Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt - Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen beim Modularen Bauen - BIM Center Aachen

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Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt - Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen beim Modularen Bauen - BIM Center Aachen
Modular. Digital.
Integriert. Vorgefertigt.
Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen
beim Modularen Bauen
Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt - Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen beim Modularen Bauen - BIM Center Aachen
Inhaltsverzeichnis

      1   Definition relevanter Begriffe                                           4

      2   Executive Summary 		                                                     6

      3   Einleitung                                                               7

      4   Status Quo des modularen Bauens                                          8
          4.1 Modulares vs. konventionelles Bauen                                  9
          4.2 Markt und Wettbewerb                                                 9
          4.3 Zielgruppen und Interessen                                          11
          4.4 Chancen und Hemmnisse für modulare TGA-Verbundsysteme               11
          4.5 Trends		                                                            12

      5 Identifikation von Anwendungsfällen
        für modulare TGA-Verbundsysteme 		                                        14
        5.1 Als „Prinzip der Vereinfachung“ führt Modularität
      		     zur Komplexitätsreduktion bei der Bauprojektrealisierung             14
        5.2 Typologie von drei komplementären Modularisierungsansätzen            23
        5.3 Anwendungsfälle für die Vorfertigung von modularen
      		     TGA-Verbundsystemen 		                                               16
        5.4 Einordnung von modularen TGA-Verbundsystemen
      		     nach Fertigungsprinzipien                                            18
        5.5 Mehrwerte entlang der Wertschöpfungskette Bauen		                     21

      6   Fallstudie Vorfertigung von modularen Medientrassen 		                  26

      7   Fallstudie modellbasierte Vorfabrikation von Rohrleitungen 		           28

      8   Implikationen aus Vergaberecht und -praxis 		                           30
          8.1 Produktneutralität und Vergabe nach Fachlosen                       30
          8.2 Vergabepraxis müsste bei der Marktdurchdringung adressiert werden   30

      9 Technologischer Ausblick auf modulare TGA-Verbundsysteme 		               32
        9.1 Datenbasiertes Qualitätsmanagement mit As-built BIM-Modellen          32
        9.2 Konfiguratoren von individuellen Bauteilen und Baugruppenkataloge     32
        9.3 Entwurf von Komponenten und Systemen angepasst an
      		    die Vorfertigung und Montage 		                                       33
        9.4 Optimierte Datenschnittstellen zwischen Planung und Präfabrikation    33
        9.5 Entwicklung von Rapid-on-site Delivery Services und
      		    Baustellenlieferung ins Gebäude		                                     33

      10 Bibliography 		                                                          34
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Vorwort & Danksagungen

Diese Arbeit baut auf vorausgehenden Analysen im Rahmen eines konsortialen Forschungsprojektes
im BIM Center Aachen auf. Im Fokus dieser Veröffentlichung steht die Funktion von TGA-Verbundsys-
temen beim Modularen Bauen. Neben Markt- und Fallstudien, Experteninterviews, Nutzenanalysen,
werden Produktionsprozesse, Implikationen aus Vergaberecht und -Praxis sowie technologischer
Lösungsbedarf diskutiert. Die Ergebnisse heben die Schlüsselfunktion von technischen Gewerken
bei der Umsetzung von seriellen Bauweisen hervor und zeigen auf, wie vorgefertigte TGA-Verbund-
systeme einen Beitrag zum Modularen Bauen leisten können.

An dem Forschungsvorhaben waren am BIM Center Aachen beteiligt Lev Kirnats, Prokurist und Pro-
jektleiter, Prof. Christoph van Treeck, Geschäftsführer und Leiter des Lehrstuhls für Energieeffizientes
Bauen (E3D) an der RTWH, Prof. Jörg Blankenbach, Geschäftsführer und Leiter des Geodätischen
Instituts und Lehrstuhls für Bauinformatik & Geoinformationssysteme (GIA), Prof. Dirk Müller, Leiter
des Lehrstuhls für Gebäude- und Raumklimatechnik (EBC) am EON ERC und Prof. Jakob Beetz,
Leiter des Lehr- und Forschungsgebiet Computergestütztes Entwerfen (CAAD). Das Projektteam
bestand aus den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den beteiligten vier Institu-
ten, Maximilian Schild, David Jansen, Raymond Wollenberg, Noemi Kremer, Mara von Heydebrand,
Jan-Niklas Joost, Peter Gölzhäuser und Christopher Meckel. Implikationen aus Vergaberecht wurden
seitens der Kanzlei Kappelmann und Partner von Dominik Groß und Dr. Robert Elixmann erarbeitet.
Wir danken allen Beteiligten für die gute Zusammenarbeit.

Für ihre Beiträge und aufschlussreichen Diskussionen im Rahmen der Arbeitstreffen geht ein großer
Dank an die Mitglieder des BIM Centers Aachen aus der Industrie, Frau Heike Kling, Herrn Dr. Nils
Krönert und Herrn Daniel Gmeiner des Unternehmens Hilti; Herrn Ulrich Zeppenfeld, Herrn Jens
Röcher, Herrn Maximilian Zbocna und Dr. Daniel Rüschen des Unternehmens Viega; Herrn Thorsten
Weinert des Unternehmens Viessmann; Herrn Daniel Leitner, Herrn Klaus Pochert und Herrn
Jochen Saxe des Unternehmens Trox; sowie Herrn Ersin Ibram, Herrn Roland Kreutzmann und Herrn
Michael Scheller des Unternehmens Oventrop.

Viele Kolleginnen und Kollegen aus Industrie und Forschung lieferten hilfreiche Beiträge und Rat-
schläge. Besonderer Dank geht daher an Herrn Markus Thissen von ROM-Technik, Herrn Jaroslaw
Siwiecki und Herrn Nikolas Pauen der E3D-Ingenieurgesellschaft Aachen, Herrn Marc Thiel von
ProMaterials, Herrn Klaus Ege der TMM-Group und, last but not least, Herrn Dr. Sven Herbert der
Unternehmensgruppe Herbert Anlagenbau.

Autoren:
Lev Kirnats, Dominik Groß, Christoph van Treeck,
Jörg Blankenbach, Jakob Beetz, Dirk Müller
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2 Definition relevanter Begriffe

Die konventionelle Vor-Ort Bauweise ist am stärksten verbreitet                    Industrielles Bauen bezeichnet eine zentralisierte Herstellung von
und zeichnet sich durch einen hohen Grad der Individualität und                    Bauprodukten sowie die Rationalisierung von Arbeitsprozessen mit
einen geringen Grad der Standardisierung aus. Die Prozesse sind                    Hilfe von industriellen Methoden und Mitteln, die dem derzeitigen
stark handwerklich geprägt. Bauherren haben viele Freiheitsgrade                   oder zukünftigen technologischen Entwicklungsstand entspre-
bei der Gestaltung, beispielsweise bei der Wahl des Grundrisses                    chen.4 Im Mittelpunkt steht hierbei die Erreichung von Kosten­
oder der Materialien. Eine erhöhte Individualität geht einher mit ei-              effizienz und gesteigerter Produktivität sowie Qualität durch die
nem steigenden Planungsaufwand, bedingt durch die mangelnde                        Ersetzung manueller Arbeit mit automatisierten Prozessen. Mit
Möglichkeit, auf bestehende Planungselemente zurückzugreifen.                      industriellem Bauen wird in der Baubranche also die industrielle
Ein architektonisch anspruchsvolles Gebäude ist in der Regel                       Vorfertigung von Bauteilen assoziiert.5
kostenintensiv1.
                                                                                   Serielles Bauen steht im engen Zusammenhang mit industrieller
Vorfertigung im Bauwesen wird definiert als ein Produktionspro-                    Vorfertigung. Damit wird eine Bauweise bezeichnet, die auf Grund
zess, bei dem Bauteile an einem anderen Ort als dem endgültigen                    von Standardisierungen einen Wiederholungsfaktor und somit
Einbauort hergestellt werden. Im Anschluss an die Herstellung wer-                 Lerneffekte sowie Kosten- und Wettbewerbsvorteile impliziert.6
den die Baugruppen auf die Baustelle geliefert und an die endgül-                  Innerhalb der Vorfertigung können sowohl Planungsprozesse als
tige Position montiert.2 Für den Begriff Vorfertigung wird synonym                 auch Bauteile und Prozesse standardisiert und infolgedessen
beispielweise Systembau, Modulares Bauen, Serielles Bauen oder                     nach dem Prinzip der Wiederholbarkeit optimiert werden.7 Bau-
Off-site Construction verwendet.3 Inhaltlich betrachtet haben alle                 teilkataloge bieten die Möglichkeit standardisierte, vorgefertigte
Begriffe das Konzept der Verlagerung der Baustellenprozesse in                     Komponenten zu individuellen Gebäuden zu konfigurieren.8 Das
die stationäre Fertigung gemein.                                                   gesamte Gebäude bildet damit eine individuelle, dennoch planbare

1
    Grundke and Wildemann, Modularisierung im Hausbau.
2
    Mao et al., “Cost analysis for sustainable off-site construction based on a multiple-case study in China”.
3
    Azman, Ahamad, and Wan Hussin, “Comparative Study on Prefabrication Construction Process”.
4
    Schwerdtner, Kumlehn, and Schütte, Kostengünstiger Wohnungsbau.
5
    Girmscheid, Industrielles Bauen.
6
    Winter, Lechner, and Köhler, “Bauen mit WEITBLICK”.
7
    Analyse & Konzepte, “Marktstudie 2017”.
8
    Viana, Tommelein, and Formoso, “Using Modularity to Reduce Complexity of Industrialized Building Systems for Mass Customization”.
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Zusammensetzung aus Subsystemen eines Baukastens. Der                               Der Leitgedanke des seriellen
Standardisierungsgrad ist für den signifikantesten Kosteneinfluss                   Bauens ist somit eine hohe
verantwortlich. Der Leitgedanke des seriellen Bauens ist somit eine
hohe Standardisierung nach innen bei einer gleichzeitigen Indivi-
                                                                                    Standardisierung nach innen
dualisierung nach außen. Um die Investitionen in Personal, Anla-                    bei einer gleich­zeitigen Individu­
gen und Maschinen, die mit der seriellen Fertigung verbundenen                      alisierung nach außen.
sind, rechtfertigen zu können, sind hohe Stückzahlen notwendig.9
Voraussetzung für eine Serienfertigung von Bauteilen ist eine un-
gesättigte Nachfrage und ein möglichst stabiler Absatzmarkt.10

Elementbauweise reicht von linearen, skelettbauartigen Elemen-                      Zu unterscheiden ist zwischen Modularisierung und modularer
ten über einzelne Wandmodule bis hin zu vollständigen Fassa-                        Bauweise. Allgemein handelt es sich bei Modularisierung um ein
denteilen. Bei der Vorfertigung linearer Elemente ist eine Dimen-                   Prinzip, welches auf eine Produktarchitektur angewendet werden
sion wesentlich größer als die anderen beiden (1D), während bei                     kann. Die modulare Bauweise hingegen ist die Anwendung dieses
zweidimensionaler Vorfertigung zwei Dimensionen größer sind als                     Prinzips auf eine Konstruktion, deren Umsetzung in der Regel mit
die dritte (2D).11 Neben der Primärstruktur und der Gebäudehül-                     der Vorfertigung einhergeht. Grenzt man den Terminus weiter ein,
le können ebenfalls Elemente der Sekundär- und Tertiärstruktur                      wird in der Praxis sehr häufig mit einer modularen Bauweise lediglich
eines Gebäudes vorgefertigt werden, das heißt Elemente des In-                      die Vorfertigung eines volumetrischen Gebäudeteils assoziiert.13
nenausbaus und der technischen Gebäudeausrüstung (TGA).12

Modulbauweise bezeichnet die Vorfertigung von volumetrischen
Bauteilen. Diese dreidimensionale Art der Vorfertigung ermöglicht
einen maximal hohen Grad der Vormontage.

9
     Thanoon et al., “THE ESSENTIAL CHARACTERISTICS OF INDUSTRIALISED BUILDING SYSTEM”.
10
     Neitzel et al., “Bericht der Baukostensenkungskommission”.
11
     Borosnyai, “Vorfertigung in 2D und 3D”.
12
     Albus, Dömer, and Drexler, “Vergleichende Untersuchungen vorgefertigter Konstruktionssysteme”.
13
     Mohamad, “Managing the Potential of Modularization and Standardization of MEP Systems in Buildings - Guidelines for improvement based on lean principles”.
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2 Executive Summary

1. Technologiekonvergenz bei technischen Lösungen                      2. Mehrwerte für alle Stakeholder
   In der Regel ist modulares und serielles Bauen heute noch etwa         Die Integration von technischen Gewerken in die Vorferti-
   10-20 % teurer als mit konventionellen Methoden. Das Problem           gung hat eine Schlüsselfunktion beim Modularen Bauen. Mit
   liegt weniger bei den Gewerken des Hochbaus, die gegenwärtig           ca. 40 – 120 Tsd. Bauteilen gehört die TGA zum komplexesten
   im Fokus der Branche stehen, sondern bei Einzelgewerken der            Gewerk im Bauablauf. Modulare TGA-Verbundsysteme könn-
   technischen Gebäudeausrüstung und deren vergleichsweise                ten durch Vorfertigung multiple Mehrwerte entlang der kom-
   hohen Kostensteigerungen. Standardisierung wird zur tech-              pletten Wertschöpfungskette für alle involvierten Stakeholder
   nologischen Konvergenz von TGA-Verbundsystemen beitragen               auslösen, die Koordinationskosten auf der Baustelle deutlich
   und den überproportional hohen Kostensteigerungen entgegen-            senken, zur Verkürzung der Bauzeit und Erhöhung des Arbeits-
   wirken.                                                                schutzes beitragen.

3. Neue Kooperationsmodelle notwedig                                   4. Pilotprojekte im öffentlichen Bau
   Geltende Rahmenwerke (Bauverträge, Baupraktiken, Vergabe-              Um gewerkeübergreifende Planung und Ausführung von TGA-
   verfahren) streben eine klare Zuordnung von Haftungsrisiken an,        Verbundsystemen mithilfe der Methodik Building Information
   die eine gewerkeübergreifende und systemische Denkweise                Modeling (BIM) in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA)
   hemmen und die Zergliederung von Verantwortlichkeiten, Kom-            realisieren zu können, ist im Bereich der öffentlichen Vergabe
   petenzen und Disziplinen fördern. Aus der Fragmentierung               weniger das Vergaberecht als vielmehr die Vergabepraxis zu
   der Einzelprozesse und Zuständigkeiten wird eine Komplexität           adressieren. Hier müssen gezielt Impulse gesetzt werden, um ein
   reproduziert, die insbesondere die koordinierende Gesamt­              solches TGA-Verbundsystem markt­gängig zu machen.
   planung im Bauablauf überfordert.

5. Ende des Nischen-Daseins naht                                       6. Mit Partnerschaften zur besseren Lösung
   Auch wenn vereinzelte Hersteller und Zulieferer bereits erste          Die Automatisierung und Verlagerung von Produktionsabläufen
   Lösungen adressieren, befindet sich der Markt bei sogenann-            in vorgelagerte Fertigungsprozesse erfordert a priori erhebliche
   ten modularen TGA-Verbundsystemen noch in der Findungs-                Vorabinvestitionen. Innovationspartnerschaften zwischen
   phase. Im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung (TGA)              Anbietern könnten die Anlaufkosten für die Integration von TGA-
   scheuen viele Anbietern noch die Komplexität und folglich auch         Verbundsystemen deutlich senken. Dies könnte zu Kosten­
   eine gewerkeübergreifende Systembauweise, weswegen mo-                 vorteilen führen und ersehnte Skaleneffekte auslösen. Aktuell
   dulare TGA-Verbundsysteme zwar ein aufstrebendes – gegen-              führt die geringe Nachfrage zu einem „Henne- und Ei-Problem“ –
   wärtig jedoch noch ein Nischen-Dasein hegen.                           ohne Aufträge, keine Skaleneffekte und ohne Skaleneffekte
                                                                          keine geringeren Kosten.

7. Digitale Planung in Zukunft modular                                 8. Mit Modularisierung zur Komplexitätsreduktion
   Die Modularisierung digitaler Modelle erfolgt entweder „Ex-ante“,      Modularisierung folgt dem Prinzip der Vereinfachung durch
   d.h. ein modularer Aufbau wird per sé in der Planung berück-           Reduktion der Komplexität, indem die Anzahl der System-
   sichtigt, oder „Ex-post“, indem ein bestehendes digitales Modell       elemente, sowie Anzahl und Ausprägung der Beziehungen
   in entsprechende Teilmodule zerlegt wird, etwa in einem Bau-           zwischen diesen Elementen reduziert wird. Diese Modularität
   konzern nach Auftragseingang. Die Herausforderungen liegen             ermöglicht es Unternehmen Komplexitätskosten zu verringern und
   hierbei in der effizienten Fertigung von Individualbaugruppen,         Produktvariationen am Markt anzubieten.
   gewerkeübergreifenden Schnittstellen, sowie Planungs-
   und Errichtungsprozessen.
Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt - Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen beim Modularen Bauen - BIM Center Aachen
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3 Einleitung

In der Regel ist modulares und serielles Bauen
heute noch etwa 10-20 % teurer als mit konven­
tionellen Methoden. Das Problem liegt weniger bei
den Gewerken des Hochbaus, sondern bei Einzel­
gewerken der technischen Gebäudeausrüstung.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Arbeitskräfte- und Wohnungs-        technischen Gesamtsystems bis hin zur Einzelkomponente. Je
mangels, sowie eines Investitionsrückstands bei Kommunen14,           nach Projekttyp führt dieser Umstand bei der Realisierung von
rückt die modulare und serielle Bauproduktion stärker in den Fokus    Bauprojekten zu einem hohen Koordinationsaufwand der Einzel-
der Baubranche. Im Gegensatz zum konventionellen Bauen „Vor-          gewerke, woraus im Bauablauf Zeit- und Kostenüberschreitungen
Ort“, werden bei der modularen Bauweise Bauteile und Baugrup-         resultieren. Im Umdenken und Übertragung von modularen Pro-
pen in Fabriken vorfabriziert. Durch eine hohe Standardisierung auf   duktentstehungsansätzen auf das TGA-Gesamtsystem besteht
Bauteil- und Prozessebene soll das hohe Niveau von Baukosten          eine große Chance die Komplexität im Bauablauf zu reduzieren
gesenkt werden. Während einzelne Modellvorhaben für spezielle         und durch vereinheitlichte Plattformen und Architekturen die Her-
Gebäudetypen Kostensenkungen unter „Laborbedingungen“                 stellungskosten zu senken. Auch wenn vereinzelte Hersteller und
demonstrieren, ist in der Regel modulares und serielles Bauen heu-    Zulieferer bereits erste Lösungen adressieren, befindet sich der
te noch etwa 10-20 % teurer als mit konventionellen Methoden.15       Markt bei sogenannten modularen TGA-Verbundsystemen noch
Das Problem liegt weniger bei den Gewerken des Hochbaus, die          in der Findungsphase. Im Bereich der technischen Gebäude-
gegenwärtig im Fokus der Branche stehen, sondern bei Einzel-          ausrüstung (TGA) scheuen viele Anbietern noch die Komplexität
gewerken der technischen Gebäudeausrüstung und deren ver-             und folglich auch eine gewerkeübergreifende Systembauweise,
gleichsweise hohen Kostensteigerungen.16 Der technische Ausbau        weswegen modulare TGA-Verbundsysteme zwar ein aufstre-
macht je nach Projekttyp zwischen 20-50 % der Herstellkosten aus      bendes – gegenwärtig jedoch noch ein Nischen-Dasein hegen.
und ist durch stetig steigende technische Anforderungen mit einer     Die im Rahmen dieser Veröffentlichung vorgestellten Ergebnisse
hohen Komplexität verbunden. 17 Hemmnisse durch inhomogene            unterstreichen die Schlüsselfunktion von technischen Gewerken
gesetzliche Vorgaben aus unterschiedlichen Landesbauordnungen         bei der Umsetzung von seriellen Bauweisen und zeigen auf, wie
und etablierte Praktiken, wie Einzellosvergaben durch detaillierte    vorgefertigte TGA-Verbundsysteme einen Beitrag zum modularen
Leistungsverzeichnisse, hindern die Anwendung von Modulari-           Bauen leisten können.
sierungsansätzen und führen letztlich zu einer Zergliederung des

                                                                      14
                                                                           Elisabeth Krone, Dr. Henrik Scheller, Deutsches Institut für Urbanistik,
                                                                           “KfW-Kommunalpanel 2018”.
                                                                      15
                                                                           Fallstudienbasierte Schätzungen, BIM Center Aachen
                                                                      16
                                                                           Streit, “Immobilien: Die Krux vom modularen Bauen gegen die Wohnungsnot”.
                                                                      17
                                                                           Experteninterviews, BIM Center Aachen
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8

4 Status Quo des Modularen Bauens

       On-site
                 Planungsphase                                                     baubegleitende Planung

                                                                                        Baustellenlogistik

                                                       Gründung

                                                                                      Rohbau

                                                                                                            Hülle

                                                                                                                                  Innenausbau/TGA

       Off-site
                                                                 „Design Freeze“

                      Planungsphase

                                                           Gründung

                                                           Beschaffung

                Phasenüberschneidung von
                                                                              Vorfertigung
                Produktion und Gründung

                                                                                              Lieferung

                                                                                                 Montage
                                                                                                                                               Zeitersparnis

                                                                                                             Restleistungen

Abbildung 1: Vergleich der Vor-Ort- und Vorfertigung (Eigene Darstellung, angelehnt an Hartmann (2020), Nigel Fraser et. al. (2015) 18, 19 )

18
     Dip. -Ing. Andreas Hartmann, Philipp Galandi, “Die Aussagekraft des Vorfertigungsgrads”.
19
     Nigel Fraser et al., “An Offsite Guide for the Building and Engineering Services Sector”.
Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt - Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen beim Modularen Bauen - BIM Center Aachen
9

4.1 Modulares vs. konventionelles Bauen

Modulare Bauverfahren unterscheiden sich grundlegend von              ergeben sich Vorteile hinsichtlich Produktivität, Arbeitssicherheit,
Konventionellen hinsichtlich Lieferketten, Technologien und           Qualität, Reduktion der Bauabfälle und Nachhaltigkeit.21, 22
Bauprozessen. Grundsätzlich lassen sich Errichtungsme-
thoden nach der Montagereihenfolge vor Ort in drei Katego-
rien einteilen: modulare (Off-site), konventionelle (On-site) und     4.2 Markt und Wettbewerb23
hybride Bauverfahren (siehe Abbildung 1).
                                                                      Gemessen am Gesamtumsatz des Baugewerbes von 135,19 Mrd.
Bei der modularen Vorfertigung wird ein „Inside-Out“-Ansatz zum       Euro im Jahr 2019 spielt das Thema Modulares Bauen gegenwärtig
Bau von Baugruppen verwendet. Modulare Rahmen werden                  mit 2,75 Mrd. Euro und 2 % Marktanteil eine unter­ge­ordnete
als Ebenen konstruiert, als Boxen montiert und dann von innen         Rolle. Der Anteil von modularem bzw. seriellem Bauen wird nur
nach außen fertiggestellt. Zum Beispiel kann eine Sani­­tär­einheit   für die Errichtung von Gebäuden, also dem Hochbau erfasst,
einer Abfolge von Rahmen, Innenfläche, Elektrik, Sanitär, Mechanik,   weswegen der Fertigteilbau im Tiefbau in diesen Zahlenwer­
Isolierung, Außenverkleidung und Beschichtung folgen. Entschei-       ten unberücksichtigt bleibt. Gemessen am Gesamtumsatz im
dend hierbei ist, dass ein Planungsstand nach der Übergabe an         Hochbau beträgt der Marktanteil des Modulbaus bei ca. 5,68 %
die Vorfertigung hinsichtlich des technischen Entwurfs nicht mehr     und ist damit noch ein Nischenmarkt.24
abgeändert wird („Design-Freeze“). Die Moduleinheiten werden
unter optimierten Produktionsbedingungen in einer präzisen, res-      Dennoch spielt das Thema Modulares Bauen eine zunehmend
sourceneffizienten Fließfertigung computergestützt, teilautomati-     wichtige Rolle, was sich etwa am Wachstum des Umsatzes nach-
siert hergestellt, was Einschränkungen durch Witterung und Ver-       vollziehen lässt. Während der Gesamtumsatz des Baugewerbes
zögerungen durch vorangestellte Gewerke vermeidet. Durch die          im Vergleich zum Referenzjahr 2008 insgesamt um ca. 44 %
Phasenüberschreitung der Vorfertigung mit der Gründung kann           gewachsen ist, stieg der Umsatz im Modulbau um 112 % an. Die
der Realisierungs­­prozess beschleunigt werden. Traditionelle Bau-    steigende Relevanz des seriellen bzw. modularen Bauens spiegelt
verfahren arbeiten hingegen nach einem „Outside-In“-Ansatz. Im        sich auch in der Anzahl von Baufertigstellungen von Wohn- und
Zuge eines Bauzyklus arbeiten die Gewerke übereinander bzw.           Nichtwohngebäuden wider, die mit Fertigteilen errichtet worden
aufeinander aufbauend. Oftmals werden hybride Bauweisen an-           sind. Während im Jahr 2012 ca. 14 Tsd. Wohngebäude unter Ein-
gewandt, bei denen Abschnitte in traditionellen Bauverfahren vor      satz von Fertigteilen errichtet worden sind, waren es 2019 bereits
Ort errichtet werden, die aufgrund von programmatischen An-           19.000. Dies ist ein Anstieg von ca. 40 % und entspricht etwa
forderungen, wie bspw. großen Öffnungen und Spannweiten nur           einem Viertel aller fertiggestellten Wohngebäude. Bei Nichtwohn-
schwer in der Fabrik vormontiert werden können.20                     gebäuden werden sogar 40 % aller Gebäude unter dem Einsatz
                                                                      von Fertigbauelementen errichtet.
Insbesondere der steigende Grad der Haustechnik führt bei einer
konventionellen Realisierung, mit stark zergliederten Montage- und
Installationsprozessen, zu einer Überforderung der koordinierenden
Gesamtplanung. Infolgedessen entstehen nicht selten Zeit- und
Kostenüberschreitungen. Im Vergleich zu einer konventionellen
Montage werden potenzielle Konstruk­tionsprobleme auf der Bau-
stelle in die Entwicklung vorverlagert und damit vom eigentlichen     20
                                                                           Ryan E. Smith, “Off-Site and Modular Construction Explained |
„Ort des Problems“ entkoppelt. Durch eine Zusammenfassung                  WBDG - Whole Building Design Guide”.
                                                                      21
                                                                           Viana, Tommelein, and Formoso, “Using Modularity to Reduce Complexity
der technischen Gewerke in sogenannte modulare TGA-Verbund­
                                                                           of Industrialized Building Systems for Mass Customization”.
systeme (bspw. Heizzentrale, Lüftungszentrale, Technikschacht,        22
                                                                           Konsortiale Arbeitskreistreffen, Experteninterviews Industrie,
Medientrassen) können wesentlich kürzere Realisierungszeit­                BIM Center Aachen
                                                                      23
                                                                           Bisher werden Marktdaten zu modularen TGA-Verbundsystemen nicht
spannen erreicht werden. Durch vorgedachte Lösungen ver-
                                                                           erhoben, weswegen auf Daten des Statistischen Bundesamtes für modulares
schlankt sich der Entscheidungsfindungsprozess auf die beste-              Bauen zurückgegriffen wird.
henden Optionen bzw. daraus ableitende Anpassungen. Daraus            24
                                                                           Eigene Berechnungen, Statistisches Bundesamt, BIM Center Aachen
Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt - Schlüsselfunktion von TGA-Verbundsystemen beim Modularen Bauen - BIM Center Aachen
10

In der Regel ist Modulares Bauen heute dennoch 10 %-20 % teu-                         Auch wenn vereinzelte Hersteller und
rer als mit konventionellen Bauverfahren.25, 26 Problem sind nicht                    Zulieferer bereits erste Lösungen ad­
die Kosten für die Gebäudehülle und den Innenausbau, an denen
Modulares Bauen häufig ansetzt, sondern der steigende Grad der
                                                                                      ressieren, befindet sich der Markt bei
Haustechnik27, sowie deren handwerkliche und kostenintensive                          sogenannten modularen TGA-Ver­
Montage auf der Baustelle. Verglichen mit den durchschnittlichen                      bundsystemen noch in der Findungs­
Baukosten, sind die Kosten bei gebäudetechnischen Anlagen na-
hezu doppelt so stark gestiegen und weisen gegenwärtig nur einen
                                                                                      phase.
geringen Vorfertigungsgrad auf (siehe Abbildung 2). So sehen 91 %
aller befragten Planer einer Studie zum kostengünstigen Woh-
nungsbau den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen in der Ein-
beziehung von gebäudetech­nischen Anlagen in die Vorfertigung.28

                                                                                                                                              80%

                    Hohe Kostensteigerungen
                    bei gebäudetechnischen Anlagen                                                             gebäudetechnische Anlagen

     100%           < 80 % Kostensteigerungen
                    bei gebäudetechnischen Anlagen reduzieren die Wett-
                                                                                                                                             43%
                    bewerbsfähigkeit von Modulbauherstellern. Serielles Bauen
                    ist bis zu 20 % teurer als konventionelles Bauen.

                                                                                                               durchschnittliche Baukosten

                                                                                                                                              ")*#

      1994                        1998                          2003                              2008                       2013            2018

Abbildung 2: Baupreissteigerung getrennt für Gesamtkosten und technische Gewerke, eigene Berechnungen, BIM Center Aachen29

25
     Streit, “Immobilien: Die Krux vom modularen Bauen gegen die Wohnungsnot”.
26
     Fallstudienbasierte Schätzungen, Experteninterviews, BIM Center Aachen
27
     Dietmar Walberg, ARGE-SH Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen GmbH
28
     Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb, “Kostengünstiger Wohnungsbau: Identifikation
     bestehender Hemmnisse für den Einsatz von Raummodulen im Wohnungsbau”.
29
     Eigene Berechnungen, Statistisches Bundesamt, Baupreisindex, BIM Center Aachen
11

4.3 Zielgruppen und Interessen

Vereinfachend lässt sich die Gemengelage der Interessen in eine        Die Angebotsseite besteht gegenwärtig vor allem aus Unterneh-
Nachfrage- und Angebotsseite unterteilen. Entscheidend sind            men des Container- und Modulbaus, die sich auf die volumetrische
letztlich die Projektabwicklungsform und daraus resultierende Aus-     Vorfertigung von Gebäuden spezialisiert haben.
schreibungs- und Vergabestrukturen. Die Nachfrageseite strebt
in der Regel nach Kosten- und Zeitvorteilen, während die Ange-         Der Planer, als Bindeglied zwischen Nachfrage und Angebot, sieht
botsseite primär neue Märkte erschließen und sich rechtzeitig bei      durch Modularisierung seinen Anspruch und Stellenwert im Projekt
relevanten Marktrends positionieren möchte. Die Nachfrageseite         bedroht. Produkthersteller sehen Potential im After-Sales-Service,
lässt sich grob in öffentliche und private Auftraggeber unterteilen,   scheuen jedoch die Komplexitätskosten und folglich die gewer-
wobei öffentliche Auftraggeber durch das Vergaberecht eine Son-        keübergreifende Systemdenkweise. Auch Fragen zur Gewähr­
derstellung einnehmen (siehe Kapitel 6). Per Definition optimieren     leistung und Haftung sind dabei offen. Anlagenbauer neigen
Bauherren zunächst das „magische Dreieck“ aus Kosten, Qualität         durch Outsourcing des Handwerks zunehmend zu Modularisie-
und Zeit, ohne dabei explizit auf Modularisierung zu achten. Verein-   rung. Hersteller von modularen TGA-Verbundsystemen können für
zelt wurden unter Laborbedingungen in Demonstrationsprojekten          Generalunternehmen und Großhändler fertigen, aber auch direkt
und für spezifische Gebäudetypen wie bspw. Wohngebäude be-             mit dem Bauherrn über eine Einzellos-Vergabe Verträge abschlie-
reits Kostenneutralität bzw. marginale Kostenvorteile demonstriert,    ßen und somit selbst als Generalunternehmer auftreten.
in der Regel setzen Bauherren aber bisher primär auf Modulares
Bauen um Zeitvorteile bei der Errichtung zu realisieren.

4.4 Chancen und Hemmnisse für modulare
TGA-Verbundsysteme

Chancen:
n Mit je nach Projekttyp ca. 40 – 120 Tsd. Bauteilen gehört die        n Oftmals wird unter dem Begriff Modularisierung eine volum-
  TGA zum komplexesten Gewerk im Bauablauf. Modulare                     etrische, Container-basierte Umsetzung („Schachtelbau-
  TGA-Verbundsysteme könnten durch Vorfertigung die Koor­                weise“) verstanden. Modulare TGA-Verbundsysteme treffen
  dina­tionskosten auf der Baustelle deutlich senken, zur Ver-           hingegen auf eine hohe Akzeptanz und stehen nicht in Bezug
  kürzung der Bauzeit und Erhöhung des Arbeitsschutzes bei-              mit dem modularen Hochbau verbundnen Imageproblemen
  tragen.30                                                              („Platte 4.0“).

n Nachhaltigkeitsfonds im Immobilienbereich werden die klas-           n Innovationspartnerschaften zwischen Anbietern aus dem
  sische Bewertung nach dem magischen Dreieck um Nach­                   Hochbau und technischen Anlagen könnten die Anlaufkos-
  haltigkeitskriterien erweitern. Bei einer transparenten Dar­           ten für die Integration von TGA-Verbundsystemen deutlich
  legung von positiven Umweltauswirkungen bspw. über Krite-              senken. Dies könnte zu Kostenvorteilen führen und ersehnte
  rienkataloge von Nachhaltigkeitszertifikaten, werden Anreize           Skaleneffekte auslösen. Aktuell führt die geringe Nachfrage zu
  für TGA-Verbundsysteme und allgemein für Modulares Bauen               einem „Henne- und Ei-Problem“ – ohne Aufträge, keine Ska-
  steigen.                                                               leneffekte und ohne Skaleneffekte keine geringeren Kosten.

30
     Eigene Mengenermittlungen, BIM Center Aachen
12

Hemmnisse:
n Modulare TGA-Verbundsysteme setzen eine vereinheitlichte                n Die Umstellung vom Komponentenhersteller zum System­
  Planungsgrundlage voraus. In Deutschland haben 16 Bun-                    anbieter erfordert fortschrittliche Produktionsabläufe, die
  desländer jeweils unterschiedliche Bauordnungen mit eige-                 jedoch mit hohen Kosten verbunden sind. Diese Anlaufkos-
  nen Auflagen bspw. in Hinblick auf den Brandschutz und                    ten scheuen Produkthersteller gegenwärtig aufgrund der –
  die Abnahme technischer Anlagen. Zuletzt wurden Typen­                    trotz Pandemie – guten Konjunkturlage und somit geringem
  genehmigungen in die Musterbauordnung aufgenommen,                        Innovationsdruck.
  die allerdings noch nicht in alle Landesbauordnungen über-
  tragen worden sind.

n Der Einsatz von vorgefertigten TGA-Verbundsystemen kann                 n Geltende Rahmenwerke (Bauverträge, Baupraktiken, Ver-
  nicht ohne weiteres im Nachhinein erfolgen, sondern muss                  gabeverfahren) streben eine klare Zuordnung von Haftungs­
  bereits in den Ausschreibungsunterlagen berücksichtigt wer-               risiken an, die eine gewerkeübergreifende und systemische
  den. Gegenwärtig fehlen Vorlagen und Prozeduren für Aus-                  Denkweise hemmen und die Zergliederung von Verantwort-
  schreibungsunterlagen, Festlegung auf Systeme seitens der                 lichkeiten, Kompetenzen und Disziplinen fördern. Aus der
  Hersteller und damit auch Vergleichbarkeit und Kostentrans-               Fragmentierung der Einzelprozesse und Zuständigkeiten wird
  parenz im Markt. Auf der anderen Seite wird ein Baukonzern                eine Komplexität reproduziert, die insbesondere die koordi-
  nach der Auftragserteilung die Vorfertigung modularer Kom-                nierende Gesamtplanung überfordert.
  ponenten anstreben, um die eigene Wertschöpfung durch
  verbesserte interne Prozesse zu erhöhen.

4.5 Trends

n Im Klimaschutzbericht der Bundesregierung wird der Ge-                  n Die durchgängige Digitalisierung aller planungs- und realisie­
  bäudebereich als „essenziell“ betrachtet, um Deutschland                  rungsrelevanten Bauwerksinformationen als virtuelles Bau-
  bis 2050 klimaneutral zu machen. Bauen gilt als besonders                 werksmodell mittels Building Information Modeling (BIM)
  ressourcenintensiv und ist verantwortlich für ca. 30 % des                verändert bereits heute die Industrie. Gegenwärtig fokussie-
  globalen CO2-Austoßes. Modulares Bauen findet stationär                   ren sich die Entwicklungen auf die Dokumentation des Bau-
  statt, was auf vielen Ebenen die Optimierung der ökologi-                 prozesses durch die Anreicherung und Standardisierung von
  schen Qualität von Gebäuden zulässt. Zum Beispiel kön-                    architektonischen und technischen Gebäudemodellen. Der
  nen durch Prozessoptimierung und -harmonisierung in der                   Vorfertigungsprozess ist in der Bauindustrie nicht tief veran-
  Vorfertigung von Modulen alle Ressourcen – Material, Per-                 kert und die gängigen Datenschnittstellen sind auf diese Ent-
  sonal und Energie – optimal ausgeschöpft werden. Dies                     wicklung noch nicht ausreichend eingestellt. In der Zukunft
  reduziert den Ressourceneinsatz um ein Drittel und den Abfall             wird der modell- und datenbasierte Austausch von Informa-
  um bis zu 70 % gegenüber dem konventionellen Bauen.31, 32                 tionen zwischen Planungssoftware und Vorfertigungssoft-
                                                                            ware-Systemen (CAD, MES, PPS, ERP) verlustfrei verknüpft
                                                                            werden und neue Möglichkeiten zur Vorfertigung für die
                                                                            Industrie schaffen.

31
     Building and Construction Authority, “Design for Manufacturing and
     Assembly (DFMA)”.
32
     Ryan E. Smith, “Off-Site and Modular Construction Explained |
     WBDG - Whole Building Design Guide”.
13

n Nachdem Produkthersteller sich im Markt positionieren und          und zu erheblichen Produktivitätssteigerung führen werden.
  mit der Produktion von TGA-Verbundsystemen beginnen,               Dabei werden die Unternehmen vom technologischen Fort-
  werden die Unternehmen im ersten Schritt optimale Produk-          schritt aus der Automobilbranche profitieren und Möglich-
  tionsabläufe festlegen. Langfristig und bei einer positiven Ent-   keiten zur Verbesserung der Produktivität durch Anwendung
  wicklung des Marktes, werden diese jedoch Möglichkeiten            von Lean Production, Lagerhaltung, Techniken für die Rezy-
  der Automation in Erwägung ziehen, um ihre kompetitiven            klierbarkeit und moderne Transportsysteme nutzen. Durch
  Vorteile gegenüber dem Wettbewerb zu stärken. Dadurch              die Schaffung von herstellerspezifischen Bauteilbibliotheken
  werden erhebliche Vorabinvestitionen erforderlich, die übliche     und Konfiguratoren werden Produkthersteller TGA-Verbund­
  Prinzipien der Serienfertigung auf die Bauindustrie übertragen     systeme für alle am Baubeteiligte zugänglich machen.
14

5 Identifikation von Anwendungsfällen
für modulare TGA-Verbundsysteme

 Modulare Produktentstehungsansätze

 Konstruktion mit Modulen                                Modularisierung der Bauwerksplanung

 Baukastensysteme                                        Ex ante                                                 Ex post
 Bau mit Modulen                                         Entwurf von Modulen                                     Identifizierung von Modulen

 Entwurf eines Bauwerks mit existierenden                Entwurf von funktionalen Einheiten                       Gruppierung von existierenden Elementen
 Modulen nach einem Baukastenprinzip                     und Definition von gewerkeübergreifenden                 zu funktionalen Baugruppen
                                                         Schnittstellen

                                                                                                                                             Individualisierung
 Wiederholeffekte

Abbildung 3: Typologie von drei komplementären Modularisierungsansätzen. Eigene Darstellung, Einordnung nach Liang and Huang (2002)33

5.1 Als „Prinzip der Vereinfachung“ führt Modularität zur                             n Zerlegung eines Systems in diskrete funktionale Einheiten
Komplexitätsreduktion bei der Bauprojektrealisierung                                  n Sicherstellen, dass Module untereinander austauschbar sind
                                                                                        (Reduktion externer Schnittstellen)
Angesichts immer komplexerer Projekte ist die Beherrschung der                        n Zur Verfügung stellen von gut definierten Schnittstellen inner-
TGA-Gewerke im Bauablauf ein zunehmend kritischer Erfolgsfaktor.                        halb eines Moduls (Definition interner Schnittstellen)
Im Allgemeinen lässt sich die Komplexität eines Systems verringern,
indem die Anzahl der Systemelemente sowie Anzahl und Ausprä-                          Im Ergebnis entstehen auf diese Weise sogenannte Module, die
gung der Abhängigkeiten zwischen diesen Elementen reduziert                           voneinander relativ unabhängige Einheiten darstellen und zugleich
werden. Dieses als Modularität bezeichnete Konzept ermöglicht                         ausgeprägte Beziehungen zwischen den Subelementen enthalten.
Unternehmen sogenannte Komplexitätskosten zu verringern und                           Marktanforderungen definieren dabei die „optimalen“ Eigenschaf-
gleichzeitig gewünschte Produktvariationen am Markt anzubieten.                       ten des „Produktes“.34
Im Grunde genommen handelt es sich bei Modularität um das
„Prinzip der Vereinfachung“, bestehend aus drei sich rekursiv wie-
derholenden Schritten:

                                                                                      33
                                                                                           Liang and Huang, “The agent-based collaboration information system
                                                                                           of product development”.
                                                                                      34
                                                                                           Amanda Eager et al., “Modular Design Playbook”.
15

5.2 Typologie von drei komplementären              Modularisierungstreiber genannt und kön-       Gegenwärtig fehlen auf
Modularisierungsansätzen                           nen finanzielle, marktspezifische, prozess-    der Anbieterseite eine
                                                   und produktspezifische Dimensionen ein-
Ansätze zu modularen Produktentstehung             nehmen. Mögliche Treiber sind bspw. die
                                                                                                  technologische Kon­
können in drei verschiedene und potenziell         Reduzierung der Durchlauf- oder Entwick-       vergenz bei Lösungen
komplementäre Aktivitäten unterteilt wer-          lungszeit, Standardisierung der Montage,       von modularen TGA-
den: Konstruktion mit Modulen, Entwurf             Vereinfachung des Änderungsmanage-
von Modulen und Identifizierung von Mo-            ments, Flexibilisierung der Einbringung,
                                                                                                  Verbundsystemen und
dulen (siehe Abbildung 3).35                       Steigerung der Nachhaltigkeit oder Re-         auf der Nachfrageseite
                                                   duzierung der Logistikkosten. Unter der        Konsens und Akzeptanz
Baukastensysteme:                                  Verwendung einer Modulindikationsmatrix
                                                                                                  hinsichtlich der Vorteile
Konstruktion mit Modulen                           (MIM) können funktionale Einheiten und
Die Konstruktion mit Modulen umfasst die           Modularisierungstreiber gegenübergestellt      und Potenziale der Mo­
Errichtung eines Bauwerks mit bestehen-            und zur Unterstützung eines modularen          dularisierung.
den und vordefinierten Modulen und Fer-            Entwurfs genutzt werden (siehe Abschnitt
tigteilen, die intern oder von Lieferanten         5.3). Ein typisches Beispiel für den Ent-
bezogen werden können. Der Entwurf des             wurf von Modulen in der Planungsphase
Bauwerks erfolgt also mit bereits existie­         ist die abschnittweise Zusammenfassung         ten gruppiert und Schnittstellen zwischen
renden Modulen, die in einem Baukasten-            und Modularisierung der vertikalen und ho-     diesen reduziert werden. Allgemein können
system zusammengefasst sind. Ein typi-             rizontalen Medienverteilung im Gebäude.        Abhängigkeiten und Ähnlichkeiten als zwei
sches Beispiel dafür ist der industrialisierte     Da Fachmodelle in der Regel ohne eine ent-     generische Eigenschaften angesehen wer-
Wohnungsbau, bei dem durch Standar-                sprechende Funktionalität (Festpunkt, Deh-     den, nach denen Module gruppiert bzw.
disierung und Fertigteile kostengünstiger          nungsausgleich, Halterungen) modelliert        getrennt werden können. Je nach verfolgter
und schneller Wohnraum errichtet wird. Ein         werden, ist ein planungsbegleitender Mo-       Zielstellung im Modularisierungsprozess,
weiteres Beispiel bilden vorgefertigte Tech-       dularisierungsansatz notwendig, um eine        können diese generischen Eigenschaften
nik- und Heizungzentralen, die als Contai-         industrielle Vormontage zu ermöglichen.        in spezifischere Indikatoren übersetzt bzw.
ner mit bereits vorinstallierter Technik ins                                                      instanziiert werden. Diese Indikatoren wer-
Bauwerk eingebracht werden können.                 Ex-post Modularisierung:                       den Modularitätsmetriken genannt und
                                                   Identifizierung von Modulen                    können weiter in Ähnlichkeits- und Abhän-
Ex-ante Modularisierung:                           Mit dem Ex-post Modularisierungsansatz         gigkeitsmetriken unterteilt werden. Eine Ab-
Entwurf von Modulen                                sollen in der bereits fortgeschrittenen Pla-   hängikeitsmetrik kann bpsw. der Aufwand
Beim Ansatz der Ex-ante Modularisierung            nung Module über computergestützte Ver-        zur Zerlegung zweier zusammenhängen-
werden zu Beginn der Planung Anforde-              fahren identifiziert und zusammengefasst       der Teile oder deren Positionierung sein.
rungen und Zielsetzungen definiert, um in          werden. Aus einem Bauwerksinformati-           Eine Ähnlichkeitsmetrik wiederum kann ein
der initialen Phase des Bauwerksentwurfs           onsmodell wird mithilfe von vordefinierten     in der Montageprozesskette verwendetes
die Architektur in funktionale Abschnitte          Zielfunktionen und Kriterienkatalogen eine     Handhabungswerkzeug oder die erwartete
ein­zuteilen und in einzelne Module zu zerle-      optimale Aufteilung zwischen Modulen und       technische und wertmäßige Lebensdauer
gen. Entscheidend ist dabei, dass Modula-          Funktionsträgern berechnet. Bauwerksin-        von Bauteilen sein.
risierung nicht zum Selbstzweck eingesetzt         formationsmodelle haben eine inhärente
wird, sondern strategischen Zielsetzun-            Netzwerktopologie, aus der sich implizite
gen unterliegt und zweckdienlich zum Ein-          Eigenschaften ableiten lassen. So können
satz kommt. Solche Zielstellungen werden           Funktionsträger mit ähnlichen Eigenschaf-

35
   Liang and Huang, “The agent-based collabora-
tion information system of product development”.
16

5.3 Anwendungsfälle für die Vorfertigung von                                        Systemspezifikationen. Diese Diskrepanz spiegelt sich auch in
modularen TGA-Verbundsystemen                                                       einer fehlenden Konfigurierbarkeit und Vergleichbarkeit von Sys-
                                                                                    temen wider. In diesem Zusammenhang werden in der Tabelle 1
Durch eine Funktionsintegration und Vorverlagerung von Montage-                     funktionale TGA-Zonen Modularisierungstreibern auf Produkt- und
und Installationsprozessen können modulare TGA-Verbundsys-                          Prozessebene gegenübergestellt und hinsichtlich deren Ausprä-
teme die Endmontage beschleunigen und die Bauzeit verkürzen                         gung qualitativ eingeordnet. Auf diese Weise kann vereinfachend
(siehe Abbildung 4). Gegenwärtig fehlt jedoch eine technologische                   ein Modularisierungspotential für die jeweilige funktionale TGA-
Konvergenz zwischen technischen Lösungen und marktseitigen                          Zonen angezeigt werden.

                                                                                                                              Funktionsumfang

      Komponente, Bauteil                    Nicht-volumetrische Vorfertigung                                      Volumetrische Vorfertigung

        Plug & Play Kabel                     Vorgefertigtes horiz. Modul           Horiz. Modul mit Decke          Vorgefertigte Energiezentrale

        Flexible Sprinkler                    Vorgefertigtes verti. Modul           Horiz. Modul mit Brandschutz    Vorgefertigter Technikraum

                     30%                                    45%                                      60%                        70%

                                                                                                             Einsparung von Arbeitskraftkosten

Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Funktionsintegration und Einsparungen von On-site-Arbeitskosten
Eigene Darstellung, in Anlehnung an Building and Construction Authority36

36
     Construction Authority, “Design for Manufacturing and Assembly (DFMA)”.
17

Direkter Einfluss
                                                                                                                                                    Modularisierungstreiber
 Hoch
 Gering

                                                                                                                                                                                 Individualisierungsgrad
                                                                                                                                                       Schnittstellenreduktion

                                                                                                                                                                                                             Einbringungsflexibilität
 kein

                                                                                                                                Wiederholfaktoren

                                                                                                                                                                                                                                                            Modularisierungs-
                                                                                                         Transportfähigkeit

                                                                                                                                                                                                                                        Vorfertigungsgrad
 Potential zur Modularisierung

                                                                                                                                                                                                                                                            potential
     Funktonale TGA-Zonen                     Baugruppe                                                                       Prozess                                                                      Produkt

     Erschließung/ Versorgung                 Gasanschluss

                                              Fernwärmeleitungen/-anschluss

                                              Wasserversorgung/-anschluss

                                              Abwasserleitungen/-anschluss

                                              Stromleitungen/-anschluss

     Wandlung                                 Energiezentrale

                                              Heizzentrale

                                              Lüftungszentrale

     Transport                                Technikschacht

                                              Medientrassen

     Übergabe                                 Versorgungspanel

                                              Wärmeübergabesysteme

                                              Sanitärgegenstände

                                              Nasszellen (Sanitärräume)

                                              Raumzellen (Büro, Schule)

                                              Laboreinheiten

                                              ICT-Infrastruktur (Data-Center)

     Nachhaltige                              Solarthermie
     Energieerzeugung
                                              Photovoltaik

                                              Geothermie

Tabelle 1: Identifikation von modularen TGA-Verbundsystemen, Einordnung von TGA-Zonen nach Lechner et. al. (2018)37, Modularisierungstreiber nach Viana, Tommelein and
Formoso (2017)38 und Bonvoisin et al. (2016)39, Qualitative Einordnung Experteninterviews, Konsortium BIM Center Aachen

37
   Lechner and Winter, “Bauen mit WEITBLICK”.
38
   Viana, Tommelein, and Formoso, “Using Modularity to Reduce Complexity of Industrialized Building Systems for Mass Customization”.
39
   Bonvoisin et al., “A systematic literature review on modular product design”.
18

Prozesstechnische Eigenschaften von Systemen, die dazu                5.4 Einordnung von modularen TGA-Verbundsystemen
beitragen den Bauablauf zu beschleunigen sind Transportfähigkeit,     nach Fertigungsprinzipien
Wiederholbarkeit und Toleranzflexibilität. Transportfähigkeit kann
beim technischen Entwurf berücksichtigt werden, indem Lademaße        Beim modularen Bauen besteht ein Spannungsfeld zwischen in-
und Gewichte eine vereinfachte Transportierbarkeit zur und auf der    dividuellen, projektspezifischen Kundenanforderungen und der
Baustelle ermöglichen. Die Parallelisierung von Montageprozessen      Integration dieser in den technischen Entwurf. Projektspezifische
entsteht durch Wiederholfaktoren, bspw. durch eine Rasterfest-        Anforderungen lassen sich durch den Hersteller nur teilweise in
legung. Eine im Entwurf berücksichtigte Einbringungsflexibilität      der modularen Produktarchitektur antizipieren oder durch Varian-
ermöglicht bei der Montage flexibel auf Toleranzen am Rohbau zu       ten abdecken. Spät an den Anbieter übermittele Anforderungen,
reagieren, z.B. durch Verstellbarkeit von Aufhängungen bei einem      haben lange Liefer- und Durchlaufzeiten oder gar die Rückverla-
Trassenmodul, um Unebenheiten der Decke zu kompensieren.              gerung von Produktionsschritten auf die Baustelle zur Folge (sie-
                                                                      he Abbildung 5).
Produkttechnische Eigenschaften wie Schnittstellenreduktion,
Individualisierungsgrad und Vorfertigungsgrad können ebenfalls zur    Allgemein lassen sich Fertigungsprozesse nach dem Zeitpunkt der
Adaption von Lösungen beitragen. In der Reduktion von Schnitt-        Kundeneinbindung klassifizieren (Entkopplungspunkt) und vier ver-
stellen liegt ein großes Einsparpotential sowohl in der Planung als   schiedenen Fertigungsprinzipien zuordnen. Vorfertigung von Bau-
auch im Bauablauf. Schnittstellen können durch gewerkeübergrei-       gruppen findet jeweils im Rahmen von Assemble-to-Order (A-t-O),
fende Funktionsintegration bspw. durch bereits angelegte Kabel-       Make-to-Order (M-t-O) und Engineer-to-Order (E-t-O) Prozessen
bäume oder integrierte Befestigungstechnik reduziert werden. Die      statt.40 Die Bandbreite des Modularen Bauens klammert die Mas-
Konfigurierbarkeit von Lösungen mit einer hohen Variantenvielfalt     senfertigung von Einzelteilen, Unterbaugruppen und Komponenten
ermöglicht es systematisch einen hohen Individualisierungsgrad zu     aus. Tabelle 2 grenzt diese weiter nach Kundeneinbindung, Art der
erreichen. Ein hoher Vorfertigungsgrad von Lösungen geht mit der      Produktion und Produktionstyp voneinander ab.
Vorverlagerung von einzelnen Montage- und Installationsprozessen
einher, die zur Koordinationsreduktion auf der Baustelle beitragen.
Auf Grundlage der vorgestellten Indikatoren haben Baugruppen,
die den funktionalen TGA-Zonen Technikraum, vertikale und ho-
rizontale Verteilungen und Verteilung innerhalb des Bauwerks, zu-
geordnet sind, ein hohes Potential zur Modularisierung.

                                                                      Abbildung 5: Vorgefertigte Rohrelemente
40
     Barg, “Kontextbezogene Auslegung von Produktbaukästen”.
19

                                                                                                            Komplexe Verbundsysteme
                                                                                        ETO                 Technikräume, Lüftungszentralen, …

                                          Range of off-site
                                          construction
                                                                                       Volumetrische Vormontage
                                                                  MTO
Grad der Individualität

                                                                                       Nasszelle, Duschraum, …

                                                                                                                                                           Variantenvielfalt
                                                                 Nicht-Volumetrische Vormontage
                                            ATO                  Medientrassen, Schächte, …
                                                                                                                                               niedrig                         hoch

                                                                                                                                                            Herstellkosten
                                                                                                                                               niedrig                         hoch
                                                                                                                                                          Funktionsumfang
                                                Einzelteile, Unterbaugruppen, Komponenten                                                      niedrig                         hoch
                              MTS               Fittings, Ventile, …                                                                                      Vorfertigungsgrad
                                                                                                                                               niedrig                         hoch

                                                                                       Liefer- und Durchlaufzeit

      Abbildung 6: Fertigungsprinzipien des modularen Bauens, Eigene Darstellung
      Einordnung der TGA-Baugruppen, Eigene Einordnung, angelehnt an Peltokorpi et al. (2018)41
      Bandbreite der Vorfertigung nach Ryan E. Smith (2016)42
      Klassifikation Wertschöpfungsprozesses nach Wortmann (1983)43
      Eigene Einordnung Variantenvielfalt, Herstellkosten, Funktionsumfang Vorfertigungsgrad, BIM Center Aachen
      Legende: Make-to-Stock (M-t-S), Assemble-to-Order (A-t-O), Make-to-Order (M-t-O) und Engineer-to-Order (E-t-O)

      41
                          Peltokorpi et al., “Categorizing modularization strategies to achieve various objectives of building investments”.
      42
                          Ryan E. Smith, “Off-Site and Modular Construction Explained | WBDG - Whole Building Design Guide”.
      43
                          Wortmann, “A Classification Scheme for Master Production Scheduling” Wortmann, “A Classification Scheme for Master Production Scheduling”.
20

     Fertigungsprinzip                      Kundeneinbindung                          Art der Produktion    Produktionstyp

     Engineer-to-Order (ETO)                Technischer Entwurf                       Auftragsgetrieben     Einzelfertigung

     Beispiele: Energiezentrale
     n Stark individualisierte Produkte, die noch im Details entworfen und entwickelt werden müssen
     n Das System wird als Unikat speziell für die Anforderungen des Kunden hergestellt
     n Komplexes Endprodukt -> stetige Kommunikation mit dem Auftraggeber über alle Entwicklungs- und Herstellungsphasen
        hinweg, um Anforderungen und Spezifikationen abzusprechen

                                                                                                            Auftragsfertigung /
     Make-to-Order (MTO)                    Vorfertigung                              Auftragsgetrieben
                                                                                                            Serienfertigung

     Beispiel: Nasszelle
     n Standardisiertes Produktdesign, dessen finale Herstellung spezifisch auf die Kundenwünsche angepasst wird
     n Einige der benötigten Bestandteile sind auf Lager, während individuelle Komponenten separat hergestellt werden

                                                                                                            Variantenfertigung /
     Assemble-to-Order (ATO)                Vormontage                                Auftragsgetrieben
                                                                                                            Serienfertigung

     Beispiele: Medientrasse
     n Eine große Anzahl von Baugruppen kann durch standardisierte Komponenten hergestellt werden
     n Schlüsselkomponenten werden geplant und je nach antizipierten Bestellungen vorproduziert und gelagert
     n Bei eingehender Bestellung wird die Trasse nach Projektanforderungen hergestellt

     Make-to-Stock (MTS)                    Lieferung                                 Vorhersagegetrieben   Massenfertigung

     Beispiel: Gasanschluss
     n Das Produkt wird auf Grundlage von Marktstudien und Nachfragevorhersagen entworfen, hergestellt und verkauft
     n Hergestellt aus Warenbestand

Tabelle 2: Einordnung der Fertigungsprinzipien in Anlehnung an CODP-Modell von Wortmann (1983)44

44
     Wortmann, “A Classification Scheme for Master Production S
21

Die Vorfertigung von Baugruppen ist im Gegensatz zur Massen-                5.5 Mehrwerte entlang der Wertschöpfungskette Bauen
fertigung auftrags- und nicht vorhersagegetrieben. Entscheidend
ist hierbei, dass mit steigendem Bedarf nach Individualisierung,            Zu Vorteilen des Modularen Bauens wurden und werden viele
der Anbieter zur Fertigungsplanung entsprechend früh in den Pla-            Untersuchungen durchgeführt. Im Vergleich zu traditionellen Bau-
nungsprozess eingebunden werden muss. Andernfalls können die                verfahren ergeben sich als Vorteile kürzere Bauzeitenpläne, größere
projektspezifischen Anforderungen nur spät an die Fertigung über-           Vorhersagbarkeit der Kosten, weniger Materialabfall, geringere
geben werden, woraus längere Liefer- und Durchlaufzeiten resultie-          Beeinträchtigung der Umgebung und eine höhere Sicherheit der
ren. Im Resultat können Verzögerung auf der Baustelle ausgelöst             Arbeiter. In der folgenden Darstellung werden Mehrwerte in die
werden und positive Effekte der Vorfertigung zunichtemachen.                entsprechenden Phasen der Wertschöpfungskette eingeordnet
                                                                            und hinsichtlich ihres Einflusses auf Akteure (Bauherr, Planer, Bau-
                                                                            unternehmen und Hersteller) und Ziele (Kosten, Qualität, Zeit und
                                                                            Umwelt) kategorisiert (Tabelle 3).

Die Abkürzungen folgen hierbei folgender Nomenklatur:                                                                      Direkter Einfluss
K – Kosten, Q – Qualität, Z – Zeit, EI – Umwelt/Environmental Impact,
BH – Bauherr, PL – Planer inkl. Projektsteuerer, BU – Bauunternehmen,
                                                                                                                            Hoch
HS – Hersteller                                                                                                             Gering

  Mehrwerte                                Beschreibung                                               Bewertung

  Planungsphase

  Wiederverwendbarkeit                     Die Bauindustrie ist zwar noch nicht darauf eingestellt,   Ziele
  von Entwürfen                            mit modularen Entwürfen zu arbeiten, langfristig wird
                                           jedoch die Wiederverwendung von modularen Bau-                K         Q          Z          EI
                                           gruppen in verschiedenen Projekten zu Einsparungen
                                           bei der Planung führen. In der Zukunft werden Bau­
                                           gruppenkataloge bzw. Konfigurationslösungen dabei
                                                                                                      Baubeteiligte Akteure
                                           helfen.
                                                                                                        BH         PL         BU        HS

  Beschaffung

  Vereinfachtes                            Aus anderen Industrien ist bekannt, dass eine verstärk-    Ziele
  Zulieferermanagement                     te Modularisierung zur Intensivierung der Lieferanten-
                                           beziehungen führt. Höhere Volumina ermöglichen die            K         Q          Z          EI
                                           Entwicklung strategischer Lieferantenbeziehungen,
                                           die zu Vereinfachungen, wie bspw. verlängerten Zah-
                                           lungsfristen, höheren Handelskrediten und besseren
                                                                                                      Baubeteiligte Akteure
                                           Preisen niederschlagen, die letztlich Kostenvorteile
                                           ergeben, die im Wettbewerb an den Markt weiter­              BH         PL         BU        HS
                                           gegeben werden können.
22

 Intensivierung des           Die Entwicklung von modularen Einheiten setzt hö-          Ziele
 Zulieferer-Hersteller-       here Anforderungen an Zulieferer und Hersteller, die
 Verhältnisses                bei einer Vielzahl von Projekten/Produkten/Systemen          K       Q        Z    EI
                              zusammenarbeiten. Durch die engere Einbindung von
                              Zulieferern, können neue, tiefere technische Fähigkeiten
                              erlernt werden und Wettbewerbsvorteile entstehen.
                                                                                         Baubeteiligte Akteure

                                                                                          BH       PL       BU   HS

 Schnellere Markteinführung   Modulare Systeme verkürzen die Lieferzeit, die be­nötigt   Ziele
                              wird, um eine Baugruppe an die individuellen Anfor-
                              derungen des Projektes anzupassen, da auf bereits            K       Q        Z    EI
                              entwickelte Elemente und Fertigungsabläufe zurück-
                              gegriffen werden kann.
                                                                                         Baubeteiligte Akteure

                                                                                          BH       PL       BU   HS

 Vorfertigung

 Geringere Kosten             Höhere Standardisierung führt zu einer Verringerung        Ziele
 für Lagerhaltung             der Anzahl von Einzelteilen, die für die Konstruktion
                              benötigt werden und reduziert auch den Bestand an            K       Q        Z    EI
                              benötigten Ersatzteilen. Die Konsolidierung von ein­
                              gekauften Komponenten führt auch zu einer einfa-
                              cheren Lagerhaltung und Bestandsverwaltung, da es
                                                                                         Baubeteiligte Akteure
                              weniger Produktkategorien zu verwalten gibt.
                                                                                          BH       PL       BU   HS

 Diversifikation des          Obwohl die Anzahl der einzelnen Komponenten in einer       Ziele
 Produktportfolios            Baugruppe durch die modulare Bauweise typischer-
                              weise abnimmt, erhöht sich die Anzahl der möglichen          K       Q        Z    EI
                              Produktvariationen, wodurch ein vielfältigeres Produkt-
                              portfolio entstehen kann.
                                                                                         Baubeteiligte Akteure

                                                                                          BH       PL       BU   HS
23

Reduktion von                Ein höheres Volumen von mehr standardisierten Mo­         Ziele
Komplexitäts- und            dulen führt zu einer Reduzierung der Umrüstkosten
Umrüstungskosten             und der Anzahl der für die Produktion benötigten Werk-      K       Q        Z    EI
                             zeuge.

                                                                                       Baubeteiligte Akteure

                                                                                        BH       PL       BU   HS

Errichtung

Reduktion der                Die modulare Bauweise hat bereits bewiesen, dass          Ziele
Gemeinkosten der             sie die Projektlaufzeiten verkürzt, was wiederum die
Baustelle                    Baustellengemeinkosten (z. B. Sicherheit und Ma-            K       Q        Z    EI
                             nagement witterungsbedingter Probleme) und das
                             Baumana­gement niedrig hält.
                                                                                       Baubeteiligte Akteure

                                                                                        BH       PL       BU   HS

Reduktion der Bauzeit        Je nach Projekttyp ermöglicht die Installation von vor-   Ziele
                             gefertigten TGA-Verbundsystemen auf der Baustelle
                             erhebliche Personal- und Zeiteinsparungen von bis           K       Q        Z    EI
                             zu 60 %. Die traditionellen Bauabläufe werden durch
                             einen modularen Ansatz vereinfacht und beschränken
                             sich im Wesentlichen auf die Montage von Baugrup-
                                                                                       Baubeteiligte Akteure
                             pen und den Anschluss der Versorgungsleitungen an
                             die Hauptanschlüsse.                                       BH       PL       BU   HS

Höhere Flexibilität und      Die Produktion der vorgefertigten TGA-Baugruppen/-        Ziele
Agilität auf der Baustelle   Verbundsysteme erfolgt gleichzeitig mit anderen Aktivi-
                             täten auf der Baustelle, was zu zusätzlicher Reduktion      K       Q        Z    EI
                             der Bauzeit führt.

                                                                                       Baubeteiligte Akteure

                                                                                        BH       PL       BU   HS
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