MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
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mmm.verdi.de E 2814 Jahrgang 67 MENSCHEN MACHEN Neue Software bei Springer Betriebsrat bestimmt mit MEDIEN Tarifabschluss Zeitungen Medienpolitisches ver.di-Magazin Sept. 2018 Nr. 3 Die Mitglieder entscheiden Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Spardiktat ohne Programmeinbußen
INHALT IM FOKUS ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK MEDIENWIRTSCHAFT TARIFE UND HONORARE I6 SPARDIKTAT OHNE 18 EINSPARPAKET 22 MITBESTIMMUNG BEI 28 DIE MITGLIEDER PROGRAMMEINBUßEN GESCHNÜRT NEUER SOFTWARE ENTSCHEIDEN Von Günter Herkel Der Mitteldeutsche Rund- Springer: Vereinbarung mit Umfrage zum Tarifergebnis funk (MDR) ist für die Betriebsrat zur Program- für Redaktionen an Tages- 10 EIN STEINIGER WEG Strukturreform gewappnet mierung durch Microsoft zeitungen Norddeutscher Rundfunk (NDR) mit Manko in der 20 ZU WENIG SPIELRÄUME 23 SCHON ENTDECKT? 29 HONORARERHÖHUNGEN Personalentwicklung Zweites Deutsches LANDMADLA BEI DER Fernsehen (ZDF) will EßLINGER ZEITUNG 12 EXISTENZIELL FÜR FREIE verschlanken durch Aus- 24 KINO FÜR DEN KOPF Freie wehrten sich gegen Westdeutscher Rundfunk lagerung Im Trend: Podcast beleben schwindenden Verdienst (WDR) ringt auch um bes- die alte Tradition des sere Unternehmenskultur Geschichtenerzählens 30 DEUTSCHE WELLE PORTRÄT Freie erstreiten 14 TRIMEDIAL GESCHULT Festanstellung Südwestrundfunk (SWR) BERUF setzt nicht nur auf die 4 BERUF MEDIEN- 30 COMPUTER BILD jungen Wilden GESTALTER – HAMBURG DIGITAL UND PRINT: 26 POSTFACH IM DARKNET Kämpfen für 16 BLOß NICHT ALEXANDER KIJAK SecureDrop schützt einen Tarifvertrag LANGWEILEN Immer spannend Whistleblower vor Ent- Rundfunk Berlin-Branden- tarnung 30 ANZEIGE burg (RBB) bietet mehr Die ver.di Zeitung Publik Experimentelles MEINUNG sucht eine/n Redakteur/in INTERNATIONALES 5 ALARMSIGNAL – VERDI UNTERWEGS NICHT NUR FÜR DEN 27 AKTION FÜR SAMUEL STAAT OGUNDIPE, NIGERIA Festnahme nach Artikel 31 RADIO HAMBURG Gehaltskurve zeigt nach unten 31 ÖFFENTLICH-RECHT- LICHER RUNDFUNK M Workshop: Für ein Bündnis Titelbild: ONLINE 31 VERANSTALTUNGEN FÜR FREIE [M] unter Verwendung von Datenschutz 123rf/andreahast und Immer aktuell informiert. Alle 14 Tage per Newsletter die Pressebildern 31 PRESSEAUSWEIS neuesten Beiträge im Überblick. von ARD und ZDF Antrag kommt per Post >> mmm.verdi.de 31 IMPRESSUM 2 M 3.2018
EDITORIAL Stefanie Hornig präsentiert bei N-Joy in der Morningshow „Kuh- lage und Hardeland" die News und jeden Sonntagabend die spannenden Geschichten hinter den Schlagzeilen aus aller Welt. N- Foto: Jan-Timo Schaube Joy vom NDR ist die Radiowelle für 14- bis 39-jährige aus dem Norden. Veränderung und Mitbestimmung Sie heißen „1er Team“ (NDR), „Ein Personen Team“ (SWR) oder gar „Ein Mann Team“ (RBB): Unterschiedliche Titel, gleicher Inhalt: Anstelle eines Kameramanns (einer -frau) und einer Kame- raassistent_in, kommt nur noch eine Person mit den Redakteur_innen zum Dreh, die parallel für Bild, Licht und Ton verantwortlich ist. In der Tat: Das ist eine Einsparung, an Arbeitskräften, an Ho- n v. Polentz noraren, … aber auch an Qualität! Das eher kleine Beispiel zeigt einmal mehr die Kehrseite von Ein- sparungen bei ARD und ZDF, die seit Jahren vorangetrieben werden. Mit der angelaufenen, von der Foto: Christia Politik geforderten, Strukturreform und einer Diskussion über die Neudefinition des Rundfunkauf- trags vor allem mit Blick auf die digitale Netzwelt, erhöht sich der Druck auf den öffentlich-recht- lichen Rundfunk. Dieser ist bereit, seine Effizienz im Sinne der Beitragszahler zu verbessern. Dazu gehört der Wille, keine Einbußen am Programm vorzunehmen. 20 Projekte wurden aufgelegt, die sich ausschließlich auf Verwaltung, Technik und Produktion beziehen. Vielleicht findet sich dabei auch ein gemeinsamer Titel für die verkleinerten Berichterstatter-Teams in den ARD-Sendern? M Menschen Machen Medien 3/2018 schaut in seinem aktuellen Themenschwerpunkt auf die medienpolitische Rund- funkdiskussion sowie die Folgen des Einsatzes neuer digitaler Techniken, der Umstellung auf Cross- medialität, der Reformvorhaben, die für die Beschäftigten in der Regel mit Arbeitsverdichtung, Verände- rungen von Berufsbildern und erhöhtem Qualifikationsanforderungen einhergehen (S. 6 bis 21). Diese Herausforderungen stehen auch bei den Printmedien auf der Tagesordnung. Umso unverständlicher ist die hartnäckige Weigerung der Verleger, den Journalist_innen an Tageszeitungen eine Reallohnsteige- rung zuzugestehen, die ihren Namen auch verdient. Nach sieben Verhandlungsrunden begleitet von Streiks und Protestaktionen in mehreren Bundesländern hat die dju in ver.di das letzte Angebot der Ar- beitgeber als inakzeptabel abgelehnt. Der DJV dagegen hat es angenommen. Bis Mitte September stimmen die dju-Mitglieder in den Streikbetrieben nunmehr über das Verhandlungsergebnis ab. M spricht mit Ver- handlungsführer Matthias von Fintel über die Entscheidung der ver.di-Tarifkommission und deren Folgen (S.28/29). M Online wird aktuell über die Ergebnisse der Umfrage berichten. https://mmm.verdi.de Um Mitbestimmung in beispielhafter Ausgestaltung ging es jüngst auch bei Springer (S.22/23). Hier wurde die Plattform „moveoffice“ von Microsoft eingeführt. Für den Konzernbetriebsrat eine bis dato noch nicht erlebte Umwälzung, die alle Arbeitsbereiche, die Unternehmenskultur und die Arbeitsorganisation be- rührte. Zwei Jahre währten die Verhandlungen über die Mitbestimmung des Betriebsrates, die in einer Konzernbetriebsvereinbarung zu der neuen Software mündeten. Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin 3.2018 M 3
PORTRÄT Beruf Mediengestalter – Digital und Print: Alexander Kijak an Klöpfer Foto: Sebasti Immer spannend D ass die Medienlandschaft immer die gestalterische Arbeit, aber es ist Das Motivierende an seinem Beruf ist für sich in einem rasanten mehr Technik hinzugekommen. „Insge- ihn, „etwas Sinnvolles zu tun, nicht wie in Wandelt befindet, be- samt“, bedauert er, dass weniger Zeit bleibt der Werbung. Die Zeitung wird gekauft. kommt Alexander Kijak für „schöne, aber auch aufwendige Ge- Die Leute wollen das Blatt lesen und be- – kurz Alex genannt – staltung“. zahlen dafür Geld. Das hat einen anderen beruflich hautnah mit. Alex arbeitet im Stellenwert, als Werbung zu machen, ein Pressehaus Stuttgart als Mediengestalter Was früher Schriftsetzer_innen oder Produkt herzustellen, das vielleicht unge- Digital und Print. Täglich layouted er die Druckformhersteller_innen machten, da- lesen im Papierkorb landet.“ Obwohl seine Zeitungsseiten für beide Stuttgarter Blät- für gibt es nun die Mediengestalter_innen Tätigkeit sich von Tag zu Tag sehr ähnlich ter, die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgar- Digital und Print. Doch mit den Anforde- ist, findet er sie immer wieder erneut ter Nachrichten, hinzu kommen die Inter- rungen von damals hat die Arbeit heute spannend. Schließlich gelte es, jeden Tag netseiten und die iPad-App. wenig zu tun. Die klassische Kategorisie- neue Aufgabenstellungen zu meistern. rung in Druck und Web, reicht längst Früher hat Alex nur für die Stuttgarter Zei- nicht mehr aus, um die große Bandbreite Alex kann sich vorstellen, in seinem Be- tung die Seiten gestaltet. Nach der Zusam- an Tätigkeiten oder Spezialisierungen un- ruf alt zu werden, sein Traumberuf ist es menlegung der beiden Redaktionen in- ter einen Hut zu bekommen. Medienge- aber nicht. Nebenberuflich fotografiert er. nerhalb der Südwestdeutschen Medien- stalter_innen finden heute in Verlagen, Das ist sein großes Hobby, in Kombina- holding (SWMH) läuft nun mit einem Werbeagenturen, Fotostudios und Firmen tion mit Outdoorsport, Klettern, Skifah- neuen System das volle Programm für für Web- und Softwareentwicklung ein ren, Mountainbiken. Die „wilde Natur“ beide Blätter und dazu noch die digitale vielschichtiges Tätigkeitsgebiet. im Bild festzuhalten, das ist seine große Schiene. Mit Alex im Team sind etwa ein Leidenschaft. Die besten Bilder präsen- Dutzend Kolleginnen und Kollgen, die Alex begann seine Ausbildung an der tiert er jährlich in einem Kalender. Angetan jeweils ein Ressort betreuen. Wie viele Johannes-Gutenberg-Schule Stuttgart, ehe hat es dem Fotografen Alex (www.alexki- Seiten sie täglich produzieren, hängt vom er sie in einem Studio für Bildbearbeitung jak.de) vor allem der nördliche Schwarz- Ressort und dem Nachrichtenaufkom- fortsetzte. Mit Layout hatte er während wald. men ab. „Fünf, sechs, sieben, je nach Res- seiner Ausbildung weniger zu tun. Der sort“, sagt Alex, um gleich hinzuzufügen Schwerpunkt in seinem Ausbildungsbe- Alex glaubt fest daran, dass allen neuen „für beide Zeitungen, also die doppelte trieb waren Werbeplakate, Zeitungsanzei- Medien zum Trotz die gedruckte Zeitung Zahl“. Denn sie haben unterschiedliche gen, Kataloge für die Automobilindustrie. auch weiterhin eine Zukunft hat. „Viel- Layouts. Zu Alex’ Aufgaben gehört es, da- „Im Nachinein betrachtet“, überlegt Alex, leicht werden weniger Exemplare ge- rauf zu achten, dass das Gesicht des jewei- „war es ein guter Ausbildungsbetrieb. Ich druckt, aber ganz aussterben wird die Zei- ligen Produkts gewahrt bleibt. Schließlich habe viel gelernt.“ tung nicht.“ Viele seiner Bekannte lesen wollen die Leserinnen und Leser beide Zeitung am Smartphone, berichtet Alex, Zeitungen im gewohnten Erscheinungs- Nach seinem Zivildienst ging Alex nicht aber er vermutet, „das ist Zeitgründen ge- bild. mehr zurück in seinen Ausbildungs- schuldet“. Selbst die jüngere Generation betrieb, sondern begann als freier Mitar- habe ein Bedürfnis danach, die Zeitung in Mit dem neuen System, dem Gestalten beiter bei der Stuttgarter Zeitung. Dann den Händen zu halten. Papier vermittle von zwei Zeitungen und den digitalen wurde ihm eine Festanstellung angebo- ein anderes, ein authentischeres Gefühl, Verwertungen sei die Arbeit nicht einfa- ten. Nun ist er schon sieben Jahre dabei, als der Bildschirm. Deshalb greift Alex cher geworden, sondern eher stressiger, überlegt er – erstaunt darüber, wie schnell auch viel lieber zum Buch und nicht zum erzählt Alex. Im Prinzip überwiege noch die Zeit vergangen ist. E-Book. Werner Jany
MEINUNG Alarmsignal – nicht nur für den Staat D er Hitlergruß auf offener Straße, gebrüllte Nazi- stellen – ohne Wenn und Aber – und damit für den parolen, Jagd auf ausländisch aussehende Erhalt der demokratischen Werte in unserer Gesell- Menschen, Angriffe verbal und tätlich auf schaft eintreten. Dazu gehört der Schutz der Presse- Journalisten; Sicherheitskräfte, die nicht ein- freiheit. Die dju in ver.di hat die Mitglieder der Innen- greifen! Es sind Bilder einer hässlichen Seite ministerkonferenz aufgerufen, sich damit umgehend Deutschlands, die derzeit durch die Welt gehen, die zu befassen. „Unser Land braucht einen Plan, wie das uns aufschrecken lassen. Es sind Bilder aus Chemnitz, Grundrecht der Pressefreiheit und sein Schutz durch Dresden, mit Ausläufern in Stuttgart … – Bilder auch den Staat von Ämtern, Behörden und Dienststellen vom Versagen des Rechtsstaates! wirksam durchgesetzt werden kann“, fordert Cornelia Haß: „Die Sicherung unserer Pressefreiheit muss ein Wenn Fernsehteams nur noch mit eigenen Sicher- wesentlicher Baustein in der Ausbildung von Sicher- heitsleuten Demonstrationen rechtsextremer Grup- heitskräften sein. Da hat sich etwas Ungutes zusam- pierungen, der Wutbürger von Pegida oder der AfD mengebraut. Die Innenminister aller Bundesländer filmen können, ist es mit der Pressefreiheit nicht haben gemeinsam dafür Sorge und Verantwortung zu mehr weit her. „Wenn ein Mitarbeiter des sächsischen tragen, dass dieses Gebräu nicht in die Luft geht.“ Landeskriminalamts genau weiß, mit welchen Metho- den er offenbar nicht ausreichend informierte Ein- Die ganze Strenge des Rechtsstaates und das Tätigwer- satzkräfte dazu bringen kann, ein Fernsehteam für 45 den der Strafverfolgungsbehörden gegen Vertreter der Minuten an seiner Arbeit zu hindern, wenn ein Poli- sogenannten Alternative für Deutschland fordert in zist in Stuttgart die Pressefreiheit außer Kraft setzt, diesem Zusammenhang ver.di Hessen. AfDler der n v. Polentz weil er dem vermeintlichen Schutz von Mitgliedern Fraktion im Kreistag Hochtaunus hatten auf ihrer der Identitären Bewegung Vorrang gibt, dann ist das Facebook-Seite „unverhohlen zu Gewalt“ gegen Me- ein Alarmsignal für den Umgang mit der Pressefrei- dienvertreter aufgerufen. Der für Journalisten in Foto: Christia heit“, kommentiert die Bundesgeschäftsführerin der Hessen zuständige ver.di-Sekretär Manfred Moos dju in ver.di, Cornelia Haß, die Behinderung des ZDF- mahnt: „Diese unsägliche und unerträgliche Entglei- Teams von Frontal 21 in Chemnitz und von Presse- sung sollte allen die Augen öffnen, die mit der Wahl vertretern während eines Polizeieinsatzes in Stuttgart. der AfD liebäugeln. Hier sind knallharte Rechtsextre- Karin Wenk Da reicht es nicht mehr – und es ist ja offensichtlich misten am Werk, die die Pressefreiheit und andere ist seit Dezember 2002 auch falsch – wenn Kanzlerin Merkel betont, dass die Werte der Demokratie mit Füßen treten werden, wenn verantwortliche Redak- Gewalt in Chemnitz „mit unserem Rechtsstaat nichts sie dazu Gelegenheit bekommen sollten.“ Es gilt, da- teurin für „M Menschen zu tun hat“. gegen zu halten! Deshalb unterstützt die dju in ver.di Machen Medien“. den Aufruf zur Demonstration „Solidarität statt Aus- Zuvor arbeitete sie Konsequentes und konkretes Handeln der Politik ist grenzung – Für eine offene und freie Gesellschaft“ am 12 Jahre lang als freie gefragt. Die Regierenden, vor allem die in Sachsen, 13. Oktober in Berlin. #unteilbar www.unteilbar.org Journalistin in Berlin. sollten sich an die Spitze einer Bewegung gegen rechts Karin Wenk
IM FOKUS Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Druck. Seine Akzeptanz ist unge- brochen, Quote und Qualität sind von beachtlichem Niveau. Aber die Politik will Beitragsstabilität, weitere Sparanstrengungen und den Rundfunkauftrag neu definieren. Die Anstalten pochen auf bedarfsgerechte Finanzierung. Zugleich krempeln sie unter dem Spardiktat mehr denn je ihre Strukturen um. Spardiktat ohne Programmeinbußen Von Günter Herkel I n zwei Arbeitsgruppen der Länder wird die Zukunft stand Mathias Döpfner pries das Ergebnis als „gute von ARD, ZDF und Deutschlandradio verhandelt. Voraussetzung, um das duale Mediensystem zu stabi- Schon seit zweieinhalb Jahren streitet eine AG über lisieren“, und Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunk- „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunk- kommission der Länder, sah „nach langem Ringen anstalten“ (M 2/2018). Auf Geheiß der Medien- nur Gewinner am Tisch“. politiker legten die Anstalten im Herbst 2017 einen Bericht vor, in dem sie ihre eigene Sicht auf Struk- In der übrigen Medienwelt fiel das Echo weniger po- turreformen kundtaten und ein konkretes Spar- sitiv aus. Zur Erinnerung: Die Sender hatten sich bei paket vorlegten. Die Hauptnachricht: An allem soll dem Deal bereit erklärt, das von den Verlegern ange- gespart werden, nur nicht am Programm. strebte Verbot der „Presseähnlichkeit“ zu akzeptieren und angekündigt, die Textmengen ihrer Online-Auf- Anfang 2018 machte der neue ARD-Vorsitzende tritte zu reduzieren. Im Gegenzug wird die erlaubte Ulrich Wilhelm klar, dass bei ausbleibendem „Teue- Verweildauer von Bewegtbild in den Mediatheken rungsausgleich“ ab der kommenden Gebührenperi- verlängert. Künftig dürfen auch Lizenzproduktionen Knapp 270 Mil- ode 2021–2025 kein Weg an massiven Einschnitten – etwa europäische Filme und Serien, nicht jedoch US- lionen Euro will das im Programm vorbeiführen werde (Interview M 1/ amerikanische – in die Mediatheken eingestellt wer- ZDF bis 2028 sparen, 2018). ARD und ZDF verwiesen auf bereits geleistete den. Eine Schiedsstelle soll Streitfälle schlichten und und beschlossene Einsparungen. Knapp 270 Millionen Konflikte wie den langjährigen Streit um die „Tages- bei der ARD sind es Euro will das ZDF bis 2028 sparen, bei der ARD sind schau“-App gar nicht erst entstehen lassen. etwa 951 Millionen. es etwa 951 Millionen. Moderner Auftrag eingeschränkt Um die „Neufassung der Beauftragung“ – im Klar- deutsch: den Programmauftrag – geht es in der zwei- Aus der Medienpolitik hagelte es kritische Stimmen. ten, erst Ende Januar gegründeten AG. Die soll unter Die Zukunft der Mediennutzung sei „plattformunab- anderem die alte Streitfrage klären, was die Öffentlich- hängig“, argumentierte Doris Achelwilm, medien- Rechtlichen im Netz dürfen und was nicht. Unlängst politische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, einigten sich Verlage und Sender überraschend – weit- „wir schauen auf Smartphones Fernsehbeiträge oder gehend ohne Mitwirken der Politiker – auf ein Modell lesen die Zeitung im Internet“. Das Verbot angeblich friedlicher Koexistenz. Als Mitte Juni die Eckpunkte presseähnlicher Artikel auf Webseiten von ARD und für einen neuen Telemedien-Staatsvertrag verkündet ZDF sei „aus der Zeit gefallen, rettet vermutlich kei- wurden, klopften sich alle Beteiligten auf die Schulter. nen bedrohten Zeitungsverlag und schränkt einen ARD und ZDF bezeichneten die Einigung als akzepta- modernen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ein“. blen Kompromiss, BDZV-Präsident und Springer-Vor- Die Grünen-Mediensprecherin Tabea Rößner sah in 6 M 3.2018
Foto: 123rf/andreahast der paritätisch zu besetzenden Schlichtungsstelle gar Die Hauptaufmerksamkeit gilt Musik, Videos und ein verfassungsrechtliches Problem: Wenn Pressever- Podcasts. Den weiteren Niedergang vieler Printme- S treter künftig über die Ausgestaltung des öffentlich- dien dürfte also auch der neue Telemedien-Staatsver- treit in der rechtlichen Auftrags mitbestimmen dürften, sei dies trag nicht stoppen. Medienpolitik ein „Eingriff in den Kernbereich der Programmauto- nomie“. Auch der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Regulierung von Intermediären Frank Werneke kommentierte, die Reform verkenne Der neue Telemedien-Staats- „die wahren Gegebenheiten im Netz und bleibt ge- Zeitgleich zur Diskussion um die strukturellen Refor- vertrag: Während die einen danklich in der analogen Welt stecken“. men bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten haben von einem Vorschlag zur die Länder den Entwurf eines Medienstaatsvertrages Stabilisierung des dualen Nach dem Beschluss folgen nun die Mühen der Ebe- vorgelegt, der den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag Mediensystems sprechen ne. Die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen ersetzen soll. Darin geht es erstmals auch um Regulie- (Matthias Döpfner/Springer), Sender sollen künftig ihren Schwerpunkt auf Audio- rungsvorschriften für sogenannte Intermediäre wie halten andere das Verbot visuelles, also Bewegtbild und Ton legen. Das sind al- Suchmaschinen wie Google und sogenannte Soziale „presseähnlicher“ Artikel auf lerdings recht unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Um- Netzwerke wie Facebook, die etwa mehr Transparenz den Webseiten von ARD und setzung des neuen Telemedien-Staatsvertrags sei eine an den Tag und ihre Algorithmen offenlegen sollen. ZDF für „aus der Zeit gefal- „Gemeinschaftsaufgabe“, bei der sich Onliner, Juris- Es geht aber auch um die vor allem für den öffentlich- len“ mit Blick auf die ten und Techniker untereinander koordinieren wür- rechtlichen Rundfunk entscheidende Frage, was künf- „plattformunabhängige“ den, kündigte ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm nach tig als Rundfunk gelten soll. So sollen etwa Bagatell- Mediennutzung der Zukunft der letzten Intendantensitzung vor der Sommerpause regelungen geschaffen werden, die Rundfunkanbieter (Doris Achelwilm/Linke). an. Die Schlichtungsstelle sei keine Schiedsstelle, prä- im Internet von der Zulassungspflicht befreien, wenn zisierte er bei dieser Gelegenheit, sie spreche lediglich sie weniger als durchschnittlich 20.000 Zuschauer pro Empfehlungen aus. Wenn der Ausgang „nicht zur Zu- Monat erreichen. Das ist einerseits eine verbraucher- friedenheit eines Beschwerde führenden Verlags aus- nahe Lösung, weil nicht jeder winzige Anbieter eine geht, bleibt weiterhin der Weg zum Gericht“. Ange- Lizenz braucht, andererseits erleichtert es den Verla- sichts der Schwierigkeiten, ihre Digitalangebote zu gen, durch Livestreams ins „Rundfunkgeschäft“ ein- monetarisieren, dürften viele Verleger die Aktivitäten zusteigen (vermutlich haben gerade viele kleine regio- von ARD und ZDF auch weiterhin misstrauisch beäu- nale Verlage weniger als 20.000 Zuschauer). An der gen. Im Grunde dreht sich der Streit um des Kaisers Konsultation zum Medienstaatsvertrag können sich Bart: Von den 45 Minuten, die die Deutschen im alle Bürger bis 30. September online beteiligen. Schnitt täglich für internetbasierte Mediennutzung aufwenden, entfallen laut aktueller ARD-ZDF-Online- Kaum Aufmerksamkeit schenken die Medienpolitiker Studie nur sieben Minuten auf das Lesen von Artikeln. der Länder dagegen den Gefahren, die für die Mei- 3.2018 M 7
IM FOKUS Moderator Christian Haacke konzentriert bei der Sende- vorbereitung im N-Joy-Studio Foto: Jan-Timo Schaube beim NDR in Hamburg. Fröhlich, informativ und mit jeder Menge Musik geht es wochentags von 15 bis 19 Uhr zu bei „Haacke und Nina“. nungsvielfalt von der wachsenden Medienkonzentra- chen für die Demokratie hervor. Kostprobe: „Das An- tion ausgehen. Darauf verwies Ende August die Kom- gebot von fast 90 Rundfunkprogrammen rund um die mission zur Ermittlung der Konzentration im Medien- Uhr rechtfertigt die zusätzliche finanzielle Belastung bereich (KEK). In einem Schreiben an die Rundfunk- von Personen, die als Steuerzahler bereits die allge- kommission der Länder zeigte sich KEK-Vorsitzender meinen Staatsaufgaben finanziert haben.“ Zehn bun- Georgios Gounalakis verwundert darüber, dass die desweite Fernseh- und 67 Hörfunkprogramme, dazu zwischen beiden Institutionen diskutierten Reform- neun dritte TV-Programme sowie Sparten-, Bildungs- vorschläge für ein „fernsehunabhängiges Vielfalt- und Telemedienangebote sind in den Augen der Rich- sicherungsmodell“ im Staatsvertragsentwurf keinen ter eine pralle Angebotsvielfalt. Der entscheidende Niederschlag gefunden hätten. Satz: „Der Rundfunkbeitrag wird speziell zur Finanzie- rung des demokratiewesentlichen Auftrags des öffent- Ein solches Modell favorisiert auch die Monopolkom- lich-rechtlichen Rundfunks erhoben, ohne den Druck mission in ihrem kürzlich erschienenen 22. Haupt- zu Marktgewinnen die Wirklichkeit unverzerrt darzu- gutachten. „Die bisher fernsehzentrierte Medienkon- stellen, das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu zentrationskontrolle sollte daraufhin überprüft wer- stellen und professionell die Vielfalt der Meinungen den, ob ein medienübergreifendes Konzentrations- abzubilden, wie Art.5 Abs.1 GG es vorsieht.“ recht besser geeignet ist, Gefahren für die freie Meinungs- und Willensbildung vorzubeugen“, heißt Dessen ungeachtet setzt sich das Trommelfeuer eini- es in den Empfehlungen der Gutachter. ger Verlage gegen ARD und ZDF fort. Radio-Bremen- Intendant Jan Metzger äußerte im Frühjahr auf dem M Fragliche Wettbewerbsverzerrungen Kongress der ARD-Freien, was auf den Medienseiten passiere, habe „streckenweise mit Journalismus nichts itwirkung In dem ausführlichen Berichtsteil über die Situation mehr zu tun“, sondern das sei „Verlagspropaganda“. der audiovisuellen Medien beschäftigt sich die Mono- Nicht selten grenzt es ans Lächerliche, was da von ge- polkommission interessanterweise auch mit Fragen standenen Medienredakteuren an Attacken geritten An der Konsultation zum des Rundfunkbegriffs. Die Schlussfolgerungen in die- wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk vermittle Medienstaatsvertrag können sem Bereich fallen weniger logisch aus. Wie gewohnt „kaum noch Bildung, klassisches Wissen oder Kultur“ sich alle Bürger bis 30. Sep- nimmt die Kommission allein eine wirtschaftliche beschwerte sich wiederholt Joachim Huber, Medien- tember online beteiligen. Betrachtung vor und sieht an jeder Ecke Wettbewerbs- ressortleiter beim Berliner Tagesspiegel. Und setzt dem https://www.rlp.de/index.php verzerrungen durch den öffentlich-rechtlichen Rund- 13,4 Millionen-Jahresetat von ARD-alpha, dem ver- ?id=27687 funk. Dessen gesellschaftliche Bedeutung für die Demo- meintlichen „Feigenblatt“ unter den 21 öffentlich- kratie und die Perspektive der Beitragszahler fehlen rechtlichen TV-Programmen, die acht Milliarden Euro Zum Bericht der Monopol- vollkommen. Nicht verwunderlich, dass die Autoren Gesamteinnahmen von ARD und ZDF gegenüber. Um kommission können Verbände deshalb die öffentlich-rechtlichen Onlineauftritte als nebenbei noch über exorbitante Ausgaben für Sport- bis 20. September Stellung viel zu weitgehend betrachten. Mal davon abgesehen, rechte – die Fußball-WM – zu wettern. nehmen. dass der Bund, dem das Gutachten vorgelegt wurde, https://tinyurl.com/ybysmhws keinerlei Befugnisse zur Ausgestaltung des öffentlich- Immerhin: ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm konnte rechtlichen Rundfunks in Deutschland hat. Verbände Anfang August im Rahmen einer Positionsbestim- können bis 20. September dazu Stellung nehmen. mung ausführlich kontern. Die ARD leiste auch jen- seits des Programms einen „wichtigen Beitrag zum Zu- Vielleicht sollten sich die wirtschaftsliberalen Mono- sammenhalt unserer Gesellschaft“. Sie sei ein „starker polkommissare mal die Quintessenz des jüngsten und verlässlicher Partner der deutschen Filmwirt- Bundesverfassungsgerichts-Urteils vom 18. Juli zum schaft“. So flössen jährlich mehr als 650 Millionen Rundfunkbeitrag aneignen. Bekanntlich entschied Euro in Filmproduktionen, weitere 50 Millionen gin- das Gericht, dass lediglich ein zweiter Beitrag für eine gen an die Filmförderungsanstalten des Bundes und Zweitwohnung nicht verfassungsgemäß sei. Ansonsten der Länder. Gefördert würden darüber hinaus die Me- heben die Verfassungswächter gewohnt konsequent dienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sowie die konstitutive Bedeutung der Öffentlich-Rechtli- junge Talente aus Musik, Kabarett und Literatur. Ganz 8 M 3.2018
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK zu schweigen von den unzähligen Kultur- und Me- erklärte die damalige ARD-Vorsitzende Karola Wille dienpartnerschaften in den Bundesländern. und MDR-Intendantin im ARD-Bericht an die Länder Ende 2017. Sie verwies auch darauf, dass die einzel- Das gleiche Forum nutzte auch ZDF-Intendant Tho- nen ARD-Anstalten in ihren Häusern bereits seit Jah- mas Bellut, um die Leistungen der öffentlich-rechtli- ren sparten. Die nun festgelegten 20 Strukturprojekte chen Anstalten und ihre Rolle im gesellschaftlichen – die Umsetzung einiger ist bereits in vollem Gange – Diskurs hervor zu heben. Die Akzeptanz der Angebote beziehen sich ausschließlich auf Verwaltung, Technik von ARD und ZDF sei in den letzten Jahren deutlich und Produktion. Diese drei Bereiche machen der ARD gestiegen. Angesichts der wachsenden gesellschaftli- zufolge rund 20 Prozent von deren Gesamtetat aus. chen Spannungen seien zum Beispiel öffentlich-recht- Der Gesamtetat des Senderverbunds betrug im Jahr liche Nachrichten „gefragt wie lange nicht mehr“. In 2016 rund 6,6 Mrd. Euro (davon stammen 5,6 Mrd. den Befragungen zur Glaubwürdigkeit schnitten sie Euro aus dem Rundfunkbeitrag). ähnlich wie die Presse „kontinuierlich gut“ ab, die so- zialen Medien dagegen „sehr schlecht, auch bei den Der Einsatz neuer digitaler Techniken, die Umstellung Die „Sendung mit der Maus“ jüngeren Nutzern“. Das öffentlich-rechtliche System auf Crossmedialität laufen in der Praxis zwar meist auf und dem kleinen blauen Ele- benötige einen breiten Konsens in der Gesellschaft, mehr Effizienz hinaus. Für die Beschäftigten geht dies fanten, produziert vom WDR, schließlich würden seine Leistungen von allen be- aber in der Regel einher mit Arbeitsverdichtung, Ver- begeistert seit mehr als vier zahlt. „Der Vorwurf einiger Rundfunkpolitiker, die änderung von Berufsbildern, erhöhten Qualifikations- Jahrzehnten Jung und Alt. Ramona Wultschner zeichnet Sender seien nicht bereit, ausreichend zu sparen, ist anforderungen. Wie diese Transformation im Detail von Hand am Computer unfair“, konstatiert Bellut. Es gebe „große Sparan- abläuft, soll im Folgenden anhand einiger Senderpor- einen Spot mit dem strengungen, und es gibt ein gemeinsames Sparpaket träts exemplarisch dargestellt werden.
IM FOKUS Ein steiniger Weg Norddeutscher Rundfunk (NDR) mit Manko in der Personalentwicklung I m Zuge der sogenannten Senderstruk- Prozessharmonisierung allein in 29 Unterprojekte auf- turreform erlebt der Norddeutsche geteilt. Insgesamt 15 Stellen sollen bis zum Jahr 2024 Rundfunk (NDR) „die schwerste Er- in der Verwaltung des NDR wegfallen, Standardpro- schütterung seit dem Versuch der CDU zesse zukünftig die Arbeit vereinfachen. In einem Ministerpräsidenten Ende der 70er- Pilotprojekt wurde bereits eine ARD-weite, gemein- Jahre die damalige Drei-Länder-Anstalt zu zerschla- sam genutzte Hörfunkdatenbank eingerichtet. Derzeit gen“, sagt die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats verfügt sie über etwa 800 Eingabefelder, damit alle beim Norddeutschen Rundfunk, Sabine von Ber- ARD-Anstalten ihre Sendungen entsprechend veror- lepsch. In Hamburg und seinen Landesfunkhäusern ten können. Die Beschäftigten des NDR benötigen Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und allerdings nur etwa 70 Eingabefelder für ihre Arbeit, Niedersachsen beschäftigt der NDR nach eigenen An- berichtet Doris Carstensen, stellvertretende Vorsitzen- gaben rund 3.500 festangestellte Mitarbeiter_innen, de des NDR-Gesamtpersonalrats. Mit dem Fortschrei- 1.150 programmgestaltende freie Mitarbeiter_innen ten der Strukturreform werden auch weitere Arbeits- mit Rahmenvertrag sowie annähernd 10.000 weitere prozesse und Software-Anwendungen nicht mehr spe- Freie. ziell auf die Bedarfe des NDR abgestimmt sein. Nach Arbeitserleichterung durch Prozessoptimierung klingt Innerhalb des ARD-Verbunds ist der NDR damit die das zunächst nicht. drittgrößte Landesrundfunkanstalt. Der schwerwie- Wir sehen uns gendste Grund für den Stellenabbau: Im Rahmen der Die Grenzen Künstlicher Intelligenz Senderstrukturreform soll die ARD in den Jahren von gezwungen, den Be- 2017 bis 2028 insgesamt 951 Millionen Euro einspa- Im Bereich der NDR-Produktionsdirektion ist der Spar- schäftigten bereits ren. Etwa ein Fünftel dieser Summe muss der NDR ge- zwang ebenfalls groß. Bis 2028 werden mindestens 40 von den ARD- mäß des Beitragsschlüssels innerhalb der ARD dazu Stellen gestrichen. Neben der IT-Strategie sind auch beitragen. Die Verunsicherung der Mitarbeiter_innen in den Archiven des NDR massive Einschnitte ge- Verantwortlichen in Deutschlands nördlichster Rundfunkanstalt ist plant. Hier soll verstärkt Künstliche Intelligenz zum beschlossene Spar- dementsprechend groß, viele Beschäftigte fürchten Einsatz kommen, um Abläufe zu verbessern und maßnahmen zu er- Kürzungen vor allem beim Personal. Die Frage, wa- Lohnkosten zu minimieren. Doch hoch im Norden rum sich die Sender überhaupt einem solch rigiden stößt die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen. Es klären, ohne daran Sparprogramm unterwerfen müssen, hören Sabine von wurde nicht bedacht, dass die automatische Sprach- noch das Geringste Berlepsch und ihre Kolleg_innen daher regelmäßig. erkennung derzeit noch kein Plattdeutsch versteht. ändern zu können. „Den Beschäftigten diese Strukturoptimierung zu er- Ein nicht unerheblicher Teil des Hörfunk- und auch klären, ist für uns als Personalvertretung ein steiniger, Teile des TV-Programms werden im NDR allerdings dornenreicher Weg. Dabei wollen wir uns eigentlich plattdeutsch ausgestrahlt. Die Stellen in den Archiven vor allem darum kümmern, die Auswirkungen auf die des NDR werden trotzdem gestrichen, davon geht Do- Beschäftigten zu begrenzen“, sagt die Vorsitzende des ris Carstensen, die stellvertretende GPR-Vorsitzende NDR-Gesamtpersonalrats. „Wir sehen uns gezwungen, fest aus. den Beschäftigten bereits von den ARD-Verantwort- lichen beschlossene Sparmaßnahmen zu erklären, Durch das Strukturprojekt „Benchmark Produktion“ ohne daran noch das Geringste ändern zu können“. kommt es auch in der Produktionsdirektion zu einer Diese Aufgabe ist keine leichte für die erfahrenen Per- erheblichen Arbeitsverdichtung: in der Außenübertra- sonalräte um Sabine von Berlepsch. Die Informatio- gung, der Sendeabwicklung, im Schnitt und bei der nen vom NDR kämen zwar regelmäßig, aber teilweise Kameraautomation im Studio. In der Fernsehbericht- geradezu wie eine Informationsflut. Ein Gesamtkon- erstattung beispielsweise wird schon jetzt häufig mit zept zur Umsetzung der Senderstrukturreform liegt „1er-Teams“ gearbeitet. Der Begriff an sich lässt viel weder den Personalvertretungen noch der Gewerk- erahnen: Statt der klassischen Besetzung eines Teams schaft vor. Konkrete Angaben über den Gesamtpro- mit jeweils einem Verantwortlichen für die Kamera- zess sind Mangelware. „Mitbestimmung ist unter die- führung und Assistenz, ist im „1er-Team“ eine einzige sen Voraussetzungen schwierig“, bestätigt auch Lars Person parallel für Kamera, Ton und Licht verantwort- Stubbe, zuständiger ver.di-Sekretär in Hamburg. lich. Bis zum Jahr 2024 sollen im NDR insgesamt 20 Prozent der Fernsehberichterstattung auf diese Weise Zur Umsetzung des angesetzten Sparziels ist der NDR produziert werden. Einen kleinen Erfolg kann die Per- in die 20 Strukturprojekte der ARD involviert, die wie- sonalvertretung bei diesem Thema verbuchen: Die derum in zahlreiche Einzelprojekte untergliedert sind. Kameraleute erhalten pro Einsatz pauschal einen In der Verwaltungsdirektion beispielsweise ist die SAP- Zuschlag von 43 Euro, wenn sie als „1er-Team“ unter- 10 M 3.2018
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK Angesichts des bisher geplanten Stellenabbaus be- fürchten viele Mitarbeiter des NDR massive Auswir- kungen auf das Programm. Auf Nachfrage teilt die Pressestelle des NDR zwar mit, dass der NDR „alle An- strengungen unternehmen wird“, um das „möglichst zu vermeiden.“ Und auch wenn tatsächlich keines der Senderstrukturprojekte das Programm betrifft, so sind Foto: Jan-Timo Schaube sich Sabine von Berlepsch und Björn Siebke doch ei- nig darüber, dass Einschnitte zum Beispiel in den Be- reichen Archiv und Programmerstellung sehr wohl Auswirkungen auf das Programm haben. Björn Siebke ist freier TV-Redakteur am NDR-Standort Offenes Gespräch mit Sabine Hannover und sitzt im Vorstand des NDR-Senderver- von Berlepsch, Vorsitzende wegs sind. Das ist in dieser Höhe einzigartig in der bands für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. des NDR-Gesamtpersonal- ARD. Dennoch „stehen wir mit dem Rücken an der Er hat als Autor schon häufig mit den „1er-Teams“ in rats (r.); Doris Carstensen, Wand“, sagt Sabine von Berlepsch. Ein Erfolg auf der der elektronischen Fernsehberichterstattung gearbei- stellvertretende Vorsitzende einen Seite reiße häufig ein Loch an anderer Stelle. tet. Wenn es neben dem Redakteur nur noch einen des NDR-Gesamtpersonal- „Das ist das Tückische an der Senderstrukturreform. statt zwei Mitarbeiter auf dem Dreh gibt, leide nicht rats (m.) und Lars Stubbe, Wie viele andere Prozesse konnten wir auch den Ab- nur die Qualität der Bilder. Häufig müsse er als Autor ver.di-Sekretär in Hamburg. bau der Senderbetriebe nicht von Beginn an eindeutig dann auch das Produktionsfahrzeug im Wechsel mit dieser Reform zuordnen“, sagt Doris Carstensen. Und dem Produktionsmitarbeiter fahren. Gerade bei tages- so entwickelt sich der Abbau schleichend. Inzwischen aktuellen Produktionen sei das kaum zu stemmen. ist klar: Von 12 NDR-eigenen Senderbetrieben in „Da erledige ich meist noch einen Teil der Recherche Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen sollen oder die Protagonisten-Suche aus dem Auto heraus. nur fünf Betriebe erhalten bleiben. Die unbesetzten Wenn ich selbst fahren muss, funktioniert das natür- Standorte werden zukünftig überwiegend per Remote- lich nicht mehr“, sagt Björn Siebke. Das gehe zu Las- Technik betrieben. Für die derzeit 52 Beschäftigten ten der Inhalte. Mehr als simpel gestrickte Nachrich- werden im Jahr 2028 nur noch 31 Stellen übrig sein. tenfilme könne er dann nicht an die Redaktionen liefern. Eine solche Kürzung von Produktionskapa- Dabei soll es laut Aussage der NDR, dessen Intendant zitäten bedeute natürlich auch, dass freie Mitarbei- Lutz Marmor ist, keine betriebsbedingten Kündigun- ter_innen weniger Aufträge vom NDR erhielten und gen im Zuge der Senderstrukturreform geben. Doch zugleich die Arbeitsverdichtung deutlich spürten. schon Ende 2016 wurde den Personalräten mit- „Das führt zu einer enormen Verunsicherung, es fehlt geteilt, dass in den folgenden zehn Jah- uns an einer Perspektive“, sagt Björn Siebke und ist ren über 1.000 Beschäftigte den sich sicher, dass Tarifverhandlungen mit dem NDR NDR verlassen werden, um in Rente der beste Weg sind, um Verbindlichkeit zu schaffen. zu gehen. Darunter seien viele hoch- Man müsse sich gemeinsam dagegen wehren, dass der qualifizierte Kolleg_innen, deren Stel- Strukturwandel für Honorarsenkungen zweckent- len nicht wiederbesetzt würden, beklagt fremdet werde. der NDR-Gesamtpersonalrat. „Da wird uns viel Wissen verloren gehen“, sagt Do- Offensiv gegen prekäre Beschäftigung ris Carstensen. Und Sabine von Berlepsch ergänzt, dass die Personalvertretungen es Auch Lars Stubbe ist sich sicher: Nur durch die Zusam- sich aufgrund der fehlenden Personalent- menarbeit aller ver.di-Senderverbände auf Bundesebe- wicklung des NDR zur Aufgabe gemacht haben, ne kann man einer drohenden „Harmonisierung“ der den drohenden Brain Drain durch gezielt orga- Tarifebene nach unten wirksam entgegentreten. Der nisierten Wissenstransfer etwas abzumildern. Plan der Senderverantwortlichen, ihre Tarifverträge zu Denn natürlich würden nicht zuletzt wegen der vereinheitlichen und nach unten abzusenken, muss unsicheren Zukunftsperspektiven beim NDR viele abgewehrt werden, so seine Meinung. Für den Herbst Beschäftigte in die freie Wirtschaft ausweichen. 2018 plant der ver.di-Senderverband eine innerbe- Das gilt zunehmend auch für gut ausgebildete Be- triebliche Informationsoffensive, um die NDR-Mitar- rufsanfänger_innen. Was das bedeutet, weiß der Per- beiter_innen zu organisieren, gegen Stellenabbau und sonalrat bereits aus der Vergangenheit: Seit Beginn der die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse. neunziger Jahre hat der NDR nach eigenen Angaben Denn so schwierig es bei der unzureichenden Infor- schon 700 Planstellen „sozialverträglich“ abgebaut mationspolitik des NDR sei, passende Sozialpläne und diverse Dienstleistungen extern vergeben. Der oder Interessenausgleiche auszuarbeiten, so entschlos- Fotos: [M] ARD/NDR komplette Betrieb des NDR-Rechenzentrums sei sen sind ver.di und die ver.di-Vertreter_innen im schon vor der Senderstrukturreform Ende der 90er Personalrat, den NDR nicht aus der Verantwortung Jahre an das Informationsverarbeitungszentrum (IVZ) für seine Mitarbeiter_innen zu entlassen. in Potsdam ausgelagert worden. Maren Skambraks
IM FOKUS Existenziell für Freie Westdeutscher Rundfunk (WDR) ringt auch um bessere Unternehmenskultur F ür den Westdeutschen Rundfunk (WDR) standardisierung Produktion Großereignisse“ und war es bisher ein bewegtes Jahr. Vor „Korrespondentennetz – Infrastruktur Crossmediale allem die „#MeToo”-Debatte brachte Korrespondentenplätze“ werden dabei federführend in der größten ARD-Anstalt einiges in vom WDR betreut. Außerdem haben die Kölner den Bewegung. Nicht nur die Belästigung Hut auf bei der Entwicklung des „MediaDataHubs“, von Frauen durch Vorgesetzte, sondern auch das Füh- Teil des Projekts „Archivinfrastruktur“. Das alles wird rungssystem insgesamt sorgt bis heute für Diskussio- vom WDR Rundfunkrat ausdrücklich begrüßt, der zu- nen im Sender. Viele Mitarbeiter_innen sehen sich au- dem unter anderem anregte, „über die Limitierung ßerdem einem immer höheren Arbeitsdruck ausge- der Spitzenhonorare im öffentlich-rechtlichen Rund- setzt. Davon sind vor allem auch die Freien betroffen, funk nachzudenken.“ die als schwächstes Glied in der Hierarchie gelten, die aber für die Programmproduktion unverzichtbar sind. Unterdessen kündigte Intendant Tom Buhrow Ende August die nächste Phase des WDR-Umbaus an. Sie Sind die Vorwürfe sexueller Belästigung gegen den beinhaltet eine Neuordnung der Programmdirek- mittlerweile entlassenen Gebhard Henke nur Symp- tionen und die Entstehung weiterer crossmedialer tom eines Systemfehlers im öffentlichen Rundfunk? Ressorts. Grünes Licht gibt es auch für einen Interims- Jenseits der Frage möglicher Schuld gilt der ehemalige Newsroom. In seinen Aufbau, die Entwicklung der Fernsehspiel-Chef des WDR, der zudem ARD-Tatort- Strukturen und Arbeitsabläufe waren 170 Kolleg_in- Koordinator, Gremienmitglied der Filmförderung und nen über Monate involviert. Zudem werde ein Inno- Hochschullehrer war, manchem in der Branche als Bei- vationslabor entwickelt, dass 2020 seine Arbeit auf- spiel dafür, dass sich die Entscheidungsmacht beim nehmen soll. Dessen Team werde nötige Freiräume WDR immer mehr in den Händen weniger konzen- bekommen, um im Sinne eines Start-Ups Produkte triert. Einer, der den WDR schon lange kennt und mit und Ideen zu entwickeln, heißt es in einer WDR-Mit- dem Sender über Jahrzehnte zusammengearbeitet hat, teilung. Genaue Details über die crossmedialen Zu- ist der Produzent Gerhard Schmidt. Auch er sieht die kunftsprojekte und den neuen Zuschnitt der Pro- Entwicklung kritisch: „Die Macht in der Hierarchie grammdirektionen sollen auf einer Betriebsversamm- hat sich verlagert: aus Vielfalt wurde Einfalt. Der WDR lung am 18. September vorgestellt werden. war früher ein Sender der Redakteure mit Fokus auf Inhalt und Qualität, heute ist er ein Sender der Direk- „In den Zeiten, in denen mehr Geld und Personal vor- Fotos: [M] ARD/WDR toren mit Fokus auf Quote und Kosteneinsparung.” handen war, gab es mehr Möglichkeiten, sich in sei- ner Arbeit auszuleben“, erinnert sich die WDR-Perso- Millionenkürzungen bei Sachetats nalratsvorsitzende Christiane Seitz, „da wurde eine Filmszene so oft gedreht bis alle zufrieden waren.“ Vor allem der seit einiger Zeit verordnete Sparkurs Dass es heute strengere wirtschaftliche Vorgaben gibt, sorgt für Unruhe im WDR: Ab 2014 begann für die da- akzeptiert sie, aber der Wandel stellt das Selbstver- mals über 4.600 Festangestellten ein Stellenabbau, der ständnis und den Stolz auf die geleistete Arbeit auf bis 2020 abgeschlossen sein soll: Dann werden 500 den Prüfstand. Planstellen nicht mehr existieren. Dazu kommen zahlreiche Leiharbeiter, die nicht mehr beschäftigt Existenziell ist diese Entwicklung für viele der zahl- Der WDR war werden. Laut eigener Mitteilung hat die Sendeanstalt reichen freien Mitarbeiter_innen im Kölner Sender ge- früher ein Sender in den vergangenen Jahren „enorme Anstrengungen“ worden, von denen etwa 2.200 in arbeitnehmer- für einen stabilen Haushalt unternommen. Neben ähnlichen Verhältnissen tätig sind. „Sie sind essen- der Redakteure mit dem Stellenabbau betraf das auch die dauerhafte Kür- ziell, es gibt Programmbereiche, bei denen 80 Prozent Fokus auf Inhalt und zung aller Sachetats. Insgesamt sollen die Einsparun- der Inhalte von ihnen zugeliefert werden“, betont die Qualität, heute ist gen 100 Millionen Euro pro Jahr betragen. Zusätzliche Personalrätin. „Große Probleme entstehen, wenn bei- Ausgabenkürzungen erwarten die Verantwortlichen spielsweise Sendeplätze wegbrechen, dann sind Exis- er ein Sender der aus dem neuen, kostengünstigeren Tarifvertrag zur tenzen bedroht, selbst in einer Medienstadt wie Köln Direktoren mit Altersversorgung, der im vergangenen Jahr zwischen werden die Ausweichmöglichkeiten immer weniger.“ Fokus auf Quote und der ARD und ver.di abgeschlossen wurde. Das sagt Anja Arp. Sie ist selbst freie Journalistin und die Ansprechpartnerin für freie Kolleginnen und Kol- Kosteneinsparung. Große Hoffnungen sind auch an die ARD-Struktur- legen beim WDR. Für sie ist auch ganz offensichtlich, reform geknüpft. Das Ziel: Mehr Effizienz durch bes- dass in dem klaren Machtgefüge der Rundfunkanstalt, sere Zusammenarbeit der ARD-Sender bei Programm- Freie „gepresst“ werden, etwa wenn es um Honorare produktion sowie Technologie. Die Projekte „Prozess- geht: „Und wenn man dann aufbegehrt, dann wird 12 M 3.2018
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK man nicht mehr beauftragt, weil es einfach genug an- Sender als „Rotfunk“ diskreditieren wollten, genoss er dere gibt, die den Job sofort machen würden.“ Und in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen für Seitz ergänzt, dass die Fernsehdirektion mit Rücken- eine unabhängige, hochwertige Berichterstattung, die deckung des Intendanten ein Pauschalhonorar ein- Missstände kompromisslos aufdeckte. Während da- führte, der vom Tarifvertrag nicht gedeckt ist. Der mals etwa Fernsehjournalisten alle Türen offen stan- WDR sei die einzige öffentlich-rechtliche Anstalt, die den, werden sie heute manchmal mit Skepsis, wenn ihre Freien per Prognosevertrag beschäftigt. Das heißt, nicht gar offener Ablehnung betrachtet. Das hat aller- es gibt eine Vorgabe für die Anzahl der Tage, die sie dings in Zeiten von Gebührendiskussion, Fake News tätig sein dürfen. „Alle anderen Sender haben Zeitver- und einem generell gewandelten Bild von Journalis- träge oder Aushilfsverträge. Aber beim WDR kollidiert mus auch mit einem Identitätsverlust des öffentlich- jetzt das Honorarprinzip, das auf Einzelwerken be- rechtlichen Rundfunks insgesamt zu tun. Es ist sehr ruht, mit dem zunehmenden Bedarf an Tagesdiensten – quasi Redakteurstätigkeiten.“ Eine Zeitenwende hatte bereits der Start der privaten ungewöhnlich und Sender in den 80ern eingeläutet. Seitdem wurde auch nicht zukunftsträch- Aktuell würden die verschiedensten Tätigkeiten, da- bei den Öffentlich-Rechtlichen die Einschaltquote im- tig, dass wir keine runter neue crossmediale Aufgaben, pauschal abge- mer mehr zum Maß aller Dinge. Das glaubt Axel Bey- rechnet. Überhaupt weckt die Digitalisierung, der na- er. Er war mal Unterhaltungschef bei den Kölnern: Unternehmens- türlich auch innerhalb der Strukturreform besonderes „Der WDR hat sich als Sender verstanden, der sich für instrumente wie Augenmerk gilt, Diskussionsbedarf: „Es darf nach un- das Gute und die Schwachen einsetzt. Und dann hat etwa ein konkretes serer Auffassung nicht sein, dass die Freien ihr Mate- man im Zuge der Privaten beispielsweise Unterhal- rial in einen Archivspeicher schütten und jede Redak- tung so definiert, dass sie von einer größtmöglichen Konfliktmanage- tion sich daraus nach Bedarf bedient, ohne dass die Masse gesehen werden muss. Das kritisiere ich, denn ment haben. Autoren honoriert werden. Das ist ein Verstoß gegen Unterhaltung hat viele Facetten und darf auch auf das Urheberrecht.“ kleinere Zielgruppen zugeschnitten sein.“ Viele Dis- kussionen, so Beyer, seien Stellvertreter-Diskussionen: Doch nicht nur die Freien bekommen den härteren „Es müsste eine Auseinandersetzung um das Selbst- Wind zu spüren. „Der Spardruck sorgte für einen verständnis geführt werden – wofür steht der WDR rauen Führungsstil“, analysiert David Jacobs, Vor- heute? Wie soll die Zukunft aussehen?“ stand von ver.di im WDR, die Situation. Für ihn ist die „#MeToo“-Debatte nur ein Aspekt von Machtmiss- Vertrauensvolles Miteinander brauch, der jetzt verstärkt innerbetrieblich in den Mit- telpunkt rückt: „Selbst als ich noch beim Bundeswehr- Dass eine Diskussion über die Unternehmenskultur Radiosender tätig war, habe ich nicht solch einen geführt wird, bestätigt WDR-Sprecherin Ingrid Tonfall erlebt wie den von manchen Führungskräften Schmitz: „Ich weiß nicht, ob es dabei nur um die Füh- beim WDR. Von Kollegialität ist da nicht mehr viel zu rungskultur geht, aber im Rahmen der #MeToo-De- spüren, sondern es geht nur noch darum, dass be- batte ist deutlich geworden, dass eine Reihe von Mit- stimmte Ziele erreicht werden.“ Und das kann sich in arbeitern unzufrieden ist.“ Die Geschäftsführung neh- Herabsetzung, Beleidigung oder mangelnder Wert- me das sehr ernst und Intendant Tom Buhrow habe schätzung äußern – alles Faktoren, die demotivieren, die Verwaltungsdirektoren beauftragt, die Kultur des verunsichern und die Krankenstände erhöhen. vertrauensvollen Miteinanders zu verbessern. Dafür sollen, gemeinsam mit dem Personalrat, Instrumente Als die Intendanz kurzfristig Zusammenkünfte anläss- entwickelt werden. lich der „#MeToo“-Vorfälle einberufen hatte, kam es dann auch zu Eruptionen, weil Mitarbeiter_innen die- Für Seitz schließlich ist Hierarchie alleine noch nicht se Missstände zur Sprache brachten. Im Juli erfolgte das Problem: „Es muss klare Entscheidungsstrukturen die Entlassung eines hochrangigen WDR-Mitarbeiters von oben nach unten geben, aber gleichzeitig das unterhalb der Direktorenebene wegen „Machtmiss- Recht, die Hierarchien von unten zu hinterfragen und brauchs“. Mehr gab die WDR-Pressestelle zu diesem zu bewerten.“ Um nicht nur die fachliche, sondern Fall nicht bekannt, auch nicht, wie dieser „Macht- auch die soziale Qualifikation der Führungskräfte fest- missbrauch“ konkret ausgesehen habe, weil man sich zustellen, sollte es aus ihrer Sicht Kriterien geben, noch in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen be- nach denen die Leistung bewertet wird. Denn: „Es ist finde. Nicht nur für den ver.di-Mann ist das lediglich sehr ungewöhnlich und nicht zukunftsträchtig, dass die Spitze eines Eisbergs: „Jetzt geht es erstmal um die wir keine Unternehmensinstrumente wie etwa ein krassesten Fälle, aber das Problem liegt tiefer und wird konkretes Konfliktmanagement haben.“ Die Personal- auch morgen nicht beendet sein.“ Mindestens fünf ratsvorsitzende geht jedenfalls davon aus, dass die Ge- bis zehn Jahre, so seine Schätzung, wird dieser Aufar- schäftsleitung es ernst meint, wenn es um den Kul- beitungsprozess dauern. turwandel geht. Allen an der Spitze sei klar, dass sich etwas ändern muss: „Wir können auch 2020 nicht Angesichts dieser Situation liegt es auf der Hand, dass den ARD-Vorsitz übernehmen, wenn wir hier nicht der WDR in der Außenwahrnehmung ebenfalls ver- im Umgang miteinander neue Wege finden.“ loren hat. Auch wenn konservative Kreise früher den Wilfried Urbe
IM FOKUS Trimedial geschult Südwestrundfunk (SWR) setzt nicht nur auf die jungen Wilden I m SWR ist der multimediale Umbau ner-Branth vom geschäftsführenden Vorstand des in vollem Gange. Neue digitale Ange- ver.di-Betriebsverbands SWR. Je nach Blickwinkel ge- bote entstehen, Redaktionen werden be es jedoch auch Bedenken. „Im neunten Jahr des zusammengelegt. Radio und Fernse- Einsparprozesses sind wir am Limit“, so die Gewerk- hen machen nicht mehr ihr eigenes schafterin. „Es fehlt an Leuten. Arbeitsverdichtung ist Ding, sondern rücken zusammen. Egal, ob Nachrich- ein großes Thema.“ Wenn Beschäftigte in den Ruhe- ten, Sport, Wissen oder Kultur, formal gibt es je nach stand gingen, werde nur noch jede zweite Stelle neu Thema nur noch eine Programmredaktion. Es gilt: besetzt. Die Folgen seien gravierend. „Wir haben im- Hörfunk, Fernsehen und Online gehören zusammen. mer weniger Personal, aber nicht weniger Programm.“ Anstelle der kleinen Büros entstehen offene Gruppen- Im Gegenteil: Durch die multimedialen Anforderun- arbeitsplätze. Die Redakteur_innen werden trimedial gen kommen neue Aufgaben hinzu. So hat der Sender geschult, sollen alle drei Medien im Blick haben. zum Beispiel eine App entwickelt, mit der Redak- teur_innen von unterwegs mit ihrem Handy kom- „Wir wollen ein multimediales Medienhaus wer- plette Beiträge erstellen und an den Sender schicken den“, sagt der Leiter der Intendanz, Thomas Dauser, können. verantwortlich für die strategische Unternehmens- entwicklung. Ziel sei es, dass der SWR die Menschen „Schnell, schnell ist nicht guter Journalismus“, betont auf allen Kanälen erreiche: Morgens beim Zähne- die Gesamtpersonalratsvorsitzende mit Blick auf die putzen im Radio, auf dem Smartphone in der Stra- Qualität. Außerdem fürchtet sie, dass die Erwartungen ßenbahn und abends auf dem Sofa vor dem großen an die Mitarbeiter_innen in Zukunft noch weiter stei- Bildschirm. Inhalte sollen medienübergreifend ver- gen. Im Sender gibt es die Ansage, dass nicht jeder mittelt werden. Dafür brauche es integriert arbeiten- Mitarbeitende alles können muss. „Es stellt sich die de Redaktionen. „Das bedeutet wahnsinnig viele Ver- Frage, wie lange es dabei bleibt“, so Wolber. Noch gilt: änderungen für die Mitarbeitenden“, weiß Dauser. Alle sitzen zusammen in einer Redaktion, es gibt eine multimediale Planungsgruppe, aber jeder macht, was Geld für Innovationen eingeplant er am besten kann. Mit anderen Worten: Nicht ein Redakteur muss von einer Pressekonferenz das Mate- Hinzu kommt: Der multimediale Umbau gehe mit rial für Hörfunk, Fernsehen und Online liefern. Aller- dem Sparprozess einher, gibt die SWR-Gesamtperso- dings komme so etwas schon hin und wieder vor, fügt nalratsvorsitzende Melanie Wolber zu bedenken. Das Valentiner-Branth hinzu, die auch Mitglied im ver.di- sorge für Verunsicherung in der Belegschaft, gerade Bundesvorstand der Fachgruppe Medien ist. „Der bei älteren Kolleg_innen. „Permanent dreht sich alles Trend geht schon lange in diese Richtung.“ Der SWR ums Sparen, Sparen, Sparen. Deshalb bezieht jeder al- bilde Volontär_innen nur noch multimedial aus. Die les sofort darauf.“ Aber der multimediale Umbau sei klassische Trennung in Hörfunk- und Fernsehleute sei ein eigenständiger Prozess: „Hier geht es vor allem um nicht mehr zeitgemäß. Der Leiter der Intendanz be- Innovation“, so Wolber. Begonnen hat er bereits tont: „Berufsbilder wandeln sich dramatisch, auch im 2010, auf zehn Jahre ist er angelegt. Bis 2020 sollen SWR.“ 160 Millionen Euro eingespart – und 600 Stellen ab- gebaut werden. Für den multimedialen Umbau ist Die Gesamtpersonalratsvorsitzende warnt, dass einige trotzdem Geld da. Der Sender habe die Einsparungen Kolleg_innen sich diesen Veränderungen nicht ge- von Anfang an bewusst höher angesetzt, um sich wachsen fühlten. Deshalb stelle sich die Frage: Wie Spielräume zu verschaffen, berichtet der Leiter der In- kann der Sender diese Menschen mitnehmen? Dauser tendanz. 25 Prozent des gesparten Geldes werde in berichtet, dass der SWR sehr viele Schulungen anbie- Im neunten neue Zukunftsprojekte investiert. Beispiel für ein Zu- te. „Uns war von Anfang an sehr wichtig, die Mitar- Jahr des Einspar- kunftsprojekt ist das junge Angebot „funk“ von ARD beitenden zu beteiligen.“ Der Sender habe sich be- und ZDF, für das der SWR die Federführung hat. Das wusst entschieden, nicht nur auf Onlineexperten zu prozesses sind wir Content-Netzwerk ist nur digital zu empfangen und setzen, sondern die gesamte Redaktion zu professio- am Limit. Es fehlt an setzt auch darauf, seine Formate auf Drittplattformen nalisieren. Ziel sei es, die Teams langfristig in die Lage Leuten. Arbeits- wie YouTube, Facebook oder Snapchat zu veröffentli- zu versetzen, auf neue Anforderungen reagieren zu chen. Sprich: Dort, wo junge User unterwegs sind. können. Und zwar fortlaufend. Schließlich entwickle verdichtung ist ein sich das Internet auch ständig weiter. Der Trend gehe großes Thema. In der Belegschaft gebe es eine große Einsicht in die zum Beispiel dahin, dass Sprachsteuerung und künst- Notwendigkeit, dass sich der Sender für die neue Me- liche Intelligenz eine immer wichtigere Rolle einnäh- dienwelt gut aufstellen müsse, sagt Andrea Valenti- men, so Dauser. 14 M 3.2018
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