MAUS Mitteilungen ausunsererSäugetierwelt Heft18 - ISSN 0940-807X Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) - AGWS-BW

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MAUS Mitteilungen ausunsererSäugetierwelt Heft18 - ISSN 0940-807X Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) - AGWS-BW
MAUS
Mitteilungen
aus unserer Säugetierwelt                           Heft 18

      Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS)
        Baden-Württemberg e. V., November 2013
                    ISSN 0940-807X
MAUS Mitteilungen ausunsererSäugetierwelt Heft18 - ISSN 0940-807X Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) - AGWS-BW
MAUS 18, 11/2013

                              Inhaltsverzeichnis
In eigener Sache                                                                          1

Berichte und Aktivitäten
Zusammenfassung des FFH-Stichprobenmonitorings der Haselmaus
(Franz Langer & Joanna Fietz)                                                             3
Der Luchs in Baden-Württemberg – aktuelle Ergebnisse aus dem Luchs-Monitoring
(Micha Herdtfelder)                                                                       6

Originalarbeiten
Ein weiterer Nachweis der Alpenspitzmaus, Sorex alpinus Schinz, 1837,
im Nordschwarzwald (Hans-Werner Maternowski)                                             13
Ein Igel (Erinaceus europaeus L., 1758) Mitte Februar aktiv in Steinheim
(Thomas Rathgeber)                                                                       14
Baummarder, Martes martes (Linnaeus, 1758), ernährte sich von Spätburgunder-
trauben (Hans-Werner Maternowski)                                                        15
Der 1846 auf der Schwäbischen Alb am Reußenstein erlegte „letzte“ Luchs,
Lynx lynx (Linnaeus, 1758), und seine Geschichte (Thomas Rathgeber)                      17

Termine
Die Zähmung des Wolfes – Sonderausstellung im Keltenmuseum Hochdorf/Enz
vom 19. Oktober 2013 bis 9. Juni 2014                                                    39
Die Biber kommen – Sonderausstellung im Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf
verlängert                                                                               40

Buchbesprechungen                                                                        41

Zum Schluss
Neues aus der Welt der fossilen und rezenten Säugetiere (Thomas Rathgeber)               43
Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere Baden-Württemberg e.V. (AGWS)                       45
MAUS, Mitteilungen aus unserer Säugetierwelt (Impressum)                                 46

Titelfoto:
Luchs-Jagd am Reußenstein 1846 (zum Artikel „Der 1846 … erlegte „letzte“ Luchs …“).
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                                 In eigener Sache

Zugegeben, jetzt hat es doch etwas länger gedauert, bis wir ein neues Heft der MAUS heraus-
bringen konnten. Aber die MAUS lebt nun mal von den Beiträgen und dem Engagement der
AGWS-Mitglieder, und das lässt sich nicht auf Bestellung abrufen – schon gar nicht bei den
vielfältigen Aufgaben und Verpflichtungen, die jeder von uns hat. Deshalb möchte ich mich
zu allererst bei all jenen bedanken, die es, trotz knapper Zeit, möglich gemacht haben, die
MAUS mit interessanten und spannenden Beiträgen zu füllen. Mein besonderer Dank gilt
dabei vor allem Thomas Rathgeber, der für die Zusammenstellung der Beiträge verantwort-
lich zeichnet und selbst wieder interessante Artikel beigesteuert hat.
In dieser MAUS spannen wir einen weiten Bogen von der frühen Geschichte des Luchses in
Baden-Württemberg über seine Ausrottung mit dem Abschuss des letzten Luchses im Jahr
1846 bis zu den aktuellen Luchsbeobachtungen der letzten Monate. Wird der Luchs bei uns
wieder eine Heimat finden? Die Fachleute sind skeptisch – vermutlich braucht der Luchs dazu
unsere Hilfe.
Wer unsere aktive Hilfe zur Wiederansiedlung und Ausbreitung sicherlich nicht mehr braucht,
ist der Biber. Beinahe in allen Flusssystemen des Landes ist er auf dem Vormarsch! Was er
aber braucht, ist eine gute Begleitung und Unterstützung. Biber sind perfekte Wasserbauinge-
nieure, die Landschaften verändern können. Das führt oft zu Konflikten mit anderen Land-
nutzern. Hier ist Diplomatie erforderlich.
Bei unserem diesjährigen AGWS-Treffen am 5. und 6. Oktober in Wilhelmsdorf konnten wir
uns von den großen Aktivitäten der Biber überzeugen. Pia Wilhelm zeigte aber auch auf, wo
es Konflikte gibt und welche Mühen es kostet, sie zu lösen.
Liebe Pia, vielen Dank für deine Geduld mit uns, deine Organisation und deine Führungen
– es war ein wunderschönes Treffen! Nicht nur, dass wir in der Dämmerung einen Biber,
wenn auch nur kurz, beobachten und nebenbei noch Fledermäuse verhören konnten. Am
nächsten Tag erläuterten uns Joanna Fietz und Franz Langer ihre Haselmausforschung, und
schließlich durften wir noch die neue Ausstellung des Naturschutzzentrums Wilhelmsdorf
besichtigen. Diese neue Ausstellung ist für Familien unbedingt eine Reise wert. Unseren Kin-
dern hat sie auf jeden Fall gefallen!

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Für unser Treffen im nächsten Jahr gibt es auch schon eine gute Idee. Stefan Bosch schlägt
vor, nach Zaberfeld in den Naturpark Stromberg zu kommen. Also vormerken! Der Termin
wird in der nächsten AGWS-Sitzung festgelegt und mit dem nächsten Rundschreiben be-
kanntgegeben.

Bis dahin, herzliche Grüße

Wolfgang Schlund
(Vorsitzender)

Die Teilnehmer am zweiten Tag des AGWS-Treffens im Hochmoor bei Wilhelmsdorf (Foto Th. Rathgeber).

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Berichte und Aktivitäten                                                      MAUS 18, 11/2013

                           Berichte und Aktivitäten

Zusammenfassung des FFH-Stichprobenmonitorings der Haselmaus

Franz Langer und Joanna Fietz

Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius)
Die Haselmaus ist mit 15-40 g der kleinste einheimische Bilch und in den Wäldern Mittel-
und Südeuropas verbreitet. Sie ist ein obligater Winterschläfer und stellt ihre Nahrungsauf-
nahme während des Winterschlafs vollständig ein. Für den Winterschlaf zieht sie sich in
dickwandige Nester aus Gras, Laub und Moos zurück, die sich unter der Laubstreu zwischen
Wurzeln befinden. Die Nahrung der Haselmaus besteht aus Früchten, Samen, Blüten und
Insektenlarven. Das Vorkommen von fetthaltigen Samen wie Bucheckern und Haselnüssen
wird besonders während der extremen Körpermassenzunahme vor Einsetzen des Winter-
schlafs genutzt. Insgesamt ist der Bestand der Haselmaus in den letzten 100 Jahren deutlich
zurückgegangen, was insbesondere auf die Fragmentierung der Wälder zurückgeführt wird
(Bright & Morris 1996; Morris 2004). Haselmäuse werden durchschnittlich 2-3 Jahre alt
(schlund 2005). Potentielle Prädatoren sind Waldkauz (Strix aluco), Waldohreule (Asio otus),
Mauswiesel (Mustela nivalis), Steinmarder (Martes foina) und Hauskatzen (Felis silvestris
catus). Haselmäuse nehmen spezielle Haselmausnisthilfen (Niströhren bzw. Nistkästen) gut
an, was den Zugriff auf diese Art ermöglicht.

Stichprobenmonitoring der Haselmaus
Die AGWS wurde 2010 von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Ba-
den-Württemberg (LUBW) mit der Durchführung des FFH-Stichprobenmonitorings der Ha-
selmaus beauftragt. Die Haselmaus wird nach den FFH-Richtlinien im Anhang IV geführt:
streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse. In der Ro-
ten Liste gefährdeter Arten Baden-Württembergs wird sie der Kategorie G zugeordnet: Ge-
fährdung anzunehmen, aber Status unbekannt (Braun & dieterlen 2005). Dagegen führte
das Projekt „Wildlebende Säugetiere Baden-Württembergs“ (Braun & dieterlen 2005) und die
daraus resultierende Verbreitungskarte des Erhaltungszustandes der Haselmaus in Baden-
Württemberg zu einer Einstufung als günstig (FV favourable; schlund 2005). Jedoch beruhen
die Informationen, die zu diesen Einstufungen führten, größtenteils auf indirekten Nachwei-
sen, wie charakteristischen Fraßspuren und Nestern, aber auch auf Nistkastenkontrollen von
faunistisch nicht speziell geschulten Waldarbeitern. Eine Verwechslung mit anderen Klein-

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säugerarten kann hier daher nicht ausgeschlossen werden. Zudem sind für eine fachgerechte
Bestandserhebung grundsätzlich Fang-Wiederfang-Studien mit individuell markierten Tieren
notwendig. Ziel des Stichprobenmonitorings war es daher, den Bestand der Haselmaus in
Baden-Württemberg möglichst flächendeckend zu beschreiben. Innerhalb des Stichproben-
monitorings wurden von insgesamt 16 Mitgliedern der AGWS 11 Untersuchungsflächen zu-
nächst etabliert und anschließend auf deren Haselmausvorkommen hin kontrolliert. In den
Untersuchungsflächen wurden dafür jeweils 50 Nistkästen (6 Gebiete) bzw. 50 Niströhren (5
Gebiete) an den Kreuzungspunkten eines 50 x 50 m Rasters einzeln in einer Höhe von 1 bis
3 m in der Vegetation befestigt. Durch Anpassen dieses Raster an die Gegebenheiten vor Ort
ergaben sich Untersuchungsflächen mit Größen von 11,5 bis 15 ha. In jeder der 11 Untersu-
chungsflächen fanden zwischen Juli und Oktober 2011 zwei Kontrollen statt.

Haselmaus-Nistkasten (links) und -Niströhre (rechts) im Einsatz beim FFH-Stichprobenmonitoring der
AGWS (Fotos Th. Rathgeber).

Bei den Kontrollen wurden Parameter zum Zustand der Haselmauspopulation, der Habitat-
qualität und zu Beeinträchtigungen des Habitats erhoben. Der Zustand der Population wurde
durch direkte und indirekte Nachweise (Kugelnester der Haselmaus) ermittelt. Die Beurtei-
lung der Habitatqualität erfolgte durch das Bestimmen der Größe der unzerschnittenen
Waldfläche, des Deckungsgrades der Strauchschicht, der Anzahl an Höhlenbäumen und des
Anteils von Nahrungspflanzen. Als Beeinträchtigungen wurden forstliche Maßnahmen und
die Zersiedlung bzw. Zerschneidung der Flächen protokolliert. Im Rahmen dieser Studie wur-
den die Tiere weder individuell markiert noch wurden durchgängig Geschlecht und Alter
bestimmt. Dies stellt sicherlich eine Schwachstelle der Studie dar, da ohne das Erfassen der
Wiederfangrate die Abundanz einer Art schwer ermittelt werden kann. In 8 von 11 Untersu-

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chungsgebieten konnte die Haselmaus direkt nachgewiesen werden. Dabei wurde der Zu-
stand von Haselmauspopulationen aus zwei der Untersuchungsflächen mit 14 bzw. 22 Indi-
viduen pro 50 Nistkästen als hervorragend (>10 Nachweise) eingestuft. Besonders zu
erwähnen ist, dass eine dieser Untersuchungsflächen in der kleinsten unzerschnittenen
Waldfläche mit einer Größe von 60 ha liegt. Gleichzeitig ist dies das einzige Untersuchungsge-
biet, in dem keine Siebenschläfer (Glis glis) vorkommen. Die andere Fläche mit hervorragen-
dem Zustand liegt in einem der größten unzerschnittenen Waldgebiete dieser Studie mit ei-
ner Fläche von 2.400 ha. In drei Untersuchungsflächen wurde der Zustand der
Haselmauspopulationen als gut eingestuft (4-10 Nachweise), in drei weiteren Gebieten waren
die Populationen in einem mittleren bis schlechten Zustand (
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Der Luchs in Baden-Württemberg – aktuelle Ergebnisse aus dem
Luchs-Monitoring

Micha Herdtfelder

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Eurasischen Luchses, Lynx lynx (Linnaeus, 1758),
in Europa ist durch den Menschen stark eingeschränkt worden. In nahezu ganz Mitteleuropa
war der Luchs vor 200 Jahren verschwunden. Erst infolge der aktiven Wiederansiedlung
durch den Menschen seit den 1970er Jahren kehrten die Luchse in einige ihrer angestammten
Lebensräume zurück.
Durch diese Wiederansiedlungsprojekte leben heute schätzungsweise wieder 100 Luchse im
Französisch-Schweizerischen Jura, 5 bis 10 in den Vogesen, 70 in den Schweizer Alpen, einige
Dutzend in Slowenien, 20 bis 30 im Böhmerwald und eine unbekannte Anzahl im Harz. In
Baden-Württemberg existieren seit 1988 Hinweise auf die sporadische Anwesenheit von ein-
zelnen Luchsen im Schwarzwald, eine etablierte Luchspopulation gibt es in Baden-Württem-
berg bisher aber nicht, da es zu keiner Wiederansiedlung von Tieren kam. Die durchgeführ-
ten Wiederansiedlungsprojekte in Europa wurden meist wissenschaftlich begleitet. Vor allem
der Einsatz von Telemetrie in der Schweiz, im Böhmerwald und in Slowenien brachte viele
Erkenntnisse zum Verhalten und zur Lebensraumnutzung der heimlichen Katzen.

Abb. 1: Verbreitung des Luchses, Lynx lynx (Linnaeus, 1758), in Europa (IUCN, Stand 2009, verändert).

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Luchse gelten demnach als relativ anspruchslose Tierart. Sie sind kein Zeiger für ökologisch
besonders wertvolle Lebensräume. Neben einem ausreichenden Nahrungsangebot brauchen
sie innerhalb ihres sehr großen Streifgebietes (100 bis 400 Quadratkilometer) Rückzugsräu-
me, wie ruhige Wälder oder Felsformationen. Schweizer Untersuchungen im Alpenraum
ergaben, dass Luchse vor allem die Hangwälder als Lebensraum nutzen, die besiedelten Täler
und die unbewaldeten alpinen Zonen werden eher selten aufgesucht. Ebenfalls konnte beob-
achtet werden, dass junge Luchse – im Gegensatz zu jungen Wölfen – ein eher zurückhalten-
des Ausbreitungsverhalten haben: sie können zwar nach der Trennung vom Muttertier weite
Strecken zurücklegen, suchen aber schließlich doch die Nachbarschaft von Artgenossen,
wenn sie sesshaft werden. Dementsprechend durchstreifen zwar immer wieder einzelne Tie-
re aus der Schweiz oder aus Frankreich geeignete Flächen in Baden-Württemberg, verlassen
diese aber wieder mangels anderer sesshafter Luchse. Erschwerend kommt hinzu, dass ein-
zelne illegale Abschüsse und Verkehrsverluste in der Schweiz die Ausbreitungen der wenigen
abwandernden Tiere erschweren. Obwohl die nächsten Luchsvorkommen nicht weit von
Baden-Württemberg entfernt in den Vogesen und im Schweizer Jura zu finden sind (Abb. 1),
wäre nach aktuellem wissenschaftlichem Stand eine aktive Ansiedlung von Luchsen not-
wendig, um diese in Baden-Württemberg zu etablieren (herdtFelder 2012).
Im Jahre 2004 wurde die Arbeitsgruppe Luchs (AG Luchs) in Baden Württemberg gegründet,
in der Vertreterinnen und Vertreter aus Jagd, Landwirtschaft, Naturschutz und Forschung
auch die Frage einer aktiven Wiederansiedlung von Luchsen kontrovers diskutieren. Aktuell
gibt es keinen Konsens für eine solche aktive Ansiedlung.

Das Luchs-Monitoring in Baden-Württemberg
Um den aktuellen Stand von Luchs-Nachweisen zu kennen, sammelt, überprüft und katego-
risiert die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Hinweise
zur Anwesenheit und Verbreitung von Luchsen (und auch von Wölfen) in Baden-Württem-
berg. Aufgrund der großen Streifgebiete der Luchse und ihrer bisher nur sporadischen Anwe-
senheit ist eine aktive Suche nach solchen Hinweisen nicht zielführend. Eine große Bedeu-
tung kommt somit der Meldung von Hinweisen aus der Bevölkerung, insbesondere der
Jägerschaft zu. Direkte Hinweise auf Luchs und Wolf, dazu zählen Beobachtungen, Fotonach-
weise oder Totfunde, können ebenso wie indirekte Hinweise, zum Beispiel Losungen, auffäl-
lige Spuren oder Risse, den zuständigen Wildtierbeauftragten der Landkreise oder direkt der
FVA gemeldet werden (Tel. 0761 / 4018-274). Bei Bedarf wird die Meldung in Absprache und
Zusammenarbeit mit den für das Revier zuständigen Jägerinnen und Jägern sowie Försterin-
nen und Förstern vor Ort überprüft. Im Fall von Rissen kann über das Aufstellen einer Foto-

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falle und durch eine Rissuntersuchung der Verursacher identifiziert werden. Bei guten
Schneebedingungen kann ein Gelände großräumig nach Fährten abgesucht werden.
Nach dem Eingang und der Überprüfung eines Hinweises wird dieser einer Kategorie zuge-
wiesen. Dabei ist entscheidend, ob eine Expertin bzw. ein Experte den Hinweis vor Ort über-
prüfen konnte oder nicht. International anerkannte Maßstäbe für die Beurteilung von sol-
chen Hinweisen setzen die SCALP-Kriterien (Status and Conservation of the Alpine Lynx
Population) nach Molinar-JoBin (2003). Diese ordnen jeden Hinweis einer der drei Kategorien
zu:
C1 – „hard facts“ wie Totfunde, Fotobelege, eingefangene Luchse oder genetische Nachweise;
C2 – von Expertinnen bzw. Experten überprüfte und bestätigte Hinweise wie Risse, Haare,
      Kotfunde oder Trittsiegel;
C3 – alle Beobachtungen und Lautäußerungen sowie von der Allgemeinheit gemeldete Risse,
Haare, Kotfunde oder Trittsiegel, die nicht von Expertinnen bzw. Experten überprüft werden
konnten.
Im Schwarzwald gab es in den letzten Jahren nur selten sichere Luchsnachweise der Katego-
rie C1 oder C2. Vom Sommer 2005 bis zum Herbst 2006 lebte allerdings nachweislich ein
Luchs im Oberen Donautal, bis er dann nach Norden abwanderte und am 1. Januar 2007 auf
der A81 bei Laichingen überfahren wurde. Die Herkunft dieses männlichen Tieres konnte
nicht geklärt werden. Eine Zuwanderung aus den benachbarten Populationen ist wahr-
scheinlich, es könnte sich aber auch um ein Gehegetier gehandelt haben.
Darauf folgten sechs Jahre ohne sicheren Luchsnachweis, bis im März 2013 ein Luchs im
Südschwarzwald sicher nachgewiesen wurde, auf dessen Geschichte im Folgenden näher
eingegangen wird.

Die Geschichte eines Luchses im Südschwarzwald
Am 12. März 2013 hatte ein Autofahrer kaum seinen Augen getraut, als er am frühen Nach-
mittag bei seiner Fahrt im östlichen Südschwarzwald vor sich einen Luchs über die Straße
laufen sah. In katzentypischer Weise hatte sich das Tier wenige Meter weiter im Dickungsbe-
reich abgesetzt und zurück zur Straße geschaut. Dem Fahrer gelang es, zwei Fotos des Luch-
ses zu schießen, bevor sich das Tier zurückzog (Abb. 2).
Mit Hilfe der ansässigen NABU-Ortsgruppe recherchierte der Autofahrer die Nummer der FVA
und meldete dort seine Beobachtung. Nach Eingang der Meldung wurde am 13. März 2013
gemeinsam mit dem Jagdpächter, dem Hegeringleiter und dem Fotografen die Stelle aufge-
sucht, an der dem Autofahrer die Bilder vom Luchs gelungen waren. Einen Tag später wur-
den bei einer erneuten Kontrolle Fährten des Tieres im frischen Schnee gefunden: der Luchs

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war tatsächlich noch in der Region gewesen (Abb. 3). Oberstes Ziel war es daraufhin, die
Herkunft des Tieres abzuklären: war das Tier zugewandert, oder handelte es sich um ein
entlaufenes Gehegetier? Eine Kontrolle der bekannten Luchs-Gehege im Südschwarzwald er-
gab, dass dort nach wie vor alle Luchse anwesend waren. Somit war eine Zuwanderung
wahrscheinlich, und der Landesjagdverband übernahm die Patenschaft für diesen Luchs.

Abb. 2: Erstes Foto des Luchses am 12. März 2013 im östlichen Süd- Abb. 3: Fährte des Luchses am
schwarzwald (Foto privat).                                         14. März 2013 im frisch gefallenen
                                                                   Schnee (Foto FVA).

Um die Herkunft eines Luchses abzuklären, stehen im Monitoring zwei Möglichkeiten zur
Verfügung: die DNA-Analyse, die anhand von Speichelproben des Luchses an einem frischen
Riss bzw. an frischer Losung vorgenommen werden kann, oder der Abgleich einer guten
Fotoaufnahme mit Aufnahmen von anderen Luchsen, da über das individuelle Fellmuster die
Tiere identifiziert werden können, wenn sie bereits an einer anderen Stelle fotografiert wur-
den.
In enger Absprache mit der Jägerschaft, den Wildtierbeauftragten und den Försterinnen und
Förstern in der Region wurden daraufhin im größeren Umfeld mehrere Wildkameras instal-
liert, um an weitere Bilder des Tieres zu kommen. Zwei Wochen später wurde eine Fährte
des Tieres im frischen Schnee gemeldet und vor Ort kontrolliert. Die Fährte wurde über
mehrere Kilometer ausgegangen, aber es wurden weder Riss noch Kot gefunden. Der Fähr-
tenverlauf brachte jedoch wichtige Hinweise auf neue Standorte für Wildkameras.
Am 5. April bescherte der Luchs drei Jägern bei der gemeinsamen Durchführung des Nieder-
wildzensus ein besonderes Jagderlebnis: sie entdeckten den Luchs im Scheinwerferlicht auf
einer Wiese und beobachteten ihn durch das Fernglas einige Zeit dabei, wie er sich in den
angrenzenden Wald zurückzog. Das Schalenwild schien offenbar wenig irritiert, da nicht
weit entfernt auch mehrere Rehe ästen.

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Am 21. April beobachtete dann ein Jäger auf der Pirsch den Luchs, der auf einem Felsen
ruhte. Bei der Annäherung gelang es dem Jäger, mit seinem Handy mehrere Bilder zu schie-
ßen, ehe sich der Luchs zurückzog (Abb. 4). Diese Beobachtung lag knapp 10 Kilometer
westlich der Stelle des Erstnachweises. Da Luchse im Schweizer Jura oder in Bayern über das
Jahr gesehen Flächen von 100 bis zu 400 Quadratkilometern nutzen, war die festgestellte
Distanz nicht ungewöhnlich. Zwei Wochen später zeigte sich der Luchs in der Abenddämme-
rung erneut einem Jäger. Bis zu diesem Zeitpunkt war an dem Verhalten des Tieres nichts
Ungewöhnliches festzustellen.
Ende Mai häuften sich dann Beobachtungen in unmittelbarer Nähe einer Siedlung. Am 29.
Mai wurde der Luchs am frühen Morgen dabei gestört, wie er am Rande der Siedlung an
einem gerissenen Fuchs fraß. Er reagierte zunächst kaum auf die Nähe der Menschen und bei
der plötzlichen Flucht schien ihm die Orientierung schwer zu fallen. Nach Einschätzung der
schweizerischen Luchsexperten deutete dieses Verhalten darauf hin, dass die Gesundheit des
Tieres stark angeschlagen war. Vier Tage später bestätigte sich dieser Verdacht, als das Tier
unweit tot aufgefunden wurde (Abb. 5).

Abb. 4: Sichtung des Luchses am 21. April 2013 knapp 10 Abb. 5: Am 2. Juni 2013 tot aufgefundener Luchs
Kilometer entfernt vom Erstnachweis (Foto privat).      (Foto FVA).

Der Kadaver wurde an dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt in Freiburg
(CVUA) untersucht. Demnach handelte es sich um ein männliches Tier im subadulten Alter
(2 bis 3 Jahre). Bei der Untersuchung ergaben sich keinerlei Hinweise auf einen Tod durch
Fremdeinwirkung. Das stark abgemagerte Tier litt vielmehr an einer schweren Erkrankung
der Leber und der Nieren sowie an einer Entzündung im Darmtrakt. Die Ursachen dieser
Entzündungen konnten nicht identifiziert werden, es steht jedoch fest, dass der Luchs schon
längere Zeit erkrankt war. Anhand eines Abgleichs der Fellmusterung des toten Tieres konn-

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te nachgewiesen werden, dass es sich um dasselbe Tier handelt, das der Autofahrer im März
fotografiert hatte. Der Abgleich mit Tieren, die im Rahmen des schweizerischen Fotofallen-
monitorings fotografiert worden waren, erbrachte dann die Gewissheit: der Luchs war im
Herbst 2012 zweimal in der Schweiz südlich des Hochrheins fotografiert worden, bevor er
fünf Monate später im Schwarzwald auftauchte. Noch ausstehend ist das Ergebnis der DNA-
Untersuchung, durch welche vermutlich eine genauere Aussage zur Herkunft des Tieres
möglich sein wird. Seit diesem Ereignis sind bislang keine weiteren sicheren Luchsnachweise
im Land bekannt.

Ergänzende Hinweise
Luchse sind Einzelgänger und dulden in ihrem 100 bis 400 Quadratkilometer großen Revier
keinen gleichgeschlechtlichen Artgenossen. Lediglich während der Paarungszeit (Ranz) im
Februar und März begegnen sich Kuder und Luchsin. Die Luchsin kümmert sich nach der
Geburt im Juni ein knappes Jahr alleine um ihre Jungtiere, bevor diese im späten Winter ei-
gene Wege gehen. Bei der Suche nach einem freien Revier durchstreifen insbesondere die
männlichen Tiere große Räume, es besteht jedoch die Tendenz, sich in Nachbarschaft zu
besetzten Revieren niederzulassen. Die Hauptnahrung des Luchses in Mitteleuropa ist das
Reh. Die Schweizer Luchse entnehmen durchschnittlich 0,6 Rehe pro Quadratkilometer Flä-
che und Jahr (zum Vergleich: in Baden-Württemberg werden durch die jagdliche Nutzung im
Durchschnitt 4,7 Rehe pro Quadratkilometer entnommen).
In Baden-Württemberg gibt es aktuell keine Luchspopulation. Vereinzelte Nachweise können
prinzipiell durch zugewanderte Luchse oder aber durch entlaufene Gehegetiere entstehen.
Tauchen Luchse in Baden-Württemberg auf, so wird angestrebt, die Tiere mit einem Hals-
bandsender auszustatten, um wertvolle Erkenntnisse über die Raumnutzung der Tiere zu
erhalten. Bei der Besenderung wird auch stets eine DNA-Probe entnommen, um die Herkunft
des Tieres abzuklären. Voraussetzung hierfür ist, dass der Luchs an einem Riss betäubt wer-
den kann, was im oben geschilderten Fall nicht möglich war.
Angriffe von Luchsen auf Menschen sind nicht bekannt. Luchse können menschlicher Nähe
gegenüber eine recht große Toleranz zeigen, wenn sie keine schlechten Erfahrungen mit
Menschen gemacht haben. Auch im vorliegenden Fall zeigte der Luchs Menschen gegenüber
wenig Scheu. Ein Rückschluss auf die Herkunft des Tieres lässt sich daraus allerdings nicht
ziehen.
Die Erkenntnis aus vielen Jahren Luchs-Monitoring sowie verschiedenen Untersuchungen zur
Lebensraumeignung, Vernetzung und aber auch zur Akzeptanz lassen heute den Schluss zu,
dass Baden-Württemberg – und insbesondere der Schwarzwald – als Lebensraum für den

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Luchs geeignet wäre. Die Barrieren zu den benachbarten Vorkommen sind jedoch zu groß,
als dass es alleine durch Zuwanderung zur Etablierung einer Population kommen wird. Soll
der Luchs im Schwarzwald wieder sesshaft werden, braucht es demnach die breite Akzep-
tanz für ein Wiederansiedlungsprojekt. Hierfür werben verschiedene Verbände, wie beispiels-
weise die Luchsinitiative e.V. (www.luchs-bw.de). Andere Verbände stehen einer aktiven
Ansiedlung kritisch gegenüber. Konsens in der verbandsübergreifenden AG Luchs ist bislang,
dass in einem gemeinsamen Projekt die anstehenden Herausforderungen, welche mit der
Rückkehr von Luchsen wie auch von Wölfen für einzelne Interessengruppen entstehen wür-
den, diskutiert werden und für eine bessere Kommunikation zwischen den Interessengrup-
pen geworben wird.

Hinweise auf Luchse (und auch auf Wölfe) können jederzeit an die FVA gemeldet werden. Sie
bittet um eine möglichst rasche Meldung unter: 0761 / 4018-274. Die Mitteilung wird auf
Wunsch anonym behandelt.

Literatur
herdtFelder, M. (2012): Analyse anthropogen bedingter Mortalitätsfaktoren und deren Ein-
   fluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit des Luchses (Lynx lynx). – Fakultät für Forst-
   und Umweltwissenschaften. Albert-Ludwig-Universität Freiburg. http://www.freidok.uni-
   freiburg.de/volltexte/8707/ (aufgerufen am 20.10.2013).
Molinari-JoBin, A. (2003): Monitoring of the Alpine lynx population. Tagung: 2nd Conference
   on the Status and Conservation of the Alpine Lynx Population. Amden, Switzerland.

Anschrift
Dr. Micha Herdtfelder
Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA),
Abt. Waldnaturschutz, Arbeitsbereich Wildtierökologie
Besucheradresse: Günterstalstraße 61
Postanschrift: Wonnhalde 4, 79100 Freiburg
Telefon: +49 (0)761 / 4018-325, Fax: +49 (0)761 / 4018-497,
E-Mail: micha.herdtfelder@forst.bwl.de, Website: http://www.fva-bw.de

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                                 Originalarbeiten
Ein weiterer Nachweis der Alpenspitzmaus, Sorex alpinus Schinz, 1837, im
Nordschwarzwald

Hans-Werner Maternowski

Im letzten Heft dieser Schriftenreihe berichtete WeisshaP (2011) von dem Fund einer Alpen-
spitzmaus auf der Schwäbischen Alb. Nun kann über einen weiteren Nachweis dieser Spezies
aus dem Nordschwarzwald informiert werden.
Das männliche Tier wurde von Frau Marianne Leis-Messer (Baden-Baden) am 28. August
2011 tot aufgefunden und mir freundlicherweise übergeben. Der Fundort liegt nach den
Angaben der Finderin auf der Südseite des Hochkopfs, einer Erhebung nördlich von Unters-
matt an der B 500 (MTBQ 7315/3). Die Höhe über NN beträgt ca. 990 m.
Frau Leis-Messer (mündlich) beschreibt das Habitat als einen durch Sturmwurf und Durch-
forstung lückenhaften Fichtenbestand unterhalb der Hochkopfgrinde. Die baumfreien Berei-
che sind mit Heidelbeeren bewachsen, vereinzelt liegen Sandsteinblöcke im Gelände. Diese
Ausstattung entspricht weitgehend den Habitatansprüchen der Alpenspitzmaus (Brünner &
turni 2000, Brünner 2002).
Das Vermessen des Tieres ergab folgende Maße:
Gewicht              8,7 g
Kopf-Rumpflänge     81,0 mm
Schwanzlänge        68,0 mm
Hinterfußlänge      14,5 mm
Ohrlänge             6,7 mm
Die Kopf-Rumpflänge liegt deutlich über dem von turni (2005) angegebenen Maximalwert
von 73 mm für Alpenspitzmäuse (n = 27) in Baden-Württemberg. Vergleicht man den Mess-
wert mit den Angaben von K raFt (2008) für Bayern, so befindet er sich im normalen Varia-
tionsbereich. Das bestätigen auch die von sPitzenBerger (2001) gemachten Angaben für Öster-
reich.
Die anderen Längen sowie das Gewicht zeigen keine Besonderheiten. Am Schädel konnten
leider keine Maße genommen werden, da der Kopf – vermutlich durch einen Beutegreifer –
zerdrückt war.
Der vorliegende Fund ergänzt die Erkenntnisse zur Verbreitung der Alpenspitzmaus im
Schwarzwald. Als Beleg wurde ein Balg hergestellt.

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Literatur
Brünner, H. (2002): Kleinsäugergemeinschaften im Gebiet des LIFE-Projekts „Grinden-
   schwarzwald“. Abschlussbericht im Auftrag der Bezirksstelle für Naturschutz und Land-
   schaftspflege Karlsruhe. 33 S., Anhang.
Brünner, H. & H. turni (2000): Kleinsäugergemeinschaften im Grindenschwarzwald (Natur-
   schutzgebiet „Schliffkopf“). Bericht im Auftrag der Bezirksstelle für Naturschutz und
   Landschaftspflege (BNL) Freiburg. 33 S., Anhang.
K raFt, R. (2008): Mäuse und Spitzmäuse in Bayern. – Stuttgart (Eugen Ulmer): 111 S.
sPitzenBerger, F. (2001): Alpenspitzmaus Sorex alpinus Schinz, 1837. – In: sPitzenBerger, F.: Die
   Säugetiere Österreichs. Graz (austria medien service GmbH): 104-109.
turni, H. (2005): Alpenspitzmaus – Sorex alpinus Schinz, 1837. – In: Braun, M. & F. dieterlen
   (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2. Stuttgart (Eugen Ulmer): 62-68.
WeisshaP, H.-M. (2011): Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) auf der Schwäbischen Alb. – MAUS,
   Nr. 17: 18-20; Karlsruhe.

Anschrift
Hans-Werner Maternowski, Im Grün 34, 77815 Bühl
E-Mail: HW.Maternowski@t-online.de

Ein Igel (Erinaceus europaeus L., 1758) Mitte Februar aktiv in Steinheim

Thomas Rathgeber

Auf dem abendlichen Heimweg in Steinheim an der Murr (MTBQ 7021/2), Landkreis Lud-
wigsburg, bemerkte ich am 15. Februar 2011 um 20:30 Uhr beim steilen Aufstieg aus dem
Bottwartal überraschender Weise einen Igel. Das noch nicht ganz ausgewachsene Tier be-
wegte sich auf einer Stufe am Rand einer Treppe, die beidseitig von betonierten Mäuerchen
eingefasst ist. Wegen der spärlichen Beleuchtung fiel mir das Tier zuerst durch ein Geräusch
auf, das bei den vergeblichen Versuchen des Igels, der betonierten Umgebung zu entkommen,
von seinem Stachelkleid verursacht wurde. Ich setzte das offensichtlich nicht geschädigte
Tier kurzerhand in den benachbarten, Deckung bietenden Garten jenseits des Mäuerchens.
Die Temperatur betrug an diesem Abend aktuell etwa 4° C, im Lauf des Tages schwankte sie
in Steinheim zwischen 2° C am Morgen und dem Höchstwert von 8° C. In der folgenden
Nacht gab es wieder Bodenfrost.

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Vom Igel ist bekannt, dass er – wie andere Winterschläfer auch – den Winterschlaf unterbre-
chen kann. Während solcher Unterbrechungen kommt es vor, dass ein Igel sogar sein Nest
umbaut (holz & niethaMMer 1990: 45). Igel können während des Winters außerdem in andere
Winternester wechseln, die sie zuvor angelegt haben; ebenso wurde festgestellt, dass Igel auf-
wachen, „wenn die Außentemperatur deutlich über den Gefrierpunkt steigt“, und dass sie „bei
länger anhaltender warmer Witterung“ sogar auf Nahrungssuche gehen (hoeK 2005: 27).
Die Beobachtung vom Februar 2011 bietet folglich nichts Neues, doch können die festgehalte-
nen Daten zum Verständnis der winterlichen Aktivität von Igeln beitragen.

Literatur
hoecK, H. (2005): Igel (Braunbrustigel) Erinaceus europaeus Linnaeus, 1758. – In: Braun, M.
   & dieterlen, F. (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2. S. 22-32, 13 Abb., 1
   Tab.; Stuttgart (Eugen Ulmer).
holz, H. & niethaMMer, J. (1990): Erinaceus europaeus Linnaeus, 1758 – Braunbrustigel,
   Westigel. – In: niethaMMer, J. & K raPP, F. (Hrsg.): Handbuch der Säugetiere Europas, Bd. 3/I
   (Insectivora, Primates). S. 26-49, Abb. 10-19, 7 Tab.; Wiesbaden (AULA-Verlag).

Anschrift
Thomas Rathgeber, Frank-Sinatra-Str. 4, 71711 Steinheim
E-Mail: Thomas.Rathgeber@smns-bw.de

Baummarder, Martes martes (Linnaeus, 1758), ernährte sich von
Spätburgundertrauben

Hans-Werner Maternowski

Der Straßenverkehr gehört für Säugetiere zu den häufigsten Gefährdungsursachen. Beim
Baummarder (Martes martes) werden im Rahmen einer Analyse die Verkehrsopfer sogar
auf Platz eins eingestuft, gefolgt von der Verfolgung durch die Jagdausübung und der Zer-
schneidung der Landschaft (günther et al. 2005). Gleichzeitig bringen die Autoren aber zum
Ausdruck, dass es beim Baummarder noch deutliche Kenntnisdefizite zur Gefährdungssitua-
tion gibt. Diese Kenntnislücken werden auch von herrMann (2005), bezogen auf das Land
Baden-Württemberg, genannt. Um diesbezüglich den Kenntnisstand ein wenig zu erweitern,
wird hier von einem weiteren Verkehrsopfer berichtet.

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Das weibliche Tier wurde am 8. September 2012 in Bühlertal (MTBQ 7315/1) im Landkreis
Raststatt auf der Hauptstraße (L83) gegen 15 Uhr gefunden. Die Uhrzeit ist interessant, weil
die gleiche Strecke in umgekehrter Richtung auch schon um 10 Uhr befahren wurde und zu
dieser Zeit der Baummarder noch nicht auf der Straße lag. Das belegt erneut, dass die Art
auch tagaktiv angetroffen werden kann, wie bereits von Marchesi 1989 und clevenger 1993 –
beide zitiert in herrMann (2005) – berichtet wird. Der Fundort liegt am Ortsrand mit lockerer
Wohnbebauung. Ansonsten prägen im weiteren Umkreis Wiesen, Weinberge und Laubwald-
bereiche das Vorbergland des Nordschwarzwaldes.
Die Vermessung des Tieres ergab folgende Werte:
Gewicht               1.231 g
Kopf-Rumpflänge         395 mm
Schwanzlänge            225 mm
Hinterfußlänge           85 mm
Ohrlänge                 45 mm
Schädelmaße konnten leider nicht genommen werden, da die Knochen durch die Kollision
mit dem Fahrzeug vielfach zerbrochen sind. Bei der Analyse des Mageninhalts fanden sich
diverse dunkelblaue Trauben, sehr wahrscheinlich von Spätburgunderreben. Diese Trauben-
sorte wird in der Gegend sehr häufig angebaut. Dass der Baummarder insbesondere im
Sommer und Herbst Früchte und Beeren als Nahrung nutzt, ist bekannt und wurde mehr-
fach beschrieben, z. B. von stuBBe (1993), MaternoWsKi (1999) oder herrMann (2005). Dieser
Beitrag soll erneut die Verkehrsopferproblematik dokumentieren, aber auch vorhandenes
Wissen zur tageszeitlichen Aktivität und zum Nahrungsspektrum des Baummarders bestä-
tigen.

Literatur
günther, a., nigMann, u., achtziger, r. & gruttKe, H. (2005): Analyse der Gefährdungsursachen
   planungsrelevanter Tiergruppen in Deutschland zur Ergänzung der bestehenden Roten
   Listen gefährdeter Tierarten. – Naturschutz und Biologische Vielfalt, Nr. 21. Münster-Hil-
   trup (LV Druck im Landwirtschaftsverlag GmbH): 19-605.
herrMann, M. (2005): Baummarder Martes martes (Linnaeus, 1758). – In: Braun, M. & die-
   terlen, F. (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs, Bd. 2. Stuttgart (Eugen Ulmer):
   424-436.
MaternoWsKi, H.-W. (1999): Auch dem Baummarder (Martes martes L.) schmecken Pflau-
   men. – Mitteilungen des LFA Säugetierkunde Brandenburg-Berlin, Jg. 7, Nr. 1: 3-4; Beeskow.

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stuBBe, M. (1993): Martes martes (Linnè, 1758) – Baum-, Edelmarder. – In: stuBBe, M. & K raPP,
   F. (Hrsg.): Handbuch der Säugetiere Europas, Bd. 5/1 (Carnivora). Wiesbaden (AULA-
   Verlag GmbH): 374-426.

Anschrift
Hans-Werner Maternowski, Im Grün 34, 77815 Bühl
E-Mail: HW.Maternowski@t-online.de

Der 1846 auf der Schwäbischen Alb am Reußenstein erlegte „letzte“ Luchs,
Lynx lynx (Linnaeus, 1758), und seine Geschichte

Thomas Rathgeber

Zufällig stieß ich bei der Suche nach einem anderen Artikel auf eine Notiz über den berühmt
gewordenen „letzten“ württembergischen Luchs, die 1893 in den Blättern des Schwäbischen
Albvereins erschienen war (haFenBraK 1893). Neugierig geworden, sah ich danach die dort
angegebene Stelle in Brehms Tierleben aus dem Jahr 1876 ein. Der alte Text schien mir wert,
neu abgedruckt und kommentiert zu werden, ebenso weitere Quellen, die ich zu diesem
Luchs von 1846 finden konnte. Aufgrund der vielen hier mitgeteilten Angaben lassen sich
nachträglich noch Einzelheiten des damaligen Geschehens am Reußenstein bei Neidlingen
abklären und berichtigen, die seither nicht immer mit der nötigen Sorgfalt wiedergegeben
worden sind. Zusätzlich ergaben sich interessante Details zur Biologie des Luchses.
161 Jahre später, am Neujahrstag 2007, kam überraschend auf der Autobahn innerhalb der
Gemarkung von Laichingen ein Luchs ums Leben. Die Unfallstelle liegt kaum zehn Kilometer
vom Reußenstein entfernt. Spätestens seit diesem Ereignis wird man das Tier von 1846 nicht
mehr als das letzte seiner Art „in Württemberg“ oder gar „in Deutschland“ werten dürfen,
wie Alfred Brehm dies 1876 getan hatte. Allerdings war schon damals den Fachkundigen
klar, dass mit dem Luchs vom Reußenstein keine Population erloschen ist, sondern dass es
sich um ein „versprengtes“ Tier gehandelt hat. Ob dieser Luchs nun – wie auch frühere Ex-
emplare – als „Verirrter“ „aus dem benachbarten Hochgebirge“ gekommen war, wie man
vermutete [A.A. (Koll.) 1882: 483], oder ob er „aus einem Wanderzirkus oder aus einer Me-
nagerie entlaufen sein könnte“ (drüPPel 1997: 41), sei dahingestellt.
Entsprechende Vermutungen gab es erneut bei den aktuellen Nachweisen einzelner Luchse in
Baden-Württemberg, über die in den vergangenen Jahren gelegentlich in der Presse zu lesen

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war (zusammenfassend z.B. in r athgeBer 2009: 44-45). Die Luchse tauchten auf, wurden
einmal oder mehrmals gesehen beziehungsweise anhand hinterlassener Lebensspuren ver-
folgt und verschwanden dann wieder spurlos oder kamen gar durch Krankheit ums Leben,
wie im letzten derartigen Fall im Juni 2013 im Südschwarzwald [A.A. (eb/lsw) (2013), A.A.
(lsw) (2013), A.A. (wid) (2013); siehe vor allem herdtFelder (2013 – in diesem Heft)]. Immer-
hin werden solche Zuwanderer heute nicht bedenkenlos abgeschossen, wie dies im Jahr 1846
der Fall war.
Im Anschluss sind die schriftlichen Quellen zum Luchs vom Reußenstein in chronologischer
Reihenfolge und – wo es sinnvoll schien – ganz oder in Auszügen wörtlich angeführt. Den
Anfang bildet eine drei Tage nach dem Tod des Luchses in der „Schwäbischen Kronik“ ver-
öffentlichte Zeitungsmeldung. Ausführlich wird der Bericht des Schützen aus „Brehms Tier-
leben“ von 1876 wiedergegeben, und schließlich folgen – ohne jeden Anspruch auf Vollstän-
digkeit – beiläufige Nennungen sowie Fachveröffentlichungen aus dem 19., 20. und 21.
Jahrhundert.

1846 – „Schwäbische Kronik“
Über den erlegten Luchs berichtete als erste Zeitung mit landesweiter Verbreitung am 18.
Februar 1846 die in Stuttgart erschienene „Schwäbische Kronik“, des „Schwäbischen Merkurs
zweite Abtheilung“. Diese Mitteilung wird im Folgenden originalgetreu zitiert, das heißt, Or-
thographie und Zeilenumbruch entsprechen dem damaligen Text der Tageszeitung [A.A.
(1846)]. Die fünf fett hervorgehobenen Zeilen mit einer Beschreibung des Luchses sind in
Abb. 1 nach einem Foto der leider nur in geringer Qualität reproduzierbaren Mikrofilm-
Ausgabe in der Württembergischen Landesbibliothek wiedergegeben.
„ K i rchheim u. T. den 16 Febr.
Zwischen dem lezten Freitag und Sams=
tag wurde im Lenninger Forst ein frem=
des Raubthier gesehen und, in Folge eines
oberamtlichen Ausschreibens an die Forst=
stellen des Bezirks und der Nachbarschaft,
die Spur an der Gränze des Wiesensteiger
und Bissinger Forstes aufgefunden. Ein
getödtetes und angefressenes Reh leitete
auf die Fährte. Am Sonntag Abend war
der Revierförster Marz von Wiesensteig
so glücklich, über den Felsen an der Gränze

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des Neidlinger Thals, nahe am Reißen=
stein, einen schönen Luchs zu entdecken
und zu erlegen. Das Thier ist männli=
chen Geschlechts, hat die Größe eines Mez=
gerhundes oder Kalbs, ist dunkel gefleckt,
hat breite Tazen, lange Fangzähne und
schöne schwarze flammende Augen. Ob
dieses Thier nun der lange verfolgte ver=
meintliche Wolf sei und darum bisher
nicht gefunden wurde, weil der Luchs, als
kazenartiges Thier, Bäume, Felsen und
Klüfte ersteigen und sich den Verfolgungen
des Jägers entziehen kann, oder ob noch    Abb. 1: Zeilen aus der Schwäbischen Kronik vom 18.
ein zweites Raubthier, ein Wolf, sich in   Februar 1846 mit Beschreibung des drei Tage zuvor
                                           am Reußenstein erlegten Luchses.
unserem Landes aufhalte, wird sich wohl
bald herausstellen. Der Luchs greift sei=
ner Raubgier zufolge, wenn ihm Wild
im Walde fehlt, auch außerhalb desselben
Schafe und andere Thiere an.“

1847 – Allgemeine Landeschronik für 1846
Unter den „Besonderen Denkwürdigkeiten“ des Jahres 1846 findet sich am Schluss der jähr-
lichen „Allgemeinen Landes-Chronik“ (nach einer Aufzählung von vier Morden oder Tot-
schlägen und eingerahmt von den Mitteilungen, dass in den Oberämtern Ludwigsburg, Le-
onberg und Vaihingen Spuren eines Wolfes zu finden waren sowie dass im Stuttgarter
Schlossgarten eine Aloe geblüht hat) nur die nüchterne Meldung [A.A. (1847): 91]:
„In dem Neidlingerthale, OA. Kirchheim, wurde am 15. Februar ein Luchs erlegt.“

1847 – Ferdinand Krauss
Ferdinand Krauss war seit 1840 Zoologe am Stuttgarter Naturalienkabinett und später, von
1856-1890, Direktor dieser Institution (ziegler 1991: 3). Er berichtete 1847 in einer kurzen
Mitteilung „Ueber einen in Württemberg erlegten Luchs“, allerdings ohne ausdrücklich zu
erwähnen, dass der Luchs vom Reußenstein ein einmaliger Neuzugang in seiner Sammlung
war. Dieser Bericht ist in Abb. 2 wiedergegeben. Den Eintrag zum Luchs von 1846 in einem
handschriftlich geführten Katalog der Säugetiere des Naturalienkabinetts zeigt Abb. 3.

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Abb. 2: Mitteilung über den Luchs vom Februar 1846 von Ferdinand Krauss, seit 1840 Zoologe am Württem-
bergischen Naturalienkabinett in Stuttgart (KRAUSS 1847: 128).

Auf welche Weise der Luchs in die Landeshauptstadt gebracht worden war, erfuhr man Jahr-
zehnte später durch Theodor Wurm, ebenfalls Förster in Wiesensteig, der schrieb, dass der
„wegen der herannahenden Nacht nach Wiesensteig mitgenommene Luchs bereits am über-
nächsten Tag“, also am 17. Februar, „dort von einem Abgesandten des Naturalienkabinetts in
Stuttgart abgeholt“ wurde (WurM 1929: 202). Ein Zeitzeuge dieser Überführung hatte sich
offensichtlich 47 Jahre nach dem Ereignis noch daran erinnert, „wie das stattliche Tier auf der
Fahrt in das Naturalien=Kabinett nach Stuttgart von alt und jung angestaunt wurde“ (haFen-
BraK 1893).
Zu Beginn seiner Ausführungen (Abb. 2) nahm Krauss Bezug auf ein einschließlich der
Haustiere 47 Arten umfassendes Verzeichnis der württembergischen Säugetiere, das Georg
Friedrich Jäger 1845 in derselben Zeitschrift veröffentlicht hatte. Dort führt Jäger den Luchs
zunächst nicht an, bemerkt dann aber, dass man Bär und Luchs noch hätte hinzuzählen
können, da sie „nach geschichtlichen Urkunden zu den im freien Zustande in Württemberg
lebenden Thieren gehört haben“ (Jäger 1845: 243). In den darauf folgenden historischen An-
gaben kommt der Luchs ein weiteres Mal vor, nämlich anlässlich eines Fundes von Skelett-
teilen in der Höhle von Hohenwittlingen (Schillingshöhle – Katasternummer 7522/1) durch
den Uracher Förster Graf Friedrich von Mandeslohe im Jahr 1833. Dies ist der älteste Luchs-

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Nachweis landesweit durch fossile oder subfossile Knochenfunde. Noch Ende des 16. Jahr-
hunderts sei, so Jäger (1845: 248), in Württemberg Jagd auf den Luchs gemacht worden und
noch 1742 habe man ihn unter den jagdbaren Tieren geführt; jetzt sei der Wolf so selten, wie
es der Luchs Ende des 16. Jahrhunderts gewesen ist. In den württembergischen Oberamtsbe-
schreibungen, die in den meisten Fällen Bemerkungen zu den wildlebenden Säugetieren ent-
halten, spielt der Luchs vom Reußenstein keine Rolle, denn die Monographien über die beiden
infrage kommenden Oberämter Geislingen (stälin 1842) und Kirchheim (Moser 1842) wa-
ren ja schon vier Jahre zuvor erschienen.

Abb. 3: Eintrag des Luchses vom „Reisenstein im Febr. geschoßen“ auf S. 17 im 33-seitigen systematisch ge-
ordneten „Verzeichniß der Säugethiere des Koen. Nat. Cab. neu entworfen im April 1839 von Dr. Jäger“. Der
unter b) angeführte Zugang von 1846 ist von späterer Hand, wohl von Ferdinand Krauss, eingetragen.

1876 – Förster „Marx“ in Brehms Tierleben
„Um den letzten Luchs, welcher in Deutschland erlegt wurde, nicht der Vergessenheit an-
heimfallen zu lassen, will ich seine Jagdgeschichte hier folgen lassen, so wie sie mir der
glückliche Jäger, Förster Marx aus Wiesensteig in Württemberg, mitgetheilt hat.“ (BrehM
1876: 503)
Mit diesen Worten begann Alfred Edmund Brehm im Jahr 1876 in der großen zweiten Aufla-
ge von „Brehms Tierleben“ einen Bericht über die Ereignisse, die letztlich zum Tod des letzten
Luchses im damaligen Württemberg, ja in Deutschland geführt hatten. Die Schilderung die-
ser Luchsjagd bei der Ruine Reußenstein, unmittelbar am Nordrand der mittleren Schwäbi-
schen Alb gelegen, erfolgte aus erster Hand und hat deshalb dokumentarische Bedeutung.
Bedauerlicherweise sind die genauen Umstände so gut wie vergessen, weil der als wörtliches
Zitat wiedergegebene Bericht von einem „Förster Marx aus Wiesensteig“ spätestens seit der
vierten, 1915 erschienenen Auflage (sie unten „1915 – Brehms Tierleben …“) entfallen ist.
Auch modernere Auflagen bzw. Nachdrucke, welche sich angeblich ausdrücklich auf die aus-
führliche zweite Auflage von 1876 beziehen, enthalten die betreffenden Passagen nicht mehr.
Der ausführliche Bericht des Wiesensteiger Revierförsters „Marx“ mit vielen Ortsangaben
(vergl. Abb. 4) lautet:

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„Der Winter von 1845 auf 1846 war gelinde und schneearm; dennoch hauste zur Zeit in den
würtembergischen Wäldern ein Wolf, welcher unter dem Namen ‚Abd el Kader‘ bei den
Forstleuten wohl bekannt war, eifrig verfolgt und endlich auch erlegt wurde. Mitte Januars
hörte man wenig von ihm, aber gerade in dieser Zeit fand ich im Staatswalde Pfannenhalde
unweit Reißenstein eine Stelle, wo ein Reh zerrissen worden war. Die großen Fetzen, welche
von der Haut dalagen, ließen mich alsbald auf ein größeres Raubthier schließen. Natürlich
hatte ich den Wolf in Verdacht und verdoppelte nun meine Aufmerksamkeit. Da es aber
keinen Schnee gab, konnte ich nur an der steten Flüchtigkeit der Rehe beobachten, daß es im
Reviere nicht sauber sei, vermochte jedoch nicht, etwas verdächtiges zu bemerken. In der
Nacht vom 11. zum 12. Februar 1846 fiel endlich ein neuer Schnee, und ich stellte alsbald
meine Untersuchungen an. Am 13. Februar fand ich eine verdächtige Fährte; das Raubthier
hatte auf einer lichten Stelle ein Reh geraubt und es an dem nahegelegenen Bergabhange
gegen die Ruine Reißenstein hingeschleppt. Das Reh hatte auf einer holzlosen Stelle Heide
geäßt und war von seinem Mörder beschlichen worden. Derselbe hatte sich durch einen
Buchenbusch verdeckt und von diesem aus, wie sich im Schnee deutlich zeigte, einen Satz
von etwa fünf Meter Weite gemacht. Das Reh hatte zu entrinnen versucht, war aber durch
einen zweiten Satz erreicht worden. Das Raubthier hatte es dann getödtet und weiter ge-
schleppt.
„Die Fährte war mir rätselhaft, zumal ich an dem Gange wohl erkannte, daß sie nicht von
einem Wolfe herrühre. In der Nacht vom 14. auf den 15. Februar fiel Thauwetter mit Sturm
ein, und der wenige Schnee war denn auch bald geschmolzen. Ich machte mich aber mit
Anbruch des Morgens in Begleitung zweier Waldschützen schon vor Tagesanbruch auf den
Weg, um zu kreisen. Lange Zeit spürten wir vergebens; nachmittags aber konnten wir sagen,
dass das fremde Thier in der Bergwand von der Neidlinger-Reißensteiner Steige an bis zum
sogenannten Pfarrensteig liege. Es war zweimal aus den Bergabhängen auf die Ebene und
dreimal auf den Berg hinauf zu spüren; doch entdeckten wir die Fährte, welche infolge des
Sturmes verweht und theilweise schon ganz verwischt war, nur nach sehr langem Suchen.
Es war ein Stück schwerer Weidmannsarbeit.
„Ich schickte nun nach Neidlingen nach Schützen; diese aber antworteten mir, sie würden
nicht mit gehen, außer wenn man den Wolf frisch spüre, nur dann wollten sie kommen. Ich
wußte gewiß, daß das Raubthier in der fraglichen Bergwand steckte, allein es war schon
nachmittags drei Uhr, und so blieb mir nichts weiter übrig, als den Verwalter von Reißenstein
um einen Knecht zu bitten, welchen ich als Treiber verwandte. Derselbe wurde unterrichtet,
möglichst still an den Felsen hinzugehen; ich aber stelle mich mit meinen zwei Waldschützen
vor. Der erste Trieb blieb erfolglos; im zweiten jedoch und zwar ganz in der Nähe der Ruine

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Abb. 4: Das große Waldgebiet auf der Albhochfläche zwischen den Quellen der durch Neidlingen (oben
links) fließenden Lindach (Mitte links) und der durch Wiesensteig (Mitte rechts) fließenden Fils (unten
rechts). Dazwischen das Streifgebiet des am Reußenstein erlegten Luchses. Die Verteilung von Wald und
offener Flur dürfte 1846 nicht wesentlich anders gewesenen sein als heute (verkleinerter Ausschnitt aus der
aktuellen Topographischen Karte von Baden-Württemberg 1:25.000, Blatt 7423 Wiesensteig).

Reißenstein kam mir das Raubthier auf der nordöstlichen Ecke der Ruine zu Gesicht. Es
schlich sich so nahe an dem Felsen hin, daß ich es nur kurz einen Augenblick sehen konnte,
und zwar bloß am Hinterteile, doch war mir dies genug, zu erkennen, daß es kein Wolf sei;
denn für einen solchen war die Ruthe viel zu kurz. Gleichwohl wußte ich noch immer nicht,
welchen Gegner ich vor mir habe. Ich stand auf einem Felsen und hatte eine ziemlich weite
Umschau; allein das Thier mochte mich wohl auch gesehen haben, denn es fiel plötzlich in
eine große Flucht; doch bekam ich weiter bergabwärts Gelegenheit, in dem Augenblicke, als
es wieder einmal auf den Boden sprang, zweimal zu feuern. [Diese Szene ist festgehalten auf
dem Bild „Luchs-Jagd am Reußenstein“ (Abb. 5)] Es stürzte in die vorhandenen Büsche und
verendete dort nach wenigen Schritten. Jetzt erkannte ich freilich, mit welchem Feinde mei-
ner Schutzbefohlenen ich es zu thun gehabt hatte. Es war ein starker männlicher Luchs von
der Größe eines mittleren Hühnerhundes und sehr schöner Färbung, prachtvoll getigert an
den Vorderläufen, dem Gebisse nach höchstens vier bis fünf Jahre alt; sein Gewicht betrug 48
Pfund. Mein Schuss war ihm durchs Herz gegangen.

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„Erst später konnte ich im Schnee noch ausspüren, daß der Luchs auf der nordwestlichen
Ecke der Ruine in einer kleinen Felsenhöhle sein Lager hatte. Dasselbe war vortrefflich ge-
wählt; denn das Thier lag versteckt und ganz trocken.“
Bei Krauss (1847) sowie in den späteren Berichten hieß der Revierförster „Marz“, Brehm
(1876) dagegen hatte ihn als „Marx“ angeführt. Dieser Widerspruch, ob Marz oder Marx, ließ
sich mit Hilfe des „Königlich Württembergischen Hof- und Staats-Handbuch 1847“ eindeutig
klären. Auf S. 582 findet sich dort unter den Königlichen Forstämtern bei Kirchheim das
Revier Wiesensteig mit dem Eintrag Förster „Marz“. Letzte Zweifel beseitigt das Personenre-
gister S. 780, denn hier stehen direkt über dem wiederum mit Wiesensteig verbundenen
Förster Marz die Familiennamen Marx und Martz, die andernorts ebenfalls als Namen von
Forstleuten vorkommen. Die drei Namen können bei flüchtigem Blick – selbst in der an dieser
Stelle verwendeten Druckschrift – leicht falsch gelesen werden, und um vieles größer dürfte
die Verwechslungsgefahr bei einem handgeschriebenen Text gewesen sein, wie er Brehm
und wohl auch dem Setzer vorgelegen hat.
Den Namen der weithin bekannten Burgruine (Abb. 6) schreibt Förster Marx/Marz im Jahr
1876, wie wohl damals allgemein üblich, Reißenstein. Bereits bei Hafenbrak findet sich dann
1909 die heute für die Ruine und das benachbarte Gehöft übliche, amtliche Schreibweise
Reußenstein, die auch hier konsequent verwendet wird. Im ältesten Zugangsverzeichnis der
Säugetiere am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart heißt es Reissenstein, doch
dieterlen (2003: 36) benutzte abweichend als weitere Form Reussenstein.

1893 – Eugen Nägele
Zur bereits oben, unter „1847 – Ferdinand Krauss“ angeführten Notiz von haFenBraK (1893) gab
abgekürzt mit „N.“ der Schriftleiter der Blätter des Schwäbischen Albvereins, Eugen Nägele, noch
einige Erläuterungen unter dem Titel „Das frühere Vorkommen seltener Tiere in der Alb“. Er zi-
tierte dabei aus der monographischen Übersicht über „Das Königreich Württemberg“ [A.A. (Koll).
1882] zum Luchs, dass dieser „früher aus dem benachbarten Hochgebirge nach Württemberg
kam“ und dass „der letzte als Verirrter in der Ruine Reußenstein im Februar 1846 erlegt“ wurde.
Abschließend setzte Nägele hinzu, die letzte, 1959 bei Erbstetten im Lautertal geschossene Gämse
befinde „sich mit dem letzten Wolf, Lux und Biber im Naturalien-Kabinett in Stuttgart“.
Ähnlich spärlich sind die Hinweise, die Kurt Lampert 1895 in seiner „zoogeographischen
Studie“ über „Die Tierwelt Württembergs“ bietet, denn man liest hier nur, „dass die größeren
in Europa ursprünglich heimischen Raubtiere heute aus ganz Deutschland fast gänzlich, aus
Württemberg aber vollständig verschwunden sind“ und dass „der letzte Luchs 1846 erlegt“
wurde (laMPert 1895: LXV).

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