Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN

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Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
4•2020
                                   DAS MAGAZIN
                                   DER AWO BAYERN
                                   74. Jahrgang des „Helfer“

Mehr als ein Dach über dem Kopf.
WIR über Leben und Wohnen.

                                   DIE AWO IN
                                   OBERBAYERN

                                   OHA!
                                   Ein Haus voller Leben.

                                   Jubiläum
                                   30 Jahre Beratung
                                   für ältere Menschen.
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
WIR IN BAYERN                                      WIR IN OBERBAYERN
Aus der AWO                                   3    Tafeln finden rasche Wege aus der Corona-Krise 12
AWO liebt Demokratie + Eine Frau aus Bayern        Für bezahlbaren Wohnraum im
für die Bundesspitze + Plädoyer für                Großraum München                               13
Menschlichkeit + Brigitte Tiator im Ruhestand +    Betreutes Wohnen 60+ in der STE Burghausen 14
Frauenpower im Freistaat                           OHA! Ein Haus voller Leben                     15
Unser Thema:                                       AWO vor Ort                                 16/17
Mehr als ein Dach über dem Kopf.               6
                                                   WIR IN MÜNCHEN
Gemeinsam statt einsam: Quartiersprojekte
bringen Menschen zusammen + Frauenhäuser:          „Lernen mit Kick“                              18
Wohnen ist existenziell + Interview: Bauen für     THEA Mobil und Eine Organisation bleibt fit    19
Senioren braucht Fingerspitzengefühl               30 Jahre Beratung für ältere Menschen       20/21

Liebe Leserinnen und Leser,

ein schwieriges und forderndes Jahr geht dem Ende entgegen. Die Corona-Pandemie hat
das Leben in einem Maße beeinträchtigt, das für uns alle undenkbar war und sie hat das
öffentliche und gesellschaftliche Leben einschneidend verändert. Die Konferenzen der AWO
konnten nicht stattfinden, Veranstaltungen wurden abgesagt und die Ortsvereine mussten
die so wichtigen Begegnungen auf ein Minimum beschränken.
Die letzten Monate haben aber auch gezeigt, dass die Arbeiterwohlfahrt in Bayern auch in
Zeiten der Krise zusammensteht und das „WIR“ lebt. Ob in unseren Pflegeeinrichtungen, in
Kitas oder in den Ortsvereinen: überall haben Haupt- und Ehrenamtliche über die Maßen
großen Einsatz gezeigt, um Menschen zu begleiten, um Kinder gut zu versorgen, während
die Eltern arbeiten müssen, und um Mitmenschen zu ermuntern, die Lebensfreude trotz
der Kontaktbeschränkungen nicht zu verlieren. Das verdient großen Respekt. Auch allen
Mitgliedern, die unsere Arbeit mit ihrem Beitrag und ihrem Engagement 2020 maßgeblich
unterstützt haben, sage ich ganz herzlich Danke.
Mit der letzten Ausgabe des Jahres wagen wir normalerweise einen Ausblick, doch dieser ist
in diesen Zeiten schwierig. Ich hoffe sehr, dass 2021 wieder mehr Freiräume und uns allen
wieder mehr persönliches Miteinander ermöglichen wird. Vor allem aber wünsche ich uns
allen, dass wir gesund bleiben. Nutzen Sie - gerade wegen Corona - die Adventszeit und
die Feiertage besonders für den Austausch mit den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen,
verlieren Sie nicht den Mut und kommen Sie gut ins neue Jahr.

Herzlich Ihr

Thomas Beyer
Landesvorsitzender
der AWO in Bayern
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Vielfältiges Programm –
                                                              Kostenlos weiterbilden
                                                              Die kostenlose Teilnahme an dem bayern-
                                                              weiten Projekt AWO l(i)ebt Demokratie
                                                              steht allen hauptamtlichen Mitarbei-
                                                              ter*innen, ehrenamtlich Engagierten,
                                                              Mitgliedern sowie auch noch nicht in

                                                                                                                 AUS DER AWO
                                                              der AWO aktiven Menschen offen.

                                                              Aufgrund der Corona-Situation finden
                                                              die meisten der Projektangebote derzeit
                                                              digital statt. Gemeinsam mit dem Team
Abschied von Brigitte Tiator                                  des neuen Aktionsbüro Demokratie des
                                                              AWO Landesverbandes Bayern e.V. kann
In einer kleinen Feierstunde hat Landesgeschäftsführer        die digitale Technik kennen gelernt und
Andreas Czerny die langjährige Leiterin der Freiwilligen-     eingeübt werden. Jeden Dienstag von
dienste des AWO Landesverbandes, Brigitte Tiator, in          16 Uhr bis 17 Uhr findet eine telefonische
den Ruhestand verabschiedet. Brigitte Tiator hat über         Online-Sprechstunde zum Thema „Wie
Jahrzehnte tausende junge Freiwillige bei der AWO ver-        kann ich an Videokonferenzen teilneh-
antwortlich begleitet, anfangs Zivildienstleistende, später   men?“ statt. Eine formlose Voranmeldung
Freiwillige des Sozialen Jahres (FSJ) und zuletzt vor allem   im neuen Aktionsbüro Demokratie ist
Menschen im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Landes-           erforderlich. (Kontakt siehe unten)
vorsitzender Prof. Dr. Thomas Beyer hob das große Enga-
gement hervor, mit dem Brigitte Tiator die Belange der        Die kommenden AWO l(i)ebt Demokratie
Freiwilligendienste mit den Bedürfnissen der Einsatz-         Online-Veranstaltungen:
stellen der AWO in Bayern in Einklang brachte und würdigte    • Jeden Monat: Team Toleranz, Team
ihre kompetente Zusammenarbeit mit dem Bayerischen               Erinnerungskultur, Team Umwelt
Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS),      und Nachhaltigkeit, Team Politischer
dem Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS), dem              Lesezirkel und Team Demokratiechor
Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA)         • 5.Dezember 2020 „Verschwörungs­
und dem AWO Bundesverband. Auch die Kolleginnen                  erzählungen – eine Gefahr für die
des Fachbereichs sagten mit sehr persönlichen Worten             Demokratie?“
herzlich „Auf Wiedersehen“.                                   • 27.Januar 2021 „Lange Nacht der
                                                                 Zweitzeug*innen“ zum Holocaust­
                                                                 gedenktag

Eine Frau aus Bayern für                                         Kontakt und Anmeldung:
die Bundesspitze                                              AWO Landesverband Bayern e.V.
                                                              Aktionsbüro Demokratie
Kathrin Sonnenholzner, seit 2016 stellvertre-                 zdt@awo-bayern.de
tende Landesvorsitzende der AWO in Bayern,                    089 / 54 67 54 - 140
soll ab 2021 die Bundesspitze der AWO als                     Icon Facebook und Instagram:
Co-Vorsitzende des Präsidiums verstärken. Die                 @awodemokratie
64-jährige Jesenwangerin engagiert sich seit                  www.awo-bayern.de
vielen Jahren für die AWO und bringt als SPD-
Mitglied des Bayerischen Landtages von 2003
bis 2018 politische Erfahrung in das Amt ein.
Die Wahl findet im Rahmen der für Juni 2021
geplanten Bundeskonferenz statt. Weitere
bayerische Kandidaten für das neue Präsidium
der AWO in Berlin sind Karin Hirschbeck, Vor-
sitzende des Kreisverbandes Fürth, und Stefan
Wolfshörndl, Vorsitzender des Bezirksverbands
Unterfranken. Beide gehören dem Gremium
bereits an und stellen sich erneut zur Wahl.

                                                                          WIR • Das Magazin der AWO Bayern   3
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
„Menschlichkeit darf nicht
                          DIE „WIR-REDAKTION“                              unter Strafdrohung stehen“
                          Sie haben Anregungen, Lob oder                   Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in
                          Kritik? Ihre Anmerkungen zum                     Bayern, Prof. Dr. Thomas Beyer, hat die bayerische
                          aktuellen Heft nehmen wir gerne auf.             Staatsregierung aufgefordert, gemeinsam mit den
                          Sie erreichen uns hier:                          Trägern von Pflegeheimen sowie den Angehörigen-
                                                                           vertretungen klare Rahmenbedingungen zu finden,
AUS DER AWO

                          Arbeiterwohlfahrt                                um Besuche in Pflegeheimen auch in den Winter-
                          Landesverband Bayern e.V.                        monaten zu ermöglichen. „Die Abschottung des
                          Edelsbergstraße 10, 80686 München                Frühjahres darf sich im Interesse aller Beteiligten
                          Telefon 089 546754–0                             nicht wiederholen. Heime sind keine Gefängnisse
                          redaktion@awo-bayern.de                          und können niemals Hochsicherheitstrakte sein“,
                                                                           ist Beyer überzeugt. Der AWO-Chef verwies nicht
                                                                           nur auf die immensen Belastungen, die eine Iso-
                                                                           lierung für Bewohner*innen und ihre Angehörigen
                                                                           mit sich bringt, sondern auch auf den enormen
                                                                           Druck, der dadurch für die Mitarbeitenden in der
                                                                           Pflege erzeugt wird. Andererseits fühle sich die
                                                                           Praxis zu sehr auf sich allein gestellt. „Wir brauchen
                                                                           jetzt klare Regeln für Besuchsmöglichkeiten in
                                                                           den Einrichtungen in Abhängigkeit vom örtlichen
                                                                           Infektionsgeschehen. Die Politik muss der Praxis
                                                                           hier Rückendeckung geben. Es darf nicht sein, dass
                                                                           die Einrichtungen, die der Menschlichkeit den
                                                                           gebotenen Raum geben, in einer permanenten
                                                                           Grauzone bis hin zur Anzeige bei der Staatsanwalt-
                                                                           schaft stehen“, formulierte Beyer seine Erwar-
                                                                           tungen an die zuständigen Ministerien.

              Gemeinsam für eine Wende
              Zu einem intensiven Meinungsaustausch kamen
              im August der Vorsitzende der SPD-Landtags-
              fraktion, Horst Arnold, und die Vorsitzende
              des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Jugend       Nichts gegen Beziehungen
              und Familie im Landtag, Doris Rauscher, in
              die Nürnberger Geschäftsstelle des Landesver-      Peter Gaymann gehört zu den erfolgreichsten
              bandes. Neben der Würdigung der großen             Cartoonisten Deutschlands. Im neuen Tisch- und
              Leistungen der Beschäftigten des Sozialbe-         Postkartenkalender „Cartoons von der Couch“,
              reichs während der Corona-Pandemie stand           erschienen im Medhochzwei-Verlag, bringt er
              das gemeinsam mit dem Bund Naturschutz             wieder viele Beziehungs- und Therapiesituationen
              in Bayern erarbeitete AWO-Papier für eine          humor- und liebevoll auf den Punkt. WIR verlost
              sozial-ökologische Wende (WIR berichtete in        drei Tischkalender von Peter Gaymann. Einsen-
              Heft 3/2020) im Mittelpunkt des Gesprächs          deschluss ist der 31.Dezember 2020. Senden Sie
              mit AWO Landesvorsitzenden Prof. Dr.               einfach eine Mail mit Name, Anschrift und Telefon-
              Thomas Beyer.                                      nummer an petra.dreher @awo-bayern.de
                                                                 oder eine Postkarte an den AWO Landesverband,
                                                                 Edelsbergstraße 10, 80686 München. Die Gewinner
                                                                 werden schriftlich benachrichtigt. Stichwort
                                                                 „Beziehungen“.

              4   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
AWO Frauen und
Sozialpolitik
100 Jahre Bayerische AWO - das sind auch 100 Jahre
Geschichte bayerischer AWO Frauen, wie die im Oktober auf

                                                                                                                                  AUS DER AWO
dem Nürnberger Hauptmarkt eröffnete Ausstellung Mache-
rinnen. Helferinnen Frauen und die AWO zeigt. WIR hat den
Historiker Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, Mitherausgeber
der Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, nach seinem
Blick auf die AWO gefragt.
Interview: Isabel Krieger

Herr Prof. Rumschöttel, was macht aus Ihrer Sicht die AWO
heute aus?
Die schwierige, aber bemerkenswert erfolgreiche Kom-
bination von drei Handlungsfeldern: Die traditionelle
Aufgabe als sozialpolitische Speerspitze im modernen
Staat, die gesellschaftlichen Leistungen einer ehrenamt-
lich engagierten Mitgliederorganisation und schließlich
die Effektivität und Produktivität eines professionellen
Dienstleistungsunternehmens. Im sehr harmonischen
Konzert der wohlfahrtspflegerischen Spitzenverbände in
unserem Freistaat spielt die AWO als „soziale Stimme“
eines Sozialen Bayern eine unverwechselbare (und un-
verzichtbare) tragende Rolle.                                        Die Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, von
                                                                 Prof. Dr. Hermann Rumschöttel und Prof. Dr. Thomas Beyer,
Welche Rolle spielten für die Entwicklung des Verbandes in       ist unter https://verlag.geiselberger.de erhältlich.
Bayern die Frauen?
AWO-Geschichte ist Frauengeschichte. Oder umgekehrt:               Die Ausstellung „Macherinnen. Helferinnen. Frauen
Die gesellschaftliche und politische Emanzipation der            und die AWO“ lädt zu einem virtuellen Rundgang auf der
Frauen im 20. Jahrhundert mit all ihren Hürden und Er-           Homepage unter www.awo-bayern.de ein.
folgen kann am Beispiel der AWO deutlich vor Augen ge-
führt werden. Die AWO war immer auch eine frauenpo-
litische Speerspitze. Ins Leben gerufen von einer
mutigen, politisch denkenden und handelnden Frau, bis        Die Arbeiterwohlfahrt ist Teil der Sozialgeschichte des Frei-
heute in der ehrenamtlichen Wohlfahrtspflege mehr-           staats. Täuscht der Eindruck, dass das Soziale Bayern bei der
heitlich von Frauen getragen und als Aktionsrahmen für       geschichtlichen Darstellung bis heute etwas kurz kommt?
nach gesellschaftlicher und politischer gleichberechtigter   Das muss man leider zugeben. Bayerische Geschichte
Mitwirkung strebender Frauen, kann man die Geschich-         des 19. und 20. Jahrhunderts in Forschung, Lehre und
te der Arbeiterwohlfahrt als eine Erfolgsgeschichte des      Darstellung war sehr lange Zeit vor allem Herrscher-
Kampfes um Gleichberechtigung verstehen. Eines               und Staatsgeschichte. Seit den 1970er Jahren sind aller-
Kampfes freilich, der noch nicht beendet ist.                dings in wachsendem Maße gesellschaftsgeschichtliche
                                                             Themen in den Fokus gerückt. „Gesellschaft“ mit ihren
                                                             wirkungsmächtigen Aktivitäten und ihren einflussrei-
                  „Die AWO ist bis heute                     chen Organisationen wird heute als wesentliches, zum
                                                             Teil als entscheidendes Element der historischen Ent-
                  eine sozialpolitische                      wicklung erkannt und beschrieben. Ein nicht unwichti-
                  Speerspitze.“                              ger Grund für die „Staats- und Kirchenlastigkeit“ der
                                                             älteren Landesgeschichte ist die Tatsache, dass die Quel-
                  Historiker Prof. Dr. Hermann
                                                             lenlage ordentlich ist. Ein Hinweis deshalb an die AWO:
                  Rumschöttel.
                                                             Man muss seine Spuren dokumentieren, wenn man will,
                                                             dass sie später ein Historiker entdeckt.

                                                                                           WIR • Das Magazin der AWO Bayern   5
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Nur ein Dach?
                   Wie wollen wir im Alter leben? Lange stellten sich die Menschen diese Frage
LEBEN UND WOHNEN

                   nicht. Der Familienverbund, das Dorf, die Nachbarschaft waren mehr oder
                   weniger verlässliche Garanten dafür, zumindest die rüstigen Jahre gut in
                   den eigenen vier Wänden verbringen zu können. Doch mit zunehmender
                   Mobilität, mit ausblutenden Ortschaften auf dem Land, mit immer weniger
                   bezahlbarem Wohnraum nicht nur in den Ballungsräumen und einer immer
                   älter werdenden Gesellschaft rückt das Thema Wohnen im Alter stärker in
                   den Blick. Die bayerische AWO hat mit dem Projekt „LiA - Leben im Alter“
????????

                   eine Bestandausnahme gemacht, welche Wohnformen und Unterstützungs-
                   angebote es für das letzte Lebensdrittel gibt – von Pflegeeinrichtungen bis
                   zum ambulanten Wohnen.

                   „Die häufigste Wohnform im Alter, nämlich das Wohnen in
                   einer normalen Wohnung, spielt in der öffentlichen Diskus-
                   sion um die Versorgung älterer Menschen häufig nur eine
                   untergeordnete Rolle“ , sagt Stefanie Fraaß, die das Projekt
                   für den AWO Landesverband Bayern durchgeführt hat.
                   Dabei wünschten sich die meisten Menschen genau das.
                   „Ziel ist es deshalb, älteren Menschen – sowohl im länd-       In vielen Regionen Bayerns hat die AWO bereits Anlauf-
                   lichen Raum, in Stadtrandgebieten als auch in städtischen      stellen geschaffen, die sich mit dem Älterwerden im
                   Wohnquartieren – die Unterstützung zukommen zu lassen,         eigenen Quartier beschäftigen. So gibt es beispielsweise
                   die sie brauchen, um im Alter so lange wie möglich gut         in Augsburg, Landshut, Forchheim und Nürnberg Projekte
                   in den eigenen vier Wänden zu leben.“                          für Betreutes Wohnen und Quartiersmanagement. Ein
                                                                                  besonderes Projekt hat die AWO im oberfränkischen Coburg
                   Die Vernetzung und das Zusammenspiel von Dienstleis-           initiiert. Unter dem Dach eines eigenen Trägervereins,
                   tern, An- und Zugehörigen, Nachbar*innen und Ehren-            der am Mehrgenerationenhaus angesiedelt ist, eröffnete
                   amtlichen sind dabei ein Schlüsselfaktor. Sie ermöglichen      2009 das alternative Wohnprojekt Wilna. Die Abkürzung
                   den Aufbau von Versorgungsnetzwerken. Die Angebote             steht für „Wir leben nicht allein“. 15 abgeschlossene
                   müssen sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren:           barrierefreie Wohnungen sowie eine Gemeinschaftswoh-
                   Vielleicht braucht es einem Viertel zum Beispiel keinen        nung stehen hier Menschen allen Alters in einem altein-
                   Supermarkt, aber dringend einen Hausarzt. In einem             gesessenen Wohnquartier der gut 40.000 Einwohner
                   anderen hingegen eine funktionierende Nachbarschafts-          zählenden Stadt als Mietwohnungen zur Verfügung.
                   hilfe als Ergänzung bereits bestehender Infrastruktur.
                   „Im Rahmen von lokalen Verantwortungsgemeinschaf-              Die Bewohner*innen des Mehrfamilienhauses unter-
                   ten können die Akteure vor Ort die Konzepte entwickeln,        stützen sich gegenseitig im Alltag und organisieren auch
                   die passgenau sind“, fasst Fraaß zusammen.                     gemeinsame Aktivitäten. Mehr als zehn Jahre sind seit
                                                                                  der Eröffnung vergangen und Johanna Thomack vom
                                                                                  Trägerverein zieht eine positive Bilanz. „Es war ein langer
             „Wer im Alter nicht                                                  Prozess, bis wir das Haus eröffnen konnten. Wir mussten
             allein sein will,                                                    die Idee erst zu den Menschen bringen. Doch heute sind
                                                                                  alle Wohnungen vermietet. Wir haben sogar eine Warte-
             muss auf Menschen                                                    liste und Interessenten für weitere Häuser“, sagt sie. „Was
             zugehen.“                                                            uns fehlt, sind brauchbare Immobilien und Investoren
                                                                                  für ein weiteres Quartiersprojekt“, sagt Thomack.
             Ursula Schmitt
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Zusammen Leben
Ursula Schmidt ist eine der Bewohnerinnen. Vor drei
Jahren zog die rüstige 75-Jährige aus ihrem Haus in          Im Landkreis Coburg hat die AWO vor gut fünf
eine 85 Quadratmeterwohnung im Erdgeschoss und hat           Jahren ein innovatives Projekt auf den Weg gebracht:
ihren Entschluss nicht bereut. „Nach dem Tod meines          „Zusammen Leben“ soll ältere Menschen mit Familien

                                                                                                                           LEBEN UND WOHNEN
Mannes war ich alleine in einem großen Haus. Hier            zusammenbringen. Das Projekt ist am Coburger
habe ich Menschen und Geselligkeit, kann aber auch           Mehrgenerationenhaus angesiedelt. WIR hat bei
die Türe zu machen, wenn ich mag“, sagt sie.                 Projektleiterin Kristin Herbst nachgefragt.

Doch nicht nur im Haus, auch mit der Nachbarschaft gibt      Frau Herbst, was müssen Menschen mitbringen,
es mittlerweile einen guten Austausch. Zum Beispiel beim     die sich auf ein gemeinsames Wohnprojekt wie
gemeinsamen Mittagessen, zu dem regelmäßig Menschen          „Zusammen Leben“ einlassen?

                                                                                                                           ????????
zusammenkommen und von ehrenamtlichen Mitarbei-              Auf jeden Fall Offenheit und klare Vorstellungen.
ter*innen bekocht werden. Die Wohnung kann auch              Zusammen zu leben, bedeutet immer auch, sich auf
privat von den Bewohnern genutzt werden. „Die Mieter         einen anderen Menschen einzustellen. Das geht nur,
beherbergen hier beispielsweise Gäste“ sagt Johanna          wenn ich selbst genau weiß, wie ich leben möchte.
Thomack. Die Sozialpädagogin steht als Ansprechpartnerin
bereit, vermittelt, organisiert und unterstützt, wo nötig,   Wer kommt zu Ihnen?
die Hausgemeinschaft. „Es gibt natürlich auch immer          Das sind meist ältere Menschen, die nicht mehr
mal was zu klären. Alles in allem kann man aber sagen,       alleine leben wollen und Anschluss suchen. Wir
dass es ziemlich gut klappt“. Das Nachbarschaftsnetz,        sprechen aber auch gezielt Menschen an, die über
das zunächst nur für den Stadtteil konzipiert war, hat       leerstehenden Wohnraum verfügen und vielleicht
mittlerweile viele Äste, von denen auch das Coburger Mehr-   einen älteren Menschen oder eine Familie bei
generationenhaus profitiert. „Wir haben heute über           sich aufnehmen wollen.
300 Ehrenamtliche, die sich in der gesamten Stadt enga-
gieren“, sagt Thomack. „Das ist ein riesen Gewinn“.          Sie empfehlen, das Zusammenleben klar zu regeln,
                                                             etwa Hilfen vertraglich festzuhalten. Widerspricht
Für Stefanie Fraaß vom AWO Landesverband ein Beispiel,       das nicht der Idee des gemeinschaftlichen Lebens
wie das Zusammenspiel der Akteure zugunsten eines            und Wohnens?
Miteinanders der Generationen gelingen kann. 2021            Im Gegenteil. Je genauer die jeweiligen Erwartungs-
soll der Abschlussbericht des Projekts LiA erscheinen,       haltungen und Vorstellungen schon im Vorfeld aus-
mit einem Fazit, welche Aufgaben nicht nur auf die AWO       gesprochen und schriftlich fixiert werden, desto
in den nächsten Jahren zukommen. „Wenn wir als Ge-           mehr Freiräume entstehen im Alltag, weil jeder
sellschaft den Vorstellungen von Senior*innen gerecht        weiß, was er vom anderen erwarten kann und darf.
werden wollen, müsse wir uns mit dem Thema Leben
und Wohnen mehr beschäftigen“, ist sie sich sicher.          Was leisten Sie als Projektleiterin?
                                                             Wir bringen die Interessenten zusammen und
                                                             schauen, ob es passt. Dazu braucht es oft vieler
             „In unseren Wohnprojekten                       Gespräche. Manchmal hakt es an Kleinigkeiten,
                                                             beispielsweise, dass jemand eine Katze hat, der
             unterstützen sich Menschen                      potenzielle künftige Mitbewohner aber eine Haus-
             gegenseitig im Alltag. Das hilft                tierallergie. So etwas kann man schon zu Beginn
             allen, die dort leben.“                         klären. Und natürlich begleiten wir die Projekte.
                                                             Manchmal gibt es auch Krisen. Dann bieten
             Johanna Thomack und Kristin Herbst,             wir Mediation an. Oder aber die Lebensumstände
             Mehrgenerationenhaus Coburg                     verändern sich, weil jemand erkrankt. Dann
                                                             können wir als Fachstelle für pflegende Angehö-
                                                             rige zum Beispiel Unterstützung organisieren.

                                                               Infos unter www.awo-mgh-coburg.de/
                                                             ueber-uns/leben-in-gemeinschaft

                                                                                    WIR • Das Magazin der AWO Bayern   7
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Mit einer Schmink-
                                                                                                        aktion mitten in
                                                                                                        der Stadt wies das
                                                                                                        Würzburger Frauen-
                                                                                                        haus auf das Problem
LEBEN UND WOHNEN

                                                                                                        von Gewalt gegen
                                                                                                        Frauen hin.
????????

                                                                                                          Von allem zu wenig
                                                                                                          In den letzten Jahren suchten jährlich
                                                                                                          etwa 1.700 Frauen in Bayern mit

                   Wohnen ist existenziell
                                                                                                          mehr als 1.700 Kindern Zuflucht in
                                                                                                          einem Frauenhaus. Bayernweit gibt es
                                                                                                          39 staatlich geförderte Frauenhäuser,
                                                                                                          darunter sieben in Trägerschaft der
                   Für Frauen, die aus einer gewalttätigen Beziehung in ein Frauenhaus geflüchtet         AWO, die 362 Plätze für Frauen und
                   sind, womöglich mit Kindern, ist Wohnen weit mehr als ein Dach über dem                437 Plätze für Kinder bereitstellen.
                   Kopf – es ist existenziell. In den vergangenen Jahren war die Situation der            Gemäß der von Deutschland ratifizierten
                   Frauenhäuser im Freistaat jedoch finanziell angespannt. Die AWO hat darauf             Istanbulkonvention müsste wenigstens
                   über Jahre hinweg immer wieder hingewiesen. Nun gibt es seit 2019 mehr                 ein „Family place“ (=2,59 Betten) pro
                   Geld für die Frauenhäuser, die damit zusätzliche Plätze schaffen können.               10.000 Einwohner*innen vorgehalten
                   Doch noch immer nicht gelöst ist das drängendste Problem: der fehlende                 werden. Nach Empfehlung des Europa-
                   Wohnraum im Anschluss. Weil sie vor allem in Ballungsräumen keine bezahlbare           rates wäre sogar ein Frauenhausplatz
                   Wohnung finden, in die sie nach der Obhut des Frauenhauses ziehen können,              pro 7.500 Einwohner*innen angemes-
                   bleibe viele Frauen dort länger, als sie selbst eigentlich wollen. Das führt dazu,     sen. Eine Bedarfsermittlungsstudie von
                   dass die Plätze in den Frauenhäusern weiterhin knapp bleiben, auch wenn                2016 zeigte: Der Freistaat ist bislang
                   Einrichtungen wie das Würzburger Frauenhaus durch die höhere Förderung                 davon weit entfernt.
                   Anfang 2021 vier zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten schaffen können.
                                                                                                          Die AWO ist an dem Modellprojekt
                   Etwas Entspannung bringt seit 2020 ein vom Sozialministerium gefördertes               Second-Stage an folgenden Stand­
                   Projekt mit dem Namen „Second - Stage“. Es macht den Frauenhäusern mög-                orten beteiligt:
                   lich, die Frauen bei der Wohnungssuche zu unterstützen und sie auch während            • AWO Frauenhaus Dachau gGmbH,
                   der ersten Zeit in der neuen Bleibe zu betreuen und zu begleiten. „Das sind               Frauenhaus Dachau
                   Frauen, die haben kein soziales Netz und vielfach auch keine Familie und keinen        • AWO Bezirksverband Unterfranken e.V.,
                   Beruf“, sagt Brita Richl, Leiterin des Würzburger Frauenhauses, „ohne Unter-              Frauenhaus Würzburg AWO
                   stützung ist es für sie fast unmöglich, eine Wohnung zu bekommen“. Seit Januar         • AWO Kreisverband Mittelfranken Süd
                   2020 ist am Würzburger Frauenhaus, das eines von bayernweit 17 Second-                    e.V., Frauenhaus Schwabach
                   Stage Projekthäusern ist, eine Mitarbeiterin angesiedelt, die sich um Kontakte         • AWO Kreisverband Wunsiedel e.V.,
                   mit Wohnungsbauunternehmen und Vermietern kümmert. Obwohl Corona den                      Frauenhaus Selb
                   Mietmarkt im Frühjahr komplett lahm legte, gibt es erste Erfolge: Im August            • AWO Betriebsträger und Projektent-
                   konnte eine Frau mit vier Kindern, die zuvor eineinhalb Jahre im Frauenhaus               wicklungsgesellschaft mbH Augsburg,
                   lebte, eine Second-Stage Wohnung beziehen. Weitere Gespräche laufen.                      Frauenhaus Augsburg
                                                                                                          • AWO Ortsverein e.V. Neu-Ulm,
                   „Wohnungssuchen sind sehr zeitintensiv“, sagt Frank Alibegovic, Fachbereichs-            Frauenhaus Neu-Ulm.
                   leiter Kinder, Jugend und Familie beim Bezirksverband Unterfranken „es gibt
                   wenige, die finanziell überhaupt in Frage kommen“. Doch auch nach einem
                   Umzug ist Unterstützung nötig: „Diese Frauen brauchen bei vielen Themen Hilfe.
                   Das fängt bei der Korrespondenz mit Behörden an und geht bis zur Suche nach
                   einem Kinderarzt“, berichtet Brita Richl. „Das Übergangsmanagement ist ganz
                   entscheidend. Nur so kann der Weg in ein eigenständiges Leben gelingen.“

                   8   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
INTERVIEW                                                                                 Leonhard Höss, Jahrgang 1963,
                                                                                          studierte Architektur und betreibt

Bauen mit Finger-                                                                         zusammen mit zwei Partnern
                                                                                          das Büro Höss Amberg + Partner

                                                                                                                                      LEBEN UND WOHNEN
                                                                                          Architekten in München, das

spitzengefühl                                                                             sich auf das Planen und Bauen
                                                                                          barrierefreier Architektur vor
                                                                                          allem für die ältere Generation
Interview: Isabel Krieger                                                                 spezialisiert hat. Infos unter
                                                                                          www.hap-architekten.de

Herr Höss, die meisten Architekten          angeschlossen. Wir versuchen,

                                                                                                                                      ????????
bauen für junge und gesunde Men-            Grundrisse zu entwickeln, die
schen. Schicke Lofts, Offices, Kitas. Ihr   unterschiedliche Nutzungsszenarien
Büro hat sich auf den Bau von Pflege-       ermöglichen, damit das Heim nicht
heimen spezialisiert. Wie baut man          schon nach wenigen Jahren wieder
für hochbetagte Menschen?                   komplett umgebaut werden muss.
Unser erstes neugebautes Heim ent-          Damit man aus zwei Einzelzimmern
stand Ende der 1980er Jahre in              ein Appartement machen oder in
Zusammenarbeit mit dem Kuratorium           einem Gebäudeflügel ohne großen
für Altenhilfe. Es war ein Modellpro-       Aufwand eine Demenzwohngruppe
jekt, in dem ein Wohngruppenkon-            oder Pflegeoase einrichten könnte.
zept umgesetzt wurde, was damals
noch ungewöhnlich war. Seither              Früher waren Heime meist zweigeteilt:
hat sich viel verändert. Es gibt immer      Es gab einen Bereich für die „Rüstigen“,   nicht riesige Fassaden bauen,
wieder Stimmen, die meinen, Heime           und einen Bereich für Menschen mit         man kann auch Flure und Eingangs-
werden nicht mehr gebraucht. Das            Pflegebedarf. Heute sind Heime fast        bereiche nutzen, indem man dort
glaube ich nicht. Es wird immer             ausschließlich Orte für Menschen, die      Lichthöfe schafft, die Tageslicht
Heime geben, denn das Pflegethema           am Ende des Lebens Pflege benötigen.       hereinlassen. In den Wohngruppen
bleibt. Man versucht heute mehr als         Was bedeutet das für die Gestaltung        wiederum darf es nicht überall hell
früher, in Heimen das Leben abzu-           der Räume?                                 sein, da muss das Lichtkonzept den
bilden. Durch Hausgemeinschaften,           Die Bewegungsflächen sind in den           Tag -Nacht-Rhythmus der Bewohner
durch kleinere Wohneinheiten mit            vergangenen Jahren etwas größer            berücksichtigen. Ein Pflegeheim ist
Küche und Gemeinschaftsbereich,             geworden, der einzelne Mensch hat          kein Krankenhaus light. Die Wohnlich-
durch Einzelzimmer, die auch in der         einen größeren Radius zugesprochen         keit muss im Vordergrund stehen.
letzten Phase des Lebens eine ge-           bekommen. Zudem ist es seit einigen
wisse Privatheit ermöglichen. Darüber       Jahren Vorschrift, dass mindestens         Alte Menschen sind verletzlich. Sie
hinaus spielt Teilhabe eine große           ein Viertel der Zimmer rollstuhl-          hören und sehen oft schlecht, sind
Rolle. Wir haben neulich ein Heim           gerecht ist. Das ist für die Betreiber     sturzgefährdet. Demente Menschen
aus den 1970er Jahren abgerissen,           nicht immer leicht, denn auch              verlieren häufig die Orientierung. Wie
das hatte noch zehn steile Stufen           bestehende Bauten müssen nach-             kann die Architektur dagegen wirken?
bis zum Eingang. Und igendwo                gerüstet werden, was mit hohen             Man kann man Räume schon
versteckt einen Aufzug. Das gibt es         Kosten und viel Aufwand verbunden          so gestalten, dass sie Sicherheit
heute nicht mehr.                           ist. Nicht selten ist da ein Neubau,       und Orientierung geben. Indem
                                            der auch energietechnisch auf dem          man sie klar strukturiert, in dem
Wie wird stattdessen gebaut?                neuesten Stand ist, besser.                man Farben verwendet, die positiv
Wenn ein Heim neu entsteht, dann                                                       wirken, in dem man Fluchttüren
natürlich barrierefrei und vom              Viele Menschen in Heimen sind bett-        dezent verkleidet, indem man
Grundriss her so gestaltet, dass es         lägerig, viele haben Demenz. Kann die      Übergänge im Boden schafft, die
ins Quartier passt. Dem geht meist          Architektur da einen positiven Beitrag     ein Signal aussenden, wenn ein
ein langer Abstimmungsprozess, mit          leisten?                                   dementer Mensch die Einrichtung
der Kommune, mit den Anwohnern              Ich denke schon. Licht etwa spielt         verlassen will. Hinter dem was
und natürlich mit dem Betreiber,            eine große Rolle. Man weiß heute,          machbar ist, stehen oft natürlich
voraus. Einige Heime haben heute            dass Tageslicht die Stimmung positiv       ethische Fragen. Wie viel Sicher-
auch eine Tagespflege oder eine             beeinflusst, gerade dann, wenn             heit braucht es, wie viel Freiheit
Cafeteria, die auch von externen            Menschen an Demenz leiden. Um              muss sein? Das ist eine Debatte,
Besuchern gerne genutzt wird,               Licht ins Haus zu holen, muss man          der sich die Pflege stellen muss.

                                                                                               WIR • Das Magazin der AWO Bayern   9
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Gut gedacht und
                   gemacht
LEBEN UND WOHNEN

                                                              HalliHallo
                   Viele gute Ideen haben Menschen            Damit Seniorinnen und Senioren            Klein, aber fein: Der Kerwa-Baum 2020
                   während der letzten Monate entwickelt,     auch in Zeiten von sozialem Abstand
                   um die Folgen der Corona-Krise für         andere Menschen unterstützen kön-
                   Alte, Arme und Familien mit Kindern        nen, hat Sonja Block während des
                   abzumildern. Die Bertold Kamm Stif-        Lockdowns ein Projekt zum Austausch
                   tung will dieses Engagement würdi-         gestartet. Die Idee: Senior*innen
                   gen: Mehr als ein Dutzend Zuschriften      sprechen online mit Menschen, die
                   mit Ideen aus allen Teilen des Landes      ihr Deutsch verbessern wollen. Sie
                   gingen ein. Fünf besonders gelungene       bieten den Deutsch-Lernenden in
                   Projekte hat die Jury des Stiftungsvor-    Video-Gesprächen einen geschützten
                   standes daraus nun ausgewählt. Sie         Raum, in dem diese ihre Sprach-
                   werden mit 200 Euro ausgezeichnet. Alle    kenntnisse in Ruhe anwenden können
                   anderen Projekte erhalten als Aner-        und sie dadurch verbessern. Ein tolles
                   kennung 50 Euro. Die Stiftung sagt Danke   Einzelengagement, das gewürdigt ge-       Handpuppe Purzelbaum geht YouTube
                   für so viel Engagement.                    hört. Infos unter www.hallihallo.org

                   Ein Hauch von Kerwa                        Lebensmittel für Alte und Arme
                   Traditionell startet mit der Kerwa im      Gleich zu Beginn der Pandemie hatte
                   Erlanger Ortsteil Büchenbach jedes Jahr    die AWO Nachbarschaftshilfe Otto­
                   die Kirchweih des AWO Sozialzentrums       brunn- Hohenbrunn- Neubiberg
                   in Büchenbach, das neben seinen            eine Lebensmittelaktion ins Leben
                   Bewohner*innen auch die Menschen           gerufen, um bedürftige Menschen
                   im Stadtteil einlädt. Wegen Corona         zu unterstützen. Anfangs gaben die        HalliHallo schafft Begegnungen
                   konnte die Büchenbacher Kerwa 2020         Aktiven weiter, was gespendet wurde,
                   nicht stattfinden. Umso stolzer ist das    bald unterstützten auch Betriebe
                   Sozialzentrum darauf, dass es seinen       aus der Region das Projekt, das sich
                   Bewohner*innen eine zwar etwas             schnell so etablierte, dass die „Aktion
                   kleinere und hausinterne, aber den-        Mensch“ darauf aufmerksam wurde
                   noch gelungene Kerwawoche ermög-           und es finanziell einmalig unter-
                   lichen konnte. Dabei gab es fränkische     stützte. Nun ist es Winter geworden,
                   Schmankerl, Musik und viele Aktionen       die Pandemie hält an und die Nach-
                   und die Wohnbereiche waren ge-             barschaftshilfe würde die Initiative
                   schmückt. Und natürlich durfte auch        gerne fortführen. Auch dafür gibt es
                   ein Kerwabaum nicht fehlen.                200 Euro von der Kamm Stiftung.

                                                                                                        Lebensmittelspenden in der Krise
                   Purzelbaum auf YouTube                     Eisrallye durch Füssen
                   Damit ihre Krippenkinder während           Der Lockdown in der Corona-Krise
                   des Lockdowns ihre geliebte Hand-          stellte insbesondere Familien vor
                   puppe, das Zwerglein Purzelbaum,           große Herausforderungen. Gegen
                   nicht vergessen, hatte sich Krippen-       Frust, Langeweile und Lagerkoller
                   mitarbeiterin Conny Reichert von der       entwickelten die Leiterinnen des
                   AWO Kinderkrippe Zauberwald in Burg-       AWO FamilienForums in Füssen die
                   hausen etwas Besonderes ausgedacht.        1. Füssener AWO-Eisrallye. Über
                   Sie richtete kurzerhand in ihrer Woh-      einen Zeitraum von drei Wochen
                   nung ein kleines Aufnahmestudio            konnten Familien mit Kindern
                   ein - und dann wurde gefilmt. Pur-         an einer Schnitzeljagd durch die
                   zelbaum bekam auf Youtube dann             Stadt teilnehmen. Die Lösungs­
                   sogar einen eigenen Kanal. Dort            buchstaben waren an öffentlichen
                   sind mittlerweile eine ganze Reihe         Plätzen versteckt. Am Ende gab es
                   Videos zu sehen. Die Jury ist der          für alle 77 Teilnehmer*innen ein
                                                                                                        Eisrallye quer druch Füssen
                   Meinung: Das ist tolles Engagement!        leckeres Eis.

                   10   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
WIR DIE AWO                                   In den Einrichtungen der AWO Oberbayern gibt es
                                              zahlreiche Projekte in den verschiedenen Fachberei-

                                                                                                                  NEUES AUS OBERBAYERN
                                              chen. Wir stellen hier zwei laufende Projekte vor.

IN OBERBAYERN                                 PAKTan: Physische Aktivität von Kindern in
                                              Kitas altersgerecht nutzen
Liebe AWO-Freundinnen und –Freunde,           Das Projekt PAKTan will in der Lebenswelt Kita gesund-
                                              heitsgerechtes Verhalten unterstützen sowie gesund-
                                              heitliche und soziale Chancenungleichheiten reduzie-
zu jedem Haus gehört ein Dach. Einen          ren. Laufzeit des Projektes ist von
behaglichen Wohnraum macht jedoch viel        März 2020 bis Ende August 2022
mehr aus. Schließlich sollen sich die Be-

                                                                                                                  ????????
                                              in Zusammenarbeit mit der Fa-
wohner*innen in einem Haus aufgehoben         kultät für Sport- und Gesund-
                                              heitswissenschaften der TU Mün-
fühlen. Leben und Wohnen gehören zu-
                                              chen (TUM).
sammen wie Topf und Deckel. Das zeigen
                                              Drei Kindertageseinrichtungen der
die Berichte in dieser WIR-Ausgabe zum
                                              AWO Oberbayern sind beteiligt,
Schwerpunktthema „Mehr als nur ein Dach       mit insgesamt 267 Kindern im Alter zwischen einem
über dem Kopf“. Richtig Leben kommt ins       und zwölf Jahren. Es richtet sich gezielt an alle Kinder
Haus, wenn man sich beispielsweise zu         und Fachkräfte in den ausgewählten Einrichtungen,
einem gemeinsamen Essen trifft. Einkau-       dem Kinderhort Mogli in Puchheim, dem Kindergarten
fen und Kochen in der eigenen Küche ist       AWOlino in Penzberg sowie dem Kinderhaus
                                              Römerweg in Unterföhring.
für viele von uns selbstverständlich, je-
doch lange nicht für alle. Es fehlt an Geld   Memore-Box: Geistige und körperliche
für frische, gesunde Zutaten. Hier setzen     Fähigkeiten von Senior*innen fördern
sich seit vielen Jahren die Tafeln für das    Das Inge-Gabert-Haus in Miesbach ist eines von zwei
Wohl der bedürftigen Menschen ein und         Seniorenzentren in Bayern, die an einer deutschland-
geben Lebensmittel aus. AWO-Gründerin         weiten Studie zum Thema „Computerbasiertes Trai-
Marie Juchacz organisierte bereits in den     ningsprogramm für Senioren“ teilnehmen. „Wir wollen
                                              dadurch die Beweglichkeit, die Koordination sowie die
1930er-Jahren Mittagstische für Geflüch-
                                              geistigen Fähigkeiten unserer Senior*innen auf moder-
tete im Saarland. Bei vielen AWO-Kreis-       ne Weise verbessern und entwickeln“, erklärt Einrich-
verbänden und -Ortsvereinen gehören           tungsleiterin Rosi Holzapfel. Seit Oktober vergangenen
gemeinsame Essen – mittags, zum Kaffee-       Jahres sind insgesamt fünf Senior*innen an der wissen-
trinken oder zu abendlichen Stammtischen      schaftlichen Studie beteiligt. Diese wurde von der Alice-
                                              Salomon-Hochschule in Berlin in Zusammenarbeit mit
– zum festen Repertoire. Hier kann man
                                              der Barmer-Krankenkasse und der Charité ins Leben
sich austauschen und gegenseitig unter-       gerufen. Mit einem extra für ältere Menschen geschaf-
stützen.Niemand soll durchs Raster fallen,    fenen Computerprogramm, der Memore-Box, trainieren
sondern jede*r, der fragt, die Unterstüt-     die Senior*innen dreimal pro Woche. Das Projekt dauert
zung bekommen, die sie bzw. er braucht.       ein Jahr.
Wie das bei uns in Oberbayern funktionie-
ren kann, zeigen unter anderem das Pro-
jekt Betreutes Wohnen 60+ in Burghausen
sowie „Das offene Haus der AWO“ in Vater-
stetten, wo Leben und Vielfalt im Mittel-
punkt stehen. Viel Freude beim Lesen!

Ihre
Nicole Schley
Präsidentin

                                                                          WIR • Das Magazin der AWO Bayern   11
Not macht erfinderisch
                   Tafeln finden rasche Wege aus der Corona-Krise
LEBEN UND WOHNEN

                   Die Ausbreitung des Corona-Virus wurde auch für die Tafeln in Oberbayern zur Herausforderung und führte zu im-
                   mer mehr Tafel-Schließungen. Viele ehrenamtliche Helfer*innen sowie ein großer Teil der Bedürftigen zählen zu
                   den lebensälteren Menschen und damit zur Risikogruppe einer Covid-19-Erkrankung. Auch die Räumlichkeiten ga-
                   ben es oftmals nicht her, genügend Abstand halten zu können. Dennoch mangelte es bei den Tafeln in Kiefersfel-
                   den und Gilching etwa nicht an Einfallsreichtum, um die Menschen auch während der Pandemie versorgen zu können.

                   Kiefersfelden: Lebensmittel einfach durchs                  Gilching: Lebensmittelgutscheine für die
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                   Fenster gereicht                                            Supermärkte
                   „Leider ist unsere Arbeit mehr denn je gefragt“, sagt       Die Tafel in Gilching konnte in der Corona-Krise kurzfris-
                   Hans Hanusch, 1. Vorstand der Arbeiterwohlfahrt Kie-        tig ihren Betrieb nicht aufrechterhalten. Registrierte Ta-
                   fersfelden-Oberaudorf. Jeden Donnerstagvormittag            felgänger bekamen alternativ kurzerhand Lebensmittel-
                   werden mittlerweile bis zu 120 Personen aus etwa            Gutscheine und konnten diese in den Supermärkten im
                   50 Haushalten rund um Kiefersfelden/Oberaudorf von          Ort einlösen. Auch die Gemeinde Gilching unterstützte
                   der Tafel versorgt. Mit Beginn der Corona-Krise wurde       spontan mit Spenden: „Mit diesem Geld haben wir zu-
                   praktisch über Nacht ein Hygienekonzept erstellt. Die       sätzlich Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker oder
                   Mitarbeiter*innen sortieren die Lebensmittel ab sofort      Nudeln für die Bedürftigen eingekauft“, erklärt Gudrun
                   in Kisten vor und geben sie kontaktlos durch die Fenster    Müller, die seit 2003 Leiterin der Tafel ist. Die Tafel-
                   aus. Alle Helfer*innen arbeiten mit Handschuhen und         Räume in der Nähe des Gilchinger Bahnhofs wurden
                   Mund-Nasenschutz-Bedeckung. So auch die Tafelgän-           rasch hygienekonform ausgestattet und am 6. Mai ging
                   ger, die jetzt im Mindestabstand auf die Essensausgabe      es weiter: Die Tafelkunden müssen nun über die Terras-
                   warten.                                                     se den Warteraum betreten und sich registrieren. Die
                                                                               Ausgabetheke ist mit einer Plexiglasscheibe geschützt,
                                                                               jeweils zwei Abholer dürfen mit Abstand und Mund-
                                                                               Nasenschutz-Bedeckung hinein. „Bei uns werden die
                                                                               Kisten nicht vorsortiert. Jeder soll seine persönliche Be-
                                                                               stellung aufgeben dürfen, denn schließlich sind die Ge-
                                                                               schmäcker verschieden“, sagt Müller, die mit 77 Jahren
                                                                               immer noch unglaublich engagiert ist. „Aber irgend-
                                                                               wann muss jemand anders das Ruder übernehmen“,
                                                                               hofft sie, „spätestens, wenn ich geradewegs auf die 80
                                                                               zusteuere.“

                   Das neue Kühlfahrzeug wurde mit Spendengeldern
                   finanziert.
                   Seit 15 Jahren ist die Tafel aktiv: Aus der Not heraus
                   geboren, startete sie in einer privaten Garage, bis die
                   Gemeinde Kiefersfelden vor 5 Jahren eigene Räume zur
                   Verfügung stellte. Etwa 25 Ehrenamtliche packen jede
                   Woche mit an. „Vor zwei Jahren konnten wir mithilfe
                   großzügiger Spenden ein neues Kühlfahrzeug anschaf-
                   fen“, freut sich Hanusch. So sei auf jeden Fall sicherge-
                   stellt, dass die Lebensmittel frisch und ohne Unterbre-
                   chung der Kühlkette bei den lokalen Discountern             Gudrun Müller erhält vom Gilchinger Bürgermeister
                   abgeholt und an die Tafelkunden ausgegeben werden           Manfred Walter einen Zuschuss für die dringend benö-
                   können.                                                     tigte Küche der Tafel.
                   Wenn auch Sie unterstützen möchten, dann melden Sie         Sie wollen die Tafel in Gilching unterstützen? Dann
                   sich bei Hans Hanusch unter p-h-hanusch@online.de.          schreiben Sie einfach eine E-Mail an awoovgilching@
                                                                               freenet.de.

                   12   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Bezahlbarer Wohnraum rund
um München

                                                                                                                               LEBEN UND WOHNEN
AWOhnbau-Genossenschaft engagiert sich seit sieben Jahren

Die Gründung der AWOhnbau-Genossenschaft des Kreis-         plant, eines in Kirchheim und ein weiteres in Neubi-
verbandes München-Land jährt sich zum Redaktions-           berg.
schluss dieser WIR-Ausgabe, Mitte Oktober, zum siebten
                                                            Die Finanzierung der Projekte ist eine der Herausforde-
Mal.
                                                            rungen für die noch junge Genossenschaft. Immerhin
Beteiligt an der Gründung 2013 waren insgesamt 14           werden für jedes Projekt, wenn es den Zuschlag be-
Personen, darunter zwei Bürgermeister, drei Vorstands-      kommt, mindestens 20 Prozent Eigenkapital benötigt,
mitglieder des Kreisverbandes München-Land sowie            das die Mitglieder einlegen müssen. Da können bei den
mehrere Vertreter*innen verschiedener Ortsvereine und       Münchner Preisen durchaus respektable Summen ent-
einige Personen, die später Mieter bzw. Anleger wurden.     stehen.
Vorstand und Aufsichtsrat setzten sich damals wie heute
aus den gleichen Personen zusammen. Dr. Stefan Straß-       So kann man Mitglied werden
mair, Max Wagmann und Mindy Konwitschny bilden den          Mitglied der Baugenossenschaft können Privatpersonen,
Vorstand, Edwin Klostermeier, Jens Jourdan und Ingrid       Verbände und Stiftungen sowie Gemeinden werden. Ein
Lenz-Aktas den Aufsichtsrat.                                Geschäftsanteil liegt bei 250 Euro. Dieser niedrige Wert
Die Idee, eine Wohnbaugenossenschaft ins Leben zu ru-       wurde festgelegt, damit viele Privatanleger die Möglich-
fen, entstand bereits im November 2011 auf einer Zu-        keit haben, Anteile zu zeichnen. Für die schnelle Finan-
kunftskonferenz: Mitarbeiter*innen von AWO-Einrich-         zierung der Projekte sind jedoch auch Mitglieder mit
tungen im Großraum München sollte langfristig               vielen Anteilen wichtig, wie beispielsweise der AWO-Be-
bezahlbarer Wohnraum angeboten werden können.               zirksverband Oberbayern.
Diese Idee hat sich als sehr zukunftsorientiert erwiesen.   Eine weitere Herausforderung für neue Bauprojekte sind
Denn: Die Preise für Wohnungen rund um München sind         die politischen Gegebenheiten vor Ort. Wechselt bei-
in den letzten Jahren überproportional gestiegen und        spielsweise mitten im Projekt der bzw. die Bürgermeis-
ein Ende der Preissteigerung ist nicht in Sicht.            ter*in, kann es zu Verzögerungen oder Veränderungen
                                                            der Kosten kommen. Mit drei Wohnformen möchte die
Das erste Bauprojekt entstand in Neubiberg
                                                            Genossenschaft den beteiligten Gemeinden entgegen-
Das erste Bauprojekt der Genossenschaft konnte im Mai       kommen. Neben dem konventionellen Mietwohnungs-
2019 abgeschlossen werden: 22 Wohnungen wurden in           bau bietet sie auch Projekte zum Mehrgenerationen-
der Pappelstraße in Neubiberg fertiggestellt und bezo-      und zum Senioren-Wohnen an.
gen. Das Haus wurde auf einem Grundstück mit Erbbau-
                                                            Die Liste der Wohnungssuchenden der AWOhnbau ist
recht (Laufzeit 99 Jahre) gebaut, eine kostengünstige Al-
                                                            lang. Ziel der Genossenschaft ist es, einen Kontrapunkt
ternative zum Grundstückserwerb. „Wenn wir mehr
                                                            zu kurzfristigen Spekulationen auf dem Immobilien-
Eigenkapital haben, wollen wir auch Grundstücke kau-
                                                            markt zu setzen und stattdessen langfristig Wohnbedar-
fen“, sagt Max Wagmann, Vorstand der AWOhnbau. Bis
                                                            fe zu erfüllen.
es soweit ist, sind weitere Projekte im Erbbaurecht ge-

                                                                                       WIR • Das Magazin der AWO Bayern   13
LEBEN UND WOHNEN

                   Lichtblick für die Zukunft
                   Betreutes Wohnen 60+ in der Sozialtherapeutischen Einrichtung Burghausen

                   Im Alter in der eigenen Wohnung leben trotz psychi-         war so groß, dass wir kurzerhand einen Erweiterungs-
                   scher Erkrankung. Geht das überhaupt? Zu diesem             antrag beim Bezirk Oberbayern stellten. Inzwischen
                   Thema haben wir uns in der STE Burghausen näher             verfügen wir in Burghausen über 24 BEW-Plätze. Mitt-
                   informiert.                                                 lerweile gehört das Projekt BEW 60+ zu den regulären
                                                                               sozialpsychiatrischen Versorgungsbausteinen und wird
                   Die Sozialtherapeutische Einrichtung (STE) Burghausen
                   bietet ambulante Betreuungsangebote für ältere Men-         auch an weiteren AWO-Standorten umgesetzt.
                   schen mit psychischen bzw. seelischen Erkrankungen          Welche Angebote bieten Sie im Rahmen der Tagesstät-
                   an, sowohl in der Tagesstätte als auch im Betreuen          te an?
                   Wohnen. Ziel ist es, dem Alltag der Betroffenen wieder
                                                                               Im Rahmen des Modellprojekts haben wir zunächst
                   eine klare Struktur zu geben, sodass sie sich selbständig
                                                                               die ‚Tagesstätte Burghausen‘ für Menschen aller
                   zurechtfinden und vor allem ein selbstbestimmtes
                                                                               Altersklassen eröffnet. Hier gibt es Gruppenangebote
                   Leben führen können.
                                                                               zur Tagesstrukturierung und Freizeitgestaltung unserer
                   „Psychisch erkrankte Menschen jenseits der 60 werden        Klient*innen. Die Tagesstätte ist auch offen für externe
                   von ihren Angehörigen leider oft in einem Pflegeheim        Besucher*innen, die kein weiteres Betreuungsangebot
                   untergebracht, sobald sie zuhause nicht mehr alleine        nutzen, aber mithilfe des Gruppenprogramms eine
                   zurechtkommen“, bedauert Sabine Ast-Wanders, Ein-           stabile Alltagsstruktur beibehalten möchten. Inzwischen
                   richtungsleiterin der STE in Burghausen, Freilassing und    haben wir unsere Angebote in der Tagesstätte auch für
                   Laufen. „Eigentlich sind sie dort nicht richtig aufgeho-    jüngere Besucher*innen im Landkreis geöffnet und
                   ben, denn sie haben einen überdurchschnittlich hohen        entsprechend erweitert.
                   Hilfebedarf, der von den Pflegekräften im Seniorenzent-
                   rum nicht in der nötigen Form begleitet werden kann.        Wie lässt sich der Erfolg Ihrer Arbeit definieren?
                   Um den Anforderungen psychisch erkrankter Senior*in-        Jeder Mensch, der zu uns kommt, wird von unseren
                   nen gerecht zu werden, sind ausgebildete pädagogische       Mitarbeitern*innen beraten und sowohl im Alltag als
                   Fachkräfte erforderlich. Über die Angebote in Burghau-      auch in Krisensituationen unterstützt und begleitet.
                   sen haben wir mit Sabine Ast-Wanders gesprochen.            Ich würde sogar sagen, dass mit jedem Tag und jedem
                   Das Ambulant Betreute Wohnen 60+ ist ein Pilotpro-          Monat, den ein älterer, psychisch erkrankter Mensch
                   jekt und war lange Zeit einzigartig in Bayern. Wie kam      selbstbestimmt und mithilfe unserer ambulanten Unter-
                   es zur Gründung?                                            stützungsangebote in der eigenen Wohnung verbringt,
                                                                               ein riesengroßer Erfolg ist. Nicht „sorgen für“, sondern
                   Die STE Burghausen startete vor acht Jahren das Pilot-
                                                                               „dafür sorgen, dass“ lautet unsere Devise.
                   projekt Betreutes Wohnen 60+ für psychisch erkrankte
                   Menschen über 60. Die Nachfrage war riesengroß, die         Das Ambulant Betreute Wohnen 60+ wird auch an wei-
                   damals zur Verfügung stehenden BEW-Plätze (Betreutes        teren Standorten angeboten, nämlich in Dießen, Frei-
                   Einzelwohnen) in den Trägerwohnungen der AWO reich-         lassing, Laufen und Moosburg. In Waldkraiburg gibt es
                   ten nicht aus. Auch die Nachfrage nach Betreuung            zusätzlich gemeinschaftliche Wohnprojekte für Men-
                   durch Sozialpädagog*innen in der eigenen Wohnung            schen mit Pflegebedarf und psychischen Erkrankungen.

                   14   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ein Haus voller Leben
Das Offene Haus in Vaterstetten ist ein Ort für alle Generationen

                                                                                                                                 LEBEN UND WOHNEN
                                                            „Corona hat uns neue Wege gezeigt“
                                                            Ruhig wurde es auch im OHA! im Frühjahr 2020 zu Be-
                                                            ginn der Corona-Pandemie. Das Haus musste eine Zeit-
                                                            lang schließen. Einige Angebote wurden ins Internet
                                                            verlegt. Die Lese-Ecke zog mit Vorlese-Podcasts auf die
                                                            OHA!-Website um. Außerdem gibt es nun Online-Fit-
                                                            nessvideos, Tipps für die geistige Fitness (Suchbilder,
                                                            Sudoku, Kreuzworträtsel) und Rezepte aus dem hausei-
                                                            genen Café. „Corona hat uns neue Wege gezeigt“, sagt
                                                            Edith Fuchs. So wurden während der Schließung Le-
                                                            bensmitteln und gekochte Speisen ausgeliefert. Der Mit-
                                                            tagstisch für Senior*innen kam in Töpfen vor die jewei-
                                                            lige Haustür. Geplaudert wurde am Telefon.
                                                            Nichtsdestotrotz waren viele glücklich, als das Haus
Mittagstisch für Senior*innen mit Abstand
                                                            wieder öffnete. „Manche haben geweint und gesagt:
Im Offenen Haus der AWO (OHA!) in Vaterstetten ist im-      Zum Glück dürfen wir wieder rein“, berichtet Fuchs. Seit
mer etwas los. Die Liste der Angebote und Aktionen ist      Juni konnten viele Erfahrungen im Umgang mit der
lang. Sie verändert sich immer wieder und passt sich an     Pandemie gesammelt werden. Das Haus ist offen, sie-
die Bedürfnisse der Menschen an. Seit gut sieben Jah-       ben Tage die Woche, von morgens bis abends. Die ver-
ren ist der Kreisverband Ebersberg Träger des OHA!. Seit-   schiedenen Zugänge machen es möglich, dass sich
dem leitet Edith Fuchs das Haus. Die Pädagogin und ihr      Gruppen untereinander nicht treffen. Die Gruppen
Team haben das ehemalige Jugendzentrum zu dem ge-           selbst sind kleiner als vor Corona. Der Mittagstisch für
macht, was es heute ist: eine offene Einrichtung für alle   Senior*innen wird beispielsweise inzwischen für zwei
Generationen und Bevölkerungsschichten. „Barriere-          getrennte Gruppen angeboten. Mit Hygienekonzept und
freiheit bezieht sich bei uns nicht nur auf die Räumlich-   Abstandsregeln ist wieder Vielfalt und buntes Leben
keiten, sondern auch auf den Geldbeutel“, sagt Fuchs.       möglich (Stand: Mitte Oktober 2020).
Viele der Angebote sind kostenfrei und selbstorganisiert.
                                                            Das Konzept: Die AWO-Werte
Besonders lang ist die Liste der Angebote für Kinder und
Jugendliche. Sie können zum Beispiel zum offenen Kin-       Was ihr Konzept sei, werde sie häufig gefragt, berichtet
der- und Jugendtreff kommen oder an Töpferkursen            Edith Fuchs. Ihre Antwort: Lesen Sie die Grundwerte der
teilnehmen. Es gibt ein Schulzimmer, einen Proberaum        AWO: Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Ge-
für Bands, eine Computer-Empore, ein offenes Clubzim-       rechtigkeit. Diese Werte werden im OHA! gelebt. Fuchs:
mer und eine Elektrowerkstatt.                              „Es ist ein großes Miteinander hier bei uns. Jeder, der
                                                            etwas bekommt, gibt auch etwas zurück.“
Wer im OHA! nach Unterstützung fragt, bekommt sie
auch. „Ich sehe uns als eine Art Clearingstelle“, sagt
Edith Fuchs. „Wir hören zu, wir begleiten die Menschen
dorthin, wo es Fachkräfte gibt, die individuell helfen.“
Dafür pflegt das OHA! Kontakte zu Beratungsstellen und
anderen Institutionen in der Gemeinde. Egal, ob es den
Menschen gut oder schlecht geht, die Türen stehen im-
mer offen. Mit der Zeit werden viele, die zunächst um
Unterstützung gebeten haben, zu Fachmännern/-frauen
in ihrem Bereich und etablieren ihre Themen in ent-
sprechenden Angeboten weiter.

                                                            Die Türen des OHA! sind offen

                                                                                         WIR • Das Magazin der AWO Bayern   15
Immer auf Trab: Gaby Griesbeck feiert 25-jähriges Jubiläum

              Trostberg. Nicht im Trab, vielmehr im Galopp lenke sie
              die Geschicke des Ortsvereins seit nunmehr 25 Jahren,
              schmunzeln ihre Vereinskolleg*innen stolz. Griesbeck
              kümmert sich seit 1995 als Vorsitzende unermüdlich um
              die vielen Belange des Ortsvereins. Sie unterstützte u.a.
              die Gründung eines Kindergartens und eines Sozial-
AWO VOR ORT

              kaufhauses sowie die Schaffung einer Ganztagsbetreu-
              ung für Schulkinder. Die beliebten Reisen des Ortsver-
              eins mussten zwar in der Corona-Zeit reduziert werden,
              aber auch hier ließ sich Griesbeck nicht unterkriegen.
              Trotz Hygieneauflagen und Abstand wurde die Erho-
              lungswoche im September in Radfeld ein voller Erfolg.
              Weiter so! Wir wünschen alles Gute für die Zukunft!                 Gaby Griesbeck,
                                                                                  Vorsitzende der AWO Trostberg

              Hilfe zur Selbsthilfe: Vor fünf Jahren gründete Ulrike Adler die Reparier-Bar

              Garmisch-Partenkirchen. Kaum ist die Garantie abge-
              laufen, gehen viele Geräte kaputt. Das war vor fünf
              Jahren nicht der einzige Grund für Ulrike Adler (im Bild
              Mitte), die Reparier-Bar ins Leben zu rufen. Vielmehr
              wollte sie auch neben dem Umweltgedanken die Gene-
              rationen miteinander in Verbindung bringen und Zeit
              für die Menschen haben, die in die Reparier-Bar kom-
              men. „Manche möchten auch nur ein Strickmuster
              haben“, berichtet Adler, „und bleiben dann gerne zum
              Plaudern bei einem Stück selbstgebackenen Kuchen.“
              Etwa 20 Ehrenamtliche kümmern sich um die Organisa-
              tion. Für die Veranstaltung im September war ein Hygi-
              enekonzept erforderlich: Mit Voranmeldung und ver-
                                                                          Das Team der Reparier-Bar in Garmisch-Partenkirchen
              schiedenen Zeitfenstern hat auch das funktioniert. Wir
              gratulieren Ulrike Adler herzlich zum Jubiläum.

                                                                          Anton Richter bleibt Vorsitzender
                                                                          Ebersberg. Bei der Kreiskonferenz des Kreisverbands
                                                                          Ebersberg am 16. Oktober wurden im Amt bestätigt:
                                                                          Anton Richter als Vorsitzender, Georg Hohmann und
                                                                          Peter Dingler als Stellvertreter, Simone Rohrer und
                                                                          Jürgen Schäpe als Beisitzer*innen sowie Gerald Fuchs,
                                                                          Roland Podehl und Armin Richter als Revisoren. Neu
                                                                          gewählt wurde Manuela Lüning als Beisitzerin.
                                                                          Anton Richter ist seit nunmehr über 30 Jahren Vorsit-
                                                                          zender des Kreisverbands in Ebersberg. Der Kreisver-
                                                                          band ist unter anderem Träger des Offenen Hauses der
                                                                          AWO, über das in dieser WIR-Ausgabe auf Seite 15 be-
                                                                          richtet wird. Außerdem hat der Verband die Trägerschaft
                                                                          mehrerer Kitas und Betreuungsangebote an Schulen
                                                                          übernommen. Auch Café Familia in Markt Schwaben
                                                                          betreibt der Kreisverband.

              16   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ehrung für Thea Zimmer

Dachau. Für ihr politisches und soziales Engagement
wurde Mitte Oktober Thea Zimmer von Bezirkstagspräsi-
dent Josef Mederer mit der Bezirksmedaille geehrt
(siehe Foto). In seiner Laudatio würdigte Mederer be-
sonders Thea Zimmers Leistungen „beim Aufbau und
der Leitung der Sozialstation der AWO Dachau oder der

                                                                                                                               AWO VOR ORT
Gründung und Leitung der Trägergemeinschaft Famili-
enhilfe Dachau“. Für ihr Engagement wurde Zimmer
bereits mehrfach ausgezeichnet. Sie erhielt die Bürger-
ehrung der Großen Kreisstadt Dachau, die Ehrenmedail-
le der Arbeiterwohlfahrt sowie das Bundesverdienst-
kreuz am Bande. Mederer: „Der Bezirk Oberbayern
möchte das große ehrenamtliche Engagement von               Josef Mederer übergibt Thea Zimmer die Bezirksmedaille
Thea Zimmer würdigen und anderen Mut machen,
diesem Vorbild zu folgen!“

                                                            Neue Vorsitzende Margit Däubler
                                                            Landsberg. Bei der Kreiskonferenz in Landsberg Ende
                                                            September übergab Helmut Schiller den Stab an Margit
                                                            Däubler (im Bild), langjährige Vorsitzende im AWO Orts-
                                                            verein Landsberg. Helmut Schiller bleibt Stellvertreter
                                                            für das Amt. Er möchte künftig etwas kürzertreten.
                                                            Durch die Wahlen führte Cornelia Emili, Vorstandsvorsit-
                                                            zende des Bezirksverbands Oberbayern. Margit Däubler
                                                            bewarb sich als einzige Kandidatin um den Kreisvor-
                                                            stand und wurde einstimmig gewählt. Ihre Stellvertreter
                                                            sind Helmut Schiller und Bianca Jetzlesperger. Die Kasse
                                                            führt künftig Betina Ahmadyar, Beisitzer bleiben Volker
                                                            Päplow und Tanja Hipp. Als Revisoren stehen weiterhin
                                                            die Dießener Hanni Baur und Ottmar Cibis zur Verfügung.
                                                            Neuer Vorsitzender des Ortsvereins ist nun Claus Wilk.

Digital mobil im Alter: Sprechstunde für Senior*innen

Landsberg. Um älteren Menschen die digitale Teilhabe
an der Gesellschaft zu ermöglichen, organisierte das
Mehrgenerationenhaus im August eine digitale Sprech-
stunde im Kratzertreff (Ehrenamtliches Team im Bild v.l.
Ernst Schatz, Sabine Zinser und Fritz Scherer). Die Seni-
or*innen hatten die Gelegenheit, Tablet und Co. auszu-
probieren und damit die Möglichkeiten des Internets
auf den mobilen Geräten zu erkunden. Die Sprechstun-
de war Teil des Angebots „Digital mobil“, das sich be-
reits seit 2015 dafür einsetzt, ältere Menschen zum si-
cheren Umgang mit dem Internet und digitalen
Diensten zu befähigen. Gerade in Zeiten von Kontaktbe-
schränkungen bietet digitale Mobilität die Chance, den
Kontakt mit Freund*innen und Angehörigen zu halten.

                                                                                       WIR • Das Magazin der AWO Bayern   17
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