Mehr Nach haltigkeit für Madagaskar
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2|3 Wissenschaf tsporträt 11 (Quelle: J. Hammer) (Quelle: S. Kobbe) Charakteristisch für Madagaskars Trockengebiete ist der Der Lac Tsimanampetsotsa ist ein 15 km langer Salzsee und Baobab mit seinem großen wasserspeichernden Stamm. namensgebend für den Nationalpark im Untersuchungsgebiet. Der Südwesten Madagaskars gilt als eines der ärmsten Gebiete der Insel. Für die Menschen ist Forst-, Wirtschafts- und Agrarwissenschaftler das Überleben in der von Trockenheit geplagten sowie Sozial- und Kulturwissenschaftler aus Deutsch- Region oft schwierig. Experten aus Deutschland land und Madagaskar arbeiten daran, für verschie und M adagaskar versuchen im Forschungsprojekt dene ökologische Zonen im Südwesten der Insel SuLaMa aber nicht nur die Lebensgrundlagen Alternativen in der Landnutzung zu entwickeln. »Wir der einheimischen Bevölkerung zu verbessern, wollen über ein nachhaltiges Landmanagement sondern auch die einzigartige Tier- und Pflan neue Wege finden, um die Lebensgrundlagen für die zenwelt besser zu schützen. lokale Bevölkerung zu verbessern, ohne damit das Ökosystem und die außergewöhnliche Biodiversität zu beschädigen«, umschreibt Ganzhorn das zen- M adagaskar ist die Heimat der Lemuren. Dort leben rund 100 Arten der zu den Prima- ten zählenden Tiergruppen mit den charakteris trale Ziel des aus seiner Sicht innovativen Ansatzes des binationalen Vorhabens. Die naturräumlichen Voraussetzungen, um auf dem 800.000 Hektar gro tischen großen Augen. Die Lemuren stehen stell ßen Mahafaly-Plateau leben zu können, sind für vertretend für viele andere endemische Tier- und Pflanzenarten, die lediglich auf der östlich des Festlands gelegenen afrikanischen Insel vor »Die Zahl der endemischen Arten in Madagaskar kommen. »Die Zahl der endemischen Arten in ist weltweit einzigartig.« Madagaskar ist weltweit einzigartig und deshalb aus wissenschaftlicher Sicht für die Biodiversität sehr interessant«, sagt Jörg Ganzhorn. Der Zoolo die Bevölkerung schwierig: Die Region ist die tro gieprofessor der Universität Hamburg leitet das ckenste in ganz Madagaskar. Problematisch ist es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung deswegen, dort Ackerbau und Viehzucht zu betrei finanzierte Forschungsprojekt »Partizipative ben. »Die Menschen betreiben Subsistenzwirtschaft Forschung zur Unterstützung von nachhaltigem und sind von dem abhängig, was die Natur ihnen Landmanagement auf dem Mahafaly-Plateau in liefert«, sagt Ganzhorn. Eine wirtschaftliche Entwick Süd-West-Madagaskar«, kurz SuLaMa. Sechs deut lung gebe es kaum, die Region gelte als eine der sche Universitäten, die beiden madagassischen ärmsten der Insel. Um überleben zu können, nutzen Universitäten Antananarivo und Toliara sowie die Menschen die Natur zum Teil über die Maßen fünf Nichtregierungsorganisationen sind an dem aus: Degradierte und erodierte Böden, fragmentierte Projekt beteiligt. Wälder und sedimentierte Flusstäler sind die Folgen.
4|5 Wissenschaf tsporträt 11 (Quelle: K. Brinkmann) (Quelle: A. Bürkert) Maniok ist neben Mais eines der Grundnahrungsmittel Die Menschen auf dem Mahafaly-Plateau leben im we in der Region. sentlichen von Wanderfeldwirtschaft und Tierhaltung. »Das beeinträchtigt langfristig die Existenzgrund die im Fachgebiet Ökologischer Pflanzenbau und lage der lokalen Bevölkerung und zerstört ein einzig Agrarökosystemforschung in den Tropen und Sub artiges Ökosystem«, sagt Ganzhorn. tropen (OPATS) der Universität Kassel forscht. Ge meinsame Anbauversuche mit lokalen Landwirten Ein Teilprojekt von SuLaMa widmet sich deswegen gibt es auch in zwei anderen Dörfern, dort werden der Frage, wie neue Formen der Landbewirtschaf trockenresistente Getreidearten wie Sorghum und tung das Leben der Menschen erleichtern und Hirse sowie unterschiedliche Maissorten erprobt. wie dabei Naturressourcen besser genutzt werden Die Experimente sollen klären, wie sich mit dem können. So war es bislang beispielsweise kaum Dung der Zebus die Produktivität steigern lässt. Von üblich, Felder zu düngen oder Pflanzenreste auf Bedeutung sind die Ergebnisse, weil Projektleiter den Äckern liegen zu lassen, um so den Humus Ganzhorn für diese Region Madagaskars die stärks gehalt des Bodens wieder zu erneuern. »Schon mit ten Auswirkungen des Klimawandels und damit ins- kleinen Maßnahmen werden die Menschen deshalb besondere eine Zunahme der Trockenperiode erwar die Erträge steigern können«, sagt Dr. Susanne tet. »Sollte es dort künftig noch weniger regnen, Kobbe, Biologin an der Universität Hamburg und dann kippt das gesamte gesellschaftliche System SuLaMa-Projektkoordinatorin. in der Region«, unterstreicht er die Wichtigkeit, um nach alternativen Anbausorten zu forschen. Auch Düngeversuche auf Maniokfeldern an der Küstenregion experimentieren die deutsch- Forscher der Universität Kassel haben deshalb zum madagassischen Forschungsteams im Gemüse Beispiel in mehreren Dörfern auf dem Mahafaly- anbau. Dort sollen die Bewohner beispielsweise Plateau Versuchsfelder angelegt, um dort Maniok mit Holzkohle, Rinder- und Ziegenmist zu düngen. Sie wollen so herausfinden, wie sich die Produk »Sollte es künftig noch weniger regnen, dann kippt tivität und die Nährstoffverfügbarkeit bei unter das gesamte gesellschaftliche System.« schiedlichen Dosierungen von verschiedenen Dün gemitteln steigern lassen. Beteiligt sind an den Experimenten auch lokale Bauern, die auf Informa mit Bewässerungsanlagen in ihren Hausgärten die tionsveranstaltungen und Workshops die Versuchs Erträge beim Anbau von Tomaten, Karotten, Zwie ergebnisse mit den Forschern diskutieren. »Bringen beln und Auberginen steigern. »Wir haben auf Infor die Experimente sichtbar positive Ergebnisse, wol- mationsveranstaltungen Saatgut an die Landwirte len innovationsbereite Landwirte auch Mist auf ihre verteilt und ihnen verschiedene Anbaumethoden Felder ausbringen«, berichtet Dr. Katja Brinkmann, vorgeschlagen«, schildert Brinkmann. Die Bauern
6|7 Wissenschaf tsporträt 11 (Quelle: J. Hammer) (Quelle: J. Hammer) Im ländlichen Madagaskar gibt es so gut wie keine Die wenigen Produkte aus Landwirtschaft und Natur werden ökonomische Entwicklung. auf kleinen lokalen Märkten gehandelt. können selbst wählen, welche Variante die für sie Dörfern sehr viele Tabus, die uns Europäer immer günstigste ist: Mit oder ohne Dünger, mit Zebumist wieder erstaunen«, sagt Dr. Daniel Plugge von oder Holzkohle, unterschiedliche Intensität der der Universität Hamburg, der in einem Teilprojekt Bewässerung oder Anbau unter Schattenbäumen. die Ökosysteme und deren Funktionen erforscht. »Noch fehlen dazu Ergebnisse, aber unsere Wis senschaftler sammeln und werten die Daten dann regelmäßig aus«, sagt Brinkmann. »Es gibt neben formalen Regeln ein System aus informalen Regeln, das Ahnen und Geister vorgeben Kulturkreis mit vielen Tabus und von den Menschen befolgt wird.« Weil für diese Region Madagaskars ein derartiger ökosystemarer und praxisnaher Forschungsansatz neu ist, sind die deutschen Wissenschaftler stark Warum es welche Tabus und Regeln gibt, ist oft auf die Kooperation mit einheimischen Universitäten, noch unklar und nur eine von vielen Fragen, auf die Partnern wie dem WWF und der engen Zusammen Sozialwissenschaftler in einem weiteren SuLaMa- arbeit mit der lokalen Bevölkerung angewiesen. Teilprojekt Antworten finden wollen. Welches Natur »Das soll keine akademische Übung sein, sondern verständnis haben die Menschen? Wie nehmen sie wir wollen gemeinsam mit den Einwohnern Lösungen die Natur wahr? Wie lässt sich die kulturelle und entwickeln, um deren Überleben zu erleichtern«, spirituelle Bedeutung der Ökosystemdienstleistun betont deshalb Ganzhorn und nennt ein Beispiel: gen in nachhaltige Landnutzungsprogramme inte Falle vor Ort wegen längerer Dürreperioden die Ernte grieren? Fragestellungen wie diese stehen im Fokus aus, gingen die Menschen in den Wald und grüben der Arbeit von Dr. Nadine Fritz-Vietta, die als Sozial als Nahrungsersatz Yams-Wurzeln aus. Derlei Not- wissenschaftlerin an der Universität Greifswald lösungen sollten der Vergangenheit angehören, des- forscht und das Teilprojekt SozioKultur koordiniert. wegen seien Ansätze wie die kleinräumigen Bewäs »Es gibt in Madagaskar neben formalen Regeln serungsanlagen so wichtig. ein System aus informalen Regeln, das Ahnen und Geister vorgeben und von den Menschen befolgt Um solche Maßnahmen aber umsetzen zu können, wird«, sagt sie. Dies sei für Außenstehende nur müssen die Forscher das Vertrauen der einhei schwer fassbar, müsse aber bei der Umsetzung von mischen Bevölkerung gewinnen. Das ist nicht so Maßnahmen für die Landnutzung unbedingt beach- einfach: Für Gespräche und Interviews mit der tet werden. So müssen beispielsweise Menschen, Bevölkerung sind Dolmetscher notwendig, der die ein Stück Land nutzen möchten, die Ahnen mit Kulturkreis ist ein völlig anderer. »Es gibt in den Gaben um Erlaubnis bitten, dieses nutzen zu dürfen.
8|9 Wissenschaf tsporträt 11 (Quelle: E. Braskamp) (Quelle: J. Hammer) Tamarinden liefern den Menschen nicht nur Holz und Früchte, Die Strahlenschildkröte ist eine der vielen gefährdeten sie haben auch einen besonderen kulturellen Stellenwert. Arten des Mahafaly-Plateaus. weise die Baumart Samata, die zu den Wolfsmilch Spirituelle Aspekte wie diese spielen auch eine gewächsen zählt. Die Blätter dieser Art kann an wichtige Rolle für die Wertvorstellung der Ökosys Rinder verfüttert werden, wenn die Weiden nichts temdienstleistungen. Ein Beispiel sind die mächtigen mehr hergeben. »Der Baum könnte wichtig sein, Tamarinden, die als Einzelbäume prägend in den weil man so den Beweidungsdruck auf die Flächen Dörfern und auch in der freien Natur zu finden sind. reduzieren kann«, sagt Forstwissenschaftler Die Bäume spenden nicht nur Schatten und aus Plugge. Auch der Katrafey lässt sich gut nutzen: ihren Früchten lassen sich Limonaden und Frucht Der Stamm liefert gutes hartes Holz, das für Möbel sirup herstellen, sondern sie haben auch einen und beim Hausbau eingesetzt werden kann, die wichtigen soziokulturellen Wert: »Das sind heilige Blätter lindern Bauchschmerzen. Zeigen wollen sie Bäume, in denen nach Vorstellung der Dorfbevöl auch, dass die Artenvielfalt wie insbesondere Rep kerung Geister und Naturwesen leben, denen Res tilien erhalten werden kann, ohne dabei die Lebens pekt zu zollen ist«, erklärt Fritz-Vietta. Die Bäume grundlage der lokalen Bevölkerung auf Basis einer dürften genutzt werden, die Naturwesen müssten nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen dem aber zustimmen. zu gefährden. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil auf dem Plateau ein großer Nationalpark ein gerichtet wurde. Untersuchen wollen die Forscher »Die heiligen Wälder haben einen deshalb, wie wichtige Tierarten wie die Strahlen wichtigen kulturellen Wert.« schildkröte auf verschiedene Landnutzungs-Metho den wie Bewässerung und Viehzucht reagieren und wie sie das verstärkte Eindringen des Menschen Ebenso wie die heiligen Bäume gibt es auch heilige in ihren Lebensraum durch Tourismus, Verkehr, Wälder, deren Zutritt oft verboten ist. »Diese Wäl- und illegalen Einschlag verkraften. der haben einen wichtigen kulturellen Wert«, sagt Daniel Plugge, der die Nutzung des Waldes, ihre Schwierige Rahmenbedingungen Inwertsetzung sowie die Speicherkapazität von Denn in der Region ist ein gesellschaftlicher Wandel Kohlenstoff von Wäldern untersucht. Wissen wollen spürbar. »Die Bevölkerungszahl nimmt zu, Dürren er und sein Forschungsteam deshalb zum Beispiel, werden häufiger und die Menschen fühlen sich durch welche Baumarten vorkommen, wie sie verbrei- den Nationalpark eingeengt«, sagt Fritz-Vietta. tet sind und wie sie von der Bevölkerung genutzt Der wirtschaftliche Druck, das Land noch intensiver werden. So gebe es neben den auffälligen Baum zu nutzen, steige. Hinzu kommt die unklare politische arten Tamarinde und dem Affenbrotbaum beispiels- Lage: In dem Inselstaat herrscht eine politische
10 | 11 Wissenschaf tsporträt 11 (Quelle: J. Hammer) (Quelle: T. Feldt) Zebus sind nicht nur Fleischlieferanten und Arbeitstiere, Aus Holz gefertigte Pirogen werden in der Küsten- sondern auch Statussymbol und Investitionsanlage. fischerei eingesetzt. Krise, seitdem im Jahr 2009 eine nicht gewählte In der Region beforschte Produktionss ysteme sind: Regierung sich ins Amt putschte. Das hat die inter Landwirtschaft (extensiv), Forstwirtschaft, Viehhaltung nationale Hilfe lahmgelegt und in vielen Behörden wechselten die Ansprechpartner. Zudem ist oft nicht geklärt, wem das Land wirklich gehört. »Es gibt nationale und regionale Rechtsprechungen SuLaMa sowie den Ältestenrat, der das Land im Dorf verteilt«, www.sulama.de sagt Ganzhorn. Die ungeklärten Besitzverhältnisse hinderten die Landwirte daran, auf ihren Feldern zu investieren. Viel Kommunikation notwendig Projektleitung: Dass dies alles die Umsetzung des Management Biozentrum Grindel und Zoologisches Museum | Universität Hamburg plans, in dem die SuLaMa-Forscher bis zum Jahr Prof. Dr. Jörg Ganzhorn 2015 ihre Ergebnisse und Empfehlungen vorlegen Telefon: +49 (0) 40-42838-4224 wollen, erschwert, ist den Forschern bewusst. E-Mail: ganzhorn@zoologie.uni-hamburg.de »Wenn es uns gelingt, die Fähigkeiten und Potenziale der lokalen Bevölkerung einzubinden, sehe ich aber Projektkoordination: gute Chancen, unsere Empfehlungen zu realisie Biozentrum Grindel und Zoologisches Museum | Universität Hamburg ren«, sagt Sozialwissenschaftlerin Fritz-Vietta. Dr. Susanne Kobbe Sie sieht das als einen langwierigen Prozess, der Telefon: +49 (0) 40-42838-5648 viel Kommunikation benötige, aber Erfolg haben E-Mail: susanne.kobbe@uni-hamburg.de könne. Zuspruch für die Forscher kommt auch vom WWF Madagaskar. »Dank des SuLaMa-Projekts Ansprechpartner in der Untersuchungsregion: können wir eine regionale Datenbank aufstellen und World Wildlife Fund eine Plattform erstellen, auf der das Wissen über Domoina Rakotomalala die Landschaft und deren Nutzung gesammelt wer Telefon: +261(0) 344985021 den kann«, freut sich WWF-Programmleiterin E-Mail: drakotomalala@ wwf.mg Domoina Rakotomalala. Die Strategien und Model lierungen aus dem Forschungsprojekt werden Fördersumme: 6,1 Millionen Euro die regionalen Entscheidungshelfer unterstützen und in den regionalen Entwicklungsplan einfließen. Laufzeit: Januar 2011 bis Dezember 2015
»SuLaMa« ist eines von zwölf Regionalprojekten, welches im rahmen der fördermaßnahme »Nachhaltiges Landmanagement« (Modul A) vom Projektträger im dlr im auftrag des Bundesministeriums für Bildung und forschung (BMBf) gefördert wird. Wissenschaftsporträt 11 erscheint im rahmen der fördermaßnahme »Nachhaltiges landmanagement« des Bundesministeriums für Bildung und forschung (BMBf). www.nachhaltiges-landmanagement.de herausgeber: Wissenschaftliche Begleitung, koordination & synthese (glUes) helmholtzZentrum für Umweltforschung – UfZ department landschaftsökologie Permoserstraße 15 | 04318 leipzig redaktion: andreas Werntze, Msc. eMail: andreas.werntze@ufz.de Autor: Benjamin Haerdle, März 2013 gestaltung: Metronom | agentur für kommunikation und design gmbh, leipzig DLR
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