Lieferketten Wie Unternehmen mit Ideen zu Rohstoffen kommen (S. 18)
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Das Mitgliedermagaziin der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau 03 / 2023 Schwerpunkt: Lieferketten Wie Unternehmen mit Ideen zu Rohstoffen kommen (S. 18) Wirtschaft in Sorge IHK sendet Alarmruf zur Energieversorgung (S. 16) Engagiert für die Region Dafür sorgen, dass gut gemeinte Politik auch gut gemacht wird (S. 26) L effer Li eren ngppäässsee bei bei KKom om mpo p ne n nt ntenen uund ndd Roh o ssttof o feen fü führ hrrenn akttue uellll bei e viele ieeleen Unnte t rnneh e me menn zu SSchhwi wier erig igke keit itten. en n. We Werr ka kann nn,, se nn setz tztt wi tz w ed eder er vver e sttär er ä kt auf Lagagererha er h lt ha ltun u g. ww ww. w ih hk. k.de k.de d /h /hal alle al le
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EDITORIAL Den Wohlstandsverlust stoppen! Unsere Gesellschaft und das Funktionieren all dessen, was wir an ihr schätzen, ist auf eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung sowie nicht zuletzt auf Wirt- schaftswachstum angewiesen. Hier und da wurde das kritisiert: Wir hätten doch genug – es komme bloß auf die richtige Verteilung an. Botschaft: „Nehmt den Reichen, gebt den Armen und die Probleme sind gelöst!“ Nun, Skepsis scheint hier schon allein deshalb angebracht, weil komplexe Probleme nur höchst selten mit einfachsten Mitteln gelöst werden. Hinzu kommt: In der Corona-Zeit sind solche Rufe nach „Wachstums- bremsen“ weitgehend verstummt. Da wurde – schmerzhaft – gelernt, was Schrump- fung bedeutet: Verlust statt Gewinn. Ohne Gewinn keine Investitionen, weniger Steuereinnahmen, Prof. Dr. Steffen Keitel, Präsident der Industrie- und Handelskammer keine Neueinstellungen, weniger Geld für die Daseinsvorsorge, für das Gesundheitssystem, für un- Halle-Dessau, und Prof. Dr. Thomas sere Schulen, für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie für all das, was wir in unserem täg- Brockmeier, Hauptgeschäftsführer lichen Leben für wichtig und vermeintlich für selbstverständlich erachten. Deutschland ist ärmer geworden Die Krisen der letzten drei Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Normalerweise wächst die deut- sche Volkswirtschaft langsam, aber immerhin so stetig, dass die Aufgaben erfüllt werden können. Seit 2020 ist das nicht mehr so. Eine Lücke tut sich auf zwischen dem eigentlichen Wachstumspo- tenzial und der tatsächlichen Entwicklung, und sie schließt sich angesichts magerer Aussichten auch absehbar nicht. Das führt zu erbitterten Verteilungskämpfen: zwischen den Parteien in der Berliner Ampelregierung, Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie in jenen Verhandlungen, die nor- malerweise unter Wachstumsvorzeichen geführt werden. Wir alle hatten uns an einen stets größer werdenden Kuchen gewöhnt – und daran, dass lediglich entschieden wird, wer das „Plus“ bekommt. Jetzt aber ist bereits ein realer Wohlstandsverlust zu beklagen. Mithin ist zu entscheiden, wer die- sen Verlust tragen soll. Jetzt geht es also darum, wer etwas von seinen Kuchenstücken abgibt! Wie kommen wir aus dieser Lage wieder heraus? Es gilt einerseits, gute Rahmenbedingungen für Wachstum, das heißt für Investitionen zu schaf- fen. Vor allem durch ein dringend notwendig ausgeweitetes Energieangebot – technologieoffen, ohne Scheuklappen und mit der Bereitschaft, auch falsche Entscheidungen der Vergangenheit zu revidieren. Wir haben genau das am Beispiel der Energiepolitik jüngst in einem Alarmruf an die Politik adressiert - im Schulterschluss mit den anderen gewerblichen Kammern und den Arbeitge- ber- und Wirtschaftsverbänden. Im Kern: • Weniger Bürokratie beim Ausbau von Windkraft- und Solarenergieanlagen! • Prüfen, welche Kernkraftwerke sicher weiterbetrieben werden können! • Kein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung vor 2038! • Heimisches Schiefergas umweltverträglich gewinnen und schnell nutzen! Die „Mitteldeutsche Wirtschaft“ ist das Und natürlich müssen wir intelligente Antworten auf den Fachkräftemangel finden. Da kommt es Magazin der IHK Halle-Dessau. Wir neben strukturellen Fragen auch und insbesondere auf die Leistungsbereitschaft der Gesellschaft an, informieren hier über Themen, die aus Sicht der IHK für die Wirtschaft unserer wie wir schon im letzten Editorial gemahnt haben. „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt…“ muss Region relevant oder für Sie als das Motto lauten! Mehr Wertschöpfung und weniger Bürokratie! Der Wohlstandsverlust hat uns vor Unternehmerin und Unternehmer Augen geführt, dass vor dem Konsum die Arbeit steht, dass die sogenannte Work-Life-Balance nützlich sein könnten. Als IHK-Mitglied erhalten Sie das Heft regelmäßig. schnell kippt, wenn Krankenhäuser unbesetzt oder Einkaufsregale leer sind oder der öffentliche Raum kein sicherer Ort mehr ist. Wie gefällt Ihnen die „Mitteldeutsche Wirtschaft“? Auf Ihre Rückmeldung unter miwi@halle.ihk.de sind wir gespannt. Dort können Sie uns übrigens auch mitteilen, wenn Sie das Magazin zukünftig nicht in der gedruckten Version, sondern nur online unter Prof. Dr. Steffen Keitel Prof. Dr. Thomas Brockmeier www.mitteldeutsche-wirtschaft.de Präsident Hauptgeschäftsführer lesen möchten. MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 1
6 Innovativ Schmierstoffhersteller aus Leuna ist Weltmarktführer 8 Ausgezeichnete Berufsorientierung! IHK ehrt Schule für ihr Engagement INHALT WIRTSCHAFT SCHWERPUNKT: MÄRZ 2023 & REGION LIEFERKETTEN SICHERN 1 EDITORIAL 6 Läuft wie geschmiert: 4 BLICK INS LAND Der Weltmarktführer ADDINOL im Portrait 18 42 VERANSTALTUNGEN Alles auf Anfang? Lieferketten auf dem 43 BÖRSEN 8 Was – Wann – Wo Prüfstand Ausgezeichnete Berufsorientierung und 46 WIR FÜR SIE Globales Agieren nicht per se verteufeln weitere Nachrichten aus der Region 48 IMPRESSUM Klar kommunizieren für mehr Akzeptanz 13 Handel Über den Tag hinausschauen Aktion „Heimat shoppen“ 2023 Rohstoff wächst vor der Tür 14 Tourismus IHK-Service schnell gefunden: Branche atmet langsam auf IHK-Kontakt 16 Wirtschaft in Sorge. IHK-Download Alarmruf an die Politik Konjunkturbericht der IHKn Halle-Dessau Mehr Infos online und Magdeburg Querverweis im Inhalt 2 MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023
26 Engagiert für 18 Alles auf Anfang? die Region Dr. Jan Lukowczyk vom Lieferketten auf dem Prüfstand Serumwerk Bernburg 33 Tempo. 36 Mehr Tempo! Energie und Umwelt: DIHK legt 10 Thesen vor EU-Klimapolitik und CO2-Bepreisung WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT & ENGAGEMENT & PRAXISWISSEN 26 Engagiert 35 Recht Dafür sorgen, dass gut gemeinte Politik Gleicher Lohn für gleiche Arbeit auch gut gemacht wird: Dr. Jan Lukowczyk setzt sich für bessere 36 Energie und Umwelt Rahmenbedingungen ein EU-Klimapolitik und CO2-Bepreisung 28 Interessenvertretung 46 Wir für Sie 39 Finanzierung und Förderung Die IHK stellt sich vor – diesmal: Vollversammlungswahl 2023: im Gespräch Gebäude energetisch sanieren und der Arbeitskreis Außenwirtschaft mit dem Wahlausschussvorsitzenden neu bauen „Mehr über Frieden sprechen!“ – Interview mit IHK-Präsident Prof. Dr. Steffen Keitel 40 Innovation Forschungspartner für den Mittelstand Tempo. Mehr Tempo! – DIHK will das Land voranbringen und Unternehmen stärken Die Mitteldeutsche Wirtschaft im Web: www.ihk.de/halle MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 3
BLICK INS LAND 4 MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023
Richtungweisend Eine Entscheidung mit Signalwirkung: Mitte Februar hat sich die Saalestadt Halle als Standort für das neue „Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ im Wettbewerb gegen sieben weitere ostdeutsche Städte durchgesetzt. Richtungweisend für die Region, steht diese doch in besonderem Maße für die Herausforderungen, aber auch die Leistungen von Wirtschaft und Gesellschaft in den Neuen Ländern. Die Jury hat offenbar auch überzeugt, dass Wirtschaft und Wissenschaft in Sachsen-Anhalt eng miteinander verzahnt sind. Am Riebeckplatz soll nun voraussichtlich ab 2028 ein visionäres Gebäude mit dem als Denkfabrik konzeptionierten Themenzentrum entstehen. Lösungsansätze für aktuelle und künftige gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und ökologische Herausforderungen werden dann dort erarbeitet – wie etwa Klimawandel, Migration, Demografie und die Weiterentwicklung der Demokratie. Alles Themen, die auch die Unternehmen des IHK-Bezirks direkt oder indi- rekt betreffen und die dann in der Nachbarschaft angegangen werden. Weitere Informationen unter www.zukunftszentrum-halle.de
Einblick in das analytische Labor am Chemiestandort Leuna INNOVATIV – ERFOLGREICH – AUS DER REGION Läuft wie geschmiert Getriebe und Motoren auf allen Kontinenten laufen länger und zuverlässiger dank der Hochleistungsschmierstoffe der ADDINOL Lube Oil GmbH aus Leuna. Das Unternehmen wurde vor fast 90 Jahren als Raffinerie gegründet, war in der DDR bekannte Marke nicht nur für Trabant-Zweitaktöle und ist heute Weltmarktführer. „Nicht überlebensfähig“ lautete einst das Ur- kann auf 65 Prozent Exportanteil verweisen vor drei Jahren ein Hochleistungsindustrie- teil eines führenden Mineralölkonzerns über und beliefert Kunden weltweit. Seine Pro- getriebeöl entwickelt, das die Laufzeit bis zum den bis zur Wende größten Schmierölherstel- dukte schützen vor Reibung, Verschleiß und nächsten Ölwechsel verdoppeln soll. In ei- ler der DDR, erinnert sich Georg Wildegger, Korrosion und sorgen für verlässliche Wär- nem harten Wettbewerb konnten wir die SBB der einst als Berater „aus dem Westen“ nach meabfuhr. Zum Mehrwert gehören laut überzeugen. Die Eisenbahngesellschaft will Sachsen-Anhalt kam. Einige Wirren später ADDINOL eine höhere Energieeffizienz, län- sämtliche Züge auf unser Getriebeöl umstel- ist die schon im untergegangenen Arbeiter- gere Ölwechselintervalle oder geringere War- len, denn die Feldtests haben ein sehr gutes und Bauernstaat bekannte Marke ADDINOL tungskosten. Ergebnis gebracht.“ ADDINOL zähle zu den immer noch da und Wildegger Geschäfts- wenigen konzernunabhängigen Firmen der führer und Gesellschafter. Das aus den Über- Mit ADDINOL durch den Gotthardtunnel deutschen Mineralölindustrie, geforscht, ent- resten des einstigen VEB Mineralölwerk Lütz- Windkraftanlagen, Kraftwerksturbinen, Fahr- wickelt und produziert werde ausschließlich kendorf entstandene Unternehmen ist heute zeugmotoren und Maschinen der Lebensmit- in Leuna, unterstreicht der Geschäftsführer im Chemiepark Leuna beheimatet und ge- telproduktion, von koscher bis halal, laufen stolz – made in Germany, made in Sachsen- hört zu den von der Schweizer Universität St. mit den Schmierstoffen aus Leuna – genauso Anhalt. „Das gehört zu unserer DNA!“, betont Gallen identifizierten deutschen Weltmarkt- wie die Züge der Schweizerischen Bundes- er. „70 Prozent der Erträge erwirtschaften wir führern, gekürt im Bereich Biogasmotorenöle bahnen (SBB), darunter jene durch den längs- mit Schmierstoffen für die Industrie, 30 Pro- sowie spezifische Hochleistungs- und Hoch- ten Eisenbahntunnel der Welt, den Gott- zent mit Automotivprodukten.“ Vor 20 Jahren temperaturschmierstoffe. Der Familienbetrieb hardtunnel, wie Wildegger sagt: „Wir haben sei das Verhältnis noch umgekehrt gewesen. 6 MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023
WIRTSCHAFT & REGION Der Fragebogen: ADDINOL Lube Oil GmbH Am Markt seit ...? 1996. Die Wurzeln des Unternehmens gehen jedoch bis ins Jahr 1936 zurück – auf das von der Wintershall AG in Krumpa (nahe des heutigen Stand- orts Leuna) gegründete Mineralölwerk Lützkendorf, das seine Rohstoffe vor allem aus Kohleverflüssigung gewann, sowie auf das daraus nach dem Zweiten Weltkrieg ent- standene DDR-Kombinat VEB Mineralölwerk Lützkendorf. Zahl der Beschäftigten? 245 im Konzern, davon 120 bei der Muttergesellschaft in Leuna. Georg Wildegger, ADDINOL-Geschäftsführer Wird ausgebildet? Zwei bis drei Azubis im Jahr in Leuna, ausgebildet werden Labo- und Gesellschafter rant/innen, kaufmännische Angestellte sowie Berufe im Produktions- und Lagerbereich. Gewachsene Expertise in F&E „Schon als externer Wirtschaftsprüfer war Das Unternehmen hat sich entwickelt zum ...? ... führenden Anbieter von Hoch- ich Anfang der 1990er-Jahre fasziniert vom leistungsschmierstoffen. Neben dem Standort Leuna verfügt die ADDINOL-Gruppe Know-how und dem Wissen der ADDINOL- über 14 ausländische Vertriebsgesellschaften und ist auf allen Kontinenten vertreten. Mitarbeiter“, berichtet Wildegger. Darauf fuße bis heute der langfristige Erfolg des Unter- Umsatz? 117 Millionen Euro für die gesamte Unternehmensgruppe im letzten Ge- nehmens – auch wenn viele der damaligen schäftsjahr, das am 30. September 2022 endete. Seit dem Umzug an den Standort Leuna Beschäftigten jetzt längst in Rente seien. Den im Jahr 2000 wurden rund 50 Millionen Euro investiert. exzellenten Erfahrungsschatz in Forschung & Entwicklung (F&E) wollte er nicht ver- Prognose? Ziel ist, jedes Jahr ein Umsatzwachstum zwischen fünf und sieben Prozent schwinden lassen und habe sich entschlos- zu erreichen. Seit 2000 hat das Unternehmen seinen Umsatz mehr als versiebenfacht sen, bei seinem damaligen Arbeitgeber – ei- (2000: 32 Millionen DM). ner großen Beratungsfirma – auszusteigen und in Sachsen-Anhalt zu bleiben: „Die Idee In der Region engagiert durch ...? Regionale Partnerschaften, bei denen Bildung und war, sich mit hochwertigen Fertigprodukten Jugendförderung im Mittelpunkt stehen – wie die Unterstützung des Deutschen Che- und Anwendungen gewinnbringend in Ni- mie-Museums Merseburg (Förderverein Sachzeugen der chemischen Industrie e. V.), schen zu positionieren. Damals hieß es: Ihr welches pro Jahr von tausenden Schülerinnen und Schülern besucht wird, des Turn- seid verrückt, das hat keine Zukunft! Doch der und Sportvereins TSV Leuna e. V., der Familienbildungsstätte Naumburg, des jährlichen Plan ist aufgegangen.“ Nach wie vor sei die Feriencamps „Demokratie und Persönlichkeit“ für sozial benachteiligte Kinder und Ju- Forschungsabteilung der Kern der Firma, zehn gendliche sowie des Caritas Beratungszentrums Weißenfels. bis zwölf Prozent der Mitarbeiter kümmerten sich ausschließlich um die Entwicklung neuer Was bedeutet Corporate Social Responsibility (CSR, Übernahme von ökologischer, und kundenspezifischer Produkte. So man- ökonomischer, sozialer Verantwortung) für das Unternehmen? Um den CO2-Aus- cher „multinationale Konkurrent“ beneide stoß zu minimieren, erzeugt das Unternehmen mit Solarpanels auf der 2022 eröffne- ADDINOL um sein Labor und die anwen- ten, 5.000 Quadratmeter großen neuen Lagerhalle ein Drittel seines Stroms selbst. Ziel dungstechnische Abteilung, so Wildegger. sind zwei Drittel, weitere Hallendächer werden mit Photovoltaik bestückt. Zudem fühlt „Der Generationswechsel bei F&E ist gelun- sich die Firma der Kreislaufwirtschaft und klimaneutralen Herstellung verpflichtet, spart gen. Wir kooperieren mit Hochschulen bei Rohöl durch die Einbindung von Produkten aus Altöl-Recycling in die Fabrikation – und dualen Studiengängen, betreuen Praktika, hat dafür jetzt erstmals eine CO2-Gutschrift erhalten. Die Mitarbeiter werden durch er- Bachelor- und Masterarbeiten.“ Personalar- tragsorientierte Prämien am Erfolg beteiligt. Zudem wird auf betriebliche Alters- und beit sei für ihn zentral, „denn man muss Gesundheitsvorsorge Wert gelegt, darunter Physiotherapie am Arbeitsplatz. rechtzeitig in junge Leute investieren.“ ADDINOL Lube Oil GmbH Weitere Geschichten unter www.ihk.de/halle, siehe Link auf der Startseite. Am Haupttor, 06237 Leuna Tel. 03461 845-0, www.addinol.de MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 7
WIRTSCHAFT & REGION WAS – WANN – WO Ausgezeichnete Berufsorientierung IHK-Geschäftsfürerin Dr. Simone Danek (l.) übergab den Scheck an die Lehrer und Schüler der Freien Schule Anhalt in Köthen. Die Freie Schule Anhalt in Köthen erhielt am rinnen und Schüler der Freien Schule Anhalt rufsbezogenen Fähigkeiten“, erklärt sie. „Die 22. Februar den mit 1.000 Euro dotierten För- spielerisch in die Lage versetzt, verschiedene Preisträgerschulen sind ein Vorbild für andere derpreis für besonders kreative Maßnahmen Berufe und Tätigkeitsfelder des Hotel- und und zeigen, dass sich die Mühen, die mit einer der Berufsorientierung. Ihr Projekt zum Um- Gaststättengewerbes kennenzulernen und engagierten Berufsorientierung verbunden gang mit modernen Küchenmaschinen im auszuprobieren. sind, auch auszahlen“, so Danek weiter. Für den Hauswirtschaftsunterricht überzeugte die Dr. Simone Danek, IHK-Geschäftsführerin für Wettbewerb würden stets innovative und ju- Jury aus Kammern sowie Vertretern des Netz- Aus- und Weiterbildung betont die wegwei- gendgerechte Ideen sowie Maßnahmen der werks „Berufswahl-SIEGEL” und qualifizierte sende Rolle des „BOF 5.000“-Förderpreises, der Berufsorientierung gesucht, die speziell auf sich damit als Vorzeigebeispiel gelungener in Höhe von insgesamt 5.000 Euro vergeben Handwerks- und IHK-Berufe ausgerichtet sind. Berufsorientierung. wird: „Berufsorientierung begreifbar zu ma- Durch das kreative Arbeiten mit den neuarti- chen, ist immer ein ganz besonderes Erlebnis. www.ihk.de/halle, Nr. 5564430 gen technischen Geräten werden die Schüle- So erkennen die Jugendlichen rasch ihre be- Innovationen aus Anhalt-Bitterfeld gesucht Unternehmen aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld, die Innova- Wettbewerbsbeiträge nimmt die Entwicklungs- und Wirtschafts- tionen zur Produktivitätssteigerung, Verbesserung der Marktsitua- förderungsgesellschaft Anhalt-Bitterfeld mbH (EWG) per Post tion, Senkung von Kosten oder zum Abbau von Umweltbelastungen oder digital entgegen. entwickelt haben beziehungsweise aufbauend auf diesen Themen Die Vorstellung und Preisverleihung der besten Innovationen aus neugegründet werden, können sich bis 1. April für den Reiner-Le- dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld findet am 13. September 2023 in moine-Innovationspreis Anhalt-Bitterfeld 2023 bewerben. der Stadthalle Zerbst statt. Gesucht werden Ideen aus den Sparten Produktkonzeption, Ver- fahrensprozesse, Dienstleistungen oder auch gesamte Ge- schäftsideen, die sich auf einer Innovation gründen. Die Preis- www.ewg-anhalt-bitterfeld.de gelder belaufen sich auf insgesamt 10.000 Euro. 8 MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023
WIRTSCHAFT & REGION Wer schreibt die besten digitalen Erfolgsgeschichten? Prozessoptimierung in einer virtuellen Um- den weiteren Unternehmenserfolg. Die Ge- gebung, Automatisierung durch maschinelles winner werden anlässlich des bundesweiten Lernen oder neue datenbasierte Geschäfts- Digitaltages am 16. Juni 2023 gewürdigt. modelle – die Digitalisierung bietet den Un- ternehmen die Chance, produktiver, nach- Maßgeblich ist nicht nur, in welcher Form haltiger und effizienter zu arbeiten. Diese digitale Instrumente in Unternehmen ver- Entwicklung soll auch dieses Jahr wieder mit schiedener Größen und Branchen eingesetzt dem Wettbewerb um die besten digitalen Er- werden, die Kriterien wurden in diesem Jahr folgsgeschichten gefördert werden. Unter- um den Punkt „Nachhaltigkeit“ erweitert. Am nehmen aus Sachsen-Anhalt bis 499 Mitar- Ende zählt die überzeugendste Geschichte, beiter können sich bis 30. April 2023 die durch Digitalisierung in einem Unterneh- bewerben. men Sachsen-Anhalts entstanden ist. Die drei Erstplatzierten des Wettbewerbs er- Teilnahmevoraussetzungen und Bewerbungsformular unter: warten ein Preisgeld von insgesamt 9.000 www.digitale-erfolgsgeschichten- Euro sowie maßgeschneiderte Angebote für sachsen-anhalt.de Berufseinstieg erleichtern Jungen Geflüchteten sowie ausbildungsin- meinsam neu eingerichtete Landesstelle setz, persönliche Zugangsvoraussetzungen teressierten Jugendlichen aus der EU und „KAUSA“ bietet allen Beteiligten Informa- für die Einwanderung zur Ausbildung, not- Drittstaaten soll es besser und schneller ge- tion, Beratung und Unterstützung an, um wendige Vorqualifikationen, die Vorberei- lingen, den Übergang zwischen Schule und den Herausforderungen der Fachkräftesi- tung im Betrieb und soziale Anbindung im Beruf zu bewältigen und erfolgreich in einer cherung zukünftig auch über diesen Weg Unternehmen sowie außerhalb der betrieb- Anstellung Fuß zu fassen. Dafür setzen sich erfolgreich zu begegnen. Themen der Bera- lichen Strukturen sein. der Ausbildungsverbund der Wirtschaftsre- tung und Workshops können beispielsweise gion Braunschweig/Magdeburg und das IHK- die allgemeinen Integrationsvoraussetzun- www.ihkbiz.de/projekte/kausa Bildungszentrum Halle-Dessau ein. Die ge- gen nach dem Fachkräfteeinwanderungsge- Jugendliche aus der EU und Drittstaaten in einem Beratungsgespräch zu ihrem bevorstehenden Berufseinstieg. MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 9
WIRTSCHAFT & REGION Neues Kompetenzzentrum IDEE Förderpreis gestartet: „Additive Fertigung“ Bis 31. Juli bewerben! Qualitätssichernde Maßnahmen entlang der und Merseburg soll sich diesem Thema wid- Besonders innovative und nachhaltige gesamten Wertschöpfungskette der additiven men. Die Forschungspartner Schweißtechni- Unternehmensgründungen von Frauen Fertigung, umgangssprachlich auch als 3-D- sche Lehr- und Versuchsanstalt (SLV) Halle, werden 2023 mit dem IDEE-Förderpreis Druck bezeichnet, sind in Zukunft wesentlich das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von des Hamburger Unternehmers Albert am Erfolg von Materialien, Prozessen und Werkstoffen und Systemen IWMS, die Ge- Darboven geehrt. Endprodukten beteiligt. Ein neues Kompe- sellschaft für Medizin, Biologie und Umwelt Bewerben können sich Unternehmen, tenzzentrum mit Standorten in Halle (Saale) (GMBU) sowie die Technologiefirmen SONO- die nicht länger als fünf Jahre am TEC GmbH, ECH Elektrochemie GmbH und Markt sind (Eintrag ins Handelsregis- Additiv gefertigtes Produktbeispiel – die Polymerservice GmbH investieren im Ver- ter). Die Gründungsidee muss von einer Gehäuse eines Clamp-On Ultraschallsensors – Einsatzbereich Medizintechnik. bund „AddiQ“ mit Unterstützung des öffent- Frau stammen. Die drei herausra- lichen BMBF-Förderprogramms RUBIN bis zu gendsten Unternehmerinnen werden 13 Millionen Euro. mit insgesamt 65.000 Euro ausge- zeichnet. Ziel des Zentrums ist es, die Vorteile und Po- Die Bewerbung ist online bis zum 31. tenziale der neuen Fertigungstechnologie für Juli 2023 möglich. die industrielle Produktion auszuschöpfen und damit den wirtschaftlichen Durchbruch www.idee-kaffee.com/de-de/foerderpreis zu erleichtern. Anzeige
WIRTSCHAFT & REGION BRANCHE: HANDEL Innenstadtaktion 2023: Jetzt Heimatshopper werden! Die Innenstädte sind nach drei Jahren Corona und in den aktuellen Krisen besonders stark gebeutelt. Gastronomie, Einzelhandel und lokale Unternehmen sind es, die trotz oder genau deswegen aktiv sind, um mit neuen Impulsen dem Stadterleben wieder die Türen zu öffnen. Die Aktionstage „Heimat shoppen“ unterstützen genau dabei. Modenschauen, Gewinnspiele, Gutscheinak- tionen, Konzerte, Aufführungen, Spiel und unterstütze den lokalen Einzelhandel“ nach außen tragen sollen. Diese Werbemittel wer- „ Es ist schön, dass Spaß für Kinder und besondere kulinarische den den Unternehmen kostenfrei zur Verfü- Angebote – die größte deutsche Imagekam- gung gestellt. die Leute rein- pagne für den Einzelhandel kommt auch in kommen und sich diesem Jahr in den südlichen Teil Sachsen-An- Mitmachen und Bewerben Zeit nehmen. Ich halts: „Heimat shoppen“. Bereits zum fünften In diesem Jahr finden die „Heimat shoppen“- möchte in meinem Laden Erlebnisse Mal bieten Unternehmen und Werbegemein- Aktionstage im September und Oktober statt. schaffen, an die sich die Kunden schaften an den „Heimat shoppen“-Aktions- Den genauen Zeitraum können die Partner gerne erinnern.“ tagen wieder eine Fülle von Veranstaltungen vor Ort selbst festlegen, oftmals wird er in und besonderen Einkaufserlebnissen an. andere innenstadtrelevante Aktionen einge- Jörg Iwan, Textileinzelhändler von LEVEL TWO, nahm 2022 an der bunden. Interessierte City- und Werbege- „Heimat shoppen“-Aktion in Naumburg teil. Die Aktionen im Rahmen von „Heimat shop- meinschaften im IHK-Bezirk können sich zur pen“ sollen helfen, die Innenstädte zu beleben Teilnahme bewerben. und gleichzeitig die Bedeutung des lokalen „Heimat shoppen“ ist ein wichtiger Baustein, Alle weiteren Informationen zu Einzelhandels wieder stärker ins öffentliche die Zentren wieder attraktiver zu machen. „Heimat shoppen“: www.ihk.de/halle, Nr. 5603496 Bewusstsein zu rücken. Die von der IHK initi- Ein Erlebnis, das die Kunden trotz gewandel- ierte Kampagne wird von den innerstädti- tem Einkaufs- und Konsumverhaltens wieder www.heimat-shoppen.de schen Unternehmen selbst umgesetzt und in die Innenstädte lockt: von den City- und Werbegemeinschaften be- gleitet. Weitere Partner der Aktion sind die kommunalen Wirtschaftsförder- und Stadt- IHK-Handelsausschuss: Alle Beteiligten mit einbeziehen! marketinggesellschaften, die Sparkassen vor Um die Aktion „Heimat shoppen“ ging es Stellungnahmen zu Einzelhandelsansied- Ort und die Mitteldeutsche Zeitung. auch bei der letzten Sitzung des IHK-Han- lungen sowie das „Bündnis für Innen- delsausschusses: Die Mitglieder legten die städte“. Dieses soll „wiederbelebt“ werden: Kostenfreie Werbemittel Erweiterung der Marke fest, um damit alle Dazu lief kürzlich eine Umfrage unter allen Zur einheitlichen Kundenansprache kommen Beteiligten – nicht nur den Handel – mit- innenstadtrelevanten Akteuren. spezielle „Heimat shoppen“-Werbemittel zum einzubeziehen. Geplant sind unter anderem Einsatz, wie beispielsweise Plakate, Flyer, Luft- öffentlichkeitswirksame Vorstellungen der ballons, Aufkleber und vor allem die „Heimat Aktion. Zudem diskutierten die Mitglieder IHK Halle-Dessau shoppen“-Einkaufstaschen, mit denen die Starthilfe und Unternehmensförderung das kürzlich novellierte Ladenöffnungszei- Antje Bauer Kunden an den Aktionstagen sowohl die ge- tengesetz des Landes Sachsen-Anhalt, IHK- Tel. 0345 2126-262, abauer@halle.ihk.de tätigten Einkäufe als auch die Botschaft: „Ich MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 13
WIRTSCHAFT & REGION BRANCHE: TOURISMUS Tourismus atmet langsam auf Die Coronapandemie und deren Folgen haben Übernachtungen) unter dem des Jahres 2019. besuchten 2022 Ostdeutschland und somit die Unternehmen in den ostdeutschen Ur- Wasserdestinationen waren stärker nachge- rund 9,0 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon laubsregionen stark herausgefordert. Die fragt als städtische Ziele (Rückgang um 13,3 profitierten die Regionen. Gastronomie, Ein- wichtigste Botschaft des aktuellen Sparkas- Prozent im Vergleich zu 2019). Gewinner in zelhandels- und Dienstleistungsbereich er- sen-Tourismusbarometers lässt aufatmen: Der Ostdeutschland war Brandenburg. Es belegt wirtschafteten mehr als 11 Milliarden Euro Tourismus ist zurück. Gestärkt aus der Pande- Platz zwei im Bundesländerranking (Über- Umsatz und damit eine ähnliche Größenord- mie sieht der Präsident des Ostdeutschen nachtungen -3,2 Prozent im Vgl. zu 2019). nung wie aus dem Übernachtungstourismus. Sparkassenverbandes (OSV) Ludger Weskamp Mecklenburg-Vorpommern musste in diesem Auch die Aussichten auf 2023 sind gut: 60 die Destinationen: „Sie haben sich auf die Zeitraum einen Rückgang um 6,9 Prozent hin- Prozent der Touristiker in Ostdeutschland sind Wünsche und Erwartungen der Gäste sowie nehmen, Sachsen-Anhalt um 8,5 Prozent und mit der Buchungslage für März und April zu- die schwierigen Rahmenbedingungen einge- Sachsen um 13,7 Prozent. Die Zahlen seien frieden oder sehr zufrieden, über 80 Prozent stellt und Lösungen entwickelt.“ aber deutlich besser als Anfang 2022 be- erwarten sogar eine Sommersaison 2023, die Die ostdeutschen Tourismusregionen zählten fürchtet. auf dem Niveau von 2019 oder darüber liegt. 2022 rund 80,2 Millionen Übernachtungen Ein Grund dafür ist der Schub an Tagestouris- und erreichten so das Niveau von 2017. Aller- ten. Sie garantieren eine ganzjährige Grund- Mehr zum Sparkassen-Tourismusbarometer: www.osv-online.de dings lag der Wert 8,7 Prozent (-7,6 Millionen auslastung. Rund 460 Millionen von ihnen Anzeige
WIRTSCHAFT & REGION ZAHLEN – DATEN – FAKTEN Wirtschaft in Sorge. Alarmruf an die Politik Kein Optimismus weit und breit. Die Stimmung der Wirtschaft ist im Keller. Und das branchenübergreifend. Vor dem Hintergrund des gemeinsamen Konjunkturberichts 2022 sendeten die beiden Industrie- und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg einen Alarmruf an die Politik. „ die steigenden Kreditzinsen für Immobilienfi- nanzierungen. Der Geschäftsklimaindex lag im „ Der Wohlstand ist Der Wettbewerb gesamten Jahresverlauf im negativen Bereich. gefährdet wie Trotz allem schätzten die Unternehmen die wird immer enger. lange nicht mehr.“ Geschäftslage dank solider Auftragspolster Es muss nun Prof. Dr. Steffen Keitel, mehrheitlich positiv ein. Die Geschäftserwar- endlich gehandelt Präsident der IHK Halle-Dessau tungen allerdings sind pessimistisch. werden.“ Klaus Olbricht, Pandemie, Krieg in Europa, Energiekrise, Lie- Im Dienstleistungsgewerbe fiel die erhoffte Präsident der IHK Magdeburg ferengpässe. Das Geschäftsklima in Sachsen- Erholung nach Corona nur schwach aus. Stei- Anhalt erreichte im dritten Quartal 2022 ei- gende Kosten, sinkende Gewinne und zu- male Geschäfte. Zudem wurde der Kostenan- nen historischen Tiefpunkt und schaffte bis nehmende Kundenzurückhaltung führten zu stieg mittels staatlicher Subventionen wie dem zum Jahresende den Sprung über die Nullli- einem Tiefpunkt im dritten Quartal. Dank ei- 9-Euro-Ticket oder dem Tankrabatt gemildert. nie auch nicht wieder. Fast die Hälfte der ner Erholung der Geschäftslage zum Jahres- Der Geschäftsklimaindex lag zum Jahresende heimischen Unternehmen starteten pessi- ende landete der Geschäftsklimaindex aktu- (-17,1 Prozentpunkte) aber noch immer deut- mistisch ins neue Jahr. Ein Blick auf Details in ell bei 5,3 Punkten. lich unter dem Vorjahreswert. den Branchen 2022: Dem Handel verhagelte die Inflation die Das Gastgewerbe hoffte nach Pandemie- In der Industrie ließ der Kostendruck das Ge- Stimmung. Die Erleichterung über wegfal- ende auf Verbesserungen und einen unbe- schäftsklima bis zum dritten Quartal konti- lende Coronamaßnahmen im ersten Quartal schwerten Sommer. Auch hier wirken aller- nuierlich auf -31,8 Punkte absinken. Trotz wurde von Preissteigerungen infolge des dings Kostenprobleme und zusätzliche leichter Erholung zum Jahresende blieb der Krieges in den anschließenden Quartalen zu- Nachwirkungen durch die Pandemie (bei- Geschäftsklimaindikator (-9,4 Punkte) deut- nichte gemacht. Die Konsumentenstimmung spielsweise fehlende Arbeitskräfte) sowie die lich hinter dem Vorjahreswert. Die größte erreichte im Herbst einen historischen Tiefst- allgemeine Konsumentenzurückhaltung an- Herausforderung waren die rasant steigen- wert. Das spiegelt der Geschäftsklimaindex gesichts der hohen Inflation. Das Geschäfts- den Kosten für Energie, Rohstoffe und Vor- (-11,9 Punkte) zum Jahresende. klima (-34,3 Punkte) lag zum Jahresende er- produkte. Sie konnten häufig nicht direkt an neut deutlich im negativen Bereich. die Abnehmer weitergereicht werden und Das Verkehrsgewerbe startete ungünstig in verschlechterten daher die Gewinnlage stark. das Jahr 2022: Steigende Kraftstoffpreise tra- Den kompletten IHK-Konjunkturbericht 2022 gibt es hier: www.ihk.de/halle, Nr. 181 fen auf eine zum Teil noch von der Pandemie Hohe Kostensteigerung und Auftragsrück- eingeschränkte Geschäftstätigkeit (etwa im IHK Halle-Dessau Standortpolitik gänge sorgten im Baugewerbe für ein Kippen Personenverkehr). Der coronafreie Sommer er- Hendrik Senkbeil der Stimmung. Anteil daran hatten maßgeblich möglichte dann aber vielerorts wieder nor- Tel. 0345 2126-255, hsenkbeil@halle.ihk.de 16 MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023
WIRTSCHAFT & REGION Was tun? Um die Wirtschaft wieder auf Das geht nur mit: Gesamtwirtschaft in einen soliden Pfad zu bringen, sind vor al- • Aktivierung des inländischen Erwerbspo- Zahlen – Daten – Fakten: lem die Rahmenbedingungen zu verbes- tenzials – handfeste Anreize zur Arbeits- sern. Die IHKn in Sachsen-Anhalt sende- aufnahme für Erwerbslose! • Konsumentenstimmung: Im Okto- ten deshalb zusammen mit den beiden • Weiterbeschäftigung im Alter ermöglichen, ber 2022 sorgte die Inflation mit ih- Handwerkskammern und den Arbeitge- auch durch steuerliche Anreize! rem Höchstwert von 10,4 Prozent für einen Tiefpunkt bei der Konsu- ber- und Wirtschaftsverbänden (AWSA) • Für mehr Leistungsbereitschaft werben, an- mentenstimmung. des Landes einen Alarmruf an die Lan- statt für Teilzeitmodelle! despolitik: Handeln bei Energie, Bildung • Bedingungen verbessern für Investitionen • Geschäftserwartung: Die Ge- und Fachkräften! in Digitalisierung und Automatisierung! schäftserwartungen lagen im vierten • kontinuierliche, umfangreiche Beschulung Quartal im Saldo bei -35,8 Prozent- punkten und damit deutlich unter Stichwort Energie: Die wichtigste wirt- in allen Schulformen! dem Vorjahresquartal. schaftspolitische Aufgabe besteht darin, die • Lehrermangel und Unterrichtsausfall ab- Energieknappheit zu beseitigen. Das geht nur stellen, Rahmenbedingungen für die Ein- • Risiken: Die hohen Energie- und über einen zukunftsfähigen Energiemix: stellung von Quereinsteigern verbessern Rohstoffkosten sind für 83 Prozent • Weniger Bürokratie beim Ausbau von und Präsenz von Wirtschaftsthemen in den der Unternehmen ein Risiko für die Windkraft- und Solarenergieanlagen! Schulen verstärken! wirtschaftliche Entwicklung 2023. Angesichts rückläufiger Auftrags- • Unvoreingenommen prüfen, welche Kern- • Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus dem eingänge auch der Inlandsabsatz kraftwerke sicher weiterbetrieben werden Ausland erleichtern: zentrale Stelle(n) im für 44 Prozent. können! Land schaffen für das beschleunigte Fach- • Kein Ausstieg aus der Braunkohleverstro- kräfteverfahren nach § 81a AufenthG! • Beschäftigung und Investition: mung vor 2038! Trotz Fachkräfteknappheit planen die • Schiefergasvorkommen in Deutschland Unternehmen deutlich vorsichtiger. Der IHK-Geschäftsklimaindex fasst zusammen, Die Beschäftigungspläne waren umweltverträglich erschließen und schnell wie die Unternehmen ihre derzeitige Geschäfts- 2022 per Saldo negativ (-5,4 Pro- nutzen! lage und ihre Zukunftsaussichten einschätzen. An den Umfragen der IHK-Landesarbeitsgemeinschaft zentpunkte). Das gilt auch für die der beiden Industrie- und Handelskammern in Investitionsabsichten (-2,9 Pro- Stichwort Bildung sowie Arbeits- und Sachsen-Anhalt (LAG) beteiligen sich jedes Viertel- zentpunkte). Fachkräfte: Die Unternehmen benötigen jahr rund 900 sachsen-anhaltische Unternehmen. dringend ausbildungsreife Nachwuchskräfte. Anzeige
Von globalen Lieferketten gänzlich unabhängig setzt die Hanffaser Geiseltal eG aus Mücheln auf kurze Wege. Der Rohstoff für ihre Bau- und Dämmstoffe aus Nutzhanf wächst auf Feldern im Saalekreis (Seite 25).
SCHWERPUNKT LIEFERKETTEN SICHERN Alles auf Anfang? Lieferketten auf dem Prüfstand Just in time zu produzieren, das war viele Jahre nicht nur ein Effizienztreiber der deutschen Wirtschaft, sondern auch ein Beleg für funktionierende globale Lieferketten. Das Zusammentreffen von wachsendem Protektionismus, Pandemie und Krieg in Europa setzt diese allerdings immer häufiger unter Druck und bringt sie ins Stocken. Ein Weckruf für Unternehmen. Auswege zu finden, ist allerdings oft gar nicht so einfach, plädieren hier in einem ersten Schritt für eine Übersicht weiß Birgit Stodtko. Die Geschäftsführerin International zum Status quo. „Dieser unterscheidet sich meist von bei der IHK Halle-Dessau beschreibt die Situation im der Lehrbuchversion, denn in der Realität wächst eine Lie- Kammerbezirk so: „Lieferengpässe bei Komponenten und ferkette organisch, ist innerhalb des Unternehmens je Rohstoffen, explodierende Energiekosten und die aktuell nach Markt und Produkt anders und wird spätestens bei hohe Inflation haben bei vielen Unternehmen die Ge- den Lieferanten der Lieferanten höchst komplex.“ Trans- winnlage im vergangenen Jahr drastisch verschlechtert. parenz sei hier entscheidend, um in Krisenfällen wie der Lieferalternativen, wenn es sie überhaupt gibt, sind oft Pandemie schnell und vorausschauend handeln zu kön- mit höheren Kosten verbunden. Wer kann, setzt wieder nen. Ein digitales Lieferantennetz stärke und beschleunige verstärkt auf Lagerhaltung. Auch Produktionsstätten zu dabei den Informationsaustausch. Auf dieser Basis lassen verlegen, erwägen Unternehmen immer häufiger.“ Zu all dem kommt die hohe Abhängigkeit vom Lieferanten China. Unternehmen aus Sachsen-Anhalt wickelten allein sich interne und externe Risiken definieren, die in Belas- tungstests simuliert werden. In Beziehung gesetzt zu geopolitischen Einflussfaktoren oder Klimawandel lässt „ im letzten Jahr Geschäfte im Wert von rund 3 Milliarden sich dann ein Aktionsplan für eine modifizierte Liefer- Unternehmen Euro mit chinesischen Firmen ab. Dass China heute bei kettenstrategie ableiten. nutzen zuneh- vielen Gütern im Mittelpunkt globaler Wertschöpfungs- mend die ketten steht, ist aber nur eine Facette aktueller Probleme. Deutschland im Welthandel Expertise der Gebremstes Wachstum und Globalisierungsskeptiker Bevor heute in Deutschland ein T-Shirt auf der La- Kammern bei Ökonomen, wie Markus Koch und Damian Rohr aus dem dentheke liegt, hat es im Durchschnitt etwa 18.000 Ki- der Suche nach lometer hinter sich. Es ist ein Symbol des aktuellen Research-Team der Schweizer Deloitte sehen eine weitere neuen Liefe- Welthandels, der zu rund 80 Prozent auf globalen im bereits länger angeschlagenen Freihandel. Ihr Befund: ranten.“ Wertschöpfungsketten beruht. Deutschland ist so in- „Seit der Finanzkrise von 2018 wächst der internationale tensiv wie keine andere Industrienation in interna- Birgit Stodtko Handel nur noch langsam und es kamen vermehrt glo- tionale Lieferketten eingebunden. Sowohl Ex- als auch IHK-Geschäftsführerin International balisierungskritische Regierungen an die Macht. Der viel Import haben jährlich die eine Billion-Euro-Schwelle diskutierte Handelskrieg zwischen den USA und China längst überschritten. Neben der Textilindustrie sind und ein stockender Multilateralismus sind die im globa- vor allem die Elektronikbranche, chemische und phar- len Handel spürbaren Auswirkungen dieser Machtüber- mazeutische sowie Lebensmittelindustrie abhängig nahme der Globalisierungsskeptiker.“ von Vorleistungen aus anderen Ländern. Auch in Sachsen-Anhalt sind die wichtigsten und profilbe- stimmenden Warengruppen international eng ver- Digitales Lieferantennetz erleichtert Neubewertung flochten: Pharmazeutische Erzeugnisse, Kunststoffe, In Verbindung mit den Auswirkungen von Pandemie und Chemische End- und Vorerzeugnisse oder Halbzeuge Krieg in der Ukraine setzten immer mehr Unternehmen aus Kupfer und -legierungen, um nur die wichtigsten auf eine Neubewertung ihrer Lieferkettenrisiken und mo- zu nennen. difizieren ihre Beschaffungsstrategien. Koch und Rohr MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 19
SCHWERPUNKT LIEFERKETTEN SICHERN Unternehmen sind enorm anpassungsfähig Bei einer gewachsenen Zahl von Unternehmen kommt Trend zum Reshoring? diese Botschaft an. Das zeigt ein Blick in die Sonderaus- Werden Lieferketten auf den Prüfstand gestellt, gilt ihr stärkeres Lokalisieren, auch Res- wertung des „AHK World Business Outlook Herbst 2022“ horing, als eine Möglichkeit, Risiken besser zu begrenzen und Lieferantenbeziehungen zu der DIHK. Die Rückmeldungen von mehr als 3.100 im stabilisieren. Experten sehen darin allerdings keine generelle Alternative zur Globalisierung Rahmen der Umfrage befragten Unternehmen belegen, vieler Warenströme. Hürden sind unter anderen eine oft begrenzte Anzahl von Lieferan- dass sich die Betriebe mit sehr konkreten Maßnahmen auf ten für Produkte und Rohstoffe, die Nähe zu Wachstumsmärkten, vor allem in Asien und die geopolitischen Herausforderungen einstellen. damit verbundene hohe Investitionskosten. Diese sind häufig nicht auf Kunden umlegbar. Der Außenwirtschaftschef der DIHK, Volker Treier, beschreibt die aktuelle Stimmung so: „Die Jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) hat bereits neue Unternehmen bleiben weiterhin auf ihrem Kurs der Globalisierung, fokussieren sich aber oder zusätzliche Lieferanten für benötigte Rohstoffe, auf eine Diversifizierung: Neben bewährten, aber zum Teil schwierigen Märkten bieten an- Vorprodukte oder Waren gefunden. Weitere 30 Prozent dere Länder zunehmend attraktive Konditionen und werden so zu echten Alternativen.“ sind noch auf der Suche. Die Unternehmen erweitern ihr Lieferantennetzwerk unabhängig von der Region, in der sie international aktiv sind. „Die deutsche Wirtschaft Lieferantensuche in den Blick. Insgesamt haben sich die zeigt sich angesichts der enormen geopolitischen Risiken Lieferkettenstörungen zwar verbessert, sie sind aber noch erstaunlich anpassungs- und widerstandsfähig", sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Von Schock- starre der Wirtschaft keine Spur! Mit Hochdruck suchen längst nicht überwunden: 42 Prozent der Unternehmen geben Störungen in Lieferketten als das Top-Geschäfts- risiko für die kommenden Monate an. „ die Unternehmen neue Lieferanten beziehungsweise ver- Die Krise kann suchen die bestehenden zunehmend zu diversifizieren.“ Konkrete Hilfe weltweit vor Ort Unternehmen Die Erhöhung der Resilienz in ihren globalen Lieferketten ist Bei der Umsetzung holt sich eine wachsende Zahl von als Weckruf ein zentrales Motiv der Lieferanten-Suche: So geben drei von Unternehmen Unterstützung bei den Industrie- und Han- dienen.“ fünf Unternehmen (62 Prozent) an, das Risiko von Ausfäl- dels- sowie Auslandshandelskammern, beobachtet Birgit Markus Koch/ len minimieren zu wollen. Dieser Wert wird nur überboten Stodtko. „Hier vor Ort haben wir Zugriff auf Adressda- Damian Rohr von dem Wunsch, die Kosten zu optimieren (64 Prozent). tenbanken, die hilfreich sei können, wenn es um konkrete in „Perspektiven: Globale Lieferketten – Kommt es zu Aber auch ein einfacherer Zugang zu Rohstoffen bezie- Lieferantenanfragen geht. Auch mit Nachfragen in den einem Reshoring?“ hungsweise Vorleistungen (33 Prozent) sowie die Vermei- Repräsentanzen Sachsen-Anhalts in Shanghai oder Ha- dung von Handelshemmnissen oder die Erfüllung von Lo- noi konnten wir schon unterstützen. Daneben bieten die cal-Content-Vorschriften (23 Prozent) spielen eine Rolle. Auslandshandelskammern konkrete Hilfe weltweit vor Jedes achte Unternehmen (12 Prozent) nimmt die Ein- Ort an – von Webinaren über Marktrecherchen bis hin zu haltung europäischer Nachhaltigkeitspflichten bei der einer digitalen Lieferantenplattform.“ EU-Plattform bringt Geschäftspartner zusammen BREHN A Ändern sich Märkte, müssen sich auch Geschäfts- europäische Lieferanten, die ihre Qualität und Stan- und Lieferstrukturen anpassen. Das betrifft viele deut- dards durch entsprechende Zertifikate garantieren sche Industrieunternehmen, die auf Produkte und können. Ebenso gefragt sind Produktneuheiten und in- Dienstleistungen aus anderen Ländern angewiesen novative Lösungen. sind. Mehr als jedes vierte Unternehmen denkt nach Die deutsch- und englischsprachige Plattform richtet den Erfahrungen der Corona-Pandemie über eine Neu- sich insbesondere an Lieferanten von: ausrichtung nach. Hierbei spielt das Nearshoring eine • Maschinenteilen ganz besondere Rolle. Dies bietet europäischen Liefe- • Metallbearbeitung ranten hervorragende Chancen, gerade jetzt neue • Kunststoffverarbeitung Kontakte zu deutschen Einkäufern aufzubauen. Das • Elektronik-Bauteilen AHK Industrial Suppliers Forum (AHK ISF) bietet dazu • Automatisierung sowie eine Möglichkeit: Organisiert vom Netzwerk der deut- • ICT-Lösungen für Industrie Mehr zur Lieferketten- schen Auslandshandelskammern (AHK), vernetzt das problematik und zu Forum europäische Lieferanten mit Einkäufern und Für Einkäufer ist die Plattform kostenfrei: interessanten Quellen www.ahk-isf.eu sowie guten Beispielen Vertriebspartnern aus Deutschland. Gesucht werden finden sich auf den folgen- den Seiten. 20 MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023
SCHWERPUNKT LIEFERKETTEN SICHERN Globales Agieren nicht per se verteufeln Kein Fiebersaft für Kinder! Das war nur eine der Hiobsbotschaften in den letzten Monaten. Ein Gespräch zur Arzneimittelversorgung mit Dr. Hans-Georg Feldmeier. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e. V. ist Vorstandsvorsitzender der Dermapharm Holding SE.* Wie ist es um unsere Arzneimittelversorgung bestellt? in der Energieversorgung. Welche Möglichkeiten gibt es Dr. Hans-Georg Feldmeier: Wir Hersteller tun alles da- vor diesem Hintergrund, bestehende Lieferketten wieder für, dass die Versorgung für die Patientinnen und Pa- zu stabilisieren oder neue zu begründen? tienten gesichert wird. Das ist uns während der Corona- Dr. Feldmeier: Wir müssen aufpassen, dass wir die Glo- pandemie trotz aller Schwierigkeiten gelungen. Dennoch balisierung nicht per se verteufeln. Es ist naiv zu glauben, ist die Lage in der Grundversorgung in Deutschland im- mer angespannter und das hat Gründe: Bei den Generika, den Nachahmerprodukten, ist der Preisdruck ungeheuer dass es als Exportnation möglich ist, die gesamte Arznei- mittelproduktion nach Deutschland zurückzuholen. Ein Zug, der in eine Richtung abgefahren ist, wo die Weichen „ Wir brauchen erhöht worden. Der durchschnittliche Erstattungspreis von der Politik über Jahre so gestellt worden sind, den strukturelle der Krankenkassen für eine Tagestherapie liegt hier bei können sie auf dem Gleis nicht wenden. sechs Cent! Das hat dazu geführt, dass wir Wettbewerb Wir können nur dafür sorgen, dass die Firmen, die noch Lösungen, die verloren haben. Unternehmen haben aufgehört, be- hier sind, nicht auch noch in Schwierigkeiten geraten. alle Versorgungs- stimmte Produkte zu produzieren. Und deshalb müssen wir dringend an die Preise der Arz- bereiche in den neimittel der Grundversorgung ran. Blick nehmen.“ Worin sehen Sie Ursachen für diese Lieferengpässe? Dr. Hans-Georg Feldmeier, Dr. Feldmeier: Generell sind die globalen Lieferketten in Wie gehen kleine und mittelständische Unternehmen Vorstandsvorsitzender der Zeiten geopolitischer Spannungen und einer Pandemie der Branche mit der Lieferkettenproblematik um? Dermapharm Holding SE sehr anfällig. Die aktuellen Probleme in der Grundver- Dr. Feldmeier: Für sie ist es eine schwierige Situation. Die sorgung sind aber vor allem politisch hausgemacht, und Kosten etwa für Rohstoffe und Energie sind im Laufe des zwar durch den schon lange steigenden Kostendruck im letzten Jahres explodiert. Und die Preise können nicht ent- Gesundheitssystem. Wir müssen zum Beispiel unsere Me- sprechend angepasst werden. Dazu kommt, dass wir bei dikamente noch heute zu Preisen abgeben, die seit 2009 der Arzneimittelherstellung und -belieferung bei Wei- festgeschrieben sind. Dazu kommt die Inflation. Wenn tem nicht mehr eine so hohe Flexibilität haben, wie noch man da keine Möglichkeit hat, die gestiegenen Kosten vor 20 Jahren – vor allem aus gesetzlichen Gründen. weiterzugeben und nachzusteuern, funktioniert das ir- Schon wenn sie zum Beispiel einen anderen Lieferanten gendwann nicht mehr. für Glasampullen nehmen wollen, müssen sie vorher auf- wändige Studien machen. Mehr zum Bundesver- band der Pharmazeuti- Was könnte die Arzneimittelversorgung stabilisieren? schen Industrie e. V.: Dr. Feldmeier: Wir brauchen strukturelle Lösungen, die Welche Unterstützung, welche Rahmenbedingungen www.bpi.de beim Kostendruck ansetzen und alle Versorgungsbereiche braucht gerade der Klein- und Mittelstand in der aktu- * Am Hauptstandort in in den Blick nehmen. Eine Stellschraube sind die Rabatt- ellen Situation? Sandersdorf-Brehna entwickeln und produ- verträge. Hier müssen Mehrpartner- statt Exklusivmodelle Dr. Feldmeier: Wir brauchen berechenbare und wirt- zieren bei der Derma- verpflichtend sein. Außerdem sollten bei der Vergabe schaftlich auskömmliche Rahmenbedingungen. Dazu eine pharm-Tochter mibe über 700 Mitarbeitende Produktionsschritte in Europa besonders beachtet wer- Verwaltung, die unterstützt und nicht durch überbor- qualitativ hochwertige den. Bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln sollte man dende ineffiziente Bürokratie bremst. Und schließlich ei- Arzneimittel. Rabattverträge grundsätzlich ausschließen. nen Standort, der für Forschung, Entwicklung und Pro- mibe GmbH duktion so attraktiv ist, dass hierzulande Arbeitsplätze Arzneimittel Münchener Straße 15 70 Prozent der Wirkstoffe stammen aus China oder In- entstehen und gehalten werden und somit auch hier in 06796 Brehna dien. Daraus erwachsen ähnliche Abhängigkeiten wie Zukunft Wertschöpfung stattfindet. www.mibe.de MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 21
SCHWERPUNKT LIEFERKETTEN SICHERN Klar kommunizieren für mehr Akzeptanz Wovon lassen sich Unternehmen leiten, wenn sie ihre Lieferketten auf den Prüfstand stellen? Immer häufiger von der Idee der Nachhaltigkeit, zeigen eine aktuelle Studie und die Erfahrungen des TÜV-Verbandes. Für Juliane Petrich war das Ergebnis einer repräsentativen kommuniziert wird, was das Gesetz bedeutet und was Umfrage des TÜV-Verbands im vergangenen Jahr keine nicht. Das baue Ängste ab und sollte mit konkreten Um- Überraschung: Fairness gegenüber Kunden und Lieferan- setzungshilfen für Unternehmen verbunden werden. Hier ten, gute Arbeitsbedingungen sowie Umwelt- und Kli- bewege sich inzwischen einiges. Daneben hält sie es für maschutz sind immer mehr Unternehmen in Deutsch- notwendig, ein funktionierendes Sorgfaltspflichtengesetz land wichtig oder sehr wichtig, wenn sie ihre Lieferketten auf europäischer Ebene zu schaffen, damit alle Unter- neu ausrichten. Nicht zuletzt als direkte Folge der Corona- nehmen den gleichen Regelungen unterliegen. Pandemie und damit einhergehender Engpässe bei be- stimmten Produkten, Vorprodukten oder Rohstoffen sei Empfehlungen für nachhaltige Lieferketten dieses Bewusstsein weiter gewachsen, beobachtet die Fünf zentrale Empfehlungen hat der TÜV-Verband an die Referentin für Politik und Nachhaltigkeit beim TÜV-Ver- band. „Umweltschonend, sozial gerecht, wirtschaftlich er- folgreich“, fasst sie die Studie zusammen. Das sei aber das EU-Gesetzgebung formuliert: 1. Die gesamte Lieferkette in den Blick nehmen 2. Mindestanforderungen für alle Unternehmen festlegen „ Leitmotiv in der aktuellen Debatte um eine nachhaltige 3. Unabhängige Drittprüfungen vorsehen, insbesondere Verantwortung Gestaltung von Lieferketten. Denn, „sozial und umwelt- in Sektoren mit hohem Risiko endet nicht an bewusst agierende Unternehmen sind widerstandsfähiger, 4. Bestehende Standards und Zertifizierungen einbinden Ländergrenzen.“ genießen eine hohe Reputation und sind beliebte Arbeit- 5. Unternehmen Orientierung geben und bei der Umset- Juliane Petrich, geber. Darüber hinaus sind sie besser auf die Klimakrise zung unterstützen Referentin für Politik und Nachhaltigkeit, und die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen für TÜV-Verband die Transformation in eine CO2-neutrale Wirtschaft vor- Wer Informationen zu zukunftsfähigen Lieferketten und bereitet“, ist Juliane Petrich überzeugt. gesetzlichen Regelungen oder gute Beispiele aus der un- ternehmerischen Praxis sucht, wird unter anderem hier Fehlende Ressourcen bremsen die Umsetzung fündig: Wenn das in der Umsetzung aber mitunter noch scheitere, dann unter anderem deshalb, weil vor allem kleinere und mittlere Unternehmen aufgrund eigener begrenzter Res- www.bafa.de und www.csr-in-deutschland.de. sourcen oft von der Komplexität des Themas überfordert sind. Oder Ängste bestehen, Haftungsrisiken nicht zu Darüber hinaus bieten die Industrie- und Handelskam- durchschauen. mern und eine wachsende Zahl von Organisationen wie Das gerade in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorg- der TÜV Informations- und Schulungsangebote. Die Stu- faltspflichtengesetz sei dafür ein typisches Beispiel. Ob- die „Nachhaltige Lieferketten – umweltschonend, sozial wohl 83 Prozent der vom TÜV-Verband befragten Unter- gerecht, wirtschaftlich erfolgreich“ finden interessierte nehmen sich davon einheitliche Wettbewerbsbedingungen Unternehmen hier: erhoffen, wird die öffentliche Debatte darüber kontrovers geführt. Juliane Petrich ist überzeugt, dass sich die Ak- zeptanz dafür vor allem dann verbessern lässt, wenn klar www.tuev-verband.de/studien/tuev-lieferkettenstudie MITTELDEUTSCHE WIRTSCHAFT DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER HALLE-DESSAU 03/2023 23
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