SOZIALER WOHNBAU - 2 Euro - Arge für Obdachlose
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Arge für Obdachlose Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten Ausgabe 160 ı MÄRZ 2015 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis 2 Euro SOZIALER WOHNBAU
IMPRESSUM LESERBRIEFE UND REAKTIONEN Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur kurse stattfinden, würde ich Euch bitten, die Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich Anmeldung zu einem Kurs für ihn zu über- als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen. nehmen. Die Kosten bitte einfach uns über- Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben mitteln und wir lassen Euch dann die not dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge- schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene wendigen Mittel zukommen. Liebe Grüße, bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach- Thomas Neuhauser (Anm. d. Red.: Mittler- lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion. weile kann sich Manfred über Wasser halten. Redaktion Er bedankt sich herzlich für diese Spende!) Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob- dachlose.at, www.kupfermuckn.at Origami-Sterne aus Kupfermuckn Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos: Viele Welserinnen und Welser kennen sie - die Heinz Zauner (hz), Chefredakteur Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion schwarzweiße Zeitung mit den gelben Akzen- Julia Kolar (jk), Leitung Redaktion ten, die in der Fußgängerzone oder vor großen Walter Hartl (wh), Layout, Technik Supermärkten verkauft wird. So mancher hat Redakteure: Angela, Anton, August, Bertl, Christine, schon seinen Stammverkäufer, bei dem er sich Christian, Claudia, Erich, Georg, Hannes, Hans, Mit Kupfermuckn-Leiberl in den USA jeden Monat eine Zeitung kauft. Die Kupfer- Helmut, Johannes, Manfred R., Manfred S., Romana, muckn war auch vielen unserer Schülerinnen Sonja, Ursula; freie Mitarbeiter: Gerald, Margit Bei unserer großen USA-Reise habe ich oft und Schüler ein Begriff, aber so richtig damit Titelfoto (jk): Redakteure in der Korefsiedlung das Kupfermuckn-Leiberl getragen. Ich bin beschäftigt haben sich nur wenige. Was steht Auflage: 32.000 auch darauf angesprochen worden. Hier ein da eigentlich drin? Wer schreibt die Artikel? Bild von mir auf der Golden Gate Bridge in Wer darf die Zeitung verkaufen? Und was Bankverbindung und Spendenkonto Arge Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 Linz San Francisco. Liebe Grüße und danke für passiert mit dem Erlös? Wir haben uns in der IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L eure gute Arbeit! Rudolf Mittelmann, Linz Vorweihnachtszeit intensiv mit eurer Zeitung und dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt. Zeitungsausgabe in Linz, Wels und Steyr Wohnungslose, sowie Menschen die in Armut leben und Sich über Wasser halten Fächerübergreifend wurde in elf Klassen von ihren Lebensmittelpunkt in Oberösterreich haben, kön- der zweiten bis zur achten Schulstufe darüber nen sich Montag bis Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei Liebes Kupfermuckn-Team, vielen Dank vor- gesprochen, diskutiert und informiert. Schüle- den Ausgabestellen melden und erhalten einen Verkäu- ferausweis. 50 Prozent des Verkaufspreises verbleiben weg einmal für die langjährige, tolle Arbeit, rinnen und Schüler wurden aufgefordert, sich den Verkäufern. die ihr für Menschen leistet, die es nicht so eine Kupfermuckn zu kaufen und sie zu lesen. Arge für Obdachlose, leicht im Leben haben. Ich weiß sehr genau Danach beteiligten sich alle an der Aktion Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel., 0732/770805-19 wovon ihr sprecht, da meine Vergangenheit Kupfermuckn-Sterne. Aus den gelesenen Zei- Soziales Wohnservice Wels, E 37, lange Zeit auch immer am Rande des Durch- tungen wurden über hundert Origami-Sterne Salzburgerstraße 46, 4600 Wels, Tel. 07242/290663 Verein Wohnen Steyr, B 29, kommens war. Ich hatte aber das große Glück, gefaltet, mit denen wir anschließend das Hessenplatz 3, 4400 Steyr, Tel. 07252/50 211 dass immer jemand hinter mir stand, um mich Schulhaus weihnachtlich schmückten. Wir aufzufangen, wenn etwas schief ging. Nach wollten mit unseren Sternen das Interesse der Medieninhaber und Herausgeber Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit- einer langen AMS Umschulung aufgrund ei- Leute wecken und über die Zeitschrift infor- zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, ner Berufskrankheit, bekam ich dann die mieren. Damit machten wir nicht nur auf das 4020 Linz, www.arge-obdachlose.at Chance, in der Betriebswirtschaft Fuß zu fas- Problem Obdachlosigkeit aufmerksam son- International sen und darf mich heute über ein sehr ange- dern rührten auch die Werbetrommel für die nehmes Leben freuen. Da ich aber meine Ver- Kupfermuckn. Die Schülerinnen und Schüler Die Kupfermuckn ist Mitglied beim »International Network gangenheit niemals vergessen habe, kaufe ich haben dabei etwas Wichtiges gelernt: Wir le- of Street Papers« INSP auch regelmäßig die Kupfermuckn. Mich ha- ben in einem der reichsten Länder der Welt, www.street-papers.com ben in der Ausgabe Dezember 2014 die Weih- trotzdem gibt es bei uns Menschen, die in Ar- nachtswünsche fasziniert, teilweise amüsiert mut leben. Menschen werden aus den ver- und in einem Fall auch tief betroffen. Der of- schiedensten Gründen obdachlos, gemeinsam fensichtlich größte Wunsch von Manfred R. haben sie nur, dass sie es nicht erwartet hätten. ist es, sich über Wasser zu halten – bei ihm Egal, ob jemand selbst für seine missliche sicherlich auch zweideutig gemeint, aber es Lage verantwortlich ist oder nicht, in unserem stellt doch einen sehr eindeutigen Wunsch dar. Land sollte kein Mensch auf der Straße schla- Meine Familie und ich würden daher sehr fen müssen. Dennoch übernachten in Oberös- gerne Manfred R. seinen Weihnachtswunsch terreich Obdachlose in Parks, Kellern, Stie- erfüllen und ihm einen Schwimmkurs in Linz genhäusern oder abgestellten Wagons. Im Na- samt den notwendigen Eintritten, Badehose, men aller Beteiligten wünsche ich euch wei- Badehaube und Verpflegung nach den terhin gutes Gelingen und viel Erfolg für eure Schwimmstunden bezahlen. Da ich aber keine Zeitung! Mag.a Anna Kirchweger, BRG Wal- Ahnung habe, wo und wann solche Schwimm- lererstraße Wels 2 03/2015
Wohnen ist ein Menschenrecht Persönliche Erfahrungen rund um den »sozialen Wohnbau« Steigende Mietpreise, Mindest- Mieter in meiner Siedlung unterschiedliche Sozialfall. Ich würde es gerecht finden, wenn Mietbeiträge zahlen, obwohl die Wohnungen Menschen, die sich in schwerer finanzieller sicherung wird nicht erhöht in etwa gleich groß sind. Die Größenunter- Notlage befinden, entweder vom Sozialamt schiede der Wohnungen betragen ungefähr mehr bekämen oder eine höhere Wohnbeihilfe Seit 2012 lebe ich in einer 42 m² großen Woh- zwei Quadratmeter. Kürzlich habe ich mit ei- beziehen könnten. Am besten wäre es, wenn nung, die der Wohnungsgenossenschaft GWG nigen Nachbarn geredet und als ich hörte, wie die Mieten gar nicht erhöht werden würden. gehört. Sie befindet sich im Stadtteil Münich- viel diese zahlen, ist mir fast der Atem wegge- Wenn das nämlich so weiter geht, leben bald holz. Es gefällt mir dort sehr gut und ich fühle blieben. Die eine Nachbarin zahlt um die viele Menschen auf der Straße. Soll das wirk- mich auch total wohl in meinen vier Wänden. Hälfte weniger als ich, der Nachbar im Ne- lich das Ziel unserer Regierung sein? Meiner Derzeit beträgt die Miete 308 Euro. Als ich benhaus zahlt den gleichen Betrag, obwohl Meinung nach sollte es sozial geförderte Woh- vor zwei Jahren eingezogen bin, waren es seine Wohnung zwei Quadratmeter kleiner ist nungen geben bzw. falls es sie gibt, sollte es noch 287 Euro. Zusätzlich bekomme ich 143 als meine. Würde ich noch ein paar Mieter mehr davon geben. Und es sollten bewohn- Euro Wohnbeihilfe und ein bisschen was von fragen, bekäme ich sicher ähnliche Angaben bare/wohnliche Wohnungen sein und nicht ir- der Mindestsicherung. Obwohl die Miete je- zur Miete – sie würden mehr oder weniger als gendwelche abgefuckten, schimmligen, des Jahr mehr ausmacht, werden weder die ich zahlen, bei gleicher Wohnungsgröße. Ich feuchten Wohnbauten. Davon werden Men- Mindestsicherung noch die Wohnbeihilfe er- lebe von der Sozialhilfe, bekomme nur das schen nur krank und das kostet unserem Staat höht. Ich habe einen sehr guten Kontakt zu Existenzminimum und finde das alles sehr wiederum viel Geld. Die Mieten sollten leist- meinen Nachbarn. Daher weiß ich, dass alle ungerecht. Sicher bin ich nicht der einzige bar sein. Es wäre angebracht, dass sich unsere 03/2015 3
haben. Ich habe draus gelernt und meine Kon- sequenzen gezogen. Das wird mir ganz sicher nicht mehr passieren. Zu allem Überdruss ist auch genau in den Jahren, in denen das Geld bei mir immer weniger geworden ist, die Miete für die Wohnung gestiegen. Schön lang- sam, kontinuierlich, und doch – sehr deutlich: Als ich in die Wohnung eingezogen bin, habe ich noch 3.000.- Schilling gezahlt. Zum Schluss – im letzten Jahr, als ich ohnehin schon kein Geld mehr gehabt habe - waren es dann schon stolze 300.- Euro und mehr! Und: Ich war leider noch nicht so gescheit, dass ich mich über verschiedene soziale Unterstüt- zungsangebote erkundigt hätte. Vielleicht war ich auch zu stolz, solche Hilfe anzunehmen und halt eben auch noch nicht so vernetzt wie ich es heute unter anderem dank der Kupfer- muckn bin. Die gute Frau Niederberger, die in der Heimstätte die »sozialen Belange« wahr- genommen hat (tut sie vielleicht immer noch), war so freundlich, mich darauf hinzuweisen, dass es so etwas wie eine Wohnbeihilfe des Landes OÖ gibt, und dass ich die beantragen könne. Mit dem Geld für das letzte halbe Jahr Wohnbeihilfe konnte dann auch der Mietrück- stand der letzten Monate beglichen werden. Als ich dann nach den drei Monaten der Kün- digungsfrist (ich habe selbst gekündigt) tat- sächlich ausgezogen bin, kam ich in die sehr Sozialer Wohnbau heute am Areal der ehemaligen Landesfrauenklinik spannende und zugleich in vielerlei Hinsicht sehr bereichernde Zeit der Obdachlosigkeit Politiker einmal etwas Ordentliches einfallen (nach dem Job bei der Diözese, der dann auch (von 2006 bis 2011), in die »Phase ohne lassen. Sie sollten auf einen Teil ihres ohnehin zu Ende gegangen ist) genug Geld für die Geld«. Johannes hohen Gehaltes verzichten. Da bliebe für uns Kaution und die Ablösung der Wohnungsein- genug übrig. Unsere »Vertreter« dürfen ja gra- richtung vorhanden und u.a. eine recht schöne, tis mit der Bahn erste Klasse fahren, bei Flü- kleine, komplett eingerichtete Küche, sodass »Im Häfn hättest du ein größeres gen die Business-Klasse nutzen oder sie wer- ich da nicht lange sparen musste. Und Gott sei Zimmer«, meinte ein Freund den gleich mit einem Privatjet abgeholt. Und Dank war die Wohnung ganz in der Nähe der einen Chauffeur haben die führenden Herren anderen Wohnung, wo die Kinder ab diesem Nach meiner Scheidung im Jahre 2006, war im Staatsdienst auch noch. Wir aber werden in Zeitpunkt nur mehr bei ihrer Mutter lebten. ich gezwungen, die Wohnung zu verlassen. In eine Schublade geschoben und es geht denen Die Kinder waren damals noch sehr klein, und allen möglichen Zeitungen suchte ich nach am Arsch vorbei, wie und ob wir jeden Monat ich hatte kein Auto. Somit war diese große einer leistbaren Wohnung oder nach einem mit dem uns zur Verfügung stehenden Geld Nähe schon ein Vorteil. Meine finanzielle Zimmer. Ich hatte Pech. Die Wohnungen, die durchkommen. Ist das gerecht? Sandra (Steyr) Lage war in den ersten zwei Jahren etwas für mich in Frage gekommen wären, waren knapp: Ich war Student in der Stiftung (diöze- bereits schon vergeben. Es war mühsam. »Die sane Arbeitsstiftung, Versorgung durch das nächste nehme ich einfach«, dachte ich mir. Damals, im berühmt-berüchtigten AMS, Studium der Sozialpädagogik in Linz), Ich hatte Glück. Es war ein Zimmer in Urfahr, Stadtteil Noitzmühle dann ging es ein gutes Jahr lang etwas besser das von einem privaten Vermieter um 280 (Arbeit bei der Emmausgemeinschaft St. Pöl- Euro angeboten wurde. Eine Provisionszah- Was meine Erfahrungen mit dem Thema ten), doch durch Arbeitslosigkeit vor allem lung hätte ich mir aber ohnehin nicht leisten »leistbares Wohnen« betrifft, möchte ich mich gegen Schluss hin wurde es sehr prekär. Dazu können. Die Kaution allein betrug schon 800 hauptsächlich auf meine Welser Zeit bezie- kam eine doch etwas angespannte Schuldensi- Euro. Eine enorme Summe. Die Probleme fin- hen. Genauer auf die fünf Jahre (2001 – 2006), tuation, wo es bei mir so war, wie es wahr- gen aber dann nach der Zusage erst so richtig in denen ich eine Mietwohnung in Wels bei scheinlich bei vielen ist: Wenn man Geld hat, an. Da bei der Scheidung viel Geld für den der »Welser Heimstätte« (eine der größten gibt man´s aus und macht vielleicht Schulden, Rechtsanwalt drauf gegangen ist, waren meine Wohnbaugenossenschaften in Wels) hatte. wenn man nicht aufpasst. Achtung: Auch Taschen leer. Nirgendwo konnte ich das nö- Dort bin ich im berühmt-berüchtigten Stadt- Konto-Überziehung ist schon Schulden-Ma- tige Geld für die Kaution auftreiben. Also teil Noitzmühle (am westlichen Stadtrand), chen, ist schon »Leben auf Pump« - und wenn ging ich zu meinem Chef und bat um einen zweieinhalb Monate nach der schmerzlichen man kein Geld mehr hat, oder eben eh schon Vorschuss. Zu meiner Überraschung bekam Trennung von meiner Frau und Familie einge- weniger, dann möchte die Bank aus unerfind- ich diesen. Ich könne ihn in Raten abstottern, zogen. Gott sei Dank war von der Abfertigung lichen Gründen gerade dann ihr Geld zurück- meinte der Chef. Meine erste Wohnung in 4 03/2015
Linz war also gerettet. Kaum war ich dort ein- ger. Da kann ich doch nicht auch noch den gezogen, fühlte ich mich aber nicht wohl. Kleiderkasten vom Vorraum dazustellen. Ich Dann war da noch ein Freund von mir. Der möchte ja nicht nörgeln, aber 35 m2 Woh- hatte zu jener Zeit kein Dach überm Kopf. Ich nungsfläche erlauben mir keine großen ließ ihn sechs Monate lang bei mir auf dem Sprünge in Bezug auf notwendige Planung im Boden schlafen, immer unter Tags. Abends Innenbereich. Im Badezimmer mit Bade- war es nicht möglich, denn das Zimmer war wanne, WC, Waschmaschine, Alibert und ei- zu klein für uns beide. »Im Häfn hättest du ein nem Kästchen, besteht keine Möglichkeit, größeres und schöneres Zimmer«, meinte ein dort noch ein Möbelstück mehr unterzubrin- anderer Freund, der auch bei mir zu Besuch gen. Bei meiner Mindestpension fehlt mir das war. »Und das könntest du umsonst haben«, nötige Kleingeld dazu, durch einen Tischler »Eine Wohnung ist nicht alles - fügte er noch hinzu. Ich wohnte aber nicht Maßmöbel anfertigen zu lassen. Ein zweiter ohne Wohnung ist alles nichts« lange dort. Das Wohngebäude wurde nach ei- Wohnraum wäre ideal für mich, um der Lage nigen Monaten an einen Immobilienmakler Herr zu werden. Nur kann ich mir eine grö- verkauft. Ich musste ausziehen, denn den ßere Wohnung nicht leisten. Also freunde ich Seit nunmehr 31 Jahren bemüht sich die Preis für die neue Miete hätte ich mir niemals mich mit dem Gedanken an – lieber fein und Wohnplattform für eine ständig steigende leisten können. Bei einem Freund bekam ich leistbar. Beim derzeitigen Wohnungsmarkt Anzahl von Wohnungsnotfällen, den Zu- Unterschlupf und dann begann die erneute wäre eine größere, leistbare Wohnung zu fin- gang zu leistbarem Wohnraum zu ermög- Suche nach einer Wohnung. Helmut den, ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit. lichen und zu verbessern, bzw. in der Öf- Dabei geht´s mir ja im Gegensatz anderen fentlichkeit diese Problemlagen zu thema- Menschen noch gut, die ihre liebe Not haben, tisieren und Lösungsansätze anzubieten. Beschmierte Wände im Stiegen- mit zu teuren Wohnungen, oder die gar auf der aufgang, Exkremente im Keller Straße leben müssen. Für mich besteht also Schwerpunkte der Arbeit: kein Grund, unzufrieden zu sein. Georg Ich lebe in einem 20-stöckigen Hochhaus im 8 Delogierungsprävention und Woh- Westen der Stadt Wels, direkt an der stark vom nungssicherung für gefährdete Haus- Verkehr frequentierten Hauptverkehrsachse In einer Badewanne im Wohn halte: Beratung, Betreuung, Koordination und ebenso an einer Kreuzung, welche diese zimmer wuschen wir uns alle der Zusammenarbeit zwischen Hilfsange- Situation verschärft: Bremsquietschen, For- boten, VermieterInnen, Gerichten und öf- mel-1-Starts und unnötiges Gehupe prägen Das waren noch Zeiten, als wir in der Sindt- fentlichen Stellen den Alltag hier. Interessant wäre vielleicht straße in Substandard-Wohnungen unterge- noch ein Feinstaub-Gutachten vom Ort des bracht waren. Die Klos waren alle noch am 8 100 Übergangswohnungen für Men- Geschehens. Dadurch, dass ich vom 14. Gang. Ein Klo mussten wir mit mehreren Mit- schen mit Unterstützungsbedarf, die von Stockwerk aus einen wunderbaren Ausblick bewohnern teilen. Wir, meine Familie mit Sozialeinrichtungen betreut werden über das Stadtgebiet habe, bemerke ich den Kindern, hatten nur eine kleine Küche und ei- nicht unwesentlichen Anteil von Lichtsmog in nen Wohn- bzw. Schlafraum zur Verfügung. 8 »WohnratgeberInnen« - Schulungen der Stadt. Hinzu kommt, dass sich einige Mie- Einen Anschluss für eine Waschmaschine gab zur Vermittlung von Grundgeschicklich- ter undiszipliniert verhalten. Lärm, Schmutz, es damals noch nicht in der Wohnung. Zum keiten beim Wohnen und Zusammenleben beschmierte Wände im Stiegenaufgang, im Waschen mussten wir in den Keller gehen, (schon bei jungen Menschen und zugezo- Vorhaus gewisser Stockwerke, abgekletzelte dort gab es für alle eine Waschküche, die von genen MitbürgerInnen) Farben und das I-Tüpfelchen: Exkremente im allen Mitbewohnern genutzt wurde. Auch von Kellerabgang. Neben unserer braven Haus einer Badewanne konnten wir nur träumen. 8 »Auf gute Nachbarschaft« - Kon- besorgerin verzweifeln auch die anständigen Wir stellten uns eine Babywanne ins Wohn- fliktregelung beim Wohnen und im Wohn- Mieter an den Menschen, welche die Regeln zimmer und dort wuschen wir uns alle. Man- umfeld mit ehrenamtlichen Konfliktreg des Miteinanders missachten. Zu meiner ches Mal gingen wir auch ins Tröpferlbad in lerInnen Wohnsituation: Mein Wunsch, eine größere die Franckstraße. Als mein Sohn auf die Welt Wohnung zu ergattern, wird wohl ein Wunsch- kam, bekamen wir dann zum Glück eine grö- 8 »Ansfelden Miteinander« - Gemein- traum bleiben. Nichtsdestotrotz bin ich noch ßere Wohnung, die wir uns auch leisten konn- wesenprojekt, bei dem wir BewohnerIn- zufrieden mit meiner derzeitigen Herberge. ten. Endlich hatten wir auch unser eigenes nen eines Stadtteiles unterstützen, Prob- Nur leider ist sie sehr klein. Binnen fünf Jah- WC und unser eigenes Bad. Das war für uns lembereiche beim Zusammenleben zu ar- ren vermehrte sich das Inventar und so bin alle Luxus pur. Es war wie Weihnachten und tikulieren und aktiv an Änderungen und ich leider dazu gezwungen, mich von einigen Ostern zugleich – zwei Kinderzimmer, ein Verbesserungen mitzuarbeiten. liebgewonnenen Dingen zu trennen. So zum Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und eine Kü- Beispiel von meinem Kleiderkasten im Vor- che. Einzig das Heizen wurde zum Problem, Kontakt Wohnplattform: raum meiner Garconniere. Und auch von mei- da es damals noch keine Fernwärme gab. Die Büro Linz und Linz/Land sowie nem Schuhkasterl ebendort. Denn, ein Ein- letzten Jahre lebte ich in einer Wohngemein- Vereinssitz, Harrachstraße 54, 4020 Linz bauschrank über die gesamte Seitenlänge des schaft vom Verein B37. Seit erstem Jänner Büro Wels, Wels/Land, Eferding, Grieskir- Vorhauses ergäbe viel mehr Platz für meine habe ich wieder eine eigene Wohnung über chen, Martin-Luther-Platz 1, 4600 Wels Garderobe, die sich in den letzten Jahren dras- den Verein erhalten. Sie ist 47 m2 groß, und tisch erweitert hat. Der eigentliche Wohnraum nun habe ich auch endlich wieder genug Platz Zwei Büros - - also Schlafzimmer, Küche und Wohnzimmer für mich und meine Sachen. Bertl // Foto Seite eine Telefonnummer: 0732 / 603104 in einem - wirkt jetzt schon wie ein Möbella- 3: hz, Seite 4: jk kontakt@verein-wohnplattform.at 03/2015 5
Rundreise »Sozialer Wohnbau« in Linz »Leistbares Wohnen« wird ein zentrales Thema des heurigen Land- tagswahlkampfes sein. Die Mieten, und besonders die Betriebskos- ten, steigen seit vielen Jahren beträchtlich stärker an als die Ein- kommen. 22.000 Wohnungssuchende sind derzeit bei den OÖ Wohnbauträgern gemeldet. Die Hälfte davon in Linz. Neben dem Mangel an leistbaren Wohnungen sind die hohen Grundstückskos- ten und der Anstieg der Baukosten durch gestiegene Anforderun- gen - wie Tiefgaragen und Niedrigenergiebauweise - Preistreiber. Schuld ist aber auch die Aufhebung der Zweckbindung der Wohn- bauförderungsgelder ab dem Jahr 2008, mit denen die Bundeslän- der nun andere Budgetlöcher stopfen dürfen. Mit einem Reisebus und dem Geschäftsführer des Vereines Wohnplattform Hubert Mittermayr - als fundiertem Kenner des sozialen Wohnbaus in Linz - begab sich die Straßenzeitung Kupfermuckn auf eine ge- schichtliche Reise durch die Entwicklung des sozialen Wohnbaus. Etwa zwei Drittel der Linzer leben in einer von rund 110.000 Mietwoh- nungen, wobei diese zu 55 Prozent gemeinnützigen Bauvereinigungen gehören. Den Beginn des sozialen Wohnbaues bildete Ende des 19. Jahrhunderts der Bau von Werkswohnungen großer Betriebe, wie die Wollzeugfabrik, die Schiffswerft oder die Firma Franck, die sogar ei- nem ganzen Stadtteil den Namen gab. Mietrecht und Wohnbeihilfe Während des ersten Weltkrieges war die Wohnungsnot groß und es wurden die ersten Gesetze gegen »Mietwucher« erlassen. Mit Inkraft- treten der Mietengesetze im Jahr 1922 wurde in Österreich erstmals, neben einem erweiterten Kündigungsschutz, auch die Miethöhe gere- gelt. Dieses Gesetz wurde 1982 durch das Miesrechtsgesetz abgelöst, das mit Kategorie-Mieten - je nach Ausstattung von A bis D - klare Mietobergrenzen festlegte. Leider wurde diese Regelung 1994 durch den sogenannten »Richtwertmietzins« ersetzt, bei dem es durch mögli- che Zuschläge zu einer nicht transparenten Mietzinsbildung kommt. Die reinen Mietkosten im gemeinnützigen Wohnbau liegen derzeit et- was unter fünf Euro pro Quadratmeter, inklusive Betriebskosten nähern wir uns damit der Grenze von sieben Euro, bis zu welcher Wohnbeihilfe gewährt wird. Der festgelegte Höchstrichtsatz beträgt in Oberösterreich 5,84 Euro, wobei bei besserer Ausstattung Zuschläge (z.B. Garten) oder Abschläge (z.B. Lärm) berechnet werden. Die Realität zeigt, dass es viele Zuschläge, aber kaum Abschläge gibt. Circa 32.000 Oberösterrei- cher sind auf Unterstützung durch die Wohnbeihilfe angewiesen, die bei Bedürftigkeit je nach Familiengröße beim gemeinnützigen Wohn- bau bis zu 300 Euro, und sonst bis 200 Euro im Monat betragen kann. Gefördert wird mit 3,50 Euro pro Quadratmeter, wobei die Miete nicht mehr als sieben Euro betragen darf. Viele privat vermietete Wohnungen liegen über dieser Grenze. Auch wurde in den letzten Jahren unter an- Oben: Hubert Mittermayr, Geschäftsführer des Vereines Wohnplattform war unser kundiger derem der Zugang zur Wohnbeihilfe für Nicht-Österreicher erschwert Begleiter bei der Rundreise; Mitte: Siedlung in der Sintstraße errichtet zwischen 1910 und und bei Alleinerziehern werden seit 2013 Unterhaltszahlungen beim 1920; Unten: Bertl vor der »Derfflingerkaserne«, seinem neuen Zuhause. Einkommen einbezogen. 6 03/2015
Beim Wohnprojekt Biesenfeld in Urfahr wurden erstmals in den 70er Jahren Wohnbau in Linz Auhof aus den 70er Jahren - ein schnell wachsendes Wohngebiet die Bewohner in die Planung eingebunden nach Gründung der Johannes Kepler Universität Mit dem umstrittenen Namen »Hitlerbau« bezeichneter typischer Wohnbau Am Areal der ehemaligen Landesfrauenklinik wurden in den Jahren aus den Jahren 1938 bis 1945, Leonfeldnerstraße Urfahr 2008 bis 2011 circa 450 neue Wohnungen errichtet Die Reise beginnt bei den Wurzeln des sozialen Wohnbaus Weltkrieges, die im Volksmund den verunglückten Namen »Hitlerbau- ten« tragen. Diese klassischen - dem traditionellen Vierkanthof nach- Die Busreise beginnt mit der Fahrt zur sogenannten »Derfflingerka- empfundenen - Blockbauten entstanden aber vor allem auch im Süden serne«. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden zur Bekämpfung der Woh- von Linz, am Spallerhof, Bindermichl, Keferfeld sowie in Kleinmün- nungsnot unter anderem Kasernen in Notwohnungen umgewidmet. chen. Im Krieg und in den ersten Nachkriegsjahren stieg innerhalb von Kupfermuckn-Redakteur Bertl bekam dort im Februar eine neu sanierte zehn Jahren die Einwohnerzahl um 55.000 Personen. Das ergab damals Wohnung und so verliert »die Kaserne« und auch der Stadtteil wegen einen Bedarf von 15.000 Wohnungen, von denen nur rund 11.000 tat- vieler Verbesserungen schön langsam den Ruf eines Glasscherben- sächlich errichtet wurden. So war auch nach dem Zweiten Weltkrieg die Viertels. Nächstes Ziel ist die Siedlung in der Sintstraße, die zwischen Wohnungsnot groß und führte zur Errichtung von Mietwohnblöcken 1910 und 1920 entstand und eines der ersten gemeinnützigen Wohn- ohne gestalterische Elemente - oftmals auch ohne jegliche Infrastruktur bauprojekte in Linz war. Seit Jahren stellt sich hier die Frage nach wie Schulen, Kindergärten oder Anbindung an den öffentlichen Ver- Neubebauung oder Sanierung. Die Reise geht weiter zum Stadtteil Au- kehr. Diese fehlende Infrastruktur wurde erst später errichtet. hof in Urfahr, wo nach Gründung der Johannes Kepler Universität in den 60er Jahren innerhalb von 15 Jahren Wohnungen für 15.000 Be- Über die Eisenbahnbrücke geht unsere Reise vorbei an der alten Tabak- wohner gebaut wurden. Die damalige Betonbauweise führt mittlerweile fabrik, hinter der auf dem ehemaligen Areal der Landesfrauenklinik in zu hohen Sanierungskosten. Interessant ist das Wohnprojekt Biesen- den Jahren 2008 bis 2011 von mehreren Bauträgern 415 Wohnungen in feld, bei dem beim Bau von 400 Eigentumswohnungen erstmals in Linz Niedrigenergiebauweise errichtet wurden. Die Gebäude sehen aus wie die Bewohner aktiv in die Planung eingebunden wurden. Würfel in einer modernen, geradlinigen Architektur und mit sehr guter Wohnqualität, wie Bewohner berichten. Entlang der Gruberstraße fin- Am Weg Richtung Zentrum finden sich von der Leonfeldnerstraße bis den sich dann zahlreiche Bauten der Nachkriegszeit, durchsetzt von hin zur Eisenbahnbrücke zahlreiche Bauten aus der Zeit des Zweiten neueren Bauten. 03/2015 7
Koref-Siedlung im Franckviertel - Modellprojekt für leistbares Wohnen, Wimhölzel-Bogen im Franckviertel - wunderschöner Bau aus der Zwischenkriegszeit, unter anderem durch den Verzicht auf Tiefgaragen wie man sie ihn Linz nur selten sieht Solarcity: Die drei Eckpfeiler der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie und Soziales - »Schmuckhäuschen« nahe dem Wasserwald - schön sanierte Einfamilienhäuser wurden gleichrangig und gleichzeitig berücksichtigt mit Gärten aus der Zwischenkriegszeit Im Franckviertel gibt es mit 55 m2 die kleinsten Wohneinheiten Die drei Eckpfeiler der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie und So- ziales - wurden gleichrangig und gleichzeitig berücksichtigt. Die Stra- Ab 1919 förderte Bürgermeister Josef Dametz den sozialen Wohnbau. ßenbahnlinie 2 wurde bis zur Solarcity erweitert und der Weikerlsee Zu den großen Projekten zählten die Anlagen Wimhölzel-Bogen und schließt als Naherholungsgebiet an die Siedlung an. Wimhölzel-Hinterland im Franckviertel mit über 1.200 Kleinwohnun- gen, die in den Jahren 1920 bis 1929 entstanden sind. Das traditionelle Zukunft sozialer Wohnbau am Areal der Kaserne Ebelsberg Arbeiterwohnviertel verfügt laut dem »Linz Atlas« des Stadtforschers Peter Arlt mit 55 Quadratmetern über die kleinste durchschnittliche Auf der Rückfahrt finden sich die weißen Bauten auf den Kastgründen Wohnungsgröße in Linz. Die größten Wohnungen gibt es mit 102 Qua- in Ebelsberg, wo Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre 1.200 Wohn- dratmetern am Pöstlingberg, wo der Reichtum zuhause ist, gefolgt vom einheiten entstanden sind. Auf der anderen Seite der Straße befindet Gründberg mit 85 Quadratmetern. Ein Modellprojekt für leistbares sich die Hillerkaserne, die im Jahr 2015 ihre Tore schließt. »Gemein- Wohnen findet sich mit der Koref-Siedlung, ebenfalls im Franckviertel, sam mit den angrenzenden Grundstücken ist das Gebiet mit 33 Hektar, in der 174 Wohnungen mit einer Größe von 45 bis 90 Quadratmetern das entspricht 46 Fußballfeldern, das größte Stadtentwicklungsgebiet. bis zum Jahr 2005 entstanden. Besonders wertvoll sind die großen, be- Nun soll ein Masterplan für ein familienfreundliches, sozial und ökolo- grünten Innenhöfe. Auf Tiefgaragen hat die GWG bewusst verzichtet, gisch ausgeglichenes Stadtquartier erstellt werden«, skizzierte Bürger- um leistbare Mieten für die Bewohner zu ermöglichen. Nach einem meister Klaus Luger das größte Zukunftsprojekt des sozialen Wohn- Gang durch die Koref-Siedlung bringt uns der Bus in den Süden nach baus bei einer Pressekonferenz im November. Auf der Fahrt zum ver- Pichling zur Solarcity. In den Jahren 1999 bis 2005 entstanden hier dienten Mittagessen im Traditionsgasthof Bratwürstglöckerl fahren wir 1.300 Wohnungen (957 Miet- und Mietkaufwohnungen, sowie 336 Ei- am Stadtteil Auwiesen vorbei, einem Großprojekt mit 2.800 Wohnun- gentumswohnungen). Von international anerkannten Architekten ge- gen, in welchem im 1981 die ersten Mieter einzogen. Auf den ersten plant, wurde ein viel beachtetes Stadtentwicklungsprojekt realisiert. Blick eine vorbildliche autofreie Gartenstadt. Durch die Art der Wohn- 8 03/2015
Großbauprojekt Lange Allee - dort, wo die alte Postgarage stand, werden 450 Wohnungen, ein Kindergarten und eine Krabbelstube sollen noch von mehreren Wohnbauträgern Wohnungen errichtet in diesem Jahr fertiggestellt werden Die »Grüne Mitte Linz« am ehemaligen Frachtenbahnhof - in mehreren Während im Frühjahr 2014 bereits die ersten Bewohner einzogen, Bauphasen werden 803 Wohnungen bis zum Jahr 2016 errichtet stehen am zukünftigen Grün noch die Baukräne bauförderung stiegen die Mieten nach zehn Jahren stark an, was zu sollen »hängende Gärten« entstehen. So werden zehn Prozent der Frei- zahlreichen Delogierungen führte. Heute noch versucht die Stadt mit flächen auf allen Geschossen und am Dach als Kleingärten begrünt. Für Stadtteilzentren und Jugendarbeit den sozialen Brennpunkt Auwiesen Lebensqualität wird die grüne Mitte - eine 14.000 m2 große Parkanlage zu entschärfen. Am Weg wagen wir noch einen Blick in die Vergangen- - sorgen, wo wir heute noch auf Kräne und Baugruben schauen. heit und besichtigen den »Schmuckhof« Spaunstraße/Haydnstraße nahe dem Wasserwald. Bürgerliche Parteien bevorzugten in der Zwischen- Leistbares Wohnen erfordert Verdoppelung der Bauleistung kriegszeit den Bau von Einfamilienhäusern mit kleinen Gärten. Die Stadt Linz wird in diesem Jahr die 200.000 Einwohnergrenze über- Die großen Wohnbauprojekte Lange Allee und Grüne Mitte Linz schreiten und soll bis zum Jahr 2020 um die Größe der Stadt Traun wachsen. Derzeit werden jährlich je 500 private, nichtgeförderte und Gestärkt durch die gutbürgerliche Küche, beenden die Wohnexperten geförderte Wohnungen errichtet. Die Wohnbauförderung sei seit Ende der Kupfermuckn die Rundfahrt mit einer Besichtigung der derzeit der 1990er Jahre um ein Drittel zurückgegangen, kritisiert Bürgermeis- größten Wohnbauprojekte in Linz. Einige wissen es noch, da stand frü- ter Klaus Luger und fordert, bereits in Vorwahlstimmung, die Verdop- her die große Postgarage an der »Langen Allee« neben der Salzburger- pelung des geförderten Wohnbaus auf 1.000 Wohnungen im Jahr. Ab- straße. Bis zum Jahr 2016 entstehen nun 450 Wohnungen in der Größe schließend meint auch Hubert Mittermayr: »Bei aller erfreulicher von 48 bis 110 Quadratmetern in Kooperation mit mehreren Wohnbau- Wohnbautätigkeit, darf die Tatsache, dass eine immer größere Anzahl trägern. Ebenfalls auf dem alten Betriebsareal Frachtenbahnhof ent- von Menschen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu leistbarem steht das neue Großprojekt »Grüne Mitte Linz«. Auf der einen Seite Wohnraum hat, nicht verschwiegen werden. Hier werden auf die Politik sind bereits Mieter eingezogen, auf der anderen Seite gähnt eine riesige in den nächsten Jahren noch hohe Herausforderungen zukommen, um Baugrube. Sieben Wohnbaugesellschaften errichten 803 Wohnungen das Abgleiten immer größerer Bevölkerungsschichten in Armut zu ver- inklusive 40 betreubare Wohnungen. Auf den Balkons und Loggien meiden.« Text: hz; Fotos: jk 03/2015 9
Schnell bin ich in die Abhängigkeit gerutscht Betroffene berichten über ihre Süchte und die Folgeerscheinungen Getrunken, geraucht, geludert, Durchblutungsstörungen. Die Beine wollen sind unübersehbar. In die Psychiater habe ich nicht mehr, so wie ich es will. Mehrere Kran- schon längst kein Vertrauen mehr. Meine vor- unbelehrbar kenhausaufenthalte und zwei Kuren habe ich übergehende Depression - aufgrund meiner schon hinter mir. Den Alkoholentzug ohne damaligen Geldnöte - ist Geschichte. Jene Ta- Mit meinen derzeit 130 Kilogramm Körperge- Medikamente und ärztlichem Beistand zog bletten, die ich damals zu Recht verordnet wicht bei einer Körpergröße von 180 cm und ich schon vor Jahren erfolgreich durch. Wahr- bekam, setzte ich nach meinem eigenen Gut- 61 Lebensjahren habe ich den Zenit meiner scheinlich wäre ich heutzutage schwerstkrank, dünken längst ab. Meinen Dickschädel habe Aktivitäten eindeutig überschritten. Mein Le- psychisch angeschlagen oder gar schon unter ich in manchen Belangen behalten. Ich möchte ben vollzog sich mit vielen Auf und Abs. Ge- der Erde, wenn ich weiter getrunken hätte. nicht in der Masse von Herdentieren unterge- trunken, geraucht, geludert, unbelehrbar. Er- Würde ich mich - ob meines gesundheitlichen hen. Ich lasse mich nicht kaufen, vielleicht folge und Misserfolge bestimmten meinen Zustandes - von einem Arzt zum anderen be- mache ich deswegen auch keine Bilderbuch- Weg. So spurlos gehen die Jahre an einem geben, könnte ich mich als wandelnde Apo- Karriere. Entzugserscheinungen würden aber nicht vorbei. Manche Dinge rächen sich in theke bezeichnen. Gewisse Medikamentenra- gerade dann auftreten, wenn ich mein Leben zunehmendem Alter. Auch ich wurde nicht tionen sind nötig, aber die Verschreibungswut nicht so führen dürfte, wie ich es mir vorstelle. davon verschont. Seit Jahren plagen mich der Ärzte und die Gier der Pharmaindustrie Foto und Text: Georg 10 03/2015
Meine Medikamenten-Sucht und sehr schlimme Depressionen entstanden. Üb- fast unmöglich. Ich spreche leider aus Erfah- rigens, durch Psychopharmaka kann man(n) rung, da ich viele Jahre das war, was man ge- deren Folgeerscheinungen impotent werden. Ich war 13 Jahre lang auf meinhin als »polytox« bezeichnet. Und ich der Suche nach - ja was eigentlich? War es stellte fest, dass Alkohol eine der schlimmsten Der Weg aus meinem Burnout, dessen Symp- Anerkennung, Liebe, Freude, Angst etwas zu Drogen ist. So gut wie alle alkoholsüchtigen tome aus Panikattacken, Angstzuständen und verlieren oder konnte ich Altes nicht gehen Menschen, die ich in meinem Leben kennen- Depressionen bestand, sollte damals vor circa lassen oder, oder, oder? Nach circa 13 Jahren lernte, litten an massiven gesundheitlichen 19 Jahren über Medikamente stattfinden. erkannte ich endlich, Dank meiner Energeti- und psychischen Schäden, die da wären: Was- Grundsätzlich eine (Heil)-Möglichkeit unse- kerin, dass ich nicht mehr ich selber war. Ich seransammlungen im Körper, Demenz und rer Schulmedizin. Im Nachhinein gesehen war erkannte, dass ich ganz schlimm in eine Medi- sogar Krampfadern in der Speiseröhre. Einige es für mich eine ganz schlimme Verdrängung kamenten-Abhängigkeit gerutscht war. Mei- schaffen es wortwörtlich, sich das Gehirn aller meiner Gefühle und so nebenbei wurde ner Energetikerin und meiner damaligen Le- »wegzusaufen«. Und natürlich Leberzirrhose. ich 13 Jahre lang abhängig von Psychophar- bensgefährtin Alexandra bin ich ewig dankbar Was ich über den intravenösen Konsum von maka. In Wirklichkeit war das eine legale und mit deren Unterstützung entschloss ich Morphintabletten wie Substitol und Mundidol Drogen-Sucht, noch dazu kostenlos und total mich, auf die Medikamente zu verzichten! Na lange nicht wusste: Da das enthaltene Talkum, verharmlost in unserer Gesellschaft! Vor einer wow, das sagt sich so leicht, die Medikamente und ich glaube Wachs, niemals gänzlich her- Abhängigkeit von Medikamenten hatte mich einfach weglassen! Die Entzugserscheinun- ausgefiltert werden können, lagern sich jedes kein Arzt gewarnt, oder vielleicht doch? Viel- gen waren echt grausam! Tägliche Müdigkeit, Mal Reste davon im Körper ab. Und da beim leicht wollte ich es nicht wahrhaben? Aber Antriebslosigkeit, Angstzustände bestimmten intravenösen Konsum, wie auch bei den meis- warum haben mir die Ärzte die Medikamente mein Leben. Ich nahm beim Entzug keine ten Infusionen, die Flüssigkeit zuerst durch immer wieder verschrieben, 13 Jahre lang? Hilfe der Ärzte oder Schulmedizin in An- die Lunge und anschließend durch den Körper Meine negativen Gefühle wurden durch die spruch und siehe da, plötzlich brauchte ich geht, wird hier die Lunge sehr geschädigt. Als Medikamente innerhalb von Minuten von ei- keine Medikamente mehr! Von heute auf mor- ich wieder nüchtern war, bemerkte ich, dass ner tiefen Depression in Himmelhochjauch- gen setzte ich die Medikamente einfach ab - sich Substanzen auch auf den Gemütszustand zend umgewandelt und somit baute ich mir zum Nachmachen nicht empfohlen! Grund- auswirken. Man ist viel schlechter gelaunt und immer mehr Mauern um meine »wahren« Ge- sätzlich war ich selbst verantwortlich für hat keine Energie mehr. Sogar Zigaretten wir- fühle herum auf, die ja von den Medikamen- meine Sucht. Und ich bin auch weiterhin für ken sich unglaublich auf die Stimmung aus. ten völlig unterdrückt wurden! Denn auch ein mich selbst verantwortlich. Leider werden Drei Monate habe ich es einmal geschafft, negatives Gefühl gehört zu unserem Leben nicht viele Krankheiten als psychosomatisch nicht zu rauchen. Damals hatte ich die dop- und sollte auch als solches angenommen bzw. angesehen und es werden immer nur die Aus- pelte Energie und war unglaublich gut ge- akzeptiert werden. Nach einem halben Jahr wirkungen (eben Symptome) behandelt. Ich launt. Andrea wollte ich die Medikamente einmal weglas- habe meine tägliche Tabletten-Sucht übrigens sen. Unvorstellbar, welche Entzugserschei- vor sechs Jahren in den Griff bekommen und nungen sich da auf einmal einstellten: Totale Die Ärzte diagnostizierten bin bis heute wieder clean! Aber das Thema, Antriebslosigkeit beispielsweise oder Depres- das diese Sucht ausgelöst hat, machte sich in eine induzierte Psychose sionen und innerhalb weniger Stunden im anderen Bereichen meines Lebens breit. Für nächsten Burnout. Und ich dachte mir immer: mich ganz wichtig, dass ich es erkennen Ich war 17 Jahre alt und war gerade im dritten Medikamente werden mich heilen. Tja, Pech durfte, vor allem auch durch das Schreiben Lehrjahr in einer Schlosserei. Da lernte ich gehabt. Die Medikamente trugen einfach nur dieses Artikels! Christian Mario kennen, mit dem ich sehr bald Freund- dazu bei, dass ich schöne Gefühle hatte. Da schaft schloss. Mario hatte einen älteren Bru- könnte einem doch der Gedanke kommen, der, der mit Haschisch dealte. Mario erzählte dass eine große Geldmaschinerie der Pharma- Wasseransammlungen im Körper, mir immer wieder, wie gut es sei, Haschisch industrie dahinter steckt! Ironisch gesehen, Demenz, Krampfadern zu rauchen und lud mich zu sich nach Hause kam ich mir vor wie eine Geldanlage der ein. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Ärzte. Und von Heilung war weit und breit Abgesehen von gesundheitlichen Folgeer- Erfahrung mit Drogen. Also stimmte ich zu, nichts zu bemerken. Ganz im Gegenteil, die scheinungen, empfinde ich soziale Ausgren- und wir rauchten Haschisch. Ich war positiv Schulmedizin schickte mich in die Medika- zung noch schlimmer. Vor allem, wenn man überrascht, sodass ich das Zeug dann immer menten-Abhängigkeit, oder habe ich mich Medikamenten-, Morphin- oder Heroinabhän- wieder bei seinem Bruder kaufte. Das ging selbst in die Sucht getrieben? Für mich waren gig war. Sobald man im Drogenersatzpro- einige Monate so dahin. Eines Tages fragte auf jeden Fall die schlimmsten Folgeerschei- gramm war, hat man einen Stempel, den man mich Mario, ob ich XTC haben möchte. Naiv nungen, im Nachhinein gesehen, dass man zu ohne Hilfe unmöglich wieder los wird. Erst und blauäugig sagte ich ja und kaufte mir fünf einer Maschine wird. Mögen mir alle Men- recht von Ärzten wird man meist abfällig be- Stück. Ich nahm sie am Wochenende und ging schen für meine damalige Kälte verzeihen, handelt. Prinzipiell lügt man und will sich nur in die Disco. Alles war schön und gut. Aber aber ich war ein ferngesteuertes Wesen, das Krankenstand oder Medikamente zum »Zu- danach verspürte ich eine Veränderung in mir. nur mehr sehr wenige menschliche Züge hatte. dröhnen« besorgen, werfen einem die Ärtze Das prägte sich so aus, dass ich Tage danach Die Unterdrückung meiner Gefühle durch Ta- vor. Oder es heißt, man ist arbeitsscheu. Of- viel mehr mit meinen Mitmenschen redete, bletten darf ich jetzt aufarbeiten. Und natür- fenbar vergisst jeder, wie schwierig so ein selbstbewusster war. Doch dann schlug es um. lich wird nichts von der Schulmedizin bezahlt, Entzug tatsächlich ist. Die wenigsten nehmen Ich bildete mir ein, verfolgt zu werden, weil sondern ich darf mir selber von meiner Min- Drogen nur zum Spaß, sondern weil sie mit mich als etwas Besonderes fühlte. Ich traute dest-Pension einen Energetiker leisten! Eine Problemen in der Jugend schon nicht fertig niemandem mehr, auch nicht meinen Eltern, weitere Folgeerscheinung war auch noch eine wurden und diese nie bewältigen konnten. die sich schon Sorgen machten, weil sie eine gewaltige Gewichtszunahme, woraus weitere Nur, unter diesen Umständen wird es dann Veränderung feststellten. Schließlich drehte 03/2015 11
gensteigen und auch beim schnelleren Gehen bleibt mir schnell einmal die Luft weg. Das Risiko, wieder an Krebs zu erkranken, ein Raucherbein zu bekommen und dergleichen ist mir bewusst. Aber ich kann es nicht lassen. Ein weiteres Problem habe ich mit dem Alko- hol. Gerne trinke ich den ein oder anderen Gespritzten oder mal ein Bier. Beim Schnap serl sage ich auch nicht nein. Doch im Gegen- satz zu früher ist mein Trinkverhalten harmlo- ser geworden. Und wenn ich an meinen Mann denke, den ich vor sieben Jahren aufgrund seiner Lebererkrankung verloren habe - er hat sich buchstäblich zu Tode gesoffen - werde ich sogar sehr nachdenklich. Aber auf einem vollkommenen Gesundheitstrip möchte ich nun auch nicht sein. Dann könnte ich mich ja gleich lebendig begraben lassen. Und, sterben muss schließlich jeder. Sonja Von der Heroinsucht zur Alkoholabhängigkeit Als ich meinen Mann in den frühen 80er Jah- ren kennenlernte, war er zwar clean, mit Aus- nahmen, wo er »naschte«. Ich lebte damals FOTO: INSTITUT FÜR SUCHTPRÄVENTION sehr gesund, lebte den Tieren zuliebe vegeta- risch und hatte seelisch keine Probleme. ich dann komplett durch, weil ich fest der Zuerst nur Haschisch, später dann Kokain. »Naschte« er wieder einmal, war ich wütend Meinung war, gefilmt und abgehört zu wer- Doch auf Dauer kann man sich das nicht leis- und verzweifelt, vor allem aber hilflos. Ein den. Das ging so weit, dass ich meine Eltern ten. Dazu kam, dass wir immer wieder ins Jahr nach der Geburt meiner geliebten Tochter bedrohte und mit einem Hammer das Auto Casino gingen und dort viel Geld verloren kam ich in Versuchung - ich wollte wissen, meines Vaters demolierte. Das war zu viel. haben. Mein Suchtverhalten wurde immer was so toll an Heroin war. Kurzum, zwei Jahre Mit der Rettung und der Polizei wurde ich in schlimmer. Um das Ganze zu finanzieren, danach war ich süchtig. Gottseidank hatten die Psychiatrie transportiert. Dort wurde ich in stahl ich meinem Vater mehrere tausend Euro. wir keine Verbindung zur Drogenszene - das der geschlossenen Abteilung ans Bett fixiert. Als dieser drauf kam, schmiss er mich raus. hätte alles noch schlimmer gemacht. Wir ha- Ich musste dann Neuroleptika zu mir nehmen, Michael nahm mich dann bei sich auf, aber ten einen Dealer, der verlässlich kam (mit An- weil die Ärzte eine drogeninduzierte Psychose wir hörten nicht auf mit diesem Blödsinn. So zug und Krawatte, samt Diplomatenkoffer) - diagnostizierten. Die Medikamente holten kamen wir auf die Idee, Handyverträge abzu- vermutlich ein hohes Tier - und gute Qualität mich wieder auf den Boden der Realität zu- schließen, und dann verkauften wir die Han- verkaufte. Nach circa vier Jahren machte ich rück. Nach sieben Wochen konnte ich die Psy- dys. Alles nur, um unsere Sucht zu stillen. Das aus Liebe zu meiner Familie einen kalten Ent- chiatrie wieder verlassen. Mir ging es zu die- war dann einfach zu viel, die Rechnungen zug. Wiederum ein paar Jahre später lehnte sem Zeitpunkt nicht sehr gut, weil mir plötz- wurden immer höher, das Wasser stand uns bis ich das Methadonprogramm nach zahlreichen lich bewusst wurde, was ich angerichtet habe. zum Hals. Ich bekam einen Sachwalter, der Angeboten der Sanitätshilfe Linz ab. Als ich Meine Geschichte verbreitete sich im ganzen das Ganze für mich regelte. Mir wurde be- aber meinen Hund einschläfern musste, war Ort, und die Leute sahen mich mit anderen wusst, dass ich ein Problem habe. Ich begann mir alles egal - ich sagte zu. Fast 20 Jahre Augen an. Ich versuchte wieder ein geregeltes mit einer Therapie, um wieder zu mir zu fin- Substitutionsprogramm machten mich alt und Leben zu führen, doch das war sehr schwer für den. Was auch gelang, und seitdem bin ich müde. Jetzt bin ich 50. Es liegt lange zurück, mich, weil es nicht so war wie früher. Freunde, clean. Gott sei dank! Zorro (Wels) dass ich heroinsüchtig war. Ich machte damals die ich damals hatte, hielten Abstand, bis der den Entzug zu Hause. Eiskalt, weil ich ständig Kontakt verloren ging. Ich machte meine fror und schwitzte. Das Schlimmste aber wa- Lehre zu Ende und blieb dann noch ein Jahr in Ohne Tschick am Morgen und ohne ren die »restless feet and hands« - das heißt, der Firma. Ich wurde aber dann gekündigt, Alkohol geht es eben nicht man muss ständig Füße oder Hände bewegen, weil ich zu oft im Krankenstand war. Ich war weil man es anders nicht aushält. Aber ich zog 2007 in der Psychiatrie und lernte dort Mi- Was mich betrifft, bin ich nach mehreren Sub- ihn beinhart durch. Heute bin ich Alkoholike- chael kennen, der so eine ähnliche Geschichte stanzen süchtig: Die Zigaretten sind mein täg- rin. Diese Sucht bringe ich soweit nicht los. hinter sich hat. Ich fühlte mich von ihm ver- licher Begleiter. Ohne die »Sargnägel«, wie Hier im Linzer Franckviertel gibt es viele standen und akzeptiert. Er war so etwas wie sie gerne mal im Volksmund genannt werden, Trinker. Immer wieder wird er angeboten, der ein Seelenverwandter. Wir verstanden uns gut geht gar nichts. Wenn ich nicht zwei Tschick böse Alk. Meist sind irgendwelche Schick- und trafen uns regelmäßig. Ich weiß nicht wa- am Morgen rauche, bin ich nicht ansprechbar. salsschläge die Motive. Eigentlich, wenn ich rum, aber wir konsumierten wieder Drogen. Die Folgen spüre ich aber auch: Beim Stie- es mir ganz genau überlege, dann komme ich 12 03/2015
auch Tage ohne Alkohol aus, wenn es sein muss. Dann kommt die zweite Sucht: Zigaret- ten. Ich fresse sie förmlich und meine Lunge ist längst kaputt. Aber das ist eine andere Ge- schichte. Ursula Durch meine Sucht entwickelte ich ein zweites ICH Mein Name ist Stefan, und ich bin 30 Jahre alt. Ich wuchs nicht gerade »normal« auf. Seit zwölf Jahren konsumiere ich harte Drogen, nicht nur wegen meiner Kindheit. Im Substi- tutionsprogramm bin ich seit zehn Jahren. Durch dieses Programm entwickelte sich ein zweites Ich in mir. Ein Ich, das einen großen Hang in die Dunkelheit und Depression hat. Ich habe ganz normal einen Beruf erlernt und meinen Führerschein gemacht, wohl bemerkt, neben meiner Sucht. Seit acht Jahren nun gehe ich, wenn ich nicht gerade eingesperrt bin, re- gelmäßig arbeiten. In dieser Zeit merkte ich schön langsam, dass es in meinem Inneren noch einen zweiten Stefan gibt. Dieser Stefan Mode-Drogen mit fataler Wirkung kam, oder kommt, immer dann zu Vorschein, wenn ich kein Substidol, also keinen Ersatz- Rauschmittel sind heutzutage leichter krieg eingesetzt«, weiß Berndorfer. In Linz stoff mehr habe. Ich weiß nicht, wie ich es er- verfügbar als je zuvor. Vieles findet über wurde mit Crystal Meth erst vor einigen klären soll. Am besten beschreibe ich es wie die Grenze aus Tschechien direkt den Jahren begonnen. Mit gefährlichen Wir- einen Schalter in meiner Psyche, der sich um- Weg nach Linz. Oft genügen aber auch kungen für die Konsumierenden: »Der legt, sobald ich merke, meine Portion wird schon ein paar Mausklicks im Internet, Missbrauch kann auf Dauer irreparable leer, oder ich hab nichts mehr. Dann verändert um zu schädlichen Substanzen zu kom- Schäden anrichten«, betont Setz. sich plötzlich mein Denken und Verhalten. men. Die Folgen für die Konsumieren- Dann geht es nur darum, mir meinen Stoff zu den sind katastrophal. Zerstörerische Kraft von Crystal Meth besorgen, egal was oder wer dadurch vernach- lässigt wird. So habe ich schon einige Arbeits- Eine Station für Menschen mit Sucht-Er- Im Konkreten: Crystal Meth wirke stark stellen verloren, und Leute verletzt, die mir im krankung ist die Linzer Drogenanlaufstelle euphorisierend, mache schnell abhängig Leben das Allerheiligste sind. Das Komische, »Substanz«. »Der Großteil der Substanz- und unterdrücke Hungergefühl, Durst, Mü- oder eher Traurige dabei ist, dass ich das im Besucher ist 25 bis 35 Jahre alt«, stellen digkeit und Schmerz. Darüber hinaus könne zweiten Ich-Modus nicht wahrnehme. Es ist, Georg Berndorfer (oben links) und Mario die Substanz Wahnvorstellungen hervorru- als hätte ich Scheuklappen vor den Augen, die Setz (oben rechts), Sozialarbeiter des Ver- fen. Meth greife vor allem auch den Körper mich nur auf das eine zusteuern lassen, egal eins, fest. Jeder von ihnen bringe seine ei- an und schädige Organe nachhaltig. Die ob dies Verlust oder Schaden verursacht. gene Geschichte mit. »Hinter der Sucht ste- beiden Experten warnen aber ebenso vor Nachdem ich dann meine Sache erledigt habe, cken oft traumatische Kindheitserfahrun- sogenannten »legal highs«. Das sind neue bin ich plötzlich wieder vollkommen normal. gen oder eine schwere psychische Erkran- synthetische Cannabinoide - übers Internet Die Scheuklappen fallen ab, und das normale kung«, weiß Berndorfer. relativ leicht erhältlich. Wenig sei noch Ich ist wieder da. Dann wird mir aber erst be- über die Wirkung dieser jüngsten Substan- wusst, was passiert ist, oder was ich getan »Jede Zeit hat ihre Droge« zen bekannt. Im Verein begleitet man die habe. Dann kommen die Gewissensbisse und Suchtkranken und bietet ihnen Hilfe an. ein schlechtes Gefühl betrübt dann meine Ein besonderes Problem stelle die Schnell- Der Weg in die Sucht, sind sich die beiden Seele. Sei es, weil ich wegen meinem zweiten lebigkeit der heutigen Gesellschaft dar, die Sozialarbeiter einig, sei ein langer. Ebenso Ich gerade einen Job gekündigt habe, oder ich viele Menschen überfordere. »Jede Zeit«, der Weg hinaus. Gelinge es Betroffenen wieder jemanden, der mir nahe steht, belogen so Berndorfer, »hat ihre Droge.« War LSD dennoch, sich aus der Abhängigkeit zu be- habe. Überhaupt die Lügen! Wie ich glaube, noch ein Phänomen in der Hippie-Ära, so freien, stünden sie meist vor neuen, schier kennt jeder, der länger Drogen konsumiert, erlebe, laut des Experten, der Konsum unbewältigbaren Problemen, wie etwa ei- das Problem mit dem zweiten Ich. Hin und rasch verfügbarer Substanzen wie Amphe nem hohen Schuldenberg, Arbeitslosigkeit, wieder denke ich mir, ob dieses Problem nur tamine heutzutage einen regelrechten Auf- Lücken im Lebenslauf und ohne Freunde. Leute mit Suchterkrankung haben, oder auch schwung. Besonders gefährlich, weil heim- Um dem Drogenmissbrauch zukünftig vor- gesunde Leute? Meine größte Furcht und tückisch, sei »Crystal Meth«, eine kristal- zubeugen, fordert Berndorfer: »Der Staat Frage ist - bekomme ich dieses zweite Ich line Droge, die gesnieft, geraucht oder ge- sollte mehr Geld für Aufklärung, Präven- wieder weg, oder bleibt es für immer? Ich spritzt wird. Neu sei die Droge aber nicht: tion und Bildung ausgeben, und nicht für hoffe nicht. Stefan »Der Stoff wurde schon im Zweiten Welt- Strafverfolgung.« Foto und Text: dw 03/2015 13
14 03/2015
Der Mann meiner Träume Angela Ursula dann zehn Jahre alt war, lächelte ich über diese Geschichte. Auch deswegen, weil mein Als dieses Thema zur Sprache kam, dachte Einen Gentleman, den wünsch ich mir, denn Traummann schon weit anders aussah. Und ich das erste Mal darüber wirklich nach. Ich der ist immer zart zu dir. Vom Zeichen Fisch- wenn ich mir meinen absoluten Traummann kramte in meinen Erinnerungen und alten Fo- lein soll er sein, dann hat er was mit mir ge- vorstellte, sollte er folgende Eigenschaften tos und stellte fest, es gab nie eine Vorstellung mein. Im Sternenkreis woll´n wir uns treffen. haben: Blond müsste er sein, strahlend blaue darüber, wie mein Traummann aussehen soll Egal, wie Neidhammeln auch äffen. Du liebst Augen sollte er auch haben und er sollte groß te. Das merkt man auch daran, dass die Män- mich mit allen Ecken und Kanten, wir brau- und schlank sein. Ob er klug ist oder das Herz ner, die meinen Weg kreuzten, verschiedener chen keine gscheitn Tanten. Nur ich und du, am rechten Fleck hat, das ist mir sowas von gar nicht sein hätten können. Allerdings haben und du und ich, das würde furchtbar freuen egal. Wichtig ist, dass man seinen Liebling sich im Laufe der Jahre meine Wertigkeiten mich. Freunde und Freiheit wolln wir uns las- anderen zeigen kann. Seinen Charakter kann etwas verschoben und sollte ich nochmals sen, da gibt es keinen Grund zu hassen. Mo- ja niemand sehen. So dachte ich damals. Den den Mut haben, eine Beziehung einzugehen, mente voller Zärtlichkeit, wir tauchen tief ein einen oder anderen Freund mit solchen Merk- würde ich sicher auf mehr Dinge, als nur auf in die Herzlichkeit. Auch ehrlich solltest du malen bekam ich tatsächlich. Heute wiederum das berühmte Kribbeln im Bauch achten. Ma- sein, denn Lügen sind für mich nur Pein. Und sehe ich dies mit ganz anderen Augen. Ein terieller Reichtum war mir zwar nie wichtig, lange Haare, bitte sehr, dann hast du Sex-Ap- Mann sollte in meinen Augen mit beiden Bei- doch wahrscheinlich hat es (rückwirkend ge- nen gut im Leben stehen, zu Hause mithelfen, peal noch mehr. Romantik pur und im Ge- sehen) meiner Jugendliebe schon geholfen, aber auch kein Pantoffelheld sein. Mittler- spräch, vielleicht auch noch einmal nach mich zu erobern, dass er ein Moped fuhr. weile habe ich den richtigen gefunden. Lech. Ach leider, liebes Traummännlein, lass Heute sind meine Vorstellungen etwas kon- ich das Lech doch lieber sein. Denn einen kreter. Abgesehen von der Liebe und dem Re- Traummann hätt´ ich längst schon gefunden, Andrea spekt, erwarte ich von einem Traummann, nur ist der Zauber dann verschwunden. Und dass er auch ohne Trauschein in guten, wie in ich saß da und weinte sehr, um meinen verlo- Eigentlich kann ich über dieses Thema nicht schlechten Zeiten für mich da ist und mich renen Teddybär. So spielt das Schicksal seinen so wirklich viel schreiben, da ich aus diesen nimmt, wie ich bin. Dazu braucht er viel Hu- Lauf. Hey Gentleman, wach endlich auf! Und Beziehungsspielchen so gut es geht ausgestie- mor. Er muss meine Macken akzeptieren, das finde mich, so nah und fern, dass ich dich end- gen bin. Sprüche wie »Frauen von der Venus »wichtige Fußballspiel« abschalten, wenn ich lich kennen lern. Lieber Traummann, sei so und Männer vom Mars« haben wohl einen gerade wen zum Reden brauche und mich gut, sei lieb zu mir und auf der Hut. Von ande- Grund. Meistens läuft es doch so, dass einer einfach nur festhalten, wenn es mir nicht gut ren Frauen rat ich ab, sonst köpf ich deine versucht, den anderen zu ändern und dann geht. Einige gemeinsame Interessen wären na- Rübe glatt. Nur hübsch, doch hohl brauchst du beginnen die Machtspiele. Da endet die Be- türlich auch Voraussetzung, denn nichts ist nicht sein, kein Alkoholiker und Schwein. ziehung entweder, oder einer verliert, und schlimmer, als wenn man sich nichts mehr zu Verkleidet nur, ganz selbstverständlich, dann muss sich dann dem anderen voll und ganz sagen hat. Und dann kommt auch noch der sieht er manchen Helden ähnlich. Ich brauch anpassen, sich selbst also aufgeben. Oder, der wichtige Punkt der Toleranz: Ich brauche oft einen Mann mit Herz und Hirn, das möcht´ ich Alltag kommt und zerstört alles. Ganz zu Zeit für mich selbst und das ist schlicht zu gerne jetzt auch spürn. Den Traummann findet schweigen von den Besitzansprüchen, wenn akzeptieren! Doch manchmal muss er mich nur mein Herz, und dann mein Hirn macht man dann zum Eigentum wird. Manche glau- auch motivieren, etwas zu unternehmen, statt eine Terz. Dann prüf ich mich und bin ganz ben nach einer Weile, sie würden etwas ver- vor dem Computer zu sitzen oder die Nase in schlau und wähle schließlich eine Frau. säumen und ergreifen die Flucht. Ich bin der Bücher zu stecken. Regelmäßige Massagen, Meinung, Männer verstehen uns nicht wirk- Streicheleinheiten usw. wären auch gefragt. lich, wir sie ebenso wenig. Was eventuell Na ja, ab und zu möchte ich vielleicht auch Sonja funktionieren könnte: Getrennte Wohnungen auf Händen getragen (statt auf den Arm ge- würden dem Partner den nötigen Freiraum nommen) werden. Das reicht auch verbal, So lange ich mich erinnern kann, war mein und die Möglichkeit geben, sich zu verwirkli- wenn es Rücken-technisch nicht mehr geht. erster Traummann mein Vater. Als Kind sagte chen, möglichst ohne Eifersucht beim anderen Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, ich immer, dass ich einmal Papa heiraten hervorzurufen. Aber wenn man wirklich ver- mein Traumpartner müsste erst erfunden wer- werde. Meine Eltern erklärten mir jedoch, liebt ist, ist man ohnehin treu und nicht eifer- den und wird ein Traum bleiben. Mein Leben dass dies nicht ginge bzw. verboten sei. Doch süchtig. Meist wird man erst misstrauisch, ist aber auch als Single ausgefüllt, denn ich mit dem Alter konnte und wollte ich dies nicht wenn man selber Scheiße gebaut hat. Aber, da habe tolle Kinder und wirklich gute Freunde! begreifen und sagte, dass sie sich doch tren- ich mich momentan um mich selber kümmern Wenn es mal nicht so ist, denke ich an das Zi- nen sollen, damit ich Papa heiraten kann. muss, will ich keine Beziehung eingehen. Ich tat eines weisen Menschen: »Wer mit sich Nach einiger Zeit wurde ich jedoch einsichti- gehöre zu der Fraktion, die verliebt sein will selbst alleine einsam ist, ist in schlechter Ge- ger und wusste auch, dass ich meinen Papa und keine Zweckbeziehung eingeht. Da sind sellschaft!« lieben darf, auch ohne ihn zu heiraten. Als ich die Chancen sowieso sehr gering. 03/2015 15
Sie können auch lesen