Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt

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Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
Bibliotheksforum
                               Magazin
                               1 / 2023
Bayern

                                 Würzburger Stadtbücherei
                                 mit Leuchtturmprojekt
                                 ,Level 3 – Digitalisierung
                                 begreifbar machen‘
 17. Jahrgang | Februar 2023
Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
Bibliotheksforum Bayern                                                                           3

Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,

nach zwei mageren Jahren werden im bayerischen
Bibliothekswesen endlich wieder Feste gefeiert: in
Präsenz, ohne Maske und in kollegialem Austausch.
Zehn Jahre Literaturportal Bayern! Herzlichen
Glückwunsch an DIE literarische Plattform Bayerns.
Hier findet das literarische Leben Bayerns in der
Vergangenheit und Gegenwart statt. Wissenschaft,
Literaturfreund*innen und Autor*innen suchen und
finden auf der Plattform, lassen sich inspirieren und
überraschen. Machen Sie sich selbst ein Bild und
besuchen Sie es gern.

Weitere Glückwünsche gehen an zwei öffentliche
Bibliotheken: In feierlichem Rahmen des Waldsas­
sener Kastens in Weiden wurde am 26. Oktober der
Bayerische Bibliothekspreis an die Regionalbiblio­
thek Weiden (Hauptpreis) und die Gemeindebüche­
rei Vaterstetten (Sonderpreis) verliehen. Fortsetzung
folgt – wir sind auf die Preisträger 2023 gespannt.      Beeindruckend wird das Leben und Schaffen von
Der Bayerische Bibliotheksverband konnte wieder          Maria Friedrich, geborene Maser, Gründerin und
zu seinem zweijährig stattfindenden Mitgliederfo­        Verlegerin von dtv junior, geschildert. Ein neues
rum, 2022 in der Universität Regensburg, einladen.       „Lebendes Buch“ zieht im Stadtmuseum Ingolstadt
Das Gütesiegel „Bibliotheken – Partner der Schulen“      die Besucher und Besucherinnen an. Hier stellen
wurde live vor Ort an 66 Bibliotheken in der Stadt­      Ingolstädter Professoren Buchschätze aus der
bücherei Augsburg verliehen – undenkbar vor zwei         wissenschaftlichen Stadtbibliothek vor. Es kann
Jahren.                                                  im Buch geblättert, die Seiten mit Ton- und Film­­-
                                                         elementen zum Leben erweckt werden. Staunen
Auch abseits der Feierlichkeiten haben das Bayeri­       Sie über die Lesefeuerwehr in Kempten, lernen
sche Bibliothekswesen, die bayerische Literaturland­     Sie die FakeHunter kennen, die Falschmeldungen
schaft in dieser Ausgabe viel zu bieten: Die Erschlie­   auf der Spur sind. Und werden Sie neugierig auf
ßung der historischen Kinder- und Jugendbuch­            „Level 3“ der Stadtbücherei Würzburg. Dort wird
sammlung an der LB Coburg, eine Fundgrube nicht          in einem krea­tiven Raum Digitalisierung niedrig­
nur für Schulen.                                         schwellig greif­bar gemacht.

                                                         Das aktuelle Bibliotheksforum Bayern bildet erneut
                                                         die Vielfalt der Bibliotheken in Bayern ab. Ich wün­
                                                         sche Ihnen viel Freude und eine wohlt­uende Auszeit
                                                         beim Lesen.

                                                         Herzlichst Ihre

                                                         Ute Palmer
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Inhalt                                             22 Feierliche Verleihung
                                                      des Bayerischen
                                                      Bibliothekspreises 2022
                                                      Der ‚Oscar‘ für das Bayerische
                                                      ­Bibliothekswesen wird zum
                                                       zweiten Mal verliehen
                                                      Georg Fisch

                                                   26 ‚Lesen im digitalen Zeitalter‘
                                                      Mitgliederforum
                                                      am 6. Oktober 2022 in Regensburg
                                                      Sabine Teigelkämper

                                                   30 Geistiger Schild. Das Münchner
                                                      Gebetbuch des Kanzlers von Litauen
                                                      Albertus Gastold                            6
                                                      Eine Zimelie der Universitäts­
                                                      bibliothek der Ludwig-Maximilians-
                                                      Universität München zu Gast
                                                      in Litauen
                                                      Annika Spenger

                                                   35 Bücherei Gundelsheim
                                                      Teil der neuen Ortsmitte
                                                      Melanie Dirauf und Bianca Röber-Suchetzki

    11    6 Dem „Spottteufel“ verfallen
                                                   40 Bildungsgeschichte zum Anfassen
                                                      Einblicke in die Kinderbuchsammlung
            Poccis Karikaturen von Mitglie­           der LB Coburg
            dern der Herrengesellschaft               Nathalie Sommer, M. A.
            ­‚ Altengland‘
            Dr. Maximilian Schreiber

         11 Level 3 –
            Ein Leuchtturmprojekt
            Mit dem Leuchtturmprojekt
            Level 3 hat sich die Stadtbücherei
            Würzburg auf den Weg gemacht,
            Digitalisierung für alle begreifbar
            zu machen und der digitalen
            Welt einen kreativen Raum zu
            verschaffen.
            Martha Maucher und Lambert Zumbrägel

         14 10 Jahre Literaturportal Bayern
                                                     35
            Ein Überblick
            Dr. Peter Czoik

         17 Duale Weiterbildung
            für Quereinsteiger*innen
            im Bibliothekswesen
            Praxisnah, strukturiert und
            ­berufsbegleitend zum bibliothe­
             karischen Masterabschluss
            Dr. Caroline Leiß
Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
Bibliotheksforum Bayern                                                               5

42 Zusammenarbeit in schwierigen Zeiten
   Verleihung des Gütesiegels ‚Bibliotheken –
   Partner der Schulen‘
   Reimar Dietz

46 „Anschauliche Qualität findet
   immer ihre Leser“
   Eine bedeutende Verlegerin aus München
   Dr. Rahel Bacher

51 Die Kemptener Lesefeuerwehr
   Seit März 2022 ist die Kemptener Lesewelt
   um eine Attraktion reicher, denn die Lese­
   feuerwehr löscht nun in Kempten. Allerdings
   keine Brände, sondern den Lesedurst vieler
   Kinder.
   Andrea Graf und Christoph Schöll

52 Ingolstädter Professoren stellen
   ­Buchschätze aus der Wissenschaftlichen
    Stadtbibliothek vor
   Ein ,Lebendes Buch‘ bereichert das
                                                                                 51
   Stadtmuseum Ingolstadt. Darin werden
   fünf Schätze der W
                    ­ issenschaftlichen
   Stadtbibliothek multimedial präsentiert.       56 Die FakeHunter jagen nun auch in Bayern!
   Maria Eppelsheimer                                Ingrid Schneider und Kristina Schell

                                                  59 Bibliothekswebsite – benutzerorientiert!
            „Kinder und Erwachsene                Ein benutzerzentriertes Website-Design
                                                  bietet einige Vorteile bei der Betreuung der
             sind gleichermaßen faszi­            Benutzer*innen. Ein Projekt der Hochschul­
             niert davon, wie das Buch,           bibliothek Ingolstadt zeigt, wie User Centered
                                                  Design in Bibliotheksprojekte integriert
             das sie selbst anfas­sen             ­werden kann.
             und durchblättern können,           		Angelika Treffer

             lebendig wird.“                      62 Open Library Badge:
              Maria Eppelsheimer                  ein Anreizsystem für öffentliche „und / oder“
              Leiterin der Wissenschaftlichen     wissenschaftliche Bibliotheken?
              Stadtbibliothek Ingolstadt
                                                  Marlene Neumann und Markus Putnings

                                                  66 Kurz notiert

                                                  77 Termine

                                                  78 Impressum
                                                     und Bildnachweise

                                                  79 Autorinnen und Autoren

                                      46
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Dem „Spottteufel“
verfallen
Poccis Karikaturen von Mitgliedern der Herrengesellschaft ‚Altengland‘

Einige Anglia-Mitglieder vertraten Bayern 1848/
49 im Frankfurter Paulskirchen-Parlament. Von
vorne sind das: Der Gutsbesitzer und Politiker
Friedrich Graf von Hegnenberg-Dux (Zweiter
Präsident der Kammer der Abgeordneten des              „Als ich im J. 1840 das Glück hatte, als ein höchst unnützes Glied
Bayerischen Landtages), Innenminister Gottlieb         in die Gesellschaft Altengland aufgenommen zu werden, war ich
Freiherr von Thon-Dittmer (mit einem Pflaster          schon dem „Spottteufel“ verfallen und sein blindes Werkzeug ge­
auf der Wange, da er mit einem Stein bei den
                                                       worden, nur das Terrain ward erweitert, welches ich zu bearbeiten
„Lola Montez-Unruhen“ in München g        ­ etroffen
worden war), Kultusminister Hermann von                gewohnt war und die Fülle des Stoffes, der sich mir darbot, drohte
­B eisler, der Jurist und Schriftsteller Anton         meine geringen Fähigkeiten zu überwältigen … Also entstanden
 Schauß sowie der Politiker und Verwaltungs­           nach und nach meine Bilder, die allmählich an Intensität zuge­
 jurist Johann Baptist Graf. Die Kleidung der
                                                       nommen haben dürften …“ 1
 ­Abgeordneten ist in den Nationalfarben
  schwarz-rot-gold gehalten.
                                                       Mit Bildern meint Pocci seine Karikaturen von Mitgliedern der
                                                       ­G­­esellschaft, deren Anzahl bis zu seinem Tod im Jahr 1876 auf
                                                        1.441 Stück anwuchs. 360 dieser meist aquarellierten Zeichnungen,
                                                        ­deren Masse leider nach der Auflösung der Gesellschaft oft
                                                         als Einzelstücke in den Handel kamen, konnte die Bayerische
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Bibliotheksforum Bayern                                                                                             7

             Staatsbibliothek mit freundlicher finanzieller Unter­      Denn zu den Mitgliedern dieser Gesellschaft zählten
             stützung des Vereins der Förderer und Freunde der          hochrangige Persönlichkeiten aus Adel und Bürger­
             Bayerischen Staatsbibliothek e. V. im Juni 2022 erwer­     tum: Etwa Herzog Max in Bayern, der sein Palais an
             ben und damit einen Teil dieses großartigen Bavari­        der Ludwigstraße immer wieder für Zusammenkünfte
             kums bewahren und für die Allgemeinheit zugänglich         zur Verfügung stellte, sein Sohn Herzog Carl Theodor,
             machen.                                                    der berühmte Augenarzt, die Grafen von Spreti, Maxi­
                                                                        milian Graf von Arco-Zinneberg oder Maximilian Graf
             „In ihr ist der frohe Lebensgenuß die Parole“ –            von Leuchtenberg.
             die Herrengesellschaft ,Altengland'
             Die Herrengesellschaft ‚Altengland‘, auch ‚Anglia‘         Viele Mitglieder hatten einflussreiche Positionen am
             ­genannt, wurde 1819 erstmals und 1826 nochmal             Hof, in der Regierung, in der Staatsverwaltung oder
              ­offiziell gegründet. Sie hatte im Gegensatz etwa zur     beim Militär inne: Etwa die Minister Hermann von
               literarischen, 1837 gegründeten ‚Gesellschaft der        Beisler, August Graf von Reigersberg oder Ludwig von
               Zwanglosen‘, deren Gründungsmitglied und Karika­         der Pfordten sowie Spitzenbeamte wie Franz Xaver
               turist Pocci ebenfalls war, „Humor und gute Kost und     von Haindl als Direktor des Bayerischen Hauptmünz­
               guten Champagner“ (Pocci) sowie das gesellschaft­        amtes und der Münchner Oberbürgermeister Kaspar
               liche Beisammensein als ihren eigentlichen Zweck:        von Steinsdorf. Auch viele Wissenschaftler und Uni­
               „In ihr ist der frohe Lebensgenuß die Parole, aber das   versitätsprofessoren wie Franz von Kobell (Mineralo­
               höhere, feine Genießen, die Pflege all dessen, was die   ge und bekannter Dialektdichter), August von Stein­
               ,freundliche Gewohnheit des Daseins‘ verschönt und       heil (Physiker und Optiker), Karl Emil von Schafhäutl
               wertvoll macht“. 2                                       (Physiker und Geologe) sowie der Architekt Friedrich
                                                                        von Gärtner und die Maler Philipp von Foltz, Friedrich
          Man traf sich ab 1832 im Englischen Café am Maxi­             Hohe und Wilhelm Gail waren Teil der Anglia. Aufge­
          milianplatz 1 (heute Palais Bernheimer am Lenbach­            nommen wurden nur Einheimische, die Gesellschaft
          platz), das seinen Namen nach den Stammgästen der             blieb den „Nordlichtern“, also den unter Maximilian II.
          ‚Anglia‘ bekam. Die Mitglieder bezeichneten sich als
          ‚Lords‘ und wurden angeführt von einem Vorstand,
          der aus dem Lordmajor (mit „weisser Staatsperüke“),
          dem Lordminor (mit „roter Staatsperüke“) und dem
          Lordschatzmeister („trägt das bordirte Hütl“) bestand
          und der nach der Satzung „aber nicht das Geringste
          zu sagen“ hatte. 3 Die Mitglieder schmückten sich bei
                                        feier­lichen Anlässen
                                        mit „Lordhütl“ und einer
Denn zu den Mitgliedern                 Schleife, die die Ang­
dieser Gesellschaft zählten lia-Devise „Wine and
                                        song, enjoy it long“ als
hochrangige Persönlich­                 Aufschrift trug.
keiten aus Adel und Bürger­
                                          Den Hintergrund für die
tum: Etwa Herzog Max in                   Gründung nach engli­
Bayern, der sein Palais an                schem Vorbild bildete die
                                          weit verbreitete Anglophi­
der Ludwigstraße immer                    lie, die ursprünglich eine
wieder für Zusammen­                      „Angelegenheit der Fort­
                                          schrittlichen und ­Libera­-
künfte zur Verfügung stellte,             len gewesen war“, aber
sein Sohn Herzog Carl Theo-               nach der Französischen
                                          Revolution „zu einem res­
dor, der berühmte Augen­                  taurativen Ideal der Kon­
arzt, die Grafen von Spreti,              servativen geworden war
                                          und damit gut zur „ent­
Maximilian Graf von Arco-                 sprechenden Grundein­
                                                                                      Der Oberbürgermeister von München
                                                                                      Kaspar von Steinsdorf versucht die wegen
Zinneberg oder Maximilian                 stellung der meisten An­                    der Lola-Montez-Affäre aufgebrachten
                                          glia Mitglieder“ passte. 4                  Massen zu beruhigen.
Graf von Leuch­tenberg.
Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
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Herzog Max in Bayern, Vater von Sissi, der späteren Kaiserin von
Österreich, war auch als „Zither-Maxl“ bekannt, da er das Instru­
ment virtuos beherrschte und auch Stücke dafür komponierte.

                 nach 1848 nach Bayern berufenen Schriftstellern und         fasste und ihm den Beinamen „Kasperlgraf“ einbrach­
                 Wissenschaftlern aus dem nördlichen Teil Deutsch­           te. Den Musiker Pocci gilt es noch zu entdecken, rund
                 lands, verschlossen.                                        600 Nummern umfasst sein Werk, darunter viele Lie­
                                                                             der, Chöre, Sonaten und sogar eine Oper ‚L’amore al­
                 Pocci als „Pasquillant“ –                                   chimista‘, die 1840 im Hoftheater aufgeführt wurde.
                 die humorvollen Karika­turen der Anglia-Mitglieder          Der talentierte Zeichner und Maler offenbarte sich
                 Franz Graf von Pocci (1807–1876) diente als hoher           schon früh, als Graphiker war er allgemein anerkannt,
                 Hofbeamter unter den drei Königen Ludwig I., Maximi­        und er illustrierte viele Märchenbücher, unter ande­
                 lian II. und Ludwig II. unter anderem als langjähriger      rem Bücher von Hans Christian Andersen. Er hat
                 Hofmusikintendant, der die Musikkultur Münchens             aber auch eigene Geschichten verfasst und diese
                 entscheidend mitprägte, als Zeremonienmeister, als          ­entsprechend illustriert, am bekanntesten ist wohl
                 Oberstkämmerer und Reisebegleiter der drei genann­           der ‚Staatshämorrhoidarius‘ (1857), der sich bitterböse
                 ten Könige. 5                                                über das bayerische Beamtentum lustig macht. Mit
                                                                              diesem Werk und mit zahlreichen Karikaturen, die
                 Er war ein künstlerisches Multitalent: Als Schriftsteller    ­etwa in der humoristischen Wochenschrift ‚Fliegende
                 ist er heute noch durch seine unzähligen Stücke mit           Blätter‘ erschienen, zeigte er sich als Meister dieses
                 dem Kasperl Larifari bekannt, die er für das von ihm          Genres und wurde neben Wilhelm Busch einer ihrer
                 mitbegründete Münchner Marionettentheater ver­                bekanntesten Vertreter im 19. Jahrhundert. Besonders
Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
Bibliotheksforum Bayern                                                                                              9

                                            beeindruckend sind sei­     seiner auffallenden Barttracht, die Grafen von Spreti
„[…] Pocci gelang es mit                    ne Karikaturen, die er im   an ihrer Korpulenz sowie der Generaldirektor des
 wenigen markanten Stri­                    Zusammenhang mit der        bayerischen Kriegsministeriums Johann von Sutner an
                                            Gesellschaft der Zwang­     seiner vorkragenden Lippe schnell zu erkennen. An
 chen, seine „Opfer“ schnell                losen und der Anglia        ihren Attributen sind leicht folgende Mitglieder aus­
 und eindeutig wieder­                      ­erstellte, Arbeiten, die   zumachen: Die Ärzte Franz Xaver von Gietl, Leib­arzt
                                             wohlgemerkt nicht für      von Max II., Professor an der LMU und Direktor des
 erkennbar zu machen, sei                    die Öffentlichkeit ­be­-   Städtischen Krankenhauses, und Ludwig Koch, eben­
 es durch (Über-)Betonung                    stimmt waren.              falls Leibarzt von Max II, führen immer eine g ­ roße
                                                                        Spritze oder Medizinfläschchen mit sich, der Münch­
 von körperlichen Merkma­               „Pocci verstand sich dort       ner Bürgermeister Kaspar von Steinsdorff wird immer
 len oder durch Beifügung               selber scherzhaft als           mit seiner goldenen Amtskette dargestellt und Franz
                                        „Pasquillant“, also als         Kobell, Professor für Mineralogie und bekannter
 typischer Attribute.“                  Spötter, und machte die         Mundartdichter (‚Brandner Kasper‘), trägt stets ­einen
                                        Schwächen seiner Ang­           Jägerhut und hat eine Zigarre im Mund. Ihn hat Pocci
           lia-Freunde oft schonungslos, aber immer humorvoll           mit 230 Zeichnungen am häufigsten karikiert, wohl
           zur Zielscheibe seines Spotts. Pocci gelang es mit           weil die beiden eng befreundet waren. Oft tauchen
           ­wenigen markanten Strichen, seine „Opfer“ schnell           sie sogar gemeinsam auf, denn Pocci hat sich auf fast
            und eindeutig wiedererkennbar zu machen, sei es             150 Karikaturen auch selbst verewigt, ent­weder als
            durch (Über-)Betonung von körperlichen Merkmalen            dürrer, langgewachsener „Schnack von Ammerland“ –
            oder durch Beifügung typischer Attribute.“ 6                hier am Starnberger See hatte Pocci seinen Sommer­
                                                                        sitz – oder in Verkleidung etwa als Herme, Tartuffe,
           So sind etwa der Jurist und Politiker Julius Freiherr        Nereide, Giraffe, Esel in goldbestickter U
                                                                                                                 ­ niform des
           von Niethammer (1798–1882) an seiner Hakennase,              Oberstkämmerers oder als Kasperl im Marionetten-
           Maximilian Graf von Arco-Zinneberg (1811–1885) an            theater.

          Franz Xaver von Gietl war Professor an der
          Münchner Universitätsklinik und Leibarzt
          von Max II., den er hier bei einem Treffen
          mit Napoleon III. in Paris begleitete.
Magazin 1 / 2023 Würzburger Stadtbücherei mit Leuchtturmprojekt
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Kobell, Pocci und der Maler
Philipp von Foltz beim Kegeln

                Nach Poccis Tod 1876 wurde Ludwig Graf von Otting        „Es ist, als wehte durch Altengland
                und Fünfstetten der Anglia-Karikaturist. Nach einer
                militärischen Laufbahn, in der er es bis zum Oberst
                                                                          immer ein krähwinkeliger Bierdunst,
                brachte, zog er 1868 nach München und wurde Mit­          in dem die Herren neben der alkohol­
                glied der Anglia. Bereits zu Poccis Lebzeiten steuerte
                der talentierte Karikaturist und Aquarellist einige
                                                                          gestützten Geselligkeit ihre gegen­
                Zeichnungen bei. Bis 1888 schuf er etwa 150 Zeich­        seitigen Gschaftlhubereien zelebrier­
                nungen, von denen die Bayerische Staatsbibliothek
                zusammen mit den Zeichnungen Poccis 100 Stück
                                                                          ten. Zwar residierte in München ein
                ­erwerben konnte.                                         König, Weltstadt aber war man
                Beim Durchblättern der Alben fällt einem nicht nur
                                                                          nicht.“
                das großartige Talent Poccis auf, dem es gelang, seine
                Zechgenossen – und auch sich selbst – humorvoll
                durch den Kakao zu ziehen, sondern man erfährt           1
                                                                             Pocci in seiner Einleitung zum Kommentar seiner
                auch viel Interessantes über die damalige Honoratio­         ‚Altengland‘-Bilder, BSB Pocciana C.A.III.2.
                rengesellschaft, denn im Hinblick auf ihre Stellung      2 Völderndorff, Otto: Harmlose Plaudereien eines
                und ihr Vermögen gehörten die Mitglieder auf jeden         Alten Münchners, Band I, München 1892, S. 259.

                Fall zur Münchner und bayerischen Elite. Allerdings      3 Old England’s Carta Magna von 1838, siehe
                spürt man auch ein „nicht geringes Maß an Provinzia­       Moisy (Fn 5), S. 141f.

                lität“: „Es ist, als wehte durch Altengland immer ein    4 Siehe allgemein dazu Stephan, Michael: Franz
                                                                           von Pocci. Unveröffentlichte Karikaturen für die
                krähwinkeliger Bierdunst, in dem die Herren neben
                                                                           Gesellschaft ‚Altengland‘ von 1840 bis 1876,
                der alkoholgestützten Geselligkeit ihre gegenseitigen      Starnberg 2021, S. 6 – 17.
                Gschaftlhubereien zelebrierten. Zwar residierte in
                                                                         5 Siehe dazu allgemein Moisy, Sigrid von: Franz
                München ein König, Weltstadt aber war man nicht.“ 7        Graf Pocci (1807 – 1876). Schriftsteller, Zeichner,
                                                                           Komponist unter drei Königen, München 2007.
                Von Dr. Maximilian Schreiber                             6 Wie Fn 4, S. 8. Auch das Folgende nach Stephan.
                Leiter des Referats Nachlässe und Autographen            7 Görl, Wolfgang: Franz Graf von Poccis unbekann­
                der Bayerischen Staatsbibliothek                           te Karikaturen, in: SZ vom 12. November 2021.
Bibliotheksforum Bayern                                                                                        11

Level 3 –
Ein Leuchtturmprojekt
Mit dem Leuchtturmprojekt Level 3 hat sich die Stadtbücherei Würzburg
auf den Weg gemacht, Digitalisierung für alle begreifbar zu machen und
der digitalen Welt einen kreativen Raum zu verschaffen.

                                                                                Anna Neufeld und Danijel Katic von der
                                                                                ­Stadtbücherei testen den 3D-Scanner
       Die Welt wird immer digitaler, längst prägen die digita­
       len Medien die Kommunikation und den Alltag unserer
       Gesellschaft. Symbolisch steht das Smartphone bereits       Mitmachen und Diskutieren
       heute für die Fernbedienung einer digitalen Lebens­         Im Dachgeschoss des Falkenhauses soll nun ein
       realität, an deren Anfang wir erst stehen. Alle Menschen    ­kreativer Bildungs-, Lern und Erfahrungsraum
       zu befähigen, sich in dieser digitalen Welt zurechtzu­       entstehen, in dem neue digitale Techniken auspro­
       finden und digitale Teilhabe zu ermöglichen, ist zu einer    biert und erlernt werden können. Ein attraktives
       zentralen Aufgabe unserer Arbeit geworden. Im ver­           tech­ni­sches Equipment und eine breite Auswahl
       gangenen Jahr hat sich die Würzburger Stadtbücherei          an M
                                                                       ­ edientechnik stehen hier bereit: 3D-Drucker
       mit ihrer Projektidee ‚Level 3 – Digitalisierung begreif­    und -Scanner, Lasercutter, Plotter, VR-Brillen und
       bar machen‘ im Rahmen des Förderprogramms ‚Wis­              vieles mehr. Neben einem umfangreichen Pro­
       sensWandel‘ beim Deutschen Bibliotheksverband e. V.          gramm mit Workshops, Einführungen, Aktionstagen
       beworben und als Leuchtturmprojekt ausgezeichnet             und gezielten (Kooperations-)Projekten für alle Al­
       eine Förderung in Höhe von rund 100.000 Euro erhalten.       tersstufen sind die Menschen eingeladen, sich spon­
12

         tan zu treffen, die neuen Techniken
         gemeinsam auszuprobieren, zu ex­
         perimentieren, miteinander digital
         zu arbeiten und ihr Wissen unterein­
         ander zu teilen. Robotik, digitale Mu­
         sikproduktion, e ­ ine Gaming-Ecke, ein
         Sprachlernbereich sowie ein neu ein­
         gerichtetes Produktionsstudio ergän­
         zen das Angebot. Auch dieses Studio
         steht allen Bürger*innen zur individu­
         ellen Nutzung offen. In Form von Kur­
         sen oder persönlicher Unterstützung
         wird ihnen das nötige Handwerkszeug
         an die Hand gegeben, um sich eigen­
         ständig mit Audio-, Video-, Film- oder
         Foto­produktionen beschäftigen zu
                                                       Das elektronische Musikinstrument Theremin im Test
         können. Schließlich soll dieser Raum
         als Informations- und Diskussionsfo­
         rum mit Vorträgen und Gesprächsrun­
         den fungieren – zu gesellschaftlichen      ­ usgerichtet hat, ausgeliehen werden – vom 3D-
                                                    a
         Werten in der digitalen Gesellschaft:      Drucker oder -Scanner über den Looper bis hin zum
         von digitalen Trends, Fake News oder       Podcast-Studio.
         Zukunfts­technologien wie der Künstli­
         chen I­ ntelligenz bis hin zur Frage, ob   Begleiten und Beraten
         Computerspielen als Sport verstanden       Ein Thema, das im Kontext von Digitalisierung
         werden kann. Damit diese Experimen­        nicht fehlen darf, ist die vielfältige Medienwelt von
         tier- und Lernphase nicht unmittelbar      Kindern und Jugendlichen, die zu einem selbstver­
         mit der Schließung der Türen des           ständlichen Bestandteil ihrer Alltagswelt geworden
         ­Falkenhauses beendet werden muss,         ist. Erziehungsberechtigte haben oft Schwierigkei­
          können viele technische Geräte in der     ten, hier durchzublicken, und sind mit Fragen rund
          ‚Bibliothek der Dinge‘, die ihr Profil    um den Medienkonsum und die Medieninhalte in
          eng an den Bedarfen von Level 3           der Familie konfrontiert. Level 3 ist hier zur niedrig­
                                                    schwelligen Anlaufstelle für medienpädagogische
                                                    Fragestellungen aller Art geworden. Angeboten
                                                    werden regelmäßige Sprechstunden für Eltern und
Neben einem umfangrei­                              pädagogisch Verantwortliche. Das Medienzentrum
chen Programm mit Work­                             für Stadt und Landkreis plant eine entsprechende
                                                    Beratung für Lehrer*innen aller Schularten. In Ko­
shops, Einführungen,                                operation mit dem Sozialreferat der Stadt sind Bera­
Aktionstagen und geziel­                            tungsangebote in den Stadtteilen vorgesehen, die
                                                    durch Onlinevorträge oder Tipps auf dem Blog der
ten (Kooperations-)Projek­                          Stadtbücherei ergänzt werden.
ten für alle Altersstufen
                                                    Vernetzen und Wohlfühlen
sind die Menschen eingela­                          Level 3 – an diesem realen Ort wird die Tür zur digi­
den, sich spontan zu tref­                          talen Welt geöffnet, Medienkompetenz vermittelt
                                                    und ein Raum für gesellschaftliche und ethische
fen, die neuen Techniken                            ­Debatten geschaffen; es ist für alle Beteiligten ein
gemeinsam auszuprobie­                               umfassendes und ehrgeiziges Projekt. Zaubern wie
                                                     Harry Potter gelingt dem Büchereiteam (noch)
ren, zu experimentieren,                             nicht, aber es kennt ein Zauberwort, das Türen öff­
miteinander digital zu                               net und Austausch ermöglicht: „Kooperation“. Die
                                                     Zusammenarbeit und Vernetzung mit vielen Akteu­
arbeiten und ihr Wissen                              ren, Institutionen und Einrichtungen in Würzburg
untereinander zu teilen.                             und Umgebung – mit der Jugendarbeit, den Schulen,
Bibliotheksforum Bayern                                                                                                   13

                                                                              Evaluieren und Fortführen
                                                                              Als Leuchtturmprojekt wird nicht zu­
                                                                              letzt auch evaluiert werden, wie die
                                                                              digitale Medienbildung in öffentlichen
                                                                              Bibliotheken zukünftig gestaltet und
                                                                              fortgeschrieben werden kann. Pande­
                                                                              miebedingt kam es im Bereich der
                                                                              ­Beschaffung und der geplanten Um­
                                                                               baumaßnahmen immer wieder zu Ver­
                                                                               zögerungen, wirklich gefährdet war
                                                                               das Projekt jedoch zu keinem Zeit­
                                                                               punkt. Und so gilt es nun, auf den un­
                                                                               terschiedlichen Ebenen die Angebote
                                                                               und Ideen gemeinsam auszuprobie­
                                                                               ren, zu testen, den Kurs auch mal zu
                                                                               wechseln und stetig weiterzuentwi­
 Mit dem Ozobot und ein paar Buntstiften kann jeder ganz leicht
­programmieren lernen.
                                                                               ckeln. Ausgewiesenes Ziel ist es, allen
                                                                               Altersgruppen Möglichkeiten, Chan­
                                                                               cen, Grenzen, Nutzen und Verände­
        der Familienhilfe und dem Quartiersmanagement, dem                     rungen durch die Digitalisierung auf­
        Bildungsbüro, den Vereinen, Verbänden, der vhs und                     zuzeigen und zu einer aktiven Mit­
        weiteren Bildungshäusern – werden ausgebaut, um                        gestaltung dieses gesellschaftlichen
        gemeinsam an einem „digitalen Strang“ zu ziehen und                    Wandels anzuregen. Die Tür von
        voneinander zu lernen. Noch agiert Level 3 in proviso­                 Level 3 steht weit offen – für alle, die
        rischem Ambiente, doch hat die Planung an Fahrt auf­                   mit­machen, ausprobieren und mitdis­
        genommen, um just in diesem Raum die multifunktio­                     kutieren wollen. Denn eines ist klar:
        nalen und gestalterischen Voraussetzungen für die                      ­Digitalisierung passiert nicht einfach,
        erfolgreiche Realisierung des Konzeptes zu schaffen.                    sie muss und darf gemeinsam gestal­
        Dabei steht die Funktionalität nicht einzig im Fokus der                tet und kompetent begleitet werden.
        Planung, vielmehr soll ein Ort für die Digitalisierung
        entstehen, an dem die Menschen sich wohlfühlen, sich                  Von Martha Maucher
                                       gerne aufhalten, treffen,              Leiterin der Stadtbücherei Würzburg
                                       arbeiten und miteinan­
                                                                              und Lambert Zumbrägel
Noch agiert Level 3 in pro­ der diskutieren – ein
                                       Ort, an dem Digitalisie­                Leitender Medienpädagoge der
visorischem Ambiente,                  rung erlebbar wird.                    ­Stadtbücherei Würzburg
doch hat die Planung an
Fahrt aufgenommen, um
just in diesem Raum die
multifunktionalen und
gestalterischen Vorausset­
zungen für die erfolgreiche
Realisierung des Konzeptes
zu schaffen.

                                                                  Das medienpädagogische Team der Stadtbücherei in Startposition für Level 3:
                                                                  Lambert Zumbrägel, leitender Medienpädagoge, Roger Spörke & Danijel Katic
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V. l. n. r.: Dr. Dorothea Sommer, Markus Blume, MdL, Dr. Klaus Ceynowa, Florian Sepp

                 10 Jahre
                 Literaturportal Bayern
                 Ein Überblick

                 Am 13. September 2022 feierte das Literaturportal                     Von Anfang an war das Literaturportal an der Baye­
                 Bayern sein 10-jähriges Bestehen im Fürstensaal                       rischen Staatsbibliothek mit der Redaktion im Refe­
                 der Bayerischen Staatsbibliothek. Unter den zahl­                     rat Bavarica und der technischen Realisierung im
                 reichen geladenen Gästen begrüßte Generaldirek­                       Referat Münchener Digitalisierungszentrum in der
                 tor Dr. Klaus Ceynowa auch Kunstminister Markus                       Abteilung Digitale Bibliothek und Bavarica angesie­
                 Blume. Die Autorinnen und Autoren Nora Gomrin­                        delt. Es gehört zu jenen Internetangeboten zur
                 ger, Ulrike Anna Bleier und Thomas Steierer boten                     ­Geschichte und Kultur Bayerns, die die Bayerische
                 dem Publikum ein abwechslungsreiches Programm                          Staatsbibliothek in ihrer Rolle als zentrale Landes­
                 mit zwei Lesungen und einem Podiumsgespräch über                       bibliothek des Freistaats Bayern betreibt.
                 die Möglichkeiten digitaler Literaturvermittlung.
                                                                                       Von der Literaturdatenbank
                 Seit nunmehr zehn Jahren stellt das ‚Literaturportal                  zum heutigen L­ iteraturportal
                 Bayern‘ dem literarischen Leben in Bayerns Städten                    Im Juli 2012 ging das Literaturportal Bayern online.
                 und Regionen eine Plattform bereit. Es informiert                     Betrachtet man jedoch die gesamte Geschichte,
                 über das literarische Leben des Freistaats in Vergan­                 kann sogar von einem 20-jährigen Jubiläum gespro­
                 genheit und Gegenwart in großer inhaltlicher Band­                    chen werden. Denn bereits 2002 begannen erste
                 breite. Dabei wendet es sich an ein vielschichtiges                   Überlegungen zu einer Literaturdatenbank im
                 Publikum, von der Wissenschaft über Literaturinte­                    ­‚Arbeitskreis gemeinsame Kulturarbeit bayerischer
                 ressierte bis hin zu Autorinnen und Autoren selbst.                    Städte‘, der auf der Suche nach einem geeigneten
Bibliotheksforum Bayern                                                                                           15

         Partner sehr rasch auf die Bayerische Staatsbiblio­        Alleinstellungsmerkmale
         thek und die von ihr betriebene Bayerische Landes­         im länderweiten Angebot
         bibliothek Online stieß, betreut vom damaligen             Das Literaturportal Bayern hat zahlreiche Allein­
         ­Bavarica-Referenten Dr. Stephan Kellner. 2006 prä­        stellungsmerkmale. Dazu gehört zunächst sein
          sentierte dann die damalige Leiterin der Monacensia,      ­umfassender inhaltlicher Anspruch, der sich in neun
          Dr. Elisabeth Tworek, die Vision eines umfassenden         Modulen niederschlägt. Zu diesen zählen ein Lexi­
          Literaturportals. Im gleichen Jahr gingen der Berlin-­     kon von inzwischen 1.400 Autorinnen und Autoren,
          Brandenburgische Literaturport und das Marbacher           das Nachlassverzeichnis mit über 1.600 Nachlässen,
          Literaturportal online. Letzteres war die Initial­zün­     ein Verzeichnis der rund 400 literarischen Einrich­
          dung in Bayern, ein eigenes Portal einzurichten. Des­      tungen in Bayern, ein Lexikon literarischer Zeit­
          halb ergriff ab Ende 2006 das Staatsministerium für        schriften – immerhin 80 – sowie das Verzeichnis von
          Wissenschaft, Forschung und Kunst mit Dr. Elisabeth        170 Preisen und Stipendien. Dazu tritt ein Veran­
          Donoughue die Initiative.                                  staltungskalender mit Tausenden von Einträgen.
                                                                     Drei Module widmen sich darüber hinaus mehr
                                       Diese drei Personen –         ­erzählerisch dem literarischen Leben Bayerns: Das­
Es informiert über das                 Dr. Donoughue, Dr. Two­        ­‚Literaturland‘ verortet die Literatur auf einer Karte
literarische Leben des                 rek und Dr. Kellner –           – dazu gehören auch zahlreiche literarische Wege –,
                                       trieben in den folgen­          die ‚Themen‘ greifen spezielle literaturgeschicht­
Freistaats in Vergangen­               den Jahren das Projekt          liche Schwerpunkte heraus, und im ‚Journal‘ finden
heit und Gegenwart                     immer weiter voran.             sich laufend aktuelle Berichte, Interviews, Rezen­
                                       Ab 2007 entstand eine           sionen, aber auch literarische Texte und Debatten.
in großer inhaltlicher                 erste ‚Datenbank zum
Bandbreite.                            ­literarischen Bayern‘, im   Um ein derartiges Angebot überhaupt bieten zu
                                        gleichen Jahr startete      können, war die Einrichtung einer festen Redaktion
         als groß angelegtes Kooperationsprojekt die Erfas­         entscheidend – ebenfalls ein wichtiges Alleinstel­
         sung der literarischen Nachlässe in Bayern – beides        lungsmerkmal des Literaturportals. Der Redaktion,
         Vorstufen des Literaturportals. 2009 begann die            zu deren Aufgaben von Anfang an eine aktive
         Konzeption des heutigen Literaturportals mit seinen        Social-­Media-Arbeit zählte, gehört seit ihrer Grün­
         vernetzten Modulen, maßgeblich verantwortet von            dung der Autor selbst an. Weitere Mitarbeiter waren
         Katrin Schuster, die zusammen mit dem Autor die­           bzw. sind Katrin Schuster, Dr. Fridolin Schley und seit
         ses Beitrags, Dr. Peter Czoik, ab 2012 in der neuge­       April 2022 Thomas Lang.
         schaffenen Redaktion tätig war. Im März 2010 ent­
         stand als Vorläufer des Lite­raturportals der ‚Litera­     Eine weitere Besonderheit des Literaturportals
         turblog Bayern‘. Dann kamen zwei Jahre intensiver          ­Bayern gegenüber ähnlichen Angeboten im länder­
         Arbeit – sowohl an der Technik des neuen Portals            weiten Vergleich ist die historische Komponente.
         als auch an dessen Inhalten. Denn es musste ein             Das Literaturportal bildet nicht nur das gegenwär­
         inhaltlich anspruchsvolles und überzeugendes Por­           tige literarische Leben und Schaffen im Freistaat
         tal unter Beteiligung vieler P
                                      ­ artner entstehen. Am         Bayern ab, sondern berücksichtigt auch das litera­
         16. Juli 2012 war es endlich soweit – das Literatur­        rische Leben der Vergangenheit.
         portal Bayern ging online.

                                                                                   Jubiläumsfeier des Literatur­
                                                                                   portals Bayern im Fürstensaal
                                                                                   der Bayerischen Staatsbibliothek
                                                                                   am 13. September 2022
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             Zwischen Netzwerk und Lesungen, Projekten               Seit 2020 läuft in Zusammenarbeit mit der Lehrpro­
             und Wissenschaft                                        fessur von Prof. Klaus Wolf in Augsburg das Projekt
             Möglich ist ein derartiges Angebot nur in Zusam­        eines ‚Digitalen Literaturatlas von Bayerisch-Schwa­
             menarbeit mit zahlreichen Kooperationspartnern,         ben (DigiLABS)‘ mit seiner detaillierten Kartierung
             von denen nur eine Auswahl genannt werden kann:         des Literaturlands Bayerisch-Schwaben. Während
             die Monacensia im Hildebrandhaus, das Literaturar­      der Corona-Pandemie bot und bietet das Literatur­
             chiv Sulzbach-Rosenberg, das Verbundprojekt Jean-       portal aus Fördermitteln des Staatsministeriums für
             Paul-Weg, die Bayerische Sparkassenstiftung, das        Wissenschaft und Kunst mit zwei Projekten – ‚Kultur
             Schwäbische Literaturschloss Edelstetten, die Stif­     trotz Corona‘ und dem kürzlich in die Wege gelei­
             tung Lyrik Kabinett, das Literatur Radio Hörbahn,       teten Projekt ‚Neustart Freie Szene – Literatur‘ – der
             die Zeitschrift ‚Literatur in Bayern‘ oder neuerdings   von den Restriktionen der Pandemiebekämpfung
             das Literaturhaus München mit der aktuell in den        hart gebeutelten Literaturszene eine Plattform für
             Fokus genommenen Bayerischen Akademie des               Prosa, Lyrik, Comics, Videos, Audios und vieles mehr.
             Schreibens. Das Literaturportal ist damit Bestandteil
             und aktiver Gestalter eines großen Netzwerks von        Von Dr. Peter Czoik
             Einrichtungen.                                          Leiter des Sachbereichs Literaturportal Bayern
                                                                     in der Abteilung Digitale Bibliothek und Bavarica
             Zu dieser aktiven Gestaltung gehört auch die Durch­     der Bayerischen Staatsbibliothek
             führung und Mitbeteiligung von Veranstaltungen,
             so beispielsweise 2015 die große Lesung Münchner
             Autorinnen und Autoren über Fremdheit und Litera­
             tur, 2016 bis 2018 die daraus resultierende Schul­
             lesereihe ‚So fremd wie wir Menschen‘ oder die Ver­
             anstaltungen der ‚Meet your neighbours‘-Reihe im
             Rahmen des Aktionsbündnisses ‚Wir machen das‘.

           Unter dem Dach des Literaturportals fanden ver­
           schiedene innovative und explorative Projekte statt,
           wie die literarischen Spaziergänge mit Kartenan­
           bindung und eine App zum 250. Geburtstag des
                                       fränkischen Dichters
                                       Jean Paul, deren Inhalte
Unter dem Dach des Lite­               mittlerweile im The­
                                       menmodul des Litera­
raturportals fanden ver­               turportals zu finden
schiedene innovative und               sind. Hochspannend
                                       war 2016 bis 2017 das
explorative Projekte statt,            Projekt des Netzromans,
wie die literarischen Spa­             in dem die Möglich­
                                       keiten, aber auch Gren­
ziergänge mit Kartenan­                zen eines i­nteraktiven
bindung und eine App                   Schreib­prozesses im
                                       Internet ausgelotet wur­
zum 250. Geburtstag des                den.
fränkischen Dichters Jean
Paul, deren Inhalte mittler­
weile im Themenmodul
des Literaturportals zu
finden sind.
Bibliotheksforum Bayern                                                                                              17

Duale Weiterbildung
für Quereinsteiger*innen
im Bibliothekswesen

         Neue Perspektiven: Eine duale Weiterbildung im Bibliothekswesen bietet Chancen
         für einen beruflichen Spurwechsel (Teilbibliothek Maschinenwesen).

Praxisnah, strukturiert und berufsbegleitend                              wirken engagiert, bringen für die ausgeschriebenen
                                                                          Tätigkeiten relevante Kenntnisse mit und vermitteln
zum bibliothekarischen Masterabschluss                                    den Eindruck, sich auf die Herausforderungen eines
                                                                          beruflichen Spurwechsels einlassen zu wollen.
         Die Universitätsbibliothek der Technischen Universi­             Wie gehen Bibliotheksleitungen mit einer solchen
         tät München (TUM) hat ein Weiterbildungsangebot                  Bewerbungslage um?
         für Quereinsteiger*innen der Qualifikationsebene 4
         entwickelt, das ein praxisorientiertes Vorstudium mit            Situationen dieser Art sind keine Einzelfälle, sondern
         einem berufsbegleitenden Masterstudium kombiniert.               entwickeln sich mehr und mehr zur Regel. Drei Ent­
                                                                          wicklungen überlagern sich dabei und verstärken
         Eine Stelle muss nachbesetzt werden und wird aus­                sich gegenseitig:
         geschrieben. Nur wenige Bewerbungen treffen ein,
                                                                          • Die geburtenstarken Jahrgänge gehen nach und
         davon keine einzige mit dem geforderten bibliothe­
                                                                            nach in den Ruhestand, sehr viele Stellen müssen
         karischen Abschluss. Dennoch sind einzelne Bewer­
                                                                            in kurzen Abständen nachbesetzt werden.
         bungen durchaus interessant: Die Bewerber*innen
18

               • Gleichzeitig verändern sich Aufgabenbereiche
                 und Kompetenzanforderungen – genannt seien
                 hier nur die forschungsnahen Dienste mit ihren
                 personalintensiven Infrastruktur- und Beratungs­
                 dienstleistungen.

               • Generell lässt die Zahl der Bewerbungen deutlich
                 nach, und nur ein kleiner Teil davon kommt von
                 Interessentinnen und Interessenten mit bibliothe­
                 karischen Abschlüssen.

               Wie können Bibliotheken neue Wege finden, um
               ­freiwerdende Stellen zu besetzen und gleichzeitig
                veränderten Kompetenzanforderungen gerecht zu
                werden? Interne Fortbildungen oder formale Weiter­
                qualifizierungen vorhandenen Personals durch be­       Berufsziel Bibliothek: Die Universitätsbibliothek der TUM geht
                rufsbegleitende Studiengänge oder Zertifikatskurse     neue Wege, um gezielt Hochschulabsolvent*innen für den Biblio­
                                                                       theksbereich zu gewinnen
                sind ein wichtiger Baustein, lösen aber das Ressour­
                cenproblem an sich nicht: Wo Stellen vakant bleiben,
                kann auch niemand fortgebildet oder weiterquali­       Duales Angebot für Quereinsteiger*innen
                fiziert werden. Kann die gezielte Anwerbung und        Die Universitätsbibliothek der TUM hat sich vor die­
                Einstellung von Quereinsteigerinnen und Querein­       sem Hintergrund entschlossen, die Einstellung und
                steigern im Bibliotheksbereich helfen, das Problem     Weiterqualifizierung von nicht bibliothekarisch aus­
                zu lösen?                                              gebildeten Hochschulabsolventinnen und -absolven­
                                                                       ten als Instrument der Personalentwicklung syste­
                                                                       matisch zu nutzen.

                                                                       Beschäftigte mit akademischem Hintergrund betreu­
     STATEMENT 1
                                                                       en an der Universitätsbibliothek ein breitgefächertes
     Dr. Reiner Kallenborn, ehemaliger Leitender Biblio-               Aufgabenspektrum. Dazu gehören einerseits klas­
     theksdirektor der TUM Universitätsbibliothek und                  sisch bibliothekarische Tätigkeiten wie Fachreferat
     ­Initiator der dualen Weiterbildungsinitiative                    und Schulungsaktivitäten, andererseits Aufgaben
                                                                       wie Organisationsentwicklung, Mitarbeit im Hoch­
     „Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass es
                                                                       schulverlag TUM.University Press oder Verantwor­
     ­zunehmend schwieriger wird, akademisches Fachper­
                                                                       tung im Bereich Bauangelegenheiten.
      sonal als neue Mitarbeiter*innen für unsere Biblio­
      theken zu gewinnen. Die Arbeit in hochdynamischen
                                                                       Kandidatinnen und Kandidaten, die über Hochschul­
      ­Universitätsbibliotheken ist spannender als je zuvor,
                                                                       abschlüsse verfügen, jedoch keine bibliothekarische
       aber die bisher dafür notwendige Fokussierung von
                                                                       Ausbildung vorweisen können, werden zunächst für
       Studienabsolventinnen und -absolventen auf die Welt
                                                                       einige Monate in ihre jeweiligen Aufgabengebiete
       der Bibliotheken – ohne jene überhaupt zu kennen –
                                                                       eingearbeitet. Anschließend beginnen sie bei Inte­
       sowie der Verdienstausfall durch mehrjähriges Refe­
                                                                       resse ein duales Weiterbildungsprogramm: Sie lernen
       rendariat oder Masterstudium schrecken viele junge
                                                                       in einem 18-monatigen sogenannten Vorstudium,
       Menschen von einer bibliothekarischen Karriere ab.
                                                                       einem hausinternen Teilzeit-Praktikum, alle Abtei­
       Die Kombination von Training on the Job und berufs­
                                                                       lungen und Arbeitsbereiche der Universitätsbiblio­
       begleitendem Studium hat sich seit langem in der Wirt­
                                                                       thek kennen. Parallel oder im Anschluss daran besu­
       schaft bewährt und könnte auch für Bibliotheken eine
                                                                       chen sie den weiterbildenden Masterstudiengang
       exzellente Ergänzung zu den traditionellen Ausbildungs­
                                                                       ­Bibliotheks- und Informationswissenschaft im Fern­
       wegen unserer vierten Qualifikationsebene sein, wenn
                                                                        studium an der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin
       wir den Zusatzaufwand nicht scheuen, hochmotivierte
                                                                        und schließen diesen mit einer ggf. laufbahnbefähi­
       Quereinsteiger*innen anzuleiten, diesen neuen Weg zu
                                                                        genden Masterprüfung ab. Kolleginnen und Kollegen,
       bewältigen. Wir wissen inzwischen, dass es sich lohnt!“
                                                                        die dieses umfangreiche Onboarding-Programm für
                                                                        Quereinsteiger*innen durchlaufen, erhalten während
                                                                        des gesamten Zeitraums von der Universitätsbiblio­
                                                                        thek weitreichende organisatorische, zeitliche und
                                                                        finanzielle Unterstützung.
Bibliotheksforum Bayern                                                                                     19

                                                                    In Absprache mit der TUM-Bibliotheksleitung, auf
   STATEMENT 2                                                      deren Initiative hin die duale Weiterbildung entwi­
                                                                    ckelt wurde, können die Quereinsteiger*innen das
   Tamara Fröhler, Bibliotheksmitarbeiterin und
                                                                    Vorstudium im Rahmen ihrer Arbeitszeit absolvieren.
   Quereinsteigerin im Bibliothekswesen an der TUM
                                                                    Auch für das berufsbegleitende Fernstudium ist
   Universitätsbibliothek
                                                                    ­Unterstützung durch den Arbeitgeber realisierbar:
   „Als Quereinsteiger*in im Bibliothekswesen sieht man              Dienstbefreiungen für Präsenztage des Studiums
   sich mit einem komplexen und vielschichtigen Arbeits­             ­sowie Kostenübernahme für Studiengebühren und
   feld konfrontiert, dessen Bereiche und aktuelle Ent­               Reisekosten schaffen Rahmenbedingungen, um trotz
   wicklungen anfangs nur schwer zu überblicken sind.                 Vollzeittätigkeit die Doppelbelastung von Arbeit und
   Die Kombination aus berufsbegleitendem M. A.-Studium               Studium zu bewältigen.
   an der HU Berlin und hausinternem Vorstudium bietet
   einen idealen Rahmen, um dieser Herausforderung zu               Voraussetzung für die Kostenübernahme ist die Ent­
   begegnen. Durch den aktiven Austausch mit den loka­              fristung der jeweiligen ­Beschäftigungsverhältnisse
   len Expertinnen und Experten wird der theoretische               sowie die Verpflichtung, nach Studienabschluss (d. h.
   und praktische Input der Vorlesungen weiter konkre­              Datum des Abschlusszeugnisses) für drei Jahre als
   tisiert, im eigenen Arbeitskontext verortet und gleich­          Beschäftigte an der Universitätsbibliothek der TUM
   zeitig ein Ankommen in der eigenen Institution ermög­            zu verbleiben. Aus dem Studienabschluss ergibt
   licht, das andernfalls sicherlich mehr Zeit in Anspruch          sich kein Anspruch auf Übertragung einer höher zu
   nehmen würde. Die zeitliche Belastung durch paralle­             bewertenden Tätigkeit. Dass ein erfolgreicher Ab­
   les M. A.-Studium und Vorstudium neben den eigentli­             schluss der Weiterbildungsmaßnahme eine erhebli­
   chen Tätigkeiten sollte dabei jedoch nicht unterschätzt          che Mehrbelastung bedeutet und auch umfangreich
   werden. Aufgewogen wird dies durch die Perspektiven              private Zeit investiert ­werden muss, versteht sich
   und Chancen, die sich aus dieser ganzheitlichen Aus­             von selbst.
   bildung ergeben. Für motivierte und interessierte Quer­
   einsteiger*innen im Bibliothekswesen kann ich es in              Ablauf und organisatorischer Aufwand
   nur empfehlen.“                                                  Welcher Aufwand ist mit der Organisation des Vor­
                                                                    studiums für die Bibliothek verbunden? Die Univer­
                                                                    sitätsbibliothek der TUM ist Ausbildungsbibliothek
                                                                    für Fachangestellte für Medien- und Informations­
                                                                    dienste, außerdem betreut sie regelmäßig Prak­-
             Hausinternes Teilzeit-Praktikum und berufs­            ti­kantinnen und Praktikanten des Fachbereichs
             begleitender Masterstudiengang                         ­Archiv- und Bibliothekswesen der Hochschule für
             Was verbirgt sich hinter dem Begriff Vorstudium?        den öffentlichen Dienst in Bayern sowie Referen­
             Wie wird es organisiert, welchen Umfang hat es,         darinnen und Referendare der Bayerischen Biblio­
             ­welche Herausforderungen stellt es für die Biblio­     theksakademie. Dennoch erfordert das Vorstudium
              thek und für die beteiligten Kolleginnen und Kolle­    aufgrund seiner Dauer und Struktur besondere
              gen dar? Wie werden die neuen Kolleginnen und          ­organisatorische und inhaltliche Vorbereitungen.
              ­Kollegen während der dualen Weiterbildung von der
               Universitätsbibliothek konkret unterstützt?

          Das Vorstudium ist auf einen Zeitraum von 18 Mona­
          ten angelegt. Es ermöglicht ein vertieftes Kennen­
          lernen der bibliothekarischen Praxis und ist so kon­
          zipiert, dass es die Praktikumsanforderungen des
                                     Masterstudiengangs voll­
                                     ständig abdeckt. Somit er­
Beschäftigte mit akade­ setzt es die Pflichtpraktika,
mischem Hintergrund                  die ansonsten während des
                                     Studiums einzuplanen sind,
betreuen an der Univer­              und reduziert die zeitliche
sitätsbibliothek ein                 Belastung während der vier
                                     Studiensemester.
breitgefächertes
Aufgaben­spektrum.
20

                                                                       • In der nachfolgenden Phase des jeweiligen The­
     STATEMENT 3                                                         menblocks verläuft das Vorstudium zweigleisig:
                                                                         Einerseits finden vertiefende Gespräche und
     Ulla Wimmer, Studiengangskoordinatorin,
                                                                         ­Praxisbesuche bei Kolleginnen und Kollegen der
     Humboldt-Universität zu Berlin
                                                                          jeweils fachlich zuständigen Teams statt, anderer­
     „Die begleitenden Praktika sind – besonders bei Quer­                seits erhalten die Studierenden Materialien und
     einsteigerinnen und Quereinsteigern – unheimlich                     Lektürehinweise zur eigenständigen Bearbeitung
     wichtig, damit die Studierenden das, was sie in der Leh­             des Themas.
     re hören, einordnen und gewichten können. Sie hören
                                                                       • Jeder Themenblock wird durch ein Abschlussge­
     im Studium sehr viel; ohne Praktika ist es für sie sehr
                                                                          spräch mit der Bibliotheksleitung beendet, in dem
     schwierig, zu verstehen, welche Aspekte des Stoffes
                                                                          die Informationen diskutiert und in den Gesamt­
     wie wichtig und wie einzuordnen sind. Manchmal
                                                                          kontext des Bibliothekswesens eingeordnet
     ­klingen Dinge in der Lehre viel komplizierter, als sie
                                                                         ­werden.
      es in der Praxis dann sind. Das zu erfahren, stärkt die
      Studierenden.

     Erfahrungsgemäß ist das Organisieren und Durchfüh­
     ren von externen Praktika der schwierigste Teil eines
     berufsbegleitenden Studiums. Das kann intern deutlich
                                                                                             WOCHE    1
                                                                          > Einführungsgespräch mit Fachexpert*in (1 Stunde)
                                                                          > Eigenarbeit (Lektüre, Internetrecherche, etc. 3 Stunden)
     einfacher sein. Außerdem gibt es – gerade im wichtigen

                                                                                                                  2
     Managementbereich – das Problem, dass externe Prak­
     tikantinnen und Praktikanten nicht so einfach den                                                  WOCHE
     ­Zugang zu Management-Tätigkeiten bekommen. Für                      > Praktischer Einblick in den Arbeitsbereich (2x2 Stunden)
      bereits Beschäftigte ist hier die Hürde oft geringer.“              > ggf. weiterer Termin mit Fachexpert*in

              Die Gesamtorganisation liegt in den Händen des
                                                                                                                    WOCHE
                                                                          > Nachbearbeitung der Praxisstationen, Vertiefung
                                                                                                                               3
              ­Referats für Aus- und Fortbildung. Der Zeitraum              durch Lektüre und Eigenarbeit (3 Stunden)
               des Vorstudiums ist in Themenblöcke unterteilt, die        > Abschlussgespräch mit Bibliotheksleitung und
                                                                            ggf. weiteren Personen (1 Stunde)
               jeweils ca. drei Wochen umfassen und von den zu­
               ständigen Abteilungsleitungen organisiert werden.
               Wöchentlich werden ca. vier Stunden für das Vorstu­
                                                                       Die Liste der Themen, die für das Vorstudium ange­
               dium eingeplant, damit ergibt sich ein Zeitaufwand
                                                                       setzt sind, orientiert sich am Studienplan des weiter­
               von ca. 270 Stunden für die Studierenden. Die einzel­
                                                                       bildenden Masterstudiengangs der HU Berlin, an der
               nen Themenblöcke folgen diesem Schema:
                                                                       Fachverordnung über den fachlichen Schwerpunkt
           • Jeder Themenblock beginnt mit einem Einfüh­               Bibliothekswesen (FachV-Bibl) der QE4-Ausbildung
             rungsgespräch mit einer Fachexpertin oder einem           in Bayern sowie an Standardwerken über das Biblio­
             Fachexperten aus der Universitätsbibliothek. In           thekswesen. 1 Der Stoffplan umfasst Grundlagen des
             aller Regel ist das die Abteilungsleitung. Diese          Bibliothekswesens wie Berufsbild, Bibliotheks- und
             Personen halten während des Themenblocks                  Informationswesen des In- und Auslands sowie Fach­
             ­Kontakt mit den Quereinsteigerinnen und Quer­            verbände. Im Bereich des Bibliotheksmanagements
              einsteigern und stehen für Rückfragen zur Ver­           kommen die Themen Management und Personal,
                                      fügung. Themenblöcke             Qualitätsmanagementsystem, bibliotheksrelevantes
                                      können in Absprache mit          Recht, Bibliotheksbau, -einrichtung und -technik
Wöchentlich werden                    allen Beteiligten getauscht      ­sowie Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Web Content
                                      werden, falls aus zeitlichen      und Social Media Management vor. Aus dem Aufga­
ca. vier Stunden für das              oder organisatorischen            benbereich der Medienbearbeitung werden Beschaf­
Vorstudium eingeplant,                Gründen nötig.                    fung bzw. Lizenzierung und Katalogisierung von kos­
                                                                        tenpflichtigen Medien sowie unberechneter Zugang
damit ergibt sich                                                       besprochen. Die Benutzungsdienste umfassen alle
ein Zeitaufwand von                                                     Tätigkeitsbereiche wie Lesesaal, Magazin, Buchbin­
                                                                        derei und Dokumentlieferdienste. Die Informations­
ca. 270 Stunden für die                                                 dienste stehen mit den Themen Auskunftsdienste,
Studierenden.                                                           Schulungsprogramm, Webinare, E-Learning und
Bibliotheksforum Bayern                                                                                                                  21

                                                                                  werden. Die inhaltliche Vorbereitung der Termine ist
                                                                                  für die jeweiligen Fachexpertinnen und -experten
                                                                                  aufwendig. Bibliotheksleitung und Abteilungsleitun­
                                                                                  gen sind für das Gelingen des Vorstudiums mitver­
                                                                                  antwortlich und kontinuierlich an der Vorbereitung
                                                                                  und Durchführung der Themenblöcke beteiligt. Für
                                                                                  die Studierenden besteht die Herausforderung in
                                                                                  erster Linie darin, neben ihrem regu­lären Tagesge­
                                                                                  schäft Termine des Vorstudiums vor- oder nachzube­
                                                                                  reiten sowie, sobald das Masterstu­dium begonnen
                                                                                  hat, den Anforderungen des Semesterbetriebs ge­
Intensives Onboarding: Die Universitätsbibliothek der TUM bietet Querein­         recht zu werden.
steiger*innen einen umfassenden Einstieg in die Bibliothekswelt (Teilbibliothek
Weihenstephan).
                                                                                  Dennoch bewährt sich die duale Weiterbildung für
                                                                                  alle Beteiligten: Die Quereinsteiger*innen erhalten
                 ­ achinformation im Programm. Schließlich werden
                 F                                                                einen breiten Überblick über das Bibliothekswesen
                 forschungsnahe Dienste behandelt, wie Forschungs­                und seine Besonderheiten, Theorie und Praxis wer­
                 datenmanagement, Bibliometrie, Open Access und                   den sinnvoll miteinander kombiniert. Gleichzeitig
                 Publikationsunterstützung. Auch IT-Themen werden                 ­ermöglicht das Vorstudium den angehenden Biblio­
                 berücksichtigt, darunter Serverbetrieb, Bibliotheks­              thekarinnen und Bibliothekaren, ein breites Netz­
                 systeme und Bibliothekstechnik sowie ein Grundkurs                werk in der eigenen Bibliothek aufzubauen sowie
                 in Python.                                                        ­Arbeitsbereiche und Ansprechpersonen kennen zu
                                                                                    lernen, mit denen sie in ihrer regulären Tätigkeit
                 Erfahrungen und Herausforderungen                                  ­keine Berührungspunkte hätten. Ein Gewinn ist es
                 Welche Erfahrungen hat die Universitätsbibliothek                   außerdem, dass die Quereinsteiger*innen im Rah­
                 der TUM bisher mit dem dualen Ansatz von Vorstu­                    men ihres Vorstudiums besondere Interessen ent­
                 dium und berufsbegleitendem Masterstudiengang                       wickeln können, die sie etwa durch die Auswahl
                 gemacht? Herausfordernd für die Bibliothek sind die                 ­entsprechender Studiengangsmodule unmittelbar
                 organisatorische Komplexität des Vorstudiums sowie                   in die Schwerpunktsetzungen ihres Masterstudiums
                 der Zeitbedarf für alle Beteiligten: Der Einsatz vieler              einbringen können.
                 Personen ist zu koordinieren, zahlreiche Termine
                 müssen mit dem sonstigen Alltagsgeschäft ­ver­einbart            Aus Sicht der Bibliothek ist das Vorstudium in Kombi­
                                                                                  nation mit dem berufsbegleitenden Masterstudium
                                                                                  ein intensives Onboarding, das Quereinsteigerinnen
                                                                                  und Quereinsteigern im Bibliotheksbereich die Mög­
     STATEMENT 4
                                                                                  lichkeit gibt, sich in Theorie und Praxis in ihrem neu­
     Leonie Ernst, Tamara Fröhler, Katharina Markgraf,                            en beruflichen Tätigkeitsgebiet zu etablieren. Durch
     ­Bibliotheksmitarbeiterinnen und Quereinsteigerinnen                         die intensive Unterstützung und die entstehenden
      im Bibliothekswesen an der TUM Universitäts­                                Netzwerke gelingt es auf diese Weise, Hochschul­
      bibliothek                                                                  absolventinnen und -absolventen auf ihrem Weg zu
                                                                                  ausgebildeten Bibliothekarinnen und Bibliothekaren
     „Wir haben im kollegialen Miteinander versucht, das
                                                                                  zu begleiten und einen Beitrag dazu zu leisten, dass
     Vorstudium möglichst effizient in unseren Berufsalltag
                                                                                  diese langfristig ihrer Bibliothek verbunden bleiben.
     einzufügen, um Synergie-Effekte zu nutzen und uns
     gegenseitig zu entlasten. Dies geschah beispielsweise
                                                                                  Von Dr. Caroline Leiß
     durch ein gemeinsam gepflegtes Citavi-Projekt, in dem
     wir hilfreiche Literatur gesammelt haben. Die Nachbe­                        Kommissarische Leitung der Universitätsbibliothek
     reitung der Treffen haben wir abwechselnd übernom­                           der Technischen Universität München, Leitung der
     men und untereinander Informationen ausgetauscht,                            Abteilung Informationsdienste und des Referats ­­
     wenn einmal nicht alle an einem Termin teilnehmen                            Aus- und Fortbildung
     konnten. Das Vorstudium als Team zu absolvieren, hat
     sich als sinnvoll herausgestellt, da es so gelang, das
     ­Arbeitspensum überschaubar zu halten und besser ins
      Alltagsgeschäft zu integrieren.“                                            1
                                                                                      z. B. Gantert, Klaus: Bibliothekarisches Grundwissen. 9., ­voll­-
                                                                                      ständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. München,
                                                                                      2016.
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