LITERATURFEST MÜNCHEN - sz-media
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DEFGH Nr. 257, Donnerstag, 7. November 2019 LITERATURFEST MÜNCHEN EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ZUM LITERATURFEST VOM 13. NOVEMBER BIS 1. DEZEMBER 2019 Träum weiter Was passiert, wenn sich die Tore zum Paradies plötzlich auftun? Ist dann alles gut? Das Literaturfest München erkundet im Jubiläumsjahr alte und neue, gefühlte und reale Grenzen ILLUSTRATION: SHUTTERSTOCK
2 LITERATURFEST MÜNCHEN Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 Wer bin ich? 30 Jahre nach 1989 entwerfen West und Ost eifrig Bilder voneinander, um sich selbst zu finden von felix stephan zu tun hat und dass dieser Verlust ebenso F schwer wiegt und nicht einfach übergan- ür viele osteuropäische Schriftstel- gen werden sollte. Es entstehen Bücher ler war das Ende der Sowjetunion und Essays, in denen kartografiert wird, eine zwiespältige Angelegenheit. was die BRD gewesen sein soll: pazifis- Einerseits blickten sie einer Zu- tisch, eingebettet in den demokratischen kunft entgegen, in der es keine staatlichen Westen, ausgestattet mit einer sozialen Zensurbehörden mehr geben würde, sie Marktwirtschaft, die ihren Namen noch wegen ihrer Texte keine Verfolgung mehr verdiente und, wenn schon nicht in der Ent- zu befürchten hatten und Publikationsfrei- nazifizierung nach 1945, so doch im Auf- heit herrschte. Andererseits hatte das bau einer Erinnerungskultur, die sich den Spiel mit den sozialistischen Zensurbehör- Verbrechen der Vergangenheit stellte, so den ganz eigene Techniken des literari- gründlich wie kein anderes Land. schen Ausdrucks hervorgebracht: die In den Verlagsprogrammen war 2019 Kunst der Parabel, des Zwischentons, der auch das Jahr der Rückblicke auf die eige- Zweideutigkeit. Es gab Schriftsteller, die ne Jugend in den Siebzigerjahren in Bott- wahre Meister darin waren, mit ihren Le- rop oder in Schleswig-Holstein. Dass diese sern im Modus des Uneigentlichen zu kom- Jugend so aufregend war, verdankte sie munizieren und in harmlosen Alltagser- einer besonderen Mischung aus Behaglich- zählungen politische Kritik zu verstecken. keit und Befreiung. Die Republik war Dieses Talent war klein, der Kanzler kam von einem Tag auf den aus einer der zwei anderen nicht mehr Den beiden Volksparteien und die gefragt. Viele Schrift- persönliche sexuelle steller, die im sozia- Antagonisten Revolution fiel zufällig listischen Untergrund war wohl mit der gesellschaftli- Stars waren, haben in nicht klar, chen zusammen. Au- freien Gesellschaften wie sehr ßerdem konnte man si- nie mehr zu alter Gel- cher sein, auf der richti- tung gefunden. Dieses sie einander gen Seite zu leben. Paradox hat einigen brauchten Es war zwar nicht al- Verdruss ausgelöst: les perfekt, aber im- Während Autoren, die merhin war es nicht so sich nie ernsthaft mit den kommunisti- wie auf der anderen Seite. Dieses Gefühl, schen Regimen ihrer Heimatländer ange- und das könnte alle verbinden, gab es auf legt hatten, in einigen Fällen auch in der beiden Seiten, und beide haben es verlo- neuen Zeit ihre Karriere fortsetzen konn- ren. Heute ist Polen zugleich sozial und nati- ten, waren es gerade die Dissidenten und onalistisch, das Mutterland des Pop wen- Widerständler, die mit dem Kommunis- det sich ab von Europa, und in Deutschland mus in der Versenkung verschwanden. Die werfen sich Ost und West gegenseitig vor, Zensur und die Dissidenten brauchten Demokratie nicht verstanden zu haben. einander. Als das eine verschwand, ver- Fast sieht es so aus, als sei auch hier schwand auch das andere. zwei Antagonisten nicht klar gewesen, wie Wenn jetzt, dreißig Jahre nach dem Mau- sehr sie in Wahrheit einander brauchten, erfall, wieder Verluste abgerechnet wer- und als stellten sie erst jetzt, da der jeweils den, stehen die Ostdeutschen wie gewohnt andere verschwunden ist, fest, dass sie mit im Zentrum. Jobs sind verlustig gegangen, sich allein nichts anzufangen wissen. Das das Bruttoinlandsprodukt Ostdeutsch- würde zumindest erklären, dass sich Ost lands schrumpfte nach der Wiedervereini- und West auch heute noch gegenseitig pau- gung auf 27 Prozent des vorrevolutionären schalisieren, um auf diese Weise ein Bild Niveaus und damit stärker als in jedem an- von sich selbst zu bekommen. Der Osten deren Staat des Warschauer Paktes. Es wer- setzt sich vom Westen heute oft als sicher, den aber auch wieder Stimmen laut, die familienfreundlich und traditionsbewusst Darf die Friedenstaube losfliegen? Das scheint ungewiss darauf hinweisen, dass es auch das alte ab. Der Westen versteht sich als liberaler, zu sein an diesem Tag im Jahr 1989. Noch wachen Grenzsoldaten Westdeutschland nicht mehr gibt, dass die inklusiver, emanzipierter und innovativer am Brandenburger Tor in Berlin. FOTO: REGINA SCHMEKEN Berliner Republik mit der alten BRD nichts als der Osten. Neuer weiter Raum Lokal global Durch die Wand Der Systemwechsel, der im Die Münchner Bücherschau Der Geschwister-Scholl-Preis Herbst 1989 begann, fand hat sich in 60 Jahren von geht dieses Jahr an den nicht nur in Deutschland einer exklusiv bayerischen türkischen Autor Ahmet statt. Sondern auch in Polen, Leistungsschau zu Altan. Erst Anfang November in der Tschechoslowakei, in einem überregionalen wurde Altan aus dem Gefäng- Ungarn, im zerfallenden Kulturereignis entwickelt. nis entlassen. Was er bei FOTO: CATHERINA HESS Jugoslawien. Mit dem Seite 8 seiner Verhaftung, in der Systemwechsel öffnete sich Zelle und vor Gericht erlebt der deutsche Markt für hat, das hat er in „Ich werde die Literaturen Mittel- und die Welt nie wiedersehen“ Südosteuropas. Seite 4 aufgeschrieben. Seite 9 Hänschen im Sturm Überzeugungstäter Junge Auslese Haare und Buch Raoul Schrott erzählt von Rasmus Schöll hat in Ulm Oft heißt es, die Jugend Danny Beuerbach kriegt die Magellans Reise zu den eine Buchhandlung über- würde nicht mehr lesen. Leute zum Vorlesen. Er schnei- Gewürzinseln und der nommen, Florian L. Arnold Weit gefehlt. Frei nach dem det derweil die Haare und wird Erstumsegelung der Welt dort die Literaturwoche bekannten Fernsehvorbild dabei auch im Gasteig gut an einer Nebenfigur. Ein erfunden. Gemeinsam diskutieren junge Menschen unterhalten. Seite 11 unbedeutender Seemann haben sie den Verlag beim Literaturfest über die namens Hannes aus Aachen Topalian & Milani gegründet. Werke die sie ausgewählt erlebt wenig Glamouröses Dort erscheint Literatur, und gelesen haben. Ein Literaturfest München auf dieser Fahrt. Was er gerne die es vermag, die Welt zu Format, das sich offensicht- Verantwortlich: Peter Fahrenholz Plakat aus der Ausstellung Redaktion: J. Pfund, I. Brunner hätte, wäre madenfreier 60 Jahre Bücherschau. erklären – oder wie sie sein lich bewährt. Und das Gestaltung: Michaela Lehner Zwieback. Seite 5 FOTO: MÜNCHNER BÜCHERSCHAU könnte. Seite 10 Zukunft hat. Seite 11 Anzeigen: Jürgen Maukner
Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 LITERATURFEST MÜNCHEN 3 Näher ans Paradies Ingo Schulze spürt im Forum : Autoren den Umbrüchen und dem Wandel der Welt seit 1989 nach von antje weber mischen Weg vom sozialistischen Staat in waffnend offener, lockerer und neugieri- Ingo Schulze beschäftigte die kapitalistische Marktwirtschaft. ger Gesprächspartner, dass sich vielleicht sich als Journalist D as Paradies? Gibt es nicht. Zumin- Ingo Schulze, das wird in jenem Roman auch die Münchner ein bisschen locker und Romanautor dest ist es in Ingo Schulzes Roman einmal mehr deutlich, ist ein eminent poli- machen und mit ihm Antworten auf große immer wieder mit „Adam und Evelyn“, der mit dem tisch denkender Intellektueller. Einer, der Fragen suchen. Um dem Paradies auf Er- den Veränderungen biblischen Mythos vom Sündenfall spielt, auch stets die Bedeutung der Sprache den ein wenig näher zu kommen. seit der Wende. Als Kurator nicht leicht zu finden. Eine Ahnung davon, mitreflektiert: Einen Begriff wie „Wende“ des Forum : Autoren wo es liegen könnte, hat der Schriftsteller zum Beispiel kann er nicht leiden, am Fragen an die Welt nach 1989. Autoren lesen ihre ei- ließ er einige Teilnehmer allerdings schon. Er sieht es in diesem Ro- liebsten spricht er vom „Weltenwechsel“. gens für das Fest geschriebenen Texte im Literatur- Texte zu diesem Thema man, der ein Liebespaar aus der DDR im Und an diesem in seinen Augen allzu haus; 14., 15., 18., 19., 20., 21., 22. November, je- verfassen. flirrenden Sommer 1989 begleitet, in fol- schnellen Übergang von einem System weils 18.30 Uhr. FOTO: CATHERINA HESS genden Sätzen angedeutet: „Glaubst du zum anderen hat er sich über die Jahrzehn- wirklich, dass alles weitergeht wie bisher? te als Journalist, Essayist und Roman- Das wäre doch absurd!“ Wenn jemand auf autor immer wieder abgearbeitet. „Mein Veränderungen zum Besseren hofft, so Problem ist nicht das Verschwinden des darf man das deuten, kann er dem Para- Ostens, sondern das Verschwinden des dies immerhin nahekommen. Westens unter der Lawine einer selbst ver- Das Paradies – samt der Wege, wie man schuldeten Ökonomisierung aller Lebens- es erreichen kann – beschäftigt den Schrift- bereiche, die Begriffe wie Freiheit und De- steller Ingo Schulze immer wieder. „Ein- mokratie zunehmend zum Popanz übungen ins Paradies“ hat er ein weiteres macht“ – Sätze wie diese, vor Jahren in der seiner Bücher genannt. Und „Einübungen Darmstädter Akademie gesprochen, kann ins Paradies“ hat er nun auch als Motto für man in Abwandlung immer wieder von das Forum : Autoren gewählt. Beim zehn- ihm hören und lesen. Denn Schulze ist da- ten Literaturfest-Forum will er als Kurator von überzeugt, „dass politische Freiheit „Fragen an die Welt nach 1989“ stellen. ohne soziale Gerechtigkeit fragwürdig ist Denn den „Ostler vom Dienst“, der aus- oder sich sogar in ihr Gegenteil verkehrt“ schließlich 30 Jahre Mauerfall abarbeitet, – noch so ein Satz von ihm, über den man möchte der 1962 in Dresden geborene lange nachdenken und diskutieren kann. Schriftsteller nicht geben – und so weitete Dazu lädt sein Forum : Autoren vom er das Spektrum der Fragen in Raum und 13. bis zum 23. November ein. Ingo Schul- Zeit kurzerhand beträchtlich aus. ze will zusammen mit Autorinnen und Au- toren aus unterschiedlichsten Ländern, von Lukas Bärfuss über Marion Brasch Gedichte können und Petina Gappah bis Salman Rushdie, der „Zäsur nachspüren“, die 1989 für sie einen Staat ins bedeutete. Wobei Schulze sich da gar nicht Wanken bringen. festlegen will: Vielleicht sei für einen bos- Das lernte Schulze nischen Schriftsteller wie Dževad Karaha- als Teenager durch san ja die Zeitmarke 1992 wichtiger. Auch eine erst 1995 geborene mexikanische Wolf Biermanns Autorin wie Aura Xilonen könne darüber Ausbürgerung nachdenken, findet Schulze, weshalb er al- le anreisenden Autoren eigens Texte zum Thema schreiben ließ. Auch an räumliche Dabei war Schulze spätestens bei Er- Analogien denkt er; was damals die Span- scheinen seines Romans „Adam und Eve- nung zwischen Ost und West gewesen sei, lyn“ 2008 klar geworden, dass er durch- werde heute vielleicht zwischen Nord und aus das „Klischee vom Wendeautor“ be- Süd verhandelt. Kurzum: Es geht um Um- dient. In seiner damaligen Leipziger brüche in vielerlei Hinsicht, über die bei ei- Poetikvorlesung wies er – im Wissen um nem Symposium auch Ökonomen, Histori- die Vergeblichkeit – darauf hin, dass von ker und Soziologen reden sollen. seinen fünf bis dahin veröffentlichten Bü- Die Literatur wird dabei aber sicher chern nur „Neue Leben“ um den „Welten- nicht zu kurz kommen. Denn von deren wechsel“ kreise. Die Folgen der tief grei- Kraft ist Ingo Schulze überzeugt, seit er als fenden Systemveränderungen nach 1989 knapp Vierzehnjähriger bei der Ausbürge- jedoch schwingen in fast all seinen Wer- rung von Wolf Biermann aus der DDR er- ken mit, in den ersten Erzählungen „33 Au- kannte: „Gedichte können einen Staat ins genblicke des Glücks“ über die schrillen Wanken bringen.“ Er glaubt auch: „Litera- Gegensätze im Sankt Petersburg der Neun- tur ist dafür da, dass man mit bestimmten zigerjahre ebenso wie in den „Simplen Erfahrungen nicht allein bleibt.“ Man darf Storys“, einem „Roman aus der ostdeut- das Wort „Literatur“ in diesem Satz ge- schen Provinz“. Auch die Stoßrichtung des trost durch „Literaturfest“ ersetzen. Unter- zuletzt erschienenen Schelmenromans haltsam könnte dieses Fest, bei aller Ernst- „Peter Holtz“ ist klar zu erkennen: Ein nai- haftigkeit des Themas, übrigens auch ver Tor erzählt hier seinen unfreiwillig ko- werden. Denn Ingo Schulze ist ein so ent-
4 LITERATURFEST MÜNCHEN Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 Ein enger Raum wird weit Seit 1989 fungiert Deutschland wieder als Katalysator mittel- und südosteuropäischer Literatur Jubelnd drängten DDR-Bürger im Sommer 1989 über die ungarische Grenze nach Österreich. Das Ende des Ostblocks zeichnete sich ab. FOTO: AP von lothar müller DDR. Die Eigentümerwechsel des Aufbau Es wäre provinziell, die Geschichte des des niedergeschlagenen Prager Frühlings, D Verlags, als Verlag von Bertolt Brecht das Ineinanders von Zukunft und Abbruch, rückte nun in den kulturellen Raum ein, en Abend des 9. November Flaggschiff der DDR-Verlage in den vergan- Aufbruch und Inventur einschließlich der dem sie entstammte. Die „große“ französi- 1989 verbrachte der Schrift- genen dreißig Jahren ist dafür ein Beispiel. giftigen Abrechnungen im deutsch-deut- sche Literatur verlor in den Neunzigerjah- steller Reinhard Jirgl in der Reclam Leipzig ist heute Geschichte, der schen Literaturstreit um Christa Wolf, der ren relativ an Gewicht, nicht nur einzelne Volksbühne am Rosa-Luxem- Lehmstedt Verlag und die Connewitzer Ver- schon im Sommer 1990 begann, als rein in- Autoren machten ihr Konkurrenz, sondern burg-Platz in Ostberlin. Das lagsbuchhandlung, beides Neugründun- nerdeutsche Geschichte zu erzählen. Denn ganze Literaturen. Ein markantes Beispiel war sein Job, er war dort Beleuchtungstech- gen im alten deutschen Buchzentrum Leip- der Echoraum all dessen, was in Deutsch- ist die ungarische Literatur. Ihre Autoren – niker. Gegeben wurde „Drei Schwestern“ zig, haben es geschafft. land geschah, hatte sich grundlegend ver- etwa Péter Nádas oder Péter Esterházy – von Tschechow, und es kam Unruhe auf ändert. Der Systemwechsel, der im Herbst gehörten schon in den Achtzigerjahren zur bei den Sehnsuchtsworten „Nach Mos- 1989 begann, fand ja auch in Polen, in der literarischen Szene in Westberlin, György kau!“ Das Gerücht, die Grenze sei geöffnet, Die große Tschechoslowakei, in Ungarn, im zerfallen- Konrád war eine Schlüsselfigur der Diskus- die Mauer passierbar, war in den Saal ge- den Jugoslawien statt. sionen über Mitteleuropa vor 1989. drungen. französische Zu den wichtigsten Effekten des System- Nun entstand eine Infrastruktur, in der Jirgl, Jahrgang 1953, war zu diesem Zeit- Literatur verlor wechsels gehörte auf dem Gebiet der Lite- die einzelnen Bücher sich wechselseitig punkt ein Schriftsteller ohne Öffentlich- in den Neunzigern ratur die Öffnung des deutschen Marktes stützen. Rowohlt gründete Rowohlt Berlin keit, ohne sichtbares Werk. Er hatte in der an Gewicht. für die Literaturen Mittel- und Südosteuro- als Dependance für den Import osteuropäi- DDR für die Schublade geschrieben. Nun pas. Nicht, dass sie vorher nicht dagewe- scher Autoren, den in Westberliner Zeiten wurde er zum Autor, in dichter Folge er- Ungarn wurde sen wären, aber nun traten sie auf intensi- etwa der Rotbuch Verlag mit Herta Müller schienen seine Romane, zwanzig Jahre zur Konkurrenz vere Weise in den Fokus des Interesses. und György Dalos betrieben hatte. Als Un- nach dem Ende der DDR wurde er Büchner- Schon beim Aufbruch in die Moderne um garn 1999 Gastland der Internationalen preisträger. Er steht für die Auflösung ei- 1900 war die deutsche Sprache ein Kataly- Frankfurter Buchmesse war, wurde dieser nes politisch verursachten Publikations- Und der Christoph Links Verlag in Ber- sator gewesen bei der Vernetzung der „gro- Vorlauf honoriert. Christina Viraghs Neu- staus, für die Öffnung, den Zugewinn an lin, schon vor dem 3. Oktober 1990 gegrün- ßen“ und „kleinen“ Literaturen Europas. übersetzung des zuvor unbeachteten Zukunft in der Literatur nach 1989. det, setzte zu Recht auf die Vermutung, es Nun trat Deutschland, ein Übersetzungs- „Roman eines Schicksallosen“ von Imre Aber natürlich gab es auch die Schlie- werde im wiedervereinigten Deutschland land seit dem 18. Jahrhundert, in diese alte Kertész wurde über den deutschen Markt ßungen, die Abbrüche, das Zugleich von ein Bedürfnis nach Zeitgeschichte geben, Funktion wieder ein. ein internationaler Erfolg – und der Autor Verlagskrisen und Verlagsneugründungen nicht zuletzt nach Büchern über den gera- Libuše Moníková, lange schon Exilantin erhielt im Jahr 2002 den Nobelpreis für auf dem Gebiet der untergegangenen de untergegangenen Staat DDR. in Deutschland, literarische Botschafterin Literatur. Schreiben, bleiben Grenzreise Krieg und Liebe Poesie hilft Reisen und fliehen Dissident, Dichter, Filme- Der Eiserne Vorhang trennte Büchner-Preisträger Lukas Gedichte können eine Brücke Reisen ist leicht, wenn Geld macher: Thomas Brasch, Sohn Jahrzehnte die Lebenswelten Bärfuss hat seinen Essayband sein, und dazu dienen, die und Grenzen keine Rolle spie- eines SED-Funktionärs und von Ost und West. Die sichtba- Krieg und Liebe genannt – frei Fremdheit zu überwinden – len. Reisen ist lebensgefähr- stellvertretenden Kulturminis- re Grenze ist schon lange auf- nach dem Sprichwort, dass in und so hat Spiegel-Korrespon- lich, besonders für Kinder, die ters, konnte weder in der DDR gehoben, doch wie steht es um beiden Fällen alles erlaubt ist. dentin Susanne Koelbl das versteckt auf Zügen und ohne noch in der BRD heimisch wer- die unsichtbare? Autorin Lena Eine Schmerzgrenze gibt es bei „Poetry Project“ für geflüchte- Geld irgendwie zu ihren Eltern den. Seine Schwester Marion Gorelik reiste in die ehemali- ihm nicht. Im Gegenteil, uner- te Jugendliche initiiert. In den nach Nordamerika wollen. Brasch und der Schauspieler gen Grenzgebiete und erzählt bittlich zeigt er Handeln, Gedichten geht es um Krieg Davon erzählt Valeria Luisellis Andreas Keller widmen ihm von Erinnerungsorten und von Folgen und Wirkungen auf. und Liebe oder Angst. Roman „Archiv der verlorenen einen Abend. Montag, 18.11., der Globalisierung. Montag, Dienstag, 19.11., 20.30 Uhr, Samstag, 23.11., 16.30 Uhr, Kinder“. Mittwoch, 27.11., 20.30 Uhr, Literaturhaus. 18.11., 19 Uhr, Gasteig. Literaturhaus. Gasteig. 20 Uhr, Literaturhaus.
Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 LITERATURFEST MÜNCHEN 5 Hänschen im Sturm Memoiren eines Nobodys. Raoul Schrott erzählt von Magellans Reise zu den Gewürzinseln und der Erstumsegelung der Welt – an einer Nebenfigur von ingrid brunner D ie Gewürzinseln! Für heutige Men- schen klingt das wie Poesie. Man glaubt ihren Duft förmlich zu rie- chen. Am 20. September 1519 stach der Por- tugiese Ferdinand Magellan von Sanlúcar de Barrameda in Südspanien in See. Seine Mission war es, für die spanische Krone ei- ne Westroute zu ebenjenen Gewürzinseln zu erkunden, als Alternative zum langen Weg Richtung Osten, um das Kap der Gu- ten Hoffnung, durch den Indischen Ozean bis zu den Molukken. Tja, und auch wenn allem Anfang Zauber innewohnt: Diese Rei- se war ein Himmelfahrtskommando. Un- terwegs hatte der ehrgeizige, unbarmherzi- Passage vom Atlantik in den Pazifik: So kartierten W. J. Blaeu und J. Blaeu die Magellanstraße ge Magellan Machtkämpfe, Intrigen und und Feuerland im „Nieuwe Atlas“ von 1642 / 43. FOTO: GETTY IMAGES Meutereien zu überstehen. Nicht zu reden von den Verlusten in der Mannschaft, von der viele an Hunger, Skorbut und in fürch- terlichen Stürmen starben. Nur wenige der und sein Leben endeten bereits auf den Vi- heißt, hin zu einem Nobody, der mal Han- wogen werden, von Ruhm und Ehre, die sie 240 Matrosen und nur eines der fünf Schif- sayas, im Kampf gegen die dortigen Krie- nes, mal Hans und mal Juan heißt. nach ihrer Rückkehr erwarten, träumt er fe sollten in die Heimat zurückkehren. ger, die sich nicht so ohne Weiteres missio- So stolpert der Hannes aus Aachen als schon bald nicht mehr. Ein Stück maden- nieren und kolonisieren lassen wollten. Kanonier Juan Aleman in die Weltgeschich- freier Zwieback, ein Schluck frisches Was- Die Ehre, als erste die Welt umsegelt zu ha- te, in eine Expedition ins Ungewisse, er um- ser täten es auch. Juan Aleman ist kein Juan Aleman ist ben, gebührt dem Schiff Victoria und der rundet die Welt – und dann ein zweites Held, er ist eher Hänschen klein, der in der überlebenden Besatzung. Einer davon ist und drittes Mal, so zumindest spinnt Welt umherirrt, aber nicht mehr heimfin- kein Held. Er der Hannes aus Aachen, er ist der Protago- Schrott seine Geschichte im Fiktiven wei- det, weil die Winde ihr grausames Spiel erinnert eher an nist in Raoul Schrotts neuem Roman „Eine ter. Denn die Quellenlage zu Juan Aleman mit ihm treiben. Er nimmt den Leser mit Hänschen klein, Geschichte des Windes“. Schrott vollzieht ist doch recht dürr. Sie erschöpft sich in ei- auf die Reise in eine Welt, die noch nicht der in die weite den Perspektivwechsel weg von der histori- ner urkundlichen Erwähnung. vollends vermessen und kartiert ist. Der Le- schen Person Magellan, oder Mägälä oder Hannes’ Weltreise ist eine Verlustge- ser kann sich mit Juan mühelos identifizie- Welt fährt und Fernão de Magalhães, wie er abwechselnd schichte: Von Nelken, die mit Gold aufge- ren. Ergeht es ihm nicht selbst zuweilen nicht heimfindet so? – Dass er Länder, Sitten, Dinge, auf sei- ner inneren Karte noch nicht verortet hat? Dass er, wie dieser reine Tor, sich Fremdes Als im Dezember 1520 die Passage zwi- Die Welt von außen aneignet oder sich aburteilend verweigert? schen Feuerland und Patagonien, die heu- Raoul Schrotts Kunstgriff, den Blick te Magellanstraße heißt, endlich gefunden Das Werkzeug versteckt sich im offenen Buch „Die lange Reise“ beschreibt sie minuti- von den großen Entdeckern weg auf die Na- war, nannte der Kapitän den neu entdeck- Raum, nichts hält die Beine am Boden, doch ös die Vorbereitung und die Tage auf der ISS. menlosen in ihrem Gefolge zu richten, ten Ozean Pazifik. Stiller Ozean – so kam der Blick ins All, ja der ist fantastisch. Saman- Das bange Warten im Laufe des Auswahlver- Weltgeschichte an ihnen zu erzählen, ist der Besatzung nach den brüllenden Win- tha Cristoforetti hat mit ihrem Einsatz auf fahrens, die Wochen in Houston oder im nicht neu. Aber die Verbrüderung mit dem den, die aus allen Richtungen zu kommen der Internationalen Raumstation ISS ihren „Sternenstädtchen“, dem Trainingsort der Hannes aus Aachen funktioniert. schienen, dieses unbekannte Meer vor. Traum wahr gemacht. Jahrzehntelang arbei- russischen Kosmonauten. Eine Geschichte ingrid brunner Auch wenn in der Retrospektive alles tete die Ingenieurin, Kampfpilotin und Astro- über Ehrgeiz, Fleiß und Erkenntnis. Lesung auf Magellan verweisen mag: Seine Reise nautin auf diese 200 Tage im All hin. In dem am Freitag, 22.11., 19 Uhr, im Gasteig. PFU Lesung am Donnerstag, 14.11., 19 Uhr, im Gasteig «Dieses Buch ist die ie reine Freude!» Edwin Baumgartner, r, Wiener Zeitung «Ein Buch für alle, die diese Welt besser kennen- lernen möchten undnd Lust haben auf eine kleine Entdeckungsreise vom Nord- bis zum Südpol, von 268 S., 11 Abb. Geb. € 19,95 ISBN 978-3-406-73441-0 den Philippinen biss zu den dunklen Geheimnissen des Kongo.» Mario Scalla, hr2 Kultur Alastair Bonnett nnett im Gespräch mitt Knut Cordsen, BR2 am 16. November, er, Gasteig München Black Box, Rosenheimerstraße nheimerstraße 5 Beginn: 19.00 Uhr hr
6 LITERATURFEST MÜNCHEN Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 7 Programm des Literaturfests München vom 13. November bis 1. Dezember 2019 Mittwoch, 13. November 2019 22 bis 24 UHR, Literaturhaus: Salon der Münchner 22 bis 24 Uhr, Literaturhaus: Salon der Münchner Sonntag, 24. November bis 19 Uhr, Gasteig: Literaturfest Eröffnung. Mit Dieter Verlage Gastgeber: dtv Verlage, Gastgeber: Piper Samstag, 30. November 14.30 bis 18 Uhr Reiter, Timothy Garton Ash, Ingo Schulze, Susanne Gasteig: Bücher mit Beinen und Ohren. Bilderbuch- Koelbl, Max Grosch Trio Filmwerkstatt 17 bis 19 Uhr, BR: Die Bücherschau bei radioMikro Mittwoch, 20. November 2019 Mittwoch, 27. November 2019 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach 19 Uhr, Gasteig: Matthias Politycki, Meine Reise Donnerstag, 14. November 2019 1989, Aura Xilonen zum Tadsch Mahal Samstag, 30. November 18 Uhr, Gasteig: bis 29. November werktags: Auto- 19 Uhr, Gasteig: Ilija Trojanow, Thomas Windisch, 20 Uhr, Literaturhaus: Valeria Luiselli, Archiv der 16 Uhr, Literaturhaus: Huch, ein Buch. Buchbinde- rengespräche auf dem Bayern 2-Diwan Wer hat hier gelebt? Augenreise zu verlassenen verlorenen Kinder workshop mit Franziska Neubert 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach Orten 22 bis 24 Uhr, Literaturhaus: Salon der Münchner 1989, Frank Witzel, Dževad Karahasan 20 Uhr, Literaturhaus: Gerd Müller oder Wie das Verlage, Gastgeber: Kunstmann große Geld in den Fußball kam, Hans Woller, Felix Sonntag, 1. Dezember 19 Uhr, Gasteig: Raoul Schrott, Eine Geschichte des 16 Uhr, Literaturhaus: Vom Wort zum Bild. Illustrati- Windes Magath 20.30 Uhr, Ampere: Aleš Šteger, Vladimir Sorokin onsworkshop mit Petra Schuppenhauer 20 Uhr, LMU: Salman Rushdie, Quichotte Donnerstag, 28. November 2019 Reales und Fiktives aus Slowenien und Russland 22 bis 24 Uhr, Literaturhaus: Salon der Münchner 18.30 Uhr, Münchner Bank: Bas Böttcher, Die ver- Verlage Gastgeber: C.H. Beck kuppelten Worte 19 Uhr, Gasteig: Heinrich Steinfest, Gebrauchsan- Ausstellungen im Gasteig Freitag, 15. November 2019 Donnerstag, 14. November bis 16 Uhr, Gasteig: Heiko und Roman Lochmann, Will- weisung fürs Scheitern Sonntag, 1. Dezember kommen Realität – Die Lochis 20 Uhr, Literaturhaus: Der Araber von morgen, Co- Aktionsfläche 2. OG: 60 Jahre Münchner Bücher- 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach Donnerstag, 21. November 2019 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach mic Live mit Riad Sattouf schau. Ein Blick auf den Weg der Bücherschau von 1989, Judith Schalansky, Fiston M. Mujila 22 bis 24 Uhr, Literaturhaus: Salon der Münchner 1959 bis heute 19 Uhr, Gasteig: Frauke Bagusche, Das blaue 1989, Yitzhak Laor, Vladimir Sorokin 19 Uhr, Gasteig: Harald Lesch, Was hat das Univer- Verlage, Gastgeber: Penguin Foyer, Kleiner Konzertsaal: Wer hat hier gelebt? Au- Wunder genreise zu verlassenen Orten. Geheimnisvolle 20.30 Uhr, Literaturhaus: Mircea Cărtărescu, sum mit mir zu tun? 20 Uhr, Lyrik Kabinett: Xiao Xiao, Wolfgang Kubin, Lost Places einzigartig fotografiert Dževad Karahasan, Literatur aus Rumänien und Kinderaktionsfläche 2. OG: Magic Channel – Die Bosnien Lyrik aus China Freitag, 29. November 2019 20.30 Uhr, Literaturhaus: Marcial Gala, Aura Xilo- Welt als Erzählraum. Bilder, Filme und Texte aus 19 Uhr, Gasteig: Mathijs Deen, Über alte dem gleichnamigen Aktionsraum nen, Romane aus Kuba und Mexiko Wege Foyer Carl-Orff-Saal 2. OG: Verena Körting: Deutschland – Eine Reise in Bildern Foyer Carl-Orff- Samstag, 16. November 2019 Saal 2. OG: Die 100 Besten – Die besten Kinder-, Ju- 14 Uhr, Literaturhaus: Einübungen ins Paradies, Freitag, 22. November 2019 Samstag, 30. November 2019 gend- und Bilderbücher vom Herbst 2019 in einer Symposion Teil 1 mit Ethel Matala de Mazza, Judith 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach 11 bis 19 Uhr, Literaturhaus: Andere Bücher Ausstellung Schalansky, Frank Witzel 1989, Wolfgang Kubin, Xiao Xiao braucht das Land, Markt der unabhängigen Ver- 1.OG: Die Schönsten Deutschen Bücher 2019 – Die 15 Uhr, Gasteig: Marah Woolf, TausendMalSchon 19 Uhr, Gasteig: Samantha Cristoforetti, Die lange lage 25 Sieger der Stiftung Buchkunst 16 Uhr, Literaturhaus: Analogien des Blicks, Sympo- Reise – Tagebuch einer Astronautin Nach Ansage, Literaturhaus: Kirschen in Nachbars Carl-Orff-Saal 2. OG: Der Deutsche Jugendliteratur- sion Teil 2 mit Daniela Dahn, Manja Präkels, Mark 20.30 Uhr, Literaturhaus: Yitzhak Laor, Petina Garten, Verleger_innen führen über den Markt preis – Auswahl 2019. Terkessidis 18 Uhr, Gasteig: Die 100 Besten 2019, Roswitha Bu- Gappah, Prosa und Lyrik aus Israel und Sim- Stündlich, Literaturhaus: Meet the authors, Si- deus-Budde, Hilde Elisabeth Menzel, Ulrike Schult- babwe gnier- und Sprechstunden heis 14 Uhr, Literaturhaus: Independent Publishing, Po- Kartenvorverkauf 19 Uhr, Gasteig: Alastair Bonnett, Die allerseltsams- diumsdiskussion Tickets erhalten Sie bei den jeweiligen Veranstal- ten Orte der Welt 15 Uhr, Gasteig: Alexander Steffensmeier, Ein Platz tungsorten, bei Reservix.de und bei München Ti- Samstag, 23. November 2019 nur für Lieselotte 20 Uhr, Muffathalle: Books for Future – 10 Jahre Li- cket Tel. 089-54 81 81 81 oder oder online: 15 Uhr, Gasteig: Erhard Dietl, Die Olchis und die Gul- 19 Uhr, Gasteig: Hanns-Josef Ortheil, Der von den teraturfest München mit Ingo Schulze, Doris Dör- www.muenchenticket.de ly-Detektive von Loch Ness Löwen träumte rie, Elke Schmitter, Albert Ostermaier, Dagmar Leu- 16.30 Uhr, Gasteig: The Poetry Project „Allein nach pold, Matthias Politycki, Bas Böttcher, Fiston Europa“, Gedichte von geflüchteten Jugendlichen Mwanza Mujila, Konnexion Balkon 19 Uhr, Gasteig: Jan-Philipp Sendker, Das Gedächt- Veranstaltungsorte nis des Herzens Sonntag, 1. Dezember 2019 Literaturhaus München: Salvatorplatz 1, 19 Uhr, Literaturhaus: Im Westen nichts Neues? 11 bis 18 Uhr, Literaturhaus: Andere Bücher Tel. 089-29 19 34 27 Sonntag, 17. November 2019 Katja Huber, Fridolin Schley, Dagmar Leupold, Til- braucht das Land Markt der unabhängigen Verlage Gasteig: Rosenheimer Straße 5, 11 Uhr, Literaturhaus: Volker Braun, Matinee-Le- man Spengler u. a. Nach Ansage, Literaturhaus: Kirschen in Nachbars Tel. 089-480 98-0 sung Garten Verleger_innen führen über den Markt Buchhandlung Lehmkuhl: 14 Uhr, Literaturhaus: An der Schwelle einer Zeiten- Stündlich, Literaturhaus: Meet the authors, Si- Leopoldstraße 45, Tel. 089-380 15 00 wende? Symposion Teil 3 mit Bénédicte Savoy, Fis- gnier- und Sprechstunden Bayerischer Rundfunk: Sonntag, 24. November 2019 10.30 bis 13.30 Uhr, Gasteig: Schreiben, bis die Sät- Arnulfstraße 42, Tel. 089-59 00 01 ton Mwanza Mujila, Stephan Lessenich 10.30 bis 13.30 Uhr, Gasteig: Schreiben, bis die Sät- ze tanzen, Workshop Kreatives Schreiben mit Ilse Muffathalle, Club Ampere im Muffatwerk: 15 Uhr, Gasteig: Sybille Hein, Luca & Ludmilla ze tanzen, Workshop Kreatives Schreiben mit Ilse Geflüchtete Jugendliche fassen im Poetry Project Baumgarten und Jutta Beuke Zellstraße 4, Tel. 089-458 75-010 16 Uhr, Literaturhaus: Wechsel der Besitzverhält- Baumgarten und Jutta Beuke ihre Ängste in Worte (oben). Sie treten beim Literaturfest auf 15 Uhr, Gasteig: Wieland Freund, Regina Kehn, Ro- Lyrik Kabinett: nisse? Symposion Teil 4 mit Joseph Vogl, Silke van FOTOS: ROTTKAY; ROBERT MARKOWITZ; DAN CALLISTER; CHRISTIAN P. SCHMIEDER; BURKHARD RIEGELS; LEONHARD HILZENSAUER 11 Uhr, Literaturhaus: Volker Weidermann, Das Du- ebenso wie (im Uhrzeigersinn) die Astronautin drigo Raubein und Knirps, sein Knappe Amalienstraße 83, Tel. 089-34 62 99 Dyk, Philipp Ther ell. Die Geschichte von Günter Grass und Marcel Samantha Cristoforetti, die mexikanische Autorin 16.30 Uhr, Gasteig: Das literarische Jugendquar- Instituto Cervantes: 19 Uhr, Literaturhaus: Der Sekretär / Der Funktio- Reich-Ranicki Valeria Luiselli oder die Konnexion Balkon bei der tett, mit Leseclubs in und um München Alfons-Goppel-Straße 7, när, Jürgen Böttcher, Andreas Goldstein 11 Uhr, Gasteig: Die 100 Besten 2019, Roswitha Geburtstagsparty in der Muffathalle. Heinrich Steinfest preist 19 Uhr, Gasteig: Nora Bossong und Albert Kitzler, Tel. 089-29 07 18 0 19 Uhr, Gasteig: Katerina Poladjan, Hier sind Budeus-Budde, Hilde Elisabeth Menzel, Ulrike das Scheitern, Fiston Mwanza Mujila spricht Das schöne Mysterium – Gespräch Ludwig-Maximilians-Universität: Löwen Schultheis über Erinnerungsorte. Große Aula Geschwister-Scholl-Platz 1 13.45 bis 15 Uhr, Gasteig: Live-Diwan Petina Gap- Münchner Bank: Frauenplatz 2 pah, Dagmar Leupold, Franz Dobler, Ernst-Wilhelm Händler, Michael Riessler Mitmach-Programm Montag, 18. November 2019 Vom 14. November bis 1. Dezember 2019 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach 15.30 Uhr, Gasteig: Katja Brandis, Seawalkers – Ge- fährliche Gestalten Mittwoch und Donnerstag von 14 bis 16.30 Uhr, 1989, Lukas Bärfuss, César Rendueles Freitag von 14 bis 17 Uhr, an den Wochenenden so- 19 Uhr, Gasteig: Lena Gorelik, Lebensgrenzen – Ei- 19 Uhr, Gasteig: Julia Finkernagel, Ostwärts wie am 21. November von 13 bis 18 Uhr, Gasteig: ne Reise entlang des Eisernen Vorhangs „Doppelseite“ die offene Werkstatt des Verlags 20.30 Uhr, Literaturhaus: Bleiben will ich, wo ich Bunt & Vielfalt. nie gewesen bin – für Thomas Brasch. Marion Montag, 25. November 2019 Brasch, Andreas Keller 19 Uhr, Gasteig: Achill Moser, Mein Vater, mein Samstag, 16. November Sohn und der Kilimandscharo 14 bis 17 Uhr, Gasteig: Bleistift-Skizzen, Schreib- 20 Uhr, Literaturhaus: Reyhan Şahin aka Dr. Bitch werkstatt für Kinder Ray, Yalla, Feminismus! Dienstag, 19. November 2019 22 bis 24 Uhr, Literaturhaus: Salon der Münchner Sonntag, 17. November 18.30 bis 21 Uhr, Gasteig: Experimentieren mit Bil- Verlage, Gastgeber: Hanser 14 und 17 Uhr, Gasteig: Wortlaut! Junge Autorinnen derbüchern I, Werkstattabend Collage und Autoren lesen vor 18.30 Uhr, Literaturhaus: Fragen an die Welt nach 1989, Marcial Gala, Aleš Šteger Samstag, 23. November 19 Uhr, Gasteig: August Zirner, Sven Faller, Transat- Dienstag, 26. November 2019 Sonntag, 24. November lantische Geschichten 17 Uhr, Gasteig: Zukunft Buch. Erfolgreich starten 11 bis 14.30 Uhr und 15.30 Uhr bis 18 Uhr, Gasteig: 19.30 Uhr, Literaturhaus: Lange Hannah-Arendt- in die Buch- und Medienbranche „Lesen macht schön, Vorlesen macht schöner“, Nacht, Marie Luise Knott, Natan Sznaider, Ken 18.30 bis 21 Uhr, Gasteig: Experimentieren mit Bil- Liveact mit Danny, dem Friseur Krimstein, Hanns Zischler derbüchern II, Werkstattabend Animation 20.30 Uhr, Instituto Cervantes: César Rendu- 19 Uhr, Gasteig: Sten Nadolny, Netzkarte Samstag, 23. November eles, Raul Zelik, Lektüren aus Spanien und aller 20 Uhr, Literaturhaus: Ulrich Wickert, Identifiziert Samstag, 30. November Welt euch! Sonntag, 24. November 20.30 Uhr, Literaturhaus: Lukas Bärfuss, Essays 20 Uhr, Lehmkuhl: Geschwister-Scholl-Preis-Preis- Sonntag, 1. Dezember aus der Schweiz träger 2019, Ahmet Altan, Lesung 14 bis 17 Uhr, Gasteig: Münchner Schreibstube
8 LITERATURFEST MÜNCHEN Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 Lokal global von yvonne poppek 1975 wurde wieder ein Besucherrekord registriert: 77 000 Interessierte kamen, die D ie erste Münchner Bücherschau Veranstaltungen waren ausgebucht. „Bei war zu kurz. Zunächst zumindest. den meistbesuchten Lesungen oder Dis- 84 Münchner Verlage stellten im kussionen wurden bis zu 800 Interessen- November 1960 ihre Bücher im Stadtmuse- Die Münchner Bücherschau hat sich ten gezählt“, schrieb die SZ. Als 1987 die um aus. „Hier haben sie so etwas wie die Frankfurter Buchmesse hingezaubert, frei- in 60 Jahren von einer exklusiv bayerischen Kinder- und Jugendbuchschau hinzukam und schließlich auch Verlage von außer- lich in kleinerem Maßstab und nicht auf in- Leistungsschau zu einem überregionalen halb Bayerns ausstellen durften, schmäler- ternationaler, sondern ganz im Gegenteil te dies das Interesse naturgemäß nicht, die auf exklusiver lokaler Basis“, schrieb da- Kulturereignis entwickelt Besucherzahl stieg. 1990 stand ein weite- mals die Süddeutsche Zeitung. 14 Tage soll- rer Umzug an, das Haus der Kunst wurde te diese Verlagsvorstellung dauern, doch renoviert. Die Stadt München bot die Räu- das Interesse der Münchner war so groß, me im Gasteig kostenlos an. Sie betrachte- dass sie kurzerhand um eine Woche verlän- te die Bücherschau als eine Bereicherung gert wurde. Der Beginn also: ein Erfolg. für die Kulturinteressierten, die am glei- In diesem Jahr wird die 60. Ausgabe der chen Ort Philharmonie, Stadtbibliothek Bücherschau eröffnet. Es ist ein runder Ge- und Volkshochschule besuchten. Der da- burtstag, den die Veranstalter vom Börsen- malige Oberbürgermeister Christian Ude verein des Deutschen Buchhandels und befand, dass die Bücherschau nun dort sei, der Stadt München genauso unaufgeregt wo sie hingehöre. begehen, wie auch schon das Jubiläum Nicht nur die Schau wuchs über die Jah- zum Fünfzigsten. Letztlich besteht die Bü- re, auch das Rahmenprogramm wurde um- cherschau auch diesmal wieder aus Buch- fangreicher. Zum 40. Geburtstag gab es 86 präsentation und Veranstaltungen im Ga- Veranstaltungen, dieses Jahr sind es steig. Zudem wird es im zweiten Stock eine knapp 60 – Lesungen, Gespräche, Diskus- Ausstellung geben mit alten Plakaten, Fo- sionen, Ausstellungen, Workshops und Ak- tos und Programmheften, die die „Entwick- tionen für Kinder und Erwachsene. Seit 20 lung von einer Leistungsschau der bayeri- Jahren sind für dieses Programm Edith Of- schen Verlage zu einer der größten Buch- fermann (für Kinder und Jugendliche) und ausstellungen im deutschsprachigem Thomas Kraft zuständig. Sie setzen, wie Raum“ nachvollziehbar machen soll. Kraft es formuliert, auf eine „Balance aus Im ersten Jahr Zum ersten Mal kamen etwa gibt es ein 20 000 Besucher übergeordnetes ins Stadtmuseum, Thema für die um die Werke Veranstaltungen: bayerischer Verlage das schöne anzusehen Mysterium Wie sich daraus schon ablesen lässt: Die Bewährtem und Weiterentwicklung“. So Bücherschau hat sich stetig weiter entwi- gibt es stets populäre Autoren im Pro- ckelt und vor allem vergrößert. Kamen im gramm, aber auch literarische Neuentde- ersten Jahr nach Schätzungen der Veran- ckungen. Zugleich werden neue Formen stalter 20 000 Besucher, so sind es inzwi- der Vermittlung ausprobiert, Schriftsteller schen jährlich 160 000. Die Anzahl der Ver- lesen längst nicht mehr nur aus ihren Bü- lage ist ebenfalls gestiegen von 84 auf etwa chern vor und nippen an einem Glas Was- 300, und diese kommen nicht mehr nur ser, oft gibt es ergänzende Elemente wie aus München. Auch die Öffnungszeit ist Musik, Projektionen oder Diskussionen. mit 15 Stunden an 18 Tagen sehr großzügig Dieses Jahr hat das Programm eine the- bemessen. Und natürlich gibt es die Lesun- matische Klammer erhalten – eine Beson- gen, Ausstellungen und Aktionen, die aus derheit, die bisher nur das seit zehn Jahren einer reinen Bücherschau ein umfangrei- parallel laufende Kuratorenprogramm „Fo- ches Programm rund um Bücher und Auto- rum : Autoren“ kennzeichnete. „Das schö- ren haben werden lassen. ne Mysterium“ – so lautet das Motto. Bis- Bevor die Bücherschau die heutigen Aus- lang habe man gedacht, die Welt sei gren- maße erreichte, brauchte sie zunächst ein zenlos belastbar, erklärt Kraft die Wahl des paar Jahre, um sich als beliebte Publikums- Themas. „Diesmal, scheint mir jedenfalls, veranstaltung zu etablieren. Doch schon schaut es anders aus.“ Die eingeladenen Au- 1967 war der Andrang so groß, dass sie ins toren – Physiker Harald Lesch, Schriftstel- Haus der Kunst umzog, der Platz im Stadt- ler wie Sten Nadolny, Raoul Schrott, Matthi- museum reichte nicht mehr aus. Im selben as Politicky, Meeresbiologin Frauke Bagu- Jahr kamen die Organisatoren auf die Idee, sche oder Astronautin Samantha Cristofo- das Programm um einen Vorlesewettbe- retti – versuchen, dieses Mysterium aus werb für Frauen im „Großmutter-Alter“ wissenschaftlicher, politischer oder gesell- anzureichern. 400 Bewerberinnen traten schaftlicher Sicht zu ergründen. Das Pro- zunächst in regionalen Wettbewerben an, Lesen mit Libressen: 1968 warben diese einheitlich gramm klingt spannend – und dürfte die um sich für das Finale in München zu quali- kostümierten Frauen für mehr literarische Begeisterung. Erfolgsgeschichte der Bücherschau weiter- fizieren. FOTO: MÜNCHNER BÜCHERSCHAU schreiben. Wanderschaft Wendemarken Bomber der Nation Schöner scheitern Leben als Comic Über das Glück des Gehens hat Wendezeit – Zeitenwende – Die schönste Nebensache der Eine Pechsträhne hat jeder Der Vater Araber, die Mutter einst schon der Naturphilo- wann war das noch mal, als Welt, das war der Fußball mal. mal. Was aber, wenn sich der Französin: zwei Sprachen, soph John Muir geschrieben. alles anders wurde? Das kann Doch längst ist er eine Indus- Misserfolg als Leitmotiv fürs zwei Kulturen, eine zerrissene Wie dieser begibt sich Albert persönliche Desaster, aber trie mit knallharten Regeln. Leben herausstellt? Darüber Familie. So die Kurzversion Kitzler auf eine philosophische auch gesellschaftliche Umwäl- Am legendären Torjäger Gerd sinniert der Österreicher Hein- von Riad Sattoufs Jugend. Wanderschaft, während Nora zungen meinen. Etwa den Fall Müller erklärt Hans Woller in rich Steinfest. Er seziert das Statt daran zu zerbrechen, Bossong in ihrem Roman der Mauer. Über die Welt nach seinem Buch, wie das große eigene Unglück und das der schafft er daraus etwas Origi- „Schutzzone“ nach Gerechtig- 1989 diskutieren Frank Witzel Geld in den Fußball kam und anderen – und verfasst daraus nelles: Er zeichnet sein Leben keit und Verantwortung sucht. und der Bosnier Dževad Kara- diskutiert darüber mit Felix eine Gebrauchsanweisung als Comic, mittlerweile den Beide diskutieren am Sonntag, hasan. Donnerstag, 14.11., Magath. Mittwoch, 20.11., fürs Scheitern. Donnerstag, vierten Band. Donnerstag, 1.12., 19 Uhr, Gasteig. 18.30 Uhr, Literaturhaus. 20 Uhr, Literaturhaus. 28.11., 19 Uhr, Gasteig. 28.11., 20 Uhr, Literaturhaus.
LITERATURFEST MÜNCHEN 9 LENBACHHAUS Ahmet Altan wurde als Journalist und Schriftsteller in der Türkei bekannt. FOTO: ACTION PRESS Durch die Wand Der Geschwister-Scholl-Preis geht an den türkischen Autor Ahmet Altan von johanna pfund Was Altan in diesen Tagen, Monaten und Jahren, in denen sein Leben auf eine D er Geschwister-Scholl-Preis feiert winzige Gefängniszelle reduziert war, ein Jubiläum. Bereits zum 40. Mal durch den Kopf gegangen ist, das hat er in verleihen die Landeshauptstadt einem Buch aufgezeichnet. „Ich werde die München und der Börsenverein des Deut- Welt nie wiedersehen“ lautet der Titel schen Buchhandels, Landesverband Bay- (S. Fischer, 2018). Wie hoffnungslos. Ein ern, den Preis an einen mutigen Autor oder abendlicher Restaurantbesuch, Tagun- eine mutige Autorin. Im Jubiläumsjahr ist gen, die Familie, die Frau – all diese In- es ein Schriftsteller, der bis vor wenigen Ta- gredienzien eines westlich-bürgerlichen gen noch im Gefängnis saß und erst An- Alltags gehören von einem Tag auf den an- IHR KU NSTMUSEUM I N MÜ NCH E N fang November unter Auflagen freigelas- deren der Vergangenheit an. Nicht einer sen wurde. lange vergangenen Zeit, an die sich besten- Ahmet Altan war im Juli 2016 verhaftet falls Eltern oder Großeltern erinnern, son- worden. Die türkische Regierung warf dern dem Hier und Jetzt, während man dem Journalisten und Schriftsteller vor, an das Buch liest, während manche wohl nur dem Putschversuch gegen die türkische wenige Stunden entfernt vom Ort dieses Regierung im Juli 2016 teilgenommen zu Gefängnisses ihren Urlaub verbringen. LEBENS haben, und zwar mittels der „Verbreitung Altan könnte verzweifeln. In manchen LE N BACH HAUS. DE einer unterschwelligen Botschaft“. Im Passagen kommt dies zum Ausdruck. Februar 2018 wurde Altan gemeinsam mit „Ich werde die Welt nie wiedersehen. Nie MENSCHEN weiteren Journalisten zu lebenslanger wieder werde ich einen Himmel sehen, der nicht von den Mauern des Gefängnis- hofs eingegrenzt ist. Ich steige in den Ha- Seiner Verzweiflung des hinab.“ Hat er sein Schicksal nicht schon früher beschrieben, in einem sei- ner Bücher? Hat er das Schicksal heraus- JAWLENSKY setzt der Autor immer wieder gefordert? Der Verzweiflung setzt der Au- tor trotzig seine Hoffnung entgegen. Nämlich die Hoffnung auf die Freiheit WEREFKIN trotzig im Kopf. Wie in dem alten Volkslied „Die seine Hoffnung Gedanken sind frei“ sinniert der heute 22 entgegen 69-Jährige über die Möglichkeiten, sei- ner Zelle zu entfliehen. Niemand kann Herrschaft über seine Gedanken gewin- Haft verurteilt, in der Zwischenzeit wurde das Urteil abgemildert, aber nicht aufgeho- nen. Altan zehrt in der Einzelhaft von sei- nem Wissen über Literatur. Gustave Flau- OKT 2019 ben. Anfang Oktober entschied ein Ge- bert, Leo Tolstoi, Doris Lessing besuchen richt, dass Altan weiter ein Gefangener ihn in seinem Gehirn. Altan überlegt, wel- bleibt. Jetzt, Anfang November, die Nach- chen Part Intuition für Schriftsteller BIS richt, dass Altan zwar zu einer Haftstrafe spielt, ob das Geniale doch eher aus Intui- verurteilt ist, jedoch auf freien Fuß kommt tion denn aus Wissen entsteht. Es er- und die Türkei nicht verlassen darf. scheint als Luxus, sich in einer ausweglo- Der Geschwister-Scholl-Preis ist in den sen Situation Gedanken über die Rolle 16 I N ZUSAMM E NARBE IT MUSEUM WI ESBADE N vergangenen Jahren oft an Autoren verlie- der Intuition zu machen. Oder ist dies not- hen worden, die Sprachrohr mutiger wendig für das Überleben? „Die mich hier Menschen sind. Glenn Greenwald hat die Geschichte des Whistleblowers Edward eingesperrt haben, mögen die Macht da- zu besitzen. Doch mich im Gefängnis fest- FEB M IT DEM 2020 Snowden erzählt und wurde 2014 dafür ge- zuhalten, dazu reicht ihre Macht nicht … würdigt, die französische Journalistin Weil ich die Zaubermacht besitze, die al- Garance Le Caisne erhielt den Preis 2016 len Schriftstellern eigen ist. Ich kann mü- für ihre Dokumentation der syrischen helos durch Wände gehen.“ In der Tat. Alexej von Jawlensky, Spanierin (Detail), 1913 Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Lenbachhaus Todesmaschinerie. Altan ist nun ein Preis- träger, der selbst in Gefahr geraten ist. Lesung, Dienstag, 26.11., 20 Uhr, Lehmkuhl
10 LITERATURFEST MÜNCHEN Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 Überzeugungstäter Rasmus Schöll hat in Ulm eine Buchhandlung übernommen, Florian L. Arnold dort die Literaturwoche erfunden. Gemeinsam haben sie den Verlag Topalian & Milani gegründet – und sind damit erfolgreich von stefan fischer A m Anfang stand ein kleiner Seufzer. Der Schriftsteller Lutz Seiler, Träger des Deutschen Buchpreises, hatte ihn ausgestoßen bei einer Lesung. Und wie nebenbei bemerkt, dass sein Verlag diese Erzählung, die er da gerade präsentierte, nicht veröffentlichen wolle. Lyrik gerne, so habe ihn Suhrkamp wissen lassen, und noch lieber den nächsten großen Roman nach „Kruso“. Aber keine Kurzprosa. „Von Rom nach Hiddensee“ ist dann aber dennoch erschienen, gemeinsam mit einer zweiten Geschichte, die dem Band seinen Titel gegeben hat: „Die römische Saison“ – beim Verlag Topalian & Milani in Oberelchingen nahe Ulm. Das war im Juni 2016, die Verleger Florian L. Arnold, 42, und Rasmus Schöll, 32, hatten nun nicht nur einen Eintrag beim Gewerbeamt, viele kluge Ideen und einen geheimnisvollen Namen für ihre Unternehmung, sondern ein erstes Buch. Mit zwei autobiografisch geprägten Geschichten übers Scheitern: In „Von Rom nach Hiddensee“ schildert Lutz Seiler, wie er in Rom in der Villa Massimo mit dem Schreiben nicht vorankommt, in „Die römische Saison“, wie er in dieser Zeit vergeblich versucht, seinen Sohn in einem Fußball-Verein anzumelden. Der Seiler-Trick hat im Jahr darauf im Übrigen noch einmal geklappt: Anna Kim hatte 2012 mit dem düsteren Roman „Ana- tomie einer Nacht“ Erfolg, fünf Jahre spä- Gruppenbild mit Arbeiter: Rasmus Schöll (li.) und Florian L. Arnold. FOTO: PATRICK SCHMIDT, ULM ter folgte der politische Südkorea-Roman „Die große Heimkehr“. Ihre liebesleichten Erzählungen indessen waren nicht interes- Bücher überwiegend in München, Berlin, Der Widerstandskämpfer Ernst Bauer Keine einfache Sache. Wie überhaupt sant genug für Suhrkamp. Wieder mach- Köln und Frankfurt gekauft werden“, sagt hat 1946 den Aegis-Verlag gegründet und sich die Dinge nur in kleinen Schritten ent- ten stattdessen Arnold und Schöll ein auf- Schöll im ersten Stock der Buchhandlung bald darauf die Buchhandlung. Gestaltet wickeln und die Wahrnehmung dessen, wendig gestaltetes Buch daraus: „Finger- Aegis in der Breiten Gasse, der gemütlich hat die Aegis-Bücher Otl Aicher, der seit was Arnold und Schöll realisieren – etwa pflanzen“. möbliert ist und wohin man sich zum 1952 mit Inge Scholl, der Schwester von den Katalog für die Ausstellung über den Gewinn tragen diese Titel den beiden Stöbern, Schmökern oder auch Plaudern Hans und Sophie Scholl, verheiratet war. Trickfilmer Bruce Bickford vor zwei Jah- Verlegern nicht ein – aber Prestige. Kim, Eine Gruppe engagierter Bürger, die den ren – mitunter außerhalb Ulms größer Seiler, dazu Stefan Zweig sowie Arno Tau- demokratischen Neubeginn in der Stadt scheint als in der Stadt selbst. Arnold und riinen sind allesamt Autoren, die aufhor- Ulm ist eigentlich vorangetrieben hat, durch die Kultur und Schöll sind genervt von dem Pessimismus, chen lassen. Das und die sehr bibliophile speziell die Literatur. Ernst Bauers erster der allenthalben „ins System geblasen Gestaltung der Bücher – jeder Band ist von eine Stadt der Lehrjunge als Buchhandelsgehilfe war wird“, so Arnold – von Leuten, die ein Teil einem professionellen Künstler illustriert, Naturwissenschaft. Siegfried Unseld, der spätere Suhrkamp- davon seien: „Ständig zu behaupten, es mit Farbschnitt versehen und fadengebun- Doch sie hat auch Verleger. Das zweite Treffen der Gruppe 47 bringt nichts, eine Buchhandlung zu über- den – haben Arnold und Schöll das Entrée eine starke hat in Herrlingen bei Ulm stattgefunden. nehmen oder einen Verlag zu gründen, ist in den Markt erleichtert: Anfangs haben An diese Historie wollen Arnold und falsch.“ Bei Topalian & Milani erscheint Li- die beiden Literaturliebhaber ausgewählte literarische Schöll anknüpfen. Bereits 2013 hat Arnold, teratur, die es vermag, die Welt zu erklä- Buchhändler persönlich kontaktiert, bald Tradition der als Zeichner, Schriftsteller, Gestalter ren. Oder: Möglichkeiten, wie die Welt sein schon wurde Topalian & Milani von der und Sprecher arbeitet, die Literaturwoche oder wohin sie sich entwickeln könnte. Des- Verlagsauslieferung GVA und dem Verlags- Ulm veranstaltet. „Sie war schauerlich halb der hellsichtige Stefan Zweig, der vertreter Indiebook als Kunde akzeptiert. zurückziehen kann. Der Verlag und die besucht“, erinnert er sich. Für ihn war das nicht nur „Die Schachnovelle“ verfasst hat, Ein wichtiger Schritt, um tatsächlich in Buchhandlung sind in Ulm jedoch durch- aber kein Grund aufzugeben, im Gegen- sondern ein präziser Analytiker des herauf- diejenige Nische des Literaturbetriebes aus bedeutsam als eine Keimzelle für ein teil: Die zweite Literaturwoche sollte mehr ziehenden Nationalsozialismus war. vorzudringen, für die diese Bücher ge- neu erwachendes literarisches Leben. Auf- beachtet werden. Inzwischen ist das kleine Und der Verlagsname? Topalian hieß macht werden. grund der Ausrichtung der Universität sei Festival etabliert, gibt es den Verein Litera- der Großvater Arnolds, Milani derjenige Rasmus Schölls eigene Buchhandlung Ulm „eine Stadt der Natur- und nicht der tursalon Donau, dem die beiden vorstehen Schölls. Zwei Männer von Welt. in Ulm spielt für den Verkauf der Topalian Geisteswissenschaften“, sagt Florian L. und der ganzjährig Lesungen veranstaltet. & Milani-Titel keine wesentliche Rolle. Arnold, der ebenfalls mit am Tisch sitzt. Das große Projekt dieses Vereins ist es, in Markt der Unabhängigen Verlage, Literaturhaus, „Wir sehen sehr deutlich, dass unsere Sie hat aber eine literarische Tradition. Ulm ein Literaturhaus zu gründen. 30.11., 11 - 19 Uhr; 1.12., 11 - 18 Uhr Sehnsucht Unerhört Bewegte Bilder Gipfelziel Über den Atlantik Kuba und Mexiko, zwei Länder Sie rappt, plädiert für „vagina- Jürgen Böttcher, geboren 1931 Einmal auf dem Kilimandscha- Der eine flieht aus den USA, um mit einem sehr speziellen Ver- le Selbstbestimmung“, schockt und Andreas Goldstein, Jahr- ro stehen, das ist der Traum dem Vietnamkrieg zu entge- hältnis zu den USA, einer mit ihren Texten die männlich gang 1969, studierten beide vieler Bergsteiger. Es war auch hen, der andere zieht nach New schicksalhaften Verbindung. dominierte Hiphop-Szene. Dr. Regie in Babelsberg. Eine Gene- der Traum von Achill Mosers York, um dort die Karriere zu Eine Mexikanerin und ein Bitch Ray aka Reyhan Şahin ration liegt zwischen ihnen Vater. Viele Jahre nach dessen machen, die er sich erhofft. Der Kubaner erzählen Geschichten verstört – nicht nur die musli- und ihren Filmen. Goldstein Tod geht dann Achill, nun mit Schauspieler August Zirner und von Armut, Überleben und mische Gemeinde. In „Yalla porträtiert seinen Vater Klaus seinem Sohn, auf den Gipfel in der Kontrabassist Sven Faller dem glitzernden schier uner- Feminism“ erläutert die pro- Gysi, Böttcher einen Funktio- Ostafrika. Großvater, Vater, haben ihr Glück jeweils auf der reichbaren Sehnsuchtsort im movierte Linguistin ihre Ideen när im Chemiewerk Buna. Sohn verbindet der Berg auf anderen Seite des Atlantiks Norden. Donnerstag, 21.11., von Feminismus. Montag, Ein Filmabend. Sonntag, 17.11., unsichtbare Weise. Montag, gesucht. Dienstag, 19.11., 19 Uhr 20.30 Uhr, Literaturhaus. 25.11., 20 Uhr, Literaturhaus. 19 Uhr, Literaturhaus. 25.11., 19 Uhr, Gasteig. Gasteig.
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