LUKRATIV ? ATTRAKTIV - MÜNCHNER TAGE FÜR NACHHALTIGES LANDMANAGEMENT - ARGE ...
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Materialiensammlung | Nr. 49 Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung Herausgeber: Prof. Dr. Walter de Vries 19. MÜNCHNER TAGE FÜR NACHHALTIGES L ANDMANAGEMENT UND ATTRAKTIV LUKRATIV ? Ideelle und finanzielle Wertschätzungen Ländlicher R äume
19. MÜNCHNER TAGE FÜR NACHHALTIGES L ANDMANAGEMENT UND ATTRAKTIV LUKRATIV ? Ideelle und finanzielle Wertschätzungen Ländlicher R äume
2 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 3 | Inhalt Inhalt 38 AKTEUR BÜRGERSCHAFT Bürgerbudget Bad Freienwalde Dennis Ferch 42 ERFOLGREICHE KOMMUNE Markt Stadtlauringen: „Investieren lohnt sich!“ Friedel Heckenlauer 45 ERFOLGREICHE KOMMUNE Jossgrund: Investition in Daseinsvorsorge Rainer Schreiber 48 Praxistest: 04 09 26 Wertschätzungen Der Wert der verschiedenen Perspektiven Lebensverhältnisse Investitionen 49 Prof. Dr. Walter de Vries und Selbstwertgefühl im ländlichen Raum Was beeinflusst das Bild vom Land? Ergebnisse der Werkstätten 07 10 27 Silke Franke Tagungsprogramm Mit beiden Beinen auf dem Boden… Investitionskriterien institutioneller Souveränität. Leben. Immobilienfonds 58 Gaston Florin Prof. Dr. Harald Stützer Seid stolz auf Euch! Anforderungen an attraktive 14 und lukrative Ländliche Räume Vom Leben in ländlichen Räumen 32 Ein Fazit der Tagung Dr. Annett Steinführer Prof. Dr. Walter de Vries Perspektiven 19 auf dem Land Image und Selbstwertschätzung als Einflussgrößen 33 66 Dr. Olaf Heinrich AKTEUR STAAT Appendix Der neue Ansatz – Unternehmertum und Beschäftigung 67 21 in ländlichen Regionen stärken Autorenverzeichnis Ralf Wolkenhauer Szenarien 68 der Gerechtigkeit 35 Bisher erschienene Hefte AKTEUR WIRTSCHAFT 22 Bayern Mobilität 2030 – 72 Widerspruch und Überlagerung – Gleichwertige Lebensverhältnisse Impressum räumliche Szenarien zur Gerechtigkeit in ganz Bayern erfordern Dr. Mathias Jehling ein modernes Mobilitätssystem Ass. Prof. Dr. Thomas Hartmann Dr. Josef Wallner
4 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 5 | Einführung Der Wert der verschiedenen Perspektiven Prof. Dr. Walter de Vries Jährlich veranstaltet der Förderkreis Bodenordnung und Landentwicklung M ünchen In diesem Jahr zoomen wir uns in diese Grundbeziehung hinein. Im Fokus stehen ins- in Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung München und der Bund-Länder-Arbeits- besondere die Veränderungen der sozial-räumlichen Beziehungen und Wahrnehmungen gemeinschaft ArgeLandentwicklung die „Münchener Tage für Nachhaltiges Land (ΔS) und der ökonomischen Chancen (ΔÖ). Die Änderungen sind sowohl objektive, management“. Sie verbinden Theorie und Praxis und regen zum Weiter-Denken und beobachtbare Veränderungen (Karten, Statistiken, Kosten-Nutzen-Analysen) als auch gemeinsamen Lernen an. Ich danke an dieser Stelle allen, die mit ihrem wertvollen subjektive Veränderungen (in Wahrnehmungen, Selbstreflexionen, Bilder). Dabei spielt Wissen maßgeblich zum Gelingen beigetragen haben. Ich danke unseren Kooperations- die Interaktion zwischen allen Akteuren eine wichtige Rolle, sei es, weil sie sich mit partnern Hanns-Seidel-Stiftung und ArgeLandentwicklung sowie unseren Sponsoren der Entwicklung des Ländlichen Raumes befassen oder weil sie durch ihr Leben und BBV Landsiedlung und VHV Versicherungen. Ohne sie wäre die Tagung in dieser Form Arbeiten im Ländlichen Raum diesen gestalten: Politik und Wissenschaft, Unternehmen nicht möglich gewesen. Besonders bedanke ich mich bei Frau Silke Franke von der und Zivilgesellschaft, Fachleute aus Planung und Umsetzung. Sie alle haben bestimmte Hanns-Seidel-Stiftung für die intensive Vorbereitung und die gemeinsame Tagungs Bilder und Wahrnehmungen von ländlichen Regionen. Ziel der 19. Münchener Tage war leitung und Moderation. es, diese Vielfalt zu benennen und ihren Einfluss auf die Wertschätzung zu verstehen. Resilienz und Wertschätzung Bilder wahrnehmen und Werte verstehen Ländliche Räume sind attraktiv- aber sind sie auch lukrativ? Das Thema knüpft an der Zuerst war es notwendig, die Bilder wahrzunehmen, die Menschen (Einzelpersonen, Tagung des letzten Jahres an, Resilienz der Dörfer und Städte in Zeiten großer Wande- Gruppen, Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik u.a.) von ländlichen Räumen rungsbewegungen. Wir hatten festgestellt, wie wichtig Widerstands- und Anpassungs- haben. Dazu gehört auch die Frage, wie Bürgerschaft oder Entscheidungsträger sich fähigkeit für das Gleichgewicht der örtlichen Gemeinschaften ist und dass diese von präsentieren, was sie wahrnehmen und wie sie ihre Vorstellungen auf andere projizieren. einer Reihe von Faktoren abhängen (Handler & Gruber, 2016; Schneider, 2016): Wandel Dann erschließen sich auch die zugrunde liegenden Werte, die jeden Akteur antreiben. und Veränderung verstehen, Haltungen und Wertvorstellungen entwickeln (bei Ent- scheidungsträgern, in der Landmanagement-Praxis, in der Bürgerschaft…) oder sowohl Angesichts dessen war wichtig zu verstehen, welche unterschiedlichen Ziele die harte als auch weiche Fähigkeiten steigern. Veränderungen in der Gesellschaft erfordern Menschen oder die Politik anstreben, wenn sie Entwicklung im Ländlichen Raum voran- neue Lösungen im Nachhaltigen Landmanagement. Wir haben die Veränderung im treiben. Das zeigt sich in der Auswahl von Daten und Indikatoren, in der Bewertung bei Nachhaltigen Landmanagement als ΔLM qualifiziert, wobei ΔLM abhängig ist von den der Datenanalyse, bei der Erstellung und Verwendung von Konzepten, in der Art und jeweiligen Veränderungen in Governance, Recht, sozial-räumlichen Beziehungen, Weise an Situationen heranzugehen oder Ziele zu definieren. Verhaltensweisen und Wahrnehmungen sowie ökonomischen Chancen und Abhängig- keiten (de Vries, 2016). In kurzer Form: ΔLM (Landmanagement) = f (ΔG, ΔR, ΔS, ΔÖ).
6 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 7 | Inhalt Tagungsprogramm Umsetzung in der Praxis, Voneinander lernen TAGUNGSPROGRAMM Regierungen und Praktiker sind angehalten, verschiedene Arten von Leitlinien, wie die MONTAG | 13. MÄRZ 2017 Cork.2.0-Erklärung zur Entwicklung des ländlichen Raums (Europäische Kommission, 2016) auf europäischer Ebene oder den "Gleichwertigen Lebensbedingungen" auf 10:00 Begrüßung und Grußworte Thomas Schmid | Förderkreis Bodenordnung und Landentwicklung deutscher Ebene umzusetzen. Diese Grundsätze sind ein wesentlicher Bestandteil des Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser | Hanns-Seidel-Stiftung Raumplanungssystems der Bundesrepublik Deutschland. Dabei sollten die Lebens-, Dr. Ekkehard Wallbaum | Vors. ArgeLandentwicklung Sachsen-Anhalt Arbeits- und Umgebungsbedingungen in allen Bereichen des Bundesgebietes gleich- Franz Stemmer | BBV LandSiedlung GmbH, München wertig sein. Eine Verringerung der räumlichen Disparitäten wird angestrebt. Um diesen 10:20 Einführung in die Tagung Prof. Dr. Walter de Vries | Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden, müssen unterschiedliche Werte und TU München Systeme abgestimmt werden. Auf Gemeindeebene müssen Bürgermeister und Gemein- deräte praktische Wege finden, um täglich mit konkurrierenden Interessen und wider- sprüchlichen Daten umzugehen. Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl Moderation: Prof. Dr. Walter de Vries Die Tagung dient jedes Jahr dazu, voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen 10:40 Mit beiden Beinen auf dem Gaston Florin | Keynote Speaker, Experte für Perspektivenwechsel, Bruck und sich zu vernetzen. Dieser soziale Interaktionsaspekt ist entscheidend für nachhaltiges Boden… Souveränität. Leben. Lernen und für praktische Wege, Verbesserungen umzusetzen. Vorgestellte Beispiele erfolgreicher Akteure und eine Reihe von Werkstätten ermöglichten den Gedanken- 11:10 Vom Leben in ländlichen Dr. Annett Steinführer | Thünen-Institut Braunschweig Räumen austausch und rundeten die Konferenz ab. Dieser Tagungsband enthält die einzelnen Vorträge und wesentliche Erkenntnisse aus den Werkstätten und Diskussionen. 11:30 Image und Selbstwertschätzung Dr. Olaf Heinrich | Bürgermeister Freyung, als Einflussgrößen Bezirkstagspräsident Niederbayern 11:50 Was beeinflusst das Image / den Wert des Ländlichen Raumes? Thesenwerkstatt 12:15 Mittagspause Szenarien der Gerechtigkeit Moderation: Silke Franke 13:15 Gleichwertigkeit der Prof. Dr. Theo Kötter | Lehrstuhl Städtebau und Bodenordnung, Lebensbedingungen - Universität Bonn Herausforderungen und Ansätze 13:35 Widerspruch und Dr. Mathias Jehling | Karlsruher Institut für Technologie, Überlagerung – Institut für Regionalwissenschaft räumliche Szenarien zur Ass. Prof. Dr. Thomas Hartmann | Faculty of Geoscience, Utrecht University Gerechtigkeit 14:05 Podiums- und zusätzlich mit LITERATUR Plenumsdiskussion Walter Keilbart | IHK Niederbayern, Enquete-Kommission de Vries, W. T. 2016. Wandel verstehen. Handler, R., & Gruber, M. 2016. Resilienz Schneider, M. 2016. Zauberwort "Resili- Gabriele Stark-Angermeier | Caritaszentren München Stadt/Land, Haltung zeigen. Kompetenzen entwick- & Regionen - Was gehört dazu? In W. enz": Wie werden aus Krisen Chancen? In stellv. Geschäftsführerin len. Ein Fazit der Tagung. (Understanding T. de Vries (Ed.), 18.Münchner Tage für W. T. de Vries (Ed.), 18.Münchner Tage für change. Show attitude. Develop compe- nachhaltiges Landmanagement. Men- nachhaltiges Landmanagement. Men- 15:15 Kaffeepause tences. A summary of the workshop.). In schen kommen und Menschen gehen. schen kommen und Menschen gehen. W. T. de Vries (Ed.), 18.Münchner Tage Wie bleiben Kommunen im Gleichgewicht. Wie bleiben Kommunen im Gleichgewicht. für nachhaltiges Landmanagement. Resiliente Ländliche Räume in Zeiten Resiliente Ländliche Räume in Zeiten Investitionen im ländlichen Raum Menschen kommen und Menschen gehen. globaler und regionaler Wanderungs globaler und regionaler Wanderungs Moderation: Silke Franke Wie bleiben Kommunen im Gleichgewicht. bewegungen., Vol. Heft nr. 48/2016: 26-28: bewegungen., Vol. Heft nr. 48/2016: 18-25: Resiliente Ländliche Räume in Zeiten Materialensammlung Lehrstuhl für Boden- Materialensammlung Lehrstuhl für Boden- 15:45 Auf dem Land investieren? Robert Högl | Hallertauer Volksbank eG globaler und regionaler Wanderungsbe- ordnung und Landentwicklung. ordnung und Landentwicklung. wegungen., Vol. Heft nr. 48/2016: 74-77: 16:05 Investitionskriterien Prof. Dr. Harald Stützer | STUETZER Real Estate Consulting GmbH, Materialensammlung Lehrstuhl für Boden- institutioneller Geschäftsführender Gesellschafter ordnung und Landentwicklung. Immobilienfonds 16:25 Digitalisierung Carsten Hansen | Deutscher Städte- und Gemeindebund, und eCommerce – Bereich Wirtschaft, Tourismus, Verkehr Kaufkraftabfluss oder Chance?
8 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 9 | Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl TAGUNGSPROGRAMM 17:45 Plenums- und Podiumsdiskussion Lebens verhältnisse 17:30 Ende des ersten Tages 18:30 Tagesausklang beim Augustiner Klosterwirt DIENSTAG | 14. MÄRZ 2017 und Selbst Perspektiven auf dem Land Moderation: Claudia Bosse 09:00 Begrüßung und Einführung Claudia Bosse | Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung, TU München wertgefühl 09:10 AKTEUR STAAT Ralf Wolkenhauer | Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Der neue Ansatz – Leiter Unterabteilung Ländliche Räume Unternehmertum und Beschäftigung in ländlichen Regionen stärken 09:30 AKTEUR WIRTSCHAFT Dr. Josef Wallner | Bayerischer Bauindustrieverband e.V. Bayern Mobilität 2030 – Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern erfordern ein modernes Mobilitätssystem 09:50 AKTEUR BÜRGERSCHAFT Dennis Ferch | Bürgerforum Kurstadt – Dialog Bürgerbudget Bad Freienwalde 10:10 Plenums- und Podiumsdiskussion 10:40 Kaffeepause 11:00 ERFOLGREICHE KOMMUNE Friedel Heckenlauer | 1. Bürgermeister Markt Stadtlauringen Markt Stadtlauringen: „Investieren lohnt sich!“ 11:20 ERFOLGREICHE KOMMUNE Rainer Schreiber | 1. Bürgermeister Gemeinde Jossgrund im Spessart Jossgrund: Investition in Daseinsvorsorge 10 Mit beiden Beinen auf dem Boden… 11:40 Plenums- und Podiumsdiskussion Souveränität. Leben. Gaston Florin 12:15 Mittagspause 14 Praxistest: Wertschätzungen Vom Leben in ländlichen Räumen Moderation: Prof. Dr. Walter de Vries, Silke Franke, Claudia Bosse Dr. Annett Steinführer 13:15 Ideelle und finanzielle Werte – Wechselwirkungen und Einflussmöglichkeiten 19 Expertenwerkstatt Image und Selbstwertschätzung 14:30 Zusammenfassung Prof. Dr. Walter de Vries als Einflussgrößen und Abschluss Dr. Olaf Heinrich 15:00 Ende der Veranstaltung
10 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 11 | Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl Mit beiden Beinen greiflichkeiten – was für eine Verschwendung Das Besondere an diesen Signalen ist, dass von Energie, Zeit und Gesundheit. So dumm sie sowohl nach Innen als auch nach Außen ist die Natur nicht. Sie hat für ein System wirken. Viele körpersprachliche Ausdrucks- auf dem Boden… gesorgt, in dem der eine durch leichtes Auswei- formen haben diese Wirkung. Machen Sie ein chen des Blickes oder ein kleines Zuppeln am kleines Experiment. Machen Sie die Augen zu Mantel signalisiert, dass er dem anderen den schmaleren Schlitzen, so als würden Sie gegen Souveränität. Leben. Vortritt lassen wird und dies dann auch tut. Es ein helleres Licht sehen (nicht zu schmal – genau kommt nicht zum Streit – keine Verletzungen so). Jetzt schauen sie sich um, betrachten Sie sind zu befürchten. Beide Seiten – derjenige, der mit diesen schmalen Augen Gegenstände, Men- ausweicht und der, der seinen Weg ungehindert schen oder den Raum in dem Sie sich befinden. Gaston Florin fortsetzen kann – gehören zu den Gewinnern. Und nun versuchen Sie, mit diesen schmalen Ein ganz normaler Tag in der Fußgängerzone – Augen einen positiven Gedanken zu hegen. Gar ganz ohne besondere Vorkommnisse – dank nicht so leicht. Kurz ausschütteln. Jetzt machen Status. Sie Ihre Augen groß und rund (wie Christbaum- kugeln) und schauen Sie sich um. Und seien Sie mit diesen großen, runden Augen ärgerlich oder depressiv. Auch nicht leicht. So, wie man Souverän? Der Körper in die Welt hineinschaut, so schaut sie zurück. spricht seine eigene Sprache Das gleiche gilt für die Statussignale. Sie haben sowohl eine große Wirkung nach Innen, als auch Ich möchte mich dem Umgang mit Souveränität nach Außen. Siebte Klasse einer Knabenrealschule. Die weitergereicht – der bloße Anblick der neuen und Macht aus der Perspektive der Körper- erste Schulwoche nach den Weihnachtsferien. Lehrkraft reichte vollkommen aus. Das Ergebnis sprache heraus nähern. Unser Körper ist ein Soweit so einfach – allerdings kommt es Auf dem Stundenplan steht Religion. Die war verheerend – vor allem für die unerfahrene unglaublich feinfühliges Instrument für den Aus- beim Thema Status immer wieder zu Missver- Jungenmeute ist nicht erfreut. Vorsichtig öffnet Pädagogin. druck (und auch das Empfangen) von Führungs- ständnissen. sich die Klassenzimmertür. Eine junge Frau signalen. betritt den Raum. Noch bevor sie vorne an der Tafel steht, wissen 32 Dreizehnjährige unisono: Status hat viele Gesichter SIGNALE DES HOHEN STATUS SIND: Bettler oder König? „Die machen wir fertig – hehe!“ Das erstaunli- » Kopf ruhig halten che war, sie hatte Recht, die Meute. Die junge Der Begriff Status hat viele Gesichter. Der Chef, » Augenkontakt halten Vier Missverständnisse Religionslehrerin brachte keinen Fuß auf den der eine unliebsame Mitteilung zu machen hat, » Zeit nehmen Boden. Wir ließen ihr nicht die geringste Chance muss sich damit genauso abmühen, wie Eltern, » lange Ähms am Anfang eines Satzes Das wohl klassischste Missverständnis, w elches (und ja, ich war einer dieser 32 Jungs). Noch die mit einem bockigen Kind zu kämpfen haben. » synchrone raumgreifende Gesten mir am häufigsten begegnet, lautet: Der soziale viel erstaunlicher war aber, dass wir alle im Wer hat das Sagen und warum? Wer übernimmt » andere berühren (u.U. sogar am Kopf) Status und der körperliche Status sind gleich. ersten Moment Bescheid wussten, ohne mit- die Führung und auf welche Art und Weise? » Ruhe (sich Zeit nehmen) Hieße also, ein König hätte immer einen hohen, einander zu kommunizieren. Es gab kein Getu- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit in einer » einen Fuß auswärts drehen und ein Bettler immer einen niedrigen Status. Wir schel, keine Zettel wurden unter Schulbänken Gruppe, und welche Regeln sind dabei wirksam? » tiefe Stimme kennen aber alle die Bettler an den großen Bahn- höfen (meist junge Männer), die mit einer sehr Status wirkt immer und überall. Frei nach Paul SIGNALE DES NIEDRIGEN STATUS SIND: bedrohlichen Haltung auf ihr Gegenüber zukom- Wazlawik könnte man sagen: Man kann nicht » Kopf wackeln men, mit den Worten: „Ey, hast de mal n Euro!“ nicht Status haben. Das ist bei so gut wie allen » Augenkontakt unterbrechen (u.U. nochmal Sie bekommen Geld – von niedrigem Status sozialen Lebensformen unseres Planeten so, schauen ob der andere noch schaut) aber ist keine Spur zu sehen, obwohl sie Bettler und das ist auch gut so. Denn Status ist überle- » leicht außer Atem sein sind. Genauso denkbar ist aber die Szene, dass benswichtig – Stellen sie sich eine gut besuchte » kurze Ähms in der Mitte eines Satzes ein König im Mittelalter vor sein Volk tritt mit Fußgängerzone ohne Statusverhalten vor. Zwei » asynchrone kleine Gesten den gestotterten und von fahrigen Bewegungen 30 jährige Männer kommen aufeinander zu. Sie » gehetzt (leicht außer Atem) begleiteten Worten: „Köpfen! Alle! Oder? Ja – haben den gleichen Weg nur in entgegengesetz- » sich selbst berühren (u.U. mit den Fingern köpfen – alle!“ Und sie wären geköpft worden, ter Richtung. Sie steuern genau aufeinander zu. im eigenen Mund) und zwar alle – egal, was das für eine Lusche ist, Was würde ohne Statussignale passieren? Mit » einen Fuß leicht einwärts drehen der König. großer Wahrscheinlichkeit würden sie anfangen » hohe Stimme Gaston Florin zu streiten, es käme vielleicht sogar zu Hand-
12 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 13 | Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl Ein weiteres Missverständnis rund um den um den Status dann für meinen Alltag in Beruf und musste die Schule ohnehin verlassen). An Status geht in eine ähnliche Richtung. Viele und Leben? diesem Tag lernte ich die vernichtende Wirkung Leute glauben, es gäbe einen unmittelbaren des passiven Wiederstandes kennen. Unser Zusammenhang zwischen Status und Kompe- Musiklehrer verlor komplett die Fassung und tenz oder zwischen Status und Wissen. Nehmen Das Spiel mit dem Status – seine Würde. Kein schöner Anblick, aber Harry wir aber nur mal die Religionslehrerin aus dem war auch irgendwie ein Held. Tyrannen rufen Eingangsbeispiel. Hat sie keine Kompetenzen in für mehr Souveränität im immer die Attentäter auf den Plan. Sachen Religion? Ich glaube, sie war sehr gut Alltag im Studium, hatte exzellente Noten und verfügte Beide Extremformen der Führung (oder der in Sachen Moraltheologie über durchaus große Um Ihnen meine Erfahrung diesbezüglich Selbst-Präsentation) haben so ihre Schattensei- Kompetenzen. Sie bekam nur nie die Chance, näher zu bringen, komme ich noch einmal auf ten. Kommen wir aber zurück zu Ihrem Lieblings- dass auch zu zeigen. Andersherum gibt es genü- den Berufsstand der Lehrer zurück. Sie sind die lehrer. Ich wette eine große Summe, dass dieser gend Schaumschläger, die unglaublich kompe- ersten Fachkräfte in unserem Leben, die uns zu keiner der beiden oben dargestellten Lehrer- tent wirken, aber nicht den geringsten Schimmer Führungsperson und Präsentator sind. Wir alle persönlichkeiten gehört. Ich vermute, er oder sie von der Sache haben. haben alle möglichen Facetten an Souveränität war jemand, der sowohl streng sein konnte, als und fachlicher Kompetenz bei unseren Lehrern auch mit seinen Schwächen souverän umgehen Zu den Top Ten gehört auch die folgende erlebt. Ich darf Sie nun bitten, kurz die Augen zu konnte. In der Welt des Status nennt man solche Annahme. Der hohe Status ist immer gut, denn schließen und sich an ihren Lieblingslehrer zu Könner – Statusspieler. Das eigene Statusspiel er ist mächtig, und wer Macht hat, erreicht erinnern. Also an eine Lehrkraft, die Sie mochten auf die Situation und meine Ziele abzustimmen, stets seine Ziele. In einer meiner vielen beruf- und vor allem auch, von der Sie etwas gelernt fällt diesen Menschen sehr leicht. Aber mit ein lichen Rollen (der des Zauberkünstlers) gehört haben. Merken Sie sich Ihren Eindruck. bisschen Aufmerksamkeit und ein klein wenig es zu den vornehmsten Pflichten „freiwillige“ Übung ist das auch für alle, denen das nicht in Zuschauer auf die Bühne zu holen. Sie können Unsere Religionslehrerin vom Beginn dieses die Wiege gelegt ist, leicht zu bewerkstelligen. sich vorstellen, wie groß die Begeisterung ist, Artikels, Sie haben es bestimmt schon heraus- wenn der Herr Zauberer auf der Bühne sagt: „Ich gefunden, war eine klassische Vertreterin des Ein gutes Beispiel aus der Wirtschaft wäre die XYZ umsetzen – ähm – aber so ganz klar wie – brauche jetzt einen völlig Freiwilligen.“ Richtig, Niedrigstatus. Sie vermied Augenkontakt und Verkündung der neuen Arbeitsgrundsätze XYZ ist das ja noch nicht. Hm. Hat irgendjemand eine die Menge tobt. Was passiert, wenn ich diese zuppelte beständig an Ihrer Kleidung. Wir taten in der Firma ABC. Der Chef muss seinen Leuten Idee dazu?“ Hier entsteht mehr Raum für die Hürde mit einem hohen Status nehmen möchte, nichts von dem, was sie wollte. Irgendwann vermitteln, dass diese neuen (und recht umstrit- Ideen der Mitarbeiter und die können ja bekann- vielleicht so: „Du, komm mit!“ Klar, ohne Schnör- riss Ihr komplett der Geduldsfaden, und sie tenen) Regeln ab dem morgigen Tag umgesetzt termaßen sehr, sehr hilfreich und effektiv sein. kel aber sehr unhöflich und unsympathisch – brüllte uns an. Plötzlich war Ruhe, ich glaube werden müssen. Hier wäre es wahrscheinlich kaum jemand kommt hier mit. Nur dadurch, dass wir holten auch tatsächlich die Religionsbücher wenig hilfreich, wenn er von einem Fuß auf den ALSO… der Zuschauer sitzen bleibt, kann er den Hoch- heraus. Dann fing sie wieder an zu zuppeln. Wir anderen trippelt, an seiner Krawatte nestelt und » Status ist ein sehr mächtiges status total entmachten. fingen wieder an zu quatschen und Quatsch zu stotternd von sich gibt: „Also – ähm – es ist ja – Kommunikationsinstrumentarium. machen. Sie kochte über. Wir waren kurz ruhig. ähm – so, dass die Regeln – ähm – XYZ – ab » Status findet immer und überall statt Niedriger Status ist immer machtlos. Mein Zuppeln. Quatschen. Brüllen. Ruhe. Zuppeln. morgen – ähm – also ähm bald – zu befolgen (sobald zwei Menschen sich begegnen). Lieblingsbeispiel gegen diesen Glaubenssatz Es spielte sich ein überaus unterhaltsamer (also sind – ähm.“ In dieser Situation wäre es wohl » Mit dem Status situationsgerecht umzugehen, ist das Mutter Syndrom. Der Sohn will sich für uns) Rhythmus ein. Wir entdeckten (sehr angeraten, eher souverän aufzutreten und nicht erhöht die Zielorientierung der Kommuni- verabschieden und seine Mutter sitzt in sich schnell) welche Knöpfe wir drücken mussten, um mit dem Kopf zu wackeln, damit die unvermeid- kation und deren Effektivität. zusammengesunken und sagt mit zittriger kleine emotionale Explosionen auszulösen. Ich lichen Regeln das nötige Gewicht haben. Wenn Stimme: „Geh nur! (leichtes Schniefen) Ich komm nenne das den Sägezahnrhythmus des niedrigen aber jetzt im nächsten Schritt noch gar nicht Und was für das Miteinander zwischen ja gut zurecht! (tiefes Atmen) So ganz allein! Status. soooo ganz klar ist, wie die Regeln in dieser den Menschen gilt, gilt ja vielleicht auch für (unterdrücktes Schluchzen)“ Na ja, und dann speziellen Abteilung umzusetzen sind, und der ganze Gemeinwesen … gehen sie mal, so als Sohn. Der niedrige Status Hochstatus Lehrer sind da eine ganz andere Chef darauf angewiesen ist, Ideen der Mitarbei- kann also sehr viel Einfluss haben (auch ohne Baustelle. Unser Musiklehrer war von der Sorte. ter zu bekommen, hilft der hohe Status meist Viel Spaß und Erfolg beim Übertrag! Tränendrüse übrigens). Er kam rein, und es war sofort still. Keiner nicht mehr so viel: „Mayer was haben sie für wagte, laut zu atmen, denn das konnte unange- Ideen! Na, irgendeine werden sie doch haben! Wenn aber nun der hohe Status nicht immer nehm werden (dann schaute er einen nämlich Mayer! Ich warte!“ – Da wird sich wohl niemand mächtig oder hilfreich ist, und der niedrige Status an – lange – sehr, sehr lange). Diese Form der aus der Deckung wagen – von Mayer mal ganz nicht immer machtlos, wenn weder soziale Rolle Lehrer regiert über Strenge und bekommt auch zu schweigen. Hier wäre es vielleicht zielorien- oder erworbene Kompetenzen automatisch Aufmerksamkeit. Bis zu dem Moment, wo dem tierter, wenn der Chef sich setzt, sich am Kinn Status verleihen, wie nutze ich mein Wissen Klassenrebell alles egal ist (bei uns hieß er Harry kratzt und fragt: „Gut, wir müssen die Regeln
14 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 15 | Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl Vom Leben regelmäßig eine große Rolle. So war Lebensqua- mit Hilfe von Indikatoren vorrangig aus der lau- lität eine Schlüsseldimension der Umsetzung der fenden Raumbeobachtung des Bundesinstituts Zweiten Säule der Gemeinsamen europäischen für Bau-, Stadt- und Raumforschung, anderer- in ländlichen Räumen Agrarpolitik (GAP) etwa in der Förderperiode seits einer subjektiven Perspektive, auf der Basis 2007 bis 2013. Im Rahmen des Regierungsdia- einer deutschlandweiten Bevölkerungsbefra- logs „Gut leben in Deutschland“ fanden 2015 gung. Beide Bausteine werden nachfolgend kurz auch zehn Veranstaltungen in Dörfern bundes- vorgestellt. Dr. Annett Steinführer weit statt, um Aspekte und Bedingungen guten Lebens und der damit verbundenen Probleme zu diskutieren (BReg 2016). Von Karten … Aus der Perspektive der Forschung ist auf das Kernstück des Monitorings ist der Landatlas, ein 2015 begonnene, aus Mitteln des Bundespro- internetbasiertes Karteninstrument (www.land- gramms Ländliche Entwicklung (BULE) durch atlas.de), der im Rahmen des BMEL-Infoportals das Bundesministerium für Ernährung und Land- Zukunft.Land (www.zukunft.land) verfügbar wirtschaft (BMEL) finanzierte Forschungsprojekt ist. Ihm liegt eine neue Abgrenzung ländlicher „Monitoring Ländliche Räume“ des Thünen-Insti- Räume zugrunde. Demnach stellen dünn besie- tuts für Ländliche Räume hinzuweisen. Es nähert delte ländliche Räume und städtische Ballungs- sich dem Thema Lebensqualität der Bevölkerung zentren die beiden Pole der Siedlungsstruktur in ländlichen Räumen aus den beiden genannten und Landnutzung dar. Zwischen diesen finden Perspektiven: einerseits einer „objektiven“ Sicht, sich unterschiedliche Ausprägungen an Länd- Lebensqualität ist ein häufig gebrauchter Begriff, gesprochen ausdifferenzierte Sozialindikatoren- der alltagsweltlich, politisch und wissenschaftlich forschung untersetzt ist. vielseitig untersetzt wird und nahezu beliebige Stiglitz-Sen-Fitoussi-Bericht Bericht der Bundesregierung (positive) Assoziationen auf sich vereint. Dabei Sozialwissenschaftlich liegt dem Konzept „Measurement of Economic Performance zur Lebensqualität gibt es weder einen Mangel an Forschung noch folgendes Verständnis zugrunde: Lebensqualität and Social Progress”(2009) in Deutschland (2016) an Indikatoren, im Gegenteil: Der Sachverständi- ist der Zusammenhang von objektiven Lebens- genrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft- bedingungen und subjektivem Wohlbefinden, Persönliche und wirtschaftliche Unsicherheit Gut arbeiten und gerecht teilhaben lichen Entwicklung und der Conseil d’Analyse wobei sozial wie individuell unterschiedliche Économique sprach 2010 in seiner Expertise Anspruchsniveaus zu berücksichtigen sind. Ein sicheres Einkommen für den Deutsch-Französischen Ministerrat Das bedeutet, dass „durchaus gute Lebensbe- von einem „Übermaß an Information“ (CAE/ dingungen mit einer als schlecht wahrgenom- Wirtschaft stärken, in die Zukunft investieren SVR 2010, 25). Lebensqualität verbindet sich in menen Lebensqualität zusammengehen können Sicher und frei leben der Bundesrepublik mit einer über 40-jährigen (Unzufriedenheitsdilemma) und schlechte sozialwissenschaftlichen Forschungstradition Lebensbedingungen mit positiven Bewertungen Gesundheit Gesund durchs Leben (erstmals Zapf 1972), die durch eine heute aus- (Zufriedenheitsparadox)“ (Zapf 1984, 25). In dieser Forschungstradition wird Lebensqualität Bildung Bildungschancen für alle als „multidimensionales Wohlfahrtskonzept“ verstanden und „als etwas von Lebensstandard Soziale Kontakte und Beziehungen Zusammenhalten in Familie und Gesellschaft [V]erschiedenes und auf Wohlstand im Sinne der Versorgung mit Gütern und Dienstleistung nicht Persönliche Aktivitäten Zeit haben für Familie und Beruf [R]eduzierbares betrachtet“ (Noll 2000, 3 bzw. 7). Tab. 1 ist anhand von zwei Beispielen zu ent- Politische Teilhabe/Einflussnahme und Kontrolle Frei und gleichberechtigt leben nehmen, dass je nach Zugang ähnliche Kern- Zuhause sein in Stadt und Land dimensionen von Lebensqualität identifiziert, diese aber unterschiedlich detailliert untersetzt Umweltbedingungen Natur erhalten, Umwelt schützen werden. In globaler Verantwortung handeln und Frieden sichern Auch im Zusammenhang mit der Entwicklung ländlicher Räume spielt Lebensqualität – gern Tab. 1: Dimensionen von Lebensqualität in unterschiedlichen Konzeptualisierungen Dr. Annett Steinführer als „gutes Leben“ übersetzt (z. B. Rössel 2014) – Quelle: eigene Zusammenstellung nach Stiglitz et al. 2009 und BReg 2016.
16 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 17 | Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl » nur Indikatoren aufgenommen werden, Der Landatlas ist als dynamisches Informations- für die Daten bundesweit und mindestens instrument konzipiert, d. h. er wird fortlaufend auf Kreisebene verfügbar sind, um neue Indikatoren ergänzt und zeitlich aktua- » als Voreinstellung die Situation in lisiert. ländlichen Räumen in jeweils fünf Klassen dargestellt wird, … und Menschen » zusätzlich die Situation in nicht-ländlichen Räumen abbildbar ist, Die Sozialindikatorenforschung fordert neben » der Mittelwert (Median) der ländlichen und der Darstellung der „objektiven“ Lebensverhält- aller Kreise im Vergleich angegeben wird, nisse ein, dass dem subjektiven Wohlbefinden » eine Ortssuche und ein Pop-Up je Indikator ebenso Aufmerksamkeit geschenkt wird. Doch mit lokalen Informationen integriert sind, mit Ausnahme des Sozio-oekonomischen Panels » er auch ohne Vorkenntnisse geographischer (SOEP) und, in eingeschränktem Maße, der bis Informationssysteme intuitiv bedienbar ist 2012 jährlich durchgeführten Bevölkerungsbe- und fragung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und » er sich für unterschiedliche Endgeräte, Raumforschung (BBSR) stehen keine deutsch- einschließlich Smartphones und Tablets, landweiten Befragungsdaten zur Verfügung, die eignet. das Bild ländlicher Räume kontinuierlich und Abb. 1: Bruttomonatslöhne und -gehälter in ländlichen Räumen (gemittelt für 2011-2013). Kartografie: Torsten Osigus. Quelle: www.landatlas.de (basierend auf BKG 2013 und BBSR/INKAR 2016). Abb. 2: „Gute“ (oben) und „weniger gute Seiten“ (unten) der Wohngegend aus Sicht der Befragten ländlicher Räume lichkeit. Diese ist umso größer, je aufgelockerter bestimmt. Jede dieser Dimensionen erfuhr eine Quelle: Befragung des die Bebauung (gemessen an Siedlungsdichte Zweiteilung, so dass im Monitoring-Projekt von Thünen-Instituts für Länd und den Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern) vier Typen ländlicher Räume mit einem jeweils liche Räume 2016 (n=1.717 Befragte). und je höher der Anteil der land- und forstwirt- unterschiedlichen Grad an Ländlichkeit und schaftlichen Fläche ist. Außerdem gehört zum sozio-ökonomischer Lage die Rede ist (vgl. im Inhaltliche Bearbeitung und Grad an Ländlichkeit auch die Lage im Raum, Detail: Küpper 2016). Darstellung: Marlena Wolff genauer die Zahl der innerhalb eines bestimm- und Joachim Kreis. ten Radius lebenden Bevölkerung und die Nähe Mit Stand März 2017 enthielt der Landatlas 51 bzw. Ferne zu den nächstgelegenen Ober- Indikatoren aus neun Themenbereichen zentren. Diese fünf Merkmale werden genutzt, (vgl. beispielhaft die Abb. 1 zu den Löhnen und um ländliche von nicht-ländlichen Räumen Gehältern). abzugrenzen. 57 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leben dieser Abgrenzung zufolge in DER LANDATLAS WURDE SO ländlichen Räumen, die 91 Prozent der Fläche KONZIPIERT, DASS: Deutschlands ausmachen. Neben „Ländlichkeit“ » die Indikatoren ausführlich vorgestellt wurde als eine zweite inhaltliche Dimension werden und mit Hintergrundinformationen die sozio-ökonomische Lage ländlicher Räume versehen sind,
18 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 19 | Lebensverhältnisse und Selbstwertgefühl Image und vielschichtig um ihre subjektive Dimension – LITERATUR der Sicht der Bevölkerung – vervollständigen BReg [Die Bundesregierung] (2016): Bericht der Bundesregierung zur Lebens- würden. Deshalb wurden im Rahmen des Moni- qualität in Deutschland. Berlin. torings ländlicher Räume 2015 erstmals zwei bundesweite Bevölkerungsbefragungen durch- geführt, die sich (aus in diesem Rahmen nicht näher darlegbaren Gründen) schwerpunktmäßig CAE/SVR [Conseil d’Analyse Économique und Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Selbstwertschätzung als E influssgrößen Entwicklung] (2010): Wirtschaftsleistung, mit der Vereinbarkeit von Erwerbsleben und Lebensqualität und Nachhaltigkeit: Ein Familienarbeit beschäftigen. In der größeren und umfassendes Indikatorensystem. Expertise die gesamte Bevölkerung in den vier Typen länd- im Auftrag des Deutsch-Französischen licher Räume (in Gemeinden bis 50.000 Einwoh- Ministerrates. Paris, Wiesbaden. nern) adressierende Allgemeinbefragung wurde Dr. Olaf Heinrich Küpper, Patrick (2016): Abgrenzung unter anderem die Frage gestellt, welche „guten und Typisierung ländlicher Räume. Seiten der Gegend, etwa im Umkreis von zehn Braunschweig (Thünen Working Paper; 68). Kilometern“ die 1.717 Befragten nennen würden. Analog wurde auch nach den „weniger guten Noll, Heinz-Norbert (2000): Konzepte der Seiten“ gefragt und die Befragten jeweils gebe- Wohlfahrtsentwicklung: Lebensqualität und „neue“ Wohlfahrtskonzepte. Berlin ten, dabei „an [i]hren privaten Alltag und, falls (WZB-Arbeitspapier; P00-505). erwerbstätig, an [i]hre Arbeit“ zu denken. Die Wortwolken in Abb. 2 (s. vorherige Seite) stellen Rössel, Julia (2014): Unterwegs zum die Ergebnisse basierend auf einer Auszählung guten Leben? Raumproduktionen durch Zugezogene in der Uckermark. Bielefeld. der häufigsten Nennungen – unter Auslassung Die Stadt Freyung im Bayerischen Wald hatte Lokale Akteure … etwa von Pronomen, Füllwörtern und Konjunk- um das Jahr 2008 mit Herausforderungen zu tionen – dar. Für die „guten Seiten“ wurden dafür Stiglitz, Joseph E.; Sen, Amartaya; Fitoussi, Jean-Paul et al. (2009): kämpfen, die zahlreiche Mittelstädte im ländli- statt Warten auf den großen 9.192 Wörter (mit Mehrfachnennungen) ausge- Report by the commission on the chen Raum betreffen: Leerstände im Zentrum, Investor von außen wertet und die wichtigsten Begriffe identifiziert, measurement of economic performance Abwanderung insbesondere der jungen Bevöl- bei den „schlechten Seiten“, die deutlich weniger and social progress. o. O. [Paris]. kerung, Sterbeüberhang, schleichender Image- Dieser Entwicklung stellte sich der Freyunger Online: http://ec.europa.eu/euro- umfänglich beantwortet wurden, waren es 6.558 verlust durch den schrittweisen Rückzug von Stadtrat in großer Geschlossenheit entgegen. Es stat/documents/118025/118123/ Nennungen. Fitoussi+Commission+report Einzelhandel und Gastronomie aus dem Stadt- wurde beschlossen, keinerlei Einzelhandelspro- (Zugriff: 21.5.2017). kern sowie mehr und mehr Einzelhandelsange- jekte mehr auf der „grünen Wiese“ zu genehmi- bote in der Peripherie. gen. Weiterhin bemühte sich die Stadt, lokale, Zusammenfassung Zapf, Wolfgang (1972): Zur Messung der Lebensqualität. In: Zeitschrift für seit Generationen mit der Region verbundene Soziologie 1(4), S. 353-376. Investoren davon zu überzeugen, in ihrer Hei- Ziel des Monitorings ländlicher Räume ist eine matstadt aktiv zu werden. Eine Vielzahl von Bei- ganzheitliche Betrachtung dieses vielfältigen Zapf, Wolfgang (1984): Individuelle spielen belegt, dass insbesondere die Sanierung Raumtyps, ohne eine bestimmte Dimension Wohlfahrt: Lebensbedingungen und wahr- von innerstädtischen Gebäuden mit Hilfe von (z. B. die demographische Entwicklung oder genommene Lebensqualität. In: Glatzer, städtischen Förderprogrammen, die durch die Wolfgang; Zapf, Wolfgang (Hg.): Lebens- den ökonomischen Strukturwandel) besonders Städtebauförderung co-finanziert werden, mög- qualität in der Bundesrepublik – Objektive herauszustellen – und dies sowohl bezogen auf Lebensbedingungen und subjektives lich sind, wenn nicht auf den großen Investor von bestimmte Zeitpunkte als auch im Zeitverlauf. Wohlbefinden. Frankfurt/M., New York, außen gehofft wird, sondern lokale Akteure für Dafür wird der Landatlas als Online-Instrument S. 13-26. ihren Heimatort begeistert werden können. fortlaufend weiterentwickelt. Vertiefende Ergeb- nisse der Befragung, auch und gerade im Vergleich der unterschiedlichen Typen ländlicher Internetquellen Sinnstiftende Rendite … Räume, werden in Berichtsform (Thünen Report) www.landatlas.de (Zugriff: 10.5.2017) Ende 2017 vorliegen. Hier spricht die Stadt seit bald 10 Jahren von einer „sinnstiftenden Rendite“, die neben der monetären Rendite durch die Vermietung der jeweiligen Immobilie zu erzielen ist: Nicht nur ein paar Prozent Gewinn, die selbstverständlich Dr. Olaf Heinrich für Zins und Tilgung notwendig sind, sollte die
20 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 21 | Szenarien der Gerechtigkeit Szenarien Motivation dafür sein sich ein Haus in seiner (Klein)Stadtentwicklung Heimatstadt zu kaufen und zu sanieren. Vielmehr ist das Gefühl, etwas Sichtbares zu schaffen für im ländlichen Raum gelingt … das der Einzelne von seinen Nachbarn gelobt wird und an dem er sich selber täglich erfreuen … vor allem durch Konzentration auf gemein- der kann, ebenfalls eine wichtige, nichtmonetäre und sam formulierte, kontinuierlich verfolgte Ziele. daher als sinnstiftend zu bezeichnende Rendite. Neben baulichen Investitionen ist insbesondere die geistige Regionalentwicklung von zentraler Bedeutung, die Menschen müssen für Investi- … für Aufbruchsstimmung tionen in ihrem Heimatort durch monetäre und sinnstiftende Rendite begeistert werden. Gerechtigkeit Aus diesen Bemühungen einer „Geistigen Regionalentwicklung“ entstand in der Kreisstadt Freyung eine Aufbruchsstimmung, die bis heute anhält. Sie dokumentiert sich in einem konstan- ten Nettowanderungsgewinn seit dem Jahr 2011 von insgesamt über 300 Personen. Es entstan- den zahlreiche Arbeitsplätze und eine Aufwärts- spirale in der Stadtentwicklung. Rund 30 Häuser im Stadtzentrum wurden saniert, neue Bauge- biete werden zum größten Teil zentrumsnah aus- gewiesen und die Menschen sind wieder stolz auf ihre Innenstadt. Das gastronomische Ange- bot hat sich erheblich verbessert. Gleichzeitig bleibt der Wandel im Einzelhandel virulent – die Abwanderung von Kaufkraft durch Internetan- gebote ist ungebrochen und sorgt weiterhin für Veränderung. … und Zusammenhalt Durch großen Zusammenhalt konnte nicht zuletzt die Traditionsbrauerei Lang Bräu Freyung e.G. in einer großen Bürgerbeteiligung mit inzwischen deutlich über 170 Genossen gerettet werden. Der Zuschlag für die Landesgarten- schau 2022 „Natur in der Stadt“ gelang ebenfalls vor allem durch hunderte von Bürgern, die sich für dieses gemeinsame Ziel engagiert und aktiv eingebracht haben. 22 Widerspruch und Überlagerung – räumliche Szenarien zur Gerechtigkeit Dr. Mathias Jehling | Ass. Prof. Dr. Thomas Hartmann
22 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 23 | Szenarien der Gerechtigkeit Widerspruch infrastruktur modellhaft aufgezeigt werden. antwortlichen Akteuren, die auf Angebot und Hierdurch lassen sich die Widersprüche und Nachfrage reagieren. Die Aufgabe der Raumpla- Überlagerungen zwischen den unterschiedlichen nung als Institution beschränkt sich hier auf das und Überlagerung – und hochgradig raumrelevanten Gerechtigkeits- Vermeiden von Marktversagen. vorstellungen erkennen. Die Infrastrukturplanung dient hierbei lediglich als Anschauungsobjekt – Sozialgerechtigkeit – eine Form der Gerechtig- räumliche Szenarien die dahinter stehenden, grundsätzlichen Überle- keit, die häufig auch als Fairness bezeichnet gungen zu den Szenarien lassen sich auf andere wird – geht wiederum von einer anderen Aus- Bereiche der Raumentwicklung übertragen. gangsannahme aus. Entgegen der libertären steht die soziale Gerechtigkeit für eine Gleichheit zur Gerechtigkeit Was ist gerecht? im Ergebnis. Alle Menschen sollen die gleichen Standards – oder zumindest aber Mindeststan- dards – zur Verfügung haben, ungeachtet der Dr. Mathias Jehling | Ass. Prof. Dr. Thomas Hartmann Konkurrierende Stellung oder Leistung, die erbracht wurde. Um Gerechtigkeitsmaßstäbe dies zu erreichen ist eine Umverteilung von Res- sourcen von Reichen hin zu Ärmeren geboten. Für eine Bewertung der Gerechtigkeit räumlicher Allerdings darf dies nicht mit dem utilitaristi- Entwicklung wird im Folgenden auf die wich- schen Prinzip des „größten Glücks der größten tigsten, konkurrierenden Gerechtigkeitsmaß- Zahl“ verwechselt werden. Es geht nicht um eine stäbe eingegangen. Hierzu werden drei zentrale Kosten-Nutzen Betrachtung, sondern um Ori- Gerechtigkeitsvorstellungen mit ihren ethischen entierung am Schwächsten in der Gesellschaft. Die Suche nach einer Prinzipien herangezogen: Utilitarismus, Liberta- Die räumliche Entwicklung soll entsprechend für rismus und soziale Gerechtigkeit. alle Menschen einen gleichen Zugang zu Infra- gerechten Raumentwicklung strukturen und Einrichtung und über diesen zur Im Utilitarismus wird die Auffassung vertreten, gesellschaftlichen Teilhabe ermöglichen. Die Forderung nach gleichwertigen Lebens- dass jeder Entscheidung eine Abwägung von verhältnissen stellt für Politik und Planung eine Glück und Leid vorauszugehen hat. Das Streben ständige Herausforderung dar. Dies gilt in beson- nach dem größten Glück, der größten Zahl, lie- derem Maße für die Entwicklung des ländlichen fert die moralische Grundlage für eine gerechte Räumliche Szenarien – Raumes. Die politische Debatte um dieses Entscheidung. In der räumlichen Planung lässt Raumwirksamkeit Thema ist eng verbunden mit dem Ruf nach sich dieser Maßstab in der Kosten-Nutzen- gerechter Raumentwicklung. Gerechte Raum- Analyse wiederfinden, die den größten gesell- unterschiedlicher entwicklung wird dabei häufig als Rechtfertigung schaftlichen Nutzen bei den geringsten Kosten Gerechtigkeitsmaßstäbe für mehr Vielfalt und eine stärkere räumliche sicherstellen soll. Deutlich wird dabei auch, dass Entwicklung genutzt. Dabei ist die Diskussion es zur Umsetzung dieses Gerechtigkeitsmaßsta- Die drei oben genannten Gerechtigkeitsmaß- um eine gerechte räumliche Entwicklung so alt, bes einen zentralen Akteur – den Staat – bedarf, stäbe widersprechen sich also. Jeder dieser wie die Planung selbst und macht den Kern der entscheidet, was Glück oder Nutzen sind, Maßstäbe legt andere ethische Grundprinzi- planerischer Aushandlungs- und Abwägungs- um abwägen zu können. pien fest, die sich nicht einfach kombinieren prozesse aus. Häufig gehen bei der Suche nach lassen. Dabei sind alle drei Gerechtigkeiten der Gerechtigkeit aber die moralischen und Einen solchen zentralen Akteur lehnt der Liber- auf unterschiedliche Weise raumwirksam. ethischen Ausgangspunkte verloren oder bleiben tarismus hingegen ab. Stattdessen steht die Dies wird anhand räumlicher Szenarien darge- unausgesprochen. Was wird gesellschaftlich als Freiheit jedes einzelnen Akteurs – in der Planung stellt. Anschließend werden die Szenarien dem gerecht empfunden und wie manifestiert sich etwa Gemeinden, Hausbesitzer oder Wohnungs- tatsächlich erfolgten Ausbau im Beispielraum dies in Leitbildern, Plänen und Planungsent- suchende – im Mittelpunkt. Individuelle Entschei- gegenübergestellt, um zu analysieren, welchem Dr. Mathias Jehling (oben), scheidungen als gerechte Raumentwicklung? dungsfreiheit und Chancengleichheit sind die Gerechtigkeitsmaßstab hier entsprochen wurde. Ass. Prof. Dr. Thomas Hartmann (unten) Welche Gerechtigkeitsmaßstäbe liegen planeri- Grundwerte. Um dies erfüllen zu können, muss Der Frage nach einer gerechten räumlichen schen Entscheidungen zugrunde? sich jeder für sein Verhalten und dessen Konse- Entwicklung soll anhand des Ausbaus des quenzen als selbst verantwortlich zeichnen. Dies Schienennetzes in der Stadtregion Karlsruhe Mit räumlichen Szenarien zur Gerechtigkeit impliziert eine starke Leistungsorientierung. Die nachgegangen werden. In der Stadtregion sollen unterschiedliche Gerechtigkeitsmaß- räumliche Entwicklung ist folglich das Ergebnis erfolgte in den letzten 20 Jahren ein deutlicher stäbe am Beispiel des Ausbaus von Verkehrs- eines Wettbewerbs zwischen sich selbst ver- Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs,
24 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 25 | Szenarien der Gerechtigkeit Abb. 1: Veränderung der Erreichbarkeit von Wohnstandorten durch den Ausbau des Schienen- netzes in der Stadtregion Karlsruhe (Quelle: Jehling 2016). um die stark wachsenden Wohnstandorte im sozialen Gerechtigkeit (grün) verpflichtet, sollte Welche Raumentwicklung Umland besser an die Stadt Karlsruhe anzu- der Ausbau dort erfolgen, wo noch keine Anbin- ist nun gerecht? binden. Dies hat sich in einer Veränderung der dung an das Schienennetz erfolgt ist, um dort Erreichbarkeit der Standorte niedergeschlagen. eine Angleichung an regionale Standards der Zurück zur Suche nach einer gerechten Raum- Einige Standorte haben heute eine deutlich Erreichbarkeit bieten zu können. entwicklung: Ob die Entwicklung eines Raumes bessere Anbindung an den Schienenverkehr nun gerecht erfolgt ist oder ob zugrunde als andere. Werden diese Szenarien nun dem in der Stadt- liegende Planungsziele als gerecht zu erachten region Karlsruhe erfolgten Ausbau modellhaft sind, lässt sich folglich nur in der Gemengelage Um die der räumlichen Entwicklung zugrunde- gegenübergestellt wird deutlich, dass sich der sich widersprechenden Maßstäbe erkennen. liegenden Gerechtigkeitsmaßstäbe darstellen keines dieser eindeutig wiederfinden lässt. Ent- Zur Bewertung der Gerechtigkeit einer räum zu können, sind jeweils geeignete Indikato- sprechend ließe sich schlussfolgern, dass sich lichen Entwicklung und besonders die des länd- ren auszuwählen (Abb. 2). Entsprechend des der Ausbau nicht eindeutig einem Gerechtig- lichen Raumes ist es also erforderlich, politische Utilitarismus (rot) kann festgelegt werden, dass keitsmaßstab zuordnen lässt. Vielmehr wird bei und planerische Entscheidungen entsprechend durch den Ausbau des Schienenverkehrs die näherem Hinsehen hingegen eine Überlagerung zu verorten. Damit können der Widerspruch Erreichbarkeit für die größtmögliche Zahl von der Gerechtigkeitsmaßstäbe in Planung und und somit die Ungerechtigkeit, die sich aus dem Bürgern verbessert werden soll. Die Kosten Umsetzung des erfolgten Ausbaus deutlich. einen Maßstab für die jeweils anderen ergibt für den Ausbau sollen dabei minimiert werden. Abb. 2: im Uhrzeigersinn: Ausbau- anerkannt und offen gelegt werden. Gleichzeitig Entsprechend des Maßstabs der libertären ziele für Wohnstandorte nach einem kann durch diese Überlegung der eigene utilitaristischen, einem libertären und Gerechtigkeit (blau) sollte der Ausbau der freien Gerechtigkeitssinn deutlich gemacht und somit einem sozialen Gerechtigkeitsmaßstab Wohnstandortwahl der Menschen folgen, um (Quelle: eigene Berechnung auf Basis als klarer Ausgangspunkt für die politische und Marktversagen, wie die Überlastung von wei- DLM250 © GeoBasis-DE/ BKG 2016, planerische Diskussion zur gerechten räumlichen teren Verkehrsinfrastrukturen zu mindern. Einer Open Street Map (CC-BY-SA). Entwicklung genutzt werden.
26 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 27 | Investitionen im ländlichen Raum Investitionen Investitionskriterien institutioneller im ländlichen Immobilienfonds Prof. Dr. Harald Stützer Raum Situation Aktives Portfoliomanagement Institutionelle Investoren (Versicherungen, Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Pensionskassen, berufsständische Versorgungs- Kapitalmarkt in jüngerer Zeit durch eine Reihe werke, Banken und Sparkassen, Stiftungen und von Entwicklungen beeinflusst wurde. Neben auch Family Offices) legen jedes Jahr allein in klassischen steuerrechtlichen Themen (wie z.B. Deutschland mehrere Milliarden EURO im Immo- Grunderwerbsteuererhöhungen in mehreren bilienbereich an. Welche anlagestrategischen Bundesländern) haben auch politische Entwick- und auch (aufsichts)rechtlichen Vorgaben haben lungen (wie z.B. die Wahl des neuen amerika- nun die Entscheidungsträger zu folgen? Mit Blick nischen Präsidenten) starken Einfluss auf die auf einzelne Nutzungsarten lässt sich darstellen, Anlagestrategien der institutionellen Investoren welche Anteile an den Investitionssummen im gezeigt. Darüber hinaus ist seit der Finanz- und Ländlichen Raum platziert werden. der nachfolgenden Eurokrise der Kapitalmarkt von der Niedrigzinspolitik der EZB beeinflusst. Die Auswirkungen der Finanzkrise (Lehman- Insolvenz am 15.09.2008) lassen sich augenfällig auch am Transaktionsvolumen in Deutschland (Abb. 1) ablesen. Augenfällig sind die gewaltigen Einbrüche in den Jahren 2008 und 2009. Im Zeitraum der nachfolgenden Eurokrise hingegen sind stetige Zuwächse bei den Transaktionsvolumina zu beobachten. Die Assetklasse „Immobilien“ kann insofern durchaus als Krisengewinner betrach- tet werden, da andere Assetklassen wegen 27 der Niedrigzinspolitik der EZB an Bedeutung Investitionskriterien verloren haben, insbesondere der Rentenmarkt institutioneller Immobilienfonds (10-jährige deutsche Staatsanleihen hatten in Prof. Dr. Harald Stützer Prof. Dr. Harald Stützer 2016 über Monate hinweg einen Negativzins).
28 | 19. Münchner Tage für Nachhaltiges L andmanagement 29 | Investitionen im ländlichen Raum grundsätzlich nicht speziell für die Immobilie, da diese eben gerade nicht kurzfris4g verkauD werden können. so ausdrücken: Eine Büroimmobilie in guter Lage in München Dennoch im Ländlichen ist die Marktliquidität ein Raum wird standortbezogenes eine uRisikoprämie wird mit dem Faktor 25 gehandelt. Bei einer Kriterium für strukturelle Marktrisiken nd führt – wie weiter unten belegt werden Jahresmiete von 1 Mio. € würde sich also ein wird –bezahlt. zu verstärktem Kapitalfluss in die großen Städte Kaufpreis von 25 Mio. € ergeben. Die Anfangs- (Big 7). rendite (CapRate) liegt damit bei 1 / 25 = 0,04, Aus Befragungsergebnissen institutioneller also 4,0 %. Investoren Der Fokus wirdsersichtlich, verbleibt omit auf den dass bei der Kapital Elementen „Sicherheit“ anlage dem Aspekt der und „Rentabilität“. Diese beiden Parameter Sicherheit sehr hohekönnen nicht Bewegt man sich nun weiter von München weg, Priorität eingeräumt wird. Dies ist aus der Abb. 3 gleichzei4g op4miert werden. Grundsätzlich geht höhere zunächst in den Speckgürtel und dann in das ersichtlich. Sicherheit zu Lasten der Rentabilität und umgekehrt ist weitere Umland, so fallen die Faktoren (also die Rentabilität steigt). Diesen Umstand könnte eine hDiese öhere Anlagelogik Rendite nur zu erzielen, wenn damit auch ein führt letztlich dazu, dass man nun als Zeichen deuten, dass viel Kapital höheres R isiko i n Kauf Kapitalanlagen im Immobilienbereich g enommen wird. Dsehrieser gerne fundamentale Z usammenhang in eher ländliche Gebiete fließen müsste. Das ist l ässt s ich g ut a n folgendem B eispiel i llustrieren: oder vorrangig in den „sicheren“ Großstädten aber nicht der Fall, weil die Elemente „Sicher- gemacht werden. Eine Büroimmobilie in guter Lage in München wird mit dem Faktor 25 gehandelt. Bei einer heit“ (Risiko) und „Liquidität“ ins Spiel kommen. Jahresmiete von 1 Mio. € würde sich also ein Kaufpreis von 25 Mio. € ergeben. Die Anfangsrendite Zunächst zur „Liquidität“: die Märkte in den Big (CapRate) l iegt 7 (also auch in München) damit bei zeichnen 1 / 25 = 0sich ,04, durch also 4,0 %. Diversifikation hohe Liquidität aus. Die Chance, Marktteilneh- Bewegt man sich nun weiter von München weg, zunächst in den Speckgürtel und dann in das weitere mer zu finden, die ein Objekt erwerben wollen, Wie bereits erwähnt stellt – abgeleitet aus Umland, so fallen die Faktoren (also die Rentabilität steigt). Diesen Umstand könnte man nun als ist hier sehr groß, umgekehrt im ländlichen Raum der modernen Portfoliotheorie – ein wichtiges Zeichen eher klein. deuten, dass viel Kapital in eher ländliche EGlement ebiete infließen müsste. Das ist aber nicht der Fall, der Kapitalanlage das Diversifika weil die Elemente „Sicherheit“ (Risiko) und „Liquidität“ i ns S piel tionskriterium dar („nicht alle k ommen. Zunächst zur „Liquidität“: Eier in einen Korb“). die M ärkte i n d en B ig 7 Bleibt das Element „Sicherheit“: die wird in Mün- ( also a uch i n M ünchen) z eichnen s ich d urch h ohe L iquidität a us. Die Chance, Markneilnehmer chen sehr hoch eingeschätzt. zu finden, dEs ie egilt, in Owiebjekt oben erwerben AUCH wollen, INNERHALB ist hier sehr DER groß, umgekehrt im ASSETKLASSE Abb. 1. Quelle: Ernst & Young 2013-2017 [1] ländlichen bereits ausgeführt Raum e„Sicherheit her klein. hoch = Rendite „IMMOBILIEN“ KANN DIVERSIFIZIERT niedrig“ und „Sicherheit niedrig = Rendite hoch“. WERDEN. GENANNT SEIEN Bleibt Diesesdrisikoadjustierte as Element „Sicherheit“: System stellt die im wird in München Übrigen DIE N sehr hoch eingeschätzt. ACHFOLGENDEN Es gilt, wie oben bereits ASPEKTE: Da „aktives Portfoliomanagement“ bedeutet, werden können. Dennoch ist die Marktliquidität ausgeführt „ Sicherheit auch die gedankliche Grundlage für Solvency II h och = R endite n iedrig“ u nd » Diversifizierung nach Lage hoch“. Dieses „ Sicherheit n iedrig = Rendite dass jedes Investment ständig auf Sinnhaftig- ein standortbezogenes Kriterium und führt – wie risikoadjus4erte System dar – die Eigenkapitalhinterlegungsvorschriften s tellt i m Ü brigen a uch d ie » gedankliche Diversifizierung Grundlage für Solvency II dar – die nach Rendite-Risiko-Profil keit überprüft wird (Optimierungsmöglichkeiten, weiter unten belegt werden wird – zu verstärktem EigenkapitalhinterlegungsvorschriDen für europäische Versicherer. Man kann es für auch europäische Versicherer. M » Diversifizierung an kNutzungsart nach ann es auch so ausdrücken: Verkauf andenken), haben viele Investoren seit Kapitalfluss in die großen Städte (Big 7). im Ländlichen Raum wird eine Risikoprämie für strukturelle Marktrisiken bezahlt. der Eurokrise ihre Kapitalströme in den Immo bilienbereich gelenkt. Der Fokus verbleibt somit auf den Elementen Aus Befragungsergebnissen ins4tu4oneller Investoren wird ersichtlich, dass bei der Kapitalanlage „Sicherheit“ und „Rentabilität“. Diese beiden dem Aspekt der Sicherheit sehr hohe Priorität eingeräumt wird. Dies ist aus der Abb. 3 ersichtlich: Parameter können nicht gleichzeitig optimiert Abb. 3, Quellen: Six, Anlagegrundsätze werden. Grundsätzlich geht höhere Sicherheit Wiedemann 2013 [3] 2014 zu Lasten der Rentabilität und umgekehrt ist [4], DGAP-News 2015 [5], Die Anlagegrundsätze lassen sich sehr gut aus eine höhere Rendite nur zu erzielen, wenn damit Hellmich, Siddiqui 2016 [6] dem Versicherungsaufsichtsgesetz ableiten. Dort auch ein höheres Risiko in Kauf genommen wird. heißt es in § 215, dass die Bestände so anzulegen Dieser fundamentale Zusammenhang lässt sich sind, „dass möglichst große Sicherheit und Renta- gut an folgendem Beispiel illustrieren: bilität bei jederzeitiger Liquidität … unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht werden.“ [2]. Die Elemente „Mischung“ und „Streuung“ seien hier unter dem Aspekt Diversi- fikation subsummiert und werden später behan- delt. Die Elemente „Sicherheit“, „Rentabilität“ und „Liquidität“ ergeben das magische Anlagedreieck (Abb. 2). Liquiditätsgesichtspunkte sprechen grundsätzlich nicht speziell für die Immobilie, da diese eben gerade nicht kurzfristig verkauft Abb. 2 d Abb. 3 Quellen: Six, Wiedemann 2013 [3] 2014 [4], DGAP-‐News 2015 [5], Hellmich, Siddiqui 2016 [6] Diese Anlagelogik führt letztlich dazu, dass Kapitalanlagen im Immobilienbereich sehr gerne oder vorrangig in den „sicheren“ Großstädten gemacht werden.
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