ERZIEHUNG & WISSENSCHAFT 06/2018 - GEWERKSCHAŌ ERZIEHUNG UND WISSENSCHAŌ

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ERZIEHUNG & WISSENSCHAFT 06/2018 - GEWERKSCHAŌ ERZIEHUNG UND WISSENSCHAŌ
Gewerkscha
                                           Erziehung und Wissenscha

Erziehung & Wissenschaft        06/2018
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

SUCHT
ERZIEHUNG & WISSENSCHAFT 06/2018 - GEWERKSCHAŌ ERZIEHUNG UND WISSENSCHAŌ
2 GASTKOMMENTAR

                                                                          Foto: privat
THEO BAUMGÄRTNER

               Spiegelbild der Erwachsenen
               Die Studien zum Suchtmittelkonsum in Deutschland machen                   weichung von den Verhaltensnormen und Konsumgewohn-
               immer wieder deutlich: Gerade junge Menschen zeigen sich                  heiten dar, die in der Erwachsenenwelt gelten, sondern ist
               in der Phase des Kennenlernens von und Experimentierens                   allenfalls ein graduell überhöhter Ausdruck dieser Normen
               mit psychoaktiven Substanzen besonders risikofreudig. Hier                und Gewohnheiten.
               werden die Grenzen zwischen Genuss und Missbrauch aus-                    Es geht hier nicht darum, bestimmte gesellschaftliche Ent-
               gelotet – und nicht selten überschritten. Auch wenn sich                  wicklungen moralisch zu verteufeln. Es geht lediglich um
               aktuell ein spürbarer Rückgang beim Konsum von Alkohol,                   den Versuch, das zuweilen erstaunte Unverständnis und
               Tabak, Cannabis und anderen illegalen Drogen ausmachen                    die weitgehend unbegründeten Hoffnungen der Erwach-
               lässt, so bleibt es doch dabei, dass der Umgang mit Rausch-               senen zu relativieren, dass ausgerechnet das Ausmaß des
               mitteln in der Lebenswelt vieler Jugendlicher eine funktio-               Umgangs Jugendlicher mit Rauschmitteln von den an-
               nale Bedeutung hat: Er symbolisiert in der Übergangsphase                 sonsten typischen Erscheinungen einer auf Konsum und
               vom Kindsein zum Erwachsenen das Bedürfnis und – aus                      Wachstum ausgerichteten Gesellschaft unberührt bleiben
               Sicht der jungen Menschen – ihre Fähigkeit, selbstständige,               sollte. Werteorientierte Verhaltensweisen wie Mäßigung,
               die eigene Person betreffende Entscheidungen zu fällen.                   Genuss, Innehalten und Verzicht werden zunehmend
               Im Rahmen dieses Identitätsfindungsprozesses wird gerade                  durch ein von Kategorien wie Flatrate, all-inclusive, XXL
               durch den Konsum illegaler Drogen Gruppenzugehörigkeit                    und Obsoleszenz gekennzeichnetes Denken in den Hinter-
               zu Gleichaltrigen angezeigt und die Möglichkeit eröffnet,                 grund gedrängt.
               Grenzen zu erfahren. Für einen Teil der jungen Konsumen-                  Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass solche gesell-
               tinnen und Konsumenten kann ihr Verhalten aber auch als                   schaftlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen von den
               Versuch interpretiert werden, entwicklungsbedingte All-                   Erwachsenen geschaffen werden. Und dass die nachwach-
               tagsbelastungen zu bewältigen und damit subjektiv erlebte                 sende Generation sich in ihrem Handeln zunächst einmal
               Defizite zu kompensieren.                                                 an dem orientiert, was sie vorfindet. Das bedeutet, dass wir
               Dass sich die meisten Jugendlichen der Gefahren durchaus                  uns, wenn wir den Umgang Jugendlicher mit Suchtmitteln
               bewusst sind, die der Rauschmittelkonsum birgt, ist sicher                einordnen und bewerten, auf uns selbst und unser Verhal-
               auch ein Erfolg der bisherigen Präventionsbemühungen.                     ten zurückgeworfen sehen. Vor diesem Hintergrund kann
               Es zeigt sich, dass Informations- und Aufklärungsangebote                 eine auf lange Sicht erfolgreiche Prävention des Drogen-
               die jungen Menschen in weiten Teilen erreichen. Im Mittel-                missbrauchs in der nachwachsenden Generation nur dann
               punkt solcher eher universellen Vorbeugungsmaßnahmen                      gelingen, wenn sie auch die grundlegenden Einstellungen
               stehen drei Hauptanliegen: Alternativen zu entwickeln und                 der Erwachsenen selbstkritisch mit einbezieht – und dabei
               anzubieten, Perspektiven aufzuzeigen sowie das Selbstbe-                  deren konkrete Umgangsformen mit den in der Gesellschaft
               wusstsein zu stärken, um so einen Rahmen zu schaffen,                     etablierten Suchtmitteln wie Alkohol, Tabak und Medika-
               sich in der konsum-, leistungs- und erlebnisorientierten Ge-              mente radikal auf den Prüfstand stellt.
               sellschaft zurechtzufinden. Wenn aber trotz dieser Bemü-
               hungen ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen mit                  Theo Baumgärtner,
               Rauschmitteln hantiert, stellt dies keine substanzielle Ab-               Referent der Fachstelle für Suchtfragen SUCHT.HAMBURG gGmbH

  Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
ERZIEHUNG & WISSENSCHAFT 06/2018 - GEWERKSCHAŌ ERZIEHUNG UND WISSENSCHAŌ
INHALT     3

                                                                      Prämie
Inhalt                                                              des Monat
                                                                      Seite 5
                                                                              s

Gastkommentar                                                                                IMPRESSUM
Spiegelbild der Erwachsenen                                                      Seite 2    Erziehung und Wissenschaft
                                                                                             Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 70. Jg.
Impressum                                                                        Seite 3    Herausgeberin:
                                                                                             Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Auf einen Blick                                                                  Seite 4    im Deutschen Gewerkschaftsbund
                                                                                             Vorsitzende: Marlis Tepe
                                                                                             Redaktionsleiter: Ulf Rödde
                                                                                             Redakteurin: Helga Haas-Rietschel
Prämie des Monats                                                                Seite 5    Redaktionsassistentin: Katja Wenzel
                                                                                             Postanschrift der Redaktion:
                                                                                             Reifenberger Straße 21
Schwerpunkt: Sucht                                                                           60489 Frankfurt am Main
1.	Hamburgs Jugend im Blick: „Ich kiff halt, aber ich hab kein Drogenproblem“   Seite 6    Telefon 069 78973-0
                                                                                             Fax 069 78973-202
2.	Wie reagieren Schulleitungen? Ziel: Schule als drogenfreier Raum             Seite 10   katja.wenzel@gew.de
3.	Bildungszentrum Hermann Hesse: „Für viele die letzte Chance“                 Seite 13   www.gew.de
                                                                                             facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft
4.	Interview mit Jens Beismann: Onlinehandel macht Straßendealern Konkurrenz    Seite 16   twitter.com/gew_bund
5.	Prävention: „Da war der Kopf, der immer schrie: ‚Dröhn dich weg!‘“           Seite 18
                                                                                             Redaktionsschluss ist in der Regel
6.	Interview mit Jost Leune: Abhängige nicht kriminalisieren                    Seite 20   der 7. eines jeden Monats.
                                                                                             Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich.
Schule                                                                                       Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet
                                                                                             ­sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung
1.	Privatschulen: Teurer, aber nicht besser                                     Seite 22    und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri-
                                                                                              ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
2.	Anwärterbezüge im Referendariat: Nicht mal auf Mindestlohnniveau             Seite 30
3.	Zu wenig Männer an Grundschulen: Es geht nicht ums Raufen                    Seite 41   Gestaltung:
                                                                                             Werbeagentur Zimmermann,
                                                                                             Heddernheimer Landstraße 144
Bildungspolitik                                                                              60439 Frankfurt
1.	GEW-Kommentar: Wo bleibt der große Wurf?                                     Seite 24   Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds-
2.	Schulbildung für die Welt von morgen: Alles muss auf den Prüfstand           Seite 25   beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der
                                                                                             Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30
                                                                                             Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
Jugendhilfe                                                                                  Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen,
                                                                                             Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland,
1.	Suchtkranke Eltern: „Die Kinder aus dem Schatten holen“                      Seite 26   Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die
2.	In der Kita willkommen: „Es ist normal, verschieden zu sein“                 Seite 28   jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un-
                                                                                             verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem-
                                                                                             plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit
Gesellschaftspolitik                                                                         dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge
                                                                                             stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder
1.	Interview mit Saba-Nur Cheema: „Die eigenen Vorurteile bewusst machen“       Seite 32   der Herausgeberin dar.
2.	Fußballfans besuchen Auschwitz: Eindrücke, die im Gedächtnis bleiben         Seite 38
                                                                                             Verlag mit Anzeigenabteilung:
3. 21. DGB-Bundeskongress: Megathema Digitalisierung                            Seite 40   Stamm Verlag GmbH
                                                                                             Goldammerweg 16
Länderserie Fachkräftemangel                                                                 45134 Essen
                                                                                             Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller
Bremen: Schuldenbremse statt Bildungsvorsorge                                    Seite 34   Telefon 0201 84300-0
                                                                                             Fax 0201 472590
                                                                                             anzeigen@stamm.de
Hochschule                                                                                   www.erziehungundwissenschaft.de
                                                                                             gültige Anzeigenpreisliste Nr. 40
Neu zusammengesetzter Akkreditierungsrat: Mit Rat. Und Tat?                      Seite 37   vom 01.01.2017,
                                                                                             Anzeigenschluss
Initiative „Bildung. Weiter denken!“                                                         ca. am 5. des Vormonats

Interview mit Prof. Martin zur Nedden: Keine Schulen von gestern bauen           Seite 42   Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main

Leserforum                                                                       Seite 43

Diesmal                                                                          Seite 48                     ISSN 0342-0671

                                                                                                    Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei
Titel: Werbeagentur Zimmermann                                                                      gebleichtem Recyclingpapier gedruckt.

                                                                                             Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
ERZIEHUNG & WISSENSCHAFT 06/2018 - GEWERKSCHAŌ ERZIEHUNG UND WISSENSCHAŌ
4 AUF EINEN BLICK

                Schulterschluss gefordert                                                   A13/E13 für Berliner Grundschullehrkräfte
                Die GEW hat am 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“, von Bund,                      Die GEW Berlin hat eine lange Tarifauseinandersetzung er-
                Ländern und Kommunen einen „Schulterschluss für gute Bil-                   folgreich beendet: Grundschullehrkräfte erhalten zukünftig
                dung“ gefordert. „Wir brauchen mehr Investitionen in un-                    mehr Geld. Zum 1. August 2019 werden alle voll ausgebil-
                sere Bildungsinfrastruktur und bessere Arbeitsbedingungen                   deten Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen höher ein-
                für die Beschäftigten“, appellierte GEW-Chefin Marlis Tepe                  gruppiert. Der Landesverband wertet die Entscheidung von
                während der Kundgebung in Hannover an die Politik. „Wir                     Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) als „historischen
                dürfen es nicht weiter zulassen, dass in den Klassenzimmern                 Schritt für eine gerechtere Bezahlung im Bildungswesen“.
                der Schimmel die Wände hochkriecht und die Schultoiletten                   Das Ergebnis regle viel mehr als nur eine Gehaltserhöhung
                verstopft sind“, betonte Tepe. Es sei daher gut, dass das un-               von rund 500 Euro, sagte GEW-Landesvorsitzende Doreen
                sinnige Kooperationsverbot weiter gelockert werden soll.                    Siebernik: „Der Aufstieg aller Grundschullehrkräfte in die Be-
                Damit könne der Bund endlich wieder Geld in die Schulen                     soldungsgruppe A13 bzw. in die Entgeltgruppe E13 bedeutet
                investieren. Für eine gute und vielfältige Bildungslandschaft               die nachhaltige und unumkehrbare Gleichstellung mit den
                fehle es derzeit aber außer an Geld an allen Ecken und En-                  Kolleginnen und Kollegen an Gymnasien und Sekundarschu-
                den an qualifiziertem Personal. Zehntausende Erzieherinnen                  len.“ Berlin sei das erste Bundesland, in dem der in Stein
                und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer mehr würden                       gemeißelte Grundsatz der ungleichen Bezahlung von Lehr-
                gebraucht als ausgebildet werden, bemängelte Tepe. Die                      kräften überwunden werde. Rund 5.600 Grundschulpädago-
                Länder müssten deshalb die Ausbildungskapazitäten für                       ginnen und -pädagogen profitierten von der Neuregelung.
                Fachkräfte in Schulen und Kitas deutlich erhöhen.                           Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall könnten sich Siebernik
                Die zentrale Kundgebung des DGB fand unter dem Motto                        zufolge nun endlich auch die Kolleginnen und Kollegen mit
                „Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit!“ in Nürnberg statt.               DDR-Ausbildung auf Funktionsstellen bewerben. Die GEW
                Bundesweit haben sich etwa 340.000 Menschen an den                          Berlin begrüßt zudem, dass „es Bildungssenatorin Scheeres
                Mai-Aktivitäten beteiligt.                                                  gelungen ist, die Fortbildungsverpflichtung niedrigschwellig
                                                                                            zu gestalten“. Berlin ist bislang auch das einzige Bundesland,
                                                                                            das Lehrkräfte, die nach dem neuen Lehramt für Grundschu-
                                                                                            len ausgebildet worden sind, bereits nach E13 bezahlt.

                                                                                            Gutes „Gute-Kita-Gesetz“?
                                                                                            In manch einer Kita mangelt es an vielem: vor allem an Fach-
                                                                                            kräften (s. S. 34 ff.). Der Bund hat vor, in den nächsten Jahren
                                                                                            mehrere Milliarden Euro in die Qualität der Kinderbetreuung zu
                                                                                            investieren. Bis 2021 wolle die Bundesregierung den Ländern
                                                                                Foto: dpa

                                                                                            dafür 3,5 Milliarden Euro bereitstellen, berichtet die Deutsche
                                                                                            Presse-Agentur. Das sogenannte „Gute-Kita-Gesetz“ von Bun-
                Zentrale Mai-Kundgebung des DGB in Nürnberg                                 desfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) soll unter anderem
                                                                                            dazu beitragen, den Betreuungsschlüssel in den Kindertages-
                                                                                            stätten zu verbessern und Erzieherinnen und Erzieher besser
                                                                                            zu qualifizieren. Eltern sollen zudem weniger Gebühren zahlen
                  Streikrecht-Urteil im Juni                                                müssen, Kitas mehr Sprachförderung anbieten können. Die Ver-
                  Das Bundesverfassungsgericht verkündet seine mit Span-                    teilung der Mittel an die Länder soll sich nach dem jeweiligen
                  nung erwartete Entscheidung zum Streikverbot für Be-                      Anteil der Kinder, die jünger als sechs Jahre alt sind, richten. Das
                  amtinnen und Beamte am 12. Juni. E&W wird in der Juli-/                   Kabinett soll das Vorhaben noch vor der Sommerpause auf den
                  August-Ausgabe ausführlich berichten, alle aktuellen In-                  Weg bringen. Das „Gute-Kita-Gesetz“ sei zwar ein Schritt in die
                  fos finden Sie ab dem 12. Juni auf der GEW-Homepage                       richtige Richtung, sagte Björn Köh-
                  unter: www.gew.de/beamte. Das Urteil dürfte grundsätz-                    ler, im GEW-Vorstand für Jugend-
                  liche Bedeutung für das gesamte System des deutschen                      hilfe verantwortlich: „Die bereit-
                  Berufsbeamtentums haben. Aus dem Grundgesetz (GG)                         gestellten Gelder reichen aber bei
                  wird seit Jahrzehnten ein striktes Streikverbot für Beamte                Weitem nicht aus, um die notwendi-
                  abgeleitet. Der Urteilverkündung ging am 17. Januar eine                  gen Verbesserungen der Qualität zu
                  mündliche Verhandlung vor dem Zweiten Senat voraus,                       finanzieren.“ Deshalb seien auch die
                  in der die Karlsruher Richter das Thema gründlich prüften                 Länder gefordert, ihren Teil beizu-
                  (s. E&W 2/2018). Die GEW fordert – auch mit Blick auf die                 tragen. Zudem müsse sichergestellt
                                                                                                                                                                   Foto: dpa

                  europäische Rechtsprechung – das Streikrecht für verbe-                   werden, dass die Mittel tatsächlich
                  amtete Lehrkräfte.                                                        in den Einrichtungen ankommen,
                                                                                            forderte der GEW-Experte.                 Franziska Giffey

   Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
ERZIEHUNG & WISSENSCHAFT 06/2018 - GEWERKSCHAŌ ERZIEHUNG UND WISSENSCHAŌ
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                                                      einstellbarem Schulter-Trageriemen und zwei Einhängehaken für den Gepäckträger

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                                                                                                                                                                 des GEW-Landesverbandes Niedersachsen.

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6 SUCHT

             „Ich kiff halt, aber ich hab

                                         Noch einen Joint rauchen, was ist schon dabei?
                                         Es gibt Experten, die vor einer gesellschaftlichen
                                         Verharmlosung von Cannabis warnen.
                                                                                              Foto: dpa

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SUCHT   7

kein Drogenproblem“
// Kein Massenphänomen:                     verkauf nur, ohne ihn unterbinden zu          desvorsitzende der GEW im Stadtstaat.
Drogenkonsum an Schulen in                  können. Die Dealer, die bisher an der         „Eine sehr erfreuliche Entwicklung.“
Hamburg. Dennoch ist jeder Fall,            Treppe neben der Hafenstraße standen,         Allerdings erklärten die meisten im
in dem das Leben eines jungen               sind auf die andere Seite der Reeper-         Rahmen der SCHULBUS-Studie befrag-
Menschen von Cannabis, Ecstasy              bahn ausgewichen.                             ten Lehrkräfte, dass sie nicht sicher er-
oder Heroin bestimmt wird,                  Wie oft, welche und in welchem Um-            kennen könnten, ob Jugendliche unter
ein Drama. Unterwegs mit einer              fang Kinder und Jugendliche im Schul-         Drogen stehen. Und längst nicht alle
Streetworkerin und in einer                 alter kiffen, spritzen oder schlucken,        Lehrkräfte sprechen das Thema an,
Reha-Klinik für junge Sucht-                erfasst regelmäßig die sogenannte             wenn ein Kind betrunken oder bekifft
kranke. //                                  SCHULBUS-Studie**. Demnach sind die           im Unterricht erscheint.
                                            Jugendlichen im Schnitt 13,5 Jahre alt,       „Wenn ein Kind Drogen nimmt, ist das
Zwei Polizisten stehen in der Morgen-       wenn sie zum ersten Mal Rauschmittel          im Einzelfall immer ein Drama“, sagt
sonne am Fuß einer Treppe, die einen        probieren. Unter den illegalen Substan­       Antje Müller, Vorsitzende der Eltern-
weiten Blick auf die Elbe und die Kai-      zen dominiert mit großem Abstand              kammer Hamburg. Aber auch sie hält
anlagen bietet. Die Fenster der angren-     Hasch. Alle anderen Stoffe werden eher        Drogenkonsum nicht für ein Massen-
zenden Hafenstraßen-Häuser mit ihren        ausprobiert als ständig genommen und          phänomen. „Außerdem gibt es zum
graffiti-bunten Wänden sind noch ge-        auch hier nur von einer Minderheit:           Glück zahlreiche Hilfen und Angebote
schlossen, außer den Beamten ist nie-       Weniger als 3 Prozent der Jugendlichen        in den Stadtteilen“, so die Elternver-
mand zu sehen. Seit einigen Wochen          bis 17 Jahre haben schon einmal Ecstasy       treterin. „Wir sehen die Schule nicht
wachen Uniformierte fast rund um die        und Amphetamine probiert, Kokain und          als die Instanz an, die sich kümmern
Uhr an dieser Treppe. Damit versucht        „magische“ Pilze kennen keine 2 Pro-          müsste.“ Eine kleine Unwucht sei, dass
die Polizei, die Drogenhändler zu ver-      zent, LSD und Methamphetamine weni-           die Stadtteilschulen in sogenannten
treiben, die im Hamburger Viertel St.       ger als 1 Prozent.                            Problemvierteln bei der Suchtpräventi-
Pauli ihre Ware verkauften: Hasch, Pil-                                                   on vermutlich besser aufgestellt seien
len aller Art, Koks, Speed oder Heroin.     Lehrkräfte unsicher                           als manche Gymnasien in Bezirken mit
Am oberen Ende der Treppe, jenseits         In der Gesamtbilanz hätten „Hamburgs          reicheren Elternhäusern, in denen keine
der Straße, erhebt sich der Gitterzaun      Schulen kein Problem mit illegalen Dro-       sozialpädagogische Begleitung arbeitet.
einer Schule, Kinderstimmen tönen vom       gen“, sagt Anja Bensinger-Stolze, Lan-        „Aber wenn wir über Gerechtigkeit und
Pausenhof. Ist die Nähe zur Drogensze-
ne ein Problem für die Schule? „Nein“,
sagt jemand, der es wissen muss. Die
Dealer hielten sich vom Zaun fern,
Suchtprobleme gebe es nicht. Eine of-
fizielle Auskunft wollte die Schulleitung
nicht geben. Aber die Statistiken bestä-
tigen: Illegale Substanzen spielen unter
Hamburger Schulkindern keine allzu
große Rolle. Doch es gibt Mädchen und
Jungen, deren Leben von Hasch, Heroin
oder Pillen bestimmt wird – ­Jugendliche
wie Celina* oder Yoshi*.

Die Stadt und die Dealer
                                                                                                                                      Foto: Babette Brandenburg

Hamburg und die Drogen: Die Stadt ist
aufgrund ihrer Lage am Wasser eines
der Einfallstore, durch die verbotene
Substanzen in die Bundesrepublik ein-
geschleust werden. Fast vier Tonnen
Kokain stellte der Zoll im vergangenen      Hamburg: Polizisten schieben in der Nähe der Hafenstraße rund um die Uhr Wache –
Jahr in der Hansestadt sicher, ein Re-      nicht weit von der Stadtteilschule. Das soll Dealer abschrecken, die ihre Drogen in
kord. Und egal, wie viel Präsenz die        St. Pauli verkaufen. Diese halten sich vom Schulzaun fern. Die Schule, heißt es, habe
Polizei zeigt, sie verdrängt den Straßen-   kein Drogenproblem.

                                                                                                           Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
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8 SUCHT

               Verteilung von Ressourcen sprechen,         chisch auffällig, leiden an Depression,     kiff halt, aber ich hab kein Drogenpro-
               finden wir andere Baustellen vorrangig.“    Ängsten, Aufmerksamkeitsstörungen, die      blem.‘“ Off Road Kids wurde 1993 ge-
               GEW-Landeschefin Bensinger-Stolze sieht     teils nicht richtig behandelt oder be-      gründet, „damit Ausreißer gar nicht
               eher neue Süchte auf dem Vormarsch,         reits im Grundschulalter mit Medika-        erst zu Straßenkindern werden“, sagt
               etwa den ständigen Zwang, aufs Smart-       menten gedämpft wurden. Gewalt ist          Müller. Die Hilfsorganisation, die ohne
               phone zu starren, oder Essstörungen.        ein Thema. Mädchen haben sie häufig         staatliche Gelder auskommt und sich
               Dass harte Drogen an Anziehungskraft        als Opfer erlebt, Jungen sind vielfach      aus Spenden finanziert, bietet Hilfe
               verlieren, hat auch mit gewandelten         auch Täter: „Sie treffen sich, nehmen       ohne Zwang: „Die Jugendlichen müssen
               Werten und Moden zu tun: Die Heroin-        Aufputschmittel, Speed oder Koks            selbst etwas wollen.“
               Ästhetik ist out, Jugendliche wollen sich   und ziehen los, um sich zu prügeln“,        Früher saßen ganze Gruppen von Stra-
               auf Instagram gesund, fit und sportlich     beschreibt Voß-Jeske einen aktuellen        ßenkindern am Bahnhof oder in der
               präsentieren. Dazu passt ein weite-         Trend. Als das „Come In“ vor einem          Fußgängerzone. Heute kommunizieren
               rer Rekord-Fund des Hamburger Zolls:        Vierteljahrhundert entstand, wurden         auch jugendliche Ausreißer per Whats-
               60.000 Einheiten Anabolika und Stero-       Jugendliche eingewiesen, die als Stra-      App oder Facebook, viele finden auf
               ide beschlagnahmten die Beamten im          ßenkinder gelebt, Heroin gespritzt          diesem Weg auch Schlafplätze. Denn
               Vorjahr. Die Mittel vergrößern Muskeln,     und das nötige Geld mit Prostitution        unter freiem Himmel kampieren die
               ganz ohne Sport. „Sofa-Steroide“, spot-     verdient hatten. „Diese Gruppe gibt es      wenigsten jungen Leute. Sie sind „Sofa­
               tete ein Zöllner.                           praktisch nicht mehr“, sagt Voß-Jeske.      hopper“, so heißt auch das Online-
               Celina nahm keine Sofa-Steroide. Sie        Typisch sei heute ein Mischkonsum:          Angebot, über das Jugendliche Kontakt
               war zwölf, als sie mit dem Drogenkon-       Cannabis ist die Basis, weitere Sub­        zur Beratungsstelle aufnehmen kön-
               sum anfing. Es begann mit Zigaretten        stanzen kommen dazu.                        nen. Dennoch legt Müller Wert darauf,
               und Alkohol, dann kam Cannabis dazu,                                                    regelmäßig ihre Runden auf der Straße
               später Heroin, Kokain und Ecstasy. „Ich     Trinken und kiffen                          zu drehen.
               habe Sachen verkauft, meine Eltern          „Drogen spielen eigentlich bei all un-      Yoshi hockt im Schneidersitz auf einem
               beklaut, auch deren Sachen verkauft“,       seren Klienten eine Rolle“, sagt Benthe     Trafo-Häuschen am S-Bahnhof Schan-
               sagt die heute 15-Jährige, ein hübsches     Müller, Diplom-Sozialpädagogin und Lei-     zenstraße, der in einem bunten, stu-
               Mädchen mit langen, kastanienbrau-          terin der Hamburger Beratungsstelle         dentischen Viertel liegt. Yoshi, schlank,
               nen Haaren. Den Stoff zu besorgen, fiel     Off Road Kids, deren weitere Büros in       gefärbte Haare, Jeans und T-Shirt, lässt
               leicht: „Man kennt die Leute und die        Berlin, Köln und Dortmund liegen. Die       ein Plastikeimerchen an einer Schnur
               Orte.“ Zu vier bis fünf Dealern hatte Ce-   Straßenkinder, die sich an Off Road         vor den Nasen von Passanten pendeln,
               lina Kontakt, einen erreichte sie immer.    Kids wenden, trinken und kiffen fast        damit sie Geld einwerfen. Müller schaut
               Die Jugendliche sitzt in der Rehaklinik     alle. Aber es gebe kaum ein Problem-        zu dem Jugendlichen auf. „Alles in Ord-
               „Come In“, die am Stadtrand von Ham-        bewusstsein: „Die meisten sagen: ‚Ich       nung, geht es dir gut?“ Sie kennt die
               burg in einem villenartigen ehemaligen
               Ausflugslokal aus Kaisers Zeiten unter-
               gebracht ist. Hierher kommen Kinder
               und Jugendliche zwischen zwölf und
               18 Jahren, um zu lernen, ohne Drogen
               zu leben. Und hier lernen sie auch wie-
               der zu lernen. Denn die meisten der
               Jugendlichen, so auch Celina, sind jah-
               relang nicht zur Schule gegangen: „Dro-
               gen waren wichtiger“, sagt sie.
               „Nicht jeder, der regelmäßig kifft oder
               Ecstasy schluckt, muss stationär be-
               handelt werden“, sagt Oliver Voß-Jeske,
               Leiter des „Come In“. Wer in eines der
               Doppelzimmer der Klinik einzieht, hat
               meist einen harten Weg hinter sich und
                                                                                                                                                   Fotos: Babette Brandenburg

               schleppt einen Rucksack voller Sorgen.
               Oft gleichen sich die Lebensgeschich-
               ten. Psychiater Voß-Jeske nennt Stich-
               worte: Zu Hause gibt es in der Regel nur
               einen leiblichen Elternteil, wechselnde
               Partner und Halbgeschwister. Alkohol        Auch wenn nicht überall sichtbar, das Problem mit der Droge führt zu Brüchen im
               und Drogen spielen in vielen Familien       Leben. Viele scheitern. Wer einen Entzug schafft, dem gibt die Rehaklinik „Come In“
               eine Rolle. Viele der Kinder sind psy-      am Stadtrand der Hansestadt wieder Hoffnung.

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SUCHT       9

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                                                                                            Monaten lebt sie im „Come In“. Der Auf-
                                                                                            enthalt wird meist von der Krankenkas-
                                                                                            se bezahlt und dauert in der Regel acht
                                                                                            Monate. Nach der Zeit will sie nicht zu-
                                                                                            rück nach Hause, aus Angst, in der alten
                                                                                            Umgebung wieder mit den Drogen an-
                                                                                            zufangen. Zwei Ziele hat sie jetzt: den
                                                                                            Hauptschulabschluss machen und Foto-
                                                                                            grafin werden. Ihre Kamera war der ein-
                                                                                            zige Wertgegenstand, den sie in ihrer
                                                                                            Drogenzeit nicht verkauft hat.
                                                                                            Sozialpädagogin Müller beendet ihre
                                                                                            Runde auf der Reeperbahn, einige Hun-
                                                                                            dert Meter weit weg von der Treppe,
                                                                                            die immer noch von der Polizei bewacht
                                                                                            wird. Auf dem Gehsteig vor einem Sex-
                                                                                            Kino sitzt eine Gruppe junger Männer
                                                                                            und Frauen. Die Streetworkerin begrüßt
Gewalt ist ein Thema unter Abhängigen: Die Mädchen haben sie oft als Opfer erlebt,          eine der Frauen: Sie hat als Obdachlose
die Jungen sind vielfach auch Täter. Oliver Voß-Jeske, Leiter des „Come In“: „Sie treffen   eine Lehre begonnen, inzwischen eine
sich, nehmen Aufputschmittel, Speed oder Koks und ziehen los, um sich zu prügeln.“          Wohnung gefunden – ein gutes Ende ei-
                                                                                            ner langen Karriere auf der Straße. Aber
                                                                                            die Kontakte zu ihren alten Bekannten
Jugendlichen seit Jahren, stellt immer        Jetzt sei er auf einem guten Weg, meint       von der „Platte“ sind geblieben. Die
wieder dieselben Fragen.                      er. Eine Wohnung sei in Aussicht. Auch        Stimmung in der Gruppe ist gelöst. Ei-
Irgendwann finden viele den Weg in die        Celina erlebte so einen Schockmoment.         ner der Männer dreht einen Joint, der
Beratungsstelle. Mal geht es darum, eine      Bei der Geburtstagsfete einer Freundin        gleich von Hand zu Hand geht.
Wohnung zu organisieren, mal um ge-           brach sie nach einer Überdosis Ecstasy
sundheitliche Probleme, Schulden oder         zusammen. „Ich wusste nicht, wo ich           Esther Geißlinger,
einen Neustart in Lehre oder Schule.          war“, erinnert sie sich an das Aufwa-         freie Journalistin
Jugendliche, die das Schulalter über-         chen in der geschlossenen Abteilung
schritten haben, schaffen das teilweise       der Kinder- und Jugendpsychiatrie in
über eine Fernschule.                         Schleswig. Ein furchtbares Gefühl der         *Namen geändert
Yoshi braucht an diesem Tag nichts: „So-      Hilflosigkeit und Schwäche: „Das war          **bit.ly/sucht-hamburg-2015
lange ich weiß, wo ich schlafen kann,
wenn ich was zu essen und was zu rau-
chen habe, ist alles okay.“ Ein Regen-
guss setzt ein, Müller stellt sich zu einer
Gruppe Obdachloser, die unter dem
Vordach eines Kiosk Schutz gesucht hat.

Schockmoment nötig
Die meisten sind erwachsen, aber auch
ein schmaler Jugendlicher steht dabei.
Müller schenkt ihm eine Tasche, in der
Hygieneartikel und Kondome stecken –
„Streetwork plus“ heißt dieses Pro-
gramm, das von einer Krankenkasse
finanziert wird. „Gesundheitsvorsorge­
wird immer wichtiger“, sagt Müller.
„Das begleitet uns in der ganzen Arbeit.“
Um den Weg in eine Therapie zu finden,
braucht es häufig einen Schockmoment –
wie bei dem jungen Mann, den Müller           Hilfe ohne Zwang bietet die Beratungsstelle Off Road Kids: „Drogen spielen eigent-
nahe dem Hauptbahnhof trifft. Er sitzt        lich bei all unseren Klienten eine Rolle“, sagt die Leiterin und Streetworkerin Benthe
im Rollstuhl, ein Bein wurde amputiert.       Müller. Aber das Problembewusstsein fehle.

                                                                                                                 Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
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10 SUCHT

               Ziel: Schule als
               drogenfreier Raum
                // Was passiert, wenn Schüler­                         Gelände. Mir ist ungeheuer wichtig,           chen uns Sorgen um deine Gesundheit.
                innen und Schüler mit Drogen                           dass die Schule ein drogenfreier Raum         Wir holen einen Krankenwagen, der
                erwischt werden? Eine Umfrage                          ist. Kinder und Jugendliche entwickeln        dich zur Untersuchung ins Krankenhaus
                unter Berliner Schulleitungen. //                      sich noch, für sie sind Drogen höchst ge-     fährt. Deine Eltern müssen die Kosten
                                                                       fährlich. Schwierig finde ich, wenn Eltern    tragen.“ Spätestens dann packen die
                Null-Toleranz-Politik                                  ihren Kindern keine klare Haltung zum         meisten aus. Prävention ist bei uns in der
                Miriam Pech, Schulleiterin der Heinz-                  Cannabiskonsum vermitteln, sondern            8. Klasse Pflicht, akute Probleme werden
                Brandt-Oberschule, Berlin                              vielleicht sogar gemeinsam mit ihnen kif-
                                                                       fen. Viele Eltern scheinen gar nicht zu se-
                Ganz klar: Wenn wir Schülerinnen oder                  hen, wie wichtig es ist, sich abzugrenzen.
                Schüler in der Schule beim Drogenkon-                  In der Schule ist spürbar, dass Hasch ge-
                sum erwischen, holen wir sofort die                    sellschaftlich akzeptabler geworden ist.
                Polizei, die im Extremfall einen Drogen-
                test durchführt. Natürlich informieren
                wir gleich die Eltern. Neulich hat ein                 Prävention ist Pflicht
                Jugendlicher Hasch verteilt. Das ist in-               Robert Giese, Schulleiter der Fritz-
                akzeptabel. Wir differenzieren deutlich                Karsen-Schule, Berlin Britz
                zwischen Eigenkonsum und Weiterga-

                                                                                                                                                              Foto: privat
                be. Die Schulkonferenz hat sich für ei-                Wenn Drogen im Spiel sind, suchen wir
                nen Schulverweis ausgesprochen, letzt-                 sofort das Gespräch mit den Schülern.
                lich entscheidet die Schulaufsicht. In                 Manchmal erwischen wir sie beim Kon-          Robert Giese
                diesem Fall hieß das: Der Schüler muss-                sum, manchmal fragen ihre besorgten
                te unsere Schule verlassen. In unserer                 Eltern um Rat, ab und zu kommen Schü-         im wöchentlichen Klassenrat bespro-
                Schulordnung ist eine Null-Toleranz-                   ler selbst. Zum Beispiel weil sie merken,     chen. In den vergangenen Jahren ist der
                Politik verankert. Bei der Anmeldung                   dass sie durch den Drogenkonsum in            Drogenkonsum bei uns spürbar zurück-
                weisen wir Schüler und Eltern darauf                   der Schule nicht mehr zurechtkommen.          gegangen. Dazu hat sicher die Initiative
                hin. Zu Beginn jedes Schuljahres gehen                 Dann sprechen unsere Sozialpädagogen          unserer Elternsprecher beigetragen, die
                die Kollegen diese Regel mit den Klas-                 mit ihnen, vermitteln Hilfsangebote in        für Eltern Informationsgespräche or-
                sen noch mal durch. Von der 7. Klasse                  Beratungsstellen.                             ganisiert haben. Ich vermute, die meis-
                an setzen wir auf intensive Prävention:                Manche Schüler wollen keine Hilfe. Sie        ten Jugendlichen fühlen sich in unserer
                                                                       sagen etwa: „Ich kiffe einmal die Woche,      Schule wohl, daher verspüren sie weni-
                                                                       und das soll so bleiben.“ Nun, solange        ger Drang, der Realität zu entfliehen.
                                                                       sie es nicht in der Schule tun, können
                                                                       wir daran nichts ändern. Aber wir klä-
                                                                       ren sie präzise über die Folgen auf und       Unmittelbar reagieren
                                                                       informieren ihre Eltern. Wollen sie das       Doris Hellmuth, kommissarische
                                                                       ausdrücklich nicht, unterschreiben bei-       Schulleiterin des John-Lennon-­
                                                                       de Seiten eine Vereinbarung: Sie ver-         Gymnasiums, Berlin Mitte
                                                                       pflichten sich, zu einer Drogenberatung
                                                                       zu gehen, im Gegenzug verzichten wir          Wir haben zum Glück sehr selten Pro­
                                                                       darauf, die Eltern einzuschalten. Neu-        bleme mit Drogen, und meist ist es sehr
                                                        Foto: privat

                                                                       lich haben wir wieder ein paar Jungs mit      harmlos. Vor einiger Zeit etwa ließ eine
                                                                       geröteten Augen aus dem Unterricht            Gruppe von 13-, 14-jährigen Jugend-
                Miriam Pech                                            geholt. Sie gestanden schnell: „Wir ha-       lichen eine Flasche Sekt kreisen. Als
                                                                       ben Hasch geraucht.“ Die Eltern muss-         eine Art Mutprobe. Eine Schulsozial­
                Aufklärungsworkshops, Anti-Raucher-                    ten sie abholen, am nächsten Tag gab es       arbeiterin hat das beobachtet. In so
                Parcours, Trainings in Teambildung. Na-                ein ausführliches Gespräch. Manchmal          einem Fall ist es wichtig, unmittelbar zu
                türlich nehmen manche Schüler trotz-                   allerdings bestreiten die Betroffenen
                dem Drogen, aber nicht auf unserem                     alles. Dann sagen wir: „Gut, wir ma-          >> Fortsetzung auf Seite 12

   Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
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12 SUCHT

                >> Fortsetzung von Seite 10                               bilitieren. Andere sind dankbar für un-                uns eine Drogenbeauftragte, und alle
                                                                          sere Unterstützung. Viele sehen weg.                   Schülerinnen und Schüler nehmen an
                reagieren: Schüler aus dem Unterricht                     Es wird viel zu viel gelogen, wenn es um               Aufklärungsworkshops teil. Außerdem
                holen, gemeinsame Gespräche mit dem                       Drogen geht. An jeder Berliner Schule
                Klassenleiter, Schulsozialarbeitern und                   sind Drogen erhältlich, da müssen wir
                einem Mitglied der Schulleitung führen.                   uns nichts vormachen. Das Wichtigs-
                Was genau ist passiert, worum geht es?                    te ist für mich ein offener Umgang mit
                Mit den Eltern gibt es spätestens am                      dem Thema an der Schule. Wir empfeh-
                nächsten Tag ein Gespräch. Auch wenn                      len den Eltern: Sprecht mit eurem Kind
                                                                          über Drogen, genauso wie ihr mit ihm
                                                                          über Sex oder Aids reden müsst. Denn
                                                                          eurem Kind werden Drogen angeboten
                                                                          werden, und ihr werdet nicht daneben-
                                                                          stehen. Also vorher sachlich aufklären,

                                                                                                                                                                         Foto: privat
                                                                          die Gefahren benennen, ohne zu ver-
                                                                          teufeln. In unserer Schule tun wir das
                                                                          zum Beispiel in den Klassenleiterstun-                 Juliane Westphal
                                                                          den, wenn möglich unterstützt von
                                                                          einem Tandem Drogenberatung und                        hat eine stärkere Polizeipräsenz im Park
                                                                          Polizei. Doch besser als mit Theorie las-              viele Dealer vertrieben. Wenn doch mal
                                                           Foto: privat

                                                                          sen sich unsere Schüler mit Geschich-                  ein Jugendlicher bekifft in den Unter-
                                                                          ten erreichen. Wenn etwa ehemalige                     richt kommt, setzen wir uns sofort zu
                Doris Hellmuth                                            Drogenabhängige von ihren Erlebnissen                  pädagogischen Gesprächen zusammen:
                                                                          erzählen oder ein Spielfilm die Folgen                 mit dem Schüler oder der Schülerin,
                Sekt natürlich keine harte Droge ist,                                                                            den Eltern, dem Schulpsychologischen
                halten wir es für wichtig, als Schule pä-                                                                        Dienst und dem Klassenleitungsteam.
                dagogisch klar aufzutreten. Die älteren                                                                          Wichtig ist uns die Ursachenforschung:
                Schüler bekommen sofort Hausverbot,                                                                              Warum greift jemand zu Drogen, stimmt
                sollten sie mit Drogen erwischt werden,                                                                          etwas zu Hause oder in der Schule
                egal was es ist. Ab Klasse 8 gibt es bei uns                                                                     nicht? Genauso würden wir verfahren,
                verschiedene Präventionsprogramme.                                                                               wenn ein Schüler in der Schule selbst
                Aufklärung bringt eine ganze Menge.                                                                              kifft. Vorgekommen ist das bisher nicht.
                Zum Glück haben wir intellektuell sehr                                                                           Wird gedealt, schalten wir dagegen so-
                wache Schüler. Sie sind mit rationalen                                                                           fort die Polizei ein und erstatten Anzei-
                Argumenten sehr gut zu erreichen. Wenn                                                                           ge. Vom Unterricht suspendieren oder
                                                                                                                  Foto: privat

                sie hören, was Drogen in ihrem Kopf an-                                                                          gar von der Schule verweisen würden
                richten können, winken sie ab. Die intel-                                                                        wir niemanden. Damit wird dem Schü-
                lektuelle Power gefährden? Bloß nicht.                    Guido Landreh                                          ler oder der Schülerin ja nicht geholfen.
                                                                                                                                 Also gehen wir wieder ins Gespräch,
                                                                          von Drogensucht ohne erhobenen Zei-                    vermitteln gegebenenfalls eine Thera-
                Offener Umgang                                            gefinger anschaulich macht, berührt sie                pie. Passiert ist das schon lange nicht
                Guido Landreh, Schulleiter                                das emotional – und verändert wirklich                 mehr. Während der Mottowoche in der
                der Reinhold-Burger-Oberschule,                           etwas.                                                 Abiturphase betrinken sich die Jugend-
                Berlin Pankow                                                                                                    lichen oft, besonders vor dem Schul-
                                                                                                                                 gebäude. In diesem Jahr haben wir sie
                Wer dealt und dabei erwischt wird,                        Verantwortung ­übertragen                              daher vor die Alternative gestellt: Ent-
                bekommt eine Strafanzeige. Wenn wir                       Juliane Westphal, Schulleiterin                        weder die Mottowoche findet nur noch
                Schülerinnen und Schüler sehen, die                       Sophie-Scholl-Oberschule, Berlin                       während der Klausurzeit statt, oder ihr
                kiffen oder trinken oder unserer Ein-                     Schöneberg                                             sorgt selbst dafür, dass null Alkohol im
                schätzung nach erkennbar drauf sind,                                                                             Spiel ist. Das hat tadellos geklappt. Uns
                reagieren wir pädagogisch. Reden mit                      Unsere Schule liegt direkt neben dem                   hat es bewiesen, dass für uns die beste
                den Eltern, führen Gespräche mit den                      Kleistpark, er war lange ein Hotspot für               Strategie gegen Drogen heißt: offen mit
                Jugendlichen, ziehen Experten hinzu                       Marihuana-Dealer im Kiez. In dieser Zeit               den Schülern reden und ihnen Verant-
                und treffen Vereinbarungen. Manche                        war tatsächlich Kiffen bei uns häufig ein              wortung übertragen.
                Eltern wiegeln ab und versuchen, ihre                     Thema. Seit fünf Jahren aber ist der Dro-
                Kinder mit wenig aussagekräftigen                         genkonsum massiv zurückgegangen.                       Aufgezeichnet von Anja Dilk,
                Schnelltests aus der Apotheke zu reha-                    Das hat zwei Gründe: Wir haben bei                     freie Journalistin

   Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
SUCHT       13                                                           DG SUCHT                                       dg sps
                                                                                                                                       Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung   Deutsche Gesellschaft
                                                                                                                                       und Suchttherapie e.V.                     für Suchtpsychologie e.V.

                                                                                                                  DEUTSCHER
„Für viele die                                                                                                    SUCHTKONGRESS ’18
                                                                                                                  HAMBURG 17.09. – 19.09.2018

letzte Chance“                                                                                                             Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
                                                                                                                                 www.deutschersuchtkongress.de

                                                                                                                                                    Kongresspräsident
                                                                                                                                             Prof. Dr. Rainer Thomasius

                                                                                                                  KONGRESSTHEMEN
                                                                                                                  e Erforschung, Therapie und Betreuung von
                                                                                                                    suchtgefährdeten Kindern, Jugendlichen
                                                                                                                    und jungen Erwachsenen
                                                                                Foto: Christoph Boeckheler
                                                                                                                  e Neue Konsum- und Suchtformen
                                                                                                                  e Suchtstörungen durch soziale Medien
                                                                                                                  e Versorgungsforschung und Versorgungspraxis

                                                                                                                  Kongressbüro
„Sucht ist eine chronische Krankheit“, sagt Jan Große, Schulleiter am Bil-
                                                                                                                  CPO HANSER SERVICE | sucht2018@cpo-hanser.de
dungszentrum Hermann Hesse in Frankfurt am Main. Aber: „Jeder Tag, den
jemand zur Schule kommt und suchtmittelfrei lebt, ist ein Gewinn.“

                                                                             94x133_Stamm_Verlag.indd 1                                                                                                       16.05.18 12:23

// Drogensucht, Kriminalität,           Jahre. Jetzt steht er kurz vor dem                                   Wir geben Halt !
Prostitution: Viele Schüle­             Hauptschulabschluss. „Für mich ist                                   Anonym, kostenlos,
rinnen und Schüler des                  klar, dass ich das durchziehen will“,                                365 Tage im Jahr.
Bildungszentrums Hermann                sagt Djago. „Chillen kann ich da-
Hesse haben schon eine                  nach immer noch.“
Menge hinter sich. In der               Das Bildungszentrum Hermann                                          Gesucht!
Schule in Frankfurt am Main             Hesse (BZH) in Frankfurt am Main
                                                                                                             Ehrenamtliche
können sie ihren Schulab-               macht möglich, was anderswo
schluss nachholen. Kleine               nahezu undenkbar erscheint. Die                                      Psychologen und
Klassen und Sozialarbeit                Schule richtet sich an junge Men-                                    Sozialpädagogen
sorgen für Erfolg. //                   schen mit Sucht-, aber auch ande-                                    für anonyme
                                        ren Problemen. Vom Jugendlichen,
                                                                                                             Online-Beratung
Früher hat Djago* morgens die           der wegen Cannabis vom Gymna-
Kaffeemaschine angeschaltet und         sium geflogen ist, über die allein-                                  von Jugendlichen
dabei erst einmal einen „fetten         erziehende Mutter, die als Prosti-                                   mit psychischen
Joint“ gebaut. Jahrelang habe er        tuierte gearbeitet hat, bis hin zum                                  Problemen
jeden Tag „massenweise“ gekifft         älteren Ex-Knacki auf Bewährung:
und Kokain gezogen, berichtet           Am BZH im Stadtteil Sachsenhausen
der 34-Jährige mit Bomberjacke          können alle ihren Haupt- oder Re-
und Baseballkappe. In die Schule        alschulabschluss nachholen – und                                                            Ihr Engagement:
sei er schon ab der 5. Klasse nicht     sogar Abitur machen. „Das macht                                                             3 bis 4 h pro Woche zu Hause
mehr gegangen. „Ich habe Schule         unsere Schule deutschlandweit                                                               am eigenen PC
gehasst, schon immer. Dort wird         einzigartig“, betont Schulleiter Jan
                                                                                                                                    Informationen unter:
man schnell in eine Schublade ge-       Große. Träger der Einrichtung ist
steckt.“ Lieber hing er auf der Stra-   der Jugendberatung und Jugendhil-                                                           www.jugendnotmail.de/berater
ße rum, dealte mit Drogen, drehte       fe e. V. in Frankfurt. Das Schulgeld                                                        Telefon: 030 804 966 93
krumme Dinger. Mit 17 Jahren lan-       von rund zwölf Euro pro Tag über-                                                           Wir freuen uns auf Sie!
dete Djago zum ersten Mal im Ge-        nehmen in der Regel das Jugendamt
fängnis, danach immer wieder –          oder der Sozialhilfeträger. Von den
mal ein paar Monate, mal ein paar       100 Schülerinnen und Schülern, die

                                                                                                                               Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
14 SUCHT

                    Auf dem Programm des Mathelehrers Andreas

                                                                                                                                                     Fotos: Christoph Boeckheler
                    Weber stehen quadratische Funktionen. Nicht alle
                    verstehen die Berechnungsmethode sofort. Also
                    sagt Weber: „Alles noch mal von vorn.“ Es komme
                    darauf an, jeden mitzunehmen.

                an anderen Schulen längst gescheitert        partner zugewiesen. „Wir kümmern uns       jederzeit ein offenes Ohr, vermitteln bei
                waren, machen hier jedes Jahr etwa 30        um alle Belange rund um die Schule und     Bedarf an Fachstellen. Wenn jemand län-
                ihren Abschluss. „Für viele sind wir wirk-   darüber hinaus“, sagt der Koordinator      ger nicht im Unterricht auftaucht, telefo-
                lich die letzte Chance“, so Große.           der Schulsozialarbeit, Uwe Heilmann-       nieren sie hinterher. Zur Not jeden Tag.
                                                             Geideck. Alle Schülerinnen und Schü-       Oft springt nur die Mailbox an. „Aber
                „Jeder Tag ist ein Gewinn“                   ler haben regelmäßig Einzelgespräche.      wir bleiben dran“, betont Heilmann-Gei-
                Voraussetzung für die Aufnahme am Bil-       Egal, ob Wohnungssuche, Schulden oder      deck. „Wir versuchen, den Kontakt nicht
                dungszentrum ist: keine Drogen mehr          ­Liebeskummer: Die Sozialarbeiter haben    abreißen zu lassen.“
                zu nehmen. Oder zumindest den Willen
                dazu zu haben. Die Lehrkräfte wissen
                aus Erfahrung, dass Drogenkonsum die
                Aussicht auf einen Abschluss drama-
                tisch senkt. „Irgendwann bekommt man
                beides nicht mehr unter einen Hut.“
                Doch an der Schule gibt es für jeden
                eine zweite, dritte oder vierte Chance.
                Viele kommen nach einem Entzug oder
                einer Therapie wieder. Aber klar ist
                auch: Nicht alle schaffen den Absprung.
                „Sucht ist eine chronische Krankheit“,
                sagt Große. Eine ehemalige Schüle-
                rin, die sogar ihr Abi geschafft hat, sah
                er später wieder im Bahnhofsviertel
                rumlungern. Das tut weh. Aber: „Jeder
                Tag, den jemand zur Schule kommt und
                suchtmittelfrei lebt, ist ein Gewinn.“       Das Bildungszentrum Hermann Hesse setzt auf Schulsozialarbeit. Wenn jemand
                Das BZH setzt stark auf Schulsozialarbeit.   länger nicht im Unterricht auftaucht, „bleiben wir dran“, sagt Koordinator Uwe
                Jeder bekommt einen festen Ansprech-         Heilmann-Geideck.

   Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
SUCHT
                                                          WEITERBILDUNG                   15
                                                                                          21

Sparmodell
Das A und O in der Schule sind die
kleinen Lerngruppen, da sind sich
alle einig. In jeder Klasse sitzen
im Schnitt acht Schülerinnen und
// Ende –Januar
Schüler        wenn alle hat dadassind, was          bein – die Uni – gab sie schließlich
Goethe-Institut
so   gut wie nie vorkommt. 400 Honorar-     „Die     auf. Jetzt brechen ihre kompletten
lehrkräfte
kleinen           vor die
            Klassen      sindTür    gesetzt.
                                super“,     sagt     Einnahmen weg. „Ich bin 57“, fügt                                             *   Depressionen
Damit„Der
Djago.     ist nicht
                  Lehrernur hatderen
                                 dich voll im        Schumann hinzu. „Da wartet der Ar-                                            *   Angststörungen
Existenz
Blick.         gefährdet,
         Du kannst               sondern
                         überhaupt       nichts      beitsmarkt nicht gerade auf mich.“                                                Chronische Schmerzen
                                                                                                                                   *
ebenso machen.
anderes      das Kursangebot
                          Das schweißt    der to-
                                                                                                                                   *   Traumafolgestörungen
zwölf
tal       Inlandsinstitute.
     zusammen,         alle helfen sich ge-          Honorarunwesen
genseitig.“ Deutschlehrerin Alice                    Die ungewisse Arbeitsperspektive                                              *   Burnout
Amberg       verteilt zu Freiburg
Am Goethe-Institut            einem Thema  spre-     trifft nicht nur Schumann und ihre                                            *   Lebenskrisen
verschiedene         Aufgaben und
chen Honorarlehrkräfte              nur guckt
                                           noch      Freiburger Kolleginnen und Kolle-
allen    Schülern einzeln
vom „schwarzen            Mittwoch“.überEnde  die    gen. An den zwölf Inlandsinstituten                                           *   Hochfrequente Therapien
Schulter.
Januar leitete„Beiihnen
                     acht Leuten        kommt
                             die Institutslei-       arbeiten insgesamt rund 400 Hono-                                                 Herzlichkeit und Mitgefühl
                                                                                                                                   *
man
terin gut
        einerum“,
               interne sagt    Amberg. vom
                           Anweisung         Ent-    rarlehrkräfte. Deren Verträge gelten
                                                                                                                                   *   Individualität in familiärem Kreise
scheidend
Vorstand aus    ist München
                     ihrer Meinung weiter,nachdie    jeweils nur für die Dauer der Kurse.
vor    allemoder
sie mehr         dieweniger
                        Beziehungsarbeit.
                                  über Nacht         Also zwei, vier oder acht Wochen.                                             *   60 Betten / 30 Therapeuten
Viele
ihren derJob meist
               kostete. jungen     Menschen
                            Der Grund:        Die    Gespräche
                                                     „Wenn     manmit   derist
                                                                      kifft,  GEW   übervieles
                                                                                einem     die pre-
hätten
Deutsche   eine   schlimme Zeit durch-
              Rentenversicherung          (DRV)      käre Situation
                                                     egal“,   sagt Tim*. der   „Freien“
                                                                            „Man   stumpfthat der            Psychosomatisches             88339 Bad Waldsee
gemacht.
bezweifelt,Umso  dass diewichtiger      sei ein
                              Honorarkräfte          Vorstand ab.“
                                                     komplett      des Goethe-Instituts seit                 Privatkrankenhaus             0 75 24 990 222
respektvoller
tatsächlich denUmgang. Status freier Mitar-          Jahren abgelehnt. Sein Argument:                        beihilfefähig                 (auch am Wochenende)
Ein   Blick ins und
beiterinnen        Klassenzimmer
                           Mitarbeiterzeigt, hät-    Wegen schwankender Einkünfte der                                                      www.akutklinik.de
was   an dieser
ten. Stellt   die DRV Schule
                           nunanders       läuft:
                                eine Schein-         den    Stoppelhaaren.
                                                     Inlandsinstitute      müsseDas     änderte
                                                                                    das Goethe-
Mathelehrer
selbstständigkeit   Andreas      Weber,dem
                         fest, drohen         ein    sich   schlagartig:
                                                     Institut                Der Teenager
                                                                seine „Flexibilität“     bewah-ge-
kräftiger
Kapuzenpulli,
               Mann mitKulturinstitut
weltweit agierenden               Jeans und
                      zeichnet quadrati-
gewaltige Nachzahlungen                für bis-
                                                     riet
                                                     ren. an
                                                     an
                                                     mehr
                                                                die falschen
                                                            Außerdem
                                                         zu kiffen,
                                                                           zahle Freunde,
                                                              als dieschwänzte
                                                                                              fing
                                                                                   man deutlich
                                                                         Konkurrenz. die Zuletzt
                                                                                          meiste
                                                                                                           Unsere Suchtprävention wirkt.
                                                                                                      Mit unseren abwechslungsreichen Projekten erreichen wir Kinder und Jugendliche nachhaltig.
sche
Jungs
       Funktionen
her nicht     geleistete
          – zum Teil
rungsbeiträge.
                         an Sozialversiche-
                              die Tafel. Fünf
                            mit Tattoo
                      Deshalb,     so begrün-und
                                                     Zeit.
                                                     betrug
                                                     les
                                                            „Wenn
                                                          egal“,Für
                                                     37 Euro.
                                                                      man kifft, ist einem
                                                               das Stundenhonorar
                                                                    sagt  Tim. „Man
                                                                       Andreas    Gehrke,
                                                                                              vie-
                                                                                         35 bzw.
                                                                                         stumpft
                                                                                            beim
                                                                                                                                                                     Wir machen das
Piercing
auf
müsse
             – versuchen,
det der Vorstand
       derer Symmetrieachse
                            sein die
               „bis zur abschließenden
                                        Punkte
                                   Vorgehen,
                                         auszu-
                                                     komplett
                                                     mal
                                                                   ab.“ Er wiederholte
                                                     GEW-Hauptvorstand
                                                            die 11. Klasse,
                                                     Beamtenpolitik
                                                                                  für Tarif-zwei-
                                                                                  beging einen
                                                                            verantwortlich,
                                                                                              und
                                                                                                ist                                                                  anders
rechnen.
Klärung davon
Lehrer.
               „Alles absehen,
                         klar?“, fragt
           Hakan* schüttelt
Honorarverträge
                                       weitere
                                    den Kopf:
                          für Lehrkräfte
                                              der
                                               an
                                                     Raubüberfall
                                                     das jedoch keinund
                                                     währung
                                                     norarunwesen
                                                                                wurde „Das
                                                                           Argument:
                                                                   verurteilt.
                                                                         ist Teil Nach
                                                                                         auf Ho-
                                                                                        Drogen-
                                                                                               Be-
                                                                                  des Geschäfts-                                                                     als andere
„Ich     verstehe nur Bahnhof.“
den Goethe-Instituten            in Deutsch-–        entzug
                                                     modellsund  beimTherapie      lebt er jetzt
                                                                        Goethe-Institut.“     Lei-
„Okay“,      erwidert Weber gut ge-
land abzuschließen“.                                 in
                                                     dereiner
                                                           sei esWohngruppe        in Frankfurt,
                                                                    in der Erwachsenen-       und
launt. „Alles noch mal von vorn.“ Er                 weit   weg von üblich,
                                                     Weiterbildung       Zuhause    – und
                                                                                  über       wagt
                                                                                       Honorar-                                                        Websit
Von eine
malt     der Welle
               Rollean die Tafel, wen-               einen
                                                     verträge neuen     Anlauf. „Ich
                                                                  Personalkosten     zu bin  sehr
                                                                                         reduzie-                                                            e               & Shop
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                   „freien“„DuLehrkräfte
                                 warst doch     in   froh,
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                                                                liege   hierNettoeinkommen
                                                                              bin“, betont Tim.
in  der 11.beispielsweise
Freiburg         Klasse. Hast du    hießsowasdas:    Djago     gesteht: „Wenn ich
                                                     einer Honorarlehrkraft          weitehrlich
                                                                                            unter             Schulprojekte
schon
Für diemal       gesehen?“ die
            Sprachkurse,         DernurSchüler
                                            eine     bin,
                                                     dem geheeiner ich     immer noch
                                                                      angestellten          nicht
                                                                                      Lehrkraft,                                                                                                onitor®
                                                                                                                                                                                      Kundenm d 2016
                                                                                                                                                                                               an
                                                                                                                                                                                      Deutschl
lacht
Wocheheiser:später„Das       ist zehn
                       starteten,     sindJahresie   gern   zur Schule.
                                                     die nach                Aber wird.
                                                                  Tarif bezahlt    hier ist
                                                                                         Dasjeder
                                                                                               be-
her.“
nicht Schritt
         mehr für       Schritt erklärt
                   verpflichtet      worden.  der    einzelne
                                                     stätigt auch  Lehrer    mit Herzblut
                                                                       Schumann.      Wenn da-  sie                                                                                          GER
                                                                                                                                                                                 TESTzuSfrIE
                                                                                                                                                                                           iedenhei
                                                                                                                                                                                                    t
Lehrer
Selbst bei alles  erneut: „Gibt
               Prüfungen              es noch
                              der laufenden          bei.“  Er kenne
                                                     Vollzeit            keinen anderen
                                                                 unterrichtet,     verdieneOrt, sie                                                                              Kunden

Fragen      dazu?“sieHakan
Kurse sollten            nicht mehrnickt:dabei
                                             „Ja!    so
                                                     etwader134-Jährige,
                                                                300 Euro nettoan demimdie   Schü-
                                                                                          Monat.                                                                      Branche:
                                                                                                                                                                                 ankenver
                                                                                                                                                                                           sicherung
                                                                                                                                                                                                       en
                                                                                                                                                                       Private Kr w.debeka.de/kundenmo
                                                                                                                                                                                                       nitor

Es  ist,„Wir
          als würdest
               sind totaldu  voneine
                                   derandere         lerinnen
                                                     „Wir machen  und Schüler
                                                                         dieselbesoArbeit
                                                                                       viel Hilfe
                                                                                              wie
sein.                                    Rolle“,
                                                                                                                                                          K lassenfahr te
                                                                                                                                                                       Details un
                                                                                                                                                                                 ter ww

Sprache
empört sich   sprechen.“        Weber lässt
                  Hannah Schumann.            Die    bekämen       – selbstwerden
                                                     Festangestellte,         wenn sieaber
                                                                                         rückfäl-
                                                                                              wie
                                                                                                                                                            Versichern und Bausparen
                                                                                                                                                                                                     n
die  Kreide fallen,
Germanistin              lacht:
                  arbeitet    seit„Alles    gut.“
                                   rund zwölf        lig würden. zweiter Klasse behan-
                                                     Lehrkräfte
                                                                                                                                        Traditioneller Partner des
Und
Jahren beginnt     noch einmal von
           an verschiedenen           Goethe-vor-    delt“, kritisiert die Sprachlehrerin.                                              öffentlichen Dienstes

                                                                                                                                         ps
                                                                                                                     tdoor-Cam
ne.  So oft wie
Instituten.          nötig.
                Früher        „Es kann
                           erteilte         sein,
                                      sie auch       Sozialabgaben,
                                                     Kathrin   Hedtke,       Urlaubsanspruch,                                                                           Info

dass
an der es für    manche langweilig
            Universität        Sprachkurse.  ist“,   Lohnfortzahlung?
                                                     freie Journalistin        „Gibt es für uns                 O  u
                                                                                                              Mit unseren über 16.000 fest angestellten               (08 00) 8 88 00 82 00
                                                                                                              Mitarbeitern/innen setzen wir uns
so
DochWeber.      „Aber es
         mit Beginn        derkommt      darauf
                                Wirtschafts-         nicht.“ Seit Jahren beteiligt sich
                                                                                                            an 4.500 Standorten
                                                                                                            Unterstützen        immer
                                                                                                                         Sie unsere     fürmit
                                                                                                                                    Arbeit unsere
                                                                                                                                               Ihrer Spende!
an,
krisejeden
       2008hierschossmitzunehmen.“
                          die Nachfrage für          Schumann deshalb an den von der
                                                                                                       Spendenkonto: IBAN
                                                                                                            Mitglieder ein.DE03 7002 0270 6406 6666 60 –
Tim*,    20, kommt
Deutschkurse        beim imGoethe-Institut
                              Unterricht gut         GEW initiierten
                                                     *Namen                Protesten.
                                                                  der Schüler    geändert                                    UniCredit Bank AG. Vielen Dank.
mit.
in dieBis    zur Oberstufe
          Höhe,     Schumann sei         er im-
                                    sollte    ein    Zum aktuellen Einstellungsstopp                                  Ausführliche Informationen zu unseren Projekten
                                                                                                              finden Sie unter www.kmdd.de. Wir freuen uns über Ihre SUC HTPRÄVE NTION FÜ R
Leistungsschüler
mer mehr Kursegewesen,                  berich-
                            und Prüfungen            äußerte sich Goethe-Vorstands-
                                                     Bildungszentrum         Hermann Hesse:                             Anfragen an 089 85639961 und info@kmdd.de! www.debeka.de/socialmedia
                                                                                                               Weitere Infos unter www.debeka.de oder hier            KINDER UND JUGENDLICHE

tet  der junge Mann
übernehmen.                   mit denStand-
                      Ihr zweites         blon-      mitglied Johannes Ebert so: „Wenn
                                                     bit.ly/drogenberatung-hesse-ffm

                                                                                                                                    Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
                                                                                                                                                                 04/2017
16 SUCHT

               Onlinehandel macht
               Straßendealern Konkurrenz
                // Im Internet sind Drogen relativ                                                                                Besitz, Erwerb und Abgabe von Be-
                leicht verfügbar. Bestellt wird                                                                                   täubungsmitteln gehören, gibt es die
                bequem per Mausklick, die Lie-                                                                                    sogenannten sonstigen Verstöße. Hier-
                ferung erfolgt mit der Post. Der                                                                                  zu zählen etwa der illegale Anbau von
                Online-Drogenhandel, so Jens                                                                                      Betäubungsmitteln, die Bereitstellung
                Beismann, Leiter der Pressestelle                                                                                 von Geldmitteln oder ähnlichen Ver-
                des Bundeskriminalamts (BKA),                                                                                     mögensgegenständen, die Werbung
                gewinne zunehmend an Bedeu-                                                                                       für Betäubungsmittel sowie die illega-
                tung. //                                                                                                          le Verschreibung und Verabreichung
                                                                                                                                  durch Ärzte.
                E&W: Der Onlinehandel mit Drogen                                                                                  E&W: Welche Rolle spielt der Online-
                boomt. Das kann man den Bundeslage-                                                                               handel mit Rauschgift bezogen auf das
                bildern „Rauschgift“ des BKA der ver-                                                                             Gesamtvolumen beim Handel mit Dro-
                gangenen Jahre entnehmen.                                                                                         gen?

                                                                                                     Foto: Pressestelle des BKA
                Jens Beismann: Der Handel mit illega-                                                                             Beismann: In Deutschland hat sich
                len Waren im Internet hat in den letz-                                                                            der Handel mit Rauschgift im Inter-
                ten Jahren zunehmend an Bedeutung                                                                                 net als ergänzender Vertriebsweg zum
                gewonnen. Das gilt sowohl für den                                                                                 klassischen Handel stetig weiterent-
                allgemein zugänglichen Teil des Webs                                                                              wickelt und organisiert. Trotz seines
                als auch das sogenannte Darknet. Ins-       Jens Beismann                                                         vergleichsweise geringen Anteils an
                besondere in diesem auf Anonymität                                                                                der Gesamtzahl der Handelsdelikte ist
                bedachten Teil des Netzes werden alle                                                                             davon auszugehen, dass die Bedeutung
                Arten illegaler Waren zum Verkauf an-       gen ist, oder hat der polizeiliche Ermitt-                            des Onlinehandels auch weiter zuneh-
                geboten. Studien zeigen, dass es sich       lungsdruck zugenommen?                                                men wird. Denn das Internet ermög-
                bei zwei Dritteln aller Angebote um Be-     Beismann: Drogenhandel ist für Krimi-                                 licht einen schnellen Austausch, bietet
                täubungsmittel handelt – daher kann         nelle ein überaus lukratives Geschäft.                                Instrumente zur Anonymisierung und
                man hier durchaus von einem Boom            Mit dem Verkauf von Drogen können                                     Verschlüsselung der Kommunikation
                sprechen.                                   hohe Gewinne erzielt werden, weshalb                                  und ist jederzeit über Grenzen hinweg
                E&W: Wie geht die Polizei dagegen vor?      der Handel mit Rauschgift auch ein Be-                                verfügbar.
                Beismann: Wie in allen Bereichen der        tätigungsfeld der Organisierten Krimi-                                E&W: Was bedeutet das konkret? Han-
                Kriminalität ist auch der Drogenhandel      nalität und damit ein wichtiges Thema                                 deln im Netz nur „kleine Fische“?
                international organisiert und zuneh-        für die Strafverfolgungsbehörden ist.                                 Beismann: Nein, das sicher nicht. Al-
                mend durch das Internet geprägt. Das        Statistische Entwicklungen im Bereich                                 lerdings werden die Drogen zumeist
                bedeutet, dass wir auch im Netz ver-        der Betäubungsmittelkriminalität, etwa                                in Kleinstmengen an den Endverbrau-
                stärkt ermitteln. Zudem entwickeln wir      die Zunahme von Handelsdelikten, sind                                 cher abgegeben. Daneben gibt es aber
                aber auch unsere polizeilichen Kompe-       immer auch mit dem Kontrolldruck der                                  auch sogenannte „Top-Vendoren“. Das
                tenzen im digitalen Raum kontinuierlich     Strafverfolgungsbehörden verbunden.                                   sind Rauschgifthändler, die sich für den
                fort, denn es gilt, mit den Straftätern     Der überwiegende Anteil der polizei-                                  Drogenverkauf teilweise organisierter
                auf Augenhöhe zu sein. Dazu gehört          lichen Erkenntnisse zu diesem Phä-                                    Strukturen bedienen und dabei enorme
                beispielsweise die geplante Einstellung     nomen wird durch die von den Straf-                                   Gewinne erzielen.
                von „Cybercops“, Absolventen aus dem        verfolgungsbehörden durchgeführten                                    E&W: Haben Sie Bespiele?
                IT-Bereich, die im BKA zu Polizisten aus-   Kontroll- und Strafverfolgungsmaßnah-                                 Beismann: Im April 2017 kam es zu drei
                gebildet werden.                            men gewonnen.                                                         Festnahmen in Berlin. Die Beschuldig-
                E&W: Im Bundeslagebild Rauschgift           E&W: Welche Delikte außer beispiels-                                  ten werden verdächtigt, arbeitsteilig
                2016 steht bei Rauschgifthandelsdelik-      weise Handel und Konsum gibt es noch                                  seit September 2012 über verschie-
                ten ein Plus von 25 Prozent bei Ecstasy     in Zusammenhang mit Rauschgift?                                       dene Internet-Handelsplattformen im
                und 18 Prozent bei Kokain. Das klingt       Beismann: Neben den Handels- und                                      Darknet Handel mit Kokain, Cannabis
                dramatisch. Bedeuten diese Zahlen,          konsumnahen Delikten, wozu unter                                      und MDMA (Ecstasy, Anm. d. Red.) be-
                dass tatsächlich der Konsum angestie-       anderem Schmuggel, illegale Einfuhr,                                  trieben zu haben. Sie sollen in mehr als

   Erziehung und Wissenschaft | 06/2018
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