Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen - 4 2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN
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4•2020 DAS MAGAZIN DER AWO BAYERN 74. Jahrgang des „Helfer“ Mehr als ein Dach über dem Kopf. WIR über Leben und Wohnen. DIE AWO IN SCHWABEN Fairer Handel Agenda 2030 Wir arbeiten dran. Wohnen und Leben Psychisch Kranke brauchen besonderen Schutz.
WIR IN BAYERN WIR IN SCHWABEN Aus der AWO 3 AWO liebt Demokratie + Eine Frau aus Bayern Editorial 11 für die Bundesspitze + Plädoyer für AWO Schwaben spendet faire Lebensmittel 14 Menschlichkeit + Brigitte Tiator im Ruhestand + AWO-Hort Füssen: Schöne Stunden Frauenpower im Freistaat trotz Corona-Krise 16 Haus Wagenseilstraße: Unser Thema: Ein Umfeld mit Verständnis 17 Mehr als ein Dach über dem Kopf. 6 Aus den Regionen 18 Gemeinsam statt einsam: Quartiersprojekte Reisetipp 19 bringen Menschen zusammen + Frauenhäuser: Wohnen ist existenziell + Interview: Bauen für Alles, was Recht ist 20 Senioren braucht Fingerspitzengefühl Liebe Leserinnen und Leser, ein schwieriges und forderndes Jahr geht dem Ende entgegen. Die Corona-Pandemie hat das Leben in einem Maße beeinträchtigt, das für uns alle undenkbar war und sie hat das öffentliche und gesellschaftliche Leben einschneidend verändert. Die Konferenzen der AWO konnten nicht stattfinden, Veranstaltungen wurden abgesagt und die Ortsvereine mussten die so wichtigen Begegnungen auf ein Minimum beschränken. Die letzten Monate haben aber auch gezeigt, dass die Arbeiterwohlfahrt in Bayern auch in Zeiten der Krise zusammensteht und das „WIR“ lebt. Ob in unseren Pflegeeinrichtungen, in Kitas oder in den Ortsvereinen: überall haben Haupt- und Ehrenamtliche über die Maßen großen Einsatz gezeigt, um Menschen zu begleiten, um Kinder gut zu versorgen, während die Eltern arbeiten müssen, und um Mitmenschen zu ermuntern, die Lebensfreude trotz der Kontaktbeschränkungen nicht zu verlieren. Das verdient großen Respekt. Auch allen Mitgliedern, die unsere Arbeit mit ihrem Beitrag und ihrem Engagement 2020 maßgeblich unterstützt haben, sage ich ganz herzlich Danke. Mit der letzten Ausgabe des Jahres wagen wir normalerweise einen Ausblick, doch dieser ist in diesen Zeiten schwierig. Ich hoffe sehr, dass 2021 wieder mehr Freiräume und uns allen wieder mehr persönliches Miteinander ermöglichen wird. Vor allem aber wünsche ich uns allen, dass wir gesund bleiben. Nutzen Sie - gerade wegen Corona - die Adventszeit und die Feiertage besonders für den Austausch mit den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen, verlieren Sie nicht den Mut und kommen Sie gut ins neue Jahr. Herzlich Ihr Thomas Beyer Landesvorsitzender der AWO in Bayern
Vielfältiges Programm – Kostenlos weiterbilden Die kostenlose Teilnahme an dem bayern- weiten Projekt AWO l(i)ebt Demokratie steht allen hauptamtlichen Mitarbei- ter*innen, ehrenamtlich Engagierten, Mitgliedern sowie auch noch nicht in AUS DER AWO der AWO aktiven Menschen offen. Aufgrund der Corona-Situation finden die meisten der Projektangebote derzeit digital statt. Gemeinsam mit dem Team Abschied von Brigitte Tiator des neuen Aktionsbüro Demokratie des AWO Landesverbandes Bayern e.V. kann In einer kleinen Feierstunde hat Landesgeschäftsführer die digitale Technik kennen gelernt und Andreas Czerny die langjährige Leiterin der Freiwilligen- eingeübt werden. Jeden Dienstag von dienste des AWO Landesverbandes, Brigitte Tiator, in 16 Uhr bis 17 Uhr findet eine telefonische den Ruhestand verabschiedet. Brigitte Tiator hat über Online-Sprechstunde zum Thema „Wie Jahrzehnte tausende junge Freiwillige bei der AWO ver- kann ich an Videokonferenzen teilneh- antwortlich begleitet, anfangs Zivildienstleistende, später men?“ statt. Eine formlose Voranmeldung Freiwillige des Sozialen Jahres (FSJ) und zuletzt vor allem im neuen Aktionsbüro Demokratie ist Menschen im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Landes- erforderlich. (Kontakt siehe unten) vorsitzender Prof. Dr. Thomas Beyer hob das große Enga- gement hervor, mit dem Brigitte Tiator die Belange der Die kommenden AWO l(i)ebt Demokratie Freiwilligendienste mit den Bedürfnissen der Einsatz- Online-Veranstaltungen: stellen der AWO in Bayern in Einklang brachte und würdigte • Jeden Monat: Team Toleranz, Team ihre kompetente Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Erinnerungskultur, Team Umwelt Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS), und Nachhaltigkeit, Team Politischer dem Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS), dem Lesezirkel und Team Demokratiechor Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) • 5.Dezember 2020 „Verschwörungs und dem AWO Bundesverband. Auch die Kolleginnen erzählungen – eine Gefahr für die des Fachbereichs sagten mit sehr persönlichen Worten Demokratie?“ herzlich „Auf Wiedersehen“. • 27.Januar 2021 „Lange Nacht der Zweitzeug*innen“ zum Holocaust gedenktag Eine Frau aus Bayern für Kontakt und Anmeldung: die Bundesspitze AWO Landesverband Bayern e.V. Aktionsbüro Demokratie Kathrin Sonnenholzner, seit 2016 stellvertre- zdt@awo-bayern.de tende Landesvorsitzende der AWO in Bayern, 089 / 54 67 54 - 140 soll ab 2021 die Bundesspitze der AWO als Icon Facebook und Instagram: Co-Vorsitzende des Präsidiums verstärken. Die @awodemokratie 64-jährige Jesenwangerin engagiert sich seit www.awo-bayern.de vielen Jahren für die AWO und bringt als SPD- Mitglied des Bayerischen Landtages von 2003 bis 2018 politische Erfahrung in das Amt ein. Die Wahl findet im Rahmen der für Juni 2021 geplanten Bundeskonferenz statt. Weitere bayerische Kandidaten für das neue Präsidium der AWO in Berlin sind Karin Hirschbeck, Vor- sitzende des Kreisverbandes Fürth, und Stefan Wolfshörndl, Vorsitzender des Bezirksverbands Unterfranken. Beide gehören dem Gremium bereits an und stellen sich erneut zur Wahl. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 3
„Menschlichkeit darf nicht DIE „WIR-REDAKTION“ unter Strafdrohung stehen“ Sie haben Anregungen, Lob oder Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Kritik? Ihre Anmerkungen zum Bayern, Prof. Dr. Thomas Beyer, hat die bayerische aktuellen Heft nehmen wir gerne auf. Staatsregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Sie erreichen uns hier: Trägern von Pflegeheimen sowie den Angehörigen- vertretungen klare Rahmenbedingungen zu finden, AUS DER AWO Arbeiterwohlfahrt um Besuche in Pflegeheimen auch in den Winter- Landesverband Bayern e.V. monaten zu ermöglichen. „Die Abschottung des Edelsbergstraße 10, 80686 München Frühjahres darf sich im Interesse aller Beteiligten Telefon 089 546754–0 nicht wiederholen. Heime sind keine Gefängnisse redaktion@awo-bayern.de und können niemals Hochsicherheitstrakte sein“, ist Beyer überzeugt. Der AWO-Chef verwies nicht nur auf die immensen Belastungen, die eine Iso- lierung für Bewohner*innen und ihre Angehörigen mit sich bringt, sondern auch auf den enormen Druck, der dadurch für die Mitarbeitenden in der Pflege erzeugt wird. Andererseits fühle sich die Praxis zu sehr auf sich allein gestellt. „Wir brauchen jetzt klare Regeln für Besuchsmöglichkeiten in den Einrichtungen in Abhängigkeit vom örtlichen Infektionsgeschehen. Die Politik muss der Praxis hier Rückendeckung geben. Es darf nicht sein, dass die Einrichtungen, die der Menschlichkeit den gebotenen Raum geben, in einer permanenten Grauzone bis hin zur Anzeige bei der Staatsanwalt- schaft stehen“, formulierte Beyer seine Erwar- tungen an die zuständigen Ministerien. Gemeinsam für eine Wende Zu einem intensiven Meinungsaustausch kamen im August der Vorsitzende der SPD-Landtags- fraktion, Horst Arnold, und die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Jugend Nichts gegen Beziehungen und Familie im Landtag, Doris Rauscher, in die Nürnberger Geschäftsstelle des Landesver- Peter Gaymann gehört zu den erfolgreichsten bandes. Neben der Würdigung der großen Cartoonisten Deutschlands. Im neuen Tisch- und Leistungen der Beschäftigten des Sozialbe- Postkartenkalender „Cartoons von der Couch“, reichs während der Corona-Pandemie stand erschienen im Medhochzwei-Verlag, bringt er das gemeinsam mit dem Bund Naturschutz wieder viele Beziehungs- und Therapiesituationen in Bayern erarbeitete AWO-Papier für eine humor- und liebevoll auf den Punkt. WIR verlost sozial-ökologische Wende (WIR berichtete in drei Tischkalender von Peter Gaymann. Einsen- Heft 3/2020) im Mittelpunkt des Gesprächs deschluss ist der 31.Dezember 2020. Senden Sie mit AWO Landesvorsitzenden Prof. Dr. einfach eine Mail mit Name, Anschrift und Telefon- Thomas Beyer. nummer an petra.dreher @awo-bayern.de oder eine Postkarte an den AWO Landesverband, Edelsbergstraße 10, 80686 München. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Stichwort „Beziehungen“. 4 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
AWO Frauen und Sozialpolitik 100 Jahre Bayerische AWO - das sind auch 100 Jahre Geschichte bayerischer AWO Frauen, wie die im Oktober auf AUS DER AWO dem Nürnberger Hauptmarkt eröffnete Ausstellung Mache- rinnen. Helferinnen Frauen und die AWO zeigt. WIR hat den Historiker Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, Mitherausgeber der Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, nach seinem Blick auf die AWO gefragt. Interview: Isabel Krieger Herr Prof. Rumschöttel, was macht aus Ihrer Sicht die AWO heute aus? Die schwierige, aber bemerkenswert erfolgreiche Kom- bination von drei Handlungsfeldern: Die traditionelle Aufgabe als sozialpolitische Speerspitze im modernen Staat, die gesellschaftlichen Leistungen einer ehrenamt- lich engagierten Mitgliederorganisation und schließlich die Effektivität und Produktivität eines professionellen Dienstleistungsunternehmens. Im sehr harmonischen Konzert der wohlfahrtspflegerischen Spitzenverbände in unserem Freistaat spielt die AWO als „soziale Stimme“ eines Sozialen Bayern eine unverwechselbare (und un- verzichtbare) tragende Rolle. Die Festschrift „Bayern ist ein Sozialstaat“, von Prof. Dr. Hermann Rumschöttel und Prof. Dr. Thomas Beyer, Welche Rolle spielten für die Entwicklung des Verbandes in ist unter https://verlag.geiselberger.de erhältlich. Bayern die Frauen? AWO-Geschichte ist Frauengeschichte. Oder umgekehrt: Die Ausstellung „Macherinnen. Helferinnen. Frauen Die gesellschaftliche und politische Emanzipation der und die AWO“ lädt zu einem virtuellen Rundgang auf der Frauen im 20. Jahrhundert mit all ihren Hürden und Er- Homepage unter www.awo-bayern.de ein. folgen kann am Beispiel der AWO deutlich vor Augen ge- führt werden. Die AWO war immer auch eine frauenpo- litische Speerspitze. Ins Leben gerufen von einer mutigen, politisch denkenden und handelnden Frau, bis Die Arbeiterwohlfahrt ist Teil der Sozialgeschichte des Frei- heute in der ehrenamtlichen Wohlfahrtspflege mehr- staats. Täuscht der Eindruck, dass das Soziale Bayern bei der heitlich von Frauen getragen und als Aktionsrahmen für geschichtlichen Darstellung bis heute etwas kurz kommt? nach gesellschaftlicher und politischer gleichberechtigter Das muss man leider zugeben. Bayerische Geschichte Mitwirkung strebender Frauen, kann man die Geschich- des 19. und 20. Jahrhunderts in Forschung, Lehre und te der Arbeiterwohlfahrt als eine Erfolgsgeschichte des Darstellung war sehr lange Zeit vor allem Herrscher- Kampfes um Gleichberechtigung verstehen. Eines und Staatsgeschichte. Seit den 1970er Jahren sind aller- Kampfes freilich, der noch nicht beendet ist. dings in wachsendem Maße gesellschaftsgeschichtliche Themen in den Fokus gerückt. „Gesellschaft“ mit ihren wirkungsmächtigen Aktivitäten und ihren einflussrei- „Die AWO ist bis heute chen Organisationen wird heute als wesentliches, zum Teil als entscheidendes Element der historischen Ent- eine sozialpolitische wicklung erkannt und beschrieben. Ein nicht unwichti- Speerspitze.“ ger Grund für die „Staats- und Kirchenlastigkeit“ der älteren Landesgeschichte ist die Tatsache, dass die Quel- Historiker Prof. Dr. Hermann lenlage ordentlich ist. Ein Hinweis deshalb an die AWO: Rumschöttel. Man muss seine Spuren dokumentieren, wenn man will, dass sie später ein Historiker entdeckt. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 5
Nur ein Dach? Wie wollen wir im Alter leben? Lange stellten sich die Menschen diese Frage LEBEN UND WOHNEN nicht. Der Familienverbund, das Dorf, die Nachbarschaft waren mehr oder weniger verlässliche Garanten dafür, zumindest die rüstigen Jahre gut in den eigenen vier Wänden verbringen zu können. Doch mit zunehmender Mobilität, mit ausblutenden Ortschaften auf dem Land, mit immer weniger bezahlbarem Wohnraum nicht nur in den Ballungsräumen und einer immer älter werdenden Gesellschaft rückt das Thema Wohnen im Alter stärker in den Blick. Die bayerische AWO hat mit dem Projekt „LiA - Leben im Alter“ ???????? eine Bestandausnahme gemacht, welche Wohnformen und Unterstützungs- angebote es für das letzte Lebensdrittel gibt – von Pflegeeinrichtungen bis zum ambulanten Wohnen. „Die häufigste Wohnform im Alter, nämlich das Wohnen in einer normalen Wohnung, spielt in der öffentlichen Diskus- sion um die Versorgung älterer Menschen häufig nur eine untergeordnete Rolle“ , sagt Stefanie Fraaß, die das Projekt für den AWO Landesverband Bayern durchgeführt hat. Dabei wünschten sich die meisten Menschen genau das. „Ziel ist es deshalb, älteren Menschen – sowohl im länd- In vielen Regionen Bayerns hat die AWO bereits Anlauf- lichen Raum, in Stadtrandgebieten als auch in städtischen stellen geschaffen, die sich mit dem Älterwerden im Wohnquartieren – die Unterstützung zukommen zu lassen, eigenen Quartier beschäftigen. So gibt es beispielsweise die sie brauchen, um im Alter so lange wie möglich gut in Augsburg, Landshut, Forchheim und Nürnberg Projekte in den eigenen vier Wänden zu leben.“ für Betreutes Wohnen und Quartiersmanagement. Ein besonderes Projekt hat die AWO im oberfränkischen Coburg Die Vernetzung und das Zusammenspiel von Dienstleis- initiiert. Unter dem Dach eines eigenen Trägervereins, tern, An- und Zugehörigen, Nachbar*innen und Ehren- der am Mehrgenerationenhaus angesiedelt ist, eröffnete amtlichen sind dabei ein Schlüsselfaktor. Sie ermöglichen 2009 das alternative Wohnprojekt Wilna. Die Abkürzung den Aufbau von Versorgungsnetzwerken. Die Angebote steht für „Wir leben nicht allein“. 15 abgeschlossene müssen sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren: barrierefreie Wohnungen sowie eine Gemeinschaftswoh- Vielleicht braucht es einem Viertel zum Beispiel keinen nung stehen hier Menschen allen Alters in einem altein- Supermarkt, aber dringend einen Hausarzt. In einem gesessenen Wohnquartier der gut 40.000 Einwohner anderen hingegen eine funktionierende Nachbarschafts- zählenden Stadt als Mietwohnungen zur Verfügung. hilfe als Ergänzung bereits bestehender Infrastruktur. „Im Rahmen von lokalen Verantwortungsgemeinschaf- Die Bewohner*innen des Mehrfamilienhauses unter- ten können die Akteure vor Ort die Konzepte entwickeln, stützen sich gegenseitig im Alltag und organisieren auch die passgenau sind“, fasst Fraaß zusammen. gemeinsame Aktivitäten. Mehr als zehn Jahre sind seit der Eröffnung vergangen und Johanna Thomack vom Trägerverein zieht eine positive Bilanz. „Es war ein langer „Wer im Alter nicht Prozess, bis wir das Haus eröffnen konnten. Wir mussten allein sein will, die Idee erst zu den Menschen bringen. Doch heute sind alle Wohnungen vermietet. Wir haben sogar eine Warte- muss auf Menschen liste und Interessenten für weitere Häuser“, sagt sie. „Was zugehen.“ uns fehlt, sind brauchbare Immobilien und Investoren für ein weiteres Quartiersprojekt“, sagt Thomack. Ursula Schmitt
Zusammen Leben Ursula Schmidt ist eine der Bewohnerinnen. Vor drei Jahren zog die rüstige 75-Jährige aus ihrem Haus in Im Landkreis Coburg hat die AWO vor gut fünf eine 85 Quadratmeterwohnung im Erdgeschoss und hat Jahren ein innovatives Projekt auf den Weg gebracht: ihren Entschluss nicht bereut. „Nach dem Tod meines „Zusammen Leben“ soll ältere Menschen mit Familien LEBEN UND WOHNEN Mannes war ich alleine in einem großen Haus. Hier zusammenbringen. Das Projekt ist am Coburger habe ich Menschen und Geselligkeit, kann aber auch Mehrgenerationenhaus angesiedelt. WIR hat bei die Türe zu machen, wenn ich mag“, sagt sie. Projektleiterin Kristin Herbst nachgefragt. Doch nicht nur im Haus, auch mit der Nachbarschaft gibt Frau Herbst, was müssen Menschen mitbringen, es mittlerweile einen guten Austausch. Zum Beispiel beim die sich auf ein gemeinsames Wohnprojekt wie gemeinsamen Mittagessen, zu dem regelmäßig Menschen „Zusammen Leben“ einlassen? ???????? zusammenkommen und von ehrenamtlichen Mitarbei- Auf jeden Fall Offenheit und klare Vorstellungen. ter*innen bekocht werden. Die Wohnung kann auch Zusammen zu leben, bedeutet immer auch, sich auf privat von den Bewohnern genutzt werden. „Die Mieter einen anderen Menschen einzustellen. Das geht nur, beherbergen hier beispielsweise Gäste“ sagt Johanna wenn ich selbst genau weiß, wie ich leben möchte. Thomack. Die Sozialpädagogin steht als Ansprechpartnerin bereit, vermittelt, organisiert und unterstützt, wo nötig, Wer kommt zu Ihnen? die Hausgemeinschaft. „Es gibt natürlich auch immer Das sind meist ältere Menschen, die nicht mehr mal was zu klären. Alles in allem kann man aber sagen, alleine leben wollen und Anschluss suchen. Wir dass es ziemlich gut klappt“. Das Nachbarschaftsnetz, sprechen aber auch gezielt Menschen an, die über das zunächst nur für den Stadtteil konzipiert war, hat leerstehenden Wohnraum verfügen und vielleicht mittlerweile viele Äste, von denen auch das Coburger Mehr- einen älteren Menschen oder eine Familie bei generationenhaus profitiert. „Wir haben heute über sich aufnehmen wollen. 300 Ehrenamtliche, die sich in der gesamten Stadt enga- gieren“, sagt Thomack. „Das ist ein riesen Gewinn“. Sie empfehlen, das Zusammenleben klar zu regeln, etwa Hilfen vertraglich festzuhalten. Widerspricht Für Stefanie Fraaß vom AWO Landesverband ein Beispiel, das nicht der Idee des gemeinschaftlichen Lebens wie das Zusammenspiel der Akteure zugunsten eines und Wohnens? Miteinanders der Generationen gelingen kann. 2021 Im Gegenteil. Je genauer die jeweiligen Erwartungs- soll der Abschlussbericht des Projekts LiA erscheinen, haltungen und Vorstellungen schon im Vorfeld aus- mit einem Fazit, welche Aufgaben nicht nur auf die AWO gesprochen und schriftlich fixiert werden, desto in den nächsten Jahren zukommen. „Wenn wir als Ge- mehr Freiräume entstehen im Alltag, weil jeder sellschaft den Vorstellungen von Senior*innen gerecht weiß, was er vom anderen erwarten kann und darf. werden wollen, müsse wir uns mit dem Thema Leben und Wohnen mehr beschäftigen“, ist sie sich sicher. Was leisten Sie als Projektleiterin? Wir bringen die Interessenten zusammen und schauen, ob es passt. Dazu braucht es oft vieler „In unseren Wohnprojekten Gespräche. Manchmal hakt es an Kleinigkeiten, beispielsweise, dass jemand eine Katze hat, der unterstützen sich Menschen potenzielle künftige Mitbewohner aber eine Haus- gegenseitig im Alltag. Das hilft tierallergie. So etwas kann man schon zu Beginn allen, die dort leben.“ klären. Und natürlich begleiten wir die Projekte. Manchmal gibt es auch Krisen. Dann bieten Johanna Thomack und Kristin Herbst, wir Mediation an. Oder aber die Lebensumstände Mehrgenerationenhaus Coburg verändern sich, weil jemand erkrankt. Dann können wir als Fachstelle für pflegende Angehö- rige zum Beispiel Unterstützung organisieren. Infos unter www.awo-mgh-coburg.de/ ueber-uns/leben-in-gemeinschaft WIR • Das Magazin der AWO Bayern 7
Mit einer Schmink- aktion mitten in der Stadt wies das Würzburger Frauen- haus auf das Problem LEBEN UND WOHNEN von Gewalt gegen Frauen hin. ???????? Von allem zu wenig In den letzten Jahren suchten jährlich etwa 1.700 Frauen in Bayern mit Wohnen ist existenziell mehr als 1.700 Kindern Zuflucht in einem Frauenhaus. Bayernweit gibt es 39 staatlich geförderte Frauenhäuser, darunter sieben in Trägerschaft der Für Frauen, die aus einer gewalttätigen Beziehung in ein Frauenhaus geflüchtet AWO, die 362 Plätze für Frauen und sind, womöglich mit Kindern, ist Wohnen weit mehr als ein Dach über dem 437 Plätze für Kinder bereitstellen. Kopf – es ist existenziell. In den vergangenen Jahren war die Situation der Gemäß der von Deutschland ratifizierten Frauenhäuser im Freistaat jedoch finanziell angespannt. Die AWO hat darauf Istanbulkonvention müsste wenigstens über Jahre hinweg immer wieder hingewiesen. Nun gibt es seit 2019 mehr ein „Family place“ (=2,59 Betten) pro Geld für die Frauenhäuser, die damit zusätzliche Plätze schaffen können. 10.000 Einwohner*innen vorgehalten Doch noch immer nicht gelöst ist das drängendste Problem: der fehlende werden. Nach Empfehlung des Europa- Wohnraum im Anschluss. Weil sie vor allem in Ballungsräumen keine bezahlbare rates wäre sogar ein Frauenhausplatz Wohnung finden, in die sie nach der Obhut des Frauenhauses ziehen können, pro 7.500 Einwohner*innen angemes- bleibe viele Frauen dort länger, als sie selbst eigentlich wollen. Das führt dazu, sen. Eine Bedarfsermittlungsstudie von dass die Plätze in den Frauenhäusern weiterhin knapp bleiben, auch wenn 2016 zeigte: Der Freistaat ist bislang Einrichtungen wie das Würzburger Frauenhaus durch die höhere Förderung davon weit entfernt. Anfang 2021 vier zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten schaffen können. Die AWO ist an dem Modellprojekt Etwas Entspannung bringt seit 2020 ein vom Sozialministerium gefördertes Second-Stage an folgenden Stand Projekt mit dem Namen „Second - Stage“. Es macht den Frauenhäusern mög- orten beteiligt: lich, die Frauen bei der Wohnungssuche zu unterstützen und sie auch während • AWO Frauenhaus Dachau gGmbH, der ersten Zeit in der neuen Bleibe zu betreuen und zu begleiten. „Das sind Frauenhaus Dachau Frauen, die haben kein soziales Netz und vielfach auch keine Familie und keinen • AWO Bezirksverband Unterfranken e.V., Beruf“, sagt Brita Richl, Leiterin des Würzburger Frauenhauses, „ohne Unter- Frauenhaus Würzburg AWO stützung ist es für sie fast unmöglich, eine Wohnung zu bekommen“. Seit Januar • AWO Kreisverband Mittelfranken Süd 2020 ist am Würzburger Frauenhaus, das eines von bayernweit 17 Second- e.V., Frauenhaus Schwabach Stage Projekthäusern ist, eine Mitarbeiterin angesiedelt, die sich um Kontakte • AWO Kreisverband Wunsiedel e.V., mit Wohnungsbauunternehmen und Vermietern kümmert. Obwohl Corona den Frauenhaus Selb Mietmarkt im Frühjahr komplett lahm legte, gibt es erste Erfolge: Im August • AWO Betriebsträger und Projektent- konnte eine Frau mit vier Kindern, die zuvor eineinhalb Jahre im Frauenhaus wicklungsgesellschaft mbH Augsburg, lebte, eine Second-Stage Wohnung beziehen. Weitere Gespräche laufen. Frauenhaus Augsburg • AWO Ortsverein e.V. Neu-Ulm, „Wohnungssuchen sind sehr zeitintensiv“, sagt Frank Alibegovic, Fachbereichs- Frauenhaus Neu-Ulm. leiter Kinder, Jugend und Familie beim Bezirksverband Unterfranken „es gibt wenige, die finanziell überhaupt in Frage kommen“. Doch auch nach einem Umzug ist Unterstützung nötig: „Diese Frauen brauchen bei vielen Themen Hilfe. Das fängt bei der Korrespondenz mit Behörden an und geht bis zur Suche nach einem Kinderarzt“, berichtet Brita Richl. „Das Übergangsmanagement ist ganz entscheidend. Nur so kann der Weg in ein eigenständiges Leben gelingen.“ 8 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
INTERVIEW Leonhard Höss, Jahrgang 1963, studierte Architektur und betreibt Bauen mit Finger- zusammen mit zwei Partnern das Büro Höss Amberg + Partner LEBEN UND WOHNEN Architekten in München, das spitzengefühl sich auf das Planen und Bauen barrierefreier Architektur vor allem für die ältere Generation Interview: Isabel Krieger spezialisiert hat. Infos unter www.hap-architekten.de Herr Höss, die meisten Architekten angeschlossen. Wir versuchen, ???????? bauen für junge und gesunde Men- Grundrisse zu entwickeln, die schen. Schicke Lofts, Offices, Kitas. Ihr unterschiedliche Nutzungsszenarien Büro hat sich auf den Bau von Pflege- ermöglichen, damit das Heim nicht heimen spezialisiert. Wie baut man schon nach wenigen Jahren wieder für hochbetagte Menschen? komplett umgebaut werden muss. Unser erstes neugebautes Heim ent- Damit man aus zwei Einzelzimmern stand Ende der 1980er Jahre in ein Appartement machen oder in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium einem Gebäudeflügel ohne großen für Altenhilfe. Es war ein Modellpro- Aufwand eine Demenzwohngruppe jekt, in dem ein Wohngruppenkon- oder Pflegeoase einrichten könnte. zept umgesetzt wurde, was damals noch ungewöhnlich war. Seither Früher waren Heime meist zweigeteilt: hat sich viel verändert. Es gibt immer Es gab einen Bereich für die „Rüstigen“, nicht riesige Fassaden bauen, wieder Stimmen, die meinen, Heime und einen Bereich für Menschen mit man kann auch Flure und Eingangs- werden nicht mehr gebraucht. Das Pflegebedarf. Heute sind Heime fast bereiche nutzen, indem man dort glaube ich nicht. Es wird immer ausschließlich Orte für Menschen, die Lichthöfe schafft, die Tageslicht Heime geben, denn das Pflegethema am Ende des Lebens Pflege benötigen. hereinlassen. In den Wohngruppen bleibt. Man versucht heute mehr als Was bedeutet das für die Gestaltung wiederum darf es nicht überall hell früher, in Heimen das Leben abzu- der Räume? sein, da muss das Lichtkonzept den bilden. Durch Hausgemeinschaften, Die Bewegungsflächen sind in den Tag -Nacht-Rhythmus der Bewohner durch kleinere Wohneinheiten mit vergangenen Jahren etwas größer berücksichtigen. Ein Pflegeheim ist Küche und Gemeinschaftsbereich, geworden, der einzelne Mensch hat kein Krankenhaus light. Die Wohnlich- durch Einzelzimmer, die auch in der einen größeren Radius zugesprochen keit muss im Vordergrund stehen. letzten Phase des Lebens eine ge- bekommen. Zudem ist es seit einigen wisse Privatheit ermöglichen. Darüber Jahren Vorschrift, dass mindestens Alte Menschen sind verletzlich. Sie hinaus spielt Teilhabe eine große ein Viertel der Zimmer rollstuhl- hören und sehen oft schlecht, sind Rolle. Wir haben neulich ein Heim gerecht ist. Das ist für die Betreiber sturzgefährdet. Demente Menschen aus den 1970er Jahren abgerissen, nicht immer leicht, denn auch verlieren häufig die Orientierung. Wie das hatte noch zehn steile Stufen bestehende Bauten müssen nach- kann die Architektur dagegen wirken? bis zum Eingang. Und igendwo gerüstet werden, was mit hohen Man kann man Räume schon versteckt einen Aufzug. Das gibt es Kosten und viel Aufwand verbunden so gestalten, dass sie Sicherheit heute nicht mehr. ist. Nicht selten ist da ein Neubau, und Orientierung geben. Indem der auch energietechnisch auf dem man sie klar strukturiert, in dem Wie wird stattdessen gebaut? neuesten Stand ist, besser. man Farben verwendet, die positiv Wenn ein Heim neu entsteht, dann wirken, in dem man Fluchttüren natürlich barrierefrei und vom Viele Menschen in Heimen sind bett- dezent verkleidet, indem man Grundriss her so gestaltet, dass es lägerig, viele haben Demenz. Kann die Übergänge im Boden schafft, die ins Quartier passt. Dem geht meist Architektur da einen positiven Beitrag ein Signal aussenden, wenn ein ein langer Abstimmungsprozess, mit leisten? dementer Mensch die Einrichtung der Kommune, mit den Anwohnern Ich denke schon. Licht etwa spielt verlassen will. Hinter dem was und natürlich mit dem Betreiber, eine große Rolle. Man weiß heute, machbar ist, stehen oft natürlich voraus. Einige Heime haben heute dass Tageslicht die Stimmung positiv ethische Fragen. Wie viel Sicher- auch eine Tagespflege oder eine beeinflusst, gerade dann, wenn heit braucht es, wie viel Freiheit Cafeteria, die auch von externen Menschen an Demenz leiden. Um muss sein? Das ist eine Debatte, Besuchern gerne genutzt wird, Licht ins Haus zu holen, muss man der sich die Pflege stellen muss. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 9
Gut gedacht und gemacht LEBEN UND WOHNEN HalliHallo Viele gute Ideen haben Menschen Damit Seniorinnen und Senioren Klein, aber fein: Der Kerwa-Baum 2020 während der letzten Monate entwickelt, auch in Zeiten von sozialem Abstand um die Folgen der Corona-Krise für andere Menschen unterstützen kön- Alte, Arme und Familien mit Kindern nen, hat Sonja Block während des abzumildern. Die Bertold Kamm Stif- Lockdowns ein Projekt zum Austausch tung will dieses Engagement würdi- gestartet. Die Idee: Senior*innen gen: Mehr als ein Dutzend Zuschriften sprechen online mit Menschen, die mit Ideen aus allen Teilen des Landes ihr Deutsch verbessern wollen. Sie gingen ein. Fünf besonders gelungene bieten den Deutsch-Lernenden in Projekte hat die Jury des Stiftungsvor- Video-Gesprächen einen geschützten standes daraus nun ausgewählt. Sie Raum, in dem diese ihre Sprach- werden mit 200 Euro ausgezeichnet. Alle kenntnisse in Ruhe anwenden können anderen Projekte erhalten als Aner- und sie dadurch verbessern. Ein tolles kennung 50 Euro. Die Stiftung sagt Danke Einzelengagement, das gewürdigt ge- Handpuppe Purzelbaum geht YouTube für so viel Engagement. hört. Infos unter www.hallihallo.org Ein Hauch von Kerwa Lebensmittel für Alte und Arme Traditionell startet mit der Kerwa im Gleich zu Beginn der Pandemie hatte Erlanger Ortsteil Büchenbach jedes Jahr die AWO Nachbarschaftshilfe Otto die Kirchweih des AWO Sozialzentrums brunn- Hohenbrunn- Neubiberg in Büchenbach, das neben seinen eine Lebensmittelaktion ins Leben Bewohner*innen auch die Menschen gerufen, um bedürftige Menschen im Stadtteil einlädt. Wegen Corona zu unterstützen. Anfangs gaben die HalliHallo schafft Begegnungen konnte die Büchenbacher Kerwa 2020 Aktiven weiter, was gespendet wurde, nicht stattfinden. Umso stolzer ist das bald unterstützten auch Betriebe Sozialzentrum darauf, dass es seinen aus der Region das Projekt, das sich Bewohner*innen eine zwar etwas schnell so etablierte, dass die „Aktion kleinere und hausinterne, aber den- Mensch“ darauf aufmerksam wurde noch gelungene Kerwawoche ermög- und es finanziell einmalig unter- lichen konnte. Dabei gab es fränkische stützte. Nun ist es Winter geworden, Schmankerl, Musik und viele Aktionen die Pandemie hält an und die Nach- und die Wohnbereiche waren ge- barschaftshilfe würde die Initiative schmückt. Und natürlich durfte auch gerne fortführen. Auch dafür gibt es ein Kerwabaum nicht fehlen. 200 Euro von der Kamm Stiftung. Lebensmittelspenden in der Krise Purzelbaum auf YouTube Eisrallye durch Füssen Damit ihre Krippenkinder während Der Lockdown in der Corona-Krise des Lockdowns ihre geliebte Hand- stellte insbesondere Familien vor puppe, das Zwerglein Purzelbaum, große Herausforderungen. Gegen nicht vergessen, hatte sich Krippen- Frust, Langeweile und Lagerkoller mitarbeiterin Conny Reichert von der entwickelten die Leiterinnen des AWO Kinderkrippe Zauberwald in Burg- AWO FamilienForums in Füssen die hausen etwas Besonderes ausgedacht. 1. Füssener AWO-Eisrallye. Über Sie richtete kurzerhand in ihrer Woh- einen Zeitraum von drei Wochen nung ein kleines Aufnahmestudio konnten Familien mit Kindern ein - und dann wurde gefilmt. Pur- an einer Schnitzeljagd durch die zelbaum bekam auf Youtube dann Stadt teilnehmen. Die Lösungs sogar einen eigenen Kanal. Dort buchstaben waren an öffentlichen sind mittlerweile eine ganze Reihe Plätzen versteckt. Am Ende gab es Videos zu sehen. Die Jury ist der für alle 77 Teilnehmer*innen ein Eisrallye quer druch Füssen Meinung: Das ist tolles Engagement! leckeres Eis. 10 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
WIR DIE AWO AUS DEM BEZIRKSVERBAND IN SCHWABEN Liebe Leserinnen und Leser, ganz leicht ist es nicht, dem Jahr 2020 Positives zu testieren. Vor allem, wenn wir an die Covid-19-Problematik den- ken. Da gilt es zunächst allen in der Pflege Tätigen sowie den in unseren Kitas, Klinken, Wohnheimen und Bera- tungsstellen Verantwortung Tragenden ein dickes Dankeschön auszusprechen. Kühles für Klimaschützer Über 4.000 ältere Menschen und Kinder „Kohlekonzerne - baggern in der Ferne, zerstören un- stehen in gut 70 Heimen und Kitas in sere Umwelt – nur für einen Batzen Geld. Wo wir unsere unserer Obhut. Darüber hinaus sind es Zukunft sehen? – in erneuerbaren Energien“, schallte etwa 1.000 Menschen, denen wir ständig es über den Augsburger Rathausplatz. Was war los? Das in unseren Kliniken und Beratungsstellen Augsburger Klimacamp zeigte einer kleinen Delegation der AWO Schwaben einen Ausschnitt seiner Protestakti- Hilfen angedeihen lassen. Trotz Corona onen und forderte gleich zum Mitmachen auf. Präsidi- haben wir unsere sozialen Dienste dank umsmitglied Petra Fischer, Freiwilligenmanagerin unseres Personals aufrechterhalten. Auch Daniela Ziegler und Antonia Kraus, Koordinatorin für seien unsere ehrenamtlich Engagierten Kinder- und Jugendarbeit, waren vorbeigekommen, um nicht vergessen: Sie haben die AWO nicht die Klimaschützer am bislang heißesten Tag des Jahres im Stich gelassen. Wir sollten auch da- mit kalten Getränken und Eisgutscheinen zu unterstüt- zen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Hierbei ran denken, dass sich unser Sozialstaat begrüßten sie das großartige Engagement der vielen in dieser Krise bewährt hat. Auch wenn jungen Menschen im Camp. Diese wiederum zeigten noch einiges besser laufen könnte. Mit sich interessiert an den Klima-Bestrebungen der AWO einem vorsichtigen Ausblick auf 2021 – Schwaben. Deren Einrichtungen verbuchen schon jetzt Medikamente und Impfstoff werden hof- eine deutliche Einsparung an CO2 mittels einer Vielzahl an baulichen Maßnahmen. Ein Großteil bezieht bereits fentlich bald einsetzbar sein - wünsche 100 % Ökostrom aus heimischen Wasserkraftwerken. ich geruhsame Weihnachtsfeiertage und Die AWO Schwaben erprobt zudem modellhaft einen vor allem ein gesundes Neues Jahr. ganzheitlichen Klimaschutz in stationären Pflegeein- richtungen im Rahmen des AWO-Projekts „Klimafreund- Herzlich Ihr lich pflegen“. Petra Fischer stellte zudem ihr Königs- brunner AWO-Projekt „MeerPlastik“ vor (wir berichteten bereits). Die Solidarität mit den Zielen des Augsburger Dr. Heinz Münzenrieder Klimacamps bzw. der „Fridays for Future“-Bewegung Vorsitzender des Präsidiums fußt darüber hinaus aber auch auf eigenen AWO-Wer- und Verwaltungsrats ten. In ihrem überarbeiteten, bundesweit geltenden Grundsatzprogramm fordert die Arbeiterwohlfahrt einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen und verdeutlicht damit, dass sozialer Fortschritt zugleich den Schutz von Natur und Umwelt im Blick haben muss. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 11
77. Todestag: Bebo-Wager-Gedenken AUS DEM BEZIRKSVERBAND „Unendliche Liebe trage ich auf dem letzten Gang in mir. Dass ich nicht als Verbrecher sterbe, brau- che ich nicht zu sagen. Dass ich nur Gutes er- strebte.“ 77 Jahre ist es nun her, dass Bebo Wager diese anrührenden Zeilen an seine Liebs- ten schrieb, kurz bevor er von den Nationalsozia- listen hingerichtet wurde. Bei der diesjährigen Gedenkfeier am Ehrengrab auf dem Augsburger Westfriedhof hielten SPD und AWO den Wider- standskämpfer in Erinnerung, betonten zugleich ???????? aber auch das Schicksal der Angehörigen. „Frau- en im Widerstand – ob sie nun selbst aktiv, oder als Ehefrauen mit eingebunden waren, mussten schlimme Schikanen der Gestapo über sich und ihre Familien ergehen lassen. Leider sind sie meist in Vergessenheit geraten“, sagte die stellv. Präsidiumsvorsitzende der AWO Im Bild von links: MdL Harald Güller, stellv. Präsidiumsvorsit- Schwaben, Brigitte Protschka, und sprach zudem zende der AWO Schwaben, Brigitte Protschka, MdB Ulrike Bahr deren finanzielle Situation in der Nachkriegszeit und Bezirksrat Volkmar Thumser. an. Entschädigungszahlungen für Hinterbliebene gab es oft erst nach vielen Jahren und in ge- ringstmöglicher Menge. Rosa Högg traf es besonders schwer, da sie nie eine offizielle Nachricht vom Tod ihres Mannes erhalten hatte. Clemens Högg, Gründer der schwäbischen Arbeiterwohlfahrt, war im Konzentrationslager Bergen-Belsen unter unklaren Umständen gestorben. Neben Protschka sprach auch die Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr, Vorsitzende der SPD Augsburg und Schwaben. Diese sah in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen und antisemitischen Haltungen eine unverzichtbare Aufgabe, die Bebo Wager geschuldet sei. „Wir alle sind und bleiben in der Verantwortung, dem entschieden entgegenzutreten und das in der hohen Politik wie auch im All- tag.“ Im Bild von links: AWO-Schwaben-Vorstandsvorsitzender Dieter Egger, Claudia Motte (Soziale Betreuung), Angela Frauscher und Silvia Bosch (beide vom BMT-Team) sowie Einrichtungsleiter Alexander Huckfeldt. Ein Präsentkorb zum Dank den der Sozialen Betreuung. Diese sind im besonderen, zentrierten Einsatz während der derzeitigen Einschrän- Im Anschluss an die jüngste Tagung des Bezirksaus- kungen. Zusätzlich kümmern sich die Mitarbeitenden im schusses der AWO Schwaben – diese fand aufgrund Besuchsmanagement-Team (BMT) verantwortungsvoll notwendiger Corona-Abstandshaltung diesmal im gro- und mit größtem Engagement um den bewohner- und ßen Speisesaal des AWO-Seniorenheims Friedberg statt gastorientierten reibungslosen Ablauf der Besuche unter – bedankte sich Vorstandsvorsitzender Dieter Egger mit den vorgegebenen Hygienebedingungen. einem mediterranen Präsentkorb bei den Mitarbeiten- 12 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
AUS DEM BEZIRKSVERBAND Frauen leisten in der AWO Hervorragendes, sind sich (von links) Brigitte Protschka, stellv. Vorsitzende und Gleichstellungs- beauftragte der AWO ???????? Bayern und Schwa- ben, und Journalistin Isabel Krieger vom AWO-Landesverband einig. Den AWO-Frauen ein Gesicht geben Ausstellung konzipierte. Brigitte Protschka, stellvertre- tende Vorsitzende und Gleichstellungsbeauftragte der „Macherinnen. Helferinnen. Frauen und die AWO“ – AWO Bayern und Schwaben, spannte den Bogen in die so heißt die Ausstellung, mit der die bayerische Arbei- Neuzeit, die gesamtgesellschaftliche Defizite in der terwohlfahrt die Leistungen ihrer Pionierinnen wie auch Gleichstellung von Frauen und Männern aufweise. „Wir derzeit Aktiven – anlässlich ihres 100-jährigen Beste- waren schon mal besser. Die Quote der Frauen in Füh- hens besonders würdigt. Jetzt wurde die Schau unter rungspositionen und in der Politik ist wieder rückläu- freiem Himmel vor dem Nürnberger Rathaus einer Öf- fig“, merkte sie an und lobte den AWO-Landesverband, fentlichkeit vorgestellt. Mit dabei war auch eine kleine der zur nächsten Wahl mit einer paritätisch besetzten schwäbische Delegation, gehörte doch Maria Simon in Doppelspitze antritt. Oberbürgermeister Marcus König Augsburg zu den auf den Schautafeln dargestellten (CSU), der die Ausstellung gemeinsam mit dem bayeri- AWO-Helferinnen der ersten Stunde. Als der Bezirksver- schen AWO-Landesvorsitzenden Thomas Beyer eröffne- band Schwaben 1947 nach dem Verbot durch die Nati- te, zeigte sich derweil zufrieden mit dem gestiegenen onalsozialisten wiedergegründet wurde, wirkte sie dort Anteil an Frauen in seiner Stadtregierung. Wer Interesse bis 1951 als Geschäftsführerin. „Viele dieser Macherin- an der Schau hat: Die Ausstellung ist als Wanderausstel- nen haben nie die große Öffentlichkeit gesucht, bewirk- lung konzipiert, kann aber auch online gesehen werden ten aber in der zweiten Reihe viel Gutes. Wir wollten unter www.awo-bayern.de ihnen ein Gesicht geben“, sagte Isabel Krieger, die die Zwei ganz besondere „Exemplare“ Die AWO Schwaben ist auf ihre Frauen stolz, ebenso sehr aber auch auf ihre Männer: Zwei ganz besondere „Exemplare“ sind Willi Leichtle, der unlängst 80sten Geburtstag feierte, und Günter Vogt, der die Ehren- bürgerwürde der Gemeinde Kissing erhielt. Beide sind seit Jahrzehnten Mitglied des Präsidiums der AWO Schwaben und prägen zudem die Vorstandsarbeit ihrer AWO-Kreisverbände Augsburg bzw. Aichach-Friedberg. Auch politisch gehören sie zu den „Urgesteinen“. Leichtle war neben satten 38 „Jährchen“ Stadtratstätig- keit im Bayerischen Landtag – dem er 22 lange Jahre angehörte – Teil der „Sportfraktion“. Vogt war sage und schreibe 42 Jahre lang Gemeinderat in Kissing. Die AWO Schwaben bedankt sich für das großartige Engagement und gratuliert sehr herzlich! Willi Leichtle Günter Vogt WIR • Das Magazin der AWO Bayern 13
AUS DEM BEZIRKSVERBAND Viele Menschen, ein Ziel: Die Augsburger Tafel hilft Menschen in Armut. Das unter- stützten die AWO Schwaben und die Stadt Stadtbergen nun mit einer Spende an fair gehandelten ???????? Lebensmitteln, deren Einkauf wiederum den Menschen in entwick- lungsschwachen Län- dern zugutekommt. Doppelte Hilfe gegen Armut Die AWO Schwaben und die Stadt Stadtbergen spenden fair gehandelte Lebensmittel an die örtliche Tafel. Längere Zeit am Existenzminimum zu leben, ist hierzu- pflegt, konnte auch Bürgermeister Paulus Metz über- lande für die meisten ein Kraftakt. Wer kann da noch zeugen. Die Stadt, die seit 2013 den Titel „Fairtrade regelmäßig auf den Einkauf von nachhaltigen, oft aber Town“ tragen darf, dieses Zertifikat allerdings immer auch teureren Lebensmitteln achten? „Hier können wir wieder erneuern lassen muss, legte gerne noch ein gro- prima helfen und dabei in der Armutsbekämpfung zwei ßes Paket drauf. Darin enthalten: Schokolade, Bana- Fliegen – die eine vor Ort, die andere international - nenchips, Gummibärchen und mehr, bezogen direkt bei mit einer Klappe schlagen“, dachten sich die Verant- der Fairtrade-Gruppe der Pfarrei (Leitung: Helmuth wortlichen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schwaben und Müller). spendeten der Augsburger Tafel mit ihrer Stadtbergener Wie kam die schwäbische Arbeiterwohlfahrt auf die Ausgabestelle (ehrenamtliche Koordination: Pfarrei Idee? Hintergrund ist die von den Vereinten Nationen „Maria, Hilfe der Christen“) 500 Packungen AWO-Kaffee verabschiedete „Agenda 2030“ mit 17 Zielen für nach- (über den humanitären Fachverband AWO International) haltige Entwicklung, welche bis 2030 umgesetzt werden und 500 Tafeln Schokolade, beides aus fairem Handel. sollen. Auch Deutschland hat sich diesen Zielen ver- Die offizielle Spendenübergabe übernahm AWO-Schwa- schrieben. Da viele dieser Ziele einen direkten Bezug zur ben-Präsidiumsmitglied Dr. Simone Strohmayr in alltäglichen Arbeit der AWO und zu ihren Grundwerten Begleitung von AWO-Schwaben-Vorstand Wolfgang haben, entwickelte der AWO-Bundesverband die Kam- Mayr-Schwarzenbach, AWO-Freiwilligenmanagerin pagne #WirArbeitenDran, an der sich die AWO Schwaben Daniela Ziegler und AWO-Ortsvereinsvorsitzenden August nun mit dieser Aktion beteiligte. Auch der Zeitpunkt der Bögle. Die Spende nahm Peter Gutjahr, 2. Vorstand der Spendenübergabe war mit Bedacht gewählt: Sie fand in Tafel Augsburg, entgegen. der so genannten Fairen Woche statt, zu der jedes Jahr Mehr noch: Der Wohlfahrtsverband, der seinen Ge- im September das Forum Fairer Handel in Kooperation schäftssitz in Stadtbergen hat und seit vielen Jahrzehn- mit TransFair und dem Weltladen-Dachverband einlädt. ten partnerschaftliche Beziehungen mit der Kommune 14 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ein köstliches Stück Nachhaltigkeit Füssen. Über je 100 Päckchen Fairtrade- Kaffee und -Schokolade dürfen sich die Kun- den der Tafel in Füssen freuen. Die AWO Füs- sen-Schwangau spendete die Köstlichkeiten im Rahmen der bundesweiten AWO-Kampag- ne „#WirArbeitenDran“. Gerlinde und Micha- FÖRDERUNGEN el Wollnitza nahmen die hochwertigen Lebensmittel im Namen der Kunden mit herzlichen Dankesworten entgegen. Zu den Hintergründen dieser Spende erklärte AWO-Vorsitzende Brigitte Protschka: „Die Themen Klimawandel und Umweltschutz sind letztlich soziale Fragen. Unter Ausbeutung, Ressourcenknappheit und den Folgen der Erderwärmung leiden immer die ärmsten und schwächsten Menschen am meisten.“ Sie sei- Im Foto von links: Daniel Schreiner, stv. Vorsitzender der AWO en es, die krankmachende Drecksarbeit Füssen-Schwangau, Michael und Gerlinde Wollnitza von der Tafel übernehmen, die in Regionen leben, die vom in Füssen sowie Brigitte Protschka, Vorsitzende der AWO Füssen- Klimawandel jetzt schon stark betroffen sind. Schwangau. Und sie werden es sein, die sich am Ende teure, weil knappe Lebensmittel und gesunde Ernährung nicht mehr leisten können. Und weiter: „Mit unserer Spende möchten wir das Bewusstsein dafür stär- ken, wie wichtig nachhaltiger Konsum ist.“ Hierbei tut die AWO Füssen-Schwangau gleich mehrfach Gutes, wie stellvertretender AWO-Vorsitzender Daniel Schreiner zusammenfasst. „Wir unterstützen Menschen in den Entwick- lungsländern, wir fördern die ökologische Landwirtschaft und wir machen den Familien, die von der Füssener Tafel mit Lebensmitteln versorgt werden, eine Freude“. Von links: Wolfgang Mehlin, Kassier in der AWO Sonthofen, und die Vorsitzende Gisela Marks übergaben fünf Tablets an den Schulleiter der Albert–Schweitzer–Schule Eberhard Vaas. Für die örtliche Tafel gab’s 15 bunt gefüllte Schultüten, von links: Vorsitzende Gisela Marks, Anneliese Welter (Tafel Sonthofen) sowie Helga Wollmann (AWO). Soziale Teilhabe für Schulkinder übergab der Ortsverein fünf Tablets an die Albert– Schweitzer–Schule. Sie sind zum Ausleihen bestimmt für Sonthofen. Mit weiteren Spendenaktionen im Rahmen jene Schülerinnen und Schüler, die kein eigenes Gerät ihres KiMut-Projekts bescherte die AWO Sonthofen einer zur Nutzung der Plattform „Lernen zuhause“ besitzen. ganzen Reihe an Kindern viel Freude und vor allem so- Passend zum Schulanfang spendierten die AWO-Ehren- ziale Teilhabe, die ihnen aufgrund fehlender finanziel- amtlichen zudem individuell gestaltete und bunt gefüll- ler Mittel sonst verwehrt bliebe. Vor dem aktuellen Hin- te Schultüten. 15 angehende Erstklässler*innen beka- tergrund der durch die Corona-Krise angeschobenen men diese im Laden der Tafel Sonthofen überreicht. Forderung nach besserer digitaler Bildung für alle WIR • Das Magazin der AWO Bayern 15
Schöne Stunden trotz Corona-Krise Ein Bericht von Angelika Schneider, Leiterin des AWO-Horts Füssen AUS DEN REGIONEN Füssen. Während der Corona-Krise ist so einiges los in Deutschland. Viele Geschäfte, Läden, Arbeitsorte mussten schließen, dar- unter sind die Kindertageseinrichtungen nicht ausgeschlossen worden. Für die Kin- ???????? der ist dies natürlich besonders schwierig. Sie mussten zuhause bleiben, durften kei- ne Freunde sehen. Aber selbst in dieser Zeit haben die Kitas viel geleistet, um den Kontakt zu Kindern und Eltern trotz stren- ger Ausgangsbeschränkungen aufrechtzu- erhalten. Für die Einrichtungen wurden während der Schließung spezielle „Not- gruppen“ für „systemrelevante Berufe“ eingerichtet. Es wurden individuelle Hygi- enekonzepte erarbeitet. Dies tat auch der AWO-Hort Füssen. Auch das gesamte Ge- bäude wurde so nachgerüstet und umge- Im AWO-Hort Füssen gibt es viele kreative Angebote. Das Team hat den staltet, dass ein möglichst optimaler Schutz Eindruck, dass die Kinder dadurch die Corona-Krise wenigstens zeit- für Kinder und Mitarbeitende geboten wer- weise ein bisschen vergessen können. den konnte. Kolleginnen und Kollegen, die den Risiko- gruppen angehörten, wurden gebeten, andere Aufgaben ohne direkten Kontakt zu den Kindern zu erledigen. Das beinhaltete hauptsächlich Verwaltungsaufgaben, Portfolios, Beobachtungsbögen und vieles andere mehr. Da ein „Offenes Konzept“ gesetzlich untersagt wurde, war es notwendig, zwei Regelgruppen zu bilden. Ferner wurden die Kinder, die Räumlichkeiten, der Garten und das Spielmaterial aufgeteilt. So hatten beide Gruppen annähernd glei- che Bedingungen. In der schlimmsten Covid-19-Zeit wurde der Kontakt zu den Familien durch Telefongespräche, via Internet und auch postalisch aufrechterhalten. Der eingeschränkte Regelbetrieb konnte nach und nach, flankiert vom Hygiene- konzept, wiedereingeführt werden. Die Prämisse hierbei war, dass die Räumlichkeiten ansprechend und kindge- recht eingerichtet wurden und sich somit eine angenehme Atmosphäre entwickeln konnte. Die Tische wurden zum Beispiel mit Klebeband markiert, um zu kennzeichnen, wo die Kinder mit Mindestabstand sitzen können. Auch durch die Neuanschaffung von Bastelmaterial, Spielsachen, Sportgeräten u.a. konnte für die Kinder die Ausnahme- situation deutlich verschönert werden. Trotz all der Veränderungen im „neuen“ Alltag, versuchen die Hortmitarbeitenden immer die Kinder im Mittelpunkt ihres Bemühens und auch das Wohl der Eltern im Auge zu behalten. Die Stimmungslage innerhalb des Teams ist all- zeit positiv, kreativ und humorvoll, sodass man davon ausgehen kann, dass die Kinder hiervon auch profitieren können. So haben wir den Eindruck, dass die Kinder glückliche und unbeschwerte Stunden erleben dürfen durch Aktionen, die sie die Corona-Krise zeitweise vergessen lassen. Und all das wird in dieser Zeit geleistet, ohne den Applaus von Balkonen: Schwierig ist der Spagat zwischen päda- gogischer Fachlichkeit und Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zur Hygiene. Auch der Umgang mit den Ängsten und Sorgen der Mitarbeitenden ist eine Herausforderung. Die AWO Schwaben steht als Trägerin verlässlich zur Seite durch Handlungsanleitungen, aber auch durch die Ermöglichung von Homeoffice für mittelbare Tätigkeiten. Es wird zu- dem versucht, auf individuelle Problemlagen einzugehen, sofern die Betreuung der Kinder sichergestellt ist. Das pädagogische Personal in der Kindertagesbetreuung leistet während der Corona-Krise Herausragendes. Durch das Engagement des systemrelevanten Erzieherteams wird die Arbeit anderer systemrelevanter Berufe erst ermög- licht. Auch weiterhin werden wir unseren Beitrag leisten und versuchen, den Kindern in den nächsten Monaten und Jahren unbeschwerte und glückliche Stunden zu bereiten. Wir freuen uns, dass die Kinder auch gerne zu uns kommen. 16 WIR • Das Magazin der AWO Bayern
Ein Umfeld mit Verständnis und Fürsorge WOHNEN UND LEBEN Im „Haus Wagenseilstraße“ in Kaufbeuren befinden sich im Erdgeschoss, so ergeben sich neben geplanten Terminen eine Vielzahl von niedrigschwelli- leben Menschen mit psychischen Ein- gen Kontaktmöglichkeiten. Ergänzt wird dies durch schränkungen. Die Einrichtung ist mehr regelmäßige Gruppenangebote, wie begleitete Begeg- als nur ein Dach über dem Kopf… nungen bei Kaffee und Tee im großen Gruppenraum, ???????? gemeinsames Kochen zum Erlernen neuer wohlschme- Kaufbeuren. „Endlich angekommen an einem Ort, wo ckender und gesunder Gerichte und Freizeitaktivitäten. ich mich wohlfühle.“ Das empfindet Beate Mang (Name Darüber hinaus betreut das Team (fünf Diplom-Sozial- von der Redaktion geändert), wenn sie an das „Haus pädagog*innen, Krankenschwester, Erzieher, Hausmeis- Wagenseilstraße“ in Kaufbeuren denkt, wo sie seit ter und Verwaltungsmitarbeiterin, überwiegend Teilzeit) 15 Jahren lebt. Hinter der psychisch erkrankten Frau auch Menschen, die über einen eigenständig angemie- liegt ein langer Leidensweg. Schon in jungen Jahren teten Wohnraum verfügen. Fachliche Unterstützung kam sie traumatisiert in ein Heim, war später hin- und kommt von einem Verbund an Akteuren, wozu etwa hergerissen zwischen wechselnden Arbeitgebern und Pflegedienste, die örtliche Psychiatrische Institutsambu- längeren Aufenthalten in der Psychiatrie. In einer eige- lanz und niedergelassene Ärzte gehören. nen Wohnung konnte sie ihre Lebensspur nicht finden. Im Mittelpunkt der Begleitung und Beratung steht die So wie ihr geht es vielen Menschen, die aufgrund ihres Wiedereingliederung in eine möglichst selbstständige Verhaltens nicht so recht hineinpassen in unsere nor- Lebensform unter Berücksichtigung der individuellen mierte, vom Leistungsdruck geprägte Welt. Im „Haus Ressourcen. „Wir können nicht das Leben für sie leben, Wagenseilstraße“, einer Einrichtung der ambulanten aber wir fördern die gesunden Elemente der uns anver- Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischen Ein- trauten Menschen. Wer sich stabilisiert, sucht sich schränkungen, leben sie in einem Schutzbereich. Hier irgendwann wieder eine eigene Wohnung“, erzählt bekommen sie in einer sich gegenseitig unterstützen- Einrichtungsleiter Wolfgang von Woyna, der schon seit den Gemeinschaft das, was in der „Normalbevölke- 25 Jahren dort arbeitet und die im Jahre 1992 eröffnete rung“ oft fehlt: Verständnis und Fürsorge. Wer die Zu- Einrichtung maßgeblich mitaufgebaut hat. Eine große rückgezogenheit in den eigenen vier Wänden bevorzugt, Fluktuation im Haus gebe es allerdings nicht. „Leider ist dort ebenfalls gut aufgehoben. gibt es auch schwere, nicht zu stoppende Krankheits- Aufgenommen als Mieter werden Frauen und Männer verläufe, die wir ebenfalls mitbegleiten, ja mitaushal- ab 18 Jahren. Im 5-stöckigen Haus befinden sich drei ten, um diesen Menschen ein würdevolles Leben zu er- Wohngemeinschaften (mit gemeinsamer Küche, Bad/WC möglichen. Und es gibt Mieter, die von sich aus gerne und Gruppenraum) und zwei Etagen einzelbetreutes hier bei uns alt werden möchten. Aufgrund der bauli- Wohnen (mit gemeinsamer Küche, zwei Bäder/WC) für chen Gegebenheiten ist das aber für Bewohner mit ho- insgesamt 23 Menschen. Die Büros der Mitarbeitenden hen Beeinträchtigungen im Alter nur begrenzt möglich“, so von Woyna weiter. Die Finanzierung erfolgt durch Miet- und Betreuungs- einnahmen. Hierbei erweist sich die AWO Schwaben als faire Vermieterin. Ist kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, übernimmt auf Antrag der zuständige Sozi- alhilfeträger. „Wir sind finanziell knapp auf Kante ge- näht“, sagt von Woyna, hebt aber die Vorzüge der AWO Schwaben als zuverlässige Trägerin hervor. Die vom Be- zirk Schwaben geforderte Mindestfachkraftquote von 50 % wird hundertprozentig vorgehalten. Einrichtungen wie das „Haus Wagenseilstraße“ gehören übrigens eher zu den Ausnahmen, wobei Kaufbeuren doppeltes AWO-Glück hat: Dort betreibt nämlich Nette Begegnungen im Gruppenraum gehören zu den zusätzlich die AWO Augsburg mit ihrer AWOVITA GmbH vielen Angeboten, die das Haus Wagenseilstraße bereit- Kleinst-Wohngemeinschaften und betreut auch Men- hält. schen in eigenen Wohnungen. WIR • Das Magazin der AWO Bayern 17
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