Linien Routen Grenzen - LEBENS KULTUR DAS MAGAZIN - NOVEMBER 2019 Ausgabe 28
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Österreichische Post AG RM 18A041471 K 8330 Feldbach NOVEMBER 2019 Ausgabe 28 Linien Routen Grenzen LEBENSKULTUR DAS MAGAZIN
LEBENSKULTUR Inhalt EIN SOMMER WIE DAMALS IN ISLAND.................................... von Matthäus Trummer ................................................... Seite 3 VOM GRUNDSTEUERPATENT ZUM GRENZKATASTER............. von Klaus Wartinger............................................................ Seite 6 STRASSEN – LINIEN......................................................................... von Alois Raidl ................................................................. Seite 7 EIN PLATZ IST MEIN UNIVERSUM ............................................ von Hannes Glanz.............................................................. Seite 9 DAS NAVI IN DER GRENZENLOSIGKEIT .................................. von Franz Jurecek ........................................................ Seite 11 ROTE LINIEN ODER WAS DER KLIMAWANDEL MIT VERTEILUNG ZU TUN HAT................................................. von Stefan Preininger ....................................................... Seite 12 DIE LINIE . LA LINEA.................................................................. von Heimo Math .............................................................. Seite 15 MEIN ZEITGENÖSSISCHER TANZ............................................. von Doris Buche-Reisinger ................................................ Seite 17 ZWEITAUSENDZWANZIG................................................................. Leserbrief an Dr. Luna Licht von Hans Knieriem ................ Seite 18 Liebe Leserinnen und Leser! Wieder einmal ist ein ganz wunder- zurecht, ob seine Zeilen zur „B66“ nicht Für unseren Leserbriefschreiber Hans bares Magazin der Feldbacher Zeitung mindestens so bekannt sein sollten wie Knieriem ist das Verstreichen der Zeit, entstanden. „Linien, Routen, Grenzen“ jene zur „Route 66“. Der legendären Rei- das Erreichen von Lebensabschnitten und lautet der Titel der Ausgabe Nr. 28. se zum Mond vor 50 Jahren fügt Franz -grenzen nicht minder bedeutsam. Eine Jurecek etwas heute ganz Selbstver- Antwort darauf weiß glücklicherweise So einiges wäre da thematisch möglich ständliches hinzu: ein Navi. Wichtig da- unsere beliebte Lebensberaterin Dr. Luna gewesen. Interessanterweise haben sich für sind bzw. wären auch schon damals Licht. Schwermütigen Gedanken vorzu- gleich vier Autoren dafür entschieden, exakte Straßen- bzw. Grundstücksflächen beugen, dazu ist stets und allerbestens Reiseberichte zu verfassen. Hannes Glanz und -grenzen gewesen: Klaus Wartinger die Kunst in der Lage: Von der Schönheit erzählt von seinen – trotz zwischenzei- vom Vermessungsamt Feldbach klärt da- der Linien und der runden Formen des tiger Rückschläge – glücklichen Fahrten rüber auf. Linien, vor allem gerade, die Tanzens erzählt Doris Buche-Reisinger. durch Deutschland. Island hat es Mat- sich der Mensch hat einfallen lassen, Damit schließt sich thematisch der Kreis, thäus Trummer angetan. Was für ein Er- ganz andere als in der Natur: Ob diese für viel Interessantes und Lesenswertes lebnis, dort mit dem Fahrrad diese ein- nun Fluch oder Segen sind, dieser Frage ist gesorgt! zigartige Landschaft zu erkunden. Sein geht Architekt Heimo Math nach. Welche Exkurs zum Fußball ersetzt ein wenig (roten) Linien der Mensch überschreitet, Ihr den geplant gewesenen größeren Beitrag wenn er den Regenwald verbrennt oder Michael Mehsner zu diesem Thema: sieben, mittlerweile mit seinem (Konsum-)Verhalten andere acht Millionen Teamchefs soll es in Ös- ausbeutet, zeigt Stefan Preininger auf, PS: Die Geschichte über Vinyl ist leider terreich ja geben, und nach wie vor wird und natürlich mahnt er ein, Umwelt- und – vielleicht in einer Endlosschleife – ver- an den Stammtischen so manche Diskus- Klimaschutz ernst zu nehmen. Nun ja, die schollen geblieben. Bei dieser wäre es sion geführt, heutzutage unter anderem Grenzen menschlichen Verhaltens: Wen wohl nicht nur darum gegangen, wie vie- (in Verbindung mit dem ewigen Dauer- mehr zu diesem Thema interessiert („Me le Rillen eine Schallplatte eigentlich hat. brenner „Abseits“) über die „kalibrierte too“ etc.), dem sei Schnitzlers „Fräulein Und auch die Mittellinie auf der Straße, Linie“. Alois Raidl ist ein leidenschaftli- Else“, präsentiert von der großen Julia für so manchen Verkehrsteilnehmer of- cher Musiker (Riegersburg Jazz Café) und Stemberger, bei unserem Festival „Nebel fenbar ohne wirkliche Bedeutung, wäre begnadeter Texter, und so fragt man sich reißen“ empfohlen (13.11. im Zentrum). eine Analyse wert gewesen. 2 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON MATTHÄUS TRUMMER Ein Sommer wie damals in Island Alljährlich jubeln Touristiker welt- größer als Österreich. Dennoch hat man auch im Sommer zeigen kann. Zum Glück weit, immer neue Rekorde an Ankünften zunehmend ein Problem, ist das Ökosys- beschränkt sich der Radius der meisten werden aufgestellt, und doch stößt der tem dort doch äußerst fragil. Hier spürt Abenteurer jedoch auf die Hauptstadt Boom an Grenzen. Städte wie Amster- man den Klimawandel schneller als an- Reykjavik, die zweifelsohne eine der dam, Barcelona, Dubrovnik und Venedig, derswo, unlängst wurde der erste Glet- schönsten Europas ist, und den Golden aber auch Städte im Norden wie Reykja- scher in Island offiziell für „tot“ erklärt. Circle mit dem berühmten Geysir und der vik, stöhnen unter den Heerscharen an Fuhren die Nordmänner früher zur See, Blue Lagoon. Wer die wahren Schönhei- Instagram-hungrigen Menschen. Selbst um Walfang zu betreiben, fahren sie nun- ten Islands sehen will, muss sich etwas in Österreich ist „Overtourism“ mittler- mehr hinaus, um Touristen die Giganten weiter ins Landesinnere begeben. Besser weile ein Thema, wie die Beispiele Salz- der Meere bei Wal-Expeditionen näher gesagt, hat man eigentlich nur die Wahl, burg und Hallstatt eindrucksvoll bewei- zu bringen. Island liegt im Trend, wohl ob man die Ringstraße im oder gegen sen. auch, weil die Sehnsucht des Menschen den Uhrzeigersinn befährt. Die National- Blicken wir in den Norden nach Island: nach Natur und deren Schönheit uner- straße 1 ist fast durchgängig asphaltiert, Die subjektiv „kleine“ Insel boomt nach sättlich scheint. wer etwas erleben will, muss sich auf die überstandener Wirtschaftskrise samt Schotterpisten abseits der Hauptstraße Beinahe-Kollaps, und das nicht ohne Das bringt mich zurück zum Titel die- begeben. Das Problem hierbei ist der Grund, besteht sie doch zu einem Groß- ses Textes: Vier Wochen mit dem Fahr- grobkörnige Schotter, der für 4x4-Ge- teil aus „Feuer und Eis“. Das macht defi- rad rund um die Insel und quer über das ländewagen zwar möglich ist, mit dem nitiv Lust auf mehr. Mit seinen 360.000 berüchtigte Hochland, das eigentlich nur vollbepackten Rad heißt es hingegen Bewohnern, weniger als der Großraum allradbetriebenen Ungetümen vorbehal- absteigen, frei nach dem Motto: „Wer Graz, wird Island mittlerweile von 2,5 ten ist. Immer dabei: Fahrrad, Zelt, Re- sein Radl liebt, der schiebt.“ Unvergess- Mio. Touristen jährlich bevölkert. In den genzeug, zwei Packtaschen und ein di- lich bleiben die herausfordernden Stra- letzten 5 Jahren hat sich die Anzahl ver- cker Schlafsack. ßenverhältnisse auf dem „Öxi“-Pass mit doppelt. Leicht verkraftbar, könnte man Auf dem Fahrrad der Natur ausgeliefert, einer Steigung von 17 % und die ewig meinen, ist die Insel doch flächenmäßig merkt man erst die raue Seite, die Island lange Piste der „Kjölur“, quer über 3
LEBENSKULTUR das isländische Hochland. Auch die Ge- fast rächen: Gepäcksträgerbruch im Nir- zu suchen bzw. bei einer Bushaltestel- gend rund um Landmannalaugar ist die gendwo, einige Tagesetappen von der le das Ganze abzuwarten, erwiesen sich Strapazen wert, die man auf der Fahrt Hauptstadt entfernt. Alles kein Problem, die Verhältnisse in Island als diametral. dorthin meistern muss. Unzählige Fur- Kabelbinder sei Dank. Der obligatorische Island ist frei von Bäumen, eigentlich ten stellen sich dort in des Radlers Weg. Speichenbruch – wir trafen einige Radler, richtig kahl. Einmal im Zuge der Indus- Schnell haben wir untenrum auf Sanda- die auf diese Weise festsaßen – blieb uns trialisierung gerodet, war die fragile Hu- len und obenrum auf dicke Jacke, Hand- zum Glück erspart. musschicht durch die kurze Vegetations- schuhe und Haube umgesattelt. Dafür bekamen wir, damals im Sommer periode dahin und kaum ein Baum wuchs Die Infrastruktur für Radler in Island in Island, einen kleinen Geschmack, wel- und wächst mehr nach. Die Bushaltestel- ist jedoch phänomenal. So gibt es eine che Launen das Wetter so spielen kann. len sind außerhalb der Hauptstadt ge- vollständige Karte mit allen machbaren Selbst die Einheimischen sprachen von nerell nicht überdacht, und meist radelt Pisten, Einkaufsmöglichkeiten, privaten einem wettertechnisch schlechten Som- man stundenlang dahin, ohne bei einem Fahrradmechanikern, Notfallnummern mer, wir hatten in den ersten 20 Tagen Haus, geschweige denn einem Gasthaus und Hütten im Hochland. Dort nach ei- auf der Reise täglich mit Regen zu kämp- vorbeizukommen. Da hilft dann bei ei- nem anstrengenden Tag angekommen, fen. Die unglaubliche Einzigartigkeit der ner nahenden Regenfront nur mehr ab- kann es schon einmal vorkommen, dass Landschaft entschädigte uns jedoch für steigen, sich regenfest einzupacken und man knapp vor Mitternacht noch ins vieles. Bereits am Anfang der Reise er- das Ganze über sich ergehen zu lassen. Jacuzzi steigen darf. Fast am Polarkreis wischten wir ein kräftiges Islandtief mit Hier kann man die Kräfte und Launen der gelegen, ist es im Sommer fast durchge- Regen und starken Windböen, das uns Natur erste Reihe fußfrei erleben. Um die hend hell, lediglich eine kurze Dämme- samt dem Rad beinahe von der Straße körperlichen und mentalen Herausforde- rungsphase zeugt von der Nacht. wehte. Dass wir definitiv nichts mehr rungen zu meistern, waren wir gut aus- auf der Straße verloren hatten war uns gerüstet: 150 g feinste Schokolade täg- Wahrscheinlich sind wir ein bisschen spätestens klar, als Einheimische ste- lich und Unmengen an Nüsschen durften naiv an die Sache rangegangen. Unsere henblieben und fragten, ob bei uns noch es da schon sein. rund 20 Jahre alten Fahrräder haben wir alles in Ordnung sei, weil wir bei diesen in Eigenbau, mit ein bisschen Hilfe, fit unwirtlichen Verhältnissen mit dem Rad Oftmals muss man jedoch die schlech- für Island gemacht. Neue Schläuche, fri- unterwegs wären. testen Straßen bezwingen, um zu den sche Bremsbacken und Reifen mit Pan- größten Schönheiten Islands vorzudrin- nenschutz sollten es schon sein. Der Die Taktik, die ich mir bei meiner Vor- gen. Hier, wo sich der Overtourism selbst Gepäcksträger wurde mit Packtaschen bereitung zurechtlegte, ging in Island im Hochsommer noch einigermaßen in seitlich und obendrauf mit Zelt und nicht auf. War es in Österreich kein Pro- Grenzen hält, hieß es dann für uns einige Rucksack bepackt. Später auf der Rei- blem, bei Regen irgendwo in ein Gasthaus Tage innezuhalten. Den Körper im heißen se sollte sich diese Gewichtsverteilung einzukehren, unter einem Baum Schutz Fluss zu regenerieren, die wunderbare 4 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
Landschaft einzusaugen und bei ausge- Zeit des Jahres indoor gespielt. Ausge- dehnten Tageswanderungen einfach nur stattet mit modernsten Trainingshal- MMag. Matthäus Trummer ist glücklich zu sein ob der teils surreal wir- len und lizensierten Jugendtrainern bis Geograph, Historiker, Journalist, kenden Schönheit der Landschaft. hinunter zu den jüngsten Jahrgängen Fotograf und Reisender. Wie in den skandinavischen Ländern hegt, pflegt und fördert man seine zah- Derzeit ist er für die Wirtschafts- üblich, gilt auch auf Island das Jeder- lenmäßig wenigen Fußball-Talente. Diese servicestelle der Stadt Fehring mannsrecht. Man kann sein Zelt fernab werden alsbald auch in den Nachwuchs tätig. Er lebt in Mühldorf. von Siedlungen und bewirtschafteten eines größeren Landes transferiert, sollte Flächen überall aufstellen, und so war die sich Potential für eine größere Karriere Suche nach einem landschaftlich beson- abzeichnen. Was die Isländer sicherlich ders schönen Schlafplatz eines unserer auch auszeichnet, ist der unbändige Wil- täglichen Ziele. Je nach Lust, Laune und le, gestählt durch das raue Klima und den angesprochenen wettertechnischen lange unwirtliche Winter. Mit all diesen Herausforderungen haben wir im Schnitt Zutaten schaffte die Nationalmannschaft 30 bis 180 Kilometer pro Tag geschafft, in den letzten Jahren ein ums andere Mal wobei auch der Wind die tägliche Strecke beachtliche Erfolge bei internationalen stark beeinflusst hat. Turnieren. Die isländische Liga an sich ist vom Niveau her hingegen nicht sonder- Island wird mich auf alle Fälle wieder lich hochklassig. Zu der von uns besuch- sehen – irgendwann einmal. Fernab der ten Erstliga-Partie zwischen Thor (was Hauptstadt, fernab des Golden Circle, so viel wie „Hammer“ bedeutet) Akureyri wahrscheinlich an einem nur schwer er- und den Männern aus Keflavik fanden reichbaren Ort. Davon gibt es in Island, sich 500 Zuschauer ein, das Niveau war meinem persönlichen Paradies, zum dabei bestenfalls Regionalliga-tauglich. Glück noch genügend. Unvergessen das „Hu-Hu-Hu“ der Nord- männer zwei Jahre später im EM-Viertel- Zum Abschluss möchte ich noch kurz finale in Frankreich, als zehn Prozent der auf den isländischen Fußball eingehen. Bevölkerung ihre Mannschaft ins Stade Gerade, weil auch Österreich bei der EM de France begleiteten, und weltweit für 2016 in Frankreich schmerzvoll erleben Gänsehaut sorgten. musste, wie der Zwergenstaat aus dem hohen Norden uns um alle Träume brach- te. Fußball wird auf Island die meiste 5
LEBENSKULTUR VON KLAUS WARTINGER Klaus Wartinger ist seit 1984 im Vermessungsamt Feldbach tätig, seit 2017 unterstützt er Amtsleiter DI Anton Edler als Dienststellen- leiter. Für Auskünfte bzw. Fragen zu Kataster und Grenzen steht das Vermessungsamt Feldbach (Mo-Fr 8-12 Uhr) gerne zur Verfügung. Vom Grundsteuerpatent zum Grenzkataster 2017 war ein historisches Jahr für Die Vermessung der Grundstücke erfolgte von der zuständigen Vermessungsbehör- den Kataster in Österreich. Es wurde mit dem Messtisch. Die Aufnahme erfolg- de gemacht. Ein Ersitzen von Teilen ei- das 200-jährige Jubiläum gefeiert. Am te hauptsächlich mit Vorwärtsschnitten. nes Grenzkatastergrundstückes ist ausge- 23.12.1817 hat Kaiser Franz I. das Grund- schlossen. Für die Wiederherstellung von steuerpatent unterzeichnet. Mit dem kai- Das Jahr 1871 ist von großer Bedeutung, strittigen Grenzen ist das Vermessungs- serlichen Patent wurde in Österreich die denn da wurde durch das Allgemeine amt zuständig. allgemeine Vermessung aller Grundstücke Grundbuchsgesetz landesweit die Neu- der deutsch- und italienischsprachigen anlegung der Grundbücher auf Basis des Wie erkennt man, dass sein Grundstück Provinzen angeordnet. Grundkatasters eingerichtet. Für die Wei- im Grenzkataster ist? In der Katastral- terführung des Katasters wurde 1883 ein mappe ist die Grundstücksnummer mit Das Ziel dieser Regelungen war eine Evidenzhaltungsgesetz beschlossen, das 3 Strichen (im Beispiel das Grundstück gerechte Erhebung der Grundsteuer. bis zum Jahre 1968 Gültigkeit hatte. .859) unterstrichen und im Auszug aus Die Vermessung für die Steiermark war dem Grundstücksverzeichnis sowie im 1825 abgeschlossen und lieferte eine Mit 1.1.1969 ist das Vermessungsgesetz Grundbuchsauszug steht ein „G“ bei der katastralgemeindeweise Darstellung, in Kraft getreten. Hier wurde die Mög- Grundstücksnummer. Grenzbeschreibungen sowie Eigentümer- lichkeit einer Rechtssicherheit der Gren- verzeichnisse und Parzellenprotokolle. zen für den Grundeigentümer geschaffen. Heute wird der Kataster als Selbstver- Die Anlegung wurde von 1817 bis 1861 Im Vermessungsgesetz wurde verankert, ständlichkeit angesehen. Wir können in vorgenommen. In diesen 44 Jahren dass Grundstücke in den Grenzkataster Österreich auf eine 200-jährige Geschich- wurde eine Gesamtfläche von 300.000 übergeführt werden können. Was heißt te zurückblicken. Viele Länder der Welt Quadratkilometern mit fast 50 Millionen das für den Eigentümer: Ist ein Grund- haben keinen oder nur einen unvollstän- Grundstücken erfasst. Die Darstellung stück im Grenzkataster, können die digen Kataster. Es kommen immer wieder der Mappe erfolgte im Maßstab 1:2880, Grenzpunkte jederzeit wieder hergestellt Delegationen nach Österreich, um sich in größeren Ortschaften 1:1440 und im werden. Dies kann ein Vermessungsbe- über den Kataster und das Grundbuch zu Gebirge 1:5760. fugter erledigen oder wird auf Antrag informieren. 6 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON ALOIS RAIDL Straßen – Linien Der Kataster ist ursprünglich für die Straßen – Linien, die das Land über- gerechte Besteuerung der landwirt- ziehen, wie das große Netz einer Spinne. schaftlichen Grundstücke entstanden. So wie Blutbahnen den Körper mit le- Heute dient der Kataster als Grundla- benswichtigem Sauerstoff versorgen, so ge für viele Anwendungen und Verfah- fließt auch der Verkehr auf den Straßen ren. Am bekanntesten ist wahrschein- quer durchs Land. In den USA gibt es eine lich das Bauverfahren. Hier werden weltbekannte Straße. Sie verbindet den die Anrainer meist im 30 Meter Ab- Osten mit dem Westen und führt von Chi- stand benötigt. Ob Planungen von cago bis nach L.A.: Die „Route 66“ wurde Straßen, Eisenbahnen, Autobahnen schon von vielen Interpreten besungen, oder nur ein neuer Gartenzaun, es unter anderem von Nat King Cole, Ray wird immer wieder auf die Daten des Charles und den Rolling Stones. Katasters und des Grundbuchs zurück- gegriffen. Darstellung von Leitungen, Auch hier in der Südoststeiermark haben Gebäudeadressen oder der Flächen- wir eine „Route 66“. Abgesehen davon, widmungsplan bauen ebenfalls auf dass diese Straße hierzulande nicht den den Kataster auf. klingenden Namen „Route 66“ trägt, son- dern schlicht und einfach „Bundesstraße 66“ genannt wird. Sie führt ca. 50 km lang quer durch das Vulkanland, von Ilz bis Straden. Ich bin an dieser Straße aufgewachsen, mit dem Postbus auf dieser Straße zur Schule gefahren, später mit dem 7
LEBENSKULTUR „RGB-Jazzcafe“ traten im Rahmen der Feldbacher Som- merspiele vor dem damals noch geöffneten Cafe Pfister auf: (v.l.n.r.): Erich Liendl - Trompete / Josef Ferder - Gesang, Gitarre / Oswald Valda - Gesang, Gitarre / Johann Ortauf - Schlagzeug / Alois Raidl - Gesang, Bass Moped ins Seebad Riegersburg. Damals war das Verkehrsaufkommen noch so ge- ring, dass man unbehelligt am Straßenrad B 66 [B SIXTY SIX] – GLEICHENBERGER BUNDESSTRASSE (ALOIS RAIDL) entlang zu Fuß gehen konnte. Zu dieser Zeit war die Südoststeiermark touristisch Wenn du Fohr`st los drüb`n in Ilz gesehen noch ein weißer Fleck auf der wieder plan`st weiter Wolkersdorf (Ülz) Landkarte. a Ausflugsfohrt Neustift über`d Leit`n, kumm in den Osten, siag`st die Riegersburg von`d Weit`n Heute heißt unsere Region „Vulkanland“ in die Süd-Oststeiermork du siagst Feldbach und und lockt als „Genussregion“ Jahr für a guata Tipp, Bad Gleichenberg Jahr hunderttausende Besucher in die fohr auf der B66 Taxberg und durch die Klausen, Südoststeiermark. Längst ist aus der be- bleib steh`n mol auf a Jaus`n schaulichen Landstraße „B66“ die pul- Sie geht Dirnbach, Stainz, Haag Hof und sierende Zentralader des Vulkanlandes von Ilz Strod´n geworden. Im Gegensatz zur „Route 66“, bis nach Strod`n (Ülz) welche ihre Bekanntheit schön langsam so circa 50 Wos sogs`t du, einbüßt und über Teilstrecken gar nicht Kilometer wird`s sie hob`n zu diesem mehr befahrbar ist, hat die „B66“ in den des is fost nix, guaten Tipp letzten Jahren enorm an Bedeutung ge- fohr auf der B66 dem steirischen wonnen. Vulkanland-Trip kumm moch an Trip Grund genug für uns als „RGB-Jazzcafe“, auf der B66 unserer steirischen „Route 66“ einen Song zu widmen. 8 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON HANNES GLANZ Neues vom Autor Hannes Glanz unter www.hannes-glanz.at Ein Platz ist mein Universum Die Essenz von 3.660 Kilometern durch Deutschland „Du fährst allein nach Deutschland? Organisation – Die Möglichkeit ist es unter seinem kunstvoll geschwungenen Über zwei Wochen?? Und noch dazu mit entscheidend, nicht das Problem Schnauzbart hervor. Ich hatte die Frage dem Auto???“ nach einer Alternative noch nicht verba- Ich liebe meine Reisen. Neue Eindrücke, Der Erste dieser Menschen war der Besit- lisiert, zog er schon einen Stadtplan her- der kleine Hauch eines Abenteuers, das zer des Hotels 3 Lilien in Wiesbaden. Die vor, auf dem ein paar Straßen vom Hotel Bei-mir-selbst-Sein. Unterwegs spüre ich Kurstadt in Hessen war nur als Zwischen- entfernt ein eingekreistes „X“ prangte. eine Gegenwärtigkeit, deren Intensität station für eine Übernachtung eingeplant, „Dort ist die Tiefgarage des Hotels“, er- nichts Vergleichbares kennt. Kleinigkeiten um die einzelnen Streckenabschnitte klärte der Mann. „Die Nummer 13 ist für werden durch die gesteigerte Achtsamkeit nicht allzu lang werden zu lassen. 500 Ki- Sie reserviert.“ nicht bloß bemerkt, sondern beinahe lie- lometer hatte ich mir als Richtwert selbst „Und wie lange gehe ich dann zurück“, bevoll angenommen. Geplante Reiseziele verordnet; war es laut Reiseroute deutlich fragte ich zweifelnd. Entfernungen an- dienen nur als große Klammern, die es mit weniger, würde ich Straßen abseits der hand von Stadtplänen abzuschätzen war Atmen, Spüren, Sehen und Hören zu fül- Autobahnen bevorzugen, um meinem Vor- eines meiner vielen nicht vorhandenen len gilt; mit Leben. satz, Geschwindigkeit sollte die mir gebo- Talente. Ein Seminar im Westerwald und eine or- tenen Bilder nicht erdrücken, gerecht zu „Ach, bloß eine knappe Viertelstunde“, thopädische Neuentwicklung in Berlin wa- werden. erwiderte er heiter. ren die zwei Klammern, zwischen denen Diese Antwort ließ in meinem Kopf mehre- von Mitte Mai bis Anfang Juni dieses Jah- Ein Mann Mitte Sechzig erschien neben re Warnleuchten gleichzeitig anspringen. res so viel Freiheit lag. Für Begegnungen meinem Auto in einer schmalen Gasse in Zeitangaben über fußläufige Wege sind mit lange nicht gesehenen Freunden, das der Wiesbadener Innenstadt, um meinen in meinem Fall weiter von der Wahrheit Entdecken von bislang unbekannten Plät- Koffer zu übernehmen. entfernt als manche Tweets von Donald zen und Menschen. „Hier können Sie aber nicht parken“, kam Trump. Mein Verhältnis zu Tiefga- 9
LEBENSKULTUR ragen ist seit jeher, nun ja, konfliktreich. knappen Hinweis vermieden habe. Einfa- Monarchie, die Gebäude, die Plätze, sogar Und von meinem nicht vorhandenen Ori- che Lösungen ersparen nicht nur Stress, die Straßenbahn. Ich erreiche den Bota- entierungssinn rede ich besser gar nicht; sie sind auch effizient. Sowie der simple nischen Garten und lasse mich auf einer dem Erfinder funktionierender Navis werde Satz „Bitte helfen Sie mir.“ Bank nieder, von wo ich jenen Platz, den ich bis an mein Lebensende in grenzen- ich soeben umrundet habe, zur Gänze loser Dankbarkeit verbunden sein. Aber Rückschläge – Verstellen sie den Blick überblicken kann. Meine Augen folgen gleich an meinem ersten Tag in Deutsch- nach vorn? einem alten Mann, der schwerer an den land einen Strafzettel zu riskieren, fühl- Jahren als an seiner Einkaufstasche zu te sich auch nicht sonderlich prickelnd „Was machst du, wenn etwas passiert?“ tragen scheint. Sie wandern weiter zu ei- an. Also seufzte ich ergeben und machte Diese Frage höre ich vor Antritt einer Rei- ner jungen Frau mit Kinderwagen, deren mich auf den Weg zur Garage. Dass ich die se des Öfteren. Meine Antwort darauf ist Aufmerksamkeit mehr ihrem Mobiltelefon Wiesbadener Unterwelt dann doch nicht immer gleich: „Ich kümmere mich darum, als ihrem Schützling gilt. Ein Vorurteil erkunden musste, war vielleicht meinem wenn es soweit ist.“ klopft leise an, aber weiß ich, was ich Glück geschuldet, das mir auf Reisen zu- Dieser Grundsatz schließt Enttäuschun- glauben will? Am heutigen, perfekten Tag meist hold ist; einen Gutteil schreibe ich gen ebenso aus wie die unmögliche Er- gelingt es mir, das einzige wahre Urteil aber der Aufmerksamkeit zu. Gleich am wartung, auf einer so langen Reise müsse abzugeben: Ich sehe eine Frau, die tele- Beginn der schmalen Gasse, in der das Ho- alles glatt gehen. In Lüneburg stürzte foniert, das ist alles. Ich rieche den Duft tel liegt, erspähte ich drei Behinderten- ich während der Stadtführung über einen der Blumen, höre das Summen der Bienen parkplätze nebeneinander, alle frei. Dem Stein, in Berlin wurde mir die übergroße rund um ihre Blüten, verliere mich in den Hotelier sah ich den nicht gegebenen Hin- Tagesdecke im Hotelzimmer und in der zahllosen Farben und Formen des Gartens. weis nach; wer nicht auf diese sehr prakti- Folge ein Wandregal, mit dem meine Nase Das Kaleidoskop dieses Platzes ist wie ein sche Einrichtung angewiesen ist, hat auch unliebsame Bekanntschaft machte, zum Spiegelbild meiner ganzen Reise. Mein Be- keinen Blick dafür. Verhängnis. Aber was soll’s? Ich bin im- wegungsradius zu Fuß mag eingeschränkt „So schnell hatte ich Sie gar nicht zurück mer wieder aufgestanden. Zwar musste ich sein, doch die Langsamkeit meines Fort- erwartet“, meinte der Schnauzbart dann die anderen Teilnehmer der Führung laut- kommens schenkt mir im Gegenzug inten- auch, nachdem er mir wenige Minuten stark davon abhalten, mich zu vierteilen, sive Momente des Beobachtens, Erken- später erneut öffnete. weil gefühlt alle in dem gut gemeinten nens, Wahrnehmens. Bis heute spüre ich „Ich mich auch nicht“, erwiderte ich lä- Versuch, mir aufzuhelfen, gleichzeitig in die kräftigen Hände der Menschen, die mir chelnd und trat ein. Es war der erste verschiedene Richtungen zogen. Und das in Lüneburg wieder auf die Beine geholfen Glücksfall, und viele weitere sollten fol- tiefe Cut auf meiner Nase ließ sich nicht haben. Vor meinem inneren Auge sehe ich gen. einmal mit einer Sonnenbrille verstecken. das verschmitzte Lächeln des Hoteliers Dennoch – und das ist wichtig – zählen in Wiesbaden, nachdem ich von meiner Glück ist aber auch – davon bin ich seit auch diese Unfälle zu den positiven, Kraft Abkürzung berichtet hatte. Und mein Ohr jeher überzeugt – eine Folge guter Vor- spendenden Erfahrungen; schlicht des- hört das peinlich-metallische Kreischen bereitung. Ich hatte bei sämtlichen Ho- halb, weil ich sie gemeistert habe. von Beton auf Autoblech, als ich die Säu- telbuchungen auf meine Behinderung Entscheidend ist hierbei die Frage „Was le einer Berliner Tiefgarage in einem zu hingewiesen, verbunden mit der Bitte kann ich sofort tun?“ Sie verhindert Frust engen Radius umkurven will. Es war die „um wenige Treppen und kurze Gehwege“. und auch die Angst, dass wieder etwas einzige Unachtsamkeit in siebzehn Tagen. Überall wurde mir dies zugesagt; wo es passieren könnte, vielleicht sogar Schlim- Mein Verhältnis zu Tiefgaragen wird kon- nicht möglich war (wie in Wiesbaden), er- meres. Verloren habe ich erst, wenn ich fliktreich bleiben; manche Dinge ändern ledigte eine helfende Hand alles Notwen- mir die Erfüllung eines Wunsches aus sich eben nie. Auch nicht auf Reisen. dige. In Berlin, Dortmund und Hamburg Angst nicht mehr zutraue. genoss ich das Privileg eines perfekt ad- aptierten Hotelzimmers, das von der be- Essenz – Ein Platz ist mein Universum gehbaren Dusche bis zum niedrigen Bett sämtliche Bedürfnisse erfüllte. Falsche Ein Tagesausflug nach Pilsen, kurz vor Scham ist hier völlig fehl am Platz. Wenn Ende meiner Reise. An einem herrlichen ich um einer (ohnehin nicht vorhande- Frühsommertag genieße ich Kaffee und nen) Normalität willen die für den Erhalt Kuchen auf der Terrasse eines Cafés ober- eines solchen Zimmers notwendige Infor- halb des Flussufers. Die Menschen um mation nicht weitergebe, ärgere ich mich mich sind entspannt wie ich selbst. Bald zuerst über die Probleme, die möglicher- verabschiede ich mich und spaziere, jeden weise auf mich warten, und danach über Schritt schätzend, in Richtung Stadtzen- mich selbst, dass ich sie nicht durch einen trum. Alles hier atmet altösterreichische 10 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON FRANZ JURECEK Das Navi in der Grenzenlosigkeit Neil, Buzz und Mike waren etwas ver- richtung zwölf Minuten lang.“ Nach dem einmal aus dem Navi, dann hörte man unsichert, als vor fünfzig Jahren unge- Erreichen des Orbits hieß es: „Biegen Sie 76 Stunden lang nichts. Die Astronauten fähr hundert Meter unter ihnen die Trieb- rechts ab und folgen Sie der Erdkrümmung dachten noch, wenn der Mond größer werke der Saturnrakete gezündet wurden. 60.000 Kilometer lang.“ „Der Erdumfang wird, muss das Ding recht haben. Sie waren auf dem Weg zum Mond, den beträgt nur 40.000 Kilometer“, warf Mike konnten sie zwar nicht verfehlen, denn ein. „Wir umrunden den Globus einein- Knapp vor dem Mond erwachte das Navi er war gut sichtbar, aber nur in der halbmal“, entgegnete ihm Neil. wieder: „Sie haben…“ begann die Frau- Nacht, sie starteten aber bei Tageslicht. enstimme und verstummte. „Was ist Sie ließen die Erde hinter sich, die fein Das Navi war in der Grenzenlosigkeit los?“, fragte Buzz. „Wir sind auf der säuberlich in Längen- und Breitengrade des Weltalls etwas verunsichert: „Beim dunklen Seite des Mondes, dort gibt es eingeteilt war und wo das Festland mit nächsten Kreisverkehr nehmen Sie die keine Funkverbindung“, klärte in Neil Grenzen überzogen war. Wenn man diese zweite Ausfahrt in Richtung Mond.“ Jetzt auf. Als sie wieder auf der erdzugewand- Erde verlässt, benötigt man schon einige wurden die Astronauten etwas unruhig: ten Seite ankamen, meldete sich ihre Orientierungspunkte. Einen Routenplaner „Wo ist ein Kreisverkehr? Was ist über- imaginäre Begleiterin wieder: „Sie ha- gab es damals noch nicht. Unbestätigten haupt ein Kreisverkehr, gibt es so etwas ben Ihr Ziel erreicht, landen Sie … (kur- Gerüchten zufolge soll aber ein Navigati- im Jahr 1969?“, hörte man Mike und Buzz ze Pause) irgendwo.“ onsgerät an Bord gewesen sein. fragen. Neil beruhigte sie: „Das Ding ist geeicht, das wird schon wissen, was es Jetzt wurde erstmals Neil unrund: „Was Die drei waren ziemlich genervt, als sich sagt“. Er hoffte das wenigstens, war aber heißt irgendwo, wo ist das?“ „Die haben eine Frauenstimme (eine Frau am Steuer auch etwas verunsichert. keine Straßennamen auf dem Mond und war damals noch suspekt) mit folgenden „Nehmen Sie die zweite Ausfahrt in Rich- schon gar keine Hausnummer“, wandte Worten meldete: „Steigen Sie senkrecht tung Mond und verfolgen Sie die Strecke Mike ein. „Na gut“, meinte Neil, „dann auf und verfolgen Sie die vertikale Flug- 384.000 Kilometer lang“, tönte es noch lande ich irgendwo, und das Ding bleibt an Bord.“ „Und wenn euch etwas pas- siert?“, Mike war beunruhigt. „Was soll passieren, es gibt keine Kreuzungen, keine Ampeln und keinen Gegenverkehr.“ „Was ist, wenn du im Treibsand lan- dest?“ „Treibsand, so ein Blödsinn, hast du schon jemanden auf dem Mond im Treibsand versinken gesehen?“ Wo Neil recht hatte, hatte er recht. Buzz schaltete sich ein: „Weiß das Navi, wo Sand und wo fester Untergrund ist?“ „Nur wenn dort eine Hausnummer ist“, spottete Neil, „steig in die Landefäh- re, ich fliege dich runter.“ „Was heißt runter, im Weltall gibt es kein oben und kein unten.“ „Ich fliege dich in Richtung Mondoberfläche, aber ohne Navi, okay“. Mike nahm resignierend zur Kenntnis, 11
LEBENSKULTUR VON STEFAN PREININGER Rote Linien ... ... oder was der Klimawandel mit Verteilung zu tun hat Für jeden und jede von uns gibt es gesundheitsschädigend ist. So, und weil rote Linien, die wir nie freiwillig über- Sie so sehr an Ihrem Beruf hängen, stel- schreiten würden. Die eigene Vorstellung len Sie sich gelegentlich auf 16-Stunden- des Zumutbaren und Erträglichen ist für Tage in einem desolaten, einsturzgefähr- uns persönlich mehr oder weniger klar deten Gebäude ein. Sie wollen sich be- dass das Navigationsgerät an Bord definiert. Schwieriger wird es, wenn wir schweren? Wir verbieten Betriebsräte und blieb und dachte noch, er sei wenig- diese Grenzen auf andere Menschen pro- Gewerkschaften. Fordern Sie Ihre Rechte stens nicht so allein. Er war nicht, jizieren, insbesondere, wenn diese uns dennoch ein, so verprügeln wir Sie. Und wie später oft geschrieben wurde, der unbekannt sind. aus dem halben Lohn wird nichts, Sie be- einsamste Mensch der Welt, als er den kommen ab sofort zwei Euro die Stunde, Mond umkreiste. Immer wieder wurde Stellen Sie sich den hypothetischen Fall basta! er aufgefordert, den Kurs in Richtung vor, dass sich Ihr Beruf grundlegend Erde zu nehmen, denn versehentlich verändert. Sagen wir, aufgrund der wirt- Wo war der Moment, an dem Sie gekündigt hatte er auf „nach Hause navigieren“ schaftlich schlechten Situation erhöht hätten? Bringt aber nichts, weil jeder Job gedrückt. Immer wenn er sich auf der sich Ihre tägliche Arbeitszeit auf 12 in Ihrem Land genau das gleiche bietet. dunklen Seite des Mondes befand, wo Stunden, dauerhaft. Kein Problem, Sie Sie können damit Ihre Familie nicht er- nur Stille und unendliche Dunkelheit lieben Ihren Beruf? Wir spielen das Spiel nähren, sagen Sie? Das tut uns leid, aber herrschte, hörte er: „Neuberechnung weiter. Nun arbeiten Sie auch noch am wandern Sie doch gefälligst aus, Sie Wirt- der Route.“ Wochenende. Nur jeder zweite Sonntag schaftsflüchtling! Oder nehmen Sie sich ist frei. Geht noch? Dann streichen wir doch, was Mutter Natur uns gibt. Oje, Neil setzte inzwischen seelenruhig Ihnen noch den halben Lohn. Und da- geht auch nicht, denn Ihren Wald haben per Handsteuerung auf der Mondober- nach auch noch die Sozialversicherung, wir gerodet und Ihre Flüsse vergiftet. Das fläche auf und betrat wenig später und das, obwohl Ihre Arbeit höchstgradig hat sich für uns ausgezahlt! den Mond. Zunächst wollte er sa- gen: „Wir haben es auch ohne Navi geschafft“, er sagte dann aber doch den Spruch mit dem kleinen und dem Stefan Preininger betreibt unter großen Schritt, zumindest wurde dies dem Leitsatz „Mode mit dem von der NASA so weitergegeben. fairen Unterschied“ das Modegeschäft „Stoffwechsel“. Beim Rückflug unterhielten sich die Stoffwechsel, Ungarstraße 6, drei darüber, dass ein Navigationsge- 8330 Feldbach, und Hofgasse 3, rät auf dem Mond keinen Sinn hat, 8010 Graz, Tel.: 0650/2237570, da es dort keine Orte, keine Straßen, office@stoffwechsel.at,ww.stoff- aber auch keine Grenzen gab. Nicht wechsel.at, www.facebook.com/ einmal Thujenhecken, die Grenze des stoffwechsel-mode kleinen Mannes, waren vorhanden. Man konnte auch in kein anderes Land flüchten, denn es war keines da. In einer solchen Gegend fühlt sich der Mensch nicht wohl, deshalb hat er auch seit den siebziger Jahren den Mond nicht mehr betreten. Und das Navigationsgerät wurde für © Fashion Revolution Foundation. © Ernst Michael Preininger viele Jahre auf Eis gelegt. 12 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
Seien wir uns ehrlich, Sie haben Ihre würde ich ja verrückt werden. Denken Umfeldes koppelt. Es ist leichter, etwas persönliche rote Linie sehr früh gezogen. darfst nicht. zu hassen, dem man nicht in die Augen Dennoch ist es den meisten Menschen in schauen kann. Distanz und Entmensch- ihrem täglichen Konsumverhalten egal, Der Philosoph Antonio Gramsci beschrieb lichung sind für uns heute zu zentralen dass andere Menschen unter genau diesen eine Krise darin, dass das Alte stirbt und Überlebensstrategien geworden, in einer Bedingungen arbeiten müssen, um uns das Neue nicht geboren werden kann. zu komplexen Welt, die uns überfordert. mit billigen Konsumgütern zu versorgen. Im Angesicht der uns immer bewusster Das macht es für uns möglich und er- Ein paar Fakten gefällig? 99 % der Ar- werdenden ökologischen Grenzen kommt träglich, einfach nichts zu ändern. Das beiterinnen und Arbeiter im Textilsektor, diese Beschreibung einem quälenden Neue kann nicht geboren werden. Dabei dem weltweit arbeitsintensivsten Sek- Ohnmachtsgefühl gleich, als würden wir überschreiten wir ständig rote Linien, als tor, arbeiten unter diesen Bedingungen. kollektiv kurz vor dem Abgrund noch ein- Individuen und als Teil eines Politik- und Ähnlich ergeht es Menschen im Berg- mal kräftig aufs Gas treten. Oder ist alles Wirtschaftssystems. bau, etwa für die Herstellung unserer einfach noch zu weit weg? Im Moment smarten Endgeräte oder unserer intelli- geht es doch noch um brennende brasili- Ja genau, wir! In Österreich begingen genten Autos, oder am Bau, zum Beispiel anische Regenwälder und um Brasilianer, wir heuer den Welterschöpfungstag be- für die nächste Fußball-WM, oder auf den oder um irgendeine versinkende Pazifik- reits am 9. April und haben damit unsere Kakao- oder Bananenplantagen, oder im insel mit irgendwelchen Pazifikleuten, für dieses Jahr zur Verfügung stehenden Erdölsektor, der Grundlage für beinahe die wir nie kennenlernen werden. Haben Ressourcen aufgebraucht. Bereits heute all unsere Konsumgüter, oder … na aber Sie schon mal probiert, nicht zurück- haben weltweit vier Fünftel aller bewaff- bitte, jetzt hör ma aber mal auf! Das will zulächeln, wenn Sie jemand anlächelt? neten Konflikte ihre eigentliche Ursache man ja gar nicht wissen! Wenn ich mir Man nennt das „Limbische Synchroni- in Ressourcenkonflikten. In Verbindung jeden Tag vorstellen müsste, dass mein tät“, eine Spontanreaktion, bei der sich mit dem massiven Verlust an Lebensräu- Schnitzel aus Schwein gemacht wurde, unser Gehirn sozusagen an das unseres men können wir davon ausgehen, © Fashion Revolution Foundation. © Fashion Revolution Foundation. 13
LEBENSKULTUR dass sich die globalen Migrationsbewe- Sie etwa gedacht, unser Wohlstand grün- gen. Ich wünsche mir eine Welt, in der gungen vervielfachen werden. Dagegen de auf fleißiger Arbeit? Menschen nicht dafür belohnt werden, helfen weder Zäune noch Lederhosen. Diese Verteilungsasymmetrien sind je- dass sie betrügen, ausbeuten und zerstö- doch nicht nur global eine Herausfor- ren, sondern eine Welt, in der das Ge- Dennoch tun wir munter weitherhin so, derung, sondern finden sich auch auf meinwohl und der Erhalt unserer wertvol- als wären unsere Ressourcen unbegrenzt lokaler Ebene wieder. Geld und Einfluss len Ökosysteme im Vordergrund stehen. und frei und ohne Rücksicht auf andere berechtigen nicht nur zum Ausschluss Ich wünsche mir, dass wir uns nicht mehr verfügbar. Der Ökonom Arthur Cecil Pi- breiter Bevölkerungsgruppen aus dem über Wachstum an Erfolg oder Wohl- gou brachte in den 1920er Jahren ein Genuss und der Nutzung öffentlicher stand definieren, sondern darüber, wie anschauliches Beispiel für einen Fall, in Güter. Sie dienen auch als Rechtferti- sehr wir das Vorhandene genießen und dem der Markt durch Ausgrenzung von gung für einen großzügigen Beitrag zu wertschätzen können, und dadurch als Umweltfaktoren versagt hat. Stellen Sie Umweltzerstörung und Klimawandel. Persönlichkeiten wachsen. Der drohende sich eine Fabrik vor, die an einem Fluss Die Korrelation zwischen Wohlstand und Klimakollaps und die enorme soziale Un- errichtet wird. Bei der Herstellung von CO2-Ausstoß ist evident. Die Konsequen- gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Me- Produkten wird das Abwasser wieder zu- zen jedoch tragen die Fischer in Pigous daille. Nur wenn wir das erkennen, kann rück in den Fluss geleitet. Weiter unten Beispiel, diejenigen, die ohne Recht und das Neue geboren werden! am Fluss lebt ein Fischer. Die Abwässer Mittel sind. ruinieren seinen Fang, obwohl die Leute gerne seinen Fisch kaufen würden. Der Ein kleiner Auftrag für das Verfassen des Fisch wird teurer und die Fabrikswaren vorliegenden Artikels war, Lösungsan- billiger. Der Preis spiegelt nicht die Kos- sätze für Umwelt- und Klimaprobleme zu ten wider, weil die Verschmutzung durch skizzieren. Bitteschön: Hören wir auf, die Abwässer nicht berücksichtigt wird. unsere persönlichen Geltungsbedürfnisse Der Markt hat versagt. In unserem Wirt- auf Kosten anderer zu befriedigen! Denn schaftssystem ist dieses Versagen jedoch ich wünsche mir eine Welt, in der Men- aktuell die Norm und nicht die Ausnah- schen nicht aufgrund ihrer kleingeistigen me. Des einen Freiheit endet dort, wo des materiellen Besitztümer oder Machtposi- anderen Freiheit beginnt. Gestehen wir tionen bewundert werden, sondern dafür, uns wenigsten ein, dass wir global gese- was sie zu einer friedvollen, nachhalti- hen die Fabriksbesitzer sind. Oder haben gen und gerechten Gesellschaft beitra- © Fashion Revolution Foundation. 14 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON HEIMO MATH Die Linie . La Linea Auf geraden Linien untergehen … „Die gerade Linie ist … unmoralisch. die feindlichen Linien durchbrechen, in Die gerade Linie ist keine schöpferische, vorderster Linie stehen, keine klare Linie sondern eine reproduktive Linie. In ihr erkennen lassen, auf ganzer Linie versa- wohnt weniger Gott und menschlicher gen, und so weiter. Geist als vielmehr die … gehirnlose Mas- senameise.“ (1958) In der Architektur trennt die Linie zwei „Jetzt haben wir das Glatte. Auf dem Welten: In der Natur findet man kaum Glatten rutscht alles aus. Auch der liebe eine gerade Linie. Es ist der Mensch, der Gott fällt hin. Denn die gerade Linie ist die exakte, gerade Linie einführte und gottlos … die gerade Linie ist dem Men- zum hohen Ziel des Anspruches stilisier- schen, dem Leben, der gesamten Schöp- te. So groß der Reiz und die Verfolgung fung wesensfremd.“ (1968) von geraden Linien ist, so perfekt um- geht die Natur diese kaum schaffbaren Was ist diese „gerade Linie“, die den Vorgaben mit präzisen Vertikalen und Künstler … Friedensreich Hundertwasser Horizontalen. In der Natur finden sich dermaßen in Rage bringt, dass er darin Linien (Kanten), die sich als Zäsur von die Gottlosigkeit erkennt? Licht und Schatten, Vordergrund und Tie- Architekt DI Heimo Math ist fe, im Betrachtungsfeld des Menschen u.a. als bautechnischer Ein längerer, gerader oder gekrümmter abzeichnen und gerade keine genauen Sachverständiger für die Strich ist eine Linie. Die „Linie“ begegnet scharfkantigen Linien ergeben. Der Ho- Stadtgemeinde Feldbach tätig. uns in verschiedensten Lebenslagen: die rizont zeichnet eine Linie zwischen zwei DI Heimo Math Architektur, schlanke Linie, in Schlangenlinien fah- wesentlichen Tiefen, dem Begreifbaren Franz-Josef-Straße 12a, ren nach übermäßigem Alkoholkonsum, und der Unendlichkeit des Himmels. 8330 Feldbach, die Straßenbahnlinie Nr. 7, jemanden Tel.: 03152/4372, auf Linie bringen, in gerader Linie ver- Es ist gerade diese von der Natur gepräg- büro@math.at, www.math.at erben, den Ball über die Linie schlagen, te Sichtweise, die Baukünstler 15
LEBENSKULTUR Fotos New Yorker Stadtfluchten © Heimo Math wie Hundertwasser, Gaudi, usw. prägten. Hilfsmitteln möglich: Raster von Beton- Der Mensch, der immer noch von seiner stützen ersetzten plötzlich die Funktion steinzeitlichen Prägung bestimmt sei, von tragenden Mauern, (Flach-)Dächer verliere in einer Umgebung von perfek- ermöglichten plötzlich zusätzliche Nutz- ten Geraden, exakten geometrischen flächen (Gärten), wie auch der Weg- Zuschnitten, stereotypen Rastern, seine fall von tragenden Mauern eine freiere Sicherheit und Identität. Grundrissgestaltung und offenere Räume, Dem gegenüber gab es als Folge der In- es kamen Fassaden durchschneidende dustrialisierung die Moderne in der Ar- Langfenster, die gleichmäßig mit Licht chitektur, die von Architekten wie etwa versorgten, technisch herausfordernde Le Corbusier geprägt war (siehe Foto r.u.: Vorhangfassaden und so weiter. Cité Frugès/Pessac, 1924-1926). Sie sa- hen in der Askese das Hervorbringen von Was letztlich gefällt, obliegt dem Be- Kultur, Klarheit, Rationalität und Funkti- trachter. Der Diskurs ist nicht beendet onalität. Die Linie und ihre Entwicklung und wird jeden Tag aufs Neue in der Bau- bis zur exakten geradlinigen Perfektion kunst geführt. Es ist die Freiheit eines war nur mit entsprechenden technischen jeden, seine Linie zu finden. 16 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
VON DORIS BUCHE-REISINGER Mein zeitge- nössischer Tanz Der zeitgenössische Tanz hat sehr jekt von mir widmet sich dem Klang und viele Erscheinungsformen, beispielsweise Rhythmus eines selbstgebauten Musikin- vom Tanztheater über Konzeptkunst und strumentes, um zeitgenössischen Tanz an Performance hin zu Modern Dance, New einem Ort der Mensch- und Naturverbun- Dance und Physical Theatre. Johannes denheit entstehen zu lassen. Odenthal beschreibt ihn so: „Der zeitge- nössische Tanz versteht sich nicht auf der Als Tanzpädagogin gebe ich in einem Basis nur einer Technik oder ästhetischen Tanzkurs die Aufgabenstellung, Linien Form, sondern aus der Vielfalt heraus. Er und runde Formen mit Körperteilen, wie sucht Grenzüberschreitungen zwischen Armen oder Beinen, in den Raum zu ma- den Künsten und bricht immer wieder mit len. Die geraden Linien sind gegensätzlich vorhandenen Formen. Zeitgenössischer zu den kreisenden Formen – beispielswei- Tanz in diesem Sinne hat eine offene se eine geschwungene Acht. Dazu spielt Struktur, die sich bewusst von festgeleg- Musik, die die Dynamik der Bewegungen ten, linearen Entwürfen der Klassik und unterstützt. Habe ich nun vielleicht Ihr Moderne absetzt.“ Interesse, sich zu bewegen, geweckt? Die gebürtige Feldbacherin Mein zeitgenössischer Tanz ist vielfältig Doris Buche-Reisinger ist bewegt, die Musik-, Kostüm- und Raum- Mit tänzerischer Dynamik möchte ich Sie Tänzerin/Choreografin und Tanz- auswahl sind mir ebenso wichtig wie die in mein getanztes Leben mitnehmen. Die- pädagogin. Sie lebt derzeit inhaltliche Auseinandersetzung mit einer ses Jahr zeigte ich vor einem wunderbaren in Straßburg/Frankreich. Thematik. Meine Solokreationen „Fried- Publikum meinen Solotanzabend „Dan- volles Wasser“ und „Blumen für Klimt“ se moderne“ im Rahmen der Feldbacher Foto: „Blumen für Klimt“, beinhalten neben der strukturierten Sommerspiele. Mit dem Ferien(s)-pass Lieu d’Europe in Straßburg Choreographie viele improvisatorische konnte ein Kindertanzworkshop der jun- Elemente. Ein in Arbeit befindliches Pro- gen Generation Einblick in den 17
LEBENSKULTUR zeitgenössischen Tanz geben. An dieser Aber es ist auch ein Austausch inner- Liebe Frau Dr. Licht, gestatten Sie bit- Stelle möchte ich auch auf die aktuelle halb oder mit dieser, unserer Gesell- te, dass ich mich mit einer für mich nicht Ausstellung „Alles tanzt. Kosmos Wie- schaft. Das Improvisieren, das sich frei ganz unwesentlichen Frage an Sie wende, ner Tanzmoderne“ (bis 10.2.2020) im und spontan Bewegen, ist oft ein erster ja mehr noch, mit einem Anliegen, sollte Theatermuseum in Wien hinweisen, wo Einstieg in den Prozess einer Tanzge- ich wohl sagen. Sie gehören ja in gewis- ich im April mit Eva Lajko eine kreative staltung, einer Choreographie. Dabei ser Weise zum Team, zur Redaktion dieses Präsentation des Chladek®System (Lec- kann der tanzende Mensch beispiels- ganz wunderbaren Magazins, das ja nicht ture Demonstration) zeigte. Wien zählte weise etwas ausdrücken, etwas erleben, nur „Lebenskultur“ vermitteln möchte, im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sich mit einer bestimmten Energie in sondern in gewisser Weise auch „Lebens- zu den internationalen Zentren für Mo- einem Raum bewegen, Zeit und Verän- beratung“. Und gerade Sie, liebe Frau dernen Tanz. derungen wahrnehmen. Im Tanz liegt Dr. Licht, sind ja bekannt dafür, dass Sie Unzählige Tanzformen und -techniken alles – zwischen sich verlieren und sich ein offenes Ohr, ja geradezu ein offenes wie beispielsweise der Volkstanz, Hip wieder zu zentrieren: Das ist wunder- Herz haben, für die Sorgen vieler Men- Hop, Ballett, Gesellschaftstanz, Jazz- schön. In meinem Tanzunterricht finde schen. Und dass Sie gut zuhören können, Tanz, zeitgenössischer Tanz, Ausdrucks- ich es wichtig, den Menschen als Ge- wenn jemand Ihnen etwas erzählt, und tanz, Gaga, Historischer Tanz usw., samtpersönlichkeit wahrzunehmen und so oft einen guten Rat haben, und alle stehen uns heutzutage zur Verfügung. ganzheitliches Lernen zu ermöglichen. so positiv motivieren können. Also den Meine ersten Tanzschritte erlebte ich Sorgenvollen guten Mut in den Kopf und im Unterricht von Prof. Berti Handl Für mich ist im zeitgenössischen Tanz ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Auch (1922-2014) als siebenjährige Ballett- vor allem der kreative Mensch gefragt, ich weiß, dass Sie das so gut können, ich schülerin in Feldbach. Später studierte das heißt, sich nicht nur Tanzkombina- glaube, weil Sie selbst so fröhlich durchs ich klassischen Tanz bzw. „Tänzerische tionen anzueignen, sondern auch selber Leben gehen. Bewegungserziehung“ am Konservatori- Bewegungen und Tänze zu kreieren, um um der Stadt Wien (heute MUK: Musik ein lebendiges Kunstwerk zu erschaffen. Jetzt aber in eigener Sache, liebe Frau und Kunst, Privatuniversität der Stadt An dieser Stelle möchte ich Pina Bausch Dr. Licht, Sie werden mir da sicher zuhören Wien). Danach folgten Engagements als zitieren: „Mich interessiert nicht, wie und einen Rat wissen?! Also, vor vielen zeitgenössische Tänzerin und Choreo- die Menschen sich bewegen, sondern Jahren, Sie merken: Ich bin nicht mehr grafin im In- und Ausland. was sie bewegt“. Ohne das Publikum ganz so der Jüngste, obwohl ich mich Naturvölker integrieren Tänze in ihre kann diese Art von Tanz nicht leben. In keineswegs alt fühle ... wie immer ... als Rituale, und noch viel weiter blicke ich den größeren Städten werden verstärkt ich jung war, da habe ich mich eigentlich in die Tanzgeschichte zurück, wenn ich auch Amateure in künstlerische Projekte überhaupt nicht mit ... „später“ befasst. Augustinus* zitiere: „O Mensch lerne einbezogen. Großartig finde ich, wenn Das ist auch gut und richtig so, denke ich, tanzen, sonst wissen die Engel im Him- Kinder bereits früh Tanz und künstleri- weil warum sollte ein junger Mensch das mel mit dir nichts anzufangen.“ (*Au- sche Aktivitäten erfahren. auch tun? Und auch das Fortschreiten der gustinus Aurelius (354-430), Bischof Jahre – Ausbildung, Berufsleben, Haus, von Hippo, Philosoph, Kirchenvater und Hochzeit, Kinder, etc. – habe ich nicht da- Heiliger) mit verbunden, älter zu werden. Eigentlich tue ich das auch heute noch nicht. Doch Tanzen heißt für mich, den Körper wie ich befürchte, dass sich das schon bald än- ein musikalisches Instrument zu ver- dern könnte. wenden – spontan, mittels einer kleinen Einführung oder durch jahrzehntelange Im Laufe der Jahre – uh ... schon wieder so Erfahrung mit dem Tanz. Es geht vor ein Satzanfang – sind mir zwei, wie soll ich allem um die Lebensfreude und darum, sagen, recht markante Jahreszahlen unter- sich über dieses Medium mitzuteilen. gekommen. Zu der einen: Ich habe mich ja 18 LEBENSKULTUR, DAS MAGAZIN - STADT FELDBACH
LESERBRIEF AN DR. LUNA LICHT VON HANS KNIERIEM*(NAME VON DER REDAKTION GEÄNDERT) Zweitausendzwanzig immer mit Musik befasst, mit der wahren, ren ist, im Fernsehen, nur bei dem hat Lieber Herr Knieriem! guten und schönen, kein Kommerz, kein das natürlich runder geklungen, beim He- Schlager, keine Volksmusik, keine Klassik rauspressen, aber der hat ja auch gesun- Da haben Sie ja ganz schön was beiein- auch nicht, und eines Tages, es war so gen oder so etwas. Wie immer! Lang ist’s ander. Zumal Sie mir persönlich bekannt Ende der 80er- oder Anfang der 90er-Jah- her, dass mir das eingefallen ist: „Zwei- sind (ich habe Sie trotz Ihres Pseudonyms re, da hat eine meiner Lieblingsbands so tausendzwanzig“! Mit dem Zusatz: „Puh!“ erkannt), weiß ich, dass ich Ihnen die eine Art Gewinnspiel veranstaltet: „Win Weil wenn dieses Datum einmal auf dem Antwort darauf nur in einem persönli- Fall-CD 2010“. So lautete das Motto, und Kalender steht, da wird schon ganz schön chen Gespräch werde geben können. Viel- ich dachte mir: Mein Gott, 2010, wie weit viel Zeit vergangen sein. Aus meiner Sicht leicht passt da auch das eine oder andere weg ist das? Da fällt mir ein, der Sänger halt. Und jetzt ist es bald soweit. Und tat- Gläschen dazu, ohne dass wir es gleich so der Band, der ein wenig älter ist als ich, sächlich, wenn ich so zurückschaue: Un- wie der mir nicht bekannte Mark E. halten ist ja kürzlich verstorben. Da war wohl ein glaublich viel Zeit ist das gewesen, und müssen. In Ihrem Fall ist das sicher besser bisschen der Alkohol schuld, also dahinge- was da schon alles geschehen ist, und wie so, wenngleich es mir für die übrige Le- hend brauche ich keine Angst zu haben. viel mehr davon man schon vergessen hat. serschaft ein bisschen leid tut. Apropos: Und dann war es auf einmal soweit. 2010 Doch halt: Eigentlich müsste man sagen, Falls Sie auch Fragen haben, schicken Sie war da. Das habe ich, das kann ich Ihnen vergangen sein wird, weil, ein bisschen mir diese, wegen der Antworten ... naja, mit Stolz berichten, einfach weggesteckt. dauert es ja noch, bis dorthin. mal sehen. Jawohl! „Nicht einmal ignoriert“, wie man in Österreich sagt. CD habe ich übrigens Ich könnte da jetzt noch viel schreiben, Ihre keine gewonnen, war ja klar, ich habe ja liebe Frau Dr. Licht, doch ich möchte ja Dr. Luna Licht gar nicht mitgespielt. Tue ich auch sonst nicht, dass Sie so viel lesen müssen. Des- nicht, spielen. Ich glaube auch, dass das halb kürze ich jetzt ab, und frage Sie ... PS: Nur so viel zu Herrn ... „Knieriem“: gar kein Gewinnspiel gewesen ist, eher so Sie wissen ja, worum es mir geht ... also: Wegen des Kometen brauchen Sie sich ein kleiner Scherz, dafür war der gute Mark Wie soll ich umgehen, mit dem ganzen keine Sorgen zu machen, der kommt ganz E. ja bekannt. Aber falls Sie jemanden Schlamassel? Soll ich überhaupt was ma- sicher, irgendwann einmal, aber das geht kennen, der eine CD gewonnen hat, bitte chen? Ist das überhaupt ein Schlamassel? vorüber. sagen Sie es mir. Wie immer, liebe Frau Dr. Licht, tun Sie, was in Ihrer Macht steht, geben Sie Zur zweiten Jahreszahl, und jetzt kommt’s! mir eine gute Antwort, ich 2020, also: Zweitausendzwanzig! Die ist vertraue Ihnen. Tausend mir so etwa Ende der 90er-Jahre ins Ge- Dank im Voraus! Und dächtnis gerutscht. Viel früher also, als Ihnen schon jetzt diese Jahreszahl im Sprachgebrauch auf- ein schönes 2020 getaucht ist, damals waren ja alle mit dem („Zweitausend- Jahrtausendwechsel beschäftigt. Später zwanzig“, nicht hat dann einer unserer letzten Verteidi- „20-20“). gungsminister, der Name fällt mir gerade nicht ein, diese erwähnt. Der hat aber Herzlichst, Ihr immer von „20-20“ gesprochen, nie von Hans Knieriem „Zweitausendzwanzig“, und der hat das auch so richtig hinausgepresst, richtig zackig, militärisch halt. So ähnlich wie dieser deutsche Sänger, von dem mir der Name jetzt auch nicht einfällt, der aber irgendwann mit einem U-Boot mitgefah- 19
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