BFB Bibliotheksforum Bayern

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#BIBchatDE Digitales Netzwerken auf Twitter
Fußball und Kultur – wie geht das zusammen? Ein Blick auf die Fußballbibliothek Nürnberg
Buch mit Schuss Eine besondere Gelegenheitsschrift in der Landesbibliothek Coburg

Die Titelseite zeigt das neue ‚Philologicum‘ der Ludwig-Maximilians-Universität München,
siehe auch S. 36 folgende. Foto: Benjamin Rücker, Universitätsbibliothek der LMU München

Heft 01 | 14. Jahrgang Februar 2020
ISSN 0340-000X
BFB Bibliotheksforum Bayern
Inhalt
Liebe Leser*innen,

FORUM
BAYERISCHER BIBLIOTHEKSVERBAND

Forever Young – Arbeiten in der Bibliothek von morgen
Mitgliederforum des Bayerischen Bibliotheksverbandes in Oberhaching

Im Dialog mit der Politik
Im Rahmen eines Parlamentarischen Mittagessens informierte der Vorstand des Bayerischen Bibliotheksverbandes
(BBV) am 26. November 2019 Landtagsabgeordnete der CSU über die Arbeit der öffentlichen und wissenschaftlichen
Bibliotheken in Bayern und deren aktuelle Anliegen.

FORUM
BIBLIOTHEKEN IN BAYERN

„Die Kinder werden
den Erwachsenen den Weg zeigen“
70 Jahre Internationale Jugendbibliothek – das große Jubiläumsfest

Fußball und Kultur – wie geht das zusammen?
Ein Blick auf die Fußballbibliothek Nürnberg

Annäherung an einen Nobelpreisträger
Das Thomas-Mann-Zimmer in der Stadtbibliothek Bad Tölz

Ein Jubiläum mit vielen Aktionen
Zehn Jahre Stadtbücherei Augsburg am Ernst-Reuter-Platz

Der Bücherbus rollt wieder
Einweihung der neuen Kreisfahrbücherei Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim

FORUM
HISTORISCHE SCHÄTZE

Buch mit Schuss
Eine besondere Gelegenheitsschrift in der Landesbibliothek Coburg

FORUM
BIBLIOTHEKSGESCHICHTE

Martin Schrettinger zu Bau und Organisation der königlichen Hof- und Cen-
tralbibliothek
Seine „Idee eines in jeder Hinsicht zwekmässigen Bibliothek-Gebäudes“

FORUM
MUSIKBIBLIOTHEKEN

IAML Deutschland zu Gast in Augsburg
Augsburger Sammlungen und Quellen zur europäischen Musikgeschichte als Themenschwerpunkt
BFB Bibliotheksforum Bayern
Musik am Münchner Hof von Kurfürst Karl Theodor
Kabinettpräsentation und Werkstattkonzert in der Bayerischen Staatsbibliothek

FORUM
BIBLIOTHEKSBAU

Die Fachbibliothek Philologicum
Ein Leuchtturmprojekt in der geisteswissenschaftlichen Bibliothekslandschaft

Von Derwischen, selbsternannten Zaren und fliegenden Botschaftern
Science Slam zur Wiedereröffnung des Ostlesesaals im Oktober 2019

Bibliotheksplanung gemeinsam denken
Technik und Emotion, von der Vision zur Wirklichkeit

„BibBuddies“ beim DINI-Wettbewerb 2018/19 erfolgreich
Die Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg unterstützte Studierende mit einer Workshop-Reihe zur Ausschreibung
„Lernen 4.0 – Gestalte Deinen Lernraum“.

FORUM
DIGITALE BIBLIOTHEK

#BIBchatDE: Digitales Netzwerken auf Twitter
Seit April 2017 wird auf Twitter unter dem Hashtag #BIBchatDE über bibliotheks-relevante Themen diskutiert. Jeden
ersten Montag im Monat von 20 bis 21 Uhr können Standpunkte oder Erfahrungen zum jeweiligen Bibchat-Thema aus-
getauscht werden.

FORUM
BIBLIOTHEKSPOLITIK

Fakten und Vielfalt: Bibliotheken als Orte für Demokratie und Meinungsbil-
dung
Jahrestagung der Bibliotheksfachstellen am 23. September 2019 in Bad Aibling

FORUM
LESE- UND LITERATURFÖRDERUNG

„Europa illustriert die Grimms“ oder „Eine märchenhafte Zeit an der Interna-
tionalen Jugendbibliothek“
Mit einem Programmschwerpunkt zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ging es in der Internationalen
Jugendbibliothek (IJB) auf Schloss Blutenburg 2018 und 2019 wahrlich märchenhaft zu. Ein umfangreiches Ausstel-
lungs- und Veranstaltungsprogramm nahm als Beitrag zum europäischen Kulturerbejahr 2018 das Universum der
Grimm-Märchen in den Blick und zog 7.679 Besucher an.

FORUM
PERSONALIA

In memoriam Frau Dr. Gisela Möncke und Frau Dr. Karin Schneider

KURZ NOTIERT
Bayern
Augsburg
Bamberg
Bayreuth
BFB Bibliotheksforum Bayern
Coburg
Erlangen
Erlangen-Nürnberg
Fürstenfeldbruck
Geretsried
Germering
25 Jahre Stadtbibliothek – viele Gründe, zu feiern!
Landshut
München
Landkreis München
Neustadt a.d.Donau
Nürnberg
Regensburg
Weiden
Zirndorf

TERMINE
Bibliothekarische Fortbildung in BAYERN
AUSSTELLUNGEN UND VERANSTALTUNGEN

IMPRESSUM
Redaktionsbeirat
Gestaltung
Druck
Abonnements

AUTORENHINWEISE

AUTORINNEN UND AUTOREN
Michael Ammon
Birgit Botzenhart
Dr. Claudia Fabian
Georg Fisch
Carola Gäde
Norbert Hellinger
Annemarie Kaindl
Isolde Kalter
Marlene Neumann
Benjamin Rücker
Dr. Uta Schaumberg
Erika Seitz
Wolfram Siemons
Melanie Söllch
Konstanze Söllner
Sabine Teigelkämper
Dr. Katja Wiebe
Dr. Gudrun Wirtz
Cortina Wuthe
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Liebe Leser*innen,

Das Foto zeigt den Verfasser des Editorials, Dr. Bernhard Lübbers. Bildrechte: Sabine Franzl

bekanntlich wurde Bob Dylan 2016 als erstem Musiker der Literaturnobelpreis zuerkannt. Wie treffend ist es da, im
Bibliotheksforum Bayern eine Songzeile von ihm zu zitieren: „May you stay forever young“! Bibliotheken weltweit und
natürlich auch im Freistaat Bayern tun viel dafür, um diesem Wunsch des US-amerikanischen Musikers und Lyrikers
gerecht zu werden. Man kann ohne Zweifel festhalten, dass unsere Häuser noch nie in ihrer Geschichte einen solchen
Funktionswandel zu bewältigen hatten und gleichzeitig von so vielen Menschen aufgesucht wurden wie heute. Ray
Oldenburgs Konzept des „Dritten Ortes“ findet bei unseren Kund*innen regen Anklang. Eine spannende Entwicklung,
die dazu führt, dass Bibliotheken weltweit großen Zuspruch erfahren.
Dass die deutschen Bibliotheken weit mehr Besucher*innen verzeichnen können als beispielsweise die Arenen der
Fußballbundesligen ist fast schon ein Gemeinplatz, den man aber dennoch immer wieder gerne vorbringen kann. Dass
Fußball und Bibliothek jedoch auch sehr gut zusammen funktionieren können, zeigt das Beispiel der Fußballbibliothek
in Nürnberg sehr eindrücklich, übrigens ist die Einrichtung eine der ersten ihrer Art in Deutschland.
Doch nicht nur die Gegenwart kann mit solchen Highlights aufwarten, auch die Beschäftigung mit der Vergangen-
heit führt uns immer wieder vor Augen, auf welche reiche Tradition wir in unseren Bibliotheken zurückblicken dürfen.
Da sind einerseits immer und immer wieder die großartigen Bestände, die durchaus aber auch Kurioses zu bieten
haben, man lese nur den Beitrag von Isolde Kalter aus Coburg. Aber auch personell müssen wir bayerischen Biblio-
thekar*innen uns wahrlich nicht verstecken! Der Oberpfälzer Martin Schrettinger, der viele Jahre an der kurfürstlichen
bzw. königlichen Hofbibliothek in München tätig war, darf etwa als einer der Begründer der modernen Bibliotheks-
wissenschaft gelten. Der Beitrag von Anne-marie Kaindl ruft die Person Schrettingers und seine Leistungen wieder ins
Gedächtnis. Letztlich sind wir also alle, um mit Bernhard von Chartres zu sprechen, doch nur Zwerge, die auf Schultern
von Riesen stehen.
Sie sehen also, liebe Leser*innen, welchen reichen Strauß an Themen das aktuelle Bibliotheksforum Bayern für Sie
bereithält, dabei konnte ich hier nur einige wenige Beiträge hervorheben.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, hoffentlich viele Entdeckungen und natürlich: „May you stay forever
young“!
Ihr
Dr. Bernhard Lübbers, Direktor der Staatlichen Bibliothek Regensburg
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BAYERISCHER BIBLIOTHEKSVERBAND

Forever Young – Arbeiten in der Bibliothek von
morgen
Mitgliederforum des Bayerischen Bibliotheksverbandes in
Oberhaching
Von Georg Fisch
Das Mitgliederforum des Bayerischen Bibliotheksverbandes e. V. (BBV), hat sich in den vergangenen 16 Jahren zu
einem kleinen, aber feinen Veranstaltungsformat für den bibliothekarischen Informationsaustausch entwickelt. Protes-
tierte man 2003 in der Eichstätter Erklärung noch gegen die Folgen der damaligen Finanzkrise, beschäftigte man sich
beim Mitgliederforum am 24. Oktober 2019 in Oberhaching mit dem „Arbeiten in der Bibliothek von morgen“.
Zum Auftakt begrüßte Stefan Schelle, Oberhachinger Bürgermeister und 2. Vorsitzender des Bayerischen Bibliotheks-
verbandes, die aus ganz Bayern angereisten Gäste. Er stellte die 2003 eröffnete Gemeindebibliothek als lebendigen
Begegnungs- und Bildungsort vor und belegte dies mit eindrucksvollen Zahlen. So z. B. wird bei einer Einwohnerzahl
von 12.000 die Bibliothek jedes Jahr von 100.000 Personen besucht.
Der neue BBV-Vorsitzende Dr. Gerhard Hopp, MdL, nutzte in seiner Eröffnungsansprache die Gelegenheit, um auf die
Bedeutung der Bibliotheken und Büchereien hinzuweisen. Für ihn seien Bibliotheken „Lern- und Begegnungsorte mit
echtem Mehrwert für das Ortsleben“. Gerade mit Blick auf die Herausforderungen durch Populismus übernehmen Bib-
liotheken wichtige Aufgaben für die Demokratie, unterstrich der Abgeordnete, der vor einem Jahr den Vorsitz des Ver-
bandes von Staatsminister Bernd Sibler übernommen hatte. Angesichts von Fake News und einer immer differenzier-
teren Medienlandschaft komme der Aus- und Fortbildung zentrale Bedeutung zu, so Hopp. Den Bibliothekaren sprach
Hopp daher höchste Wertschätzung aus, die auch „öffentlich noch stärker herausgestellt werden muss“.

Das Bild zeigt den BBV-Vorstand. Von links: Georg Fisch (Geschäftsführer, Stadtbibl. Strau-
bing), Stefan Schelle (2. Vorsitzender, 1. Bürgermeister Oberhaching), Ute Palmer (BSB/Lan-
desfachstelle), Rolf Brugbauer (UB Bayreuth), Dr. Gerhard Hopp (Vorsitzender und MdL), Dr.
Klaus Ceynowa (Generaldirektor BSB). Bildrechte: BSB/Ulrike Rehusch.
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Arbeiten in der Bibliothek von morgen
Im Anschluss begrüßte Dr. Hopp die beiden Referentinnen des Mitgliederforums, Frau Prof. Cornelia Vonhof, Professo-
rin für Public Management an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, und Dr. Hannelore Vogt, Direktorin der
Stadtbibliothek Köln, die vor kurzem für ihr innovatives Denken und Handeln mit der Karl-Preusker-Medaille ausge-
zeichnet wurde.
Die Stuttgarter Professorin skizzierte auf der Basis diverser Kompetenzmodelle künftige Anforderungen an eine
zukunftsorientierte Ausbildung und Personalentwicklung. Auf besonderes Interesse stieß beim Fachpublikum die Neu-
ordnung des Bachelor-Studiengangs Informationswissenschaften.
Unter dem Thema „Fit für die Zukunft! Den Wandel aktiv gestalten“ zündete Dr. Vogt, die sich in ihrer bayerischen
Heimat sichtlich wohlfühlte, ein Brillantfeuerwerk an Ideen, das beinahe den zeitlichen Rahmen sprengte. Im aktuellen
technologischen und gesellschaftlichen Umbruch sieht sie Bibliotheken als Orte der (Neu-)Orientierung mit zukunfts-
weisenden Serviceangeboten, die möglichst breite Bevölkerungskreise zum eigenen Tun anregen. Ganz besonders
wichtig ist der Kölner Bibliotheksdirektorin die Einbeziehung des Personals in diesen Transformationsprozess.
Anschließend hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einem Get-together Gelegenheit zum fachlichen Aus-
tausch im Kolleg*innenkreis. Auch für das leibliche Wohl war bestens gesorgt.

Mitgliederversammlung des BBV
In der Mitgliederversammlung blickte Dr. Hopp in seinem Rechenschaftsbericht auf das erste Jahr im Amt des Vor-
sitzenden des Bibliotheksverbandes zurück, das er beim Bayerischen Bibliothekstag 2018 in Weiden von Staatsminis-
ter Sibler übernommen hatte. Neben der Fortführung der Kooperation mit dem Bayerischen Volkshochschulverband
beschäftigte den Vorstand vor allem die Konzeption und Vorbereitung des Mitgliederforums und des Festaktes zum
Jubiläum 50 Jahre BBV, der leider wegen geringer Beteiligung abgesagt werden musste. Abschließend informierte Dr.
Hopp die Mitglieder darüber, dass der Sankt Michaelsbund künftig als Gast an den Vorstandssitzungen teilnimmt und
über ein geplantes Parlamentarisches Mittagessen.
Geschäftsführer Georg Fisch (Stadtbibliothek Straubing) informierte die Anwesenden über den aktuellen Mitglieder-
stand des BBV (220) und die Finanzlage des Landesverbandes. Im Rechnungsjahr 2018 habe sich auf Grund höherer
Mittelzuweisungen des Bundesverbandes die Finanzlage deutlich verbessert. Den Bayerischen Bibliothekstag 2018 in
Weiden bezeichnete er auch in wirtschaftlicher Hinsicht als vollen Erfolg und dankte seinem Vorgänger Jens Renner für
die hervorragende Vorarbeit.
Danach berichtete Christa Waltenberg von der gemeinsam mit Katrin Fügener durchgeführten Kassenprüfung über den
Jahresabschluss 2018, die ohne Beanstandungen verlief. Deshalb empfahl sie die Entlastung des Vorstands, die von
der Mitgliederversammlung angenommen wurde. Die beiden Kassenprüferinnen wurden für das Geschäftsjahr 2019 in
ihrem Amt bestätigt.

Jubiläum 50 Jahre Bayerischer Bibliotheksverband
Da der ursprünglich für den Abend geplante Festakt zum Jubiläum 50 Jahre Bayerischer Bibliotheksverband in der Bay-
erischen Staatsbibliothek wegen zu geringer Beteiligung abgesagt worden war, schloss sich eine improvisierte Feier-
stunde an, bei der die Kolleginnen und Kollegen ihren Meinungsaustausch fortsetzen konnten.
Angesichts des Tagungsthemas richteten die Teilnehmer*innen den Blick nach vorne. Die beim Mitgliederforum 2019
spürbare Offenheit gegenüber innovativer Ideen stimmt hoffnungsfroh. Bibliotheken, die sich den Herausforderungen
ihrer Zeit stellen, sind zeitlos. Dies sollte auch für den Jubilar gelten, dem wir mit Bob Dylan wünschen: „May you stay
forever young.“

DER AUTOR:
Georg Fisch ist Geschäftsführer des Bayerischen Bibliotheksverbandes e. V. und Leiter der Stadtbibliothek Straubing.
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BAYERISCHER BIBLIOTHEKSVERBAND

Im Dialog mit der Politik
Im Rahmen eines Parlamentarischen Mittagessens infor-
mierte der Vorstand des Bayerischen Bibliotheksverbandes
(BBV) am 26. November 2019 Landtagsabgeordnete der
CSU über die Arbeit der öffentlichen und wissenschaftlichen
Bibliotheken in Bayern und deren aktuelle Anliegen.
Von Georg Fisch

Das Bild zeigt die Teilnehmer des Parlamentarischen Mittagessens. Von links nach rechts:
Geschäftsführer Georg Fisch, Robert Brannekämper, Mitglied des Landtags, Generaldirektor
der BSB Dr. Klaus Ceynowa, Stephan Oetzinger, MdL, BBV-Vorsitzender Dr. Gerhard Hopp,
MdL, Ute Primavesi (Fachreferentin für Wissenschaft und Kunst) Beiratsvorsitzender Ralf
Brugbauer, Evelyn Leippert-Kutzner (Vertreterin der öffentlichen Bibliotheken), Ute Palmer
(Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen), Stefan Eß (Sankt Michaelsbund) und
Johannes Hintersberger, MdL. Nicht im Bild: Dr. Ute Eiling-Hütig, Mitglied des Landtags. Bild-
rechte: BBV.

An dem Treffen in München nahmen drei Mitglieder des u. a. für Bibliotheken zuständigen Ausschusses für Wissen-
schaft und Kunst teil: Robert Brannekämper (Ausschussvorsitzender), Dr. Ute Eiling-Hütig und Dr. Stephan Oetzinger.
Mit Johannes Hintersberger konnte BBV-Vorsitzender Dr. Gerhard Hopp auch einen Kollegen aus dem Haushaltsaus-
schuss begrüßen. Komplettiert wurde die Runde durch Ute Primavesi, Fachreferentin der CSU-Fraktion für den Bereich
Wissenschaft und Kunst.
Im ersten Teil der Veranstaltung stellten die BBV-Vorstandsmitglieder in kurzen Statements die Arbeit der öffentlichen
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und wissenschaftlichen Bibliotheken vor und belegten ihre Ausführungen mit beeindruckenden Zahlen und anschau-
lichen Beispielen. Am Ende ihrer Redebeiträge beschrieben die Vorstandsmitglieder aktuelle und künftige Herausfor-
derungen. So zum Beispiel sprach sich Evelyn Leippert-Kutzner, Vertreterin der öffentlichen Bibliotheken, für eine ein-
deutige rechtliche Regelung der nichtkommerziellen E-Book-Ausleihe und die Förderung des Auf- und Ausbaus digitaler
Dienstleistungen aus.
Ute Palmer (Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen an der BSB) und Stefan Eß (Sankt Michaelsbund)
erläuterten die vielfältige Tätigkeit ihrer Beratungsstellen von der Vergabe von Fördermitteln bis hin zur Aus- und Fort-
bildung des Bibliothekspersonals. Beiden war die Vernetzung der Bibliotheken untereinander und mit anderen Institu-
tionen sowie die Entwicklung des Bibliothekswesens im ländlichen Raum ein besonderes Anliegen.
Im Anschluss daran informierte Generaldirektor Dr. Klaus Ceynowa über das umfangreiche Leistungsspektrum der
Bayerischen Staatsbibliothek als Vorreiter in Sachen Digitalisierung und zentraler Dienstleister für die 160 Bibliotheken
des BVB. Als Vertreter der bayerischen Hochschul- und Universitätsbibliotheken hob Ralf Brugbauer ihre Bedeutung für
Forschung, Lehre und Gesellschaft hervor. Er nannte den Aufbau eines bayernweiten Publikationsfonds und den Aus-
bau von Bibliotheken zu attraktiven Lernorten als zukünftig große Herausforderungen und wies auf die äußerst ange-
spannte Sachmittel- und Personalausstattung an den Bibliotheken der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften
hin.
Abschließend stellte Georg Fisch, Geschäftsführer des BBV, die Arbeit des Verbandes vor. Mit Blick auf die Koopera-
tionsvereinbarungen mit den Schulen und Volkshochschulen sprach er sich für die nachhaltige und systematische För-
derung der Lese- und Informationskompetenz aus.
Die anwesenden Parlamentarier nutzten die Gelegenheit zu gezielten, von großer Sachkenntnis geleiteten Nachfragen.
Auf besonderes Interesse stießen die Bereiche Leseförderung und die Situation an den wissenschaftlichen Bibliotheken.
Am Ende waren sich alle Anwesenden darin einig, dass der Dialog demnächst weitergeführt werden soll, um konkrete
Einzelziele zu formulieren.

DER AUTOR:
Georg Fisch ist Geschäftsführer des Bayerischen Bibliotheksverbandes e. V. und Leiter der Stadtbibliothek Straubing.
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BIBLIOTHEKEN IN BAYERN

„Die Kinder werden
den Erwachsenen den Weg zeigen“
70 Jahre Internationale Jugendbibliothek – das große Jubi-
läumsfest
Von Carola Gäde

Das Bild zeigt Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey beim Grußwort. Bildrechte: Inter-
nationale Jugendbibliothek

Im September 1949 öffnete die Internationale Jugendbibliothek zum ersten Mal ihre Tore, um Kindern, Jugendlichen
und Erwachsenen mit internationaler Kinder- und Jugendliteratur den Blick in die Welt zu öffnen. Was als Experiment
begann, steht heute, nach 70 Jahren, auf soliden Beinen. Grund genug für ein großes Jubelfest. Am 20. September
2019 wurde auf Schloss Blutenburg in München ausgiebig gefeiert.
Allein zum Festakt am Vormittag, den die Internationale Jugendbibliothek für diesen Anlass organisiert hatte, hatten
mehr als 350 Gäste ihr Kommen zugesagt, darunter auch zahlreiche Prominente aus Politik und Kultur. Neben Vertre-
ter*innen aus Bund, Land und Stadt wurden auch der japanische Botschafter aus Berlin und viele Repräsentant*innen
anderer ausländischer Konsulate und Kultureinrichtungen sowie Illustrator*innen, Verleger*innen, Bibliothekar*innen
und Literaturwissenschaftler*innen erwartet. Das Interesse an der Veranstaltung war so enorm, dass die Vorträge
zusätzlich auf Leinwand in ein Festzelt übertragen werden mussten – was der Stimmung zum Glück keinen Abbruch
tat.
Ungezwungen und mit ehrlicher Begeisterung berichtete Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey in ihrem Gruß-
wort von ihrer ersten Entdeckungstour durchs Bücherschloss. Sie ließ dabei nicht unerwähnt, dass sie sich auf diesen
Termin schon seit der Begegnung mit der Schlossherrin und Bibliotheksdirektorin Dr. Christiane Raabe im Frühjahr des
Jahres, anlässlich der Übergabe der Ehrenurkunde für die japanische Kaiserin Michiko in Berlin, gefreut habe. In ihrer
Rede betonte sie, wie wichtig es sei, Kindern geschützte Räume zur Verfügung zu stellen, in denen sie ihre Gedanken
frei entfalten können und ihre Fantasie angeregt wird. Die Internationale Jugendbibliothek in Schloss Blutenburg sei
eindeutig so ein Ort.
Das Bild zeigt eine Gruppe Kinder beim Theaterstück „Die große Kinderkonferenz“. Die Kinder
stehen in einer Reihe und halten Pappschilder mit Forderungen zum Umwelt- und Naturschutz.
Bildrechte: Internationale Jugendbibliothek

Dieser Feststellung konnten sich der Bayerische Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo und der Münchner Oberbür-
germeister Dieter Reiter in ihren Beiträgen nur anschließen. Zugleich betonte der OB, wie richtig und vorausschauend
die Feststellung Jella Lepmans, der Gründerin der Internationalen Jugendbibliothek, gewesen sei: „Die Kinder werden
den Erwachsenen den Weg zeigen“, hatte sie damals in ihrer Eröffnungsrede gesagt. Die Friday-for- Future-Bewegung
heute, 70 Jahre später, sei ein eindrucksvoller Beleg dafür.
Nicht nur auf den Straßen Münchens und an vielen anderen Orten der Welt wurden an diesem 20. September Forde-
rungen der Jugendlichen laut. Auch im Bücherschloss wurden die Anwesenden mit den Sorgen um die Zukunft und den
Wünschen der Kinder konfrontiert.
Eine Gruppe von Kindern zwischen acht und zwölf Jahren hatte für den Geburtstag der Bibliothek ein kleines Thea-
terstück erarbeitet, angelehnt an „Die Konferenz der Tiere“ von Erich Kästner. Die Geschichte, die auf eine Idee von
Jella Lepman zurückgeht, handelt von Kindern, die sich mit Unterstützung der Tiere aller Länder bei den Erwachsenen
Gehör verschaffen und ihr Recht auf eine friedliche Zukunft einfordern.
„Dieses kritische Denken brauchen wir“, betonte der Schriftsteller und Künstler Arne Rautenberg in seiner Festrede,
„damit in Zukunft überholten Strukturen entschieden genug entgegengetreten werden kann. […] Die Sprache öffnet
uns dafür alle Türen; […] Sie zeigt, was Literatur – gerade auch Literatur für junge Menschen – kann: Grenzen spren-
gen, sie erweitern, das Eigenste mit dem Entlegensten zusammenbringen oder anders gesagt: unseren begrenzten
Horizont ans große Ganze anbinden.“ Rautenberg betonte außerdem, wie wichtig es sei, „Feuer fürs Lesen zu ent-
fesseln, um richtig in den Lesegenuss zu kommen; Geschriebenes, ja, das Buch als Möglichkeit zu begreifen, sich in
Abenteuer zu katapultieren“.
Dazu hatten die Besucher*innen am Nachmittag reichlich Gelegenheit. Zusammen mit zwölf ausländischen Konsulaten
und Kulturinstitutionen aus München hatte die Internationale Jugendbibliothek 25 Veranstaltungen vorbereitet. Das
gesamte Areal des Schlosses wurde dabei bespielt: Im Festzelt, in der Kinderbibliothek, im Herrenhaus und im Lese-
saal, in der Schatzkammer und im Schlosshof – überall war etwas los.
Es gab Lesungen und Erzählrunden in Französisch, Deutsch und Slowenisch, Aufführungen auf Italienisch, Spanisch
und Tschechisch und Mitmachangebote aus der Schweiz, Ägypten, Polen und den USA. Die kleinen Besucher*innen
konnten zwischen verschiedenen Workshops und Bastelangeboten wählen, sich von der slowenischen Autorin Lila Prap
in die Welt der Dinos und Drachen entführen lassen oder neue Geschichten, Lieder und Tänze des niederländischen
Autors Benny Lindelauf kennenlernen.
Für etwas ältere Kinder und Erwachsene las der James Krüss-Preisträger Andreas Steinhöfel aus seinen Rico-Büchern,
es konnten Experimente oder ein japanischer Sommerfesttanz ausprobiert werden. Insgesamt nahmen mehr als 1.600
Kinder und Erwachsene an dem kunterbunten Fest teil – eine wahrhaft internationale Aktion, wie sie Jella Lepman
gefallen hätte. Hoch lebe die Internationale Jugendbibliothek!

DIE AUTORIN:
Carola Gäde studierte Romanistik, Kinder- und Jugendbuchforschung und Psychologie in Mainz, Frankfurt a.M. und
Valencia. Nach Stationen beim ZDF und am Theater ist sie seit 1999 zuständig für die Presse- und Programmarbeit der
Internationalen Jugendbibliothek.
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BIBLIOTHEKEN IN BAYERN

Fußball und Kultur – wie geht das zusammen?
Ein Blick auf die Fußballbibliothek Nürnberg
Von Melanie Söllch
Die Nürnberger Medienlandschaft hat sich in der Stadtbibliothek Nürnberg versammelt – Kamerateams, Fotograf*in-
nen, Redakteur*innen mit gezücktem Block und Stift. So viel Medieninteresse erfährt man als Bibliothek eher selten.
Aber wenn man weiß, dass es um Fußball geht, ist der große Andrang wiederum nicht so verwunderlich. Denn an die-
sem 25. März 2019 wird in Nürnberg eine der ersten Fußballbibliotheken Deutschlands eröffnet. Und das ist dann doch
etwas Besonderes.

Fußballbibliothek – was ist das überhaupt?
„Fußballspielen kann man in der Stadtbibliothek Nürnberg nur im Miniaturformat – nämlich am Kicker in der Jugend-
bibliothek. Doch alle Besucherinnen und Besucher, die sich für Literatur rund um das Thema „Fußball“ interessieren,
können seit März 2019 gleich im Eingangsbereich der Stadtbibliothek fündig werden. Rund 350 Titel umfasst die Fuß-
ballbibliothek, darunter sowohl belletristische Werke wie auch Kinderbücher, Biografien von Spielern und Trainern
sowie Literatur über Vereine und deren Geschichte. Eine ähnliche Sammlung gibt es deutschlandweit bisher nur in
Leipzig. Die dortige Fußballbibliothek im Fanprojekt Leipzig bietet ebenfalls „Literatur aller Genres rund um den Fuß-
ballsport“.
Neben den anderen Bereichen der Stadtbibliothek Nürnberg mit ihren insgesamt über 700.000 Medien ist die Fußball-
bibliothek zugegebenermaßen ein relativ kleiner und etwas exotischer Teilbereich. Aber das Angebot ist eine neue,
weitere Attraktion im Haus und ein ganz neuer Bestandteil, der bei der Zielgruppe für große Gefühle und Leidenschaft
sorgt. Und vielleicht wird die Sammlung auch Besucher*innen anziehen, die dabei die Bibliothek neu entdecken.

Wie kam es zu diesem neuen Angebot?
Die Initiative für die Fußballbibliothek stammt von Dr. Thomas Grethlein, Aufsichtsratsvorsitzender des Fußballvereins
1. FC Nürnberg (FCN). Er hatte die Idee, Bücher aus dem Archiv des Vereins der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Doch die Katalogisierung und ein eigenes Verleihsystem wären ein zu großer Aufwand für den Verein gewesen. Ein
größerer Bestand an Fachmedien zum Thema Fußball befand sich auch bei der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur
in Nürnberg.
Die Akademie wurde 2004 gegründet und ist innerhalb des städtischen Amts für Kultur und Freizeit angesiedelt. Seit
2006 widmet sie sich intensiv dem Themenfeld Fußball und Literatur und verleiht im Rahmen des Deutschen Fußball-
Kulturpreises jährlich einen mit 5.000 Euro dotierten Preis für das beste Fußballbuch des Jahres. Preisträger war unter
anderen der ungarische Schriftsteller Péter
Esterházy mit seinem Roman „Keine Kunst“. Mit der Stadtbibliothek verbindet die Akademie nicht zuletzt eine Reihe
von Lesungen, die immer wieder im Zeitungs-Café Hermann Kesten in der Zentralbibliothek stattfinden. Dort kommen
renommierte Fußball-Autor*innen zu Wort.

Ein Team-Erfolg
Die Akademie spendete ihre Sammlung der Stadtbibliothek, hinzu kamen die Stücke aus dem Archiv des 1. FC Nürn-
berg, der in Nürnberg einfach „Club“ bzw. authentisch fränkisch „Glubb“ genannt wird. Die Bibliothekarinnen und Bib-
liothekare der Stadtbibliothek katalogisierten die Medien, brachten sie in der Fußballbibliothek zusammen und sorgen
jetzt dauerhaft dafür, dass die Werke den Bücher-Fans zur Verfügung stehen.
Die Fußballbibliothek ist also ein klassischer Team-Erfolg. Wollte man es im sportlichen Fachjargon ausdrücken, könnte
man sagen: „Ein brillanter Anstoß durch den 1. FC Nürnberg! Die Akademie nimmt den Schwung mit, sammelt sich
kurz und gibt mit einem kraftvollen Pass an die Stadtbibliothek ab. Überraschend schnell kann so der Ball vom Mittel-
feld direkt in den Angriffsbereich gebracht werden. Von einer gegnerischen Mannschaft ist weit und breit nichts zu
sehen und so zieht die Stadtbibliothek durch und platziert den ersten Erfolg für die Mannschaft.“
Alle an der Kooperation beteiligten Partner freuten sich denn auch beim gemeinsamen Pressetermin zur Eröffnung der
Fußballbibliothek über den gemeinsamen Erfolg: „Ich bin selbst großer Fan des 1. FCN“, so Elisabeth Sträter, Direkto-
rin der Stadtbibliothek Nürnberg. „Fußball und Kultur gehören für mich zusammen.“
Denn, wie die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur betont: „… Fußball ist nicht nur das Kicken im Verein oder der
Samstagnachmittag mit der Sportsendung. Fußball beeinflusst Menschen in ihrer Arbeit, in ihrem Engagement, in ihrer
Weltsicht. Musik, Literatur und bildende Kunst – überall gibt es Bezüge. (…) Fußball ist Forschungsgegenstand, Pop-
Kultur, politisches Feld, Stehplatz und Stammtisch.“
Das Bild gibt einen Blick auf die im Eingangsbereich zur Zentralbibliothek untergebrachte Fuß-
ballbibliothek. Bildrechte: BCN

Übers Herz in den Kopf
Birgitt Glöckl, Leiterin der Akademie, erklärt: „Einen Großteil unserer Sammlung stellen wir nun der Öffentlichkeit zur
Verfügung und wünschen uns, dass Fußballbücher neue Leserinnen und Leser finden. Nicht zuletzt Kinder und Jugend-
liche, die manchmal erst über einen Umweg fürs Lesen zu begeistern sind.“ Denn wir wollen schließlich gerne zur Bil-
dung verführt werden.
Der 1. FCN begrüßt es sehr, ab jetzt noch stärker in der Stadt präsent zu sein: „Es ist erfreulich, dass der Club im
Herzen der Stadt, in einer der meistbesuchten Institutionen von Nürnberg gemeinsam mit der Stadtbibliothek und der
Deutschen Akademie für Fußballkultur Präsenz zeigt und die Fußballliteratur an prominenter Stelle den Stellenwert
erhält, der ihr entspricht“, findet Dr. Thomas Grethlein.
Weil man im Fußball weiß, wie Emotionen entstehen, steuerte der 1. FC Nürnberg für die Fußballbibliothek auch ein
großes Bild von der FCN-Pokalsiegermannschaft 2007 bei, das im Eingang der Stadtbibliothek in den Vereinsfarben Rot
und Schwarz auf die sportliche Sammlung hinweist.
Die Literatur-Sammlung wird abgerundet durch Devotionalien des 1. FCN, die sich in drei Vitrinen bei den Bücherrega-
len befinden. Außerdem erhalten alle Leserinnen und Leser, die sich ein Buch aus der Fußballbibliothek entleihen, als
Geschenk ein Lesezeichen des Vereins. Darüber hinaus plant der 1. FCN Veranstaltungen mit ehemaligen Spielern und
Trainern in der Bibliothek.
Als sich beispielsweise die Stadtbibliothek Nürnberg 2018 und 2019 an dem großen Leseförderprojekt „Büchertürme“
beteiligte, unterstützte der FCN-Fußballer Georg Margreitter das Projekt als Schirmherr und motivierte die teilnehmen-
den Schülerinnen und Schüler über Videobotschaften und eine Vorlese-Aktion. Auch hier war deutlich zu spüren, wie
die Kinder und Jugendlichen über das persönliche und emotionale Erleben einen Bezug und über die Nähe wiederum
Sympathie und Engagement für das Thema entwickelten.

Nach dem Spiel … der Blick nach vorne
Die Rolle der Bibliotheken hat sich geändert – Medien sind ja längst nicht der einzige Grund, warum Menschen in Bib-
liotheken kommen. „Viele Menschen kommen gerne zu uns, weil sie die angenehme Atmosphäre schätzen. Wo hat
man in der Innenstadt schon die Möglichkeit, sich einen ganzen Tag lang entspannt aufhalten zu können, ohne irgend-
etwas konsumieren zu müssen?“, so Elisabeth Sträter. Insofern bringt die neue Rolle der Bibliotheken auch die Chance
mit sich, den Menschen näherzukommen.
Die Fußballbibliothek ist auch ganz im Sinne der Vorstellung, die man in Nürnberg über die Zukunft der fränkischen
Großstadt hat. Nürnberg hat sich für den Titel der Kulturhauptstadt 2025 beworben und in diesem Zusammenhang
eine Vision für die Zukunft formuliert. Nürnberg will ein Raum der Menschlichkeit und Gemeinschaft sein. Und genau
diese Gemeinschaft und auch Menschlichkeit erleben viele in Vereinen und bei den Spielen ihres Lieblingsclubs. Das
Gefühl von Gemeinschaft, der emotionale Zusammenhalt für eine gemeinsame Sache können stark und positiv sein.
Da auch der negative Pol dieser starken Gefühle im Fußball wohlbekannt ist, scheint es umso angebrachter, dass man
sich mit dem gesamten Bereich des Fußballs eben auch in reflektierter Form auseinandersetzt, anhand von Literatur,
Dokumentationen, bei Lesungen usw.
Fußball und Kultur – geht das zusammen? Es sollte unbedingt!

Kinder erleben Fußball mit der Stadtbibliothek
Einmal die Fahne für den favorisierten Fußballclub schwenken … Viele Kinder und Jugendliche träumen davon, Seite
an Seite mit ihren Fußballidolen auf den Rasen zu laufen. Die Stadtbibliothek ließ für einige Kinder diesen Traum wahr
werden und brachte damit den Fußball den kleinen Besucherinnen und Besucher auch außerhalb der Bibliothek näher:
Für das Spiel des 1. FC Nürnberg am 11. Mai 2019 verloste die Stadtbibliothek dank der Unterstützung durch den Fuß-
ballclub für 13 Kinder die Möglichkeit, dabei zu sein und eine Fahne zu schwenken bzw. mit den Spielern und Schieds-
richtern einzulaufen. Wie erwartet waren die Karten gefragt, und das bevorstehende Erlebnis sorgte in vielen Familien
schon vor dem Spiel für große Aufregung. Der Vater eines Jungen, der als eines der drei so genannten „Schirikinder“
teilnehmen durfte, also an der Hand eines Schiedsrichters in das Max-Morlock-Stadion mit rund 50.000 Menschen ein-
lief, bedankte sich nach dem Spiel: „Danke für diesen tollen Gewinn. Mein Sohn war begeistert und mein Vater seit 40
Jahren das erste Mal wieder beim Club im Stadion. Auch er war mehr als begeistert.“

DIE AUTORIN:
Melanie Söllch ist stellvertretende Leiterin des Bereichs Marketing und Öffentlichkeitsarbeit am Bildungscampus Nürn-
berg.
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BIBLIOTHEKEN IN BAYERN

Annäherung an einen Nobelpreisträger
Das Thomas-Mann-Zimmer in der Stadtbibliothek Bad Tölz
Von Birgit Botzenhart
Dass die Stadtbibliothek in Bad Tölz (Oberbayern) ein eigenes Thomas-Mann-Zimmer bekommen hat, ist Fortuna und
Entscheidungsfreude zu verdanken. Besucher* innen der dortigen Bibliothek können seit Oktober 2018 im ersten Stock
Platz nehmen und ausgiebig in Werken über und von Thomas Mann und seiner Familie schmökern. Der Raum liegt im
ersten Stock ganz am Ende des Gangs. Elegant in Grau gehalten, lichtdurchflutet dank dreier großer Fenster, beher-
bergt das Thomas-Mann-Zimmer einen stattlichen Schreibtisch mit Stuhl, drei große, dunkle Bücherregale und kleinere
Accessoires.
Die ausgestellten Bücher zeigen nicht den gesamten Schatz der 2.500 Bücher umfassenden Arbeitsbibliothek. Sie
stammt aus dem Nachlass von Manns Privatsekretärin Anita Naef. Freundschaftlich eng verbunden war sie mit Erika
Mann und Golo Mann, verheiratet mit Peter de Mendelssohn, dem Verfasser der ersten großen Thomas-Mann-Biografie
„Der Zauberer“, die unvollendet blieb.
Naefs Bibliothek umfasst unter anderem viele interessante Ausgaben der Werke Thomas Manns und seiner sechs
Kinder Erika, Klaus, Golo, Monika, Elisabeth und Michael. „Auf Nachfrage können die Besucher*innen auch Bücher
aus dem Archiv erhalten“, weiß der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer, Vorsitzender des Münchner Thomas-Mann-
Forums. Naef vermachte diesem ihre Bibliothek.

Von Lübeck nach Bad Tölz
Wie dieses Erbe und das Thomas-Mann-Zimmer in Bad Tölz zusammenfanden, ist eine durchaus bemerkenswerte
Geschichte. Die Geschichte des Tölzer Thomas-Mann-Zimmers beginnt mit dem Ende des kleinen „Villino“ in Feldafing
am Starnberger See. In dem kleinen Haus eines Freundes, von Thomas Mann selbst „Mauseloch“ genannt, arbeitete er
zwischen 1919 und 1923 am „Zauberberg“. Ab Juli 1999 beherbergte es Naefs Bibliothek. Allerdings wurde im vergan-
genen Jahr aus dem Sondergebiet Museum ein Sondergebiet Wohnraum zugunsten einer Klinik und deren Personal.
Im „Starnberger Merkur“ war zu lesen: „Damit schließt die einzige Gedenkstätte für den Literatur-Nobelpreisträger in
Bayern.“
Ganz so schlimm steht es inzwischen nicht mehr um das Erbe Thomas Manns, denn Bad Tölz tut sich hier besonders
hervor. Seit 2017 erinnerte die Stadt an den Autor, der neun Jahre lang dort die Sommerfrische im eigenen Landhaus
verbrachte. Ein eigens konzipiertes Thomas-Mann-Jahr wartete mit Ausstellungen, Lesungen, Konzerten und Film-
vorführungen auf. Es fand deutschlandweit Aufmerksamkeit. Krönung war die Tagung der deutschen Thomas-Mann-
Gesellschaft aus Lübeck im Tölzer Kurhaus. Am 6. Juni 2019, dem Geburtstag des Autors, wurde ein Thomas-Mann-
Weg eingeweiht. Die Strecke reicht drei Kilometer weit und führt an acht Schautafeln in Buchform vorbei. Bilder, Zitate
und Textpassagen erzählen, was die Manns mit Bad Tölz verband.

Die wunderbare Lampe
Die Thomas-Mann-Villa steht noch im Original, ist allerdings nicht für Besucher*innen zugänglich, sondern in der
Obhut der Armen Schulschwestern. Dafür ist nun das Thomas-Mann-Zimmer ein Ort, wo dem Schriftsteller und seinem
Werk nachgespürt werden kann. Zur Eröffnung kam Enkel Frido Mann. Besucher*innen des Zimmers dürfen auch am
Schreibtisch Platz nehmen. Er ist allerdings nicht das Original, sondern ein nachgemachtes Requisit für den Film „Die
Manns“ von Heinrich Breloer aus dem Jahr 2001 mit Armin Mueller-Stahl als Thomas, Monica Bleibtreu als Katia und
Sebastian Koch als Klaus Mann.
Auch weilte der Schriftsteller zu Lebzeiten nie in dem Raum, da das Gebäude zur damaligen Zeit noch ein Gerichts-
gebäude war. Ein „Wunder“ hingegen nennt es Dirk Heißerer, dass über dem Schreibtisch die echte Lampe aus dem
Arbeitszimmer der Münchner Villa Thomas Manns hängt. „Nach allen Prüfungen hängt die richtige Lampe über dem fal-
schen Schreibtisch“, sagt Heißerer, „aber es ist passend, denn Thomas Mann selbst stellte die Literatur immer wieder
in Frage.“
Dass die Lösung für das neue Heim der Bibliothek innerhalb von vier Wochen gefunden war, kann Heißerer nicht genug
loben. „Das Thomas-Mann-Zimmer stellt eine Museumssituation dar, aber keine strenge, die Bücher sind zum Anfas-
sen da.“ Beteiligt daran waren der Tölzer Kulturreferent und Dritte Bürgermeister, Dr. Christof Botzenhart, die Biblio-
theksleiterin Melanie Sappl und Stadtmuseumsleiterin Elisabeth Hinterstocker.
Das Bild zeigt das Thomas-Mann-Zimmer mit einem Schreibtisch, Bücherregal, Leuchter und
Büste. Bildrechte: Birgit Botzenhart

Mann einfach lesen
Heißerer verweist auf die Zusammenarbeit von Stadtbibliothek und Gabriel von Seidl-Gymnasium, gleich auf der ande-
ren Straßenseite gelegen. „So kann man auch die Jugend für Thomas Mann gewinnen“, ist er zuversichtlich. Er selbst
hält hin und wieder Vorträge in der Tölzer Stadtbibliothek, deren rund 40 Plätze stets voll besetzt sind. Er sieht sich
selbst als Türöffner für Manns Literatur, um die Scheu vor Thomas Mann zu überwinden. Kulturreferent Botzenhart
sieht den Wert im Thomas-Mann-Zimmer ebenso: „Der beste Weg, sich Thomas Mann zu nähern, ist, ihn zu lesen.“

DIE AUTORIN:
Birgit Botzenhart ist Journalistin in Bad Tölz und schreibt für den Tölzer Kurier (Münchner Merkur).
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BIBLIOTHEKEN IN BAYERN

Ein Jubiläum mit vielen Aktionen
Zehn Jahre Stadtbücherei Augsburg am Ernst-Reuter-Platz
Von Wolfram Siemons
Im Juni 2009 wurde die neue Zentrale der Stadtbücherei Augsburg am Ernst-Reuter-Platz eingeweiht. Dieser zehnte
Jahrestag der Eröffnung wurde ab September gefeiert und fand am 11. und 12. Oktober 2019 mit Prominenz, Litera-
tur, Musik, Information und Theater seine Höhepunkte.
Bereits am 7. September begann eine Aktion für Kinder: ein Story Walk – das begehbare Bilderbuch, Leseförderung im
Vorbeigehen. In sechs Stationen konnte das Bilderbuch „Psst, ein Bär!“ von der Autorin und Illustratorin Daniela Kulot
in der Augsburger Innenstadt abgelaufen und Buchstaben eingesammelt werden. Diese ergaben ein Lösungswort, das
in der Stadtbücherei abgegeben werden konnte. Die glücklichen Gewinner erhielten während des „Tages der offenen
Tür“ altersgerechte Bücherpakete, die von Sponsoren zur Verfügung gestellt wurden. Veranstaltet wurde diese Aktion
von den „Freunden der Neuen Stadtbücherei“.
Ein weiteres Highlight vor den eigentlichen Festtagen war die Podiumsdiskussion am 4. Oktober mit dem Thema „Die
Zukunft des Lesens“, veranstaltet von der Buchhandlung am Obstmarkt. Die lebhafte Diskussion führten Bernd Sibler,
Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Klaus Zierer, Erziehungswissenschaftler und FAZ-
Autor, der Journalist Daniel Wirsching von der Augsburger Allgemeinen und Oberstudiendirektor Peter Kosak, Leiter
des Schulwerkes der Diözese Augsburg. Moderiert wurde der Meinungsaustausch, der das Spannungsfeld zwischen
analogem und digitalem Lesen auszuloten versuchte, von Dr. Ulrike Schaupp von der Ludwig-Maximilians-Universität
München.
Seit einigen Jahren kooperiert die Stadtbücherei mit der Augsburger Allgemeinen und veranstaltet jeweils eine Woche
vor der Leipziger bzw. der Frankfurter Buchmesse einen Literarischen Abend, zu dem jeweils bekannte Autoren ein-
geladen werden. Nach einem Gespräch mit einem Journalisten lesen die Autoren dann aus ihren Werken. Anschließend
werden Neuerscheinungen der Buchmessen diskutiert.

Das Bild zeigt das Podium der Veranstaltung Literarischer Salon. Von links nach rechts: Ste-
fanie Wirsching (Augsburger Allgemeine), Marius Müller (Stadtteilbücherei Göggingen), Elke
Heidenreich, Kurt Idrizovic (Buchhändler). Bildrechte: Augsburger Allgemeine/Ulrich Wagner
Zur Feier des Jubiläums gelang es der Stadtbücherei am 11. Oktober die Autorin, Moderaterin und Literaturkritikerin
Elke Heidenreich zu gewinnen. „Mit großem Charme unterhält Deutschlands noch immer beliebteste ‚Leseanstifterin‘
ein längst ausverkauftes Haus“, titelte die Augsburger Allgemeine einen Tag später. „Sie liest aus ihrem bereits 2016
erschienenen Geschichten-Buch „Alles kein Zufall“. Auch hier charmante Geschichten aus ihrem Leben – und noch
dazu ein so versierter Vortrag auch in verschiedenen Dialekten, dass man die ehemalige Kabarettistin in Elke Heiden-
reich entdeckt.“ (AZ).
Eine ganz besondere Sternstunde war dann die Diskussion über einige Highlights des diesjährigen Bücherherbstes: Mit
Elke Heidenreich nahm erstmals ein Stargast auch an der zweiten Hälfte des Literarischen Salons teil. Hier zeigte sich
ihr Können aus fast 50 Jahren Literaturkritik.
Am Samstag, 12. Oktober, dem „Tag der Offenen Tür“, begrüßte die kommissarische Leiterin der Stadtbücherei Jutta
Olbrich die Anwesenden aus Politik, der Stadtgesellschaft und die Leserinnen und Leser, worauf die Grußworte der 2.
Bürgermeisterin Eva Weber und der 1. Vorsitzenden des Freundeskreises Inga Gölitz folgten. Musikalisch umrahmten
Wolfgang Lackerschmid und Stefanie Schlesinger und das Duo „Musique in Aspik“ den Tag, der für jedes Alter etwas
bot: Figurentheater für die Kinder, Spiele und Tanzvorführungen für Jugendliche, die Jugendinformation des Stadt-
jugendrings, vielseitige Mitmach- und Informationsangebote durch einen weiteren Partner, das Büro für bürgerschaft-
liches Engagement, einen Rap-Workshop und vieles mehr. Abschließend wurde in einem szenischen Stück den beiden
kabarettistischen Kollaborateuren Bert Brecht und Karl Valentin nachgespürt.
Ein Jahr Vorbereitungszeit und viel Energie und Abstimmungsarbeit haben sich gelohnt. Die Leserinnen und Leser
sowie das Team der Stadtbücherei waren mehr als zufrieden mit diesem rundum gelungenen Jubiläum.

DER AUTOR:
Wolfram Siemons ist in der Stadtbücherei Augsburg zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen.
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BIBLIOTHEKEN IN BAYERN

Der Bücherbus rollt wieder
Einweihung der neuen Kreisfahrbücherei Neustadt an der
Aisch-Bad Windsheim
Von Norbert Hellinger
Bei strahlendem Sonnenschein wurde am 20. Oktober 2019 beim „Scheinfelder Holztag“ der neue Bücherbus der
Kreisbücherei Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim (Mittelfranken) feierlich eingeweiht und damit seiner Bestimmung
übergeben. Wenngleich sich der Zusammenhang zwischen „Frankens größter Freiluftausstellung rund ums Holz“ und
der neuen Kreisfahrbücherei nicht auf den ersten Blick erschließt: Neben den zahlreichen Interessierten, die schon
sehnlichst auf den Neustart der Bücherbustouren warteten, nutzten auch viele Flaneur*innen auf der Holzmeile die
Gelegenheit, einen Blick in den nagelneuen Bücherbus zu werfen.
Der war erst kurz vorher auf seiner Jungfernfahrt vom Werk des finnischen Herstellers, der Firma Kiitokori, über Hel-
sinki mit der Fähre nach Travemünde und nach der Abnahme des TÜV schließlich nach Scheinfeld gebracht worden.
Die von bibliothekarischem Personal begleiteten, sich im Dreiwochenrhythmus wiederholenden 15 unterschiedlichen
Touren durch den Landkreis zu allen Ortschaften und vor allem zu den Grundschulen sind zwar in Zukunft nicht mehr
ganz so weit wie die Überführungsfahrt durch halb Europa, garantieren aber die Versorgung der großen und kleinen
Bürger in allen Winkeln des Landkreises und spielen eine wichtige Rolle bei der Leseförderung. So werden die Kinder
niedrigschwellig an die Bücher und das Lesen herangeführt.
Die Neuanschaffung wurde über die Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen an der Bayerischen Staatsbi-
bliothek durch den Freistaat Bayern gefördert. Schließlich ist es nicht mehr selbstverständlich, dass sich ein Landkreis
einen neuen Bücherbus leistet. Aber der Landkreis Neustadt an der Aisch hatte sich schon 1964 als erster Landkreis in
Bayern entschieden, einen Bücherbus als Fahrbücherei einzusetzen, um auch die kleinen Ortschaften mit Lesestoff zu
versorgen.
Die Neuanschaffung des jetzigen Bücherbusses war schon 2018 beschlossen und dann europaweit ausgeschrieben
worden, nachdem der frühere Bücherbus nach 25 Jahren nicht mehr verkehrstüchtig war. Zur Überbrückung wurde
vorübergehend ein gebrauchter Bücherbus gekauft und eingesetzt, der aber im Mai diesen Jahres bei einem Unfall so
stark beschädigt worden war, dass die Touren bis zur Ankunft des neuen Busses eingestellt werden mussten. Dafür ist
der neue Bus nun auch technisch auf dem neuesten Stand, ausgestattet mit einem Lift für Gehbehinderte oder Mütter
mit Kinderwagen und mit einem Abbiegeassistent.
Im Innern bestückbar mit knapp 4.000 Medien, steht für den Bücherbus ein Gesamtbestand von ca. 12.000 Medien
zur Verfügung. Neben der Fahrbücherei gehören zur von Dip.-Bibl. Cordula Eckerle geleiteten Kreisbibliothek auch drei
ortsfeste Bibliotheken in Scheinfeld sowie in den Schulzentren in Neustadt a.d.Aisch und in Bad Windsheim.

Das Bild zeigt den blauen Bücherbus der Kreisfahrbücherei Neustadt an der Aisch - Bad Winds-
heim. Bildrechte: Landesfachstelle/Norbert Hellinger

DER AUTOR:
Norbert Hellinger ist Leiter der Außenstelle Nürnberg der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen an der
Bayerischen Staatsbibliothek.
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HISTORISCHE SCHÄTZE

Buch mit Schuss
Eine besondere Gelegenheitsschrift in der Landesbibliothek
Coburg
Von Isolde Kalter
Eher unspektakulär liegt er heute vor uns, der Band mit der Signatur Tb 304 der Landesbibliothek Coburg, eingebun-
den in Pappe, mit Marmorpapier der Zeit um 1700 überzogen, die Ecken und der Rücken mit Pergament verstärkt. Das
unregelmäßige Einschussloch in der Mitte des vorderen Buchdeckels ist kaum noch zu sehen, da auch das Buntpapier
schon etwas abgegriffen ist.
Vor der Restaurierung sah das anders aus: Genau durch die Mitte war im Zweiten Weltkrieg, als der Band noch auf
dem Dachboden des Gymnasiums Casimirianum lag1, ein Granatsplitter quer durch das ganze Buch geschlagen. Er riss
ein unregelmäßiges Loch hinein, die einzelnen Blätter verhakten sich an den Rändern miteinander. Nun bedeutete jede
Öffnung des Bandes auch eine Gefährdung der Blätter, die dabei einreißen und weitere Substanz verlieren konnten.
Zudem hatte dem Band auch Feuchtigkeit etwas zugesetzt, so dass die Pergamentteile des Einbands sich vom Papier
gelöst hatten und der Buchblock leicht aufgequollen war.
In diesem Zustand fiel er der Verfasserin dieser Zeilen zum ersten Mal auf, und da sie durch ihre Beschäftigung mit
Werken des 17. Jahrhunderts schon der Rückenaufschrift „Miscellanea et varia“ entnehmen konnte, dass es sich um
einen Sammelband handeln musste, notierte sie sich einige Titel, die sie auf den ersten Blättern und einer weiteren
Seite im Inneren fand.

Eine Überprüfung der ersten Stücke führte zu folgendem Ergebnis:
Mylius, Johann: Bewillkommung (für Ludwig VI., Landgraf zu Hessen, anlässlich der Heimführung seiner Gemahlin
1651) – KVK 00
Dem Herrn Quensteten … (zur Hochzeit des lutherischen Theologen Johann Andreas Quenstedt 1653) – KVK 00
Nächtliche Auffwartung (Begrüßung für Ludwig Günther II., Graf zu Schwarzburg –Sondershausen, in Leipzig 1653) –
KVK 00
Das heißt, schon die ersten drei enthaltenen Schriften waren damals in Deutschland nicht nachweisbar. Ein weiterer
Titel, der für ein Foto aufgeschlagen wurde – Treiber, Heinrich Ernst: Des Durchläuchtigsten, Hochgebornen Fürsten
und Herrn, Herrn Albrechten, Hertzogen zu Sachsen … Geburts-Tag … 1672 – war damals im Karlsruher Virtuellen
Katalog (KVK) nur in einem Exemplar nachweisbar. Weiter wurde nicht geöffnet, um die vorhandenen Schäden nicht
zu vergrößern. Die Schätzung betrug damals mindestens 100 enthaltene Titel, vermutlich alles Gelegenheitsschriften.
Gelegenheitsschriften sind eine typische Gattung des literarischen Barocks. Sie wurden, wie ihr Name schon sagt, zu
einem bestimmten Anlass verfasst. Man feierte die Hochzeit, den Geburts- oder Namenstag, den Antritt eines Amtes
oder betrauerte das Ableben einer Person. Die Gelegenheitsschrift stellt eine Beziehung her zwischen Autor und Gefei-
ertem bzw. dessen hinterlassener Familie: Verwandtschaft oder Bekanntschaft, Geschäftsbeziehungen, Suche nach
Gönnern oder Dank an sie. Sind von einem Ereignis mehrere Gelegenheitsschriften (von verschiedenen Verfassern)
erhalten, bietet sich ein ganzes Beziehungsnetzwerk dar. In Sammelbänden wie diesem sind noch dazu häufig Gele-
genheitsschriften aus dem gleichen Gebiet und derselben Zeit versammelt, so dass ein Überblick über die gesellschaft-
lichen Beziehungen an diesem Ort und zu dieser Zeit möglich ist.
Gelegenheitsschriften sind von geringem Umfang, oft nur zwei oder vier Blätter. Sie wurden in eher kleiner Auflage
hergestellt, vielleicht ungefähr in der Anzahl der geladenen Gäste, so dass man von Auflagen von etwa 50 bis 100 aus-
gehen kann. Da es sich um Gebrauchs- oder gar Verbrauchsdrucke handelte, war ihnen von vornherein kein Nachleben
bestimmt. Selbst wenn der Gast sie vielleicht noch zum Andenken aufbewahrte, muss man doch schon in der nächsten
Generation mit dem Verlust rechnen, wenn die Erben die gefeierte Person nicht mehr kannten.
Aufgrund der geringen Produktionszahl und der hohen Verluste handelt es sich bei vielen der noch vorhandenen Stü-
cke um Unica oder zumindest Rara.
Apropos Gelegenheit: Als die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) für die Modell-
projektförderung 2017 den Themenschwerpunkt „Das besondere Format“ vorgab, erkannte die Landesbibliothek
Coburg die Chance, diesen Kulturschatz zu heben. Ein Antrag wurde gestellt und ohne Umschweife bewilligt; mit
Unterstützung des bei der Bayerischen Staatsbibliothek angesiedelten Instituts für Bestandserhaltung und Restaurie-
rung (IBR) wurden Kostenvoranschläge eingeholt und die Restaurierung des Bandes betreut.
Die Abbildung zeigt den bei Beiband 47 aufgeschlagenen Sammelband mit seinen durch den
Granatsplitter hervorgerufenen deutlichen Beschädigungen Bildrechte: IBR München.

Im Jahr 2019 konnte der frisch restaurierte Band katalogisiert werden. Allein die Statistik ist schon bemerkenswert:
von 117 enthaltenen Titeln (116 Gelegenheitsschriften, ein Theaterzettel) konnten fünf an vorhandene Aufnahmen im
B3Kat angehängt werden. Für 38 fanden sich Vorlagen im VD17 (die dann in eine Neuaufnahme im B3Kat mündeten),
74 wurden komplett neu und mit den für die Übernahme in das VD17 erforderlichen Besonderheiten katalogisiert. Für
21 Personen wurden Neuaufnahmen in der GND erstellt.
Das einzige Werk in diesem Band, das ausschließlich als Theaterzettel anzusehen ist, ist die Ankündigung von Johann
Riemers „Trauer-Spiel Des Gestrafften Staats-Eiffers Welches unter Maria Stuarts Enthaubtung In disen 1679. Jahre,
Und zwar Zum ersten mal den 13. Martii, die Wiederholung aber auff den 17. dito Zu Weißenfels Mit der allda Studi-
renden Gesellschaft In dem Hoch-Fürstl. Augusteo Wird vorgestellet werden“.
Zeitlich erstrecken sich die Schriften auf die Spanne von 1651 bis 1680, mit deutlichen Schwerpunkten 1664/65 Jena,
1672 Gotha und Altenburg, 1673 Jena, 1676 Gotha und Jena, 1677 Rudolstadt, 1679 Saalfeld, 1680 Saalfeld und
Gotha. An Sprachen finden sich überwiegend Deutsch, etwas Latein, bei einigen Titeln auch Französisch (Auswertung
über OPAC: 94 deutsch, 28 lateinisch, 3 französisch, wobei Mehrfachnennungen möglich sind). Der Umfang der Schrif-
ten ist im Allgemeinen gering, meist nur zwei Blätter. Ausnahmen sind die Beibände 46 (40 Seiten) und 83 (44 Sei-
ten).
62 Schriften sind Adligen und Bürgerlichen gewidmet, die „kleinere Hälfte“ verschiedenen Angehörigen regierender
Häuser. Zwei gelten den Fürstbischöfen von Mainz und sind in Erfurt gedruckt, einige den sächsischen Kurfürsten
(albertinische Wettiner) und den Grafen von Schwarzburg-Sondershausen, die große Masse aber ernestinischen Fürs-
ten und Angehörigen ihrer Familien. Jeweils acht Gelegenheitsschriften wurden zu Ehren von Albrecht (1648–1699)
und Maria Elisabeth (1638–1687) von Sachsen-Coburg (Tochter des Wolfenbütteler Bibliotheksgründers) verfasst, eine
für beide; eine weitere Schrift wurde Herzog Albrecht gewidmet, ohne dass sie sich direkt zu einem Ehrentag an ihn
richtet. Ein deutlicher Schwerpunkt findet sich für die Linien Altenburg (8 Titel) und Gotha-Altenburg (14 Titel), insbe-
sondere zum Zeitpunkt des Aussterbens der Altenburger Linie 1672. Der Abbruch der Sammlung 1680 könnte mit der
Verlegung der Residenz des Herzogs Albrecht von Saalfeld nach Coburg zusammenhängen.
Einige Vorbesitzer sind durch handschriftliche Widmungen einzeln zu erkennen: die Beibände 6 und 8 wurden „Frau
Anna Dorothea Weigandin“ und der Beiband 7 dem „Herrn Schwäger Gottfried Wilhelmi“ (Wilhelmi war 1675 bis 1680
Amtmann in Saalfeld) verehrt. Die Beibände 28, 74 und 76 wurden Johann Ludwig Breithaupt gewidmet, mit dem wei-
tere fünf Beibände in Verbindung stehen (36, 72, 77, 96, 117).
Als Vorbesitzer des Sammelbandes kommt also eine Person in Frage, die in den Jahren 1664 und 1665 in Jena stu-
dierte, sich um 1672 am gothaischen Hof befand und eine enge Beziehung insbesondere zu Herzog Albrecht hatte,
dem zweiten Sohn des Gothaer Bibliotheksgründers Ernsts des Frommen und nach dessen Tod zunächst regierenden
Herzog in Saalfeld und danach in Coburg. Ob der Abbruch 1680 eher darauf hindeutet, dass die Person selbst umzog
und den Band deshalb abschloss oder eben nicht umzog und den Band, vielleicht noch ungebunden, dem Herzog bzw.
seinem Hofstaat zum Umzug überreichte, ist nicht zu entscheiden. Auf Johann Ludwig Breithaupt (1644-1690)2 treffen
einige dieser Punkte zu: Studium in Jena, 1666 abgebrochen; er begleitete gothaische Prinzen auf verschiedenen Rei-
sen und war schließlich als Kammer- und Lehnssekretär Herzog Albrechts in Saalfeld und Coburg tätig. Aber wie kam
das Buch ins Gymnasium Casimirianum, dessen Altsignatur Cas 8645 es trägt?3
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