Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT

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Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
dpr
 Magazin für Medien, Marketing & Kommunikation
                                                       Sonderheft
                                                      Bibliotheken
                                                         DIGITAL PUBLISHING REPORT

                                                                        ISSN 2512–9368

    Onleihe und
    eLizenzen
    Der Streit – drei Sichtweisen

Neue Wege                      Mehr als Playstation Podcasts
Design Thinking und Customer   Die Gamified-Corona-     Bibliotheken entdecken einen
Journey im Mittelpunkt         Zukunftsbibliothek       neuen Kommunikationskanal
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Ein paar Worte zum Geleit

Liebe Leserinnen, liebe Leser,                                              weil viele Bibliotheken oder deren
                                                                            Träger generelle Reiseverbote bis
unser erstes „Sonderheft Biblio-                                            weit ins Jahr 2020 ausgesprochen
theken“, Anfang 2019 erschienen,                                            hatten. Niemand will seine Be-
hatte vor allem eines im Blick: die                                         sucher gefährden – und niemand
bunte, vielfältige Welt der Biblio-                                         will einen Kongress mit leeren
theken, ihre Aufgaben und Her-                                              Reihen.
ausforderungen einem breiteren
Publikum näher zu bringen. Nicht                                                  Nichtsdestotrotz sind wir bei
ganz ohne Erfolg – tatsächlich er-                                          unserem Redaktions- und Veröf-
zielten wir damit im Bibliotheks-                                           fentlichungsplan geblieben, nicht
umfeld eine riesige Resonanz und                                            zuletzt, um trotz des entfallenen
mehr als großes Interesse.                                                  Bibliothekartags die Aufmerk-
                                       Steffen Meier, Journalist, Gründer   samkeit auf aktuelle Themen und
       Auch mit dieser Ausga-          und Herausgeber des DIGITAL          Diskussionen der Bibliotheks-
be fühlen wir uns diesem selbst        PUBLISHING REPORT.                   welt zu lenken. Im vorliegenden
gestellten Auftrag verpflichtet,                                            Sonderheft erwarten Sie viele
kommt Bibliotheken doch auch                                                spannende Interviews und Artikel
gesamtgesellschaftlich eine im-                                             zu den verschiedensten Themen:
mer wichtigere Rolle zu. Aus der                                            Angefangen bei Marketing und
Büchersammlung von einst ist ein                                            Kommunikation, Gaming, Social
riesengroßes Bündel an höchst                                               Media, Customer Journey, Design
differenzierten Angeboten ge-                                               Thinking über Automatisierung
worden. Erst Ende letzten Jahres                                            und Robotik bis hin zu Open
hat sich dies in einer Umfrage                                              Access und Finanzierungsfragen.
von Gallup gezeigt: „Visiting the                                           Darüber hinaus finden Sie im Heft
library remains the most common                                             Portraits von Bibliotheken ganz
cultural activity Americans en-                                             unterschiedlicher Ausrichtung.
gage in, by far. The average 10.5
trips to the library U.S. adults                                                  Einen weiteren thematischen
report taking in 2019 exceeds their                                         Schwerpunkt haben wir mit der
participation in eight other com-                                           „Onleihe-Debatte“ ins Heft auf-
mon leisure activities.“ Wie lange                                          genommen: Wir lassen den Biblio-
es wohl noch dauert, bis auch in                                            theksverband, den Verlegeraus-
Deutschland der Bibliotheksbe-         Dennis Schmolk, Projektmanager       schuss wie auch den Vorsitzenden
such die liebste Freizeitbeschäfti-    im Legal-Tech-Bereich, Experte       des Selfpublisher-Verbands zu Wort
gung ist?                              für digitalen Nachlass, Mitheraus-   kommen und die Verbraucher-
                                       geber des Sonderhefts Bibliothe-     studie von Börsenverein und GfK
      Doch zurück zu der vorlie-       ken. Web: dennisschmolk.de           einordnen und kommentieren.
genden Ausgabe: Dieses zweite
„Sonderheft Bibliotheken“ des                                                    Das Heft wäre nicht möglich
DIGITAL PUBLISHING REPORT                                                   gewesen ohne die freundliche und
planen wir seit fast einem Jahr.      war von Anfang an „Ende Mai“          umfassende Hilfe unserer Autoren
Der Erfolg des ersten Sonderhefts     unser Ziel – denn vom 26. bis 29.     und Partner. Besonders bedanken
verpflichtet schließlich – und        Mai 2020 sollte in Hannover der       möchten wir uns auch beim Deut-
daher wollten wir auf keinen Fall     109. Deutschen Bibliothekartag        schen Bibliotheksverband dbv, der
hinter die Qualität des Vorgängers    unter dem Motto „Vorwärts nach        uns mit Rat und vielen Inhalten
zurückfallen. 2019 veröffentlich-     weit“ stattfinden. Sie ahnen schon,   unterstützt hat.
ten wir das Heft zum Bibliotheks-     was dann kam: Der Bibliothekar-
kongress im März, und auch für        tag wurde aufgrund der Corona-        Wir wünschen Ihnen eine inspirie-
2020 wollten wir das Erscheinen       Pandemie abgesagt – einerseits,       rende Lektüre!
auf das Datum einer passenden         um Aussteller, Speaker und Be-
Fachveranstaltung legen. Daher        sucher zu schützen, andererseits,     Steffen Meier und Dennis Schmolk

                                                        2                           dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
dpr
                                                 Sonderheft
                                                Bibliotheken
                                                    DIGITAL PUBLISHING REPORT

 www.digital-publishing-report.de

Inhalt
„Bibliotheken und Verlage haben seit Langem mehr gemeinsame als konträre
Interessen“
Andreas Degkwitz                                                                         5

Kannibalisieren Onleihe und Co. das E-Book-Geschäft der Verlage?
Statements                                                                               8

eLizenzen in Öffentlichen Bibliotheken
Tom Becker                                                                              16

Digitalisierung: 5 Funktionen für eine Bibliothek der Zukunft
Petra Büning                                                                            21

Bibliotheken und Nachhaltigkeit: Agenda 2030
Andrea Kaufmann                                                                        27

Kurzporträt der Stadtbibliothek Nürnberg                                               33

dpr promo: Digitalstrategie & Innovation                                               37

Der Podcast der Münchner Stadtbibliothek im Portrait                                   41

Bibliothekarische Podcasts                                                             43

„Inhaltlich ist die ganze Bandbreite der digitalen Leseförderung denkbar“
Brigitta Wühr                                                                          47

Die Gamified-Corona-Zukunftsbibliothek
Christoph Deeg                                                                         50

                                           3                    dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Inhalt

Digitale Bibliotheksangebote brauchen eine digitale Community
Stephan Schwering                                                                                                 56

„Bibliotheken können einen Beitrag zum Verständnis von Technologie leisten”
Elgin Helen Jakisch                                                                                               59

Die Customer Journey in Bibliotheken
Anke von Heyl                                                                                                     63

Alles neu macht ... Design Thinking
Julia Bergmann                                                                                                    66

Da bewegt sich was: Digitale Partizipation in der Münchner Stadtbibliothek
Katrin Schuster                                                                                                   70

Instagram für Bibliotheken
Markus Trapp                                                                                                      76

Open Access: Trends und Tendenzen
Sven Fund / Philipp Hess                                                                                          80

dpr promo: „Gemeinsam für Bibliotheken“
Jörg Pieper                                                                                                       84

Wohnzimmer für die ganze Stadt: Bibliothek Oodi
Viola-Kristin Rüdele                                                                                              88

Presseausschnitte digitalisieren
Kathrin Mayer                                                                                                     92

Kurzporträt: Institut für moderne Kunst                                                                           97

Impressum
Der DIGITAL PUBLISHING REPORT ist ein monatlich erscheinendes Magazin für Medien, Marketing & Kommunikation.
Herausgeber und V.i.S.d.P.: Steffen Meier. Redaktion: dpr / Postfach 12 61 / 86712 Nördlingen. Co-Herausgeber: Daniel
Lenz. Art Direction: blocksatz 3000. Textredaktion: Nikolaus Wolters. ISSN zugeteilt vom Nationalen ISSN-Zentrum für
Deutschland: Digital publishing report ISSN 2512–9368
Bildquellen: Alle Bildrechte sind entweder in den Artikeln direkt vermerkt oder liegen bei den Autoren.

                                                          4                               dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Standpunkt

„Bibliotheken und
Verlage haben seit
Langem mehr gemein-
same als konträre
Interessen“
Prof. Dr. Andreas Degkwitz ist seit einem Jahr
Bundesvorsitzender des Deutschen Bibliotheks-
verbandes (dbv). Ein guter Zeitpunkt für eine
Zwischenbilanz
                      5              dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Standpunkt

P
     rof. Dr. Andreas Degkwitz ist                                          Viele unserer Leser sind mit den Inter-
     seit einem Jahr Bundesvorsit-                                          na der Bibliothekswelt nur bedingt
     zender des Deutschen Biblio-                                           vertraut. Wie würden Sie Auftrag,
theksverbandes (dbv). Ein guter                                             Funktion und Bedeutung des Biblio-
Zeitpunkt für eine Zwischenbi-                                              theksverbandes kurz skizzieren?
lanz: Was wurde geschafft, was ist
noch zu tun – und wo liegen die                                             Der Deutsche Bibliotheks-
Schmerzpunkte der Bibliotheks-                                              verband (dbv) unterstützt die
welt?                                                                       Bibliotheken in ihrer Weiter-
                                                                            entwicklung. Dazu gehören der
Lieber Herr Professor Degkwitz, Sie                                         persönliche Erfahrungsaus-
sind nun seit einem Jahr im Amt des                                         tausch in Sektionen einzelner
Bundesvorsitzenden des Deutschen                                            Bibliothekstypen, die Entwick-
Bibliotheksverbandes. Wie lautet die                                        lung von Empfehlungen in Fach-
erste Zwischenbilanz? Was waren Ihre                                        kommissionen ergänzt durch die
Vorsätze – und bei welchen gab es                                           Bereitstellung von umfassenden
Erfolge?                                                                    Informationen im „Bibliotheks-
                                                                            portal“ . Mit seiner Interessen-
Öffentliche und wissenschaftli-                                             vertretung unterstützt der dbv
che Bibliotheken haben manches                                              darüber hinaus die Verbesserung
gemeinsam, unterscheiden sich                                               der politischen und rechtlichen
aber in vielen Punkten – insbe-                                             Rahmenbedingungen für die An-
sondere, was ihre Zielgruppen                                               gebote der Bibliotheken. Dazu
mit recht unterschiedlichen                                                 gehört vor allem das Urheber-
Anforderungen und Erwartungen                                               recht wie auch die Möglichkeit
betrifft. Öffentliche Bibliothe-                                            der Sonntagsöffnung für die
ken (ÖBs) und wissenschaftli-                                               ÖBs. Weiterhin vermittelt der
che Bibliotheken (WBs) können                                               dbv Projektförderungen, die zur
daher viel voneinander lernen.                                              Kompetenzentwicklung und zum
Denn ÖBs zeichnen sich durch                                                Auf- und Ausbau neuer Services
ihre Programmarbeit und neue                                                vor allem in den ÖBs beitragen.
(digitale) Angebote für viele ver-
schiedene Zielgruppen aus, WBs                                              Sie hatten zu Ihrem Antritt davon
durch die Entwicklung neuer                                                 gesprochen, dass der digitale Wandel
Informationsinfrastrukturen und        Prof. Dr. Andreas Degkwitz, Direk-   “Bibliotheken in der Mitte unserer
Services.                              tor der Universitätsbibliothek der   Gesellschaft” positioniere. Wie dürfen
                                       Humboldt-Universität (HU) und        wir das verstehen?
      Nachdem die WBs ein Posi-        Honorarprofessor im Fachbereich
tionspapier zur ihrer Weiterent-       Informationswissenschaften der       Die Digitalisierung verändert alles:
wicklung im Rahmen des digita-         Fachhochschule Potsdam, ist Vor-     Kommunikation, Medien und viele
len Wandels erarbeitet und 2018        sitzender des Deutschen Biblio-      Abläufe und Verfahren in unserer
veröffentlicht haben , wollen nun      theksverbandes e.V.. Degkwitz hat    Gesellschaft. Das erleben wir alle
auch die ÖBs eine strategische         Klassische Philologie und Lite-      tagtäglich in Ausbildung, Beruf,
Positionierung vor dem Hinter-         raturwissenschaften in Freiburg,     Freizeit, Kultur, Politik, Wirtschaft
grund der Digitalisierung von          Basel und Wien studiert. Er arbei-   und Wissenschaft.
Medien und Services entwickeln.        tete in Heidelberg, Bonn, Potsdam
In diesem Kontext soll auch die        und Cottbus als Bibliothekar, seit         Mit ihren vielfältigen Me-
gesellschaftliche Rolle von Biblio-    2011 wirkt er an der HU.             dienangeboten, die weit über
theken spürbar werden.                                                      traditionelle Buchformate hinaus-
                                       Foto: Copyright dbv_Lukas Berg-      gehen, sowie mit ihren Services
                                       mann                                 zur Vermittlung von Informa-
                                                                            tions- und Medienkompetenz
                                                                            unterstützen Bibliotheken diese

                                                       6                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Standpunkt

Entwicklungen und tragen dazu                                                Zuge der digitalen Transforma-
bei, dass sich ihre Nutzerinnen                                              tion häufig in Frage gestellt oder
und Nutzer in der digitalen Welt                                             verlieren an Bedeutung – mit sehr
besser zurecht finden. Diese Auf-                                            nachteiligen Folgen für Bildung,
gaben sind für Ausbildung und                                                Kritikfähigkeit und Informations-
Beruf wie für den Zusammenhalt                                               kultur. Der Wandel der Kommu-
unserer Gesellschaft von zentra-                                             nikations- und Medienformen
ler Bedeutung. Von daher steht                                               darf nicht zu Qualitätsverlusten
für mich außer Frage, dass der                                               der Informations- und Wissens-
digitale Wandel Öffentliche und                                              vermittlung führen. Vor diesem
wissenschaftliche Bibliotheken in                                            Hintergrund müssen Bibliotheken
der Mitte der Gesellschaft posi-                                             mit ihrem Auftrag der Informa-
tioniert.                                                                    tions- und Medienversorgung
                                                                             Verantwortung für eine von
Welche Herausforderungen sehen                                               Kompetenz und Transparenz ge-
Sie in der nahen und in der ferneren                                         prägte Informationskultur über-
Zukunft auf Bibliotheken und den                                             nehmen. Die daran geknüpften
Bibliotheksverband zukommen?                                                 Anforderungen und Erwartungen
                                                                             an die Vermittlung von „Data-,
Aktuelle Herausforderungen sind                                              Information- and Media-Literacy“
die Urheberrechtsgesetzgebung                                                müssen Bibliotheken erfolgreich
und die nationale Umsetzung der                                              aufgreifen. Deutlich wird dabei
2019 verabschiedeten Urheber-                                                die verantwortungsvolle Rolle, die
richtlinie der EU. Dabei geht es                                             Bibliotheken in unserer Wissens-
auch um die Frage einer vorzeiti-                                            gesellschaft einnehmen.
gen Entfristung des Urheberwis-
senschaftsgesetzes (UrhWissG),                                               Wenn Sie “Wunschkonzert” spielen
das Bibliotheken und ihren Nut-                                              dürften: Wie sähe das Verhältnis
zerinnen und Nutzer angemes-                                                 der verschiedenen Buchbranchen-
sene Regelungen im Hinblick auf                                              Sparten am Ende Ihrer Amtszeit
digitale Medien bietet.                                                      aus? Welche Konflikte wären gelöst
                                                                             und welches Erbe würden Sie Ihrer
      Die gesetzliche Ermögli-                                               Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger
chung der Sonntagsöffnung nicht                                              hinterlassen?
nur von WBs, sondern auch von
ÖBs ist weiterhin ein Problem, das                                           Bibliotheken und Verlage haben
bundesweit gelöst werden sollte,       des Bibliotheksberufs muss stärker    seit Langem mehr gemeinsame
bevor jedes Bundesland eigene          kommuniziert und erklärt werden,      als konträre Interessen. Ja, die
Regeln beschließt.                     um künftig geeigneten Nachwuchs       Gemeinsamkeiten überwiegen.
                                       in Bibliotheken sicherzustellen.      Als Intermediäre für Medien
      Neue Aufgaben verändern          Nicht zuletzt muss sich auch der      prägen Verlage und Bibliotheken
das Image der Bibliotheken, erfor-     Verband selbst darauf einstellen,     das schriftliche Kulturgut in ver-
dern aber auch eine auskömmliche       Anforderungen und Erwartungen         schiedenen Formaten. Zugleich
Finanzierung. In diesem Kontext        gerecht zu werden, die sich aus der   tragen sie zu dessen Weiter-
muss in Gesellschaft und Politik       derzeitigen Umbruchsituation im       entwicklung bei. Mein großer
das gesellschaftliche Engagement       Zuge der digitalen Transformation     Wunsch ist, dass die Gemein-
von Bibliotheken als neue Rolle        ergeben.                              samkeiten von Bibliotheken und
vermittelt werden, die über die                                              Verlagen ihre Zusammenarbeit
Bereitstellung von Informationen       Welche Pläne haben Sie für die ver-   auf Dauer stärken und sowohl die
und Medien hinaus auch Beratung,       bleibenden Jahre der Amtszeit?        Qualität als auch die Weiterent-
Kompetenzentwicklung und ge-                                                 wicklung digitaler wie gedruck-
sellschaftliche Teilhabe umfasst.      Integrität und Qualität von Infor-    ter Schriftkultur als gemeinsame
Das daraus erwachsende neue Bild       mationen und Wissen werden im         Ziele verfolgen.

                                                         7                           dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Standpunkt

Kannibalisieren
Onleihe und Co. das
E-Book-Geschäft
der Verlage?
Kaum ein Thema wurde zum Jahreswechsel
so intensiv diskutiert wie die Leserstudie
von Börsenverein und GfK. Grund genug,
bei Bibliotheken, Verlagen und Autoren ein
Stimmungsbild einzuholen
                    8              dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Standpunkt: Bibliothek

O
       nleihe-Nutzer gehören                                                   kaufen, wenn sie diese in den
       zu den aktivsten Käufern                                                Bibliotheken ausleihen können.
       am Buchmarkt“ - Barbara                                                 Andere sind besorgt, dass der
Schleihagen, Bundesgeschäfts-                                                  Verleih von E-Books zu vermehr-
führerin des Deutschen Biblio-                                                 ten Raubkopien führen könnte.
theksverbandes, im Interview über                                              Autor*innen befürchten große
faktische und scheinbare Inter-                                                Einkommenseinbußen, sollte es
essenkonflikte, kommunikative                                                  zu einem Rückgang von Verkäu-
Lösungswege und die einseitige                                                 fen ihrer E-Books durch E-Aus-
Rezeption der GfK-Studie.                                                      leihen kommen. Während viele
                                                                               Verlage im E-Book-Verleih durch
Frau Schleihagen, die im November                                              Bibliotheken keine besonderen
vergangenen Jahres veröffentlichte                                             Probleme sehen und sehr frühzei-
Studie von GfK und Börsenverein zur       Barbara Schleihagen ist seit 2006    tig mit der Vergabe von Lizenzen
Onleihe schlug rasch hohe Wellen,         Bundesgeschäftsführerin des          die E-Ausleihe ermöglicht haben,
auf Verlags- wie auf Bibliotheksseite.    Deutschen Bibliotheksverban-         verlangen einige sehr hohe Preise
Welche Gründe sehen Sie für die zum       des e.V. (dbv) mit mehr als 2.100    oder vergeben Lizenzen für Neu-
Teil hochemotionale Debatte?              Mitgliedern. Nach Studium des        erscheinungen erst mit einer Ver-
                                          Bibliothekswesens und einem          zögerung von bis zu einem Jahr.
Eine Debatte, die sich über einen         Master in „Management of Library
langen Zeitraum ohne Aussicht             and Information Services“ war sie          Die Frage, auf welcher
auf eine solide Lösung für alle           einige Jahre in der auswärtigen      Grundlage E-Books durch Öffent-
ausdehnt, wird fast zwangsläufig          Kulturpolitik (British Council,      liche Bibliotheken ausgeliehen
immer emotionaler.                        EBLIDA, IFLA) tätig. Neben ihren     werden können, beschäftigt alle
                                          Aktivitäten für den internatio-      Beteiligte bereits seit vielen Jah-
      Für Bibliotheken geht es bei        nalen Verband IFLA ist sie die       ren. Im Jahr 2006, als bereits 25 %
einer Regelung für die E-Auslei-          deutsche Vertreterin im NAPLE-       der Öffentlichen Bibliotheken E-
he um ihr grundsätzliches Recht,          Forum, dem Zusammenschluss           Books „verliehen“ haben, forderte
selbst nach eigenen professio-            europäischer nationaler Behör-       der Deutsche Bibliotheksverband
nellen Kriterien darüber zu ent-          den für Öffentliche Bibliotheken,    (dbv) erstmals, dass E-Books und
scheiden, welche elektronischen           stellvertretende Vorstandsvor-       gedruckte Bücher gleichbehan-
Werke aus dem gesamten Buch-              sitzende der „Stiftung Lesen“        delt werden sollten. Er setzte sich
markt zu fairen Preisen erworben          sowie stellvertretende Beirats-      dafür ein, dass die Bibliothekstan-
werden können, so wie dies auf            vorsitzende der „Stiftung Digitale   tieme, die von den Bundesländern
gesetzlicher Grundlage auch bei           Chancen“.                            für die Ausleihe von physischen
gedruckten Büchern erfolgt. Beim          Foto: ©Stiftung Lesen / Sascha       Medien an die Urheber*innen ge-
E-Book steht es jedoch den Rech-          Radke                                zahlt werden, auch auf die elektro-
teinhabern völlig frei, den Zugang                                             nischen Medien ausgedehnt wird.
zu einem bestimmten Werk zu
gewähren oder zu verweigern und                                                Aber ein bisschen was hat sich schon
einseitig die Bedingungen und            Medienbestand sowie das Manage-       getan, oder?
Preise festzusetzen. Die Bibliothek      ment des Bestandes zu kalkulier-
kann daher ohne die Erlaubnis des        baren Kosten.                         Ja. Andere Bereiche, in denen der
Rechteinhabers E-Books weder                                                   dbv damals eine Gleichstellung
lizenzieren noch verleihen, wo sie       Eine Idee, die auf den Widerstand     gefordert hatte, wurden zwi-
doch beim gedruckten Buch ein-           einiger anderer Buchhandelsakteure    schenzeitlich an die Weiterent-
fach auf dem Buchmarkt im Rah-           stößt, namentlich den der Verlage.    wicklung der Medien angepasst:
men ihres Medienetats einkaufen                                                so gilt mittlerweile sowohl die
kann. Bibliotheken verlieren somit       Manche Verlage haben ernst-           Buchpreisbindung als auch die
die eigenständige Kontrolle über         hafte Bedenken und sehen die          reduzierte Mehrwertsteuer für
ein Herzstück ihrer Arbeit: den          E-Ausleihe als eine Geschäfts-        alle Bücher, egal, ob in analogem
Aufbau eines ausgewogenen, ziel-         gefährdung. Sie befürchten, dass      oder elektronischem Format. Hier
gruppengerechten und aktuellen           Leser*innen E-Books nicht mehr        wurde immer damit argumentiert,

                                                          9                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Sonderheft Bibliotheken - DIGITAL PUBLISHING REPORT
Standpunkt: Bibliothek

dass es nicht auf die Form, son-         Nur 16 % der „Onleihe“-Nutzer          Wo sehen Sie die größten Mängel in
dern auf den Inhalt ankäme.              würden mehr gedruckte Bücher           der Studie bzw. der Interpretation von
                                         bzw. E-Books kaufen, wenn es           deren Ergebnissen?
      Bibliotheken als Teil einer        keine „Onleihe“ gäbe. Jedoch
Branche, die von Autor*in über den       würden 62 % der „Onleihe“-Nutzer       Die Studie wurde sehr kompetent
Verlag und den Buchhandel führt,         weiterhin genauso viele gedruck-       von der GfK durchgeführt. Aller-
tragen selbstverständlich ihren Teil     te Bücher kaufen und 36 % der          dings wurden teilweise Thesen
zum Erhalt dieses Marktes bei und        „Onleihe“-Nutzer genauso häufig        geprüft, die für Bibliotheken gar
verleihen ihre E-Books in gleicher       E-Books. Unter diesen Personen         nicht zur Diskussion stehen. Der
Weise wie ihre gedruckten Bücher,        dürften viele sein, die in der Folge   Zusammenhang zwischen Bib-
nämlich gleichzeitig genau ein                                                  liotheksausleihe und Verkauf ist
Exemplar an nur eine*n Leser*in                                                 viel komplexer als hier abgefragt
(„one copy, one loan“). Diese Art                                               wurde. Mehrere große Studien aus
der Gleichbehandlung gedruckter             Bibliotheken                        den USA haben z.B. gezeigt, dass
und digitaler Bücher wurde aber                                                 für Titel, die von Verlagen zur E-
bereits 2016 vom Europäischen
                                            sollen dazu                         Ausleihe durch Bibliotheken frei-
Gerichtshof als rechtens bestätigt.
Deshalb ist es für Bibliotheken un-
                                            beizutragen,                        geschaltet und im Rahmen einer
                                                                                Lesekampagne beworben wurden,
verständlich, warum es hier jetzt           sich unge-                          die Verkaufszahlen der elektro-
auf die Form, und nicht mehr auf                                                nischen und auch der gedruckten
den Inhalt ankommt.                         hindert aus                         Version des Buches sehr deutlich
                                                                                gestiegen sind. Die Ergebnisse gibt
Die Studie kommt zu dem Schluss,            öffentlich zu-                      es unter panoramaproject.org/
dass das Angebot der Onleihe die                                                research.
Kaufbereitschaft von Lesern schmä-
                                            gänglichen
lert und für niedrigere Umsätze mit-        Quellen                                   In einer der GfK-Studie
verantwortlich ist. Wie sehen Sie das?                                          vergleichbarer Studie, die u.a. von
                                            informieren                         führenden Verlagen (Penguin,
Die Studie kommt auch noch zu                                                   Random House und Macmillan)
weiteren Ergebnissen, die hier              zu können, sie                      finanziert wurde, wurde das Lese-
ebenfalls betrachtet werden müs-                                                verhalten der jüngeren Generation
sen: „Onleihe“-Nutzer gehören zu            sollen Lese-                        Z abgefragt. 49 % der Bücher, die
den aktivsten Käufern am Buch-
markt: es kaufen deutlich mehr als
                                            förderung                           junge Leser*innen der Generation
                                                                                Z gekauft haben, hatten sie vor-
die Hälfte der Befragten, seit sie          betreiben,                          her in einer Bibliothek ausgelie-
die „Onleihe“ nutzen, genauso oft                                               hen und 76 % haben später ein
oder sogar mehr gedruckte Bücher            sie sollen                          Buch gekauft, dessen Autor*in sie
oder E-Books (55 % bei gedruckten                                               vorher in der Bibliothek kennen-
Büchern, 53 % bei E-Books). Dies            Medien- und                         gelernt hatten. Nahezu keiner der
entspricht nicht nur den bereits                                                Befragten ist auf nur einen Zu-
bekannten Gewohnheiten von Bib-
                                            Informations-                       gangsweg (Bibliothek oder Buch-
liothekskunden, die 9,1-mal häu-
figer gedruckte Bücher kaufen als
                                            kompetenz                           handel) festgelegt.

Nicht-Bibliothekskunden. Es zeigt           vermitteln.                         Das klingt, als wäre Verlagen im
auch, dass die E-Ausleihe offenbar                                              eigenen wirtschaftlichen Interesse
den Kauf anregt: 18 % der „On-                                                  nur zu empfehlen, Bibliotheksleihen
leihe“-Nutzer kaufen sogar mehr                                                 zu fördern.
E-Books, seit sie die „Onleihe“          tendenziell mehr als der durch-
nutzen, und die durchschnittliche        schnittliche Leser kaufen. 11 % der    Ja. Anhand dieser und anderer
Anzahl gekaufter E-Books liegt           „Onleihe“-Nutzer würden sogar          Studien lässt sich ein von der GfK-
mit 15,9 Exemplaren fast doppelt         weniger gedruckte Bücher kaufen        Studie gar nicht beleuchteter, aber
so hoch wie bei den Käufern ge-          und 12 % weniger E-Books, wenn         wichtiger Aspekt gut belegen: den
samt mit 8,7 Exemplaren.                 es keine „Onleihe“ mehr gäbe.          der Verkaufsförderung.

                                                          10                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Standpunkt: Bibliothek

Neue Autor*innen werden von           Durch viele Gespräche in kleine-         zweck, ihr Handeln ist Dienstleis-
Lese*innen oft in Bibliotheken        rem Kreis wird es leichter werden,       tung für ihre Leser*innen. Ihre
entdeckt. Über die Bibliotheksaus-    von plakativen Forderungen und           Serviceangebote richten sich an
leihe findet häufig der erste Lese-   projizierten Szenarien zu echtem         alle gesellschaftlichen Schichten
kontakt statt, gerade bei den noch    Verständnis der jeweiligen Lage          und Gruppen, seien es Kinder,
weniger bekannten Autor*innen.        des Anderen kommen. Dabei darf           Jugendliche, Studierende, Wis-
Die zunächst gesuchten Titel sind     nie vergessen werden, dass wir           senschaftler*innen, Berufstätige,
nicht selten gerade verliehen; es     in unterschiedlichen Systemen            Arbeitslose, Geflüchtete oder
wird dann häufig aufgrund der         arbeiten: hier die Verlage, die          Senior*innen. Für ihre Leser*in-
Empfehlung der Bibliothek auf un-     Gewinne erwirtschaften müssen,           nen kaufen die Bibliotheken im
bekanntere Titel ausgewichen und      um ihre Geschäfte am Laufen              Rahmen ihres Budgets Medien
neue Lesebindungen geknüpft.          zu halten, dort die Bibliotheken,        in allen Formaten, organisieren
Später werden Bücher der auf die-     deren Grundlage ein gesellschaft-        Lesungen und Vorträge, Vorlese-
se Weise entdeckten Autor*innen       licher Auftrag ist und die dafür aus     aktionen, kreatives Gestalten mit
auch gerne gekauft.                   öffentlichen Steuergeldern finan-        digitalen Medien, bieten Selbst-
                                      ziert werden.                            lernangebote oder Schulungen.
Ist die Debatte Anfang 2020 weiter-
hin aufgeheizt oder sehen Sie eine          Bibliotheken sollen dazu                 Bibliotheken kennen ihr
Beruhigung?                           beizutragen, sich ungehindert aus        Umfeld und bauen ihre Bestände
                                      öffentlich zugänglichen Quellen          zielgruppengerecht auf. Biblio-
Alle Beteiligten sind zu Gesprä-      informieren zu können, sie sol-          theken reagieren auf die Nachfra-
chen bereit, daher bin ich sehr       len Leseförderung betreiben, sie         ge der Nutzer*innen, halten dar-
zuversichtlich, dass wir über das     sollen Medien- und Informations-         über hinaus aber immer auch ein
gegenseitige Verständnis der          kompetenz vermitteln. All dies           nach professionellen Kriterien
jeweiligen Positionen und den         basiert auf dem Wirken kreativer         ausgewähltes Angebot bereit, das
jeweiligen Bedürfnissen gemein-       Autor*innen, die, wenn es sich           im kommerziellen Buchhandel
sam zu einer Regelung kommen          nicht um wissenschaftliche Publi-        eher ein Nischendasein fristet,
werden, die für alle Seiten einen     kationen handelt, zu Recht erwar-        nicht mehr erhältlich ist oder
guten Kompromiss darstellt.           ten, durch ihre Werke zumindest          sich auf dem Markt (noch) nicht
                                      ein zufriedenstellendes Auskom-          durchsetzen kann. Daher hoffen
Wie können die – empfundenen          men zu erzielen.                         wir, dass wir für unsere Leser*in-
oder realen – Interessenskonflikte                                             nen bald eine gute Lösung finden
zwischen Verlagen und Bibliotheken    Die Diskussion lässt Außenstehende       werden, was die elektronische
Ihrer Meinung nach am besten auf-     oft die Perspektive des Konsumenten      Ausleihe von aktuellen Neu-
gelöst werden?                        vermissen. Wie findet sich ein befrie-   erscheinungen und Bestsellern in
                                      digender Kompromiss für den Leser?       Öffentlichen Bibliotheken an-
Die Interessenskonflikte bestehen                                              geht.
zwischen den Autor*innen, den         Bibliotheken sind öffentliche
Verlagen und den Bibliotheken.        Räume, sie haben keinen Selbst-

                                                        11                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Standpunkt: Verlage

V
      erlage arbeiten schon immer                                         an die Studenten während der Zeit
      mit Bibliotheken zusammen.                                          der Schließung erleichterte.
      Bibliotheken sind unver-
zichtbare gesellschaftliche Orte,                                                Damit leisten wir Verlage
die Leseförderung betreiben, Li-                                          einen wichtigen Beitrag, um die
teratur verbreiten und Wissen für                                         Versorgung mit Lern- und Lehr-
jeden zugänglich machen. Diese                                            material und mit Lesestoff in jeder
lang geübte, fruchtbare Zusam-                                            möglichen Form auch in Zeiten
menarbeit möchten wir Verlage                                             eines Lockdowns zu sichern. Die
auch im digitalen Zeitalter über                                          Buchhandlungen haben in Rekord-
alle Medienformate hinweg fort-                                           zeit ihre Online-Angebote opti-
setzen.                                                                   miert, sodass auch die Kunden vor
                                                                          Ort jederzeit bestmöglich versorgt
      Damit Bibliotheken ihrem                                            wurden und werden, selbst wenn
Auftrag einer flächendeckenden                                            sie nicht in die Läden kommen
Versorgung der Bürger*innen mit                                           dürfen oder wollen.
Lesestoff nachkommen können,         Dr. Nadja Kneissler, geboren
gibt es ein bewährtes System:        1959 in Stuttgart. Während ihrer           Bei allen Bemühungen, die
Jedes gedruckte Buch kann sofort     Promotion arbeitete sie bereits      Krise gemeinsam Schulter an
von den Bibliotheken erworben        freiberuflich für Verlage, und       Schulter zu meistern, muss da-
und verliehen werden. Für E-         nach dem Studium wurde sie           bei bedacht werden, dass Verlage
Books gibt es ein gut eingeführtes   1991 Lektorin im Ulmer Verlag        als nicht subventionierte Unter-
Lizenzierungssystem.                 in Stuttgart mit den Schwer-         nehmen im Gegensatz zu Institu-
                                     punkten Veterinärmedizin, Tiere,     tionen der öffentlichen Hand die
                                     Garten. 1997 übernahm sie die        Corona-Krise aus eigener Kraft
  Erfordert die Corona-              Programmleitung, 2007 die Ver-       bewältigen müssen – und Au-
  Krise andere gesetzliche           lagsleitung Buch. 2008 wechselte     tor*innen, die größtenteils leider
  E-Lending-Regelungen?              sie zum Delius Klasing Verlag        zur Gruppe der Geringverdienen-
Trotz dieses gut etablierten Sys-    nach Hamburg und Bielefeld als       den gehören, ebenfalls. Dennoch
tems fordern die Bibliotheken        Verlagsleiterin. Seit 2018 leitet    gibt es die Bereitschaft, im Kri-
seit einiger Zeit die gesetzliche    sie parallel den Tochter-Verlag      senmodus auch unter teilwei-
Erlaubnis ein, E-Books auch ohne     Die Werkstatt, den führenden         sem Verzicht auf wirtschaftliche
Lizenzverträge mit den Verlagen      Fußballverlag in Deutschland. Im     Interessen zu helfen – aber eine
verleihen zu dürfen (sogenannte      Management-Board des Delius          gesetzliche Regelung darf daraus
Schrankenregelung). Gerade jetzt,    Klasing Verlages verantwortet sie    nicht abgeleitet werden.
in der Corona-Krise, wurde diese     seit 2019 außerdem den Bereich
Forderung erneut artikuliert – mit   Business Development.
der Begründung, dass der Zugang      Nadja Kneissler engagiert sich         Wichtige Unterschiede
zu Literatur durch die Schließung    seit vielen Jahren ehrenamtlich        zwischen Print und
der Bibliotheken und Buchhand-       im Börsenverein des deutschen
                                                                            E-Book
lungen für die Kunden erschwert      Buchhandels – dem Dachverband        Es gibt Unterschiede zwischen der
sei. Nun haben aber genau wegen      von Buchhändlern, Großhänd-          Onleihe und der Ausleihe eines
der krisenbedingten Schließung       lern und Verlagen. Dort war sie      gedruckten Buches:
von Bibliotheken und Buchhand-       zunächst Sprecherin des Arbeits-
lungen zahlreiche wissenschaft-      kreises Ratgeberverlage, jetzt ist   • ein E-Book bekommt im Ge-
liche Verlage sofort den digitalen   sie seit 6 Jahren im Vorstand des      gensatz zum gedruckten Buch
Zugang zu erforderlicher Literatur   Verlegerausschusses, seit 2018         niemals Kaffeeflecken und
für Studierende und Lehrende in      als dessen Vorsitzende. Seit 2018      Eselsohren, zeigt keine Geb-
großem Umfang kostenfrei er-         ist sie auch im Vorstand des Bör-      rauchs- und Verschleißspuren,
laubt. Außerdem wurde umgehend       senvereins.                            also muss der Bibliotheksbe-
ein neuer Modus für die Fernleihe                                           stand an E-Books auch niemals
vereinbart, der Bibliotheken die     Foto Copyright: Mo Wüstenhagen.        erneuert werden. Ein einmalig
Lieferung elektronischer Medien                                             bei der Bibliothek vorhandenes

                                                     12                           dpr Sonderheft Bibliotheken
Standpunkt: Verlage

  E-Book kann für immer ohne           Herbst 2019 veröffentlicht wurde.           Eine zweite These lautete,
  Qualitätseinbußen verliehen          Die Studie sollte dazu beitragen,    dass die Onleihe vor allem von
  werden, die Bibliothek muss es       einen faktenbasierten politischen    wirtschaftlich schwächer gestell-
  niemals nachkaufen. Deshalb          Dialog zu ermöglichen.               ten Lesern genutzt werde und
  ist die Steuerung der Leih-                                               wichtig sei, um diese gesellschaft-
  vorgänge über Lizenzvereinba-             Eine der Thesen lautete:        liche Gruppe mit Literaturangebo-
  rungen sinnvoll.                     „Die Onleihe hat keine Auswir-       ten zu versorgen. Auch diese The-
• die Lizenzgebühren für die           kungen auf das Kaufverhalten im      se konnte nicht bestätigt werden
  Onleihe liegen je Ausleihe weit                                           – im Gegenteil, über die Hälfte der
  unter den Erlösen eines ver-                                              Onleihe-Nutzer sind überdurch-
  kauften E-Books                                                           schnittlich gut situiert und ge-
• Bibliotheken möchten, zu                                                  bildet. Viele sind gut verdienende
  Recht, als sogenannter „Dritter                                           Power-Leser, für die es einfach viel
  Ort“ fungieren – im Falle der          Die Studien-                       günstiger ist, mit einem Biblio-
  Onleihe gilt dies nicht, denn                                             theksausweis für 10 oder 20 Euro
  ausgeliehen wird vom Sofa des
                                         ergebnisse                         pro Jahr die von Onleihe-Nutzern
  jeweiligen Nutzenden aus und           zeigen sehr                        durchschnittlich konsumierten
  eben nicht vor Ort in der Bib-                                            15 E-Books/Jahr auszuleihen, an-
  liothek. Somit läuft die Onleihe       klar, dass                         statt sie zu kaufen.
  dem Ziel, „Dritter Ort“ zu sein,
  zuwider, sie öffnet bei knap-          die Onleihe-
  per werdenden öffentlichen                                                   Ein Viertel der
  Haushalten eher Tür und Tor,           Nutzung un-                           Bibliothekskunden nutzt
                                                                               die Onleihe – Tendenz
  über Bibliotheksschließungen
  nachzudenken.
                                         mittelbaren                           steigend
                                         Einfluss auf                       Die Studie zeigt auch, dass heu-
Die Antwort der Bundesregierung                                             te rund ein Viertel der etwa 10
auf eine kleine Anfrage der FDP          den Buchmarkt                      Millionen Bibliothekskunden die
zum Thema Onleihe im vergan-                                                Onleihe nutzt. Auch aus anderen
genen Jahr hatte offengelegt, dass       hat und die                        Märkten, z.B. den USA, wissen
Fragen, z. B. nach den Substi-                                              wir, dass die Zahl der Onleihe-
tutionseffekten der Onleihe auf
                                         Erlöse von                         Nutzer*innen steigt. Wenn man
den Buchmarkt, mangels valider
Statistik nicht beantwortet wer-
                                         Verlagen und                       bedenkt, dass die Tantiemen,
                                                                            die Autor*innen aus der regulär
den konnten. Zugleich ergab sich,        Autor*innen                        lizenzierten Onleihe heute erhal-
dass die Bundesregierung Thesen                                             ten, meist weit unter dem liegen,
aufgestellt hatte, die sie nicht be-     schmälert.                         was sie bei einem E-Book-Verkauf
legen konnte.                                                               erhalten, wird deutlich, welche
                                                                            Einbußen die Onleihe für die Au-
                                                                            tor*innen bedeutet.
   Wie kam es zur jetzt
   heiß diskutierten GfK-              Buchmarkt.“ Das stimmt nicht,              Das ist auch ein Grund,
   Studie?                             denn die Studie zeigt: etwa die      warum Verlage und Autor*innen
                                       Hälfte der Onleihe-Nutzer kauft      Novitäten teilweise erst nach
Um herauszufinden, wie die             weniger oder keine Bücher mehr,      einigen Monaten für die Onleihe
Bibliothekskunden das Onlei-           seit sie die Onleihe nutzen (45%     freigeben (sog, „Windowing“). Da
he-System nutzen und welche            bei gedruckten Büchern und 46%       die gedruckten Exemplare die-
Auswirkungen es auf ihr Konsum-        bei E-Books). 16% sagten außer-      ser Bücher von jeder Bibliothek
verhalten hat, wurden deshalb im       dem, dass sie mehr gedruckte Bü-     sofort bei Erscheinen erworben
Auftrag des Börsenvereins von der      cher und E-Books kaufen würden,      werden können, muss kein Leser
GfK umfassende Marktforschungs-        wenn es die Onleihe nicht gäbe.      in dieser Zeit auf das Ausleihen
daten erhoben und in der Onleihe-      Damit verlieren Verlage und Au-      und den Lesegenuss verzichten –
Studie zusammengefasst, die im         tor*innen hier deutlich an Umsatz.   lediglich die bequem von daheim

                                                       13                            dpr Sonderheft Bibliotheken
Standpunkt: Verlage

entleihbaren E-Books gibt es erst     stellen zu können, benötigen wir     angebot behalten und ausbauen
später.                               unbedingt faire, werkbezogene        können.
                                      Lizenzregelungen.
      Die Studienergebnisse                                                      Gegenwärtig sollten wir
zeigen sehr klar, dass die Onleihe-        Die Bibliotheken fordern        meiner Meinung nach vor al-
Nutzung unmittelbaren Einfluss        gesetzliche Ausnahmen vom Ur-        lem das Ziel haben, die gesamte
auf den Buchmarkt hat und die         heberrecht für die Onleihe.          Wertschöpfungskette, von den
Erlöse von Verlagen und Autor*in-                                          Autor*innen über die Verlage
nen schmälert.                              Diese Ausnahmen bieten         und den Buchhandel bis zu den
                                      keine angemessene Entlohnung,        Bibliotheken, möglichst ohne
                                      weder für die Leistungen von Ver-    schwere dauerhafte Schäden
  Wir brauchen faire,                 lagen noch für die der Autor*in-     durch dieses Pandemie-Krisen-
  werkbezogene                        nen. Deshalb können Verlage und      jahr zu bringen. Wenn wir das
  Lizenzregelungen – und              Autor*innen diesen Weg nicht         geschafft und damit die ein-
  ausreichende Budgets
  für Bibliotheken                    mitgehen. Wir fordern stattdessen,   malige literarische Vielfalt in
                                      dass Bibliotheken zukünftig un-      Deutschland weiterhin gesichert
Nie zuvor gab es in Bibliotheken      bedingt finanziell so ausgestattet   haben, können wir gerne im
ein so breit gefächertes Angebot      werden, dass sie unter fairen Be-    konstruktiven Dialog die Bedin-
an Büchern und E-Books wie heu-       dingungen für die gesamte Wert-      gungen für eine praktikable und
te. Um dies auch weiterhin bereit-    schöpfungskette ihr E-Book-Leih-     faire Onleihe weiter erörtern.

                                                      14                           dpr Sonderheft Bibliotheken
Standpunkt: Autoren

S
      eit der Veröffentlichung der                                                  Wo siehst du die größten Ungerech-
      Bibliotheksstudie von GfK                                                    tigkeiten? Wie könnte man sie auf-
      und Börsenverein diskutieren                                                 lösen?
alle Branchenteilnehmer, ob es
bei der E-Book-Leihe fair zugeht.                                                  Einerseits muss es den Autor*in-
Insbesondere die Entlohnung von                                                    nen zugestanden werden, selbst zu
Verwertern und damit indirekt                                                      entscheiden, ob ihre Werke in die
von Urhebern wird als ungerecht                                                    öffentlichen Bibliotheken kommen
empfunden. Nun fallen im Self-                                                     – oder auch nicht. Andererseits
publishing Urheber und Verwerter                                                   ist es wesentlich, eben nicht nur
zusammen. Zu dieser besonderen                                                     die Interessen der großen Verlage
Situation haben wir Tom Ober-                                                      zu berücksichtigen, sondern auch
bichler, 1. Vorsitzender des Selfpu-                                               unabhängige Verlage und Selfpu-
blisher-Verbands, interviewt.                                                      blishing-Autor*innen müssen auf
                                                                                   ihre Kosten kommen. Solch eine
Lieber Tom, wie unterscheidet sich die                                             Regelung muss das Ergebnissen
E-Lending-Situation der Selfpublisher                                              von Verhandlungen sein und nicht
von der der Verlage? Spielen Biblio-                                               per Dekret diktiert werden.
theken für Selfpublisher überhaupt
eine Rolle?                               Tom Oberbichler ist Autor, Buch-         Gibt es unter Selfpublishern auch
                                          mentor, Kommunikationstrainer            Verständnis für Rolle und Auftrag
Die Situation der Verlage kenne           und Philosoph. – und amtierender         öffentlicher Bibliotheken?
ich nicht. Für uns unabhängige            Vorsitzender des Selfpublisher-
Autor*innen steht auf der einen           Verbands. Er schreibt Ratgeber           Nicht alle Selfpublishing Au-
Seite das Bemühen, Selfpublis-            und begleitet seit 2012 Unter-           tor*innen beschäftigen sich mit
hing-Bücher überhaupt einmal in           nehmerinnen und Unternehmer              dem Thema und die Meinungen
Bibliotheken zu bringen und sie           dabei, Ratgeber und Sachbücher           gehen auseinander. Wir unabhän-
so auf diesem Weg zugänglich zu           zu schreiben, im Self-Publishing         gige Autor*innen sind eine viel-
machen. Das ist leider immer noch         zu veröffentlichen und erfolg-           fältige und bunte Mischung, das
alles andere als selbstverständlich.      reich zu vermarkten. Website:            drückt sich auch in dieser Frage
                                          https://mission-bestseller.              aus. Was uns auf jeden Fall eint,
      Ich denke, dass Biblio-             com                                      ist, dass wir wollen, dass unsere
theken als Einnahmequelle für             Foto: Copyright Sabine Starmayr          Bücher gelesen werden. Und die
Selfpublishing-Autor*innen eine                                                    öffentlichen Bibliotheken leisten
untergeordnete Rolle spielen. Für        eBooks – auch ohne Zustimmung             dafür einen sehr wichtigen Bei-
uns steht vor allem im Vorder-           der Urheber*innen – den Biblio-           trag, das sehen wir. Dass wir für
grund, über die Bibliotheken neue        theken zugänglich zu machen.              unsere Arbeit als Urheber*innen
Leser*innen zu gewinnen. Sobald          Diese Entscheidung muss für               der Bücher auch eine angemesse-
unsere Bücher dort auch vertreten        die einzelnen Autor*innen offen           ne Entschädigung haben wollen,
sind, wollen wir natürlich als Ur-       bleiben. Und es ist auch klar, dass       stellt die Arbeit der Bibliotheken
heber*innen eine faire Entschädi-        eine faire Entgeltregelung her            nicht in Frage.
gung erhalten.                           muss, die nicht von oben verord-
                                         net, sondern unter Einbeziehung                 Mit der digitalen Revolution
Hat der Selfpublisher-Verband schon      der Betroffenen erarbeitet werden         im Buchmarkt haben sich viele
eine Position im „Bibliotheksstreit“     musst.                                    Rahmenbedingungen grundsätz-
erarbeitet - und wenn ja: welche?                                                  lich geändert. Ein eBook unter-
                                         Wie positionieren sich die SP-Dienst-     scheidet sich in vieler Hinsicht
 Wir diskutieren das Thema noch          leister, also z.B. die Distributoren in   von einem gedruckten Buch. Ich
offen – sowohl im Verband als            dieser Debatte?                           bin überzeugt, dass wir hier nicht
auch mit anderen Autor*innen-                                                      alte Regeln blind extrapolieren
organisationen, wie dem Netzwerk         Von dieser Seite habe ich zur e-          dürfen, sondern gemeinsam neue
Autorenrechte. Klar ist für uns          Lending-Frage noch keine Positio-         Regeln entwickeln müssen, die
sowohl, dass es unzulässig ist, alle     nen gelesen.                              auch ins 21. Jahrhundert passen.

                                                            15                              dpr Sonderheft Bibliotheken
Elektronische Lizenzen

eLizenzen in
Öffentlichen
Bibliotheken
Corona-Nutzung verstärkt
Notwendigkeit einer
gesetzlichen Regelung

             16            dpr Sonderheft Bibliotheken
Elektronische Lizenzen

W
         ährend die eBook-Nut-          die oftmals sehr restriktiven Ver-        #fbm19: Plädoyer für
         zung auf dem Kaufmarkt         lagspolitiken die Bibliotheken und        eTantieme auf dem
         seit 2014 nur gering           die verbleibenden Aggregatoren
                                                                                  1. Forum eLizenzen
                                                                                  in Öffentlichen
zunimmtI, hat der Lockdown der          (neben der divibib gmbH mit der           Bibliotheken
letzten Wochen die Zahlen der           Onleihe ist dies v.a. Overdrive) vor
Onleihe – einem der größten             große Herausforderungen. Lizen-        Eingeladen von Berufsverband
Anbieter von eMedien in Öffentli-       zen sind überproportional teuer,       Information Bibliothek (BIB),
chen Bibliotheken – vervielfacht.       immer noch gibt es Verlage, die        Deutschem Bibliotheksverband
Der Deutsche Bibliotheksverband         gerade im Publikumssektor nach-        (dbv) und Frankfurter Buchmesse
konstatiert zurecht:                    gefragte Medien nicht lizenzieren      stellte Matthias Schmid, Ministe-
                                        oder die ein sehr extensives Wind-     rialrat im Bundesministerium der
     Viele Menschen, die es ge-         owing voraussetzen.III                 Justiz und für Verbraucherschutz
     wohnt waren, regelmäßig in                                                und Leiter des Referats für Urheber-
     den Stadt- und Gemeindebib-                                               und Verlagsrecht, die jeweils sehr
     liotheken nach neuer Lektüre          Ist die Onleihe schuld              unterschiedlichen Sichtweisen der
     zu stöbern, stehen vor ver-           am Rückgang von                     verschiedenen Interessenvertretun-
     schlossenen Türen. Mit dem
                                           Buchkäufen?                         gen gekonnt und differenziert dar,
     Zuhausebleiben wächst das          Schaut man sich die im Winter          zeigte sich auch an der Diskussion
     Bedürfnis nach E-Books, die        2019 veröffentlichte Studie des        und den Problemen aus der Praxis
     der Buchhandel durch On-           BörsenvereinsIV an, wird deutlich,     der Bibliotheken vor Ort sehr inter-
     linebestellung und Direkt-         dass die Positionen von Verlagen       essiert. Konkrete Aussagen darüber,
     versand zu decken versucht.        und Bibliotheken noch immer
     Viele Bibliotheken bieten den      weit auseinander liegen. Die als
     Bürger*innen ihres Einzugs-        „360°-Blick auf die Onleihe“            #vBIB kontrovers: Forum eLizen-
     gebietes kostenlos befristet an,   untertitelte Studie sieht in den        zen für Öffentliche Bibliotheken
     sich digital neu anzumelden        Bibliotheken, die digitale Medien
     und ihre digitalen Bestände        verleihen, die ’Schuldigen’ am          Termin: Mittwoch,
     zu entleihen. Die Nachfrage        Rückgang von Buchkäufen. O-Ton          27.05.2020, 11:00 – 12:00
     ist enorm gestiegen und es         in der Pressemitteilung:
     werden neue Lizenzen abge-                                                 Jana Lippmann, Leiterin Stabsbe-
     schlossen. II                            „Die Onleihe schmälert die        reich Marktforschung des Bör-
                                              Kaufbereitschaft buchaffiner      senvereins, wird die Studie „Wer
Was heißt das in Zahlen? Von                  und kaufkraftstarker Ziel-        leiht was in Bibliotheken und
Februar auf März stieg die Zahl               gruppen am Buchmarkt“.            insbesondere online?“ vorstellen,
der aktiven Onleihe-Nutzer*innen                                                anschließend diskutieren
um 20% an, die Anzahl der Auslei-       Intention der Auftraggeber der
hen war im März mit rund 3,9 Mio        Studie ist es offenbar, die bisheri-    Dr. Nadja Kneissler, Verlagsleite-
um 25% höher als in den beiden          gen Lizenzmodelle und -regelun-         rin Buch des Hamburger Verlags
Vormonaten, aufs Jahr gerechnet         gen – mit denen wir Bibliotheken        Delius Klasing und Vorsitzende
wäre das eine Verdoppelung des          wie oben geschildert alles andere       des Verleger-Ausschusses des
Zuwachses gegenüber 2019.II             als zufrieden sind – weiterhin          Börsenvereins
                                        nach Gusto der Verlage zu ver-
      Für die Bibliotheken selbst       schärfen. Darüber wird zu streiten      Prof. Dr. Christian Sprang, Justitiar
und ihre Kund*innen scheinen dies       sein. Und auf der #vBIB20 tun wir       des Börsenvereins
super Nachrichten zu sein. Den-         dies (siehe Kasten).
noch: Außerhalb der Öffentlichen                                                Barbara Schleihagen, Bundes-
Bibliotheken gibt es viele Wissens-           Diese durch die eBook-Stu-        geschäftsführerin des Deutschen
lücken rund um die aktuellen Pro-       die verschärfte und durch den           Bibliotheksverbandes
bleme, die durch ebendiese Zahlen       Corona-Lockdown geänderte
noch mehr in den Hintergrund            Sachlage stand auf dem Programm         Eckhardt Kummrow, Hessische
gedrängt werden. Mit Ciando ist         des ersten „Forum eLizenzen” der        Fachstelle für Öffentliche Biblio-
auf dem eBook-Markt ein Wettbe-         Frankfuter Buchmesse 2019 so            theken.
werber weggefallen. Zudem stellen       noch nicht zur Debatte.

                                                         17                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Elektronische Lizenzen

ob und wie auf Bundesebene neue        tretend für ihren Verband in die             angemessene Vergütung für das
rechtliche Rahmenbedingungen im        Diskussion einbrachte, können wir            Verleihen in Bibliotheken, die
Kontext von eLizenzen für Biblio-      nachvollziehen.,Den Schluss, dass            gesetzlich festgeschrieben ist,
theken diskutiert werden, lieferte     ausgerechnet die Bibliotheken und            muss im Sinne der Rechteinha-
er jedoch nicht. Härter gerungen       die eLizenzen hier ursächlich ver-           ber auf eine Tantieme für die
wurde zwischen den Perspektiven        antwortlich sind, nicht.                     E-Ausleihe ausgeweitet werden.
von Autor*innen und Bibliotheken:
Gerade in den Bereichen Lese-             Gleichstellung von Print            Diesen Vorstoß gilt es nun, zu kon-
förderung und Lesesozialisation,          und Digital?                        kretisieren: Die Diskussion mit dem
so Janet Clark, Schriftstellerin und   Autorenseitig sehr umstritten bleibt   Börsenverein um die Interpretation
Sprecherin im Netzwerk Autoren-        auch die von Bibliotheken und Ver-     der Ergebnisse der onleihe-Studie
rechte, können Bibliotheken nicht      bänden geforderte Gleichstellung       ist der erste Schritt – die Nutzung
ohne Autor*innen agieren. Und          von elektronischer und Print-Aus-      von und die Nachfrage nach aktuel-
Autor*innen ihrerseits brauchen die    leihe (one copy one loan)V – den-      len eMedien während des Corona-
Bibliotheken – auch für ihre eigene    noch konnte man sich darauf            Lockdowns zeigt, dass eine große,
Recherche.                             einigen, dass                          eine politische Lösung gefunden
                                       • man verstärkt Foren des Aus-         werden muss.
       Aber im Kontext der elektro-       tauschs und des Zuhörens schaf-
nischen Ausleihe werde, so Clark,         fen muss, um sich gegenseitig             Neben einer Verankerung
dieses Mit- und Nebeneinander sehr        besser verstehen zu lernen und      der eTantieme über Ländergrenzen
in Frage gestellt: Bei den Autor*in-   • als gemeinsames Ziel bleibt,         hinweg, müssen die Verlage ver-
nen käme – obwohl die Öffentlichen        Regelungen zu schaffen, die den     pflichtet werden, ohne Windowing
Bibliotheken mit 112 Mio. Euro            Interessen der Nutzer*innen,        und ohne weitere Restriktionen den
jährlichen Ausgaben für die Erwer-        Autor*innen, Bibliotheken und       Bibliotheken eLizenzen zur Verfü-
bung nicht unerheblich zum Um-            Verlage gleichermaßen gerecht       gung zu stellen. Doch nicht nur die
satz der Verlage und der Autoren          wird.                               Bundespolitik ist gefragt – Tillman
beitragen – zu wenig Geld bei den      Einen zumindest losen Konsens          Spengler plädiert zu recht in seinem
Schöpfer*innen der Werke an. Dies      fanden Autor*innenvertretung           FAZ-Artikel auch an Kommunen
liege v.a. an der gestiegenen An-      und Bibliothekspraktiker*innen         und Länder:
zahl ausgeliehener elektronischer      in der Diskussion, die auch in der
Medien und an fehlenden Vergü-         dbv-Stellungnahme zur aktuellen               „Hoffentlich ziehen diejeni-
tungsmodellen sowohl auf Seite der     Börsenvereinsstudie aufgeführt ist:1   gen, die über die Ausstattung von
Verlage als auch der Bibliotheken,.                                           Bibliotheken und den Erhalt von
Die Existenzängste und den Pub-              Die seit Jahrzehnten festge-     Standorten zu befinden haben, […]
likationsdruck, die Clarke stellver-         setzte Bibliothekstantieme als   die richtigen Schlüsse2.

                                                        18                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Elektronische Lizenzen

I
    Von 2013 3,9% entwickelte sich     E-Medien in der Bibliothek: mein
 der Umsatzanteil auf 5% (2019),       gutes Recht! (URL).                      Autor
 eine andere Umfrage zur Nutzung       IV
                                           Wer leiht was in Bibliotheken
 von eBooks zeigt, dass diese stabil   und insbesondere online? (URL).
 bei ca. 25% liegt. Q: Weiden-
                                       Die Position des dbv findet sich
 bach, Bernhard: Umsatzanteil von
                                       hier: E-Book Kauf und E-Book
 E-Books im Buchmarkt bis 2019.
                                       Ausleihe: Konkurrenz oder
 Veröffentlicht am 05.03.2020
                                       Förderung?
 (URL) und Weidenbach, Bern-
 hard: Umfrage zur Nutzung von         Der Deutsche Bibliotheksverband
 Büchern und E-Books in Deutsch-       nimmt Stellung zur GfK- Studie
 land bis 2019. Veröffentlicht am      zur „Onleihe“ . (URL).
 14.10.2019 (URL).                     V
                                          In der PM des Börsenvereins wird
 II
    Spreckelsen, Tilman: Lesestoff     die Kollegin von Janet Clake, Lena
 frei Haus. In FAZ-Online vom          Falkenhagen, wie folgt zitiert: „[...]
 17.04.2020 und Digitale Biblio-       Solange es um eine bloße Erweite-
 theksausleihen legen deutlich zu.     rung des digitalen Bibliotheksan-
 Steiler Onleihe-Zuwachs. Buchre-      gebots geht, ist nicht einzusehen,
 port digital vom 27.04.2020           dass die Rechte von Autorinnen
                                       und Autoren beschnitten werden,
III
    Während „[…] große Publikums-                                               Tom Becker ist seit 2011 Profes-
                                       insbesondere, wenn davon mehr-
verlage diese Werke in elektroni-                                               sor an der Fakultät für Informa-
                                       heitlich finanzstarke, gebildete
scher Form für Bibliotheken erst                                                tions- und Kommunikationswis-
                                       Mid-Ager profitieren.“
mit einer langen Verzögerung von                                                senschaften der TH Köln. Nach
bis zu einem Jahr lizenzieren [hat     In: Studie zur Onleihe in öffent-
                                       lichen Bibliotheken: Verlage und         seinem Studium in Stuttgart war
sich ] der Verlag Bastei Lübbe […]
                                       Autoren müssen fair entlohnt wer-        er lange in München und dann in
entschieden, Neuerscheinungen,
                                       den. PM vom 26.11.2019. (URL).           Mannheim in Öffentlichen BIblio-
die zwischen dem 01.2.2020 und
dem 30.4.2020 erschienen sind,         1
                                         E-Book Kauf und E-Book Auslei-         theken tätig und als Bundesvor-
sofort für die elektronische Biblio-   he: Konkurrenz oder Förderung?          standsmitglied im Berufsverband
theksausleihe zu lizenzieren.“ Es      Der Deutsche Bibliotheksverband          Information Bibliothek ist er u.a.
gibt aber also auch gute Nachrich-     nimmt Stellung zur GfK- Studie           für die Lektoratskooperation mit-
ten, zumindest partiell! In: Neue      zur „Onleihe“ . (URL).                   verantwortlich und für die engen
E-Books durch digitale Biblio-         2
                                         Spreckelsen, Tilman: Lesestoff         Kooperationen mit der dem
theksausleihe sichtbarer machen!       frei Haus. In FAZ-Online vom             Börsenverein - sei es über die
Pressemitteilung des dbv vom 15.       17.04.2020 und Digitale Biblio-          Frankfurter Buchmesse oder die
April 2020. (URL).                     theksausleihen legen deutlich zu.        Aktivitäten in der IG Meinungs-
Vgl. hier auch die vielfältigen Aus-   Steiler Onleihe-Zuwachs. Buchre-         freiheit. Er ist Studiengangsleiter
führungen des dbv zu ebd. Thema:       port digital vom 27.04.2020              des Bachelors ‚Bibliothek und
                                                                                digitale Kommunikation‘ und be-
                                                                                schäftigt sich u.a. mit den Her-
                                                                                ausforderungen von Bibliotheken
                                                                                als 3. Ort im Kontext von Digitali-
                                                                                sierung, Kommunaler Vernetzung
                                                                                und Bürgerpartizipation.
                                                                                Foto Copyright: Patrick Essex

                                                         19                             dpr Sonderheft Bibliotheken
Wegweisend bei Wissen.
                               Wenn es um professionelles Wissen geht,
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                                                 20                                 dpr Sonderheft Bibliotheken
Bibliothek der Zukunft

Digitalisierung:
5 Funktionen für eine
Bibliothek der Zukunft
Wie macht man eine Bibliothek fit für die
Zukunft? Zum Beispiel, indem man sich ihre
Funktionen für Kunden und Gesellschaft anguckt,
Potenziale analysiert – und die bibliothekarische
Praxis entsprechend optimiert
                      21               dpr Sonderheft Bibliotheken
Bibliothek der Zukunft

D
      urch die Digitalisierung und   Stadtgesellschaft werden sollen –    • Kultur- und Literaturort
      die zunehmende Vernetzung      die mit dieser Idee verbundenen      • Ort für Inspiration
      der Gesellschaft befinden      Kriterien und Aufgaben bleiben       • Kommunaler Begegnungs- und
sich auch die Bibliotheken in        aber häufig unscharf.                   Kommunikationsort
einem fortwährenden Verände-                                              Mit dem vorliegenden Modell kön-
rungsprozess. So haben Biblio-         Welche Funktionen                  nen Bibliotheken ihr eigenes An-
theken ihr Alleinstellungsmerk-        erfüllt eine Öffentliche           gebot bewerten, einfach und klar
mal als öffentlich zugängliche
                                       Bibliothek eigentlich?             Schwerpunktthemen setzen und
Bezugsquelle für Informationen       Die Fachstelle für Öffentliche       gegebenenfalls eine neue Ausrich-
und Medien verloren. Gleichzeitig    Bibliotheken NRW hat deshalb als     tung festlegen. Die Fachstelle geht
haben sich die Anforderungen der     Hilfestellung zur strategischen      davon aus, dass keine Bibliothek
Bibliothekskunden an die Dienst-     Ausrichtung der Bibliothek das       über die notwendigen Ressourcen
leistungsqualität Öffentlicher       Kommunikationsmodell „Biblio-        verfügt, um alle fünf Funktionen
Bibliotheken verändert. Öffentli-    theksfunktionen für eine digita-     so ausgestalten zu können, dass
che Bibliotheken müssen deshalb      le Gesellschaft“ entwickelt, das     sie gleichermaßen als Profil nach
ihre Angebote an die sich ver-       Bibliotheken, Politik und Ver-       außen sichtbar werden. Des-
ändernden Rahmenbedingungen          waltung dabei unterstützen kann,     halb geht es bei der Bewertung
anpassen.                            das Bibliotheksprofil für ihre       des bestehenden Angebotes, der
                                     Kommune in der digitalen Gesell-     Auswahl von Zielgruppen und der
      Es gilt, das aktuelle Ange-    schaft zu schärfen. Der Funktions-   Bestimmung von Schwerpunkt-
botsportfolio mit Blick auf eine     rahmen umfasst fünf Funktionen       aufgaben vor allem um das Thema
strategische Neuausrichtung zu       Öffentlicher Bibliotheken, die       Konzentration. Besser zwei Funk-
hinterfragen und zu entscheiden,     nach Ansicht der Fachstelle eine     tionen sehr gut umsetzen, als alle
welche Angebote künftig weiter       hohe Relevanz für die strategische   fünf Funktionen unzureichend zu
fortgeführt, eingestellt oder um     Ausrichtung der Bibliothek im 21.    bedienen. „Weniger ist mehr“ ist
neue ergänzt werden sollen. Oft      Jahrhundert haben (genauere Be-      das Motto.
wird in diesem Zusammenhang          schreibung s.u.):
gefordert, dass Bibliotheken zu      • Ort für Wissen und Information          Die Beschreibung der fünf
so genannten „dritten Orten“ der     • Digitales Kompetenzzentrum         Funktionen folgt einem einheit-

                                                     22                           dpr Sonderheft Bibliotheken
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