eine Versickerung findet nicht statt. Daher wird
                                                                                                                                wurde beispielsweise bei der Renaturierung der Fösse,    der größte Teil des Regenwassers ohne Zeitverzöge-
                                                                                                                                des Hirtenbaches, des Laher Grabens und der Wietze       rung oberflächig abgeleitet.
                                                                                                                                umgesetzt. Diese Maßnahmen haben u. a. das Ziel, den
                                                                                                                                Abfluss in den Fließgewässern zu verzögern und Hoch-
                                                                                                                                wasserereignisse zu mildern.
Leben mit dem KLimawandeL - Hannover passt sicH an - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
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     Im Normalfall gelangt dieser Oberflächenabfluss durch                                                              • Rückhalt des Regenwassers durch technische
     die Kanalisation zur Kläranlage (Mischwasserkanali-                                                                  Zwischenspeicher (Zisternen). Nutzung des Wassers                Tipp: In einem 10minütigen Film informiert
     sation) oder in die Fließgewässer (Trennkanalisation                                                                 zur Bewässerung öffentlicher Flächen während                     die Stadtentwässerung Hannover interessierte
     bzw. Abschlag aus der Mischwasserkanalisation). Bei                                                                  Trockenwetterperioden.                                           Grundstückseigentümerinnen und Grundstücks-
     außergewöhnlich starken Niederschlägen, sogenann-                                                                  • Entsiegelung befestigter Flächen, insbesondere in-               eigentümer umfassend über Maßnahmen, um das
     ten Starkregenereignissen, für die das Kanalnetz aus                                                                 nerhalb hoch versiegelter Stadtteile und dauerhafte              eigene Grundstück bzw. Haus vor Überflutungen
     technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht aus-                                                                  Begrünung dieser Flächen. (Beispiele: Entsiege-                  durch extreme Regenereignisse zu schützen.
     gelegt sein kann, können die Wassermengen jedoch                                                                     lung nicht mehr benötigter/überdimensionierter                   Ein besonderes Thema ist dabei der Einbau
     nicht vollständig von der Kanalisation aufgenommen                                                                   Verkehrsflächen, Vergrößerung der Baumscheiben                   einer Rückstausicherung.
     werden. Als Folge kann es zu Überstauungen des Ka-                                                                   in der Innenstadt, Entsiegelung in Innenhöfen,
     nalnetzes kommen.                                                                                                    Reduzierung der Verkehrsfläche am Hohen Ufer
     Zusätzlich kann sich die Oberflächenabflusssituation                                                                 durch Anlage eines Grünzuges entsprechend dem
     dadurch verschärfen, dass sich Straßeneinläufe durch                                                                 Programm City 2020).                                           Umsetzung des Maßnahmenprogramms
     Treibgut (z. B. Laub) zusetzen bzw. dass das Fassungs-     Abb. 16: Eingeschränkte Funktion des Straßeneinlaufes
     vermögen des Straßeneinlaufquerschnitts für die an-        durch Abschwemmungen von Pflanzenmaterial,                                                                               Mit Hilfe des Maßnahmenprogramms sind erste Entsie-
     fallenden Wassermengen zu gering ist, wodurch das          hier auf dem Trammplatz vor dem Neuen Rathaus.            „Darüber hinaus richten Starkniederschläge                     gelungsmaßnahmen finanziert worden. Nähere Erläu-
     Regenwasser nicht aufgenommen werden kann und              (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)
                                                                                                                          insbesondere in Städten große Schäden an.                      terungen dazu stehen in Kapitel 3.3 und 3.5.
     somit darüber hinweg schießt.                                                                                        Dabei sind Anpassungsmaßnahmen, welche auf                     Daneben wurden Maßnahmen gefördert, die der Re-
                                                                                                                          eine „wassersensible“ Stadtgestaltung hinaus                   genwasserrückhaltung bei Starkregenereignissen
     Um Oberflächenwasser zurückzuhalten und die Gefahr                                                                   laufen, von großer Bedeutung. Wir empfehlen,                   dienen. So wurde durch die Wiederherrichtung von
     von Überflutungen zu vermeiden, trifft die Stadt Han-      Über sonstige Maßnahmen:                                  dezentrale Regenwasserversickerung und Ober-                   verlandeten Gräben im Seelhorstwald neuer Retenti-
     nover bisher folgende Gegenmaßnahmen (LHH, 2000):                                                                    flächen so zu gestalten, dass sie unter normalen               onsraum geschaffen, der eine gleichmäßigere Wasser-
                                                                • Nutzung von Regenwasser als Betriebswasser              Wetterbedingungen für Freizeitaktivitäten genutzt              führung des Dreibirkenbaches / Seelhorstbaches zur
                                                                • Indirekte Förderung der Entsiegelung privater           werden können, im Ereignisfall aber dem Wasser-                Folge hat (siehe Abb. 17). Hochwasserspitzen werden
     Über die Bauleitplanung:                                     Flächen durch Gebührensplitting                         rückhalt dienen.“                                              so verringert. Das hat sowohl für die Siedlungsgebiete
                                                                • Renaturierung von Fließgewässern (vgl. Pkt. 3.1.2)      (Jochen Flasbarth, UBA, Statement zur Pressekonferenz:         im Unterlauf als auch für die Gewässerökologie der Bä-
     • Festsetzung von Regenwasserversickerung                                                                            „Anpassung an extremere Wetterereignisse im Klima von          che positive Auswirkungen. Die Rückhaltung von Ober-
     • Festsetzung von technischen Zwischenspeichern            Da aufgrund des Klimawandels zukünftig lokale Stark­      morgen“ am 15. Februar 2011 in Berlin)                         flächenwasser im Waldgebiet erspart zudem den Bau
       zur Drosselung des Abflusses                             regenereignisse häufiger auftreten werden und wäh-                                                                       eines Regenrückhaltebeckens.
     • Anlage von Regenrückhaltebecken                          rend der Wintermonate höhere Niederschläge zu er-
     • Festsetzung von Dachbegrünung (vgl. Pkt. 3.4)            warten sind, werden weitere Maßnahmen/Strategien
                                                                notwendig. Um auf die Folgen des Klimawandels ange-
                                                                messen und vorbeugend reagieren zu können, ist eine
      Seit 1993 ist die Regenwasserbewirtschaftung              „wassersensible“ Planungskultur anzustreben. Inno-
      fester Bestandteil der städtebaulichen Planung.           vative Lösungen und neue Bilder von „Wasser in der
      Im Bebauungsplanverfahren wird in einem                   Stadt“ sind gefragt. Dazu gehört auch die Akzeptanz
      mehrstufigen Verfahren geprüft, ob und wie der            des Wassers an Orten, an denen es gewöhnlich nicht zu
      Untergrund für eine Regenwasserbewirtschaftung/           finden ist. Zur Vermeidung von Überflutungen und zur
      Versickerung geeignet ist und welches Versicke-           Entlastung der Kanalisation ist eine Regenwasserbe-
      rungs-/Rückhaltesystem geeignet ist.                      wirtschaftung notwendig, die das Niederschlagswas-
      Um eine Optimierung zu erreichen, sind                    ser möglichst lange (schadlos) an der Oberfläche zu-
      folgende Prioritäten und Planungsvarianten                rückhält. Folgende Maßnahmen werden daher geprüft:
      (von „optimal“ – bei 1. – bis „sollte nach Mög-
      lichkeit vermieden werden“ – bei 6. –) verbindlich        • Stadtteile / Straßenbereiche (z. B. Senken)
      einzuhalten und werden systematisch geprüft:                identifizieren, die im Falle eines Starkregens
                                                                  besonders überflutungsgefährdet sind.
      1. (vollständige) Regenwasser-(RW)                        • Entlastung dieser Bereiche durch Abhängen
         Versickerung in Mulden                                   seitlicher (Kanal-)Zuläufe oder Anbindung dieser
      2. (vollständige) RW-Versickerung                           Gebiete an geringer belastete Kanäle / Gebiete.
         in Mulden-Rigolen                                      • Schaffung zusätzlicher Versickerungsflächen
      3. RW-Ableitung in Mulden und Rückhaltung                   (auch unabhängig von Bauleitplanverfahren).
         in Regenrückhaltebecken (trocken/nass)                 • Gezielte Steuerung der Abflusswege des Regen-
      4. RW-Ableitung über Mulden                                 wassers einschließlich entsprechender Gestaltung
         in Fließgewässer/Gräben                                  dieser Flächen (Notwasserwege) durch Einbezie-
      5. RW-Ableitung über Mulden                                 hung der Starkregenereignisse in die Planung von
         in RW-Kanalisation                                       Straßen, Wegen und Plätzen; Ausbau von Verkehrs-
      6. (möglichst nicht mehr) Ableitung                         flächen als Rückstauräume.
         des Regenwassers von Straßen- und                      • Anpassung der Gestaltung von Straßenprofilen,
         Dachflächen in die Regenwasserkanalisation.              Hochborden und Hauseingängen an eine bei
                                                                  Starkregenereignissen erforderliche Wasserabfuhr.
      Auszug aus den ökologischen Standards, Landeshauptstadt   • temporäre Nutzung von Flächen mit geringem
      Hannover 2009                                               Schadenpotenzial wie Grünflächen, Parkplatzflä-
                                                                  chen etc. als Notüberlaufflächen (Mehrfach- und
                                                                  Zwischennutzung von Flächen).
                                                                                                                        Abb. 17 : Ausschnitt aus dem Lageplan „Retentionsmaßnahmen Seelhorstwald“
                                                                                                                        (Plan: Stadtentwässerung Hannover)
20                                                                                                                                                                                                                                                                                         21

                                                                                                                                                                      Folgende weitere Maßnahmen werden geprüft:                 Neben diesen klimatischen Effekten können Dachbe-
                                                                                                                                                                      • Erhalt von naturnahen Böden (und der auf ihnen           grünungen auch die Luftqualität im Stadtgebiet ver-
                                                                                                                                                                        wachsenden Vegetation) unter besonderer                  bessern, da sie Luftverunreinigungen (vor allem Fein-
                                                                                                                                                                        Berücksichtigung ihrer klimawirksamen Funktionen.        staub) binden und herausfiltern.
                                                                                                                                                                      • Fortsetzung des Flächenrecycling:                        Ein weiterer positiver Effekt ist der Regenwasserrück-
                                                                                                                                                                        Rückführung von ehemaligen Industrie- und                halt, indem 70 (extensive Begrünung) bis 90 Prozent
                                                                                                                                                                        Gewerbeflächen in die Nutzung und Revitalisierung        (intensive Begrünung) der Niederschläge in der Ve-
                                                                                                                                                                        von Flächen durch Altlastensanierung,                    getationsschicht aufgefangen und durch Verdunstung
                                                                                                                                                                        Wiederherstellung bzw. Verbesserung                      wieder an die Stadtluft abgegeben werden (Sieker u. a.,
                                                                                                                                                                        der Nutzungsfunktion (gute Beispiele sind                2002). Dies trägt zur Abkühlung der Luft in versiegel-
                                                                                                                                                                        das Ahrbergviertel und das Pelikanviertel).              ten Stadtteilen bei. Verbleibende Abflüsse werden in
                                                                                                                                                                      • Entsiegelung von Flächen ohne Schadstoffbelastung        der Substratschicht zwischengespeichert und zeitver-
                                                                                                                                                                        und Wiederherstellung natürlicher Bodenfunktionen        zögert an die Kanalisation abgegeben. Spitzenabflüsse
                                                                                                                                                                        (vgl. Pkt. 3.2).                                         (bei Starkregenereignissen) werden durch begrünte
                                                                                                                                                                      • Humusmehrende Bewirtschaftung/Bearbeitung                Dächer gegenüber unbegrünten Dachflächen um etwa
                                                                                                                                                                        kommunaler Grün-, Park- und Forstflächen.                50 Prozent reduziert.
                                                                                                                                                                      • Alternative Bewässerungskonzepte                         Zudem bieten Dachbegrünungen Lebensraum für zahl-
                                                                                                                                                                        für innerstädtische Grünflächen, wenn diese              reiche Pflanzen und Tiere und erhöhen somit die biolo-
                                                                                                                                                                        zum Erhalt ihrer Funktion während längerer               gische Vielfalt gerade in stark besiedelten städtischen
                                                                                                                                                                        Trockenperioden bewässert werden müssen.                 Quartieren. Für den Menschen erzielen sie durch die
                                                                                                                                                                        Trinkwasser und Grundwasser sollen so wenig              Verbesserung des Arbeits- und Wohnumfeldes eine
            Abb. 18: Die Busspur auf dem
                                                                                                                                                                        wie möglich für die Bewässerung der Grünflächen          nicht zu unterschätzende Wohlfahrtswirkung.
          Friedrichswall wurde entsiegelt                                                                                                                               eingesetzt werden.                                       Ein weiterer entscheidender Vorteil der Dachbegrü-
     und in eine Rasenfläche verwandelt.                                                                                                                                                                                         nung liegt in der Verlängerung der Lebensdauer der
          Zusätzlich wurden am Rand der                                                                                                                                                                                          Dachabdichtung. Sie ist wirksam geschützt vor UV-
      Fläche einige Bäume neu gepflanzt.                                                                                                                              Umsetzung des Maßnahmenprogramms                           Strahlung, Hagelschlag, Hitze und Kälte. Temperatur-
            (Foto: FB Umwelt und Stadtgrün, LHH)
                                                                                                                                                                                                                                 bedingte Spannungen werden abgebaut.
                                                                                                                                                                      2013 konnte eine Verkehrsfläche von rund 4000 m²           Gründächer schließen die Installation von Photovoltaik
                                                                                                                                                                      entsiegelt und anschließend begrünt werden. Es han-        nicht aus. Ganz im Gegenteil: Durch eine Dachbegrü-
                                                                                                                                                                      delt sich dabei um die Busspur auf dem Friedrichswall,     nung wird der Wirkungsgrad der Anlage erhöht, denn
                                                   3.3 Vorsorgender Boden-                                   zu steuern, dass die positiven klimatischen Auswirkun-   die zwischen Willy-Brandt-Allee und Lavesallee am          die Leistung der Module verringert sich um ca. 0,5 %
                                                                                                             gen der Böden erhalten bleiben und die Klimaände-        Neuen Rathaus vorbeiführte (siehe Abb. 18).                pro Grad Celsius Aufheizung. Da auf begrünten Dach-
                                                       und Grundwasserschutz                                 rungen sich möglichst geringfügig auf die natürlichen    Weitere Entsiegelungen kleineren Umfangs erfolgten         flächen in der Regel 35° C nicht überschritten werden,
                                                                                                             Funktionen der Böden auswirken können.                   seit 2012 im Zusammenhang mit der Sanierung von            bleiben die Module auf dem Gründach kühler und da-
                                                   Die vielfältigen Funktionen des Bodens, die in § 2 Satz   Zur Bewertung der Böden und ihrer Funktionen hat die     Baumstandorten (siehe Pkt. 3.5).                           mit ein hoher Leistungsgrad erhalten. Die Verwaltung
                                                   2 des Bundesbodenschutzgesetzes beschrieben wer-          Stadtverwaltung in 2009 eine digitale Bodenfunktions-                                                               strebt daher im eigenen Bestand an, auf Flachdächern
                                                   den, müssen vor möglichen negativen Auswirkungen          karte erstellen lassen, die eine umfassende Bewer-                                                                  parallel extensive Dachbegrünung und Photovoltaikan-
                                                   des Klimawandels geschützt und seine Ausgleichsfunk-      tung der Schutzwürdigkeit der Böden im Stadtgebiet                                                                  lagen zu verwirklichen und berät Dritte entsprechend.
                                                   tionen erhalten und verbessert werden. Naturnahe Bö-      Hannovers ermöglicht. In einem weiteren Schritt soll                                                                Einschränkungen bestehen durch die erforderliche
                                                   den mit fruchtbarer Humusauflage und vielfältigen Ge-     eine Erfassung der Böden erfolgen, die als besonders     3.4 Dachbegrünung                                          Akzeptanz der erhöhten Kosten und aufgrund stati-
                                                   meinschaften von Bodenorganismen tragen erheblich         klimawirksam eingestuft werden können. Klimawirksa-                                                                 scher Verhältnisse, wenn diese eine Doppelnutzung
                                                   zur Verbesserung des Stadtklimas bei. Durch die gerin-    me Böden sind als Kohlenstoffspeicher von besonderer     Begrünte Dächer stellen oft die kleinsten Grünflächen      gewichtsmäßig nicht zulassen.
                                                   gere Oberflächenerwärmung und höhere Verdunstung          Bedeutung für den Klimaschutz (z. B. Moorböden) und      im Stadtgebiet dar. Gerade in dicht besiedelten und
                                                   naturnaher Böden gegenüber versiegelten Flächen           für die Minderung der Auswirkungen des Klimawandels      stark versiegelten Stadtteilen, mit Straßenzügen, in       Der Werkhof Stammestraße –
                                                   können die prognostizierten zunehmenden Hitzestaus        (z. B. Böden mit einem hohen Wasserspeicherpoten-        denen kein Platz mehr für Straßenbäume vorhanden           ein Musterbeispiel für die Kombination von
                                                   lokal gemindert werden. Die Wasserspeicherfunktion        zial). Gleichzeitig können klimawirksame Böden aber      ist, bleibt häufig nur die Möglichkeit, Dächer als Vege-   Dachbegrünung mit einer Photovoltaikanlage
                                                   naturnaher Böden trägt dazu bei, die Auswirkungen         auch sehr empfindlich auf die Auswirkungen des Kli-      tationsfläche zu erschließen.
                                                   von Starkregenereignissen und sommerlichen Tro-           mawandels reagieren.                                     Dachbegrünungen verbessern in erster Linie die mik-        Als Ausgleichmaßnahme für zusätzliche Versiegelun-
                                                   ckenperioden durch die zu erwartenden Veränderun-         Das durch den Klimawandel veränderte Niederschlags-      roklimatischen Verhältnisse am Gebäude selbst, ohne        gen sowie als Beitrag zum nachhaltigen ökologischen
                                                   gen im Niederschlagsregime zu vermindern.                 verhalten wird sich in jedem Fall auf die Grundwas-      eine große Fernwirkung zu erzielen. Die thermischen        Bauen wurde beim Neubau im Jahr 2007 auf dem So-
                                                   Eine besondere Rolle spielen kohlenstoffreiche Böden      serstände auswirken, die Grundwasserschwankungen         Effekte liegen hauptsächlich in der Abmilderung von        zialgebäude des städtischen Werkhofs Stammestraße
                                                   (z. B. Moorböden und Grund- und Stauwasser beein-         werden zunehmen. Dadurch bedingt kann es in be-          Temperaturextremen im Jahresverlauf. Die Vegeta-           102 eine extensive Dachbegrünung aufgebracht. Die
                                                   flusste Mineralböden), die im Hinblick auf ihre Funk-     stimmten Bereichen des Stadtgebietes im Sommer           tionsschicht und deren Verdunstung vermindern das          mit einer Substratschicht von mindestens 7 cm be-
                                                   tion als Treibhausgasspeicher sehr bedeutsam sind.        durch Austrocknung des Bodens zu Setzungen kom-          Aufheizen der Dachflächen bei intensiver Sonnen-           deckte Fläche umfasst ca. 1.300 m2 (siehe Abb. 19).
                                                   Die Zerstörung dieser Böden führt zu einem deutlichen     men, in den Wintermonaten hingegen zu „feuchten          einstrahlung im Sommer und den Wärmeverlust des            Durch die Dachbegrünung kann mehr als die Hälfte
                                                   Austrag an Kohlenstoffdioxid und anderer klimarele-       Kellern“. Erhöhte Grundwasserstände können aber          Hauses im Winter. Dies führt zu einer ausgeglichenen       der Niederschlagsmengen zurückgehalten werden.
                                                   vanter Gase in die Atmosphäre und trägt somit in er-      auch dazu führen, dass bislang nicht grundwasserbe-      Klimatisierung der Räume und senkt den Heizenergie-        Ein Großteil dieses Wassers verdunstet, der Rest fließt
                                                   heblichem Maße zum Fortschreiten des Klimawandels         einflusste Bodenhorizonte mit Schadstoffbelastungen      bedarf.                                                    zeitverzögert ab, wird in einer Zisterne zwischenge-
                                                   bei.                                                      (z. B. flächenhafte Auffüllungen im Innenstadtbereich)                                                              speichert und in der Waschhalle als Brauchwasser zum
                                                   Trotz der Nutzung, Bewirtschaftung und Überplanung        zumindest zeitweise Grundwasserkontakt bekom-                                                                       Reinigen der Betriebsfahrzeuge und Arbeitsmaschinen
                                                   der Böden durch den Menschen müssen die Risiken von       men und dadurch ein erhöhter Schadstoffaustrag ins        „Während Kiesdächer und schwarze Bitumenpappe             genutzt.
                                                   Bodenverdichtung, Wasser- und Winderosion, starker        Grundwasser erfolgt. Diese Aspekte gilt es sowohl bei     sich auf etwa 50 °C bis über 80 °C aufheizen,             Die Photovoltaikanlage besteht aus 120 Polykristalli-
                                                   Veränderung des Bodenwasserhaushalts, abnehmen-           der Flächenentsiegelung als auch im Rahmen des qua-       betragen die maximalen Temperaturen bei                   nen Solarmodulen mit einer Leistung von 24,6 kWp auf
                                                   der Humusgehalte und der Mobilisierung von Schad-         litativen Grundwassermonitorings, das seit 2003 be-       bepflanzten Dächern etwa 20 °C bis 25 °C.“                einer Fläche von 200 m2. Im Jahr 2014 lag der Ertrag
                                                   stoffen so weit wie möglich verringert werden.            trieben wird, zu berücksichtigen.                         (Städtebauliche Klimafibel Stuttgart)                     dieser Anlage bei ca. 17.327 kWh.
                                                   Ziel des zukünftigen Umgangs mit den städtischen Bö-      Die Boden- und Grundwasserinformationen fließen in
                                                   den ist es, die Bodennutzung und Überplanung derart       die Stellungnahmen zur Bauleitplanung ein.
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