Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN

Die Seite wird erstellt Yves-Leander Thiele
 
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Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
4•2020
                                   DAS MAGAZIN
                                   DER AWO BAYERN
                                   74. Jahrgang des „Helfer“

Mehr als ein Dach über dem Kopf.
WIR über Leben und Wohnen.

                                   DIE AWO
                                   IN SCHWABEN

                                   Fairer Handel
                                   Agenda 2030
                                   Wir arbeiten dran.

                                   Wohnen und Leben
                                   Psychisch Kranke
                                   brauchen besonderen
                                   Schutz.
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
WIR IN BAYERN                                      WIR IN SCHWABEN
Aus der AWO                                   3
AWO liebt Demokratie + Eine Frau aus Bayern        Editorial                                 11
für die Bundesspitze + Plädoyer für                AWO Schwaben spendet faire Lebensmittel   14
Menschlichkeit + Brigitte Tiator im Ruhestand +    AWO-Hort Füssen: Schöne Stunden
Frauenpower im Freistaat                           trotz Corona-Krise                        16
                                                   Haus Wagenseilstraße:
Unser Thema:                                       Ein Umfeld mit Verständnis                17
Mehr als ein Dach über dem Kopf.               6
                                                   Aus den Regionen                          18
Gemeinsam statt einsam: Quartiersprojekte
                                                   Reisetipp                                 19
bringen Menschen zusammen + Frauenhäuser:
Wohnen ist existenziell + Interview: Bauen für     Alles, was Recht ist                      20
Senioren braucht Fingerspitzengefühl

Liebe Leserinnen und Leser,

ein schwieriges und forderndes Jahr geht dem Ende entgegen. Die Corona-Pandemie hat
das Leben in einem Maße beeinträchtigt, das für uns alle undenkbar war und sie hat das
öffentliche und gesellschaftliche Leben einschneidend verändert. Die Konferenzen der AWO
konnten nicht stattfinden, Veranstaltungen wurden abgesagt und die Ortsvereine mussten
die so wichtigen Begegnungen auf ein Minimum beschränken.
Die letzten Monate haben aber auch gezeigt, dass die Arbeiterwohlfahrt in Bayern auch in
Zeiten der Krise zusammensteht und das „WIR“ lebt. Ob in unseren Pflegeeinrichtungen, in
Kitas oder in den Ortsvereinen: überall haben Haupt- und Ehrenamtliche über die Maßen
großen Einsatz gezeigt, um Menschen zu begleiten, um Kinder gut zu versorgen, während
die Eltern arbeiten müssen, und um Mitmenschen zu ermuntern, die Lebensfreude trotz
der Kontaktbeschränkungen nicht zu verlieren. Das verdient großen Respekt. Auch allen
Mitgliedern, die unsere Arbeit mit ihrem Beitrag und ihrem Engagement 2020 maßgeblich
unterstützt haben, sage ich ganz herzlich Danke.
Mit der letzten Ausgabe des Jahres wagen wir normalerweise einen Ausblick, doch dieser ist
in diesen Zeiten schwierig. Ich hoffe sehr, dass 2021 wieder mehr Freiräume und uns allen
wieder mehr persönliches Miteinander ermöglichen wird. Vor allem aber wünsche ich uns
allen, dass wir gesund bleiben. Nutzen Sie - gerade wegen Corona - die Adventszeit und
die Feiertage besonders für den Austausch mit den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen,
verlieren Sie nicht den Mut und kommen Sie gut ins neue Jahr.

Herzlich Ihr

Thomas Beyer
Landesvorsitzender
der AWO in Bayern
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Vielfältiges Programm –
                                                              Kostenlos weiterbilden
                                                              Die kostenlose Teilnahme an dem bayern-
                                                              weiten Projekt AWO l(i)ebt Demokratie
                                                              steht allen hauptamtlichen Mitarbei-
                                                              ter*innen, ehrenamtlich Engagierten,
                                                              Mitgliedern sowie auch noch nicht in

                                                                                                                 AUS DER AWO
                                                              der AWO aktiven Menschen offen.

                                                              Aufgrund der Corona-Situation finden
                                                              die meisten der Projektangebote derzeit
                                                              digital statt. Gemeinsam mit dem Team
Abschied von Brigitte Tiator                                  des neuen Aktionsbüro Demokratie des
                                                              AWO Landesverbandes Bayern e.V. kann
In einer kleinen Feierstunde hat Landesgeschäftsführer        die digitale Technik kennen gelernt und
Andreas Czerny die langjährige Leiterin der Freiwilligen-     eingeübt werden. Jeden Dienstag von
dienste des AWO Landesverbandes, Brigitte Tiator, in          16 Uhr bis 17 Uhr findet eine telefonische
den Ruhestand verabschiedet. Brigitte Tiator hat über         Online-Sprechstunde zum Thema „Wie
Jahrzehnte tausende junge Freiwillige bei der AWO ver-        kann ich an Videokonferenzen teilneh-
antwortlich begleitet, anfangs Zivildienstleistende, später   men?“ statt. Eine formlose Voranmeldung
Freiwillige des Sozialen Jahres (FSJ) und zuletzt vor allem   im neuen Aktionsbüro Demokratie ist
Menschen im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Landes-           erforderlich. (Kontakt siehe unten)
vorsitzender Prof. Dr. Thomas Beyer hob das große Enga-
gement hervor, mit dem Brigitte Tiator die Belange der        Die kommenden AWO l(i)ebt Demokratie
Freiwilligendienste mit den Bedürfnissen der Einsatz-         Online-Veranstaltungen:
stellen der AWO in Bayern in Einklang brachte und würdigte    • Jeden Monat: Team Toleranz, Team
ihre kompetente Zusammenarbeit mit dem Bayerischen               Erinnerungskultur, Team Umwelt
Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS),      und Nachhaltigkeit, Team Politischer
dem Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS), dem              Lesezirkel und Team Demokratiechor
Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA)         • 5.Dezember 2020 „Verschwörungs­
und dem AWO Bundesverband. Auch die Kolleginnen                  erzählungen – eine Gefahr für die
des Fachbereichs sagten mit sehr persönlichen Worten             Demokratie?“
herzlich „Auf Wiedersehen“.                                   • 27.Januar 2021 „Lange Nacht der
                                                                 Zweitzeug*innen“ zum Holocaust­
                                                                 gedenktag

Eine Frau aus Bayern für                                         Kontakt und Anmeldung:
die Bundesspitze                                              AWO Landesverband Bayern e.V.
                                                              Aktionsbüro Demokratie
Kathrin Sonnenholzner, seit 2016 stellvertre-                 zdt@awo-bayern.de
tende Landesvorsitzende der AWO in Bayern,                    089 / 54 67 54 - 140
soll ab 2021 die Bundesspitze der AWO als                     Icon Facebook und Instagram:
Co-Vorsitzende des Präsidiums verstärken. Die                 @awodemokratie
64-jährige Jesenwangerin engagiert sich seit                  www.awo-bayern.de
vielen Jahren für die AWO und bringt als SPD-
Mitglied des Bayerischen Landtages von 2003
bis 2018 politische Erfahrung in das Amt ein.
Die Wahl findet im Rahmen der für Juni 2021
geplanten Bundeskonferenz statt. Weitere
bayerische Kandidaten für das neue Präsidium
der AWO in Berlin sind Karin Hirschbeck, Vor-
sitzende des Kreisverbandes Fürth, und Stefan
Wolfshörndl, Vorsitzender des Bezirksverbands
Unterfranken. Beide gehören dem Gremium
bereits an und stellen sich erneut zur Wahl.

                                                                          WIR • Das Magazin der AWO Bayern   3
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
„Menschlichkeit darf nicht
                          DIE „WIR-REDAKTION“                              unter Strafdrohung stehen“
                          Sie haben Anregungen, Lob oder                   Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in
                          Kritik? Ihre Anmerkungen zum                     Bayern, Prof. Dr. Thomas Beyer, hat die bayerische
                          aktuellen Heft nehmen wir gerne auf.             Staatsregierung aufgefordert, gemeinsam mit den
                          Sie erreichen uns hier:                          Trägern von Pflegeheimen sowie den Angehörigen-
                                                                           vertretungen klare Rahmenbedingungen zu finden,
AUS DER AWO

                          Arbeiterwohlfahrt                                um Besuche in Pflegeheimen auch in den Winter-
                          Landesverband Bayern e.V.                        monaten zu ermöglichen. „Die Abschottung des
                          Edelsbergstraße 10, 80686 München                Frühjahres darf sich im Interesse aller Beteiligten
                          Telefon 089 546754–0                             nicht wiederholen. Heime sind keine Gefängnisse
                          redaktion@awo-bayern.de                          und können niemals Hochsicherheitstrakte sein“,
                                                                           ist Beyer überzeugt. Der AWO-Chef verwies nicht
                                                                           nur auf die immensen Belastungen, die eine Iso-
                                                                           lierung für Bewohner*innen und ihre Angehörigen
                                                                           mit sich bringt, sondern auch auf den enormen
                                                                           Druck, der dadurch für die Mitarbeitenden in der
                                                                           Pflege erzeugt wird. Andererseits fühle sich die
                                                                           Praxis zu sehr auf sich allein gestellt. „Wir brauchen
                                                                           jetzt klare Regeln für Besuchsmöglichkeiten in
                                                                           den Einrichtungen in Abhängigkeit vom örtlichen
                                                                           Infektionsgeschehen. Die Politik muss der Praxis
                                                                           hier Rückendeckung geben. Es darf nicht sein, dass
                                                                           die Einrichtungen, die der Menschlichkeit den
                                                                           gebotenen Raum geben, in einer permanenten
                                                                           Grauzone bis hin zur Anzeige bei der Staatsanwalt-
                                                                           schaft stehen“, formulierte Beyer seine Erwar-
                                                                           tungen an die zuständigen Ministerien.

              Gemeinsam für eine Wende
              Zu einem intensiven Meinungsaustausch kamen
              im August der Vorsitzende der SPD-Landtags-
              fraktion, Horst Arnold, und die Vorsitzende
              des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Jugend       Nichts gegen Beziehungen
              und Familie im Landtag, Doris Rauscher, in
              die Nürnberger Geschäftsstelle des Landesver-      Peter Gaymann gehört zu den erfolgreichsten
              bandes. Neben der Würdigung der großen             Cartoonisten Deutschlands. Im neuen Tisch- und
              Leistungen der Beschäftigten des Sozialbe-         Postkartenkalender „Cartoons von der Couch“,
              reichs während der Corona-Pandemie stand           erschienen im Medhochzwei-Verlag, bringt er
              das gemeinsam mit dem Bund Naturschutz             wieder viele Beziehungs- und Therapiesituationen
              in Bayern erarbeitete AWO-Papier für eine          humor- und liebevoll auf den Punkt. WIR verlost
              sozial-ökologische Wende (WIR berichtete in        drei Tischkalender von Peter Gaymann. Einsen-
              Heft 3/2020) im Mittelpunkt des Gesprächs          deschluss ist der 31.Dezember 2020. Senden Sie
              mit AWO Landesvorsitzenden Prof. Dr.               einfach eine Mail mit Name, Anschrift und Telefon-
              Thomas Beyer.                                      nummer an petra.dreher @awo-bayern.de
                                                                 oder eine Postkarte an den AWO Landesverband,
                                                                 Edelsbergstraße 10, 80686 München. Die Gewinner
                                                                 werden schriftlich benachrichtigt. Stichwort
                                                                 „Beziehungen“.

              4   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
AWO Frauen und
Sozialpolitik
100 Jahre Bayerische AWO - das sind auch 100 Jahre
Geschichte bayerischer AWO Frauen, wie die im Oktober auf

                                                                                                                                  AUS DER AWO
dem Nürnberger Hauptmarkt eröffnete Ausstellung Mache-
rinnen. Helferinnen Frauen und die AWO zeigt. WIR hat den
Historiker Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, Mitherausgeber
der Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, nach seinem
Blick auf die AWO gefragt.
Interview: Isabel Krieger

Herr Prof. Rumschöttel, was macht aus Ihrer Sicht die AWO
heute aus?
Die schwierige, aber bemerkenswert erfolgreiche Kom-
bination von drei Handlungsfeldern: Die traditionelle
Aufgabe als sozialpolitische Speerspitze im modernen
Staat, die gesellschaftlichen Leistungen einer ehrenamt-
lich engagierten Mitgliederorganisation und schließlich
die Effektivität und Produktivität eines professionellen
Dienstleistungsunternehmens. Im sehr harmonischen
Konzert der wohlfahrtspflegerischen Spitzenverbände in
unserem Freistaat spielt die AWO als „soziale Stimme“
eines Sozialen Bayern eine unverwechselbare (und un-
verzichtbare) tragende Rolle.                                        Die Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, von
                                                                 Prof. Dr. Hermann Rumschöttel und Prof. Dr. Thomas Beyer,
Welche Rolle spielten für die Entwicklung des Verbandes in       ist unter https://verlag.geiselberger.de erhältlich.
Bayern die Frauen?
AWO-Geschichte ist Frauengeschichte. Oder umgekehrt:               Die Ausstellung „Macherinnen. Helferinnen. Frauen
Die gesellschaftliche und politische Emanzipation der            und die AWO“ lädt zu einem virtuellen Rundgang auf der
Frauen im 20. Jahrhundert mit all ihren Hürden und Er-           Homepage unter www.awo-bayern.de ein.
folgen kann am Beispiel der AWO deutlich vor Augen ge-
führt werden. Die AWO war immer auch eine frauenpo-
litische Speerspitze. Ins Leben gerufen von einer
mutigen, politisch denkenden und handelnden Frau, bis        Die Arbeiterwohlfahrt ist Teil der Sozialgeschichte des Frei-
heute in der ehrenamtlichen Wohlfahrtspflege mehr-           staats. Täuscht der Eindruck, dass das Soziale Bayern bei der
heitlich von Frauen getragen und als Aktionsrahmen für       geschichtlichen Darstellung bis heute etwas kurz kommt?
nach gesellschaftlicher und politischer gleichberechtigter   Das muss man leider zugeben. Bayerische Geschichte
Mitwirkung strebender Frauen, kann man die Geschich-         des 19. und 20. Jahrhunderts in Forschung, Lehre und
te der Arbeiterwohlfahrt als eine Erfolgsgeschichte des      Darstellung war sehr lange Zeit vor allem Herrscher-
Kampfes um Gleichberechtigung verstehen. Eines               und Staatsgeschichte. Seit den 1970er Jahren sind aller-
Kampfes freilich, der noch nicht beendet ist.                dings in wachsendem Maße gesellschaftsgeschichtliche
                                                             Themen in den Fokus gerückt. „Gesellschaft“ mit ihren
                                                             wirkungsmächtigen Aktivitäten und ihren einflussrei-
                  „Die AWO ist bis heute                     chen Organisationen wird heute als wesentliches, zum
                                                             Teil als entscheidendes Element der historischen Ent-
                  eine sozialpolitische                      wicklung erkannt und beschrieben. Ein nicht unwichti-
                  Speerspitze.“                              ger Grund für die „Staats- und Kirchenlastigkeit“ der
                                                             älteren Landesgeschichte ist die Tatsache, dass die Quel-
                  Historiker Prof. Dr. Hermann
                                                             lenlage ordentlich ist. Ein Hinweis deshalb an die AWO:
                  Rumschöttel.
                                                             Man muss seine Spuren dokumentieren, wenn man will,
                                                             dass sie später ein Historiker entdeckt.

                                                                                           WIR • Das Magazin der AWO Bayern   5
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Nur ein Dach?
                   Wie wollen wir im Alter leben? Lange stellten sich die Menschen diese Frage
LEBEN UND WOHNEN

                   nicht. Der Familienverbund, das Dorf, die Nachbarschaft waren mehr oder
                   weniger verlässliche Garanten dafür, zumindest die rüstigen Jahre gut in
                   den eigenen vier Wänden verbringen zu können. Doch mit zunehmender
                   Mobilität, mit ausblutenden Ortschaften auf dem Land, mit immer weniger
                   bezahlbarem Wohnraum nicht nur in den Ballungsräumen und einer immer
                   älter werdenden Gesellschaft rückt das Thema Wohnen im Alter stärker in
                   den Blick. Die bayerische AWO hat mit dem Projekt „LiA - Leben im Alter“
????????

                   eine Bestandausnahme gemacht, welche Wohnformen und Unterstützungs-
                   angebote es für das letzte Lebensdrittel gibt – von Pflegeeinrichtungen bis
                   zum ambulanten Wohnen.

                   „Die häufigste Wohnform im Alter, nämlich das Wohnen in
                   einer normalen Wohnung, spielt in der öffentlichen Diskus-
                   sion um die Versorgung älterer Menschen häufig nur eine
                   untergeordnete Rolle“ , sagt Stefanie Fraaß, die das Projekt
                   für den AWO Landesverband Bayern durchgeführt hat.
                   Dabei wünschten sich die meisten Menschen genau das.
                   „Ziel ist es deshalb, älteren Menschen – sowohl im länd-       In vielen Regionen Bayerns hat die AWO bereits Anlauf-
                   lichen Raum, in Stadtrandgebieten als auch in städtischen      stellen geschaffen, die sich mit dem Älterwerden im
                   Wohnquartieren – die Unterstützung zukommen zu lassen,         eigenen Quartier beschäftigen. So gibt es beispielsweise
                   die sie brauchen, um im Alter so lange wie möglich gut         in Augsburg, Landshut, Forchheim und Nürnberg Projekte
                   in den eigenen vier Wänden zu leben.“                          für Betreutes Wohnen und Quartiersmanagement. Ein
                                                                                  besonderes Projekt hat die AWO im oberfränkischen Coburg
                   Die Vernetzung und das Zusammenspiel von Dienstleis-           initiiert. Unter dem Dach eines eigenen Trägervereins,
                   tern, An- und Zugehörigen, Nachbar*innen und Ehren-            der am Mehrgenerationenhaus angesiedelt ist, eröffnete
                   amtlichen sind dabei ein Schlüsselfaktor. Sie ermöglichen      2009 das alternative Wohnprojekt Wilna. Die Abkürzung
                   den Aufbau von Versorgungsnetzwerken. Die Angebote             steht für „Wir leben nicht allein“. 15 abgeschlossene
                   müssen sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren:           barrierefreie Wohnungen sowie eine Gemeinschaftswoh-
                   Vielleicht braucht es einem Viertel zum Beispiel keinen        nung stehen hier Menschen allen Alters in einem altein-
                   Supermarkt, aber dringend einen Hausarzt. In einem             gesessenen Wohnquartier der gut 40.000 Einwohner
                   anderen hingegen eine funktionierende Nachbarschafts-          zählenden Stadt als Mietwohnungen zur Verfügung.
                   hilfe als Ergänzung bereits bestehender Infrastruktur.
                   „Im Rahmen von lokalen Verantwortungsgemeinschaf-              Die Bewohner*innen des Mehrfamilienhauses unter-
                   ten können die Akteure vor Ort die Konzepte entwickeln,        stützen sich gegenseitig im Alltag und organisieren auch
                   die passgenau sind“, fasst Fraaß zusammen.                     gemeinsame Aktivitäten. Mehr als zehn Jahre sind seit
                                                                                  der Eröffnung vergangen und Johanna Thomack vom
                                                                                  Trägerverein zieht eine positive Bilanz. „Es war ein langer
             „Wer im Alter nicht                                                  Prozess, bis wir das Haus eröffnen konnten. Wir mussten
             allein sein will,                                                    die Idee erst zu den Menschen bringen. Doch heute sind
                                                                                  alle Wohnungen vermietet. Wir haben sogar eine Warte-
             muss auf Menschen                                                    liste und Interessenten für weitere Häuser“, sagt sie. „Was
             zugehen.“                                                            uns fehlt, sind brauchbare Immobilien und Investoren
                                                                                  für ein weiteres Quartiersprojekt“, sagt Thomack.
             Ursula Schmitt
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Zusammen Leben
Ursula Schmidt ist eine der Bewohnerinnen. Vor drei
Jahren zog die rüstige 75-Jährige aus ihrem Haus in          Im Landkreis Coburg hat die AWO vor gut fünf
eine 85 Quadratmeterwohnung im Erdgeschoss und hat           Jahren ein innovatives Projekt auf den Weg gebracht:
ihren Entschluss nicht bereut. „Nach dem Tod meines          „Zusammen Leben“ soll ältere Menschen mit Familien

                                                                                                                           LEBEN UND WOHNEN
Mannes war ich alleine in einem großen Haus. Hier            zusammenbringen. Das Projekt ist am Coburger
habe ich Menschen und Geselligkeit, kann aber auch           Mehrgenerationenhaus angesiedelt. WIR hat bei
die Türe zu machen, wenn ich mag“, sagt sie.                 Projektleiterin Kristin Herbst nachgefragt.

Doch nicht nur im Haus, auch mit der Nachbarschaft gibt      Frau Herbst, was müssen Menschen mitbringen,
es mittlerweile einen guten Austausch. Zum Beispiel beim     die sich auf ein gemeinsames Wohnprojekt wie
gemeinsamen Mittagessen, zu dem regelmäßig Menschen          „Zusammen Leben“ einlassen?

                                                                                                                           ????????
zusammenkommen und von ehrenamtlichen Mitarbei-              Auf jeden Fall Offenheit und klare Vorstellungen.
ter*innen bekocht werden. Die Wohnung kann auch              Zusammen zu leben, bedeutet immer auch, sich auf
privat von den Bewohnern genutzt werden. „Die Mieter         einen anderen Menschen einzustellen. Das geht nur,
beherbergen hier beispielsweise Gäste“ sagt Johanna          wenn ich selbst genau weiß, wie ich leben möchte.
Thomack. Die Sozialpädagogin steht als Ansprechpartnerin
bereit, vermittelt, organisiert und unterstützt, wo nötig,   Wer kommt zu Ihnen?
die Hausgemeinschaft. „Es gibt natürlich auch immer          Das sind meist ältere Menschen, die nicht mehr
mal was zu klären. Alles in allem kann man aber sagen,       alleine leben wollen und Anschluss suchen. Wir
dass es ziemlich gut klappt“. Das Nachbarschaftsnetz,        sprechen aber auch gezielt Menschen an, die über
das zunächst nur für den Stadtteil konzipiert war, hat       leerstehenden Wohnraum verfügen und vielleicht
mittlerweile viele Äste, von denen auch das Coburger Mehr-   einen älteren Menschen oder eine Familie bei
generationenhaus profitiert. „Wir haben heute über           sich aufnehmen wollen.
300 Ehrenamtliche, die sich in der gesamten Stadt enga-
gieren“, sagt Thomack. „Das ist ein riesen Gewinn“.          Sie empfehlen, das Zusammenleben klar zu regeln,
                                                             etwa Hilfen vertraglich festzuhalten. Widerspricht
Für Stefanie Fraaß vom AWO Landesverband ein Beispiel,       das nicht der Idee des gemeinschaftlichen Lebens
wie das Zusammenspiel der Akteure zugunsten eines            und Wohnens?
Miteinanders der Generationen gelingen kann. 2021            Im Gegenteil. Je genauer die jeweiligen Erwartungs-
soll der Abschlussbericht des Projekts LiA erscheinen,       haltungen und Vorstellungen schon im Vorfeld aus-
mit einem Fazit, welche Aufgaben nicht nur auf die AWO       gesprochen und schriftlich fixiert werden, desto
in den nächsten Jahren zukommen. „Wenn wir als Ge-           mehr Freiräume entstehen im Alltag, weil jeder
sellschaft den Vorstellungen von Senior*innen gerecht        weiß, was er vom anderen erwarten kann und darf.
werden wollen, müsse wir uns mit dem Thema Leben
und Wohnen mehr beschäftigen“, ist sie sich sicher.          Was leisten Sie als Projektleiterin?
                                                             Wir bringen die Interessenten zusammen und
                                                             schauen, ob es passt. Dazu braucht es oft vieler
             „In unseren Wohnprojekten                       Gespräche. Manchmal hakt es an Kleinigkeiten,
                                                             beispielsweise, dass jemand eine Katze hat, der
             unterstützen sich Menschen                      potenzielle künftige Mitbewohner aber eine Haus-
             gegenseitig im Alltag. Das hilft                tierallergie. So etwas kann man schon zu Beginn
             allen, die dort leben.“                         klären. Und natürlich begleiten wir die Projekte.
                                                             Manchmal gibt es auch Krisen. Dann bieten
             Johanna Thomack und Kristin Herbst,             wir Mediation an. Oder aber die Lebensumstände
             Mehrgenerationenhaus Coburg                     verändern sich, weil jemand erkrankt. Dann
                                                             können wir als Fachstelle für pflegende Angehö-
                                                             rige zum Beispiel Unterstützung organisieren.

                                                               Infos unter www.awo-mgh-coburg.de/
                                                             ueber-uns/leben-in-gemeinschaft

                                                                                    WIR • Das Magazin der AWO Bayern   7
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Mit einer Schmink-
                                                                                                        aktion mitten in
                                                                                                        der Stadt wies das
                                                                                                        Würzburger Frauen-
                                                                                                        haus auf das Problem
LEBEN UND WOHNEN

                                                                                                        von Gewalt gegen
                                                                                                        Frauen hin.
????????

                                                                                                          Von allem zu wenig
                                                                                                          In den letzten Jahren suchten jährlich
                                                                                                          etwa 1.700 Frauen in Bayern mit

                   Wohnen ist existenziell
                                                                                                          mehr als 1.700 Kindern Zuflucht in
                                                                                                          einem Frauenhaus. Bayernweit gibt es
                                                                                                          39 staatlich geförderte Frauenhäuser,
                                                                                                          darunter sieben in Trägerschaft der
                   Für Frauen, die aus einer gewalttätigen Beziehung in ein Frauenhaus geflüchtet         AWO, die 362 Plätze für Frauen und
                   sind, womöglich mit Kindern, ist Wohnen weit mehr als ein Dach über dem                437 Plätze für Kinder bereitstellen.
                   Kopf – es ist existenziell. In den vergangenen Jahren war die Situation der            Gemäß der von Deutschland ratifizierten
                   Frauenhäuser im Freistaat jedoch finanziell angespannt. Die AWO hat darauf             Istanbulkonvention müsste wenigstens
                   über Jahre hinweg immer wieder hingewiesen. Nun gibt es seit 2019 mehr                 ein „Family place“ (=2,59 Betten) pro
                   Geld für die Frauenhäuser, die damit zusätzliche Plätze schaffen können.               10.000 Einwohner*innen vorgehalten
                   Doch noch immer nicht gelöst ist das drängendste Problem: der fehlende                 werden. Nach Empfehlung des Europa-
                   Wohnraum im Anschluss. Weil sie vor allem in Ballungsräumen keine bezahlbare           rates wäre sogar ein Frauenhausplatz
                   Wohnung finden, in die sie nach der Obhut des Frauenhauses ziehen können,              pro 7.500 Einwohner*innen angemes-
                   bleibe viele Frauen dort länger, als sie selbst eigentlich wollen. Das führt dazu,     sen. Eine Bedarfsermittlungsstudie von
                   dass die Plätze in den Frauenhäusern weiterhin knapp bleiben, auch wenn                2016 zeigte: Der Freistaat ist bislang
                   Einrichtungen wie das Würzburger Frauenhaus durch die höhere Förderung                 davon weit entfernt.
                   Anfang 2021 vier zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten schaffen können.
                                                                                                          Die AWO ist an dem Modellprojekt
                   Etwas Entspannung bringt seit 2020 ein vom Sozialministerium gefördertes               Second-Stage an folgenden Stand­
                   Projekt mit dem Namen „Second - Stage“. Es macht den Frauenhäusern mög-                orten beteiligt:
                   lich, die Frauen bei der Wohnungssuche zu unterstützen und sie auch während            • AWO Frauenhaus Dachau gGmbH,
                   der ersten Zeit in der neuen Bleibe zu betreuen und zu begleiten. „Das sind               Frauenhaus Dachau
                   Frauen, die haben kein soziales Netz und vielfach auch keine Familie und keinen        • AWO Bezirksverband Unterfranken e.V.,
                   Beruf“, sagt Brita Richl, Leiterin des Würzburger Frauenhauses, „ohne Unter-              Frauenhaus Würzburg AWO
                   stützung ist es für sie fast unmöglich, eine Wohnung zu bekommen“. Seit Januar         • AWO Kreisverband Mittelfranken Süd
                   2020 ist am Würzburger Frauenhaus, das eines von bayernweit 17 Second-                    e.V., Frauenhaus Schwabach
                   Stage Projekthäusern ist, eine Mitarbeiterin angesiedelt, die sich um Kontakte         • AWO Kreisverband Wunsiedel e.V.,
                   mit Wohnungsbauunternehmen und Vermietern kümmert. Obwohl Corona den                      Frauenhaus Selb
                   Mietmarkt im Frühjahr komplett lahm legte, gibt es erste Erfolge: Im August            • AWO Betriebsträger und Projektent-
                   konnte eine Frau mit vier Kindern, die zuvor eineinhalb Jahre im Frauenhaus               wicklungsgesellschaft mbH Augsburg,
                   lebte, eine Second-Stage Wohnung beziehen. Weitere Gespräche laufen.                      Frauenhaus Augsburg
                                                                                                          • AWO Ortsverein e.V. Neu-Ulm,
                   „Wohnungssuchen sind sehr zeitintensiv“, sagt Frank Alibegovic, Fachbereichs-            Frauenhaus Neu-Ulm.
                   leiter Kinder, Jugend und Familie beim Bezirksverband Unterfranken „es gibt
                   wenige, die finanziell überhaupt in Frage kommen“. Doch auch nach einem
                   Umzug ist Unterstützung nötig: „Diese Frauen brauchen bei vielen Themen Hilfe.
                   Das fängt bei der Korrespondenz mit Behörden an und geht bis zur Suche nach
                   einem Kinderarzt“, berichtet Brita Richl. „Das Übergangsmanagement ist ganz
                   entscheidend. Nur so kann der Weg in ein eigenständiges Leben gelingen.“

                   8   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
INTERVIEW                                                                                 Leonhard Höss, Jahrgang 1963,
                                                                                          studierte Architektur und betreibt

Bauen mit Finger-                                                                         zusammen mit zwei Partnern
                                                                                          das Büro Höss Amberg + Partner

                                                                                                                                      LEBEN UND WOHNEN
                                                                                          Architekten in München, das

spitzengefühl                                                                             sich auf das Planen und Bauen
                                                                                          barrierefreier Architektur vor
                                                                                          allem für die ältere Generation
Interview: Isabel Krieger                                                                 spezialisiert hat. Infos unter
                                                                                          www.hap-architekten.de

Herr Höss, die meisten Architekten          angeschlossen. Wir versuchen,

                                                                                                                                      ????????
bauen für junge und gesunde Men-            Grundrisse zu entwickeln, die
schen. Schicke Lofts, Offices, Kitas. Ihr   unterschiedliche Nutzungsszenarien
Büro hat sich auf den Bau von Pflege-       ermöglichen, damit das Heim nicht
heimen spezialisiert. Wie baut man          schon nach wenigen Jahren wieder
für hochbetagte Menschen?                   komplett umgebaut werden muss.
Unser erstes neugebautes Heim ent-          Damit man aus zwei Einzelzimmern
stand Ende der 1980er Jahre in              ein Appartement machen oder in
Zusammenarbeit mit dem Kuratorium           einem Gebäudeflügel ohne großen
für Altenhilfe. Es war ein Modellpro-       Aufwand eine Demenzwohngruppe
jekt, in dem ein Wohngruppenkon-            oder Pflegeoase einrichten könnte.
zept umgesetzt wurde, was damals
noch ungewöhnlich war. Seither              Früher waren Heime meist zweigeteilt:
hat sich viel verändert. Es gibt immer      Es gab einen Bereich für die „Rüstigen“,   nicht riesige Fassaden bauen,
wieder Stimmen, die meinen, Heime           und einen Bereich für Menschen mit         man kann auch Flure und Eingangs-
werden nicht mehr gebraucht. Das            Pflegebedarf. Heute sind Heime fast        bereiche nutzen, indem man dort
glaube ich nicht. Es wird immer             ausschließlich Orte für Menschen, die      Lichthöfe schafft, die Tageslicht
Heime geben, denn das Pflegethema           am Ende des Lebens Pflege benötigen.       hereinlassen. In den Wohngruppen
bleibt. Man versucht heute mehr als         Was bedeutet das für die Gestaltung        wiederum darf es nicht überall hell
früher, in Heimen das Leben abzu-           der Räume?                                 sein, da muss das Lichtkonzept den
bilden. Durch Hausgemeinschaften,           Die Bewegungsflächen sind in den           Tag -Nacht-Rhythmus der Bewohner
durch kleinere Wohneinheiten mit            vergangenen Jahren etwas größer            berücksichtigen. Ein Pflegeheim ist
Küche und Gemeinschaftsbereich,             geworden, der einzelne Mensch hat          kein Krankenhaus light. Die Wohnlich-
durch Einzelzimmer, die auch in der         einen größeren Radius zugesprochen         keit muss im Vordergrund stehen.
letzten Phase des Lebens eine ge-           bekommen. Zudem ist es seit einigen
wisse Privatheit ermöglichen. Darüber       Jahren Vorschrift, dass mindestens         Alte Menschen sind verletzlich. Sie
hinaus spielt Teilhabe eine große           ein Viertel der Zimmer rollstuhl-          hören und sehen oft schlecht, sind
Rolle. Wir haben neulich ein Heim           gerecht ist. Das ist für die Betreiber     sturzgefährdet. Demente Menschen
aus den 1970er Jahren abgerissen,           nicht immer leicht, denn auch              verlieren häufig die Orientierung. Wie
das hatte noch zehn steile Stufen           bestehende Bauten müssen nach-             kann die Architektur dagegen wirken?
bis zum Eingang. Und igendwo                gerüstet werden, was mit hohen             Man kann man Räume schon
versteckt einen Aufzug. Das gibt es         Kosten und viel Aufwand verbunden          so gestalten, dass sie Sicherheit
heute nicht mehr.                           ist. Nicht selten ist da ein Neubau,       und Orientierung geben. Indem
                                            der auch energietechnisch auf dem          man sie klar strukturiert, in dem
Wie wird stattdessen gebaut?                neuesten Stand ist, besser.                man Farben verwendet, die positiv
Wenn ein Heim neu entsteht, dann                                                       wirken, in dem man Fluchttüren
natürlich barrierefrei und vom              Viele Menschen in Heimen sind bett-        dezent verkleidet, indem man
Grundriss her so gestaltet, dass es         lägerig, viele haben Demenz. Kann die      Übergänge im Boden schafft, die
ins Quartier passt. Dem geht meist          Architektur da einen positiven Beitrag     ein Signal aussenden, wenn ein
ein langer Abstimmungsprozess, mit          leisten?                                   dementer Mensch die Einrichtung
der Kommune, mit den Anwohnern              Ich denke schon. Licht etwa spielt         verlassen will. Hinter dem was
und natürlich mit dem Betreiber,            eine große Rolle. Man weiß heute,          machbar ist, stehen oft natürlich
voraus. Einige Heime haben heute            dass Tageslicht die Stimmung positiv       ethische Fragen. Wie viel Sicher-
auch eine Tagespflege oder eine             beeinflusst, gerade dann, wenn             heit braucht es, wie viel Freiheit
Cafeteria, die auch von externen            Menschen an Demenz leiden. Um              muss sein? Das ist eine Debatte,
Besuchern gerne genutzt wird,               Licht ins Haus zu holen, muss man          der sich die Pflege stellen muss.

                                                                                               WIR • Das Magazin der AWO Bayern   9
Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
Gut gedacht und
                   gemacht
LEBEN UND WOHNEN

                                                              HalliHallo
                   Viele gute Ideen haben Menschen            Damit Seniorinnen und Senioren            Klein, aber fein: Der Kerwa-Baum 2020
                   während der letzten Monate entwickelt,     auch in Zeiten von sozialem Abstand
                   um die Folgen der Corona-Krise für         andere Menschen unterstützen kön-
                   Alte, Arme und Familien mit Kindern        nen, hat Sonja Block während des
                   abzumildern. Die Bertold Kamm Stif-        Lockdowns ein Projekt zum Austausch
                   tung will dieses Engagement würdi-         gestartet. Die Idee: Senior*innen
                   gen: Mehr als ein Dutzend Zuschriften      sprechen online mit Menschen, die
                   mit Ideen aus allen Teilen des Landes      ihr Deutsch verbessern wollen. Sie
                   gingen ein. Fünf besonders gelungene       bieten den Deutsch-Lernenden in
                   Projekte hat die Jury des Stiftungsvor-    Video-Gesprächen einen geschützten
                   standes daraus nun ausgewählt. Sie         Raum, in dem diese ihre Sprach-
                   werden mit 200 Euro ausgezeichnet. Alle    kenntnisse in Ruhe anwenden können
                   anderen Projekte erhalten als Aner-        und sie dadurch verbessern. Ein tolles
                   kennung 50 Euro. Die Stiftung sagt Danke   Einzelengagement, das gewürdigt ge-       Handpuppe Purzelbaum geht YouTube
                   für so viel Engagement.                    hört. Infos unter www.hallihallo.org

                   Ein Hauch von Kerwa                        Lebensmittel für Alte und Arme
                   Traditionell startet mit der Kerwa im      Gleich zu Beginn der Pandemie hatte
                   Erlanger Ortsteil Büchenbach jedes Jahr    die AWO Nachbarschaftshilfe Otto­
                   die Kirchweih des AWO Sozialzentrums       brunn- Hohenbrunn- Neubiberg
                   in Büchenbach, das neben seinen            eine Lebensmittelaktion ins Leben
                   Bewohner*innen auch die Menschen           gerufen, um bedürftige Menschen
                   im Stadtteil einlädt. Wegen Corona         zu unterstützen. Anfangs gaben die        HalliHallo schafft Begegnungen
                   konnte die Büchenbacher Kerwa 2020         Aktiven weiter, was gespendet wurde,
                   nicht stattfinden. Umso stolzer ist das    bald unterstützten auch Betriebe
                   Sozialzentrum darauf, dass es seinen       aus der Region das Projekt, das sich
                   Bewohner*innen eine zwar etwas             schnell so etablierte, dass die „Aktion
                   kleinere und hausinterne, aber den-        Mensch“ darauf aufmerksam wurde
                   noch gelungene Kerwawoche ermög-           und es finanziell einmalig unter-
                   lichen konnte. Dabei gab es fränkische     stützte. Nun ist es Winter geworden,
                   Schmankerl, Musik und viele Aktionen       die Pandemie hält an und die Nach-
                   und die Wohnbereiche waren ge-             barschaftshilfe würde die Initiative
                   schmückt. Und natürlich durfte auch        gerne fortführen. Auch dafür gibt es
                   ein Kerwabaum nicht fehlen.                200 Euro von der Kamm Stiftung.

                                                                                                        Lebensmittelspenden in der Krise
                   Purzelbaum auf YouTube                     Eisrallye durch Füssen
                   Damit ihre Krippenkinder während           Der Lockdown in der Corona-Krise
                   des Lockdowns ihre geliebte Hand-          stellte insbesondere Familien vor
                   puppe, das Zwerglein Purzelbaum,           große Herausforderungen. Gegen
                   nicht vergessen, hatte sich Krippen-       Frust, Langeweile und Lagerkoller
                   mitarbeiterin Conny Reichert von der       entwickelten die Leiterinnen des
                   AWO Kinderkrippe Zauberwald in Burg-       AWO FamilienForums in Füssen die
                   hausen etwas Besonderes ausgedacht.        1. Füssener AWO-Eisrallye. Über
                   Sie richtete kurzerhand in ihrer Woh-      einen Zeitraum von drei Wochen
                   nung ein kleines Aufnahmestudio            konnten Familien mit Kindern
                   ein - und dann wurde gefilmt. Pur-         an einer Schnitzeljagd durch die
                   zelbaum bekam auf Youtube dann             Stadt teilnehmen. Die Lösungs­
                   sogar einen eigenen Kanal. Dort            buchstaben waren an öffentlichen
                   sind mittlerweile eine ganze Reihe         Plätzen versteckt. Am Ende gab es
                   Videos zu sehen. Die Jury ist der          für alle 77 Teilnehmer*innen ein
                                                                                                        Eisrallye quer druch Füssen
                   Meinung: Das ist tolles Engagement!        leckeres Eis.

                   10   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
WIR DIE AWO

                                                                                                               AUS DEM BEZIRKSVERBAND
IN SCHWABEN
Liebe Leserinnen und Leser,

ganz leicht ist es nicht, dem Jahr 2020
Positives zu testieren. Vor allem, wenn
wir an die Covid-19-Problematik den-
ken. Da gilt es zunächst allen in der
Pflege Tätigen sowie den in unseren
Kitas, Klinken, Wohnheimen und Bera-
tungsstellen Verantwortung Tragenden
ein dickes Dankeschön auszusprechen.       Kühles für Klimaschützer
Über 4.000 ältere Menschen und Kinder
                                           „Kohlekonzerne - baggern in der Ferne, zerstören un-
stehen in gut 70 Heimen und Kitas in       sere Umwelt – nur für einen Batzen Geld. Wo wir unsere
unserer Obhut. Darüber hinaus sind es      Zukunft sehen? – in erneuerbaren Energien“, schallte
etwa 1.000 Menschen, denen wir ständig     es über den Augsburger Rathausplatz. Was war los? Das
in unseren Kliniken und Beratungsstellen   Augsburger Klimacamp zeigte einer kleinen Delegation
                                           der AWO Schwaben einen Ausschnitt seiner Protestakti-
Hilfen angedeihen lassen. Trotz Corona
                                           onen und forderte gleich zum Mitmachen auf. Präsidi-
haben wir unsere sozialen Dienste dank     umsmitglied Petra Fischer, Freiwilligenmanagerin
unseres Personals aufrechterhalten. Auch   Daniela Ziegler und Antonia Kraus, Koordinatorin für
seien unsere ehrenamtlich Engagierten      Kinder- und Jugendarbeit, waren vorbeigekommen, um
nicht vergessen: Sie haben die AWO nicht   die Klimaschützer am bislang heißesten Tag des Jahres
im Stich gelassen. Wir sollten auch da-    mit kalten Getränken und Eisgutscheinen zu unterstüt-
                                           zen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Hierbei
ran denken, dass sich unser Sozialstaat    begrüßten sie das großartige Engagement der vielen
in dieser Krise bewährt hat. Auch wenn     jungen Menschen im Camp. Diese wiederum zeigten
noch einiges besser laufen könnte. Mit     sich interessiert an den Klima-Bestrebungen der AWO
einem vorsichtigen Ausblick auf 2021 –     Schwaben. Deren Einrichtungen verbuchen schon jetzt
Medikamente und Impfstoff werden hof-      eine deutliche Einsparung an CO2 mittels einer Vielzahl
                                           an baulichen Maßnahmen. Ein Großteil bezieht bereits
fentlich bald einsetzbar sein - wünsche
                                           100 % Ökostrom aus heimischen Wasserkraftwerken.
ich geruhsame Weihnachtsfeiertage und      Die AWO Schwaben erprobt zudem modellhaft einen
vor allem ein gesundes Neues Jahr.         ganzheitlichen Klimaschutz in stationären Pflegeein-
                                           richtungen im Rahmen des AWO-Projekts „Klimafreund-
Herzlich Ihr                               lich pflegen“. Petra Fischer stellte zudem ihr Königs-
                                           brunner AWO-Projekt „MeerPlastik“ vor (wir berichteten
                                           bereits). Die Solidarität mit den Zielen des Augsburger
Dr. Heinz Münzenrieder                     Klimacamps bzw. der „Fridays for Future“-Bewegung
Vorsitzender des Präsidiums                fußt darüber hinaus aber auch auf eigenen AWO-Wer-
und Verwaltungsrats                        ten. In ihrem überarbeiteten, bundesweit geltenden
                                           Grundsatzprogramm fordert die Arbeiterwohlfahrt einen
                                           nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen
                                           und verdeutlicht damit, dass sozialer Fortschritt zugleich
                                           den Schutz von Natur und Umwelt im Blick haben muss.

                                                                       WIR • Das Magazin der AWO Bayern   11
77. Todestag: Bebo-Wager-Gedenken
AUS DEM BEZIRKSVERBAND

                         „Unendliche Liebe trage ich auf dem letzten Gang
                         in mir. Dass ich nicht als Verbrecher sterbe, brau-
                         che ich nicht zu sagen. Dass ich nur Gutes er-
                         strebte.“ 77 Jahre ist es nun her, dass Bebo
                         Wager diese anrührenden Zeilen an seine Liebs-
                         ten schrieb, kurz bevor er von den Nationalsozia-
                         listen hingerichtet wurde. Bei der diesjährigen
                         Gedenkfeier am Ehrengrab auf dem Augsburger
                         Westfriedhof hielten SPD und AWO den Wider-
                         standskämpfer in Erinnerung, betonten zugleich
????????

                         aber auch das Schicksal der Angehörigen. „Frau-
                         en im Widerstand – ob sie nun selbst aktiv, oder
                         als Ehefrauen mit eingebunden waren, mussten
                         schlimme Schikanen der Gestapo über sich und
                         ihre Familien ergehen lassen.
                         Leider sind sie meist in Vergessenheit geraten“,
                         sagte die stellv. Präsidiumsvorsitzende der AWO
                                                                             Im Bild von links: MdL Harald Güller, stellv. Präsidiumsvorsit-
                         Schwaben, Brigitte Protschka, und sprach zudem
                                                                             zende der AWO Schwaben, Brigitte Protschka, MdB Ulrike Bahr
                         deren finanzielle Situation in der Nachkriegszeit
                                                                             und Bezirksrat Volkmar Thumser.
                         an. Entschädigungszahlungen für Hinterbliebene
                         gab es oft erst nach vielen Jahren und in ge-
                         ringstmöglicher Menge. Rosa Högg traf es besonders schwer, da sie nie eine offizielle Nachricht vom Tod ihres
                         Mannes erhalten hatte. Clemens Högg, Gründer der schwäbischen Arbeiterwohlfahrt, war im Konzentrationslager
                         Bergen-Belsen unter unklaren Umständen gestorben. Neben Protschka sprach auch die Bundestagsabgeordnete
                         Ulrike Bahr, Vorsitzende der SPD Augsburg und Schwaben. Diese sah in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen
                         und antisemitischen Haltungen eine unverzichtbare Aufgabe, die Bebo Wager geschuldet sei. „Wir alle sind und
                         bleiben in der Verantwortung, dem entschieden entgegenzutreten und das in der hohen Politik wie auch im All-
                         tag.“

                         Im Bild von links: AWO-Schwaben-Vorstandsvorsitzender Dieter Egger, Claudia Motte (Soziale Betreuung),
                         Angela Frauscher und Silvia Bosch (beide vom BMT-Team) sowie Einrichtungsleiter Alexander Huckfeldt.

                         Ein Präsentkorb zum Dank                                   den der Sozialen Betreuung. Diese sind im besonderen,
                                                                                    zentrierten Einsatz während der derzeitigen Einschrän-
                         Im Anschluss an die jüngste Tagung des Bezirksaus-         kungen. Zusätzlich kümmern sich die Mitarbeitenden im
                         schusses der AWO Schwaben – diese fand aufgrund            Besuchsmanagement-Team (BMT) verantwortungsvoll
                         notwendiger Corona-Abstandshaltung diesmal im gro-         und mit größtem Engagement um den bewohner- und
                         ßen Speisesaal des AWO-Seniorenheims Friedberg statt       gastorientierten reibungslosen Ablauf der Besuche unter
                         – bedankte sich Vorstandsvorsitzender Dieter Egger mit     den vorgegebenen Hygienebedingungen.
                         einem mediterranen Präsentkorb bei den Mitarbeiten-

                         12   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
AUS DEM BEZIRKSVERBAND
Frauen leisten in der
AWO Hervorragendes,
sind sich (von links)
Brigitte Protschka,
stellv. Vorsitzende
und Gleichstellungs-
beauftragte der AWO

                                                                                                                              ????????
Bayern und Schwa-
ben, und Journalistin
Isabel Krieger vom
AWO-Landesverband
einig.

Den AWO-Frauen ein Gesicht geben                           Ausstellung konzipierte. Brigitte Protschka, stellvertre-
                                                           tende Vorsitzende und Gleichstellungsbeauftragte der
„Macherinnen. Helferinnen. Frauen und die AWO“ –           AWO Bayern und Schwaben, spannte den Bogen in die
so heißt die Ausstellung, mit der die bayerische Arbei-    Neuzeit, die gesamtgesellschaftliche Defizite in der
terwohlfahrt die Leistungen ihrer Pionierinnen wie auch    Gleichstellung von Frauen und Männern aufweise. „Wir
derzeit Aktiven – anlässlich ihres 100-jährigen Beste-     waren schon mal besser. Die Quote der Frauen in Füh-
hens besonders würdigt. Jetzt wurde die Schau unter        rungspositionen und in der Politik ist wieder rückläu-
freiem Himmel vor dem Nürnberger Rathaus einer Öf-         fig“, merkte sie an und lobte den AWO-Landesverband,
fentlichkeit vorgestellt. Mit dabei war auch eine kleine   der zur nächsten Wahl mit einer paritätisch besetzten
schwäbische Delegation, gehörte doch Maria Simon in        Doppelspitze antritt. Oberbürgermeister Marcus König
Augsburg zu den auf den Schautafeln dargestellten          (CSU), der die Ausstellung gemeinsam mit dem bayeri-
AWO-Helferinnen der ersten Stunde. Als der Bezirksver-     schen AWO-Landesvorsitzenden Thomas Beyer eröffne-
band Schwaben 1947 nach dem Verbot durch die Nati-         te, zeigte sich derweil zufrieden mit dem gestiegenen
onalsozialisten wiedergegründet wurde, wirkte sie dort     Anteil an Frauen in seiner Stadtregierung. Wer Interesse
bis 1951 als Geschäftsführerin. „Viele dieser Macherin-    an der Schau hat: Die Ausstellung ist als Wanderausstel-
nen haben nie die große Öffentlichkeit gesucht, bewirk-    lung konzipiert, kann aber auch online gesehen werden
ten aber in der zweiten Reihe viel Gutes. Wir wollten      unter www.awo-bayern.de
ihnen ein Gesicht geben“, sagte Isabel Krieger, die die

Zwei ganz besondere „Exemplare“
Die AWO Schwaben ist auf ihre Frauen stolz, ebenso
sehr aber auch auf ihre Männer: Zwei ganz besondere
„Exemplare“ sind Willi Leichtle, der unlängst 80sten
Geburtstag feierte, und Günter Vogt, der die Ehren-
bürgerwürde der Gemeinde Kissing erhielt. Beide sind
seit Jahrzehnten Mitglied des Präsidiums der AWO
Schwaben und prägen zudem die Vorstandsarbeit ihrer
AWO-Kreisverbände Augsburg bzw. Aichach-Friedberg.
Auch politisch gehören sie zu den „Urgesteinen“.
Leichtle war neben satten 38 „Jährchen“ Stadtratstätig-
keit im Bayerischen Landtag – dem er 22 lange Jahre
angehörte – Teil der „Sportfraktion“. Vogt war sage und
schreibe 42 Jahre lang Gemeinderat in Kissing. Die AWO
Schwaben bedankt sich für das großartige Engagement
und gratuliert sehr herzlich!                                    Willi Leichtle               Günter Vogt

                                                                                      WIR • Das Magazin der AWO Bayern   13
AUS DEM BEZIRKSVERBAND

                                                                                                                      Viele Menschen, ein
                                                                                                                      Ziel: Die Augsburger
                                                                                                                      Tafel hilft Menschen
                                                                                                                      in Armut. Das unter-
                                                                                                                      stützten die AWO
                                                                                                                      Schwaben und die
                                                                                                                      Stadt Stadtbergen nun
                                                                                                                      mit einer Spende an
                                                                                                                      fair gehandelten
????????

                                                                                                                      Lebensmitteln, deren
                                                                                                                      Einkauf wiederum den
                                                                                                                      Menschen in entwick-
                                                                                                                      lungsschwachen Län-
                                                                                                                      dern zugutekommt.

                         Doppelte Hilfe gegen Armut
                         Die AWO Schwaben und die Stadt Stadtbergen spenden fair gehandelte Lebensmittel
                         an die örtliche Tafel.

                         Längere Zeit am Existenzminimum zu leben, ist hierzu-      pflegt, konnte auch Bürgermeister Paulus Metz über-
                         lande für die meisten ein Kraftakt. Wer kann da noch       zeugen. Die Stadt, die seit 2013 den Titel „Fairtrade
                         regelmäßig auf den Einkauf von nachhaltigen, oft aber      Town“ tragen darf, dieses Zertifikat allerdings immer
                         auch teureren Lebensmitteln achten? „Hier können wir       wieder erneuern lassen muss, legte gerne noch ein gro-
                         prima helfen und dabei in der Armutsbekämpfung zwei        ßes Paket drauf. Darin enthalten: Schokolade, Bana-
                         Fliegen – die eine vor Ort, die andere international -     nenchips, Gummibärchen und mehr, bezogen direkt bei
                         mit einer Klappe schlagen“, dachten sich die Verant-       der Fairtrade-Gruppe der Pfarrei (Leitung: Helmuth
                         wortlichen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schwaben und        Müller).
                         spendeten der Augsburger Tafel mit ihrer Stadtbergener
                                                                                    Wie kam die schwäbische Arbeiterwohlfahrt auf die
                         Ausgabestelle (ehrenamtliche Koordination: Pfarrei
                                                                                    Idee? Hintergrund ist die von den Vereinten Nationen
                         „Maria, Hilfe der Christen“) 500 Packungen AWO-Kaffee
                                                                                    verabschiedete „Agenda 2030“ mit 17 Zielen für nach-
                         (über den humanitären Fachverband AWO International)
                                                                                    haltige Entwicklung, welche bis 2030 umgesetzt werden
                         und 500 Tafeln Schokolade, beides aus fairem Handel.
                                                                                    sollen. Auch Deutschland hat sich diesen Zielen ver-
                         Die offizielle Spendenübergabe übernahm AWO-Schwa-
                                                                                    schrieben. Da viele dieser Ziele einen direkten Bezug zur
                         ben-Präsidiumsmitglied Dr. Simone Strohmayr in
                                                                                    alltäglichen Arbeit der AWO und zu ihren Grundwerten
                         Begleitung von AWO-Schwaben-Vorstand Wolfgang
                                                                                    haben, entwickelte der AWO-Bundesverband die Kam-
                         Mayr-Schwarzenbach, AWO-Freiwilligenmanagerin
                                                                                    pagne #WirArbeitenDran, an der sich die AWO Schwaben
                         Daniela Ziegler und AWO-Ortsvereinsvorsitzenden August
                                                                                    nun mit dieser Aktion beteiligte. Auch der Zeitpunkt der
                         Bögle. Die Spende nahm Peter Gutjahr, 2. Vorstand der
                                                                                    Spendenübergabe war mit Bedacht gewählt: Sie fand in
                         Tafel Augsburg, entgegen.
                                                                                    der so genannten Fairen Woche statt, zu der jedes Jahr
                         Mehr noch: Der Wohlfahrtsverband, der seinen Ge-           im September das Forum Fairer Handel in Kooperation
                         schäftssitz in Stadtbergen hat und seit vielen Jahrzehn-   mit TransFair und dem Weltladen-Dachverband einlädt.
                         ten partnerschaftliche Beziehungen mit der Kommune

                         14   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ein köstliches Stück Nachhaltigkeit
Füssen. Über je 100 Päckchen Fairtrade-
Kaffee und -Schokolade dürfen sich die Kun-
den der Tafel in Füssen freuen. Die AWO Füs-
sen-Schwangau spendete die Köstlichkeiten
im Rahmen der bundesweiten AWO-Kampag-
ne „#WirArbeitenDran“. Gerlinde und Micha-

                                                                                                                             FÖRDERUNGEN
el Wollnitza nahmen die hochwertigen
Lebensmittel im Namen der Kunden mit
herzlichen Dankesworten entgegen. Zu den
Hintergründen dieser Spende erklärte
AWO-Vorsitzende Brigitte Protschka: „Die
Themen Klimawandel und Umweltschutz sind
letztlich soziale Fragen. Unter Ausbeutung,
Ressourcenknappheit und den Folgen der
Erderwärmung leiden immer die ärmsten und
schwächsten Menschen am meisten.“ Sie sei-
                                                Im Foto von links: Daniel Schreiner, stv. Vorsitzender der AWO
en es, die krankmachende Drecksarbeit
                                                Füssen-Schwangau, Michael und Gerlinde Wollnitza von der Tafel
übernehmen, die in Regionen leben, die vom
                                                in Füssen sowie Brigitte Protschka, Vorsitzende der AWO Füssen-
Klimawandel jetzt schon stark betroffen sind.
                                                Schwangau.
Und sie werden es sein, die sich am Ende
teure, weil knappe Lebensmittel und gesunde
Ernährung nicht mehr leisten können. Und weiter: „Mit unserer Spende möchten wir das Bewusstsein dafür stär-
ken, wie wichtig nachhaltiger Konsum ist.“ Hierbei tut die AWO Füssen-Schwangau gleich mehrfach Gutes, wie
stellvertretender AWO-Vorsitzender Daniel Schreiner zusammenfasst. „Wir unterstützen Menschen in den Entwick-
lungsländern, wir fördern die ökologische Landwirtschaft und wir machen den Familien, die von der Füssener Tafel
mit Lebensmitteln versorgt werden, eine Freude“.

Von links: Wolfgang Mehlin, Kassier in der AWO Sonthofen, und die Vorsitzende Gisela Marks übergaben fünf Tablets
an den Schulleiter der Albert–Schweitzer–Schule Eberhard Vaas. Für die örtliche Tafel gab’s 15 bunt gefüllte
Schultüten, von links: Vorsitzende Gisela Marks, Anneliese Welter (Tafel Sonthofen) sowie Helga Wollmann (AWO).

Soziale Teilhabe für Schulkinder                           übergab der Ortsverein fünf Tablets an die Albert–
                                                           Schweitzer–Schule. Sie sind zum Ausleihen bestimmt für
Sonthofen. Mit weiteren Spendenaktionen im Rahmen          jene Schülerinnen und Schüler, die kein eigenes Gerät
ihres KiMut-Projekts bescherte die AWO Sonthofen einer     zur Nutzung der Plattform „Lernen zuhause“ besitzen.
ganzen Reihe an Kindern viel Freude und vor allem so-      Passend zum Schulanfang spendierten die AWO-Ehren-
ziale Teilhabe, die ihnen aufgrund fehlender finanziel-    amtlichen zudem individuell gestaltete und bunt gefüll-
ler Mittel sonst verwehrt bliebe. Vor dem aktuellen Hin-   te Schultüten. 15 angehende Erstklässler*innen beka-
tergrund der durch die Corona-Krise angeschobenen          men diese im Laden der Tafel Sonthofen überreicht.
Forderung nach besserer digitaler Bildung für alle

                                                                                     WIR • Das Magazin der AWO Bayern   15
Schöne Stunden trotz Corona-Krise
                   Ein Bericht von Angelika Schneider, Leiterin des AWO-Horts Füssen
AUS DEN REGIONEN

                   Füssen. Während der Corona-Krise ist so
                   einiges los in Deutschland. Viele Geschäfte,
                   Läden, Arbeitsorte mussten schließen, dar-
                   unter sind die Kindertageseinrichtungen
                   nicht ausgeschlossen worden. Für die Kin-
????????

                   der ist dies natürlich besonders schwierig.
                   Sie mussten zuhause bleiben, durften kei-
                   ne Freunde sehen. Aber selbst in dieser
                   Zeit haben die Kitas viel geleistet, um den
                   Kontakt zu Kindern und Eltern trotz stren-
                   ger Ausgangsbeschränkungen aufrechtzu-
                   erhalten. Für die Einrichtungen wurden
                   während der Schließung spezielle „Not-
                   gruppen“ für „systemrelevante Berufe“
                   eingerichtet. Es wurden individuelle Hygi-
                   enekonzepte erarbeitet. Dies tat auch der
                   AWO-Hort Füssen. Auch das gesamte Ge-
                   bäude wurde so nachgerüstet und umge-
                                                                Im AWO-Hort Füssen gibt es viele kreative Angebote. Das Team hat den
                   staltet, dass ein möglichst optimaler Schutz
                                                                Eindruck, dass die Kinder dadurch die Corona-Krise wenigstens zeit-
                   für Kinder und Mitarbeitende geboten wer-
                                                                weise ein bisschen vergessen können.
                   den konnte.
                   Kolleginnen und Kollegen, die den Risiko-
                   gruppen angehörten, wurden gebeten, andere Aufgaben ohne direkten Kontakt zu den Kindern zu erledigen. Das
                   beinhaltete hauptsächlich Verwaltungsaufgaben, Portfolios, Beobachtungsbögen und vieles andere mehr. Da ein
                   „Offenes Konzept“ gesetzlich untersagt wurde, war es notwendig, zwei Regelgruppen zu bilden. Ferner wurden die
                   Kinder, die Räumlichkeiten, der Garten und das Spielmaterial aufgeteilt. So hatten beide Gruppen annähernd glei-
                   che Bedingungen.
                   In der schlimmsten Covid-19-Zeit wurde der Kontakt zu den Familien durch Telefongespräche, via Internet und
                   auch postalisch aufrechterhalten. Der eingeschränkte Regelbetrieb konnte nach und nach, flankiert vom Hygiene-
                   konzept, wiedereingeführt werden. Die Prämisse hierbei war, dass die Räumlichkeiten ansprechend und kindge-
                   recht eingerichtet wurden und sich somit eine angenehme Atmosphäre entwickeln konnte. Die Tische wurden zum
                   Beispiel mit Klebeband markiert, um zu kennzeichnen, wo die Kinder mit Mindestabstand sitzen können. Auch
                   durch die Neuanschaffung von Bastelmaterial, Spielsachen, Sportgeräten u.a. konnte für die Kinder die Ausnahme-
                   situation deutlich verschönert werden.
                   Trotz all der Veränderungen im „neuen“ Alltag, versuchen die Hortmitarbeitenden immer die Kinder im Mittelpunkt
                   ihres Bemühens und auch das Wohl der Eltern im Auge zu behalten. Die Stimmungslage innerhalb des Teams ist all-
                   zeit positiv, kreativ und humorvoll, sodass man davon ausgehen kann, dass die Kinder hiervon auch profitieren
                   können. So haben wir den Eindruck, dass die Kinder glückliche und unbeschwerte Stunden erleben dürfen durch
                   Aktionen, die sie die Corona-Krise zeitweise vergessen lassen.
                   Und all das wird in dieser Zeit geleistet, ohne den Applaus von Balkonen: Schwierig ist der Spagat zwischen päda-
                   gogischer Fachlichkeit und Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zur Hygiene. Auch der Umgang mit den Ängsten und
                   Sorgen der Mitarbeitenden ist eine Herausforderung. Die AWO Schwaben steht als Trägerin verlässlich zur Seite durch
                   Handlungsanleitungen, aber auch durch die Ermöglichung von Homeoffice für mittelbare Tätigkeiten. Es wird zu-
                   dem versucht, auf individuelle Problemlagen einzugehen, sofern die Betreuung der Kinder sichergestellt ist.
                   Das pädagogische Personal in der Kindertagesbetreuung leistet während der Corona-Krise Herausragendes. Durch
                   das Engagement des systemrelevanten Erzieherteams wird die Arbeit anderer systemrelevanter Berufe erst ermög-
                   licht. Auch weiterhin werden wir unseren Beitrag leisten und versuchen, den Kindern in den nächsten Monaten und
                   Jahren unbeschwerte und glückliche Stunden zu bereiten. Wir freuen uns, dass die Kinder auch gerne zu uns kommen.

                   16   WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ein Umfeld mit Verständnis und
Fürsorge

                                                                                                                              WOHNEN UND LEBEN
Im „Haus Wagenseilstraße“ in Kaufbeuren                    befinden sich im Erdgeschoss, so ergeben sich neben
                                                           geplanten Terminen eine Vielzahl von niedrigschwelli-
leben Menschen mit psychischen Ein-                        gen Kontaktmöglichkeiten. Ergänzt wird dies durch
schränkungen. Die Einrichtung ist mehr                     regelmäßige Gruppenangebote, wie begleitete Begeg-
als nur ein Dach über dem Kopf…                            nungen bei Kaffee und Tee im großen Gruppenraum,

                                                                                                                              ????????
                                                           gemeinsames Kochen zum Erlernen neuer wohlschme-
Kaufbeuren. „Endlich angekommen an einem Ort, wo
                                                           ckender und gesunder Gerichte und Freizeitaktivitäten.
ich mich wohlfühle.“ Das empfindet Beate Mang (Name
                                                           Darüber hinaus betreut das Team (fünf Diplom-Sozial-
von der Redaktion geändert), wenn sie an das „Haus
                                                           pädagog*innen, Krankenschwester, Erzieher, Hausmeis-
Wagenseilstraße“ in Kaufbeuren denkt, wo sie seit
                                                           ter und Verwaltungsmitarbeiterin, überwiegend Teilzeit)
15 Jahren lebt. Hinter der psychisch erkrankten Frau
                                                           auch Menschen, die über einen eigenständig angemie-
liegt ein langer Leidensweg. Schon in jungen Jahren
                                                           teten Wohnraum verfügen. Fachliche Unterstützung
kam sie traumatisiert in ein Heim, war später hin- und
                                                           kommt von einem Verbund an Akteuren, wozu etwa
hergerissen zwischen wechselnden Arbeitgebern und
                                                           Pflegedienste, die örtliche Psychiatrische Institutsambu-
längeren Aufenthalten in der Psychiatrie. In einer eige-
                                                           lanz und niedergelassene Ärzte gehören.
nen Wohnung konnte sie ihre Lebensspur nicht finden.
                                                           Im Mittelpunkt der Begleitung und Beratung steht die
So wie ihr geht es vielen Menschen, die aufgrund ihres
                                                           Wiedereingliederung in eine möglichst selbstständige
Verhaltens nicht so recht hineinpassen in unsere nor-
                                                           Lebensform unter Berücksichtigung der individuellen
mierte, vom Leistungsdruck geprägte Welt. Im „Haus
                                                           Ressourcen. „Wir können nicht das Leben für sie leben,
Wagenseilstraße“, einer Einrichtung der ambulanten
                                                           aber wir fördern die gesunden Elemente der uns anver-
Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischen Ein-
                                                           trauten Menschen. Wer sich stabilisiert, sucht sich
schränkungen, leben sie in einem Schutzbereich. Hier
                                                           irgendwann wieder eine eigene Wohnung“, erzählt
bekommen sie in einer sich gegenseitig unterstützen-
                                                           Einrichtungsleiter Wolfgang von Woyna, der schon seit
den Gemeinschaft das, was in der „Normalbevölke-
                                                           25 Jahren dort arbeitet und die im Jahre 1992 eröffnete
rung“ oft fehlt: Verständnis und Fürsorge. Wer die Zu-
                                                           Einrichtung maßgeblich mitaufgebaut hat. Eine große
rückgezogenheit in den eigenen vier Wänden bevorzugt,
                                                           Fluktuation im Haus gebe es allerdings nicht. „Leider
ist dort ebenfalls gut aufgehoben.
                                                           gibt es auch schwere, nicht zu stoppende Krankheits-
Aufgenommen als Mieter werden Frauen und Männer            verläufe, die wir ebenfalls mitbegleiten, ja mitaushal-
ab 18 Jahren. Im 5-stöckigen Haus befinden sich drei       ten, um diesen Menschen ein würdevolles Leben zu er-
Wohngemeinschaften (mit gemeinsamer Küche, Bad/WC          möglichen. Und es gibt Mieter, die von sich aus gerne
und Gruppenraum) und zwei Etagen einzelbetreutes           hier bei uns alt werden möchten. Aufgrund der bauli-
Wohnen (mit gemeinsamer Küche, zwei Bäder/WC) für          chen Gegebenheiten ist das aber für Bewohner mit ho-
insgesamt 23 Menschen. Die Büros der Mitarbeitenden        hen Beeinträchtigungen im Alter nur begrenzt möglich“,
                                                           so von Woyna weiter.
                                                           Die Finanzierung erfolgt durch Miet- und Betreuungs-
                                                           einnahmen. Hierbei erweist sich die AWO Schwaben als
                                                           faire Vermieterin. Ist kein Einkommen oder Vermögen
                                                           vorhanden, übernimmt auf Antrag der zuständige Sozi-
                                                           alhilfeträger. „Wir sind finanziell knapp auf Kante ge-
                                                           näht“, sagt von Woyna, hebt aber die Vorzüge der AWO
                                                           Schwaben als zuverlässige Trägerin hervor. Die vom Be-
                                                           zirk Schwaben geforderte Mindestfachkraftquote von
                                                           50 % wird hundertprozentig vorgehalten.
                                                           Einrichtungen wie das „Haus Wagenseilstraße“ gehören
                                                           übrigens eher zu den Ausnahmen, wobei Kaufbeuren
                                                           doppeltes AWO-Glück hat: Dort betreibt nämlich
Nette Begegnungen im Gruppenraum gehören zu den            zusätzlich die AWO Augsburg mit ihrer AWOVITA GmbH
vielen Angeboten, die das Haus Wagenseilstraße bereit-     Kleinst-Wohngemeinschaften und betreut auch Men-
hält.                                                      schen in eigenen Wohnungen.

                                                                                      WIR • Das Magazin der AWO Bayern   17
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