Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg

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Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
Sommer 2021
                                                                                                        Verlagspostamt 5020 Salzburg· P.b.b. | 02Z031835M

NR.   2 lebensfreude

Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten
In dieser Zeit der Pandemie gab es auch im Mitarbeiter*innenteam der Hospiz-Bewegung Salzburg einen hohen
Bedarf an Gespräch und Austausch über aktuelle Entwicklungen und die Verbindung unserer Hospizangebote
und hospizlicher Haltung zum Zeitgeschehen.

                    Charakteristisch dafür war die Einbindung der verschie-         1.Worin zeichnet sich die hospizliche Haltung aus?
                    denen Funktionen und Arbeitsbereiche im Hospizteam der          Wie kann sie für den Umgang mit der jetzigen Kri-
                    Landesleitung. Zu den folgenden Fragen führten das Ge-          senzeit und in Zukunft hilfreich sein?
                    spräch: Christof S. Eisl (Geschäftsführer), Astrid Leßmann      Christof: Eine hospizliche Haltung nimmt immer den
                    (Leitung regionale Arbeit), Silvia Schilchegger (Kontaktstel-   ganzen Menschen in seinem sozialen Umfeld in den Blick.
                    le Trauer), Eva Brunner und Mai Ulrich (beide Hospiz- und       Neben aller wichtigen und notwendigen Bemühungen um
                    Palliativakademie Salzburg).                                    körperliche Heilung oder Verhinderung eines zeitnahen
                                                                                    Todes geht es ebenbürtig um Lebendigkeit und Lebensqua-

                    HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
editorial
                                                                      senbedingtes Leid mit unseren Möglichkeiten zu
                                                                      lindern.

                                                                      Durch die Umstände der Pandemie haben wir
                                                                      als Individuen, aber auch als Gesellschaft erlebt,
                                                                      dass die Bedrohung unseres gewohnten Lebens,
                                                                      ja des Lebens selbst spürbar gemacht hat, was
                                                                      letztendliche Gewissheit ist: unsere Vergänglich-
                                                                      keit. Plötzlich haben „Hospizthemen“ – wie gehe
                                                                      ich mit meiner Endlichkeit um, wem vertraue
                                                                      ich mich an, was geht mir verloren, was brauche
                                                                      ich, um die Situation auszuhalten – Bedeutung.
                                                                      Vielleicht kann dieses Bewusstsein helfen, uns in
                Liebe Freund*innen und Förder*innen der               der Trauer über die Verluste verbunden zu wis-
                Hospiz-Bewegung Salzburg!                             sen, anstatt im Konflikt um Richtig und Falsch
                                                                      die gesellschaftliche Kluft unterschiedlicher Mei-
                Die derzeitige Fokussierung der öffentlichen Wahr-    nungen zu vergrößern.
                nehmung auf die Lebensrettung um jeden Preis
                erinnert an Erzählungen aus den Gründungs-            Zeitgleich mit den intensiven Maßnahmen zum
                zeiten der Hospizbewegung. Damals wurde bei           Lebensschutz und den erschwerten Bedingungen
                allen Fortschritten der Medizin oft hintangestellt,   für Begleitung am Lebensende befassen wir uns
                dass Menschen sterblich und einer besonderen          intensiv mit dem Verfassungsgerichtshofurteil
                Begleitung in der letzten Lebenszeit wert sind.       zum assistierten Suizid, in dem es um selbstbe-
                                                                      stimmte Lebensbeendigung geht. Angesichts der
                War im ersten Lockdown die Hospiz- und                Herausforderungen im Bereich bekommt die
                Palliativbegleitung großteils nicht erlaubt,          Regelfinanzierung der Hospiz- und Palliativver-
                wurde sie nach einigen Monaten der Pandemie           sorgung, auf die sich Bund, Länder und Sozial-
                erfreulicherweise wieder möglich. Dennoch             versicherungsträger einigen müssen, noch mehr
                litten viele Betroffene unter Einsamkeit und          Bedeutung. Immer noch können die Angebote
                mussten oftmals alleine sterben. Die zurück-          überwiegend nur durch einen sehr hohen Spen-
                bleibenden An- und Zugehörigen hatten zusätz-         denanteil aufrechterhalten und weiterentwickelt
                lich zum Verlust selbst das fehlende Abschied-        werden. Mit der Bereitschaft, einander in schwe-
                nehmen und die Bedingungen des Sterbens               ren Zeiten mit offenem Herzen zu begleiten, lei-
                ihrer Lieben zu betrauern. In Hospizarbeit und        sten wir alle Hospizarbeit. Dafür und für Ihre
                Trauerbegleitung sind wir immer wieder neu            wertvolle Unterstützung unserer Anliegen und
                gefordert, eine individualisierte Begleitung nach     unserer Arbeit danken Ihnen von Herzen
                den Bedürfnissen der betroffenen Menschen
                anzubieten, uns rasch auf wechselnde Rahmen-          Karl Schwaiger, Obmann
                bedingungen einzulassen, um zusätzliches, kri-        Christof S. Eisl, Geschäftsführer

2   Juni 2021                                                         HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
hospizliche haltung                                                                                                   inhalt
                                                                                                                      hospizliche
                                                                                                                      haltung
                                                                                                                      1   Hospizliche Haltung als
                                                                                                                          Begegnungsressource in
                                                                                                                          Krisenzeiten

                                                                                                                      10     Assistierter Suizid –
                                                                                                                             Stellungnahme

                                                                                                                      kontaktstelle
                                                                                                                      trauer

lität für die Menschen im letzten Lebensabschnitt. Im     sein. Aus meiner Sicht ist dies mindestens so wichtig
                                                                                                                      14

                                                                                                                             Wie geht es uns?
                                                                                                                             Erfahrungen eines
                                                                                                                             trauernden Vaters
Hospiz-Bereich gilt der Satz von Cicely Saunders: „Es     wie die rein fachliche Kompetenz.
geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben,
sondern den Tagen mehr Leben.“                            Mai: Das größte Aha-Erlebnis von Teilnehmer*innen
                                                          unserer Bildungsveranstaltungen ist ein neuer Blick-
                                                                                                                      papageno
Astrid: Die hospizliche Haltung zeichnet sich hier
meiner Meinung nach besonders dadurch aus, dass
                                                          winkel auf das Helfen und Unterstützen: Die Haltung
                                                          des Begleitens lässt sich auf das Sosein der oder des Be-   20  1. Österreichischer
                                                                                                                        		 Kinderhospiz- und
                                                                                                                      		Palliativtag
sie sich am Lebendigen orientiert. Sie wendet sich in     troffenen und der schicksalhaften Situation ein, ohne
der zwischenmenschlichen Begegnung an das, was            etwas am Menschen oder seiner Situation ändern oder
hoffnungsvoll und zuversichtlich stimmt und dadurch
haltgebend wirkt. Somit wird „der Mensch“ in der Be-
                                                          gar eine Lösung anbieten zu müssen. Begleitung in
                                                          diesem Sinn ist also vor allem eine Würdigung dessen,       hospiz & palliativ
gegnung gewürdigt und anerkannt, mit all dem, was
das Leben ihn gerade fragt oder ihm als Aufgabe stellt.
                                                          was ein Mensch gerade durchlebt und wie er mit seiner
                                                          eigenen Situation umgeht. Diese Haltung lässt Unter-
                                                                                                                      akademie
                                                                                                                      23
                                                          schiedliches neben einander gelten und das wäre auch                So einfach. So anders.
Silvia: Neben der Ganzheitlichkeit ist die Interpro-      für die jetzige Situation erstrebenswert und erfreulich.            Zoom-Erfahrung im
fessionalität eines der Grundprinzipien in der Hos-                                                                           Bildungsbereich.
pizarbeit. Unterschiedliche Berufsgruppen nehmen          Eva: In dieser Zeit der mitunter radikalen Heraus-
schwer kranke, sterbende und trauernde Menschen           forderungen ist der Begriff „Sicherheit“ in den Mit-
auf allen vier genannten Dimensionen wahr, bündeln        telpunkt gerückt. Mit unserer Grundmotivation, der
ihre Kompetenzen und arbeiten auf Augenhöhe im            Energie der menschlichen Begegnungsqualität, versu-
Sinne von Betroffenen zusammen. Das Verbindende           chen wir im Hospiz-Bereich einander zu erkennen.
dabei sollte eben die hospizliche Grundhaltung, die       Sicherheit könnte auch bedeuten, dass wir trotz Ein-
von Empathie, Wertschätzung, etc. getragen wird,          schränkungen innerlich frei bleiben– unabhängig von

HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg                                                                                              Juni 2021               3
Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
hospizliche haltung
                                      Stressoren. Wir freuen uns auf das Respektieren und      wurde, haben sie die anderen einschränkenden und
                                      respektiert werden – wir bleiben einander herzlich       belastenden Maßnahmen nicht als so wesentlich emp-
                                      Willkommen.                                              funden. Zum feinen Umgang miteinander gehört es,
                                                                                               unterschiedliche Erfahrungen einfach stehen zu las-
                                      Astrid: Wir selbst hatten in der Zeit nicht mit Covid-   sen, nicht in eine Diskussion einzusteigen, die schnell
                                      Patient*innen zu tun, sondern mit Menschen, die an       in die Wertung von richtig und falsch geht. Die Kultur
                                      einer Erkrankung und dem Schicksal und durchaus          des Füreinander-da-Seins bedeutet: etwas ausdrücken
                                      an den Covid-bedingten Auswirkungen und Maßnah-          zu können, den Schmerz zu äußern, ohne dass dem
                                      men gelitten haben. Unser Beitrag war also nicht auf     etwas entgegengesetzt wird. Es gilt, das zu würdigen,
                                      Distanz zu gehen, sondern stattdessen Gastfreund-        was jemand gerade empfindet, sei es die Einsamkeit,
                                      schaft aufrecht zu erhalten und die Begegnung in den     die Angst, sich von jemandem nicht verabschieden zu
                                      Mittelpunkt zu stellen. Hospizlicher Zugang hieß in      können, die Wut, die Niedergeschlagenheit ... Dieses
                                      diesem Zusammenhang auch: Was ist trotz aller Ein-       Zulassen wirkt entlastend: mich hält jemand aus mit
                                      schränkungen möglich, anstatt zu betonen, was nicht      dem, was für mich gerade schwierig ist. Im Austausch
                                      mehr möglich ist.                                        untereinander entsteht so vieles: jemand berichtet,
                                                                                               wird gehört, vielleicht sogar verstanden. Das bewegt
                                                                                               oft ganz tief.
       „In dieser Zeit der mitunter
 radikalen Herausforderungen ist
                                                                                               Silvia: Wesentlich scheint mir dabei das Verständnis
   der Begriff „Sicherheit“ in den
                                                                                               für die Individualität der Trauer: Menschen haben ihr
 Mittelpunkt gerückt. Mit unserer
                                                                                               eigenes Tempo und ganz individuelle Bedürfnisse,
Grundmotivation, der Energie der
  menschlichen Begegnungsqua-
                                                                                               mit ihrer Trauer umzugehen. Die Krisenzeit hat ge-
   lität, versuchen wir im Hospiz-                                                             zeigt, dass die derzeitige Situation sehr unterschied-
  Bereich einander zu erkennen.“                                                               lich auf trauernde Menschen wirkt. Einerseits kann
                                                                                               die derzeitige Situation entlastend sein, weil auch ein
      Eva Brunner, pädagogische                                                                gewisser Druck wegfällt: Man kann sich derzeit aus
      Leiterin Hospiz und Palliativ                                                            dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen ohne in
               Akademie Salzburg                                                               Erklärungsnot zu geraten – andererseits aber auch ein-
                                                                                               schränkend, weil zum Beispiel Rituale fehlen.

                                      2. Viele Menschen sind in der Krisenzeit mit             Astrid: Gerade, wenn Rituale fehlen, brauchen Trau-
                                      Verlusten konfrontiert, aber auch die Gesell-            ernde Räume, wo sie miteinander sein können und
                                      schaft als Ganze befindet sich in einer massiven         Mitmenschen zum Austausch. Wir müssen Trauer als
                                      Verlusterfahrung und einem Trauerprozess.                etwas begreifen, das zum Leben dazugehört und uns
                                      Welches Wissen ist für einen Umgang mit Trau-            Verluste erst aushalten und verarbeiten lässt. Trauern
                                      ersituationen hilfreich?                                 ist die Fähigkeit, wenn uns ein Verlust aus der Inte-
                                      Mai: „Nirgends sonst fühle ich mich so verstanden,       grität, aus dem Gefühl ganz zu sein herausschleudert,
                                      wie hier,“ war die Aussage eines Trauergruppen-Teil-     mit dem Verlorenen und dem Leben wieder neu in Be-
                                      nehmers. Wenn Trauernden die Möglichkeit des Aus-        ziehung zu treten. Daraus kann vielleicht ein neues,
                                      tausches in ihrer schwierigen Lebenssituation geboten    anderes Ganzsein entstehen.

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Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
hospizliche haltung
Eva: Diese Annahme eines gemeinschaftlichen               vermittelnde Illusion zum Einsturz. Ein Mensch stirbt
Trauerprozesses alleine erweitert unser Wissen im         oder geht und wir können nichts dagegen tun …
Umgang mit Trauer. Das Anerkennen einer zeitwei-          Trauernde Menschen stehen in einer Unsicherheit,
se kollektiven Schwere ist einer der ersten Schritte      innerlich: Werde ich es schaffen? Wird das je wieder
in diesem Prozess, den wir, wie alles Trauererleben,      „gut? – und äußerlich: Das Leben hat sich grundle-
nicht zeitlich eingrenzen können oder sollen. Wir         gend verändert und ich brauche hohe Fähigkeiten der
brauchen Geduld und Mut, uns darauf einzulassen           Anpassung an die neue Lebenswelt, in der ich nun
und die äußeren Vorgaben mit dem selbst Erlebten, Er-     stehe. Kontrollverlust bringt Suche nach Halt hervor.
spürten und Erfahrenen zu verbinden. Wir alle haben       Diesen Halt im verständnisvollen Dasein und Zulassen
ungewohnt zeitnahe Veränderungen, die sich ganz           können Trauernde in ihrem Umfeld oft nicht ausrei-
unterschiedlich zeigen und anfühlen. Das Vermeiden        chend erleben. So kann Halt auch in verstärkter Wer-
der Bewertung der individuellen Trauersituationen         tung von Richtig und Falsch, von „das gehört sich so“
schützt uns weiterhin vor Distanz. Es ist was es ist,     und „das nicht“ gefunden werden, in Widerstand oder
was es für mich oder mein Gegenüber auch bedeutet.        Anpassung. Der Prozess der Integration des Verlustes
                                                          ins „neue“ Leben dauert seine Zeit. Dies gilt auch für
Christof: Zuallererst ist wieder die Haltung der Acht-    die derzeitige gesellschaftliche Verlusterfahrung. Sie
samkeit im Umgang mit jedem einzelnen Gegenüber           braucht ihre Zeit und wir können nicht so einfach zur            Wir müssen Trauer als
wichtig. Wie beim Umgang mit Trauer hat jede und          Tagesordnung übergehen. Nach einem Verlust sind                  etwas begreifen, das
jeder hat einen unterschiedlichen Zugang zur Situati-     wir andere Menschen.                                     zum Leben dazugehört und
on. Für die einen ist die Angst um die eigene Gesund-                                                              uns Verluste erst aushalten
heit vorherrschend, andere sind in ihrer finanziellen     Christof: Diese Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Le-   und verarbeiten lässt. Trauern
Existenz bedroht, manche reagieren mit Wut auf den        benssituationen und Umgangsweisen mit Verlust und        ist die Fähigkeit, wenn uns ein
Verlust von grundrechtlichen und demokratischen           Trauer macht es auch so schwierig als Gesellschaft       Verlust aus der Integrität, aus
Freiheiten, wiederum andere schätzen die Reduktion        adäquat damit umzugehen und birgt die Gefahr des         dem Gefühl ganz zu sein he-
von Verpflichtungen und können der Zeit für ihr eige-     Auseinanderdriftens oder der Polarisierung. Achtsam-     rausschleudert, mit dem Verlo-
nes Leben viel Positives abgewinnen. Hinter mancher       keit ist daher schon im Zuhören und in der Sprache ge-   renen und dem Leben wieder
Trauer steht auch die Angst vor der Konfrontation mit     fordert, es gilt Verständnis füreinander aufzubringen    neu in Beziehung zu treten. Da-
ungelebtem Leben, dem eigenen oder dem vom nahen          und neu darauf zu achten, wie Zusammenhalt und           raus kann vielleicht ein neues,
Menschen. In dieser Krise fokussierte sich vieles zu-     Gemeinschaftlichkeit in dieser Zeit wieder gefunden      anderes Ganzsein entstehen.“
nächst auf die Angst vor der Erkrankung und deren         und gelebt werden können.
Folgen, andere „Lebens-Ängste“ gerieten gesellschaft-
lich eher ins Abseits. Aber auch diese Ängste sollen      3. Was erlebst Du in Deinem beruflichen Alltag
wahr- und ernstgenommen werden und bedürfen in            als besonders bedeutsam im Umgang mit Men-
vielen Fällen angemessener Unterstützung.                 schen, die derzeit unsere Hilfe und Unterstüt-
                                                          zung suchen?
Mai: Ein wesentliches Element von Verlusterfahrung        Christof: Persönliche Begegnungen bekommen in
ist das Erleben eines ultimativen Kontrollverlustes. Im   Zeiten, in denen diese über einen bereits sehr langen
alltäglichen Leben haben wir oft über lange Strecken      Zeitraum erschwert sind, noch einen höheren Stel-
das Gefühl, unser Leben quasi „im Griff“ zu haben.        lenwert: „Nehmt uns nicht die Tage im Tageshospiz
Ein schwerwiegender Verlust bringt diese Sicherheit       weg, wo unser Leben ohnehin durch die Krankheit so

HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg                                                                                           Juni 2021                  5
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                                  reduziert ist.“ Solche Stimmen waren zu hören, als die      aus, wenn wir nichts tun können." Aus dem kleinen
                                  mögliche Schließung des Tageshospizes im Vorjahr im         Satz „Wie geht es Ihnen damit, dass wir Ihnen nichts
                                  Raum stand. Glücklicherweise konnten wir während            anbieten können?“ – ist Bewegung entstanden.
                                  des gesamten vergangenen Jahres diesen Lebensraum
                                  offenhalten. Besondere Nachfrage erfuhren auch die          Wir sind in der Betreuung selten diejenigen, die etwas
                                  Trauergruppen, weil gerade Trauer Ausdruck und Aus-         für andere regeln können, wir können aber darin un-
       Zustand vollständigen      tausch braucht. Unsere Präsenzangebote bekommen             terstützen. Wir müssen Menschen, deren Erkrankung
       körperlichen, seelischen   für Betroffene einen hohen Stellenwert gegen das Ge-        trotz aller Heilungsversuche fortschreitet, vermitteln,
und sozialen Wohlbefindens        fühl mit der eigenen Situation alleine gelassen zu sein     dass sie deshalb keine „schlechten Patienten“, sondern
und nicht nur das Freisein von    und sind ein wichtiges Gegengewicht zur Isolation           vollwertige, wertvolle Menschen sind; mit Cicely
Krankheit oder Gebrechen.“        und Vereinsamung.                                           Saunders gesprochen: „Wenn nichts mehr zu machen
                                                                                              ist, gibt es noch viel zu tun.“
    Definition von Gesundheit     Silvia: Ein wichtiges Gegengewicht zur Verunsiche-
     in der Satzung der WHO       rung in Verlustsituationen ist es auch, Sicherheit zu ge-   Mai: Ja, dieses „Tun“, von dem Du sprichst, hat ganz
                                  währleisten: äußere Sicherheit durch einen „sicheren        viele Aspekte, die sich von Aktionismus und geschäf-
                                  Ort“, sowie innere Sicherheit durch klare Informatio-       tigem Handeln grundlegend unterscheiden. Es bedeu-
                                  nen in Bezug auf Unterstützungsmöglichkeiten und            tet im hospizlichen Sinn zunächst einmal das Wahr-
                                  Rahmenbedingungen. Zugleich geht es auch darum,             nehmen des anderen in seiner oder ihrer besonderen
                                  die Selbstwirksamkeit von Betroffenen zu stärken,           Situation. Dann das Interesse am anderen, das sich
                                  indem man ihnen Zutrauen entgegenbringt. In Ge-             nicht im „Ausfragen“ zeigt, sondern in einer wirklich
                                  sprächen können Trauernde oft ganz eigene Bewälti-          zugewandten Haltung. Dazu gehört auch das Mich-
                                  gungsstrategien und persönliche Ressourcen ausfindig        selbst-einlassen mit meiner eigenen Verlusterfahrung
                                  machen und diese dann mobilisieren. Besondere Be-           und Verletzlichkeit und auch das Zulassen dessen, was
                                  deutung kommt dabei einer wertfreien Anerkennung            in mir und beim anderen aus der Begegnung heraus
                                  des Erlebten zu. Dafür braucht es beim Beratenden           entsteht: Gefühle, Gedanken, Sorgen und Fragen. Ei-
                                  und Begleitenden einen selbstreflektierten und kri-         ne Ursache, warum wir uns mit der Trauer anderer
                                  tischen Blick auf eigene Gefühle, Vorstellungen und         oft so schwertun, sie gleich wegtrösten oder wegre-
                                  Werte.                                                      den wollen, ist der Zusammenhang mit unserem ei-
                                                                                              genen inneren Schmerz. Wenn ich diesen nicht spü-
                                  Astrid: Wenn eine Situation Verunsicherung und              ren möchte, kann oder darf, werde ich dem Schmerz
                                  Ohnmacht auslöst, weiß ich, dass es sich um eine            eines anderen Menschen mit Ablehnung, Ignoranz,
                                  bedeutende Situation handelt. Für den Umgang da-            Bitterkeit, Härte oder völliger Aufgelöstheit begegnen.
                                  mit bedeutet es, dass diese Irritation und Hilflosigkeit    Manchmal äußern Menschen „ich könnte das nicht,
                                  der Anfang eines Prozesses ist, bei dem der nächste         andere begleiten, dafür bin ich viel zu sensibel. Da
                                  Schritt darin besteht, in die Begegnung damit zu            fange ich selbst gleich zu weinen an.“ Sie verkennen,
                                  gehen. Wenn ich die Ohnmacht erkenne, kann eine             dass sie bei ihrem eigenen inneren Schmerz gelandet
                                  Würdigung der Situation auch bedeuten, diese an-            sind und der möchte zunächst einmal seinen Platz
                                  zusprechen. Ich kann mich an die Äußerung eines             finden, bevor ich jenen meiner Mitmenschen aushal-
                                  Arztes mir gegenüber erinnern, der das ganz klar zum        ten kann.
                                  Ausdruck gebracht hat: „Wir Ärzte halten das schlecht

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hospizliche haltung
4. Was nimmst Du aus der jetzigen Zeit an wert-           ist. Mir fällt dazu Dietrich Bonhoeffer ein, der zwi-
voller Erfahrung mit und was lässt Du gerne zu-           schen Widerstand und Ergebung unterscheidet, zwi-
rück?                                                     schen den Situationen, denen wir uns zu ergeben
Silvia: Offenheit und Kreativität, also Entfaltungs-      haben und denen, in denen wir bewusst einen Stand-
möglichkeiten wahrzunehmen und die eigene Ge-             punkt beziehen und dies öffentlich machen sollten.
sundheit auf allen Ebenen, nicht nur der rein körper-
lichen, in den Mittelpunkt zu stellen, erscheint mir
wichtig. Ich kann nur unterstützend wirken, wenn                                                                    „Für mich war es eine Erfah-
ich mir selbst auch wichtig bin. Diese Zeit schien                                                                  rung, der Nichtplanbarkeit mit
mir auch einladend dafür, sich Zeit für Weiterent-                                                                  Gelassenheit begegnen zu
wicklungen zu nehmen, Dinge neu zu denken, neue                                                                     lernen. Mancher Druck, unter
Bewältigungsstrategien und Wege zu finden und To-                                                                   dem ich sonst gestanden bin,
                                                                                                                    war mit einem Schlag nicht
leranz in Bezug auf den Umgang mit der jetzigen Zeit
                                                                                                                    mehr da, vieles ist ausgefallen,
zu üben – auf Ebene der Familie, der Institution und
                                                                                                                    anderes konnte verschoben
der Gesellschaft
                                                                                                                    werden und dennoch geht das
                                                                                                                    Leben weiter.“
Mai: Für mich war es eine Erfahrung, der Nichtplan-
barkeit mit Gelassenheit begegnen zu lernen. Man-                                                                   Mai Ulrich, Leiterin Bildung und
cher Druck, unter dem ich sonst gestanden bin, war                                                                  Öffentlichkeitsarbeit
mit einem Schlag nicht mehr da, vieles ist ausgefallen,
anderes konnte verschoben werden und dennoch geht
das Leben weiter. Und trotz aller Einschränkungen ist
auch Neues, Gutes entstanden, zum Beispiel einige
zielgruppenorientierte Trauergruppen. Es hängt auch       Eva: Was an Erfahrungen mitgeht, wird wachsen und
von mir ab, wie ich mich zur jeweiligen Situation         aufkommen, da wünsche ich mir, dass ich mein Tem-
stelle. Das Zurückgeworfen-Sein auf mich selbst ist in    po und meine Möglichkeiten dafür zulassen kann.
dieser Situation deutlicher geworden, die Brüchigkeit     Das kleine, spontane „Hallo, ich denke gerade an
unserer scheinbaren Sicherheit und das Aufeinander-       dich…!“ und die Reaktionen, die das mit sich brin-
Angewiesensein. Es kann zwischen uns Menschen ei-         gen kann – nehme ich mir mit. Das Schätzen, dass es
ne tiefe Verbindung entstehen, wenn wir uns dessen        JETZT ist und ich durchatmen darf, um mich auf einen
bewusst sind, dass uns die Erfahrung von Verlust und      nächsten Schritt vorzubereiten.
Trauer als Menschen eint. Vielleicht gelingt es mir aus
einer gewissen Distanz die Situation mit Humor und        Christof: Zurücklassen möchte ich den Alarmmodus,
einem Lächeln zu betrachten?!                             in dem wir seit einem Jahr leben. Er steht mit Bedro-
                                                          hung in Verbindung. Dieser Krisenmodus sollte sobald
Astrid: Im Umgang mit der Krisensituation lernen wir      wie möglich wieder einem Klima des Vertrauens und
uns neu kennen. Wir verändern uns im Miteinander          des Zusammenhalts weichen, um den großen Heraus-
und ich erlebe, dass ich die Beziehung zu manchen         forderungen der Zukunft möglichst gut begegnen zu
Menschen zurücklassen werde, bei denen das Äußern         können. Während Social Distancing zur Zeit als Zei-
von unterschiedlicher Meinung nicht mehr möglich          chen der Solidarität gesehen wird, gilt es gleichzeitig

HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg                                                                                            Juni 2021                    7
Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
hospizliche haltung
                zu beachten, dass gerade in Krisenzeiten der persön-    Christof: In diesem Jahr ist uns noch bewusster
                lichen Begegnung besondere Bedeutung zukommt,           geworden, wie verletzlich sowohl jedes Menschen-
                und die Balance zwischen Nähe und Distanz neue          leben als auch unsere Gesellschaft als soziales Gefüge
                Bedeutsamkeit gewinnt. Technische Kommunikati-          ist; wie sehr wir aufeinander angewiesen bleiben und
                onsmöglichkeiten wie Telefonieren oder Videokon-        voneinander abhängig sind. Wir wähnen uns oft in
                ferenzen sind nur eine Möglichkeit in Kontakt zu        einer trügerischen Sicherheit, vieles, was uns selbst-
                bleiben, eine „Notversion“ der Begegnung. Vieles,       verständlich erschien, ist ins Wanken geraten. Dies
                was eine geglückte Kommunikation ausmacht, die          kann uns dankbar machen und uns die Möglichkeit
                „Zwischentöne“, die für eine Verbindung zueinander      bieten, auch die Prioritäten im Leben neu zu setzen.
                wichtig sind, fehlen und können nicht ersetzt werden.   Manchen Menschen ist es wichtig geworden, etwas
                Diese Nuancen und Facetten gilt es zurückzugewin-       Sinnvolles im Leben zu tun, etwa durch ehrenamt-
                nen. Auch das Erhebende, Freudige, das Feiern muss      liches Engagement in der Hospizbegleitung. Vielleicht
                wieder mehr in den Mittelpunkt rücken.                  gelingt es auch, auf einiges, dem wir gezwungener-
                                                                        maßen entsagen mussten, auch in Zukunft zu verzich-
                Eva: Ich persönlich lasse nicht große Dinge zurück.     ten. „Weniger ist manchmal mehr“ verkommt dann
                Es sind eher Momente der Überfrachtung, der Über-       nicht zur leeren Floskel, sondern kann lebensgestal-
                forderung durch Fremdbewertungen, die mein und          tend werden: sowohl bei Verzicht auf materielle Güter,
                unser Leben als sicher und unsicher deklarieren und     beim bewussten Wahrnehmen des Schönen rund um
                so einer Starre, Reduktion und Spaltung einen Nähr-     uns, oder die Entscheidung welche Begegnungen oder
                boden bereiten.Für den Bildungsbereich sollten wir      Termine wirklich wichtig sind.
                mutig und spezifisch sammeln, benennen und öko-
                nomisch aufbereiten, was die Krise aufgezeigt hat, in   Astrid: Das Tragende in dieser Zeit war der Zusammen-
                möglichst vielen Facetten des Erlebens und Lernens.     halt innerhalb unserer Teams aus haupt- und ehren-
                Zeitpläne, Zielvorgaben, Bewertungen müssen an die      amtlich Tätigen. Wir haben uns einander zugewandt
                kollektiven und individuellen Ressourcen angepasst      und die meisten sind dem Betrieb treu geblieben. In
                werden – in realisierbaren Schritten, um deren Sinn     der Krise wird vieles von dem sichtbar, was wir im All-
                und Wert nicht zu verwässern.                           tag nicht so deutlich sehen. Das, was uns durchträgt,
                                                                        ist ein gewisses Grundvertrauen und die Hoffnung, gut
                Mai: Obwohl ich alles andere als ein körperbetonter     durch die Situation zukommen. Gerade in der Diskus-
                Mensch bin, fehlt mir der spontane körperliche Kon-     sion um den assistierten Suizid ist mir immer mehr be-
                takt, eine freundschaftliche Umarmung oder auch der     wusst geworden, dass Selbstbestimmung dort, wo ich
                bisher so „ganz normale“ Händedruck. Er stellt für      auf Hilfe angewiesen bin, nicht endet, sondern gerade
                mich etwas Wertvolles in der Begegnung dar: über        erst anfängt. Autonomie braucht auch Resonanz. Erst
                die Haut, die Wärme, den Druck nehme ich manches        wenn ich bedürftig werde, „muss“ ich mich klar äu-
                auf, was das Auge nicht wahrnehmen kann, ein erstes     ßern, was mir wichtig ist, was ich will oder nicht will.
                Gefühl für den anderen, meine und seine bzw. ihre       Selbstbestimmung macht erst dann Sinn, wenn ich
                Zuwendung, Freundlichkeit oder gar Herzlichkeit. Ich    mich in einer Gesellschaft gut aufgehoben fühle. Ich
                biete nicht meine Faust oder den Ellbogen an, das hat   erinnere mich an meine Nichte als sie klein war und
                für mich keine Qualität. Ich fände es schade, wenn      immer sagte „selber machen“ und als zweiten Punkt
                das Händeschütteln verloren ginge.                      hinzufügte „mit dir“ – um diese Haltung geht es. p�

8   Juni 2021                                                                               HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
aus der hospizbewegung
Hospiz-Initiative Pongau | neue Einsatzleiterin

Anja Toferer aus Hüttschlag übernimmt die Einsatzleitung der Hospiz-Initiative Pongau.

Mein Name ist Anja Toferer, ich bin 47                       hätte. Hingabe ist seit einiger Zeit eines   Hier kann ich alles, was ich mir in ver-
Jahre alt und lebe mit meinem Mann                           meiner Lieblingswörter. Ich versuche,        schiedenen Ausbildungen (Mentorin
und meinen beiden Töchtern (12 und                           auf die Fragen des Lebens zu antwor-         für logotherapeutische und existenz-
18 Jahre) in Hüttschlag.                                     ten, diese Fragen möglichst nicht zu         analytische Beratung und Begleitung
                                                             bewerten und meinen inneren Wider-           nach Viktor E. Frankl; Fach-Sozialbe-
Das Thema Tod und Sterben beglei-                            stand aufzugeben, wann immer er sich         treuerin für Altenarbeit) angeeignet
tet mich schon sehr lange. Nach dem                          zeigt. So fiel mir dieses Ja zu meiner       habe, zum Einsatz bringen und mit
plötzlichen Unfalltod meiner Schwe-                          neuen Aufgabe ganz leicht.                   ganzem Herzen für Menschen in Aus-
ster Kathrin hat es mir sehr geholfen,                                                                    nahmesituationen da sein.
mich intensiv mit den Büchern von                            Für mich war diese neue Tätigkeit von
Elisabeth Kübler-Ross zu beschäftigen                        Beginn an von einem Gefühl des „nach         Gerade in der heutigen Zeit ist es mir
– und so kam ich unweigerlich auf die                        Hause Kommens“ begleitet. Auch wenn          ein Anliegen, Menschlichkeit und
Hospizbewegung. Ich hatte das drin-                          ich meine Ausbildung für Lebens-, Ster-      Wärme zu verbreiten. Das Anliegen
gende Bedürfnis, mich mehr und mehr                          be- und Trauerbegleitung bereits im          der Hospizbewegung, Menschen ein
in die Thematik zu vertiefen. – Das ist                      Jahr 2003 absolviert habe und nur kurz       Leben in Würde – selbstbestimmt bis
wohl meine ureigene Herangehens-                             ehrenamtlich in der Hospiz-Bewegung          zuletzt – zu ermöglichen, entspricht
weise, Dinge zu verarbeiten und mit                          Salzburg tätig war, gehörte der Hos-         genau meiner Haltung. Auch dass der
Schwerem umzugehen.                                          pizgedanke immer ganz wesentlich             Tod wieder seinen Platz in unserem
                                                             zu meinem Leben. Umso dankbarer              Leben und unserer Gesellschaft be-
Das Angebot, mich als Einsatzleiterin                        bin ich nun, dass ich hauptamtlich in        kommt, finde ich wichtig. Wenn ich
des Mobilen Hospizteams Pongau in                            der Hospiz-Bewegung Salzburg mit-            ein kleines Stück dazu beitragen kann,
Bischofshofen zu bewerben, ist mir                           arbeiten darf und Menschen, die teils        dass jemand für sich selbst und seine
ganz unerwartet „zugeflogen“ – und                           vor sehr großen Herausforderungen            Angehörigen Wege findet, die sich
ich habe spontan Ja gesagt, obwohl ich                       stehen, auf ihrem Lebensweg begleiten        sinnvoll anfühlen, freue ich mich. p
eigentlich ganz andere Pläne gehabt                          kann.

                                                             +++ Eventuell weitere Tickets erhältlich +++
         Benefizkonzert
         zugunsten der Hospiz-Bewegung Salzburg              Aufgrund der angekündigten, bis Redaktionsschluss aber noch nicht bestätigten
                                                             Regelung ist es sehr wahrscheinlich, dass ab Anfang Juli 2021 sämtliche
         BEETHOVEN                                           Beschränkungen für Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen aufgehoben werden.
            SINFONIE NR. 3 „EROICA“, ES-DUR, OP. 55
              KLAVIERKONZERT NR. 1, C-DUR, OP. 15
                                                             Somit wären noch Tickets für das Benefizkonzert zugunsten der Hospiz-
                                                             Bewegung Salzburg am Samstag, 10. Juli 2021 verfügbar – Aktuelles unter:
                                                             www.philharmoniesalzburg.at bzw. tickets@philharmoniesalzburg.at

                                                             +++ Elias Keller gewinnt »Goldene Note +++
                          ELISABETH FUCHS                    Elias Keller (13) hat den diesjährigen Musikförderpreis „Goldene Note“ in der
                       ELIAS KELLER, KLAVIER
                      PHILHARMONIE SALZBURG                  Kategorie Klavier gewonnen. Die Besucher*innen des diesjährigen Benefizkonzerts
                    10. JULI 2021
             20:00 UHR · EUROPASAAL, KONGRESSHAUS SALZBURG   können ihn live erleben: Gemeinsam mit der Philharmonie Salzburg unter Leitung
         HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
                                                             von Elisabeth Fuchs wird er als Solist beim Benefizkonzert auftreten.
Hospizliche Haltung als Begegnungsressource in Krisenzeiten - Hospiz Bewegung Salzburg
hospizliche haltung

     Assistierter Suizid: Gemeinsame Stellungnahme des Dachverbands
     Hospiz Österreich und der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG)
     Hospiz und Palliative Care stehen für das Prinzip eines würdevollen und lebenswerten Lebens bis zum Lebens-
     ende durch aktive und umfassende Betreuung und Begleitung. Hoher Respekt vor dem Selbstbestimmungs-
     recht jedes Menschen leitet uns bei den nachfolgend ausgeführten Positionen, mit denen wir unsere Haltung
     konkretisieren.

                               I
                                m Zusammenhang mit der Neugestaltung des                  bensbedrohlichen Erkrankung und ihrer Zu- und An-
                                § 78 StGB bzw. einer künftigen Regelung zum Thema         gehörigen zu verbessern und sie bei den vielfältigen
                               assistierter Suizid ist es aus unserer Sicht unverzicht-   Problemen, die damit einhergehen, zu unterstützen.
                               bar, dass einige grundlegende Prinzipien sichergestellt    Leiden soll vorgebeugt und gelindert werden, insbe-
                               werden:                                                    sondere durch frühzeitige Erkennung und Behandlung
                                                                                          von Schmerzen sowie anderen Belastungen körper-
                               Rahmenbedingungen für einen Tod in Würde                   licher, psychosozialer und spiritueller Natur.
                               und Sicherheit
                               • Schutz vulnerabler Gruppen                               Was die Hospiz- und Palliativversorgung kann
                               • Verhinderung von Missbrauch                              Eine adäquate Betreuung, Behandlung und Begleitung
                               • Freiheit von Zwang bei der Entscheidung über das         erfordern ein vielfältiges Angebot in einem System ab-
                                 eigene Lebensende                                        gestufter Versorgung, um die richtigen Patienten zur
                               • Freiheit von Zwang und Sicherheit für das Gesund-        richtigen Zeit am richtigen Ort zu versorgen. Palliative
                                 heitspersonal                                            Grundversorgung soll in allen Einrichtungen des Ge-
                                                                                          sundheits- und Sozialwesens geleistet werden. Spezi-
                               Allgemeine Anmerkungen                                     alisierte Hospiz- und Palliativversorgung stellt darüber
                               Von Respekt und Wertschätzung getragen, ist es das         hinaus in komplexen Situationen und bei schwierigen
                               Ziel der Hospiz- und Palliativversorgung, die Lebens-      Fragestellungen zusätzliche interprofessionelle Ange-
                               qualität von Patientinnen und Patienten mit einer le-      bote zur Verfügung, die auf individuelle und unter-

10            Juni 2021                                                                                        HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
hospizliche haltung
schiedliche Bedarfs- und Bedürfnislagen abgestimmt         nenvertretung müssen verstärkt im Bewusstsein der
sind. Die Grundhaltung der Hospiz- und Palliative          Bevölkerung verankert und einfach zugängig gemacht
Care auf allen Ebenen der Gesundheitsversorgung und        werden. Die Umsetzung des Vorsorgedialogs (im Sinne
der Gesellschaft zu integrieren ist ein zentrales Anlie-   des Advance Care Planning) muss im mobilen Bereich
gen.                                                       und in Einrichtungen stationärer Betreuung finanziert
                                                           werden.
Was wir in der Versorgung von Menschen mit
lebensbedrohlichen Erkrankungen brauchen                   Ein Basiswissen zu Hospiz und Palliative Care muss
Die langjährige Forderung, die Hospiz- und Palliativ-      in den Grundausbildungen aller Gesundheits- und Be-
versorgung mit adäquaten Ressourcen auszustatten,          treuungsberufe und sozial-spirituellen Berufe integriert            Von Respekt und Wert-
gewinnt mit Blick auf die künftige Möglichkeit des         sein, dazu sollen spezialisierte Ausbildungsprogramme               schätzung     getragen,
assistierten Suizids zusätzlich an Dringlichkeit und       verstärkt von der öffentlichen Hand gefördert werden.       ist es das Ziel der Hospiz- und
Brisanz. Die aktuell zu konstatierende Mangelversor-       Die umfassende Integration von Hospizkultur und Pal-        Palliativversorgung, die Le-
gung auf diesem Gebiet kann das Risiko bergen, dass        liative Care in Einrichtungen der Seniorenbetreuung,        bensqualität von Patientinnen
Menschen sich der Option des assistierten Suizids zu-      Pflege und Geriatrie und Versorgungseinrichtungen für       und Patienten mit einer lebens-
wenden, weil keine angemessene Hospiz- und Pallia-         Menschen mit Behinderung muss gestärkt werden.              bedrohlichen Erkrankung und
tivversorgung zur Verfügung steht.                                                                                     ihrer Zu- und Angehörigen zu
                                                           Darüber hinaus sollte Wissen über Hospiz und Palli-         verbessern und sie bei den viel-
Daher muss aus unserer Sicht jetzt mehr denn je si-        ative Care schon in der schulischen Ausbildung Platz        fältigen Problemen, die damit
chergestellt werden, dass Jede und Jeder, die oder der     finden, zum Beispiel im Rahmen eines Ethik- oder            einhergehen, zu unterstützen.“
dies benötigt, Zugang zu Hospiz- und Palliativversor-      Religionsunterrichtes oder durch das Projekt „Hospiz
gung hat – leistbar, flächendeckend, unabhängig vom        macht Schule“.
Wohnsitz, rund um die Uhr.
                                                           Verstärkte Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sol-
Alle Einrichtungen der abgestuften spezialisierten         len dabei unterstützen, Menschen über Betreuung am
Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich müssen       Lebensende zu informieren und ihnen die Angst vor
durch die öffentliche Hand voll finanziert werden.         Abhängigkeit, Autonomieverlust und Leid zu nehmen.
Zugleich müssen Maßnahmen der Suizidprävention
ausgebaut und mit ausreichenden Mitteln ausgestat-
tet werden. Mit Blick auf das genannte Risiko durch        Wichtige Überlegungen zu einer Regulierung
Mangelversorgung müssen auch Angebote und Ein-             des assistierten Suizids aus Sicht von Hospiz
richtungen zur Betreuung und Versorgung alter Men-         und Palliative Care
schen, von Menschen mit Behinderung und der Unter-         Bei der rechtlichen Ausgestaltung einer Option zum
stützung für pflegende Angehörige ausgebaut und mit        assistierten Suizid, wie sie Regierung und Gesetzgeber
ausreichenden Ressourcen ausgestattet werden.              planen, sind aus der Sicht von Hospiz und Palliative
                                                           Care einige Eckpunkte zentral:
Bereits bestehende Möglichkeiten zur Wahrung der           • Ziel einer Regulierung ist es, assistierten Suizid für
Autonomie am Lebensende wie die Errichtung einer              bestimmte Personen und unter bestimmten Bedin-
Patientinnen- und Patientenverfügung, einer Vorsor-           gungen straffrei zu stellen. Es soll keinen durchsetz-
gevollmacht oder die Möglichkeit einer Erwachse-              baren Rechtsanspruch auf assistierten Suizid geben.

HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg                                                                                               Juni 2021                11
hospizliche haltung
                 • Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass eine Be-          • Erledigung der Dokumentations- und Meldepflich-
                   reicherung durch die Assistenz zum Suizid ausge-             ten
                   schlossen wird.                                            • Suizidassistenz soll nicht auf Wiederholung aus-
                 • Um die Möglichkeit des assistierten Suizids in An-           gelegt sein.
                   spruch nehmen zu können, muss die betroffene Per-
                   son zum Zeitpunkt der Willensäußerung ebenso wie         Begleitende Personen, die nicht bei der Verabreichung
                   zum Zeitpunkt der Durchführung:                          des Medikaments assistieren, bleiben immer straffrei,
                   • volljährig sein und                                    auch wenn die assistierende Person nicht die Kriterien
                   • entscheidungs- und urteilsfähig sein und               der Straffreiheit erfüllen sollte.
                   • einen Hauptwohnsitz in Österreich haben und
                   • an einer diagnostizierten, chronisch fortschreiten-    • Assistierter Suizid ist keine Aufgabe des öffentlichen
                      den oder weit fortgeschrittenen Erkrankung mit        Gesundheits-, Sozial- und Pflegewesens und keine Auf-
                      begrenzter Lebensdauer leiden und                     gabe der Hospiz- und Palliativversorgung. Vielmehr
                   • die Entscheidung unbeeinflusst von Dritten und         sind in allen Bundesländern – auf bundesweit einheit-
                      sozialem Druck treffen und                            licher Basis – Koordinationsstellen einzurichten, die
                   • nicht an einer die Autonomie beschränkenden            dafür Sorge zu tragen haben,
                      psychischen Erkrankung leiden, wie zum Bei-              • dass unabdingbare Voraussetzungen für den assis-
                      spiel einer behandelbaren Depression oder einer            tierten Suizid, wie die Feststellung der Entschei-
                      akuten Suizidalität.                                       dungs- und Urteilsfähigkeit der suizidwilligen Per-
                                                                                 son oder das Fehlen von Beeinflussung und Druck
                 • Eine Sterbeverfügung im Sinne einer Festlegung auf            durch Dritte durch entsprechende Mechanismen
                   einen assistierten Suizid zu einem unbestimmten               überprüft werden,
                   Zeitpunkt in der Zukunft muss ausgeschlossen wer-           • dass von suizidwilligen Personen Beratungsange-
                   den, da es zum späteren Zeitpunkt zu einer Kollisi-           bote im Bereich Palliative Care, Psychiatrie sowie
                   on des natürlichen Willens mit dem vorausverfügten            Sozialarbeit in Anspruch genommen werden kön-
                   Willen kommen kann.                                           nen,
                 • Eine assistierende Person (also eine Person, die            • dass alle Verfahrensschritte rund um einen assis-
                   Handreichungen bei der Verabreichung des Medi-                tierten Suizid im Detail dokumentiert werden,
                   kamentes leistet) muss folgende Voraussetzungen             • dass die Voraussetzungen für Begleitforschung ge-
                   erfüllen, damit der assistierte Suizid straffrei ist:         schaffen werden.
                   • Volljährigkeit
                   • Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit                    • Keine Einrichtung im Gesundheits-, Sozial- und Pfle-
                   • Bereitschaft zur Hilfeleistung aus eigenem, schrift-     gewesen soll zu Aktivitäten im Zusammenhang mit
                      lich festgelegten Willen                                assistiertem Suizid verpflichtet werden, ebenso we-
                   • Anwesenheit während des gesamten Prozesses bis           nig individuelle Angehörige von Gesundheits- und
                      zum Eintritt des Todes                                  Sozialberufen.
                   • Veranlassung medizinischer Maßnahmen bzw.              • Die künftige Regelung muss, wie dies auch der
                      Beiziehung medizinischer Unterstützung im Fall          Verfassungsgerichtshof angesprochen hat, berück-
                      von Komplikationen                                      sichtigen, dass Entscheidungen zum Lebensende
                                                                              auch durch soziale und ökonomische Umstände

12   Juni 2021                                                                                   HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
aus der hospizbewegung
  beeinflusst werden. Daher müssen Maßnahmen zur            Hospiz-Initiative Tennengau | scheidende Einsatzleiterin
  Verhinderung von Missbrauch vorgesehen werden,
  insbesondere im Hinblick auf das Risiko möglicher         Birgit Rettenbacher beendete mit 7. Juni 2021 nach beinahe zehn Jahren ihre
  Entscheidungen zum Suizid unter dem Einfluss              Aufgabe als Einsatzleiterin der Hospiz-Initiative Tennengau.
  Dritter. Zum Zweck der Missbrauchsvorbeugung
  sind daher sowohl Mechanismen der prospektiven            Birgit Rettenbacher hatte zuvor ein Jahr ehrenamtlich im Tennengauer Team ge-
  als auch der retrospektiven Kontrolle (auf der Basis      arbeitet und nahm die Begeisterung für lebendige Hospizarbeit auch in ihre Leitungs-
  einer detaillierten Dokumentation) vorzusehen.            funktion der Hospizteams mit, die sie von Christl Mitterlechner im Oktober 2011
                                                            übernahm. So setzte sie sich intensiv für die Begleitung von Menschen in der letzten
Diese Eckpunkte sind aus der Perspektive von Hospiz         Lebensphase ein, um ihnen ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend Beglei-
und Palliative Care zentrale Elemente einer künftigen       tung und Betreuung in der gewohnten Umgebung zu ermöglichen.
Regulierung des assistierten Suizids. Die Einführung
einer Möglichkeit des assistierten Suizids, bevor eine      Die Zusammenarbeit mit dem Landesklinikum Hallein und besonders mit der dortigen
Vollversorgung im Bereich Hospiz und Palliative Care        Palliativstation war ihr ein großes Anliegen. Sie initiierte hospizliche Entlastung und
sichergestellt ist, birgt aus unserer Sicht das große Ri-   Unterstützung von Patient*innen im Krankenhaus, in Seniorenhäusern und zu Hause.
siko, dass Menschen sich nur aufgrund inadäquater           Auch trauernde Menschen der Region fanden bei ihr ein offenes Ohr. So baute sie eine
Betreuungs- und Behandlungsangebote für den assis-          offene Trauergruppe in Hallein auf und koordinierte Begleitungen durch ehrenamtlich
tierten Suizid entscheiden, nicht aus freien Stücken.       tätige Trauerbegleiter*innen.
Das gilt es zu verhindern.
                                                            Birgit Rettenbacher wurde für ihre einfühlsamen Begleitgespräche von schwerkranken
Hospiz- und Palliativversorgung bleiben im Interesse        Menschen und deren Angehörigen außerordentlich geschätzt, ihre Teammitglieder
eines menschenwürdigen Lebensendes unverzichtbar.           fanden in ihr und ihrer hohen Leitungskompetenz und Anleitung eine wichtige Stütze.
                                                            Wichtig war ihr auch die Vernetzung mit anderen Organisationen und Diensten im Sin-
Waltraud Klasnic                                            ne aller Betroffener. Nun wendet sie sich anderen wichtigen Lebensaufgaben zu.
Präsidentin Dachverband Hospiz Österreich
                                                            Wir danken Birgit herzlich für ihre Lebensfreude und die wertvollen in der Hospiz-
Dr. Dietmar Weixler MSc (palliative care)                   Bewegung Salzburg geleisteten Dienste und wünschen ihr für den weiteren Lebensweg
Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft        alles Gute und viel Erfolg!

Die Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe aus
dem Dachverband Hospiz Österreich und der Öster-
reichischen Palliativgesellschaft (OPG) am 13.4.2021
erarbeitet: MMag. Christof Eisl, Dr. Christina Grebe
MSc, Waltraud Klasnic, Priv. Doz. Dr. Gudrun Kreye,
Univ. Prof. Dr. Rudolf Likar MSc, Dr. Veronika Mosich
MSc, Mag. Werner Mühlböck MBA, Mag. Leena Pelt-
tari MSc, DSA Bettina Pußwald, MSM, Sonja Thalin-
ger MSc, Manuela Wasl MSc, Univ. Prof. Dr. Herbert
Watzke, Dr. Dietmar Weixler MSc, Dr. Karin Zoufal

HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg                                                                                            Juni 2021                 13
kontaktstelle trauer

     Wie geht es uns? Erfahrungen eines trauernden Vaters.
     „Wie geht’s dir?“ Die typische Begrüßungsfloskel, hängt mir echt zum Hals raus! Das Gegenüber erwartet
     natürlich ein „Super“. Antwortet man mit „beschissen“ schaut das Gegenüber meist entgeistert und es fehlen
     ihm oder ihr die Worte. Wenige wissen darauf etwas zu sagen. Aber warum auch?

                               S
                                    ich „beschissen zu fühlen“, war bis zum Tod un-   Früher denke. Wenig Zeit, wo ich mich richtig wohl-
                                    serer Tochter Flora auch mir ein kaum bekannter   fühlen kann.
                               Gemütszustand! Ich genoss das Leben, ich genoss
                               die innige Zeit mit meiner Tochter, genoss die Zwei-   Unsere Flora ist am 18. März 2020 gegangen, wir
                               samkeit mit meiner Frau, die Zeit mit meinen Freun-    wissen bis heute nicht warum. Plötzlicher Kindstod!
                               den, genoss die Zeit mit meiner gesamten Familie       Es war der schrecklichste Tag in meinem Leben! Mit-
                               und einfach das ganze Drumherum – alles war für        ten in der Nacht einfach von uns gegangen. Flora
                               mich perfekt.                                          lag leblos im Bett, die Reanimationsversuche blieben
                                                                                      erfolglos, auch das rasch eingetroffene Notarztteam
                               Seit dem unsere Tochter gegangen ist, hat sich alles   konnte nichts mehr machen. Die ersten Stunden ver-
                               geändert! Ich kenne leider nur noch wenige schö-       brachte ich im Schock, mit im Nachhinein betrach-
                               ne Momente, wenige Augenblicke, wo ich nicht an        tet unglaublichen Gedanken: „Wir machen eine neue

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kontaktstelle trauer
Flora!“ Diese Gedanken hielten sich mehrere Tage bis      teilen darf, ohne missverstanden zu werden. Und
ich endlich begriff, dass mir niemand meine Tochter       Gleichzeitig auch die Schmerzen des Gegenübers
zurückbringen kann. Das lustige, unkomplizierte und       wahrzunehmen und zu verstehen. Daraus zu schlie-
lebensfrohe Mädchen, mit dem ich die schönsten 20         ßen, dass es auch „andere“ gibt! Menschen, die auch
Monate meines Lebens verbringen durfte, ist weg.          von heute auf morgen in einer Welt ohne Perspektive
                                                          stehen und nicht wissen, wies weitergehen soll.
Am Morgen von Floras Tod waren dann die Anrufe
bei der Familie, bei Mama und Papa, bei Bruder und        Wir suchten uns eine Therapeutin. Die Gespräche,
Schwester und bei unseren Freunden. Alle haben            die aufgrund Coronalockdown online stattfinden
freundlich abgehoben, „Hallo Stefan, wie geht’s?“         mussten, taten zwar gut, gaben mir aber auch keine
Woher sollten sie auch wissen, was passiert ist!?         wirkliche Befriedigung, nicht das Gefühl verstanden
Nach der schrecklichen Nachricht waren alle scho-         zu werden. Wir suchten nach einer Trauergruppe,
ckiert, begriffen nicht, was diese Nachricht eigent-      fanden aber nur Kontakte von stillgelegten Gruppen.
lich bedeutet. Die über alles geliebte Enkelin, Nichte,   Meine Frau rief schlussendlich bei der Kontaktstelle           Vor allem in den ersten
Cousine, Freundin … nicht mehr da! Alle in unserem        Trauer an, ob es irgendwo eine aktive Trauergruppe             Wochen bekamen wir
Umfeld hatten das liebenswürdige Mädchen in ihr           für betroffene Eltern gäbe. Mai Ulrich begab sich als   von vielen Seiten Unterstüt-
Herz geschlossen.                                         Leiterin auf die Suche, aber ebenso erfolglos.          zung: Familie, Freunde, Nach-
                                                                                                                  barn versuchten uns etwas
In den ersten Tagen nach Floras Tod waren meine           Dies gab ihr die Initialzündung für die Gründung        Gutes zu tun, uns abzulenken.
Frau und ich einfach nur abwesend! Abwesend von           einer eigenen Trauergruppe für Eltern, deren Kind       Sie kamen auf Besuch, stellten
der ganzen Welt. Der Welt, in der wir uns immer so        verstorben ist, für „unsere“ Trauergruppe. „Leider“     uns Essen vor die Tür oder rie-
wohl gefühlt hatten. Jener Welt, die wir uns in den       fanden sich mehrere Pärchen, die ihr Kind verloren      fen uns an. Jede Anteilnahme
mehr als 20 Jahren Gemeinsamkeit geschaffen ha-           haben (mit „leider“ möchte ich ausdrücken, dass ich     gab uns ein wenig Kraft, selbst
ben. Plötzlich ohne Inhalt, ohne Zukunft, ohne Sinn.      niemandem solch einen Verlust auferlegen würde,         die Kondolenzschreiben über
                                                          ich aber froh bin, dass es diese Menschen in unserer    die Onlineplattform des Bestat-
Vor allem in den ersten Wochen bekamen wir von            Gruppe gibt).                                           tungsunternehmens gaben mir
vielen Seiten Unterstützung: Familie, Freunde, Nach-                                                              ein wenig das Gefühl, dass wir
barn versuchten uns etwas Gutes zu tun, uns abzu-         Wir sind nun fünf Paare, die etwas gemeinsam ha-        in unserer Trauer nicht allein
lenken. Sie kamen auf Besuch, stellten uns Essen vor      ben, zehn Menschen, die etwas gemeinsam teilen:         sind.“
die Tür oder riefen uns an. Jede Anteilnahme gab uns      den Verlust eines Kindes. Egal wie alt das Kind war,
ein wenig Kraft, selbst die Kondolenzschreiben über       egal wie viel Zeit man mit dem Kind verbringen durf-
die Onlineplattform des Bestattungsunternehmens           te, egal was man alles durchstehen musste: die Trau-
gaben mir ein wenig das Gefühl, dass wir in unserer       er sitzt bei jeder und jedem in unserer Gruppe tief,
Trauer nicht allein sind.                                 die Gefühle, Gedanken und Erfahrungen mit dem
                                                          jeweiligen Umfeld ähneln sich.
In den vielen gut gemeinten Versuchen uns zu un-
terstützen, die Trauer zu lindern, uns aufzuheitern       Der Austausch in der Gruppe hilft mir in meiner
fehlte mir aber etwas Wesentliches: ein Gegenüber,        Trauerbewältigung! Ich merke, dass ich nicht allein
das ähnliches erfahren musste, ein Gegenüber mit          bin mit meinen Gefühlen, auch andere müssen die-
dem ich mich wirklich austauschen kann, Gefühle           sen Weg gehen. Die Bestätigung, dass auch andere

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kontaktstelle trauer
                                 so empfinden, gibt mir Kraft. Kraft, wieder nach vor-   gehe, wird mir dann meist bewusst, dass etwas raus
                                 ne zu sehen, das Vergangene aber nicht zu verges-       muss, der innere Druck abgelassen gehört. Und
                                 sen. Mitzunehmen in eine neue Zukunft und darauf        in der Runde, in unserem behüteten Sesselkreis,
                                 aufzubauen, auch wenn es schwer fällt.                  fühle ich mich dann plötzlich wohl, aufgehoben un-
                                                                                         ter „Gleichgesinnten“ die mich verstehen. Ich darf
                                 Wir sind unterschiedliche Menschen in der Trau-         gleichzeitig die Gefühle der Anderen wahrnehmen
                                 ergruppe, wir haben unterschiedliche Bedürfnisse,       und merke, dass es nicht nur mir so beschissen geht.
                                 unterschiedliche Spiritualität, alle sind wir unter-
                                 schiedliche Individuen. Aber eines eint uns: der        Ein einziges Mal habe ich an einem Treffen teilge-
                                 Tod unserer Kinder. Und darüber zu sprechen, das        nommen, wo ich bei der Hinfahrt das Gefühl hatte,
                                                                                         dass ich an diesem Abend nichts sagen möchte bzw.
                                                                                         nicht das Bedürfnis verspürte mich auszutauschen.
   „Auch jetzt spüre ich noch                                                            Während des Zuhörens in der Gruppe empfand ich
  die tägliche Last, die jeden                                                           jedoch, dass auch ich etwas loswerden möchte und
      Tag mehr wird, aber im                                                             es sprudelte aus mir heraus. Die aufgestauten Ge-
 Bewusstsein, dass ich mich                                                              danken der letzten Tage mussten raus, danach fühlte
ab und an davon auch wieder                                                              ich mich erleichtert, freier, gelöst. Gelöst von einer
  lösen darf, lässt mich nach                                                            schweren Last, die ich über Tage tragen musste.
               vorne blicken.“                                                           Auch jetzt spüre ich noch die tägliche Last, die jeden
                                                                                         Tag mehr wird, aber im Bewusstsein, dass ich mich
                                                                                         ab und an davon auch wieder lösen darf, lässt mich
                                                                                         nach vorne blicken.

                                                                                         Wie es mir wirklich geht, das kann ich in der Trauer-
                                                                                         gruppe mitteilen. Ich danke der Trauergruppe, dass
                                                                                         es jeden Einzelnen von euch gibt, dass ihr mir zu-
                                 Erlebte gemeinsam zu teilen, die eigenen tiefsten       hört, dass ihr eure Gefühle so ehrlich teilt und ich so-
                                 Gefühle der Gruppe mitteilen zu dürfen und vor          mit merke, dass wir nicht allein sind! Niemand sollte
                                 allem ehrlich und respektvoll einander zu begegnen,     solche Erfahrungen machen wie wir, doch wünsche
                                 das schätze ich an unserer Trauergruppe. Und ich        ich allen die es benötigen, eine vergleichbare Gebor-
                                 denke auch alle anderen. Meist kommen alle bei un-      genheit!		                                            p
                                 seren dreiwöchigen Treffen, es braucht schon einen
                                 triftigen Grund, dass wer fehlt.                                                                 Stefan Zenz

                                 Auch wenn es manchmal schwer fällt hinzugehen!
                                 Ich habe oft schon am Vorabend von unseren Tref-
                                 fen das Gefühl, eigentlich nicht hingehen zu wollen,
                                 mich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu
                                 wollen, nicht meine Gefühle nach außen zu tragen.
                                 Je mehr ich dann darüber nachdenke und in mich

16                 Juni 2021                                                                                 HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg
buchvorstellung
Gemeinsam durch tiefste Trauer gehen und wieder ins Leben finden
Als Elternpaar ein Kind zu verlieren, bedeutet mutmaßlich, die größtmögliche Katastrophe zu
erleben. Nach dem Unfalltod ihres Sohnes Simon sind Roland und Christa Kachler gemeinsam
durch diese Schmerzerfahrung hindurchgegangen.

Als Theologe und Psychotherapeut bzw. als Sozialpädagogin haben sie sich intensiv nicht nur mit der ei-
genen Trauererfahrung auseinandergesetzt, sondern darüber hinaus eine Vielzahl von Eltern mit gleichem
Schicksal befragt. Die persönlichen Erfahrungen während der ersten, intensiven Jahre des Trauerns und
die erhobenen Befunde haben sie in einem „Paarbuch für trauernde Eltern“ niedergeschrieben.

Entstanden ist ein einfühlsames, bewegendes Doku-
ment: die Erfahrung des unsagbar tiefen Verlusts,
                                                                                                                Roland Kachler und
die Sorge um den Fortbestand der eigenen Bezie-
                                                                                                                Christa Majer-Kachler:
hung, die jeweils unterschiedliche Form des Trauerns
                                                                                                                Gemeinsam trauern –
und vor allem die langsame, zunächst kaum vorstell-
                                                                                                                gemeinsam weiter lieben.
bare Einübung eines Lebens, in dem das verstor-
                                                                                                                Das Paarbuch für trauernde
bene Kind den ihm angemessenen Platz innehat und
                                                                                                                Eltern.
in dem nach und nach die Paarbeziehung, die Rolle
als Eltern und das Zusammensein mit Verwandten
                                                                                                                Kreuz-Verlag, 2013
und Freunden wider Platz greift, wird in zehn Kapiteln
                                                                                                                220 Seiten
beschrieben. Auch wenn jeder Trauerprozess als
                                                                                                                ISBN 978-3-451-61171-1
persönliche Erfahrung durchlebt und durchlitten wer-
                                                                                                                Euro 17,50
den muss, so ist das Wissen um dessen (möglichen)
Verlauf und um die Möglichkeiten der aufmerksamen,
fürsorglichen Begleitung eine unschätzbare Stütze:
Neben detaillierten Beschreibungen der persönlichen Trauererfahrung als Mutter und Vater bzw. als
Partner*in geben die Kapitel Einblick in die Wucht des immer wieder neu aufbrechenden Schmerzes,
eingestreute „Impulse“ aber auch Hilfestellung zur schrittweisen Bewältigung des Prozesses.

Der Ansatz des „Komplementären Trauerns“ steht im Zentrum des Buches und wird als „neuer und
hilfreicher Ansatz für trauernde Paare“ ausführlich erläutert (S. 93ff.). Redende und handelnde, extro- und
introvertierte, emotionale und rationale sowie spirituelle und diesseitsorientierte Trauer werden als gleich-
wertige, sich vielfach ergänzende, oft einander bedingende Formen beschrieben.

Breiter Raum wird aber auch „dem Weg zurück zur Partnerschaft“ (S. 112ff.) und der Beziehung zu
anderen (etwa auch in Selbsthilfegruppen) eingeräumt, und nicht zuletzt wird auch das Thema Sexualität
angesprochen. Im letzten Abschnitt werden der Fragebogen und die wichtigsten Befunde der Auswertung
dargestellt. Ein Detail daraus: „Selbsthilfegruppen Betroffener, Trauerbegleitung und psychotherapeuti-
sche Begleitung werden durchweg als sehr hilfreich beschrieben. Paare sollten also solche Hilfen – mög-
lichst gemeinsam – in Anspruch nehmen.“ (S. 217)
                                                                                         Walter Spielmann
HOSPIZ BEWEGUNG Salzburg                                                                                        Juni 2021            17
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