MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di

Die Seite wird erstellt Klaus Kühne
 
WEITER LESEN
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
mmm.verdi.de
                                                                             E 2814
                                                                        Jahrgang 67

                      MENSCHEN
                      MACHEN                        Neue Software bei Springer
                                                    Betriebsrat bestimmt mit
                      MEDIEN
                                                    Tarifabschluss Zeitungen
Medienpolitisches ver.di-Magazin Sept. 2018 Nr. 3   Die Mitglieder entscheiden

                                 Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
                             Spardiktat ohne Programmeinbußen
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
INHALT

IM FOKUS
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK                                     MEDIENWIRTSCHAFT                TARIFE UND HONORARE

I6    SPARDIKTAT OHNE            18   EINSPARPAKET                  22 MITBESTIMMUNG BEI            28 DIE MITGLIEDER
      PROGRAMMEINBUßEN                GESCHNÜRT                        NEUER SOFTWARE                  ENTSCHEIDEN
      Von Günter Herkel               Der Mitteldeutsche Rund-         Springer: Vereinbarung mit      Umfrage zum Tarifergebnis
                                      funk (MDR) ist für die           Betriebsrat zur Program-        für Redaktionen an Tages-
10    EIN STEINIGER WEG               Strukturreform gewappnet         mierung durch Microsoft         zeitungen
      Norddeutscher Rundfunk
      (NDR) mit Manko in der     20 ZU WENIG SPIELRÄUME             23 SCHON ENTDECKT?              29 HONORARERHÖHUNGEN
      Personalentwicklung           Zweites Deutsches                  LANDMADLA                       BEI DER
                                    Fernsehen (ZDF) will                                               EßLINGER ZEITUNG
12    EXISTENZIELL FÜR FREIE        verschlanken durch Aus-         24 KINO FÜR DEN KOPF               Freie wehrten sich gegen
      Westdeutscher Rundfunk        lagerung                           Im Trend: Podcast beleben       schwindenden Verdienst
      (WDR) ringt auch um bes-                                         die alte Tradition des
      sere Unternehmenskultur                                          Geschichtenerzählens         30 DEUTSCHE WELLE
                                 PORTRÄT                                                               Freie erstreiten
14    TRIMEDIAL GESCHULT                                                                               Festanstellung
      Südwestrundfunk (SWR)                                         BERUF
      setzt nicht nur auf die    4    BERUF MEDIEN-                                                 30 COMPUTER BILD
      jungen Wilden                   GESTALTER –                                                      HAMBURG
                                      DIGITAL UND PRINT:            26 POSTFACH IM DARKNET             Kämpfen für
16    BLOß NICHT                      ALEXANDER KIJAK                  SecureDrop schützt              einen Tarifvertrag
      LANGWEILEN                      Immer spannend                   Whistleblower vor Ent-
      Rundfunk Berlin-Branden-                                         tarnung                      30 ANZEIGE
      burg (RBB) bietet mehr                                                                           Die ver.di Zeitung Publik
      Experimentelles            MEINUNG                                                               sucht eine/n Redakteur/in
                                                                    INTERNATIONALES

                                 5    ALARMSIGNAL –                                                 VERDI UNTERWEGS
                                      NICHT NUR FÜR DEN             27 AKTION FÜR SAMUEL
                                      STAAT                            OGUNDIPE, NIGERIA
                                                                       Festnahme nach Artikel       31   RADIO HAMBURG
                                                                                                         Gehaltskurve zeigt nach
                                                                                                         unten

                                                                                                    31   ÖFFENTLICH-RECHT-
                                                                                                         LICHER RUNDFUNK

                                  M
                                                                                                         Workshop: Für ein Bündnis

Titelbild:
                                                 ONLINE                                             31   VERANSTALTUNGEN
                                                                                                         FÜR FREIE
[M] unter Verwendung von                                                                                 Datenschutz
123rf/andreahast und                    Immer aktuell informiert.
                                 Alle 14 Tage per Newsletter die
Pressebildern                                                                                       31   PRESSEAUSWEIS
                                 neuesten Beiträge im Überblick.
von ARD und ZDF                                                                                          Antrag kommt per Post
                                 >> mmm.verdi.de
                                                                                                    31   IMPRESSUM

2    M 3.2018
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
EDITORIAL

     Stefanie Hornig präsentiert bei
   N-Joy in der Morningshow „Kuh-
lage und Hardeland" die News und
           jeden Sonntagabend die
    spannenden Geschichten hinter
den Schlagzeilen aus aller Welt. N-

                                                                                                                                                     Foto: Jan-Timo Schaube
 Joy vom NDR ist die Radiowelle für
14- bis 39-jährige aus dem Norden.

                                       Veränderung und Mitbestimmung
                                           Sie heißen „1er Team“ (NDR), „Ein Personen Team“ (SWR) oder gar „Ein Mann Team“ (RBB):
                                           Unterschiedliche Titel, gleicher Inhalt: Anstelle eines Kameramanns (einer -frau) und einer Kame-
                                            raassistent_in, kommt nur noch eine Person mit den Redakteur_innen zum Dreh, die parallel für
                                            Bild, Licht und Ton verantwortlich ist. In der Tat: Das ist eine Einsparung, an Arbeitskräften, an Ho-
                                        n v. Polentz

                                             noraren, … aber auch an Qualität! Das eher kleine Beispiel zeigt einmal mehr die Kehrseite von Ein-
                                             sparungen bei ARD und ZDF, die seit Jahren vorangetrieben werden. Mit der angelaufenen, von der
                                            Foto: Christia

                                             Politik geforderten, Strukturreform und einer Diskussion über die Neudefinition des Rundfunkauf-
                                              trags vor allem mit Blick auf die digitale Netzwelt, erhöht sich der Druck auf den öffentlich-recht-
                                              lichen Rundfunk. Dieser ist bereit, seine Effizienz im Sinne der Beitragszahler zu verbessern. Dazu
                                               gehört der Wille, keine Einbußen am Programm vorzunehmen. 20 Projekte wurden aufgelegt, die
                                       sich ausschließlich auf Verwaltung, Technik und Produktion beziehen. Vielleicht findet sich dabei auch
                                       ein gemeinsamer Titel für die verkleinerten Berichterstatter-Teams in den ARD-Sendern? M Menschen
                                       Machen Medien 3/2018 schaut in seinem aktuellen Themenschwerpunkt auf die medienpolitische Rund-
                                       funkdiskussion sowie die Folgen des Einsatzes neuer digitaler Techniken, der Umstellung auf Cross-
                                       medialität, der Reformvorhaben, die für die Beschäftigten in der Regel mit Arbeitsverdichtung, Verände-
                                       rungen von Berufsbildern und erhöhtem Qualifikationsanforderungen einhergehen (S. 6 bis 21).

                                       Diese Herausforderungen stehen auch bei den Printmedien auf der Tagesordnung. Umso unverständlicher
                                       ist die hartnäckige Weigerung der Verleger, den Journalist_innen an Tageszeitungen eine Reallohnsteige-
                                       rung zuzugestehen, die ihren Namen auch verdient. Nach sieben Verhandlungsrunden begleitet von
                                       Streiks und Protestaktionen in mehreren Bundesländern hat die dju in ver.di das letzte Angebot der Ar-
                                       beitgeber als inakzeptabel abgelehnt. Der DJV dagegen hat es angenommen. Bis Mitte September stimmen
                                       die dju-Mitglieder in den Streikbetrieben nunmehr über das Verhandlungsergebnis ab. M spricht mit Ver-
                                       handlungsführer Matthias von Fintel über die Entscheidung der ver.di-Tarifkommission und deren Folgen
                                       (S.28/29). M Online wird aktuell über die Ergebnisse der Umfrage berichten. https://mmm.verdi.de

                                       Um Mitbestimmung in beispielhafter Ausgestaltung ging es jüngst auch bei Springer (S.22/23). Hier wurde
                                       die Plattform „moveoffice“ von Microsoft eingeführt. Für den Konzernbetriebsrat eine bis dato noch nicht
                                       erlebte Umwälzung, die alle Arbeitsbereiche, die Unternehmenskultur und die Arbeitsorganisation be-
                                       rührte. Zwei Jahre währten die Verhandlungen über die Mitbestimmung des Betriebsrates, die in einer
                                       Konzernbetriebsvereinbarung zu der neuen Software mündeten.

                                       Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

                                                                                                                                      3.2018 M   3
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
PORTRÄT

Beruf Mediengestalter
– Digital und Print:
Alexander Kijak

                                                                           an Klöpfer
                                                              Foto: Sebasti
Immer spannend

    D
                  ass die Medienlandschaft       immer die gestalterische Arbeit, aber es ist   Das Motivierende an seinem Beruf ist für
                  sich in einem rasanten         mehr Technik hinzugekommen. „Insge-            ihn, „etwas Sinnvolles zu tun, nicht wie in
                   Wandelt befindet, be-         samt“, bedauert er, dass weniger Zeit bleibt   der Werbung. Die Zeitung wird gekauft.
                   kommt Alexander Kijak         für „schöne, aber auch aufwendige Ge-          Die Leute wollen das Blatt lesen und be-
                   – kurz Alex genannt –         staltung“.                                     zahlen dafür Geld. Das hat einen anderen
beruflich hautnah mit. Alex arbeitet im                                                         Stellenwert, als Werbung zu machen, ein
Pressehaus Stuttgart als Mediengestalter         Was früher Schriftsetzer_innen oder            Produkt herzustellen, das vielleicht unge-
Digital und Print. Täglich layouted er die       Druckformhersteller_innen machten, da-         lesen im Papierkorb landet.“ Obwohl seine
Zeitungsseiten für beide Stuttgarter Blät-       für gibt es nun die Mediengestalter_innen      Tätigkeit sich von Tag zu Tag sehr ähnlich
ter, die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgar-   Digital und Print. Doch mit den Anforde-       ist, findet er sie immer wieder erneut
ter Nachrichten, hinzu kommen die Inter-         rungen von damals hat die Arbeit heute         spannend. Schließlich gelte es, jeden Tag
netseiten und die iPad-App.                      wenig zu tun. Die klassische Kategorisie-      neue Aufgabenstellungen zu meistern.
                                                 rung in Druck und Web, reicht längst
Früher hat Alex nur für die Stuttgarter Zei-     nicht mehr aus, um die große Bandbreite        Alex kann sich vorstellen, in seinem Be-
tung die Seiten gestaltet. Nach der Zusam-       an Tätigkeiten oder Spezialisierungen un-      ruf alt zu werden, sein Traumberuf ist es
menlegung der beiden Redaktionen in-             ter einen Hut zu bekommen. Medienge-           aber nicht. Nebenberuflich fotografiert er.
nerhalb der Südwestdeutschen Medien-             stalter_innen finden heute in Verlagen,        Das ist sein großes Hobby, in Kombina-
holding (SWMH) läuft nun mit einem               Werbeagenturen, Fotostudios und Firmen         tion mit Outdoorsport, Klettern, Skifah-
neuen System das volle Programm für              für Web- und Softwareentwicklung ein           ren, Mountainbiken. Die „wilde Natur“
beide Blätter und dazu noch die digitale         vielschichtiges Tätigkeitsgebiet.              im Bild festzuhalten, das ist seine große
Schiene. Mit Alex im Team sind etwa ein                                                         Leidenschaft. Die besten Bilder präsen-
Dutzend Kolleginnen und Kollgen, die             Alex begann seine Ausbildung an der            tiert er jährlich in einem Kalender. Angetan
jeweils ein Ressort betreuen. Wie viele          Johannes-Gutenberg-Schule Stuttgart, ehe       hat es dem Fotografen Alex (www.alexki-
Seiten sie täglich produzieren, hängt vom        er sie in einem Studio für Bildbearbeitung     jak.de) vor allem der nördliche Schwarz-
Ressort und dem Nachrichtenaufkom-               fortsetzte. Mit Layout hatte er während        wald.
men ab. „Fünf, sechs, sieben, je nach Res-       seiner Ausbildung weniger zu tun. Der
sort“, sagt Alex, um gleich hinzuzufügen         Schwerpunkt in seinem Ausbildungsbe-           Alex glaubt fest daran, dass allen neuen
„für beide Zeitungen, also die doppelte          trieb waren Werbeplakate, Zeitungsanzei-       Medien zum Trotz die gedruckte Zeitung
Zahl“. Denn sie haben unterschiedliche           gen, Kataloge für die Automobilindustrie.      auch weiterhin eine Zukunft hat. „Viel-
Layouts. Zu Alex’ Aufgaben gehört es, da-        „Im Nachinein betrachtet“, überlegt Alex,      leicht werden weniger Exemplare ge-
rauf zu achten, dass das Gesicht des jewei-      „war es ein guter Ausbildungsbetrieb. Ich      druckt, aber ganz aussterben wird die Zei-
ligen Produkts gewahrt bleibt. Schließlich       habe viel gelernt.“                            tung nicht.“ Viele seiner Bekannte lesen
wollen die Leserinnen und Leser beide                                                           Zeitung am Smartphone, berichtet Alex,
Zeitungen im gewohnten Erscheinungs-             Nach seinem Zivildienst ging Alex nicht        aber er vermutet, „das ist Zeitgründen ge-
bild.                                            mehr zurück in seinen Ausbildungs-             schuldet“. Selbst die jüngere Generation
                                                 betrieb, sondern begann als freier Mitar-      habe ein Bedürfnis danach, die Zeitung in
Mit dem neuen System, dem Gestalten              beiter bei der Stuttgarter Zeitung. Dann       den Händen zu halten. Papier vermittle
von zwei Zeitungen und den digitalen             wurde ihm eine Festanstellung angebo-          ein anderes, ein authentischeres Gefühl,
Verwertungen sei die Arbeit nicht einfa-         ten. Nun ist er schon sieben Jahre dabei,      als der Bildschirm. Deshalb greift Alex
cher geworden, sondern eher stressiger,          überlegt er – erstaunt darüber, wie schnell    auch viel lieber zum Buch und nicht zum
erzählt Alex. Im Prinzip überwiege noch          die Zeit vergangen ist.                        E-Book.                  Werner Jany
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
MEINUNG

                                                                 Alarmsignal – nicht nur für den Staat

                                                                 D
                                                                        er Hitlergruß auf offener Straße, gebrüllte Nazi-   stellen – ohne Wenn und Aber – und damit für den
                                                                        parolen, Jagd auf ausländisch aussehende            Erhalt der demokratischen Werte in unserer Gesell-
                                                                         Menschen, Angriffe verbal und tätlich auf          schaft eintreten. Dazu gehört der Schutz der Presse-
                                                                         Journalisten; Sicherheitskräfte, die nicht ein-    freiheit. Die dju in ver.di hat die Mitglieder der Innen-
                                                                         greifen! Es sind Bilder einer hässlichen Seite     ministerkonferenz aufgerufen, sich damit umgehend
                                                                 Deutschlands, die derzeit durch die Welt gehen, die        zu befassen. „Unser Land braucht einen Plan, wie das
                                                                 uns aufschrecken lassen. Es sind Bilder aus Chemnitz,      Grundrecht der Pressefreiheit und sein Schutz durch
                                                                 Dresden, mit Ausläufern in Stuttgart … – Bilder auch       den Staat von Ämtern, Behörden und Dienststellen
                                                                 vom Versagen des Rechtsstaates!                            wirksam durchgesetzt werden kann“, fordert Cornelia
                                                                                                                            Haß: „Die Sicherung unserer Pressefreiheit muss ein
                                                                 Wenn Fernsehteams nur noch mit eigenen Sicher-             wesentlicher Baustein in der Ausbildung von Sicher-
                                                                 heitsleuten Demonstrationen rechtsextremer Grup-           heitskräften sein. Da hat sich etwas Ungutes zusam-
                                                                 pierungen, der Wutbürger von Pegida oder der AfD           mengebraut. Die Innenminister aller Bundesländer
                                                                 filmen können, ist es mit der Pressefreiheit nicht         haben gemeinsam dafür Sorge und Verantwortung zu
                                                                 mehr weit her. „Wenn ein Mitarbeiter des sächsischen       tragen, dass dieses Gebräu nicht in die Luft geht.“
                                                                 Landeskriminalamts genau weiß, mit welchen Metho-
                                                                 den er offenbar nicht ausreichend informierte Ein-         Die ganze Strenge des Rechtsstaates und das Tätigwer-
                                                                 satzkräfte dazu bringen kann, ein Fernsehteam für 45       den der Strafverfolgungsbehörden gegen Vertreter der
                                                                 Minuten an seiner Arbeit zu hindern, wenn ein Poli-        sogenannten Alternative für Deutschland fordert in
                                                                 zist in Stuttgart die Pressefreiheit außer Kraft setzt,    diesem Zusammenhang ver.di Hessen. AfDler der
                                            n v. Polentz

                                                                 weil er dem vermeintlichen Schutz von Mitgliedern          Fraktion im Kreistag Hochtaunus hatten auf ihrer
                                                                 der Identitären Bewegung Vorrang gibt, dann ist das        Facebook-Seite „unverhohlen zu Gewalt“ gegen Me-
                                                                 ein Alarmsignal für den Umgang mit der Pressefrei-         dienvertreter aufgerufen. Der für Journalisten in
                                                Foto: Christia

                                                                 heit“, kommentiert die Bundesgeschäftsführerin der         Hessen zuständige ver.di-Sekretär Manfred Moos
                                                                 dju in ver.di, Cornelia Haß, die Behinderung des ZDF-      mahnt: „Diese unsägliche und unerträgliche Entglei-
                                                                 Teams von Frontal 21 in Chemnitz und von Presse-           sung sollte allen die Augen öffnen, die mit der Wahl
                                                                 vertretern während eines Polizeieinsatzes in Stuttgart.    der AfD liebäugeln. Hier sind knallharte Rechtsextre-
                      Karin Wenk                                 Da reicht es nicht mehr – und es ist ja offensichtlich     misten am Werk, die die Pressefreiheit und andere
                      ist seit Dezember 2002                     auch falsch – wenn Kanzlerin Merkel betont, dass die       Werte der Demokratie mit Füßen treten werden, wenn
                      verantwortliche Redak-                     Gewalt in Chemnitz „mit unserem Rechtsstaat nichts         sie dazu Gelegenheit bekommen sollten.“ Es gilt, da-
                      teurin für „M Menschen                     zu tun hat“.                                               gegen zu halten! Deshalb unterstützt die dju in ver.di
                      Machen Medien“.                                                                                       den Aufruf zur Demonstration „Solidarität statt Aus-
                      Zuvor arbeitete sie                        Konsequentes und konkretes Handeln der Politik ist         grenzung – Für eine offene und freie Gesellschaft“ am
                      12 Jahre lang als freie                    gefragt. Die Regierenden, vor allem die in Sachsen,        13. Oktober in Berlin. #unteilbar www.unteilbar.org
                      Journalistin in Berlin.                    sollten sich an die Spitze einer Bewegung gegen rechts                                          Karin Wenk
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
IM FOKUS

                       Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Druck. Seine Akzeptanz ist unge-
                       brochen, Quote und Qualität sind von beachtlichem Niveau. Aber die Politik will
                       Beitragsstabilität, weitere Sparanstrengungen und den Rundfunkauftrag neu
                       definieren. Die Anstalten pochen auf bedarfsgerechte Finanzierung. Zugleich
                       krempeln sie unter dem Spardiktat mehr denn je ihre Strukturen um.

Spardiktat ohne
Programmeinbußen
                       Von Günter Herkel

               I
                        n zwei Arbeitsgruppen der Länder wird die Zukunft         stand Mathias Döpfner pries das Ergebnis als „gute
                        von ARD, ZDF und Deutschlandradio verhandelt.             Voraussetzung, um das duale Mediensystem zu stabi-
                         Schon seit zweieinhalb Jahren streitet eine AG über      lisieren“, und Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunk-
                         „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunk-           kommission der Länder, sah „nach langem Ringen
                          anstalten“ (M 2/2018). Auf Geheiß der Medien-           nur Gewinner am Tisch“.
                          politiker legten die Anstalten im Herbst 2017 einen
                           Bericht vor, in dem sie ihre eigene Sicht auf Struk-   In der übrigen Medienwelt fiel das Echo weniger po-
                         turreformen kundtaten und ein konkretes Spar-            sitiv aus. Zur Erinnerung: Die Sender hatten sich bei
                       paket vorlegten. Die Hauptnachricht: An allem soll         dem Deal bereit erklärt, das von den Verlegern ange-
                       gespart werden, nur nicht am Programm.                     strebte Verbot der „Presseähnlichkeit“ zu akzeptieren
                                                                                  und angekündigt, die Textmengen ihrer Online-Auf-
                       Anfang 2018 machte der neue ARD-Vorsitzende                tritte zu reduzieren. Im Gegenzug wird die erlaubte
                       Ulrich Wilhelm klar, dass bei ausbleibendem „Teue-         Verweildauer von Bewegtbild in den Mediatheken
                       rungsausgleich“ ab der kommenden Gebührenperi-             verlängert. Künftig dürfen auch Lizenzproduktionen
     Knapp 270 Mil-    ode 2021–2025 kein Weg an massiven Einschnitten            – etwa europäische Filme und Serien, nicht jedoch US-
lionen Euro will das   im Programm vorbeiführen werde (Interview M 1/             amerikanische – in die Mediatheken eingestellt wer-
ZDF bis 2028 sparen,   2018). ARD und ZDF verwiesen auf bereits geleistete        den. Eine Schiedsstelle soll Streitfälle schlichten und
                       und beschlossene Einsparungen. Knapp 270 Millionen         Konflikte wie den langjährigen Streit um die „Tages-
bei der ARD sind es    Euro will das ZDF bis 2028 sparen, bei der ARD sind        schau“-App gar nicht erst entstehen lassen.
etwa 951 Millionen.    es etwa 951 Millionen.
                                                                                  Moderner Auftrag eingeschränkt
                       Um die „Neufassung der Beauftragung“ – im Klar-
                       deutsch: den Programmauftrag – geht es in der zwei-        Aus der Medienpolitik hagelte es kritische Stimmen.
                       ten, erst Ende Januar gegründeten AG. Die soll unter       Die Zukunft der Mediennutzung sei „plattformunab-
                       anderem die alte Streitfrage klären, was die Öffentlich-   hängig“, argumentierte Doris Achelwilm, medien-
                       Rechtlichen im Netz dürfen und was nicht. Unlängst         politische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion,
                       einigten sich Verlage und Sender überraschend – weit-      „wir schauen auf Smartphones Fernsehbeiträge oder
                       gehend ohne Mitwirken der Politiker – auf ein Modell       lesen die Zeitung im Internet“. Das Verbot angeblich
                       friedlicher Koexistenz. Als Mitte Juni die Eckpunkte       presseähnlicher Artikel auf Webseiten von ARD und
                       für einen neuen Telemedien-Staatsvertrag verkündet         ZDF sei „aus der Zeit gefallen, rettet vermutlich kei-
                       wurden, klopften sich alle Beteiligten auf die Schulter.   nen bedrohten Zeitungsverlag und schränkt einen
                       ARD und ZDF bezeichneten die Einigung als akzepta-         modernen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ein“.
                       blen Kompromiss, BDZV-Präsident und Springer-Vor-          Die Grünen-Mediensprecherin Tabea Rößner sah in

6   M 3.2018
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
Foto: 123rf/andreahast
                                der paritätisch zu besetzenden Schlichtungsstelle gar       Die Hauptaufmerksamkeit gilt Musik, Videos und
                                ein verfassungsrechtliches Problem: Wenn Pressever-         Podcasts. Den weiteren Niedergang vieler Printme-

      S
                                treter künftig über die Ausgestaltung des öffentlich-       dien dürfte also auch der neue Telemedien-Staatsver-
               treit in der     rechtlichen Auftrags mitbestimmen dürften, sei dies         trag nicht stoppen.
               Medienpolitik    ein „Eingriff in den Kernbereich der Programmauto-
                                nomie“. Auch der stellvertretende ver.di-Vorsitzende        Regulierung von Intermediären
                                Frank Werneke kommentierte, die Reform verkenne
Der neue Telemedien-Staats-     „die wahren Gegebenheiten im Netz und bleibt ge-            Zeitgleich zur Diskussion um die strukturellen Refor-
vertrag: Während die einen      danklich in der analogen Welt stecken“.                     men bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten haben
von einem Vorschlag zur                                                                     die Länder den Entwurf eines Medienstaatsvertrages
Stabilisierung des dualen       Nach dem Beschluss folgen nun die Mühen der Ebe-            vorgelegt, der den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag
Mediensystems sprechen          ne. Die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen          ersetzen soll. Darin geht es erstmals auch um Regulie-
(Matthias Döpfner/Springer),    Sender sollen künftig ihren Schwerpunkt auf Audio-          rungsvorschriften für sogenannte Intermediäre wie
halten andere das Verbot        visuelles, also Bewegtbild und Ton legen. Das sind al-      Suchmaschinen wie Google und sogenannte Soziale
„presseähnlicher“ Artikel auf   lerdings recht unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Um-          Netzwerke wie Facebook, die etwa mehr Transparenz
den Webseiten von ARD und       setzung des neuen Telemedien-Staatsvertrags sei eine        an den Tag und ihre Algorithmen offenlegen sollen.
ZDF für „aus der Zeit gefal-    „Gemeinschaftsaufgabe“, bei der sich Onliner, Juris-        Es geht aber auch um die vor allem für den öffentlich-
len“ mit Blick auf die          ten und Techniker untereinander koordinieren wür-           rechtlichen Rundfunk entscheidende Frage, was künf-
„plattformunabhängige“          den, kündigte ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm nach          tig als Rundfunk gelten soll. So sollen etwa Bagatell-
Mediennutzung der Zukunft       der letzten Intendantensitzung vor der Sommerpause          regelungen geschaffen werden, die Rundfunkanbieter
(Doris Achelwilm/Linke).        an. Die Schlichtungsstelle sei keine Schiedsstelle, prä-    im Internet von der Zulassungspflicht befreien, wenn
                                zisierte er bei dieser Gelegenheit, sie spreche lediglich   sie weniger als durchschnittlich 20.000 Zuschauer pro
                                Empfehlungen aus. Wenn der Ausgang „nicht zur Zu-           Monat erreichen. Das ist einerseits eine verbraucher-
                                friedenheit eines Beschwerde führenden Verlags aus-         nahe Lösung, weil nicht jeder winzige Anbieter eine
                                geht, bleibt weiterhin der Weg zum Gericht“. Ange-          Lizenz braucht, andererseits erleichtert es den Verla-
                                sichts der Schwierigkeiten, ihre Digitalangebote zu         gen, durch Livestreams ins „Rundfunkgeschäft“ ein-
                                monetarisieren, dürften viele Verleger die Aktivitäten      zusteigen (vermutlich haben gerade viele kleine regio-
                                von ARD und ZDF auch weiterhin misstrauisch beäu-           nale Verlage weniger als 20.000 Zuschauer). An der
                                gen. Im Grunde dreht sich der Streit um des Kaisers         Konsultation zum Medienstaatsvertrag können sich
                                Bart: Von den 45 Minuten, die die Deutschen im              alle Bürger bis 30. September online beteiligen.
                                Schnitt täglich für internetbasierte Mediennutzung
                                aufwenden, entfallen laut aktueller ARD-ZDF-Online-         Kaum Aufmerksamkeit schenken die Medienpolitiker
                                Studie nur sieben Minuten auf das Lesen von Artikeln.       der Länder dagegen den Gefahren, die für die Mei-

                                                                                                                                      3.2018 M   7
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
IM FOKUS

 Moderator Christian Haacke
  konzentriert bei der Sende-
vorbereitung im N-Joy-Studio

                                                                                                                                                      Foto: Jan-Timo Schaube
       beim NDR in Hamburg.
  Fröhlich, informativ und mit
   jeder Menge Musik geht es
 wochentags von 15 bis 19 Uhr
    zu bei „Haacke und Nina“.

                                 nungsvielfalt von der wachsenden Medienkonzentra-          chen für die Demokratie hervor. Kostprobe: „Das An-
                                 tion ausgehen. Darauf verwies Ende August die Kom-         gebot von fast 90 Rundfunkprogrammen rund um die
                                 mission zur Ermittlung der Konzentration im Medien-        Uhr rechtfertigt die zusätzliche finanzielle Belastung
                                 bereich (KEK). In einem Schreiben an die Rundfunk-         von Personen, die als Steuerzahler bereits die allge-
                                 kommission der Länder zeigte sich KEK-Vorsitzender         meinen Staatsaufgaben finanziert haben.“ Zehn bun-
                                 Georgios Gounalakis verwundert darüber, dass die           desweite Fernseh- und 67 Hörfunkprogramme, dazu
                                 zwischen beiden Institutionen diskutierten Reform-         neun dritte TV-Programme sowie Sparten-, Bildungs-
                                 vorschläge für ein „fernsehunabhängiges Vielfalt-          und Telemedienangebote sind in den Augen der Rich-
                                 sicherungsmodell“ im Staatsvertragsentwurf keinen          ter eine pralle Angebotsvielfalt. Der entscheidende
                                 Niederschlag gefunden hätten.                              Satz: „Der Rundfunkbeitrag wird speziell zur Finanzie-
                                                                                            rung des demokratiewesentlichen Auftrags des öffent-
                                 Ein solches Modell favorisiert auch die Monopolkom-        lich-rechtlichen Rundfunks erhoben, ohne den Druck
                                 mission in ihrem kürzlich erschienenen 22. Haupt-          zu Marktgewinnen die Wirklichkeit unverzerrt darzu-
                                 gutachten. „Die bisher fernsehzentrierte Medienkon-        stellen, das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu
                                 zentrationskontrolle sollte daraufhin überprüft wer-       stellen und professionell die Vielfalt der Meinungen
                                 den, ob ein medienübergreifendes Konzentrations-           abzubilden, wie Art.5 Abs.1 GG es vorsieht.“
                                 recht besser geeignet ist, Gefahren für die freie
                                 Meinungs- und Willensbildung vorzubeugen“, heißt           Dessen ungeachtet setzt sich das Trommelfeuer eini-
                                 es in den Empfehlungen der Gutachter.                      ger Verlage gegen ARD und ZDF fort. Radio-Bremen-
                                                                                            Intendant Jan Metzger äußerte im Frühjahr auf dem

 M
                                 Fragliche Wettbewerbsverzerrungen                          Kongress der ARD-Freien, was auf den Medienseiten
                                                                                            passiere, habe „streckenweise mit Journalismus nichts
               itwirkung         In dem ausführlichen Berichtsteil über die Situation       mehr zu tun“, sondern das sei „Verlagspropaganda“.
                                 der audiovisuellen Medien beschäftigt sich die Mono-       Nicht selten grenzt es ans Lächerliche, was da von ge-
                                 polkommission interessanterweise auch mit Fragen           standenen Medienredakteuren an Attacken geritten
An der Konsultation zum          des Rundfunkbegriffs. Die Schlussfolgerungen in die-       wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk vermittle
Medienstaatsvertrag können       sem Bereich fallen weniger logisch aus. Wie gewohnt        „kaum noch Bildung, klassisches Wissen oder Kultur“
sich alle Bürger bis 30. Sep-    nimmt die Kommission allein eine wirtschaftliche           beschwerte sich wiederholt Joachim Huber, Medien-
tember online beteiligen.        Betrachtung vor und sieht an jeder Ecke Wettbewerbs-       ressortleiter beim Berliner Tagesspiegel. Und setzt dem
https://www.rlp.de/index.php     verzerrungen durch den öffentlich-rechtlichen Rund-        13,4 Millionen-Jahresetat von ARD-alpha, dem ver-
?id=27687                        funk. Dessen gesellschaftliche Bedeutung für die Demo-     meintlichen „Feigenblatt“ unter den 21 öffentlich-
                                 kratie und die Perspektive der Beitragszahler fehlen       rechtlichen TV-Programmen, die acht Milliarden Euro
Zum Bericht der Monopol-         vollkommen. Nicht verwunderlich, dass die Autoren          Gesamteinnahmen von ARD und ZDF gegenüber. Um
kommission können Verbände       deshalb die öffentlich-rechtlichen Onlineauftritte als     nebenbei noch über exorbitante Ausgaben für Sport-
bis 20. September Stellung       viel zu weitgehend betrachten. Mal davon abgesehen,        rechte – die Fußball-WM – zu wettern.
nehmen.                          dass der Bund, dem das Gutachten vorgelegt wurde,
https://tinyurl.com/ybysmhws     keinerlei Befugnisse zur Ausgestaltung des öffentlich-     Immerhin: ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm konnte
                                 rechtlichen Rundfunks in Deutschland hat. Verbände         Anfang August im Rahmen einer Positionsbestim-
                                 können bis 20. September dazu Stellung nehmen.             mung ausführlich kontern. Die ARD leiste auch jen-
                                                                                            seits des Programms einen „wichtigen Beitrag zum Zu-
                                 Vielleicht sollten sich die wirtschaftsliberalen Mono-     sammenhalt unserer Gesellschaft“. Sie sei ein „starker
                                 polkommissare mal die Quintessenz des jüngsten             und verlässlicher Partner der deutschen Filmwirt-
                                 Bundesverfassungsgerichts-Urteils vom 18. Juli zum         schaft“. So flössen jährlich mehr als 650 Millionen
                                 Rundfunkbeitrag aneignen. Bekanntlich entschied            Euro in Filmproduktionen, weitere 50 Millionen gin-
                                 das Gericht, dass lediglich ein zweiter Beitrag für eine   gen an die Filmförderungsanstalten des Bundes und
                                 Zweitwohnung nicht verfassungsgemäß sei. Ansonsten         der Länder. Gefördert würden darüber hinaus die Me-
                                 heben die Verfassungswächter gewohnt konsequent            dienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sowie
                                 die konstitutive Bedeutung der Öffentlich-Rechtli-         junge Talente aus Musik, Kabarett und Literatur. Ganz

8   M 3.2018
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK

zu schweigen von den unzähligen Kultur- und Me-            erklärte die damalige ARD-Vorsitzende Karola Wille
dienpartnerschaften in den Bundesländern.                  und MDR-Intendantin im ARD-Bericht an die Länder
                                                           Ende 2017. Sie verwies auch darauf, dass die einzel-
Das gleiche Forum nutzte auch ZDF-Intendant Tho-           nen ARD-Anstalten in ihren Häusern bereits seit Jah-
mas Bellut, um die Leistungen der öffentlich-rechtli-      ren sparten. Die nun festgelegten 20 Strukturprojekte
chen Anstalten und ihre Rolle im gesellschaftlichen        – die Umsetzung einiger ist bereits in vollem Gange –
Diskurs hervor zu heben. Die Akzeptanz der Angebote        beziehen sich ausschließlich auf Verwaltung, Technik
von ARD und ZDF sei in den letzten Jahren deutlich         und Produktion. Diese drei Bereiche machen der ARD
gestiegen. Angesichts der wachsenden gesellschaftli-       zufolge rund 20 Prozent von deren Gesamtetat aus.
chen Spannungen seien zum Beispiel öffentlich-recht-       Der Gesamtetat des Senderverbunds betrug im Jahr
liche Nachrichten „gefragt wie lange nicht mehr“. In       2016 rund 6,6 Mrd. Euro (davon stammen 5,6 Mrd.
den Befragungen zur Glaubwürdigkeit schnitten sie          Euro aus dem Rundfunkbeitrag).
ähnlich wie die Presse „kontinuierlich gut“ ab, die so-
zialen Medien dagegen „sehr schlecht, auch bei den         Der Einsatz neuer digitaler Techniken, die Umstellung          Die „Sendung mit der Maus“
jüngeren Nutzern“. Das öffentlich-rechtliche System        auf Crossmedialität laufen in der Praxis zwar meist auf        und dem kleinen blauen Ele-
benötige einen breiten Konsens in der Gesellschaft,        mehr Effizienz hinaus. Für die Beschäftigten geht dies         fanten, produziert vom WDR,
schließlich würden seine Leistungen von allen be-          aber in der Regel einher mit Arbeitsverdichtung, Ver-          begeistert seit mehr als vier
zahlt. „Der Vorwurf einiger Rundfunkpolitiker, die         änderung von Berufsbildern, erhöhten Qualifikations-           Jahrzehnten Jung und Alt.
                                                                                                                          Ramona Wultschner zeichnet
Sender seien nicht bereit, ausreichend zu sparen, ist      anforderungen. Wie diese Transformation im Detail
                                                                                                                          von Hand am Computer
unfair“, konstatiert Bellut. Es gebe „große Sparan-        abläuft, soll im Folgenden anhand einiger Senderpor-
                                                                                                                          einen Spot mit dem
strengungen, und es gibt ein gemeinsames Sparpaket         träts exemplarisch dargestellt werden.
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ver.di
IM FOKUS

                      Ein steiniger Weg
                      Norddeutscher Rundfunk (NDR) mit Manko in der Personalentwicklung

                             I
                                    m Zuge der sogenannten Senderstruk-           Prozessharmonisierung allein in 29 Unterprojekte auf-
                                     turreform erlebt der Norddeutsche            geteilt. Insgesamt 15 Stellen sollen bis zum Jahr 2024
                                     Rundfunk (NDR) „die schwerste Er-            in der Verwaltung des NDR wegfallen, Standardpro-
                                      schütterung seit dem Versuch der CDU        zesse zukünftig die Arbeit vereinfachen. In einem
                                      Ministerpräsidenten Ende der 70er-          Pilotprojekt wurde bereits eine ARD-weite, gemein-
                      Jahre die damalige Drei-Länder-Anstalt zu zerschla-         sam genutzte Hörfunkdatenbank eingerichtet. Derzeit
                      gen“, sagt die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats           verfügt sie über etwa 800 Eingabefelder, damit alle
                      beim Norddeutschen Rundfunk, Sabine von Ber-                ARD-Anstalten ihre Sendungen entsprechend veror-
                      lepsch. In Hamburg und seinen Landesfunkhäusern             ten können. Die Beschäftigten des NDR benötigen
                      Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und              allerdings nur etwa 70 Eingabefelder für ihre Arbeit,
                      Niedersachsen beschäftigt der NDR nach eigenen An-          berichtet Doris Carstensen, stellvertretende Vorsitzen-
                      gaben rund 3.500 festangestellte Mitarbeiter_innen,         de des NDR-Gesamtpersonalrats. Mit dem Fortschrei-
                      1.150 programmgestaltende freie Mitarbeiter_innen           ten der Strukturreform werden auch weitere Arbeits-
                      mit Rahmenvertrag sowie annähernd 10.000 weitere            prozesse und Software-Anwendungen nicht mehr spe-
                      Freie.                                                      ziell auf die Bedarfe des NDR abgestimmt sein. Nach
                                                                                  Arbeitserleichterung durch Prozessoptimierung klingt
                      Innerhalb des ARD-Verbunds ist der NDR damit die            das zunächst nicht.
                      drittgrößte Landesrundfunkanstalt. Der schwerwie-
     Wir sehen uns    gendste Grund für den Stellenabbau: Im Rahmen der           Die Grenzen Künstlicher Intelligenz
                      Senderstrukturreform soll die ARD in den Jahren von
gezwungen, den Be-    2017 bis 2028 insgesamt 951 Millionen Euro einspa-          Im Bereich der NDR-Produktionsdirektion ist der Spar-
schäftigten bereits   ren. Etwa ein Fünftel dieser Summe muss der NDR ge-         zwang ebenfalls groß. Bis 2028 werden mindestens 40
von den ARD-          mäß des Beitragsschlüssels innerhalb der ARD dazu           Stellen gestrichen. Neben der IT-Strategie sind auch
                      beitragen. Die Verunsicherung der Mitarbeiter_innen         in den Archiven des NDR massive Einschnitte ge-
Verantwortlichen      in Deutschlands nördlichster Rundfunkanstalt ist            plant. Hier soll verstärkt Künstliche Intelligenz zum
beschlossene Spar-    dementsprechend groß, viele Beschäftigte fürchten           Einsatz kommen, um Abläufe zu verbessern und
maßnahmen zu er-      Kürzungen vor allem beim Personal. Die Frage, wa-           Lohnkosten zu minimieren. Doch hoch im Norden
                      rum sich die Sender überhaupt einem solch rigiden           stößt die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen. Es
klären, ohne daran    Sparprogramm unterwerfen müssen, hören Sabine von           wurde nicht bedacht, dass die automatische Sprach-
noch das Geringste    Berlepsch und ihre Kolleg_innen daher regelmäßig.           erkennung derzeit noch kein Plattdeutsch versteht.
ändern zu können.     „Den Beschäftigten diese Strukturoptimierung zu er-         Ein nicht unerheblicher Teil des Hörfunk- und auch
                      klären, ist für uns als Personalvertretung ein steiniger,   Teile des TV-Programms werden im NDR allerdings
                      dornenreicher Weg. Dabei wollen wir uns eigentlich          plattdeutsch ausgestrahlt. Die Stellen in den Archiven
                      vor allem darum kümmern, die Auswirkungen auf die           des NDR werden trotzdem gestrichen, davon geht Do-
                      Beschäftigten zu begrenzen“, sagt die Vorsitzende des       ris Carstensen, die stellvertretende GPR-Vorsitzende
                      NDR-Gesamtpersonalrats. „Wir sehen uns gezwungen,           fest aus.
                      den Beschäftigten bereits von den ARD-Verantwort-
                      lichen beschlossene Sparmaßnahmen zu erklären,              Durch das Strukturprojekt „Benchmark Produktion“
                      ohne daran noch das Geringste ändern zu können“.            kommt es auch in der Produktionsdirektion zu einer
                      Diese Aufgabe ist keine leichte für die erfahrenen Per-     erheblichen Arbeitsverdichtung: in der Außenübertra-
                      sonalräte um Sabine von Berlepsch. Die Informatio-          gung, der Sendeabwicklung, im Schnitt und bei der
                      nen vom NDR kämen zwar regelmäßig, aber teilweise           Kameraautomation im Studio. In der Fernsehbericht-
                      geradezu wie eine Informationsflut. Ein Gesamtkon-          erstattung beispielsweise wird schon jetzt häufig mit
                      zept zur Umsetzung der Senderstrukturreform liegt           „1er-Teams“ gearbeitet. Der Begriff an sich lässt viel
                      weder den Personalvertretungen noch der Gewerk-             erahnen: Statt der klassischen Besetzung eines Teams
                      schaft vor. Konkrete Angaben über den Gesamtpro-            mit jeweils einem Verantwortlichen für die Kamera-
                      zess sind Mangelware. „Mitbestimmung ist unter die-         führung und Assistenz, ist im „1er-Team“ eine einzige
                      sen Voraussetzungen schwierig“, bestätigt auch Lars         Person parallel für Kamera, Ton und Licht verantwort-
                      Stubbe, zuständiger ver.di-Sekretär in Hamburg.             lich. Bis zum Jahr 2024 sollen im NDR insgesamt 20
                                                                                  Prozent der Fernsehberichterstattung auf diese Weise
                      Zur Umsetzung des angesetzten Sparziels ist der NDR         produziert werden. Einen kleinen Erfolg kann die Per-
                      in die 20 Strukturprojekte der ARD involviert, die wie-     sonalvertretung bei diesem Thema verbuchen: Die
                      derum in zahlreiche Einzelprojekte untergliedert sind.      Kameraleute erhalten pro Einsatz pauschal einen
                      In der Verwaltungsdirektion beispielsweise ist die SAP-     Zuschlag von 43 Euro, wenn sie als „1er-Team“ unter-

10   M 3.2018
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK

                                                                                                                                       Angesichts des bisher geplanten Stellenabbaus be-
                                                                                                                                       fürchten viele Mitarbeiter des NDR massive Auswir-
                                                                                                                                       kungen auf das Programm. Auf Nachfrage teilt die
                                                                                                                                       Pressestelle des NDR zwar mit, dass der NDR „alle An-
                                                                                                                                       strengungen unternehmen wird“, um das „möglichst
                                                                                                                                       zu vermeiden.“ Und auch wenn tatsächlich keines der
                                                                                                                                       Senderstrukturprojekte das Programm betrifft, so sind

                                                                                                              Foto: Jan-Timo Schaube
                                                                                                                                       sich Sabine von Berlepsch und Björn Siebke doch ei-
                                                                                                                                       nig darüber, dass Einschnitte zum Beispiel in den Be-
                                                                                                                                       reichen Archiv und Programmerstellung sehr wohl
                                                                                                                                       Auswirkungen auf das Programm haben.

                                                                                                                                       Björn Siebke ist freier TV-Redakteur am NDR-Standort
Offenes Gespräch mit Sabine                                                                                                            Hannover und sitzt im Vorstand des NDR-Senderver-
von Berlepsch, Vorsitzende                          wegs sind. Das ist in dieser Höhe einzigartig in der                               bands für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
des NDR-Gesamtpersonal-                             ARD. Dennoch „stehen wir mit dem Rücken an der                                     Er hat als Autor schon häufig mit den „1er-Teams“ in
rats (r.); Doris Carstensen,                        Wand“, sagt Sabine von Berlepsch. Ein Erfolg auf der                               der elektronischen Fernsehberichterstattung gearbei-
stellvertretende Vorsitzende                        einen Seite reiße häufig ein Loch an anderer Stelle.                               tet. Wenn es neben dem Redakteur nur noch einen
des NDR-Gesamtpersonal-
                                                    „Das ist das Tückische an der Senderstrukturreform.                                statt zwei Mitarbeiter auf dem Dreh gibt, leide nicht
rats (m.) und Lars Stubbe,
                                                    Wie viele andere Prozesse konnten wir auch den Ab-                                 nur die Qualität der Bilder. Häufig müsse er als Autor
ver.di-Sekretär in Hamburg.
                                                    bau der Senderbetriebe nicht von Beginn an eindeutig                               dann auch das Produktionsfahrzeug im Wechsel mit
                                                    dieser Reform zuordnen“, sagt Doris Carstensen. Und                                dem Produktionsmitarbeiter fahren. Gerade bei tages-
                                                    so entwickelt sich der Abbau schleichend. Inzwischen                               aktuellen Produktionen sei das kaum zu stemmen.
                                                    ist klar: Von 12 NDR-eigenen Senderbetrieben in                                    „Da erledige ich meist noch einen Teil der Recherche
                                                    Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen sollen                               oder die Protagonisten-Suche aus dem Auto heraus.
                                                    nur fünf Betriebe erhalten bleiben. Die unbesetzten                                Wenn ich selbst fahren muss, funktioniert das natür-
                                                    Standorte werden zukünftig überwiegend per Remote-                                 lich nicht mehr“, sagt Björn Siebke. Das gehe zu Las-
                                                    Technik betrieben. Für die derzeit 52 Beschäftigten                                ten der Inhalte. Mehr als simpel gestrickte Nachrich-
                                                    werden im Jahr 2028 nur noch 31 Stellen übrig sein.                                tenfilme könne er dann nicht an die Redaktionen
                                                                                                                                       liefern. Eine solche Kürzung von Produktionskapa-
                                                    Dabei soll es laut Aussage der NDR, dessen Intendant                               zitäten bedeute natürlich auch, dass freie Mitarbei-
                                                    Lutz Marmor ist, keine betriebsbedingten Kündigun-                                 ter_innen weniger Aufträge vom NDR erhielten und
                                                    gen im Zuge der Senderstrukturreform geben. Doch                                   zugleich die Arbeitsverdichtung deutlich spürten.
                                                          schon Ende 2016 wurde den Personalräten mit-                                 „Das führt zu einer enormen Verunsicherung, es fehlt
                                                                  geteilt, dass in den folgenden zehn Jah-                             uns an einer Perspektive“, sagt Björn Siebke und ist
                                                                        ren über 1.000 Beschäftigte den                                sich sicher, dass Tarifverhandlungen mit dem NDR
                                                                        NDR verlassen werden, um in Rente                              der beste Weg sind, um Verbindlichkeit zu schaffen.
                                                                      zu gehen. Darunter seien viele hoch-                             Man müsse sich gemeinsam dagegen wehren, dass der
                                                                    qualifizierte Kolleg_innen, deren Stel-                            Strukturwandel für Honorarsenkungen zweckent-
                                                                   len nicht wiederbesetzt würden, beklagt                             fremdet werde.
                                                                  der NDR-Gesamtpersonalrat. „Da wird
                                                                uns viel Wissen verloren gehen“, sagt Do-                              Offensiv gegen prekäre Beschäftigung
                                                                ris Carstensen. Und Sabine von Berlepsch
                                                               ergänzt, dass die Personalvertretungen es                               Auch Lars Stubbe ist sich sicher: Nur durch die Zusam-
                                                            sich aufgrund der fehlenden Personalent-                                   menarbeit aller ver.di-Senderverbände auf Bundesebe-
                                                           wicklung des NDR zur Aufgabe gemacht haben,                                 ne kann man einer drohenden „Harmonisierung“ der
                                                         den drohenden Brain Drain durch gezielt orga-                                 Tarifebene nach unten wirksam entgegentreten. Der
                                                           nisierten Wissenstransfer etwas abzumildern.                                Plan der Senderverantwortlichen, ihre Tarifverträge zu
                                                         Denn natürlich würden nicht zuletzt wegen der                                 vereinheitlichen und nach unten abzusenken, muss
                                                       unsicheren Zukunftsperspektiven beim NDR viele                                  abgewehrt werden, so seine Meinung. Für den Herbst
                                                        Beschäftigte in die freie Wirtschaft ausweichen.                               2018 plant der ver.di-Senderverband eine innerbe-
                                                       Das gilt zunehmend auch für gut ausgebildete Be-                                triebliche Informationsoffensive, um die NDR-Mitar-
                                                     rufsanfänger_innen. Was das bedeutet, weiß der Per-                               beiter_innen zu organisieren, gegen Stellenabbau und
                                                    sonalrat bereits aus der Vergangenheit: Seit Beginn der                            die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse.
                                                    neunziger Jahre hat der NDR nach eigenen Angaben                                   Denn so schwierig es bei der unzureichenden Infor-
                                                    schon 700 Planstellen „sozialverträglich“ abgebaut                                 mationspolitik des NDR sei, passende Sozialpläne
                                                    und diverse Dienstleistungen extern vergeben. Der                                  oder Interessenausgleiche auszuarbeiten, so entschlos-
                               Fotos: [M] ARD/NDR

                                                    komplette Betrieb des NDR-Rechenzentrums sei                                       sen sind ver.di und die ver.di-Vertreter_innen im
                                                    schon vor der Senderstrukturreform Ende der 90er                                   Personalrat, den NDR nicht aus der Verantwortung
                                                    Jahre an das Informationsverarbeitungszentrum (IVZ)                                für seine Mitarbeiter_innen zu entlassen.
                                                    in Potsdam ausgelagert worden.                                                                                   Maren Skambraks
IM FOKUS

Existenziell für Freie
Westdeutscher Rundfunk (WDR) ringt auch um bessere Unternehmenskultur

     F
                ür den Westdeutschen Rundfunk (WDR)       standardisierung Produktion Großereignisse“ und
                war es bisher ein bewegtes Jahr. Vor      „Korrespondentennetz – Infrastruktur Crossmediale
                 allem die „#MeToo”-Debatte brachte       Korrespondentenplätze“ werden dabei federführend
                 in der größten ARD-Anstalt einiges in    vom WDR betreut. Außerdem haben die Kölner den
                 Bewegung. Nicht nur die Belästigung      Hut auf bei der Entwicklung des „MediaDataHubs“,
von Frauen durch Vorgesetzte, sondern auch das Füh-       Teil des Projekts „Archivinfrastruktur“. Das alles wird
rungssystem insgesamt sorgt bis heute für Diskussio-      vom WDR Rundfunkrat ausdrücklich begrüßt, der zu-
nen im Sender. Viele Mitarbeiter_innen sehen sich au-     dem unter anderem anregte, „über die Limitierung
ßerdem einem immer höheren Arbeitsdruck ausge-            der Spitzenhonorare im öffentlich-rechtlichen Rund-
setzt. Davon sind vor allem auch die Freien betroffen,    funk nachzudenken.“
die als schwächstes Glied in der Hierarchie gelten, die
aber für die Programmproduktion unverzichtbar sind.       Unterdessen kündigte Intendant Tom Buhrow Ende
                                                          August die nächste Phase des WDR-Umbaus an. Sie
Sind die Vorwürfe sexueller Belästigung gegen den         beinhaltet eine Neuordnung der Programmdirek-
mittlerweile entlassenen Gebhard Henke nur Symp-          tionen und die Entstehung weiterer crossmedialer
tom eines Systemfehlers im öffentlichen Rundfunk?         Ressorts. Grünes Licht gibt es auch für einen Interims-
Jenseits der Frage möglicher Schuld gilt der ehemalige    Newsroom. In seinen Aufbau, die Entwicklung der
Fernsehspiel-Chef des WDR, der zudem ARD-Tatort-          Strukturen und Arbeitsabläufe waren 170 Kolleg_in-
Koordinator, Gremienmitglied der Filmförderung und        nen über Monate involviert. Zudem werde ein Inno-
Hochschullehrer war, manchem in der Branche als Bei-      vationslabor entwickelt, dass 2020 seine Arbeit auf-
spiel dafür, dass sich die Entscheidungsmacht beim        nehmen soll. Dessen Team werde nötige Freiräume
WDR immer mehr in den Händen weniger konzen-              bekommen, um im Sinne eines Start-Ups Produkte
triert. Einer, der den WDR schon lange kennt und mit      und Ideen zu entwickeln, heißt es in einer WDR-Mit-
dem Sender über Jahrzehnte zusammengearbeitet hat,        teilung. Genaue Details über die crossmedialen Zu-
ist der Produzent Gerhard Schmidt. Auch er sieht die      kunftsprojekte und den neuen Zuschnitt der Pro-
Entwicklung kritisch: „Die Macht in der Hierarchie        grammdirektionen sollen auf einer Betriebsversamm-
hat sich verlagert: aus Vielfalt wurde Einfalt. Der WDR   lung am 18. September vorgestellt werden.
war früher ein Sender der Redakteure mit Fokus auf
Inhalt und Qualität, heute ist er ein Sender der Direk-   „In den Zeiten, in denen mehr Geld und Personal vor-
                                                                                                                     Fotos: [M] ARD/WDR

toren mit Fokus auf Quote und Kosteneinsparung.”          handen war, gab es mehr Möglichkeiten, sich in sei-
                                                          ner Arbeit auszuleben“, erinnert sich die WDR-Perso-
Millionenkürzungen bei Sachetats                          nalratsvorsitzende Christiane Seitz, „da wurde eine
                                                          Filmszene so oft gedreht bis alle zufrieden waren.“
Vor allem der seit einiger Zeit verordnete Sparkurs       Dass es heute strengere wirtschaftliche Vorgaben gibt,
sorgt für Unruhe im WDR: Ab 2014 begann für die da-       akzeptiert sie, aber der Wandel stellt das Selbstver-
mals über 4.600 Festangestellten ein Stellenabbau, der    ständnis und den Stolz auf die geleistete Arbeit auf
bis 2020 abgeschlossen sein soll: Dann werden 500         den Prüfstand.
Planstellen nicht mehr existieren. Dazu kommen
zahlreiche Leiharbeiter, die nicht mehr beschäftigt       Existenziell ist diese Entwicklung für viele der zahl-                               Der WDR war
werden. Laut eigener Mitteilung hat die Sendeanstalt      reichen freien Mitarbeiter_innen im Kölner Sender ge-                           früher ein Sender
in den vergangenen Jahren „enorme Anstrengungen“          worden, von denen etwa 2.200 in arbeitnehmer-
für einen stabilen Haushalt unternommen. Neben            ähnlichen Verhältnissen tätig sind. „Sie sind essen-
                                                                                                                                          der Redakteure mit
dem Stellenabbau betraf das auch die dauerhafte Kür-      ziell, es gibt Programmbereiche, bei denen 80 Prozent                           Fokus auf Inhalt und
zung aller Sachetats. Insgesamt sollen die Einsparun-     der Inhalte von ihnen zugeliefert werden“, betont die                           Qualität, heute ist
gen 100 Millionen Euro pro Jahr betragen. Zusätzliche     Personalrätin. „Große Probleme entstehen, wenn bei-
Ausgabenkürzungen erwarten die Verantwortlichen           spielsweise Sendeplätze wegbrechen, dann sind Exis-
                                                                                                                                          er ein Sender der
aus dem neuen, kostengünstigeren Tarifvertrag zur         tenzen bedroht, selbst in einer Medienstadt wie Köln                            Direktoren mit
Altersversorgung, der im vergangenen Jahr zwischen        werden die Ausweichmöglichkeiten immer weniger.“                                Fokus auf Quote und
der ARD und ver.di abgeschlossen wurde.                   Das sagt Anja Arp. Sie ist selbst freie Journalistin und
                                                          die Ansprechpartnerin für freie Kolleginnen und Kol-
                                                                                                                                          Kosteneinsparung.
Große Hoffnungen sind auch an die ARD-Struktur-           legen beim WDR. Für sie ist auch ganz offensichtlich,
reform geknüpft. Das Ziel: Mehr Effizienz durch bes-      dass in dem klaren Machtgefüge der Rundfunkanstalt,
sere Zusammenarbeit der ARD-Sender bei Programm-          Freie „gepresst“ werden, etwa wenn es um Honorare
produktion sowie Technologie. Die Projekte „Prozess-      geht: „Und wenn man dann aufbegehrt, dann wird

12   M 3.2018
ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK

                       man nicht mehr beauftragt, weil es einfach genug an-       Sender als „Rotfunk“ diskreditieren wollten, genoss er
                       dere gibt, die den Job sofort machen würden.“ Und          in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen für
                       Seitz ergänzt, dass die Fernsehdirektion mit Rücken-       eine unabhängige, hochwertige Berichterstattung, die
                       deckung des Intendanten ein Pauschalhonorar ein-           Missstände kompromisslos aufdeckte. Während da-
                       führte, der vom Tarifvertrag nicht gedeckt ist. Der        mals etwa Fernsehjournalisten alle Türen offen stan-
                       WDR sei die einzige öffentlich-rechtliche Anstalt, die     den, werden sie heute manchmal mit Skepsis, wenn
                       ihre Freien per Prognosevertrag beschäftigt. Das heißt,    nicht gar offener Ablehnung betrachtet. Das hat aller-
                       es gibt eine Vorgabe für die Anzahl der Tage, die sie      dings in Zeiten von Gebührendiskussion, Fake News
                       tätig sein dürfen. „Alle anderen Sender haben Zeitver-     und einem generell gewandelten Bild von Journalis-
                       träge oder Aushilfsverträge. Aber beim WDR kollidiert      mus auch mit einem Identitätsverlust des öffentlich-
                       jetzt das Honorarprinzip, das auf Einzelwerken be-         rechtlichen Rundfunks insgesamt zu tun.
      Es ist sehr      ruht, mit dem zunehmenden Bedarf an Tagesdiensten
                       – quasi Redakteurstätigkeiten.“                            Eine Zeitenwende hatte bereits der Start der privaten
ungewöhnlich und                                                                  Sender in den 80ern eingeläutet. Seitdem wurde auch
nicht zukunftsträch-   Aktuell würden die verschiedensten Tätigkeiten, da-        bei den Öffentlich-Rechtlichen die Einschaltquote im-
tig, dass wir keine    runter neue crossmediale Aufgaben, pauschal abge-          mer mehr zum Maß aller Dinge. Das glaubt Axel Bey-
                       rechnet. Überhaupt weckt die Digitalisierung, der na-      er. Er war mal Unterhaltungschef bei den Kölnern:
Unternehmens-          türlich auch innerhalb der Strukturreform besonderes       „Der WDR hat sich als Sender verstanden, der sich für
instrumente wie        Augenmerk gilt, Diskussionsbedarf: „Es darf nach un-       das Gute und die Schwachen einsetzt. Und dann hat
etwa ein konkretes     serer Auffassung nicht sein, dass die Freien ihr Mate-     man im Zuge der Privaten beispielsweise Unterhal-
                       rial in einen Archivspeicher schütten und jede Redak-      tung so definiert, dass sie von einer größtmöglichen
Konfliktmanage-         tion sich daraus nach Bedarf bedient, ohne dass die        Masse gesehen werden muss. Das kritisiere ich, denn
ment haben.            Autoren honoriert werden. Das ist ein Verstoß gegen        Unterhaltung hat viele Facetten und darf auch auf
                       das Urheberrecht.“                                         kleinere Zielgruppen zugeschnitten sein.“ Viele Dis-
                                                                                  kussionen, so Beyer, seien Stellvertreter-Diskussionen:
                       Doch nicht nur die Freien bekommen den härteren            „Es müsste eine Auseinandersetzung um das Selbst-
                       Wind zu spüren. „Der Spardruck sorgte für einen            verständnis geführt werden – wofür steht der WDR
                       rauen Führungsstil“, analysiert David Jacobs, Vor-         heute? Wie soll die Zukunft aussehen?“
                       stand von ver.di im WDR, die Situation. Für ihn ist
                       die „#MeToo“-Debatte nur ein Aspekt von Machtmiss-         Vertrauensvolles Miteinander
                       brauch, der jetzt verstärkt innerbetrieblich in den Mit-
                       telpunkt rückt: „Selbst als ich noch beim Bundeswehr-      Dass eine Diskussion über die Unternehmenskultur
                       Radiosender tätig war, habe ich nicht solch einen          geführt wird, bestätigt WDR-Sprecherin Ingrid
                       Tonfall erlebt wie den von manchen Führungskräften         Schmitz: „Ich weiß nicht, ob es dabei nur um die Füh-
                       beim WDR. Von Kollegialität ist da nicht mehr viel zu      rungskultur geht, aber im Rahmen der #MeToo-De-
                       spüren, sondern es geht nur noch darum, dass be-           batte ist deutlich geworden, dass eine Reihe von Mit-
                       stimmte Ziele erreicht werden.“ Und das kann sich in       arbeitern unzufrieden ist.“ Die Geschäftsführung neh-
                       Herabsetzung, Beleidigung oder mangelnder Wert-            me das sehr ernst und Intendant Tom Buhrow habe
                       schätzung äußern – alles Faktoren, die demotivieren,       die Verwaltungsdirektoren beauftragt, die Kultur des
                       verunsichern und die Krankenstände erhöhen.                vertrauensvollen Miteinanders zu verbessern. Dafür
                                                                                  sollen, gemeinsam mit dem Personalrat, Instrumente
                       Als die Intendanz kurzfristig Zusammenkünfte anläss-       entwickelt werden.
                       lich der „#MeToo“-Vorfälle einberufen hatte, kam es
                       dann auch zu Eruptionen, weil Mitarbeiter_innen die-       Für Seitz schließlich ist Hierarchie alleine noch nicht
                       se Missstände zur Sprache brachten. Im Juli erfolgte       das Problem: „Es muss klare Entscheidungsstrukturen
                       die Entlassung eines hochrangigen WDR-Mitarbeiters         von oben nach unten geben, aber gleichzeitig das
                       unterhalb der Direktorenebene wegen „Machtmiss-            Recht, die Hierarchien von unten zu hinterfragen und
                       brauchs“. Mehr gab die WDR-Pressestelle zu diesem          zu bewerten.“ Um nicht nur die fachliche, sondern
                       Fall nicht bekannt, auch nicht, wie dieser „Macht-         auch die soziale Qualifikation der Führungskräfte fest-
                       missbrauch“ konkret ausgesehen habe, weil man sich         zustellen, sollte es aus ihrer Sicht Kriterien geben,
                       noch in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen be-        nach denen die Leistung bewertet wird. Denn: „Es ist
                       finde. Nicht nur für den ver.di-Mann ist das lediglich     sehr ungewöhnlich und nicht zukunftsträchtig, dass
                       die Spitze eines Eisbergs: „Jetzt geht es erstmal um die   wir keine Unternehmensinstrumente wie etwa ein
                       krassesten Fälle, aber das Problem liegt tiefer und wird   konkretes Konfliktmanagement haben.“ Die Personal-
                       auch morgen nicht beendet sein.“ Mindestens fünf           ratsvorsitzende geht jedenfalls davon aus, dass die Ge-
                       bis zehn Jahre, so seine Schätzung, wird dieser Aufar-     schäftsleitung es ernst meint, wenn es um den Kul-
                       beitungsprozess dauern.                                    turwandel geht. Allen an der Spitze sei klar, dass sich
                                                                                  etwas ändern muss: „Wir können auch 2020 nicht
                       Angesichts dieser Situation liegt es auf der Hand, dass    den ARD-Vorsitz übernehmen, wenn wir hier nicht
                       der WDR in der Außenwahrnehmung ebenfalls ver-             im Umgang miteinander neue Wege finden.“
                       loren hat. Auch wenn konservative Kreise früher den                                             Wilfried Urbe
IM FOKUS

                        Trimedial geschult
                        Südwestrundfunk (SWR) setzt nicht nur auf die jungen Wilden

                               I
                                         m SWR ist der multimediale Umbau         ner-Branth vom geschäftsführenden Vorstand des
                                         in vollem Gange. Neue digitale Ange-     ver.di-Betriebsverbands SWR. Je nach Blickwinkel ge-
                                          bote entstehen, Redaktionen werden      be es jedoch auch Bedenken. „Im neunten Jahr des
                                          zusammengelegt. Radio und Fernse-       Einsparprozesses sind wir am Limit“, so die Gewerk-
                                          hen machen nicht mehr ihr eigenes       schafterin. „Es fehlt an Leuten. Arbeitsverdichtung ist
                        Ding, sondern rücken zusammen. Egal, ob Nachrich-         ein großes Thema.“ Wenn Beschäftigte in den Ruhe-
                        ten, Sport, Wissen oder Kultur, formal gibt es je nach    stand gingen, werde nur noch jede zweite Stelle neu
                        Thema nur noch eine Programmredaktion. Es gilt:           besetzt. Die Folgen seien gravierend. „Wir haben im-
                        Hörfunk, Fernsehen und Online gehören zusammen.           mer weniger Personal, aber nicht weniger Programm.“
                        Anstelle der kleinen Büros entstehen offene Gruppen-      Im Gegenteil: Durch die multimedialen Anforderun-
                        arbeitsplätze. Die Redakteur_innen werden trimedial       gen kommen neue Aufgaben hinzu. So hat der Sender
                        geschult, sollen alle drei Medien im Blick haben.         zum Beispiel eine App entwickelt, mit der Redak-
                                                                                  teur_innen von unterwegs mit ihrem Handy kom-
                           „Wir wollen ein multimediales Medienhaus wer-          plette Beiträge erstellen und an den Sender schicken
                          den“, sagt der Leiter der Intendanz, Thomas Dauser,     können.
                         verantwortlich für die strategische Unternehmens-
                          entwicklung. Ziel sei es, dass der SWR die Menschen     „Schnell, schnell ist nicht guter Journalismus“, betont
                          auf allen Kanälen erreiche: Morgens beim Zähne-         die Gesamtpersonalratsvorsitzende mit Blick auf die
                         putzen im Radio, auf dem Smartphone in der Stra-         Qualität. Außerdem fürchtet sie, dass die Erwartungen
                         ßenbahn und abends auf dem Sofa vor dem großen           an die Mitarbeiter_innen in Zukunft noch weiter stei-
                         Bildschirm. Inhalte sollen medienübergreifend ver-       gen. Im Sender gibt es die Ansage, dass nicht jeder
                         mittelt werden. Dafür brauche es integriert arbeiten-    Mitarbeitende alles können muss. „Es stellt sich die
                        de Redaktionen. „Das bedeutet wahnsinnig viele Ver-       Frage, wie lange es dabei bleibt“, so Wolber. Noch gilt:
                        änderungen für die Mitarbeitenden“, weiß Dauser.          Alle sitzen zusammen in einer Redaktion, es gibt eine
                                                                                  multimediale Planungsgruppe, aber jeder macht, was
                        Geld für Innovationen eingeplant                          er am besten kann. Mit anderen Worten: Nicht ein
                                                                                  Redakteur muss von einer Pressekonferenz das Mate-
                        Hinzu kommt: Der multimediale Umbau gehe mit              rial für Hörfunk, Fernsehen und Online liefern. Aller-
                        dem Sparprozess einher, gibt die SWR-Gesamtperso-         dings komme so etwas schon hin und wieder vor, fügt
                        nalratsvorsitzende Melanie Wolber zu bedenken. Das        Valentiner-Branth hinzu, die auch Mitglied im ver.di-
                        sorge für Verunsicherung in der Belegschaft, gerade       Bundesvorstand der Fachgruppe Medien ist. „Der
                        bei älteren Kolleg_innen. „Permanent dreht sich alles     Trend geht schon lange in diese Richtung.“ Der SWR
                        ums Sparen, Sparen, Sparen. Deshalb bezieht jeder al-     bilde Volontär_innen nur noch multimedial aus. Die
                        les sofort darauf.“ Aber der multimediale Umbau sei       klassische Trennung in Hörfunk- und Fernsehleute sei
                        ein eigenständiger Prozess: „Hier geht es vor allem um    nicht mehr zeitgemäß. Der Leiter der Intendanz be-
                        Innovation“, so Wolber. Begonnen hat er bereits           tont: „Berufsbilder wandeln sich dramatisch, auch im
                        2010, auf zehn Jahre ist er angelegt. Bis 2020 sollen     SWR.“
                        160 Millionen Euro eingespart – und 600 Stellen ab-
                        gebaut werden. Für den multimedialen Umbau ist            Die Gesamtpersonalratsvorsitzende warnt, dass einige
                        trotzdem Geld da. Der Sender habe die Einsparungen        Kolleg_innen sich diesen Veränderungen nicht ge-
                        von Anfang an bewusst höher angesetzt, um sich            wachsen fühlten. Deshalb stelle sich die Frage: Wie
                        Spielräume zu verschaffen, berichtet der Leiter der In-   kann der Sender diese Menschen mitnehmen? Dauser
                        tendanz. 25 Prozent des gesparten Geldes werde in         berichtet, dass der SWR sehr viele Schulungen anbie-
     Im neunten         neue Zukunftsprojekte investiert. Beispiel für ein Zu-    te. „Uns war von Anfang an sehr wichtig, die Mitar-
Jahr des Einspar-       kunftsprojekt ist das junge Angebot „funk“ von ARD        beitenden zu beteiligen.“ Der Sender habe sich be-
                        und ZDF, für das der SWR die Federführung hat. Das        wusst entschieden, nicht nur auf Onlineexperten zu
prozesses sind wir      Content-Netzwerk ist nur digital zu empfangen und         setzen, sondern die gesamte Redaktion zu professio-
am Limit. Es fehlt an   setzt auch darauf, seine Formate auf Drittplattformen     nalisieren. Ziel sei es, die Teams langfristig in die Lage
Leuten. Arbeits-        wie YouTube, Facebook oder Snapchat zu veröffentli-       zu versetzen, auf neue Anforderungen reagieren zu
                        chen. Sprich: Dort, wo junge User unterwegs sind.         können. Und zwar fortlaufend. Schließlich entwickle
verdichtung ist ein                                                               sich das Internet auch ständig weiter. Der Trend gehe
großes Thema.           In der Belegschaft gebe es eine große Einsicht in die     zum Beispiel dahin, dass Sprachsteuerung und künst-
                        Notwendigkeit, dass sich der Sender für die neue Me-      liche Intelligenz eine immer wichtigere Rolle einnäh-
                        dienwelt gut aufstellen müsse, sagt Andrea Valenti-       men, so Dauser.

14   M 3.2018
Sie können auch lesen