Medikamente und verlängertes QT-Intervall
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
814-819 Delacretaz 056.qxp:Layout 1 21.9.2007 11:21 Uhr Seite 814 CURRICULUM Schweiz Med Forum 2007;7:814–819 814 Medikamente und verlängertes QT-Intervall Etienne Delacrétaz Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Inselspital, Bern Einleitung Quintessenz 쎲 Zahlreiche Medikamente verlängern die kardiale Repolarisation und können Zahlreiche Medikamente beeinflussen die Re- somit Auslöser eines erworbenen Long-QT-Syndroms (LQTS) sein (eine Liste ist polarisation des Herzens, was im EKG durch ein zu finden unter www.qtsyndrome.ch). verlängertes QT-Intervall zum Ausdruck kommt. Eine Verlängerung des QT-Intervalls kann mit 쎲 Die Diagnose des erworbenen Long-QT-Syndroms ist gegeben, wenn die fol- Episoden einer polymorphen Kammertachy- genden drei Bedingungen erfüllt sind: kardie mit ständig wechselnder Vektorachse des – Korrigierte QT-Zeit (QTc) von über 470 ms (Frauen) und über 450 ms QRS-Komplexes, den sogenannten Torsades de (Männer); pointes, einhergehen (Abb. 1 x). Diese Arrhyth- – Einnahme mindestens eines die QT-Zeit verlängernden Medikamentes oder mie kann sich in wiederholten Synkopen und klinische Begleitumstände, die die QT-Zeit verlängern (Hypokaliämie usw.); Anfällen von Unwohlsein äussern; in seltenen – Patienten mit einem Vergleichs-EKG ohne Verlängerung der QT-Zeit Fällen kann sie aber auch zu plötzlichem Herz- (früheres EKG oder Normalisierung der QT-Zeit nach Absetzen der Behand- tod durch Kammerflimmern führen. Das Risiko lung/Beseitigung des äusseren Faktors). dieser letalen Komplikation war eine der häufig- 쎲 Wie bei den Patienten mit einem kongenitalen LQTS können bei Patienten sten Ursachen für den Rückzug von Medikamen- mit einem erworbenen LQTS polymorphe ventrikuläre Tachykardien, auch als ten nach Markteinführung in den 90er Jahren Torsades-de-pointes-Tachykardien bezeichnet, auftreten. Diese manifestieren [1]. Das bekannteste Beispiel sind bestimmte sich in Form von wiederholten Synkopen oder Herzrhythmusstörungen und Antihistaminika, die mit plötzlichen Todesfällen können sich in seltenen Fällen zu einem Kammerflimmern ausweiten. durch kardiale Arrhythmie in Zusammenhang gebracht wurden und heute vom Markt zurück- 쎲 Das erworbene Long-QT-Syndrom wurde bisher dem kongenitalen QT- gezogen sind. Syndrom gegenübergestellt. Es gibt jedoch auch genetische Faktoren, welche die Entstehung eines erworbenen LQTS begünstigen. Kongenitales und erworbenes 쎲 Abgesehen von Antiarrhythmetika wie Sotalol oder Ibutilid oder der Über- Long-QT-Syndrom dosierung von Arzneimitteln, löst in nur seltenen Fällen ein einzelnes Arznei- Ursache des kongenitalen Long-QT-Syndroms ist mittel Torsades-de-pointes-Tachykardien aus. Im allgemeinen treten sie im Rah- eine genetisch bedingte Anomalie der Ionen- men komplexerer klinischer Fälle auf: kanäle, die eine Verlängerung der Repolari- – Behandlung mit mehreren die QT-Zeit verlängernden Arzneimitteln; sationsphase zur Folge hat [2]. Typisch ist eine – Wechselwirkungen zwischen einem QT-verlängernden Arzneimittel und Verlängerung des QT-Intervalls mit Torsades einem anderen, das die Ausscheidung des ersteren verlangsamt; de pointes, die Synkopen oder den plötzlichen – Behandlung mit einem QT-verlängernden Arzneimittel bei Vorbelastung Herztod hervorrufen können. Häufiger ist jedoch durch Risikofaktoren, wie Bradykardie, Hypokaliämie, schwere Kardiopathien die erworbene Form des verlängerten QT-Inter- etc. Frauen haben ein dreimal höheres Arrhythmierisiko als Männer. valls, meist durch Medikamente bedingt, selte- ner durch äussere Faktoren. Zu den Medika- 쎲 Bei allen klinischen Fällen mit erhöhtem Risiko ist eine EKG-Kontrolle mit Messung der frequenzkorrigierten QT-Zeit angezeigt. menten, welche die Repolarisation beeinflussen, gehören Antiarrhythmika der Klassen I und III sowie eine grosse Anzahl nichtkardialer Arznei- Summary mittel, z.B. gewisse psychotrope Medikamente Drugs and long QT oder Antibiotika [3, 4]. Die Liste dieser Medika- 쎲 Many drugs alter cardiac repolarisation and cause drug-induced long QT mente wird regelmässig aktualisiert (Tab. 1 p) syndrome, the commonest form of acquired long QT syndrome (see drug list, und auf verschiedenen Websites aufgeführt www.qtsyndrome.ch). (z.B. www.qtsyndrome.ch aus der Schweiz oder www.qtdrugs.org aus Amerika). Frauen haben 쎲 The diagnosis of drug-induced long QT syndrome is based on the following verglichen mit Männern ein zwei- bis dreimal three features: höheres Risiko für Herzarrhythmien bei einem – a corrected QT interval (QTc) of more than 470 ms (women) or 450 ms (men); erworbenen Long-QT-Syndrom [5]. Auch gewisse – drug therapy with at least one drug prolonging the QT interval; pathologische Zustände können eine QT-Verlän- CME zu diesem Artikel finden Sie auf S. 811 oder im Internet unter www.smf-cme.ch.
814-819 Delacretaz 056.qxp:Layout 1 21.9.2007 11:21 Uhr Seite 815 CURRICULUM Schweiz Med Forum 2007;7:814–819 815 Tabelle 1. Liste der Medikamente, die das QT-Intervall – a previous ECG with a normal QT interval or reversion to normal following verlängern. withdrawal of the drug. Antiarrhythmika 쎲 Like patients with congenital long QT syndrome, those with the acquired Amiodaron (Cordarone®, Amiodaron-Mepha®) syndrome may suffer from the polymorphic ventricular tachycardias known Disopyramid (Norpace®) as “torsades de pointes”. These tachycardias may cause recurrent syncope or Chinidin** (Kinidin-Duriles®) near-syncope, and ventricular fibrillation in rare cases. Sotalol** (Sotalex®, Sotalol-Mepha®) 쎲 There is strong evidence that individuals who develop acquired long QT Flecainid (Tambocor®) syndrome have an underlying genetic predisposition. Ibutilid** (Corvert®) 쎲 Torsades de pointes may be due to a single drug, i.e. class III antiarrythmic Andere kardiovaskuläre Medikamente agents (sotalol, ibutilide), or may be secondary to overdosing of non-cardiac Dobutamin, Dopamin drugs lengthening the QT. However, they most often occur in more complex Ephedrin (Ephedrin, Streuli Demo®, Elixier usw.) clinical situations including: Epinephrin (Adrenalin, Sintetica, EpiPen® usw.) – treatment with two or more drugs lengthening the QT interval; Indapamid (Fludapamid®, Fludex® SR usw.) – pharmacological interaction with a drug that decreases the catabolism of Isradipin (Lomir SRO®) a drug prolonging the QT interval; – additional risk factors such as hypokalaemia, bradycardia or severe heart Midodrin (Gutron®) disease. In women the risk of ventricular arrhythmias is 2–3 times higher than Norepinephrin (Scandonest) in men. Psychotrope Medikamente Amitriptylin (Saroten®, Retard Tryptizol®, Limbitrol) 쎲 The QT interval should be monitored in all at-risk clinical situations. Chloralhydrat (Chloraldurat®, Medianox®, Nervifene) Citalopram (Citalopram-Mepha® usw.) Chlorpromazin (Chlorazin®) A Clomipramin (Anafranil®) Doxepin (Sinquan®) Droperidol Felbamat (Taloxa®) Fluoxetin (Fluctine®, Fluocin® usw.) Flupentixol (Fluanxol®, Deanxit®) Galantamin (Reminyl®) B Haloperidol (Haldol®, Sigaperidol®) Imipramin (Tofranil®) Levomepromazin (Nozinan®) Lithium (Priadel®, Neurolithium® usw.) Methadon (Ketalgin®, Methadon) Methylphenidat (Concerta®, Ritalin®) Nortriptylin (Nortrilen®) Olanzapin (Zyprexa®) Paroxetin (Deroxat®, Parexat®) Quetiapin (Seroquel®) Abbildung 1 Risperidon (Risperdal®) A Typische Torsades de pointes mit progressiver Rotation der Vektorachse des QRS-Komplexes im Rahmen einer QT-Verlängerung. Sertindol (Serdolect®) B Ventrikuläre Bigeminie, extrem verlängertes QT mit anormaler U-Welle (QTU = 640 ms), Sertralin (Zoloft®, Gladem®) Warnzeichen für einen Anfall von Torsades de pointes bei einer 70jährigen Frau unter Sotalol- Thioridazin (Melleril®, Melleretten®) Langzeitbehandlung mit einer Kaliämie von 3,1 mmol/L. Tizanidin (Sirdalud®/-MR) Trimipramin (Surmontil®, Trimin®) Venlafaxin (Efexor®) Medikamente gegen Erkrankungen des Verdauungstrakts Dolasetron (Anzemet®) Domperidon (Motilium®/-lingual®) Nach www.qtsyndrome.ch adaptiert Granisetron (Kytril®) Der Effekt dieser Medikamente auf die Verlängerung des QT-Intervalls ist sehr unterschiedlich. Der doppelte Stern ** Octreotid (Sandostatine®) weist auf ein erhöhtes Risiko für Torsades de pointes hin. Ondansetron (Zofran®) «usw.» bedeutet, dass noch weitere Präparate mit entspre- Phentermin (Adipex®) chendem Wirkstoff existieren.
814-819 Delacretaz 056.qxp:Layout 1 21.9.2007 11:22 Uhr Seite 816 CURRICULUM Schweiz Med Forum 2007;7:814–819 816 Sibutramin (Reductil® 10/15, Ionamin®) Tabelle 2. Risikofaktoren für die Entwicklung von Torsades de pointes. Medikamente gegen Erkrankungen des Respirationstrakts Weibliches Geschlecht ® ® Salbutamol (Ventolin , Ecovent usw.) Bradykardie (
814-819 Delacretaz 056.qxp:Layout 1 21.9.2007 11:22 Uhr Seite 817 CURRICULUM Schweiz Med Forum 2007;7:814–819 817 sion); daraus kann sich eine Arrhythmie durch QT-Zeit verlängern, wirken direkt auf die für den Re-entry entwickeln. Überdies weisen bestimmte Kaliumstrom IKr verantwortlichen Kanäle [6]. Zellen eine elektrische Instabilität auf und ent- Diese Kanäle werden durch Proteine gebildet, für wickeln eine neue Depolarisation gerade vor die ein Human ether-à-gogo (HERG) oder gemäss dem Ende der Repolarisationsphase (Nachde- neuerer Nomenklatur ein als KCNH2 bezeich- polarisation). Diese Extrasystolen, die sich auf netes Gen kodiert. Der repolarisierende Strom unterschiedliche Weise im elektrisch inhomoge- durch diese Kanäle wird aufgrund einer Blockie- nen Myokard ausbreiten, initiieren die Torsades rung durch bestimmte Medikamente verlangsamt. de pointes. Oft treten im Vorfeld von Torsades de Bestimmte Substanzen können auch durch Ver- pointes mehrere Extrasystolen auf. Die ausge- langsamung des Abbaus über eine Hemmung prägte Verlängerung der QT-Zeit nach den extra- der Cytochrome (speziell des Isoenzyms P-450 systolischen Pausen verstärkt die Dispersion der CYP3A4) zu einer Erhöhung des Plasmaspiegels Repolarisation, bis es zur Entwicklung der Tor- von Medikamenten mit QT-verlängernder Wir- sades de pointes kommt (sogenanntes «warm- kung führen. Dies trifft für Ketoconazol, Makro- up», Abb. 1B). Die meisten Medikamente, die die lidantibiotika, in der HIV-Therapie verwendete Antiproteasen, Valproinsäure sowie Haloperidol, aber auch für Grapefruitsaft zu. Ketoconazol ist A insofern ein spezieller Fall, als es eine doppelte Hemmung bewirkt: sowohl der Kaliumkanäle (mit Verlängerung des QT-Intervalls) als auch von CYP3A4. Klinisches Bild Die Diagnose eines erworbenen Long-QT-Syn- droms kann gestellt werden, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind: – Messung einer korrigierten QT-Zeit (QTc) von mehr als 470 ms bei Frauen bzw. mehr als 450 ms bei Männern; – Medikamentöse Therapie oder klinische Be- gleitumstände, die die QT-Zeit verlängern (Hypokaliämie usw.); – Normales QT in einem Vergleichs-EKG (frühe- res EKG oder Normalisierung nach Absetzen des verdächtigten Medikaments). Patienten/-innen mit Long-QT-Syndrom können Palpitationen, Unwohlsein im Vorfeld von Synko- pen oder Synkopen mit Torsades de pointes auf- B weisen. Selten können Torsades de pointes sich zu einem Kammerflimmern entwickeln und einen plötzlichen Herztod herbeiführen. Im Vorfeld von Torsades de pointes beobachtet man Abfolgen von kurzen, langen, kurzen RR- Intervallen, manchmal auch auffällig grosse T- und U-Wellen. Die unkorrigierte QT-Zeit liegt sehr oft über 500 ms. Die Analyse des QT-Intervalls kann Schwierig- keiten bereiten. Dieses muss in allen Ableitungen analysiert und da gemessen werden, wo das Ende der T-Welle am besten sichtbar ist (Abb. 2 x) Corrected QT Bazett’s formula [7]. Manchmal, zumindest bei einem Teil der Ab- leitungen, liegt eine abnorme U-Welle mit Beginn Qtc = QT/았앙앙 RR vor dem Ende der T-Welle oder mit erhöhter 0.52/았앙앙 0.86 = 0.574 Amplitude vor. Einige Spezialisten/-innen emp- fehlen, in dieser Situation das Ende der T-Welle zur Bestimmung des QT-Intervalls graphisch zu Abbildung 2 extrapolieren. Vorzuziehen ist aber die Messung A EKG mit zwölf Ableitungen, das eine Verlängerung des QT-Intervalls zeigt. Das QT muss in allen zwölf Ableitungen überprüft und die QT-Zeit da gemessen werden, wo das Ende der des QTU-Intervalls. Die Differentialdiagnose zu T-Welle am besten sichtbar ist. einer normalen U-Welle ist nicht einfach. Eine B Messung von QT in Ableitung III und Korrektur für die Herzfrequenz nach der Formel von U-Welle kann als bedeutungslos interpretiert Bazett (die Repolarisation reagiert direkt auf Änderungen der Herzfrequenz). werden, wenn sie eine kleine Amplitude hat oder
814-819 Delacretaz 056.qxp:Layout 1 21.9.2007 11:22 Uhr Seite 818 CURRICULUM Schweiz Med Forum 2007;7:814–819 818 Tabelle 3. Normalwerte für QTc in Millisekunden. Prävention Einfachste präventive Massnahme ist es, die Ver- Männer Frauen schreibung von mehr als einem Medikament mit Normal 470 mehrere psychotrope Medikamente zur Behand- lung nötig sind. In diesen Situationen muss das QT-Intervall vier bis sieben Tage nach Beginn der Behandlung kontrolliert werden. Eine EKG-Kon- wenn die Kurve zwischen der T- und U-Welle zur trolle ist bei hochdosierter Therapie mit psycho- isoelektrischen Linie zurückkehrt. Das QT-Inter- tropen Substanzen oder nach Beginn einer Be- vall variiert mit der Herzfrequenz und muss daher handlung mit Antiarrhythmika der Klasse I oder mittels der Formel von Bazett korrigiert werden III zu empfehlen. Es besteht kein Konsens dar- (Abb. 2). Die Normalwerte für die korrigierte QT- über, ab welchem QTc das verantwortliche Medi- Zeit (QTc) liegen bei Frauen 20 ms höher als bei kament abgesetzt werden muss. Bei einer Behand- Männern (Tab. 3 p). Bei Unsicherheiten bei der lung, die nicht wirklich essentiell ist, rechtfertigt Messung von QT kann man das EKG wieder- eine Erhöhung des QTc um 30 ms oder ein Wert holen und ein Belastungs-EKG durchführen, um von mehr als 470 ms das Absetzen des Medika- zu prüfen, wie stark sich das QT-Intervall bei ments. Ist die Behandlung wichtig und besteht Tachykardie verkürzt. keine therapeutische Alternative, akzeptieren die meisten Spezialisten/-innen – sofern die Verträg- Risikosituationen lichkeit gut ist und im 24-Stunden-EKG keine In der Praxis ist ein Medikament selten allein Arrhythmien vorliegen – noch einen QTc-Wert für die Entwicklung von Torsades de pointes ver- von 500 ms [7]. antwortlich, ausgenommen bei Antiarrhythmika Liegen aber Torsades de pointes vor oder ist der der Klassen I und III oder bei Überdosen, z.B. bei QTc-Wert über 500 ms, muss die Behandlung einem psychotropen Medikament oder bei Metha- in den meisten Fällen abgebrochen werden. Aus- don. Meist liegt dem Problem eine Kombination nahmen gibt es immer, beispielsweise. bei einem verschiedener das QT-Intervall verlängernder durch einen Pacemaker vor Bradykardieepisoden Faktoren zu Grunde. Es kann beispielsweise ein geschützten Patienten, der wegen rezidivierender additiver Effekt mehrerer Medikamente mit QT- Arrhythmien mit starken Beschwerden Sotalol Intervall-verlängernder Wirkung vorliegen. In erhält. Eine QT-Verlängerung unter Cordarone anderen Fällen handelt es sich um eine medika- ist nur sehr selten mit Torsades de pointes asso- mentöse Wechselwirkung durch Verlangsamung ziiert. Auf der anderen Seite muss man vor allem des Katabolismus und als Konsequenz deutlicher bei Frauen, bei älteren Patienten/-innen und bei Erhöhung des Plasmaspiegels eines Wirkstoffs Patienten/-innen mit bekannter Bradykardie (z.B. mit QT-verlängernder Wirkung (Hemmung von bei Sick-Sinus-Syndrom) ganz speziell vorsichtig CYP3A4). Häufiger liegt eine komplexe klinische sein [3]. Patienten/-innen, die ein erworbenes Situation vor, wie beispielsweise bei einem Pa- Long-QT-Syndrom entwickelt haben, müssen tienten, der unter Behandlung eines psychotro- darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie pen Medikaments plötzlich einen AV-Block mit ein solches Syndrom unter zahlreichen weiteren schwerer Bradykardie entwickelt. Gewisse Anti- Medikamenten entwickeln könnten, wie sie in arrhythmika wirken gefährlich, vor allem bei älte- Tabelle 1 aufgeführt sind. Patienten/-innen mit ren Patienten/-innen und bei Bradykardie. Ein dem seltenen kongenitalen Long-QT-Syndrom klassisches Beispiel ist ein an Tachy-Bradysyn- müssen unbedingt darüber informiert werden, drom erkrankter Patient mit Episoden von Vorhof- dass sie keinesfalls irgendein Medikament aus flimmern, der mit Sotalol behandelt wird, einem dieser Liste erhalten dürfen. Eine Liste mit kon- derjenigen Medikamente, die am häufigsten Ur- traindizierten Medikamenten muss ihnen abge- sache von Torsades de pointes sind. Ältere Pa- geben werden, die sie jedes Mal dann dem Arzt tienten/-innen mit veränderter Nierenfunktion und dem Apotheker vorweisen müssen, wenn sie und Bradykardie sind besonders gefährdet, und ein neues Medikament benötigen. Schliesslich die Verschreibung von Medikamenten mit QT- sollte man bei Personen, die ein QT-verlängern- verlängernder Wirkung darf in solchen Fällen des Medikament einnehmen, auf Diuretika ver- nur unter grösster Vorsicht erfolgen. Schliesslich zichten oder ein kaliumsparendes Präparat hin- können Torsades de pointes ohne medikamentöse zufügen. Ursache und auch ohne jede medikamentöse Be- handlung vorkommen, insbesondere wenn eine Behandlung von Torsades de pointes ausgeprägte Bradykardie (z.B. bei paroxysmalem Entwickelt ein Patient Torsades de pointes, muss AV-Block oder bei mangelhaft funktionierendem er unverzüglich hospitalisiert und sein Herzrhyth- Herzschrittmacher einer älteren Person) vorliegt mus überwacht werden. QT-verlängernde Medi- oder zusätzlich erschwerende Faktoren wie eine kamente sind unverzüglich abzusetzen und Fak- Hypokaliämie hinzukommen. toren, die das Risiko einer Arrhythmie erhöhen,
814-819 Delacretaz 056.qxp:Layout 1 21.9.2007 11:22 Uhr Seite 819 CURRICULUM Schweiz Med Forum 2007;7:814–819 819 zu korrigieren [8]. Bei Hypokaliämie muss not- Konklusion fallmässig eine intravenöse K+-Behandlung ein- geleitet werden, bis ein K-Spiegel von 4,5 bis Es gibt zahlreiche Medikamente, die eine Repo- 5 mmol/L erreicht ist. Ebenfalls sollte eine Magne- larisation des Herzens beeinflussen und für be- siumbehandlung (1–2 g intravenös) eingeleitet stimmte Patienten/-innen die Gefahr von letalen werden (bei Niereninsuffizienz mit reduzierter Komplikationen mit sich bringen, insbesondere Dosis). Führen diese Massnahmen nicht zum dann, wenn weitere Risikofaktoren vorliegen. Es Ziel, muss die Herzfrequenz auf 80 bis 100 (wenn ist daher wichtig, dass der verschreibende Arzt nötig auch bis auf 120) pro Minute mittels pro- über die möglichen Nebenwirkungen und die Ri- visorischen Pacemakers oder eventuell mit Iso- sikofaktoren Bescheid weiss und sich versichert, prenalin per infusionem erhöht werden, um die dass die vorgesehene Behandlung durchgeführt Torsades de pointes zu vermindern. In manchen werden darf. Fällen muss ein definitiver Pacemaker eingesetzt werden, aber nur bei schwerer Bradykardie oder wenn auf Medikamente, die eine Bradykardie hervorrufen, nicht verzichtet werden kann. Die Implantation eines Defibrillators ist im allgemei- nen beim erworbenen Long-QT-Syndrom nicht indiziert. Literatur 1 Haverkamp W, Breithardt G, Camm AJ, Janse MJ, Rosen MR, tricular repolarization and arrhythmias induced by I(K)- et al. The potential for QT prolongation and proarrhythmia blocking drugs. Circulation. 2001;103:2207–12. by non-antiarrhythmic drugs: clinical and regulatory impli- 6 Roden DM, Viswanathan PC. Genetics of acquired long QT cations. Report on a policy conference of the European Soci- syndrome. J Clin Invest. 2005;115:2025–32. Korrespondenz: ety of Cardiology. Eur Heart J. 2000;21:1216–31. 7 Al-Kathib SM, Allen LaPointe NM, Kramer JM, Califf RB. Dr. med. Etienne Delacrétaz 2 Schwartz PJ. The congenital long QT syndromes from geno- What clinicians should know about the QT interval. JAMA. Leitender Arzt type to phenotype: clinical implications. J Intern Med. 2006; 2003;289:2120–8. Rhythmologie und Elektro- 259:39–47. 8 Zipes DP, Camm AJ, Borggrefe M, Buxton AE, Chaitman B, physiologie 3 Roden DM. Drug-induced prolongation of the QT interval. et al. ACC/AHA/ESC 2006 Guidelines for Management of Klinik und Poliklinik für N Engl J Med. 2004;350:1013–22. Patients With Ventricular Arrhythmias and the Prevention 4 Kannankeril PJ, Roden DM. Drug-induced long QT and of Sudden Cardiac Death: a report of the American College Kardiologie torsades de pointes: recent advances. Current Opinion in Car- of Cardiology/American Heart Association Task Force and Inselspital diology. 2007;22:39–43. the European Society of Cardiology Committee for Practice CH-3010 Bern 5 Pham TV, Sosunov EA, Gainullin RZ, Danilo P, Jr., Rosen MR. Guideline. Circulation. 2006;114:e385–484. etienne.delacretaz@insel.ch Impact of sex and gonadal steroids on prolongation of ven-
Sie können auch lesen