Massnahmen zur Reduktion des individuellen Wohnflächenverbrauchs - Literaturrecherche - Lena.coop

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Massnahmen zur Reduktion des individuellen
Wohnflächenverbrauchs – Literaturrecherche
Auskopplung aus Schlussbericht der LeNa-Arbeitsgruppe «Leben auf
kleinem Fuss», Juli 2020

Lisbeth Born, Katrin Bösiger, Judith Bucher, Esther Degen, Robbi Reisewitz,
Maya Scheibler, Peter Würmli

Basel, Juli 2020

Die individuelle Flächenbeanspruchung im Wohnbereich hat in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz
kontinuierlich zugenommen und trägt via Bodenversiegelung, Energieverbrauch und Vergrösserung der
Infrastrukturflächen zu einer erhöhten Umweltbelastung und zur Klimaerwärmung bei. Vor allem gemeinnützige
Wohnbauträger stellen sich deshalb die Frage, wie Wohnen dank Flächenreduktion nachhaltiger gestaltbar wäre
und welche Massnahmen die Akzeptanz kleinerer Wohnungen fördern könnten.

Die Basler Bau- und Wohngenossenschaft Lebenswerte Nachbarschaft (LeNa) hat sich während der Projektierung
des LeNa-Hauses auf dem Westfeld intensiv mit dieser Frage befasst. Im LeNa-Haus – Bezugstermin 2023 – soll
der Flächenverbrauch pro Person rund 32m² betragen. Dieser Durchschnittswert beinhaltet die individuelle
Wohnfläche pro Person, inklusive Anteil an Gemeinschaftsflächen. LeNa gründete Ende 2018 eine Arbeitsgruppe,
welche – als Input für die Planung und Umsetzung des Neubaus – die folgenden Fragen zu beantworten
versuchte:

    •   Welche baulichen und organisatorischen Massnahmen reduzieren den individuellen Flächenverbrauch
        am effizientesten?
    •   Welche privaten Nutzungen eignen sich für eine Auslagerung in den halb-/öffentlichen
        Gebäudebereich?
    •   Welche Massnahmen geniessen bei der künftigen Bewohnerschaft eine hohe Akzeptanz?

Vorgehen:
Mittels Literaturrecherchen, Interviews mit Genossenschafter*innen, Gesprächen mit Expert*innen aus
ähnlichen Wohnbauprojekten und einem Workshop zu den Wohnbedürfnissen und Grundrissen ging die
Arbeitsgruppe der Fragestellung nach, wie sich individuelle Flächenreduktion am besten umsetzen lässt. Die
Resultate wurden laufend in die Planung des LeNa-Hauses eingespiesen.

Die Arbeitsgruppe hat hierzu einen umfangreichen internen Bericht erstellt, der bei Interesse bei
kontakt@lena.coop bestellt werden kann.
Auswertung Literaturrecherche
Die Arbeitsgruppe «Leben auf kleinem Fuss» hat im Rahmen ihres Forschungsprojektes im Zeitraum Frühling bis
Herbst 2019 rund 40 Publikationen und Studien, Impressionen aus zwei Ausstellungen, sowie Medienberichte
und Websites aus dem vorwiegend deutschsprachigen Raum zum Thema individueller Wohnflächenkonsum und
-reduktion ausgewertet. Die Arbeitsgruppe interessierte insbesondere, ob das Thema «freiwilliger individueller
Verzicht auf Wohnfläche», bzw. «Anreize für einen reduzierten individuellen Wohnflächenkonsum» einen
Niederschlag in der aktuellen Forschung zum Wohnflächenverbrauch findet.

Von der baulichen Verdichtung zu den Wohntrends des 21. Jahrhunderts
In der wissenschaftlichen Diskussion lässt sich beim Umgang mit dem Thema Wohnflächenverbrauch eine
Schwerpunktverschiebung weg von baulichen Aspekten hin zu soziologischen, ökonomischen und
psychologischen Aspekten beobachten. So standen in den Neunzigerjahren Massnahmen gegen des
ungebremste Siedlungswachstum und dessen negative Folgen im Vordergrund. Innenentwicklung, bauliche
Verdichtung und Bauen im Bestand, waren die damaligen Schlagworte. Bald wurde jedoch klar, dass trotz
baulicher Verdichtung, die Menschen nicht einfach näher zusammenrücken, sondern der Pro-Kopf-Verbrauch an
Wohnfläche weiterhin zunimmt. Die sozialen, ökonomischen und demografischen Ursachen wurden genauer
erforscht und Massnahmen zur Auslösung und Unterstützung von Verhaltensänderungen untersucht. Mehr oder
weniger parallel dazu gewann das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Gewicht und zahlreiche Studien und
Publikationen befassten sich mit der Frage, wie Wohnsiedlungen und -formen möglichst ressourcenschonend
geplant und gebaut werden können. In jüngerer Zeit wurden zudem die sich abzeichnenden Veränderungen des
Wohnverhaltens aufgrund von Digitalisierung und Individualisierung immer mehr zum Thema.

Die Darstellung der ausgewerteten Literatur folgt dieser Linie und behandelt die folgenden vier Themenblöcke:

    •   Verdichtung
    •   Wohnflächenverbrauch
    •   Gestaltung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten
    •   Wohntrends des 21. Jahrhunderts

Architektonische, städtebauliche und raumplanerische Verdichtung als Reaktion auf den
zunehmenden Landflächenverbrauch
Der zunehmende Flächenverbrauch mit seinen Folgen – insbesondere der Verlust von Landwirtschaftsflächen,
die Zunahme der Bodenversiegelung und der erhöhte Bedarf an Verkehrs- und Infrastruktureinrichtungen –
führte zu einem neuen städtebaulichen Credo und Lösungsmodell: Reurbanisierung durch bauliche Verdichtung.
Dabei war klar, dass eine höhere bauliche Dichte mit erhöhten qualitativen und gestalterischen Anforderungen
verbunden ist, damit sich die Bewohner*innen in den verdichteten Wohngebieten wohlfühlen. Stichworte dazu
waren etwa Nutzungsmischung und -flexibilität, Gestaltung und Aufenthaltsqualität der Aussenräume, Übergang
zwischen privaten und öffentlichen Flächen, Schaffung Urbanität.

Die Umsetzung des Konzepts «Verdichtung» dominiert die Literatur zum Thema Reduktion des
Flächenverbrauchs im Zeitraum bis 2015 und die Literatur analysiert fast ausschliesslich städtische Gebiete.
Bauliche Verdichtung wird in der Literatur als Hebel für die Reduktion des Wohnflächenverbrauchs insgesamt
betrachtet. Die Voraussetzungen für eine gelingende Verdichtung sowie die Analyse der Konsequenzen von
Verdichtung – z.B. verdichtete Quartierbevölkerung, erhöhter Druck auf Freiflächen und Aussenräume,
vermehrte Nutzung und Beanspruchung städtischer Infrastrukturen – werden in diesem Literaturcluster breit
diskutiert.

Den psychologischen Aspekten von Verdichtung wird in den analysierten Publikationen Rechnung getragen,
jedoch mehrheitlich aus einer planerischen Perspektive: Z.B. «Wie wirkt Verdichtung auf die
Wohnbevölkerung?» (30), «Was macht Urbanität aus?» (18). Der individuelle Flächenverbrauch spielt eine
untergeordnete Rolle und nur vereinzelte Publikationen gehen auf psychologische Widerstände gegen
Verdichtung ein (5, 30, 23).
Welche Faktoren einen individuellen Verzicht auf Wohnfläche begünstigen (Analyse der intrinsischen
Motivation, gesellschaftliche Akzeptanz kleiner Wohnflächen, veränderte Wahrnehmung ökologischer
Fussabdruck und Wohnen) wird noch kaum thematisiert. Die angedachten Konzepte für eine gelingende
Verdichtung spielen jedoch für die künftige Entwicklung innovativer Wohnformen, welche eine Reduktion des
individuellen Raumbedarfs anpeilen, eine wichtige Rolle.

Zunahme des individuellen Wohnflächenverbrauchs: Ursachen und mögliche Massnahmen
Ausgehend von der über Jahrzehnte kontinuierlichen Zunahme der Wohnfläche pro Person stehen bei diesem
Literaturcluster die Gründe für diese Zunahme sowie mögliche Massnahmen dagegen im Zentrum. Der
langjährige Trend zu einem wachsenden Pro-Kopf-Flächenbedarf beim Wohnen ist nach wie vor ungebrochen,
2018 betrug die durchschnittliche individuelle Wohnfläche pro Person 46m 2 (31), in dichten städtischen
Verhältnissen wie Basel-Stadt immerhin noch 41m2 (20). Gemäss neueren Erhebungen scheint sich in den Städten
jedoch eine Verlangsamung des Anstiegs der pro-Kopf-Wohnfläche abzuzeichnen, vermutlich aufgrund des
Anstiegs der Wohnungspreise (13, 12).

Wichtige Treiber für die Zunahme der individuellen Wohnfläche sind:

    •   die alternde Gesellschaft: ältere Menschen leben länger zuhause und bleiben aus sozialen sowie
        finanziellen Gründen in der ehemaligen Familienwohnung wohnen (8, 16).
    •   der Trend zu Kleinhaushalten und zur Individualisierung der Gesellschaft: Single-Haushalte nehmen in
        allen Altersgruppen zu (8, 10).
    •   ein höheres Wohlstandsniveau ermöglicht Flächenkonsum als Luxus- oder Prestigegut (8).

Diverse Studien untersuchen das Veränderungspotenzial und auch die Bereitschaft bei verschiedenen
Altersgruppen, ihren Wohnflächenkonsum zu reduzieren. So verfügt etwa jeder zehnte Haushalt gemäss eigener
Einschätzung über zu viel Wohnfläche. Das grösste Reduktionspotenzial beim Wohnflächenkonsum wird bei der
Haushaltsgruppe der älteren Menschen ausgemacht (12, 16). Hier sind die Hinderungsgründe v.a. sozialer
und/oder finanzieller Art. Ein Umzug in eine kleinere, häufig teurere Wohnung, bzw. der Verkauf einer
Liegenschaft, welche weitgehend abbezahlt ist, ist für diese Altersgruppe finanziell nicht attraktiv. Andere
Studien (18, 29) zeigen, dass die Bereitschaft zur Anpassung der Wohnfläche weitaus grösser ist als das eruierte
Potenzial. Die Umzugsbereitschaft hängt dabei von folgenden Kompensationsfaktoren ab:

    •   Preis (günstiger oder gleich teuer)
    •   Opportunität (vergleichbare Verkehrserschliessung, Ausbaustandard und Zimmerzahl)
    •   Lage (zentral oder im gleichen Quartier)

In der gesichteten Literatur werden verschiedenste Massnahmen genannt, die den Flächenkonsum beeinflussen
können. Deren Anwendung steht im Spannungsfeld zwischen Umsetzbarkeit (Eingriffstiefe ins Verhalten von
Privatpersonen und den damit einhergehenden Akzeptanzproblemen) und Wirksamkeit (19). Bei den
diskutierten Massnahmen handelt es sich zum einen um Regulierungsinstrumente, zum anderen um
Förderinstrumente mit Subventionscharakter oder wohnspezifische Lenkungsabgaben und steuerliche
Anreizsysteme (32, 19). Die Palette reicht dabei von der reinen Beratung über finanzielle Anreize wie
Umzugshilfen oder gar Lenkungsabgaben bis hin zur Anpassung des Wohnungsbestands oder Lenkungseingriffen
wie der Erlass von Belegungsrichtlinien für den Gesamtwohnungsbestand (12, 19, 25, 33).

Veränderte Muster des Wohnflächenkonsums werden die künftige Entwicklung des Flächenverbrauchs gemäss
der konsultierten Literatur massgebend bestimmen. Die demografische Struktur einer alternden Gesellschaft
scheint hier neben den Bedürfnissen der Single-Haushalte der wichtigste Treiber für den Wohnflächenkonsum
zu sein.

Ob der Trend in Richtung Zu- oder Abnahme geht, kann durch Rahmenbedingungen im Bereich der Raumplanung
und der Immobilienwirtschaft gesteuert werden. Als besonders erfolgversprechend werden aktuell Massnahmen
im Bereich Belegungsvorschriften, Quadratmeter-Beschränkungen nach Wohnungsgrösse im geförderten
Wohnungsbau, Umzugshilfen im Rahmen von Beratungen und ein planerischer Dichtebonus für
flächensparendes Wohnen erachtet (19).
Die Rolle von Vorbildern (VIPs, Stars, Politiker*innen etc.) eines neuen Lebensstils oder eines
Mentalitätswechsels beim Wohnflächenverbrauch wird in der Literatur nur am Rande thematisiert (10, 22).

Gestaltung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten – Faktoren für die Akzeptanz von
Flächenreduktion
Gemeinschaftliche Wohnprojekte verschiedenster Ausprägung werden – vor allem im gemeinnützigen
Wohnungsbau – nicht erst seit einigen Jahren realisiert. Waren früher vor allem neue Formen des
Zusammenwohnens und die Verbesserung der Energiebilanz die herausragenden innovativen Elemente, so
gewannen bei jüngeren Projekten die gesamthafte Betrachtung des Ressourcenverbrauchs und somit auch die
Reduktion des Flächenverbrauchs immer mehr an Bedeutung. In der Literatur wird bei Wohnprojekten mit
gemeinschaftlicher Ausrichtung nach verschiedenen Motivationen unterschieden. Bei „Gemeinschaftlich als
Grundhaltung“ (37) wird die Gemeinschaft aus Prinzip gesucht und als Ausdruck eines Lebensstils verstanden.
Solche Projekte steuern den Mietermix über Angebot und Mieteranforderungen, um u.a. auch die Integration
bestimmter Gruppen zu fördern. Projekte, welche „Gemeinschaft als Mittel zum Zweck“ (37) anbieten, vereinen
Menschen mit besonderen Bedürfnissen (beschränkte Ressourcen, spezifische Lebensphase) – dies können
Zweck-Wohngemeinschaften oder Komplexe mit Kleinstwohnungen sein (Mikro-Wohnen) (15, 17, 28, 37, 38).

Bei all diesen Wohnformen wird die individuelle Wohneinheit mit Gemeinschaftsräumen ergänzt. Bei den
Wohnangeboten mit einer gemeinschaftlichen Wertehaltung steht der Austausch und das Miteinander sowie
häufig auch ein minimaler Konsens über gegenseitige Hilfe, die eigenverantwortliche Organisation der
Gemeinschaft, barrierefreies Bauen und ökologische Zielsetzungen im Fokus. Mikro-Wohnungen sind hingegen
individuelle Kleinstwohnungen, die durch ein zusätzliches Raumangebot ergänzt werden, das die Mietenden je
nach Wunsch, Lebensphase und Budget mit der Hausgemeinschaft teilen können (38, 39).

Im Hinblick auf die Forschungsfrage – „Welche baulichen, gestalterischen und sozialen Massnahmen fördern die
Akzeptanz einer Wohnflächenreduktion?“ – scheinen gemeinschaftliche Wohnprojekte die besten
Voraussetzungen für die Akzeptanz reduzierter Wohnflächen zu bieten.

Wichtige Voraussetzungen für die Akzeptanz der Wohnflächenreduktion sind:

•   eine gute Gestaltung der Wohnungen. Wichtige Faktoren sind hier:

    o die Reduktion der Erschliessungsflächen (2),
    o angenehme Raumhöhen (6),
    o und vielleicht am wichtigsten: eine hohe Nutzungsflexibilität der Räume (2, 8)

•   eine gute Gestaltung des direkten Wohnumfelds. Relevant sind hier vor allem:

    o Die Ausgestaltung von semi-privaten bis öffentlichen Gemeinschaftsflächen wie Gassen, Plätze,
      Eingangshallen, Treppenhäuser, Laubengänge und Dachnutzungen (2).
    o Die Gestaltung des Fassadenraums, d.h. des Zwischenraums zwischen den Gebäuden sowie der
      Übergänge zwischen privatem, halböffentlichem und öffentlichem Raum. Das Wechselspiel von
      Porosität (Geschlossenheit-Offenheit), Tarnung (Blickfang-Ablenkung), Alternativen (Rückzug-
      Interaktion), Kompensation (Aneignung-Spielraum), Ambivalenz (Öffnung-Schutz), Intervall
      (Distanzräume-Pufferzone), Flirt (Nähe-Atmosphäre) sollte bei der Gestaltung der Zwischenräume
      berücksichtigt werden (21, 36).
    o Der Ausgestaltung der Grünräume kommt eine wichtige Bedeutung zu: Die Grünräume im verdichteten
      Raum sind stark genutzt, entsprechend sollten die Übergänge vom Haus zum Aussenraum fein
      strukturiert sein. Menschen wünschen sich Orte des Rückzugs, der Ruhe und des kontemplativen
      Naturerlebnisses. Dem kann mit einer diversifizierten Pflanzenwelt und mit Vernetzungsmöglichkeiten
      entsprochen werden. Auch Balkon, Wintergarten, Laubengang und Loggia lassen sich architektonisch als
      halb-privater gärtnerischer Gestaltungsraum gestalten (4).
•   Massnahmen zur Wahrung der Privatsphäre (Rückzugsmöglichkeiten, Nischen):

    o Möglichkeit, den eigenen Rückzug oder Austausch mit der Umgebung individuell steuern zu können (21)
      (siehe auch Massnahmen zur Gestaltung des Aussenraums).
    o Definition verschiedener Raumtypen (11):
          My-Room (intim/privat)
          Our-Room (Familie, Haushalt, Wohngemeinschaft, Cluster)
          Your-Room (gemeinschaftliche Nutzungen), Space+ (Erschliessungs- und Begegnungszone)
    o Nutzungsüberlagerung und Mehrfachnutzungen, professionelle Begleitung des Vermietungsprozesses
      und des Zusammenlebens (25)

•   adäquate räumliche Ausgleichsmassnahmen (im Gebäude, im Aussenraum):

    o Die räumlich komprimierten Wohnungen und die hohe Dichte der Überbauung werden mit
      halböffentlichen und gemeinschaftlichen Räumen auf den einzelnen Etagen und dem Dach
      ausgeglichen.
    o Auslagerung von Wohnbedürfnissen aus der Wohnung in die Gemeinschaft (10), durch Schaffung von
      Gemeinschaftseinrichtungen wie Wasch- und Trockenräume, Veloabstellplätze, Plätze für Kinderwagen,
      Spielraum für Kinder, gemeinschaftlicher Garten oder Beete auf Dächern, im Innenhof oder auf
      Balkonen, Veranstaltungs- und Gemeinschaftsräume, Gästezimmer (3, 8, 17, 28).
    o Realisierung von Sharing-Ansätzen: Raum für Tausch- und Leihbörsen (Bücher, Spiele, Haushaltsgeräte,
      Werkzeuge, Instrumente), Food-Sharing, Repair-Café, Werkstatt (28).
    o Auch Gemeinschaftsprojekte benötigen Rahmenbedingungen, um einen Anstieg des Flächenverbrauchs
      zu verhindern. Eine Kombination von Belegungsziffern mit einer maximalen Pro-Kopf-Wohnfläche ist
      hier zielführend (26).
    o Die Mobilität innerhalb der Liegenschaft bei veränderter Haushaltsgrösse muss gewährleistet sein, z.B.
      durch regelmässige interne Wohnungsbazare, vielfältigem Wohnungsmix und Zusammenarbeit mit
      umliegenden Genossenschaften (26).

Befragungen in Deutschland und Österreich zeigen, dass die Reduktion der individuellen Pro-Kopf-Wohnfläche
trotz der zusätzlichen gemeinschaftlichen Raumangebote klar als Einschränkung empfunden wird.
Gemeinschaftliche Wohnprojekte müssen diesen Faktor in der Kommunikation, im Vermietungsprozess und in
der Begleitung des Wohnprojekts nach dem Einzug entsprechend berücksichtigen (26).

Wohntrends des 21. Jahrhunderts
Das Konzept „Wohnen“ ist im Umbruch begriffen. Die Kleinfamilie oder Familienwohnung ist nicht mehr der
Massstab aller Dinge, denn es gibt immer mehr Singles, Patchworkfamilien und neuartige Wohnformen, die sich
nicht an einer Familienstruktur orientieren. Zudem werden die Konzepte „Wohnen“, „Arbeiten“ und
„Privatbesitz“ in der digitalisierten Welt neu definiert. Wohnen und Arbeiten vermischen sich, werden
ortsungebundener (digitale Nomaden) und ebenfalls häufig gemeinschaftlich organisiert (Coworking-Spaces).
„Tauschen & teilen“ oder „nutzen statt besitzen“ definieren zudem die Grenzen des Privatbesitzes und des
privaten Raums neu. Verschiedene Publikationen beschreiben – basierend auf den aktuellen Trends – mögliche
Wohnformen der Zukunft. Erwähnenswert sind hier die beiden 2018 erschienenen Studien des Gottlieb
Duttweiler Instituts „Microliving“ (10) und „Future Public Space“ (22).

Gemäss den beiden Studien führt die Individualisierung des Wohnens dazu, dass die All-in-one-Lösungen des
klassischen Familienhaushalts künftig von neuen Modellen abgelöst werden, die für jede Funktion die Frage
stellt, ob sie privat, nachbarschaftlich oder öffentlich gelöst wird. Gemäss dieser Vision leben viele von uns
künftig nicht mehr in vollausgestatteten Wohnungen, sondern beschränken den privaten Wohnraum auf das
persönlich Wichtigste.

Wohnen wird gemäss diesen Trendstudien zur Marke, zum privaten und individualisierten Konzept. Wohnen
wird zunehmend von personalisierter Technologie geprägt werden und vielleicht am Wichtigsten: Die
Wohnfläche wird künftig in der breiten Öffentlichkeit als Faktor eines nachhaltigen Lebensstils wahrgenommen.
Luxus beim Wohnen wird künftig nicht mehr unbedingt mit Villen und Lofts gleichgesetzt, sondern misst sich an
einem neuen Verständnis von kollektiven Gütern und Leistungen, von Dingen, die wir teilen oder tauschen.
Wohnen wird Teil eines neuen Konsummusters werden, bei dem Nutzen vor Besitzen kommt. Dazu gehört, dass
individuelle Wohnflächen reduziert und im Gegenzug mehr Gemeinschaftsflächen generiert werden.

Zusammenfassende Schlussfolgerungen: Bewusst kleiner wohnen – der blinde Fleck der
Wohnflächenforschung
Von der Projektgruppe wurde die verfügbare Literatur vor allem daraufhin geprüft, welche Faktoren einen
individuellen Verzicht auf Wohnfläche begünstigen, bzw. was mögliche Widerstände und Ängste in Bezug auf die
freiwillige Flächenreduktion sein könnten.

Als bauliche und räumlich-gestalterische Faktoren, welche die Akzeptanz der Flächenreduktion in
gemeinschaftlichen Wohnformen erhöhen, werden in der Literatur vornehmlich genannt:

        •    eine gute Gestaltung der Wohnung und
        •    des direkten Wohnumfelds,
        •    Optionen für den persönlichen Gestaltungsspielraum bei den Übergängen zwischen privaten,
             halböffentlichen und öffentlichen Räumen,
        •    Massnahmen zur Wahrung der Privatsphäre
        •    adäquate Ausgleichsflächen innerhalb des Gebäudes und/oder im umliegenden Grünraum

Neben diesen gestalterischen Faktoren spielen jedoch auch Mentalitätsveränderungen, biografische und sozio-
demografische Merkmale sowie das Spannungsfeld zwischen individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen
eine zentrale Rolle. Doch hier erstaunt, dass sich die vorhandene Forschungsliteratur hauptsächlich auf bauliche
Themen und die Ursachen für den zunehmenden Flächenverbrauch konzentriert. Die Analyse von Motiven und
Gründen, warum Menschen bewusst eine Flächenreduktion wählen sowie die damit verbundenen
Wahrnehmungs- und Verhaltensaspekte scheinen erst jetzt in erste studentische Masterarbeiten sowie grössere
Forschungssettings einzufliessen.
Tabelle Literatur

 Nr.   Autor*innen                              Titel
       Bundesamt für Statistik                  „Szenarien zur Entwicklung der Haushalte 2017-2045“, BFS Aktuell,
  1
                                                Neuchâtel, November 2017
       wohnbaugenossenschaften schweiz,         «Sind flächenmässig kleine Wohnungen ein Weg zu bezahlbarem
  2    Regionalverband Zürich                   Wohnraum?“, Referat Anlass Fördermitglieder Baugenossenschaft im
                                                Gut, 28.02.2013
       Zeitschrift Stadt Bauwelt 209, 12.2016   Themennummer „Dichte Packung: Die Städte in Ballungsräumen
  3
                                                wachsen. Wo bleibt die Qualität?“
       Zeitschrift werk, bauen + wohnen, 10     Themennummer „Dichte und Nähe“
  4
       – 2015
       Dichtelust – Formen des urbanen          Katalog zur Ausstellung des SAM, http://www.sam-
  5    Zusammenlebens in der Schweiz,           basel.org/de/ausstellungen/dichtelust-formen-des-urbanen-
       24.11.2018 – 05.05.2019                  zusammenlebens-der-schweiz
  6    Hochparterre, 9-2016                     Wohnen im Zwicky: zwischen Idyll und Schall, S. 32
       La Revue Durable, No 62, printemps       „Indicateurs sur les coopératives d’habitants
  7
       2019                                     et l’habitat participatif“, p. 18-21
       Amstutz, Sibylla; Delbiaggio, Katia &    „Wohnflächenverbrauch und Grundrissgestaltung – Eine
       Wanzenried, Gabrielle                    angebotsseitige Betrachtung.“, S. 218-242, In: Ulrike Sturm, Melanie
  8
                                                Lienhard (Hrsg.), Kooperation Bau und Raum: Neue interdisziplinäre
                                                Wege in Forschung und Praxis, Zürich: vdf Hochschulverlag AG, 2018
       Argast, Frank; Durban, Christoph;        Verdichtung als Chance für einen nachhaltigen Städtebau, S. 9-15, In:
  9    Kurz, Birgit                             Eine Dokumentation der baulichen Veränderung in Zürich, 30
                                                Beispiele, Zürich, 2012
       Brett, Stefan; Gürtler, Detlev           Microliving – Urbanes Wohnen im 21. Jahrhundert, Gottlieb
 10
                                                Duttweiler Institute, 2018
       Bürgi, Hanspeter                         „Smart Sharing: Architektur und Technik, Raum und Ressourcen“, S.
 11
                                                10-13, In: Forum-bwo, Smart Sharing, 2-2016
       Delbiaggio, Katia; Wanzenried,           Wohnflächenkonsum und Wohnflächenbedarf, HSLU, 2015, Studie im
 12
       Gabrielle                                Auftrag des BWO
       wüestpartner (Hg.)                       Siedlungsentwicklung nach innen in den Städten, 13. August 2018,
 13
                                                Studie im Auftrag des Schweizerischen Städteverbands
       Domschky, Anke; Kurath, Stefan;          Stadtlandschaften verdichten, Reader zhaw, 2018
 14
       Mühlebach, Simon; Primas, Urs
       Emmenegger; Barbara; Fanghänel,          Nachbarschaften in genossenschaftlichen Wohnsiedlungen als
       Ilja; Müller, Meike                      Zusammenspiel von gelebtem Alltag, genossenschaftlichen Strukturen
 15
                                                und gebautem Umfeld – Ein Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit,
                                                Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern, 2017
       Deschermeier, Philipp; Henger, Ralph     „Die Bedeutung des zukünftigen Kohorteneffekts auf den
                                                Wohnflächenkonsum“, S. 23-39, In: IW Trends – Vierteljahresschrift
 16
                                                zur empirischen Wirtschaftsforschung, Institut der deutschen
                                                Wirtschaft, Köln, Vol. 42, Iss. 3
       Kompetenzzentrum Typologie &             Suffizienz im Quartier: Wie kooperative Strategien unseren
 17
       Planung in Architektur (CCTP)            Lebensalltag beeinflussen, Hochschule Luzern, Januar 2014
       Ilg, Peter; Zimmerli, Joëlle             Verdichtung der städtischen Wohnbevölkerung. Modellierung des
                                                Potenzials durch 1-2 zusätzliche Wohngeschosse in attraktiven
 18
                                                städtischen Quartieren, 15. Dezember 2012, Studie im Auftrag des
                                                Schweizerischen Gewerbeverbands sgv
       Gmünder, Markus; Braun-Dubler, Nils;     Analyse von Instrumenten zur Steuerung des Wohnflächenkonsums,
       Merki, Manuela; Perrez, Josef            Institut für Wirtschaftsstudien Basel (2016), Studie im Auftrag des
 19
                                                Bundesamtes für Wohnungswesen sowie Kantons- und
                                                Stadtentwicklung Basel-Stadt, Grenchen und Basel.
       Kantons- und Stadtentwicklung Basel-     „Was ist eigentlich Verdichtung?“, Basel, Dezember 2015
 20    Stadt, Fachstelle Grundlagen &
       Strategien
Nr.   Autor*innen                             Titel
      Juppien, Angelika; Zemp, Richard        Gute Fassadenräume fördern Akzeptanz von Dichte, S. 22-25, In:
21
                                              Wohnen, Januar/Februar 2019
      Kwiatkowski, Marta; Breit, Stefan;      Future Public Space – Die Zukunft des öffentlichen Raums, GDI
22
      Thalmann, Leonie                        Gottlieb Duttweiler Institute, 2018
      Metron Raumentwicklung AG               7 Tools zur Innenentwicklung – die Metron Dichtebox, Zürich 2010,
23                                            Studie im Auftrag des Amts für Raumentwicklung Zürich,
                                              www.metron.ch/topic6340/story18410.html
      Scheidegger Angelika                    Förderung des nachhaltigen Umgangs mit Wohnfläche, Disposition
24
                                              Master ETH Wohnforum, Dezember 2018
      Schmid, Susanne                         Geteiltes Wohnen – Modelle des urbanen Zusammenlebens mit
25                                            Nutzungsoptionen als Erweiterung und Kompensation des
                                              individuellen Wohnraums, MAS Thesis ETH-Wohnforum, Juli 2017
      Schopp Lisa                             Das Potenzial neuer Wohnformen zur Reduzierung der Pro-Kopf-
                                              Wohnfläche im urbanen Raum, MAS Thesis Fakultät für Architektur /
26
                                              Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt der Technischen Universität
                                              München, München, 2017
27    Simon, Axel                             Cluster und Almende, S. 20-26, In: Hochparterre Themenheft Juni 2014
      Sinning, Heidi; Spars, Guido (Hg.)      Sharing Ansätze für Wohnen und Quartier, Fraunhofer IRB Verlag,
28
                                              Stuttgart 2019
      Zimmerli, Joëlle                        Akzeptanz städtischer Dichte. Erwartungen und Prioritäten zum
29                                            Wohnen in der Stadt Zürich: Fokus Bevölkerungsentwicklung und
                                              Wohnungsnot, Zürich, 2014
      Hollenstein, Alice                      „Was macht Dichte mit uns Menschen“. In: Stadtblick 30, September
30
                                              2014, S. 13-14, Hrsg. Stadtentwicklung Zürich
31    Bundesamt für Statistik                 Durchschnittliche Wohnfläche pro Bewohner, 2018
                                              https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bau-
                                              wohnungswesen/wohnungen/wohnverhaeltnisse/flaechenverbrauch.
                                              html
      PUSCH 3 – 2019: Thema Umwelt –          Jude Schindelholz, Wie können Gemeinden suffiziente Wohnformen
32    Räume suffizient nutzen: neue Wohn-     fördern, S. 8-9
      und Arbeitsformen                       Ania Biasio, Experimentieren erwünscht, S. 4-5
                                              Alex Valsecchi, Flexibles Wohnkonzept, S. 21
      Joëlle Zimmerli, Markus Schmidiger      Demografie und Wohnungswirtschaft: Pensionierte auf dem
33    (Hg.)                                   Wohnungsmarkt, Schriften aus dem Institut für Finanzdienstleistungen
                                              Zug IFZ, Band 31, Verlag IFZ — Hochschule Luzern, 2016
      m & w news, 11.06.2016                  Interview mit Andreas Hofer,
34                                            https://www.mieterverband.ch/mv/politik-
                                              positionen/news/2016/wohngenossenschaften-im-aufbruch.html
      Together. Die Neue Architektur der      https://www.design-
35    Gemeinschaft, 03.06. – 10.09.2017,      museum.de/de/ausstellungen/detailseiten/together-die-neue-
      Vitra Design Museum                     architektur-der-gemeinschaft.html
36     Angelika Juppien, Richard Zemp (Hg.)   Vokabular des Zwischenraums, IAR / CCTP, Luzern 2019
      Wohnbaugenossenschaften Schweiz –       Überblick Innovative Wohnformen – Kontext, Typologien und
37    Regionalverband Zürich & Hochschule     Konsequenzen, Juli-Okt. 2018
      Luzern (IAR, CCTP) Hg.
      Herdt, Tanja; Krayer, Isabella          Mikro-Wohnen / Cluster-Wohnen: Evaluation gemeinschaftlicher
38                                            Wohnformen für Kleinsthaushalte, ETH-Wohnforum-ETH CASE, BWO,
                                              Juni 2019
      Bühler, Fabienne                        „Auf Hausbesuch beim neuen Bachelor“, In: Schweizer Illustrierte,
39                                            https://www.schweizer-illustrierte.ch/people/willkommen-der-luxus-
                                              casa-patric-haziri
      Hiltmann, Aleksandra                    „Ist kleiner wirklich besser?“, In: Tages-Anzeiger 15.04.2019, S. 29
40
Nr.   Autor*innen                            Titel
      Walther, Michael                       „Wohnung mit Dreh“, In: ETH-Zürich news, 16.07.2019,
41                                           https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-
                                             news/news/2019/07/wohnung-mit-dreh.html
      Martel, Andrea                         „Beim Prime Tower soll ein Wohnturm mit Mikroapartments
42
                                             entstehen“, In: NZZ, 25.10.2018
      Bürgi, Marc                            Trend: Die Schweiz entdeckt die Micro-Apartments, In:
43
                                             Handelszeitung, 14.03.2017
      Kleinwohnformen in der Schweiz         https://kleinwohnformen.ch/ oder
44
                                             https://www.oekominihaus.ch/
      Hugentobler, Margrit; Wiener, Daniel   ANANAS – Angebotsstrategie NAchhaltig NAchverdichteter Städte.
      (Hg.)                                  Leitfaden und Checklisten zur nachhaltigen Arealentwicklung für
45
                                             Städte und Gemeinden, Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH
                                             Zürich, 2016, http://ananas.net/
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