Auf Kurs - DFS Deutsche Flugsicherung ...
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Ausgabe 2 – 2019 „Mit Zusatzschichten haben wir viel Kapazität gewonnen“ Bereichsleiter Dirk Mahns im Interview. Wir packen es an Das Center Karlsruhe. We love flying DFS-Mitarbeiter und ihre Leidenschaft fürs Fliegen. Auf Kurs Die DFS konnte die Verspätungssituation im Flugverkehr verbessern. Das ist ein erster Erfolg, doch das Thema Kapazität bleibt dringlich. Die Belegschaft setzt sich engagiert ein – mit Leidenschaft für die Luftfahrt.
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Anfang des Jahres 2019 stand die DFS vor einer Viele Beschäftigte der DFS sind dem Fliegen nicht nur riesigen Herausforderung: Es drohte ein weiterer beruflich verbunden, sondern hegen auch eine private Sommer der Verspätungen im Luftverkehr. Manche Leidenschaft für die Fliegerei. Die transmission- Prognosen deuteten darauf hin, dass es mehr Delays Redaktion hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben würde als im Jahr 2018. Doch schließlich gebeten, Fotos ihrer schönsten Flugerlebnisse haben sich die Anstrengungen aller Beteiligten am einzusenden. Viele sind dieser Aufforderung nach- Flug verkehr ausgezahlt, die sich in Hamburg am gekommen, manche von ihnen sind selbst Piloten, 28. Oktober 2018 und am 5. März 2019 mit der Politik andere machten die Bilder aus der Kabine eines getroffen und 24 Maßnahmen vereinbart haben. Passagierflugzeugs. Die Motive sind ein Beleg dafür, dass Fliegen nichts von seiner Faszination verloren Die DFS selbst hat mehr als siebzig Einzelmaßnahmen hat. Eine Auswahl der Bilder ist in dieser Ausgabe ergriffen, um die Verspätungssituation zu verbessern. zu sehen. So wurde beispielsweise Flugverkehr vom oberen in den unteren Luftraum verlagert, um besonders Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen belastete Lufträume zu entlasten. Ein Kapazitäts- und Zukunftspakt, den das Unternehmen mit dem Tarifpartner geschlossen hat, machte unter anderem Zusatzschichten der Fluglotsen möglich. Die Beleg- schaft hat sich engagiert dafür eingesetzt, den hohen Verkehrszahlen Herr zu werden. Das ist ein erster Erfolg, auf den wir stolz sein können. Das Thema Kapazität bleibt jedoch dringlich, wie wir in dieser Ausgabe des DFS-Magazins zeigen. Vor der DFS liegen weitere schwierige Jahre, denn der Personalengpass wird noch andauern – trotz eines in diesem Jahr nachlassenden Wachstums im deut- schen Luftraum. Wir werden deshalb bis auf Weiteres verstärkt operatives Personal nachführen. Außerdem modernisieren wir die Infrastruktur und entwickeln die Flugsicherungssysteme weiter. Unsere vermehrten Anstrengungen auf diesem Feld richten sich zum Beispiel darauf, die Einführung des Flugsicherungs systems iCAS II im unteren Luftraum zeitgerecht zu realisieren – wobei dies für die Bereitstellung von Kapa- zität auch eine kurzfristige Verknappung bedeutet, da Lotsen zur Schulung ausgeplant werden müssen. Wir sind gut aufgestellt, all diese Herausforderungen zu meistern. Dabei hilft uns auch der schon sichtbare Prof. Klaus-Dieter Scheurle Erfolg in diesem Jahr, der uns zeigt, dass wir uns auf Vorsitzender der DFS-Geschäftsführung dem richtigen Weg befinden. Uns wird auch helfen, die Freude an unserer Arbeit zu bewahren. 2 transmission 2 – 2019
Inhalt Kapazität 4 „Mit Zusatzschichten haben wir viel Kapazität gewonnen“ Interview mit Bereichsleiter Dirk Mahns. 8 Kampf um jede Sekunde Grafik zur Verspätungssituation. „Mit Zusatzschichten haben wir viel Kapazität gewonnen“ S.4 Aus dem Betrieb 10 Sicher dank SIS Der Bereich Systeme und Infrastrukturdienste. 12 Der tollste Job der Welt Am Tower Frankfurt herrscht nie Stillstand. 14 Wir packen es an Das Center Karlsruhe. 16 Eine Rechnung mit vielen Wir packen es an Unbekannten Steigende Verkehrszahlen im Center Langen. S.14 Kollegium 18 We love flying DFS-Mitarbeiter und ihre Leidenschaft fürs Fliegen. Neuigkeiten 24 News We love flying S.18 transmission 2 – 2019 3
Kapazität „Mit Zusatzschichten haben wir viel Kapazität gewonnen“ Im Kampf gegen Verspätungen hat die DFS viel getan. Dirk Mahns, Leiter des Bereichs Center, spricht im transmission-Interview über die neue Flexibilität und den Vorteil, bei großen Veränderungen erst einmal klein anzufangen. 4 transmission 2 – 2019
2018 war im europäischen Luftverkehr ein wir in diesem Jahr auf mehr als fünfein- und Verspätungen. Wenn man jenseits Jahr der Verspätungen – nicht nur, aber halb Minuten flugsicherungsbedingte der Regelkapazität arbeitet, kann man auch durch Personalknappheit der DFS Verspätung pro Flug gekommen – das ist als Faustformel sagen: Zehn Prozent bedingt. Wie sieht es 2019 aus? eine absolute Horrorzahl. Mit der eNM/ mehr Verkehr bedeuten circa 100 bis S19-Initiative errechnet Eurocontrol für 200 Prozent mehr Verspätungen. Das DIRK MAHNS: Die Lage hat sich 2019 zweieinhalb Minuten – das wäre gilt auch umgekehrt, wenn der Verkehr stark verbessert. Seit Mitte Juni sind immer noch deutlich mehr gewesen als zurückgeht. Aber das allein kann den wir jede Woche pünktlicher als in der die 1,64 Minuten aus dem vergangenen Rückgang nicht erklären. Im Grunde hat Vergleichswoche des Vorjahres, um bis Jahr, und die waren schon schlimm. Mit die Kombination mehrerer Dinge gewirkt, zu 40 Prozent in einzelnen Wochen. Für der seit Jahresmitte erkennbaren Trend- weniger Verkehr plus Maßnahmen plus die Kunden ist das sensationell. Und für wende erwarte ich für 2019 ein besseres Zusatzschichten plus Rückverlagerung die DFS ist es ein toller Erfolg, denn der Ergebnis. An der Verspätungskurve sieht von Verkehrsströmen. Druck war ja immens: Wir standen sehr man, dass vor allem die Zusatzschichten in der Kritik, ständig gab es Rückfragen eine deutliche Verbesserung gebracht Grund, sich jetzt zufrieden zurückzulehnen, der Airlines. Nun ist die Verspätungskurve haben. Im Juni gab es einen deutlichen ist das aber nicht … deutlich abgeflacht. Vor allem, weil wir es Knick. geschafft haben, im Sommer deutlich MAHNS: Nein, man muss deutlich weniger Verspätungen zu machen. Seit Juni ist allerdings auch das Verkehrs- sagen: Die DFS und somit der Bereich wachstum rückläufig. Inwieweit hat das Center haben andere Ambitionen, die wir Die DFS hat verschiedene Maßnahmen zur Entlastung beigetragen? wieder schnellstmöglich erreichen wollen. umgesetzt – von der Verlagerung von Unser Ziel sind ja nicht 1,2 Minuten, Flügen vom oberen in den unteren MAHNS: Zunächst einmal muss man sondern 0,3 bis 0,4 Minuten Verspä- Luftraum bis zu incentivierten Zusatz- erkennen, dass sich zwar das Wachstum tung pro Flug. Da möchte ich wieder schichten. Was davon hat gewirkt? deutlich abgeschwächt hat, wir aber hinkommen. insgesamt für 2019 immer noch mit MAHNS: Gewirkt hat alles zusammen. etwas mehr Verkehr als im letzten Jahr Wo steht die DFS denn im internationalen Bereits im März haben wir erste rechnen – ganz zu schweigen davon, dass Vergleich? Maßnahmen umgesetzt: Beispielsweise wir immer noch fast zehn Prozent über der haben wir in München einen Sektor geteilt, Prognose für die zweite Regulierungspe- MAHNS: Im Mai waren noch drei DFS- um mehr Kapazität zu schaffen. Wir haben riode liegen werden. Trotzdem, wenn sich Center unter den fünf schlechtesten in die Schichtplanung im Sommer stark die Verkehrszunahme abschwächt oder Europa in Bezug auf den Average Delay verdichtet, um mehr Lotsen verfügbar zu gar der Verkehr zurückgeht, hilft uns das. per Movement. Im Juli lag nur noch Karls- haben. Ende April ist dann die europaweite Grundsätzlich gibt es eine exponentielle ruhe auf dem vierten Rang; Bremen und Initiative eNM/S19 gestartet – die Verla- Beziehung zwischen Verkehrsmenge Langen haben es geschafft, ihre Position gerung von Flügen aus stark belasteten Sektoren vom oberen in den unteren Luft- raum sowie einige laterale Verlagerungen. Und seit Juni ist es uns mit dem Kapazi- täts- und Zukunftspakt möglich, Zusatz- schichten in den Betrieb zu integrieren, um den Verkehr besser zu bewältigen. Weiß man eigentlich, was ohne diese Maßnahmen passiert wäre? MAHNS: Eurocontrol hat ermittelt, wie sich die Verspätungen 2019 bei dem prognostizierten Verkehr in verschie- denen Szenarien entwickelt hätten. Wenn wir gar nichts gemacht hätten, wären Bereichsleiter Dirk Mahns im Interview. transmission 2 – 2019 5
Kapazität die Verlagerung am meisten weh tut. Die Resonanz war sehr positiv, vor allem, weil wir so schnell reagiert haben. In den Wintermonaten wird diese Maßnahme ohnehin nicht angewandt. 2018 war ja nicht nur ein Sommer der Verspätungen, sondern auch der Schuld- zuweisungen. Wie hat sich das Verhältnis zu den Airlines entwickelt? MAHNS: Anfangs gab es berechtigter- weise noch viele Emotionen. Inzwischen sind wir wieder auf einer sehr höflichen, konstruktiven und respektvollen Ebene. Die Gespräche, die wir führen, sind sehr positiv. Das gilt eigentlich für fast alle deutlich zu verbessern – das ist unter MAHNS: Am Anfang fanden die das Airlines. Berücksichtigung der Verkehrsdichte und natürlich nicht so toll. Im unteren Luftraum Komplexität des Verkehrs in Deutschland ist der Spritverbrauch höher, das belastet Wie sieht es bei der Ausbildung neuer schon eine tolle Leistung. die Umwelt und erhöht die Kosten. Die Lotsen aus? teilweise von den Fluggesellschaften Gibt es auch in anderen Ländern Vereinba- angebrachte Kritik kann man aber auch MAHNS: Die Ausbildungsinitiative rungen zu Zusatzschichten? hinterfragen, da die Airlines auch ohne braucht Zeit. Aktuell haben wir durch die diese Verlagerungen nicht immer die Abgänge in die Übergangsversorgung in MAHNS: Bezahlte Zusatzschichten kürzeste Route fliegen. Das hat nach den Center-Niederlassungen noch immer sind in Europa nichts Neues. In England Berechnungen des Network Managers 40 Vollzeitkräfte weniger als im Vorjahr. beispielsweise sind sie üblich, in einen deutlich größeren Effekt. Darüber Erst in den nächsten Monaten wird sich Norwegen schon ganz lange, da redet hinaus muss man bedenken, dass die das verfügbare Personal wieder erhöhen. keiner mehr drüber. Ich finde allerdings Einschränkungen nur in den Sommermo- unser Modell deutlich besser als das, naten gelten. Außerdem haben wir durch Und wann wird die DFS wieder eine ausge- was anderswo gemacht wird. Da gibt die Zusatzschichten so viel Kapazität glichene Personalsituation haben? es zum Beispiel Vereinbarungen, dass gewonnen, dass wir einige Flüge schon Mitarbeiter für zehn Prozent mehr Geld wieder zurückverlagern konnten. pauschal zehn Prozent mehr arbeiten. Wir dagegen können unser Personal nun Seit wann? bedarfsgerecht einsetzen. Im Moment helfen uns die Zusatzschichten, also MAHNS: Als sich abzeichnete, dass es nutzen wir sie. Wir können sie aber auch beim Kapazitäts- und Zukunftspakt eine von heute auf morgen reduzieren oder Einigung mit der Gewerkschaft geben stoppen, wenn wir sie beispielsweise bei könnte, haben wir schon einmal ange- einem Verkehrseinbruch nicht mehr brau- fangen zu planen. Schon zwei Tage nach chen sollten. Abschluss der Vereinbarung haben wir die ersten Routen wieder rückverlagert. Was sagen denn eigentlich die Fluggesell- Zehn weitere Routen mussten wir erst mit schaften dazu, dass die DFS Flüge in den dem Network Manager abstimmen, dafür unteren Luftraum verlagert hat, um den haben wir ein bisschen länger gebraucht. oberen Luftraum zu entlasten? Das alles haben wir gemeinsam mit den Airlines entschieden: Die haben uns gesagt, bei welchen Routen ihnen 6 transmission 2 – 2019
MAHNS: Das kommt stark auf die Verkehrsentwicklung an. Wenn man die Eurocontrol-Prognose aus dem Februar zugrunde legt, haben wir wahrschein- lich 2025 oder 2026 wieder genug Lotsen. Das ist der Grund, warum wir den Kapazitäts- und Zukunftspakt mit den Gewerkschaften erst einmal für acht Jahre abgeschlossen haben, denn in dieser Zeit brauchen wir ihn besonders. Zugleich sehen wir derzeit, dass sich das Verkehrswachstum abschwächt. Wenn die neue Prognose kommt, kann es also sein, dass wir unseren Personalstand schon 2024 ausgleichen können. Unser Problem ist nur: Wir erleben gerade, was Fluglotsen im Center Langen: Im Sommer machen sie viele Zusatzschichten. Foto: DFS passiert, wenn sich der Verkehr nicht so verhält wie in der Prognose beschrieben. Deshalb versuche ich gerade, die Projekte Know-how im Unternehmen. Jetzt müssen Umso wichtiger ist es, über die Zusatz- etwas kleiner zu machen. wir unsere PS nur noch auf die Straße schichten ein flexibles Instrument zu bringen. haben, das uns bei Bedarf kurzfristig bis Wird es 2020 eine neue Network-Manager- zu zehn Prozent mehr Kapazität bringt. Initiative geben, um besonders stark Die Fragen stellten Christopher Belz Das ist ganz erheblich. frequentierte Lufträume zu entlasten? und Sandra Ciupka Wie ist Ihre Erwartung für 2020? MAHNS: Ja. Der Network Manager hat zehn Hotspots in Europa identifiziert, bei MAHNS: Ich glaube, dass der Verkehr denen er glaubt, durch eine neue Luft- Zur Person: etwa auf dem Niveau von 2019 bleibt. raumstruktur die größten Effekte erzielen Weil wir die Zusatzschichten dann schon zu können. Allein vier davon sind im deut- Dirk Mahns (54) kam 2001 zur DFS. früher nutzen können, können wir 2020 schen Luftraum. Hier konzentriert sich nun Er war Leiter der Center-Niederlassung bei der Pünktlichkeit noch mehr raus- mal der meiste Verkehr. in Langen und von 2012 an Geschäfts- holen. Hinzu kommt: Wenn alles so läuft führer der damaligen „The Tower wie geplant, haben wir ab Mitte des Jahres Sie sind seit Anfang 2019 Leiter des Company“, die in der heutigen mehr Personal zur Verfügung, vor allem in Bereichs Center. Macht Ihnen der Job DFS Aviation Services GmbH aufge- Karlsruhe. Das hilft total. Wir haben jedoch eigentlich Spaß? gangen ist. auch noch zwei große, ressourceninten- sive Aufgaben in 2020 vor uns: Die Inbe- MAHNS: Ja, sehr. Ganz ehrlich: Am triebnahme des Berliner Flughafens und Anfang war ich erst mal überwältigt des neuen Flugsicherungssystems iCAS von dem großen Berg an Aufgaben und im Center München. Themen. Mittlerweile habe ich Klarheit gewonnen, wo wir stehen und was ich Gibt es weitere Maßnahmen, um 2020 die machen möchte. Außerdem habe ich ein Kapazität der DFS zu erhöhen? Riesenvertrauen in die tolle Mannschaft, die ich hier im Center-Bereich habe. Das MAHNS: Ja, es gibt einige Ideen. Mein war schon zu meiner Zeit als Geschäfts- Problem ist: Die Projekte in der DFS sind führer des DFS-Tochterunternehmens DAS mir eigentlich immer zu groß. Derzeit hat so: Bei allen internationalen Terminen die Einführung von iCAS im unteren Luft- waren DFS-Mitarbeiter immer die, die raum absolute Priorität, und für weitere sich am qualifiziertesten einbringen – auf Großprojekte haben wir keine Ressourcen. allen Ebenen. Wir haben ein Wahnsinns- transmission 2 – 2019 7
Kapazität Kampf um jede Sekunde Nach dem Verspätungsjahr 2018 kämpfen Airlines, Flughäfen und Flugsicherungs- organisationen gemeinsam für mehr Pünktlichkeit im Luftverkehr. Dabei zeigen sich erste Erfolge. Auch die DFS hat im Sommer 2019 die Trendwende geschafft. Wo kommen die Verspätungen her? Flugverkehr in Deutschland und Europa in Millionen Der Flugverkehr in Deutschland und Europa wächst: Deutschland Europa 10 Allein in Europa werden heute über eine Million Flüge mehr gezählt als noch vor zehn Jahren. Dazu kommt, 8 dass sich das Verkehrsaufkommen nicht gleichmäßig über ganz Europa und über den ganzen Tag verteilt. 6 Das führt dazu, dass die Kapazität des Luftraums zu 4 Spitzenzeiten und auf bestimmten Strecken ausge- schöpft ist. Deshalb kommt es zu Engpässen am 2 Boden wie in der Luft, die Verspätungen nehmen zu. 0 * 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 *Hochrechnung Kleines Land mit viel Verkehr Aufgrund seiner zentralen Lage in Europa ist Deutschland vom Verkehrswachstum besonders betroffen. Von den rund zehn Millionen Flügen nach Instrumentenflugregeln, die pro Jahr durch Europa führen, durchquert jeder dritte den deutschen Luftraum. Dabei macht Deutschland nur 3,4 Prozent des europäischen Luftraums aus. Anteil am Anteil am europäischen europäischen Verkehrsaufkommen im Luftraum in % Jahr 2018 in % 3,4 33,7 8 transmission 2 – 2019
Wie Verspätungen entstehen Die Abläufe im Luftverkehr sind eng miteinander verzahnt. Kleine Störungen haben deshalb große Auswirkungen: Durch technische Defekte, das Warten auf Zubringerflüge und viele weitere Ursachen kann es schnell zu Verzögerungen kommen, die sich im Tagesablauf fortpflanzen. Die meisten Verspätungen im europäischen Luftraum entstehen aus Problemen bei den Airlines, dahinter folgen Flugsicherungen und Flughäfen. Auch das Wetter spielt eine große Rolle, denn kein anderes Verkehrsmittel ist so sehr von der Witterung abhängig wie das Flugzeug. Durchschnittliche Verspätung beim Abflug in Minuten (Jan. bis Okt.) Fluggesellschaften 3,4 (45%) Flugsicherungen 1,7 (22%) Security 0,3 (4%) Flughäfen 1,4 (18%) Wetter 0,5 (6%) Sonstige 0,4 (5%) Einführung Gemeinsam gegen Delay freiwilliger Zusatzschichten Beginn der für Lotsen Engpässe bei der Flugsicherung sind nicht der einzige Grund für Verspätungen im europäischen Zusatz- Initiative Luftverkehr, sie tragen aber dazu bei. Deshalb haben die europäischen Flugsicherungs- eNM/S19 schichten in der organisationen unter Führung von Eurocontrol eine gemeinsame Initiative gestartet. Dabei Reduzierter Vorplanung Projektaufwand wurden während der Sommermonate Flüge aus stark belasteten Sektoren im oberen Luft- in der Kontroll- zentrale raum in weniger stark frequentierte Bereiche verlagert – entweder durch Absenkung in den Rückverlager- Langen ung von Strecken verdichtete unteren Luftraum oder durch laterale Verschiebung. Zusätzlich hat die DFS 2019 eine Viel- in den oberen Schicht- Luftraum planung zahl eigener Maßnahmen initiiert, um die Pünktlichkeit zu verbessern. Sektorteilung in München Verspätungen in Minuten (Jan. bis Okt.) 20 15,2 13,6 Pünktlichkeit stark verbessert 15 Folge- 7,0 verspätungen Durch die europaweiten Maßnahmen hat sich die Pünktlichkeit 10 6,0 in Europa 2019 deutlich verbessert. Zwischen Januar und 5 8,2 Ursprungs- Oktober lag die durchschnittliche Abflugverspätung in Europa 7,6 verspätungen bei 13,6 Minuten – das sind gut eineinhalb Minuten weniger als 0 2018 2019 im Vorjahreszeitraum. Trendwende im deutschen Luftraum Zusätzlich zur Verlagerung von Flügen machen sich im deutschen Luftraum die Maßnahmen der DFS bemerkbar. Den größten Effekt hatte die Einführung freiwilliger Zusatzschichten. Dadurch können seit Anfang Juni mehr Lotsen in den DFS-Kontrollzentralen eingesetzt werden. Seitdem haben sich die Zeiten, in denen der Luftverkehr wegen mangelnder Kapazität gesteuert werden muss, deutlich reduziert. Quellen: Eurocontrol, DFS Veränderung des ATFM-Delay (DFS-Anteil) im Vergleich zum Vorjahresmonat in Prozent 500 400 300 200 100 0 -100 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November transmission 2 – 2019 9
Aus dem Betrieb Sicher dank SIS Sicher fliegen im deutschen Luftraum – das geht nur mit den Systemen und Anlagen der DFS. Der Bereich Systeme und Infrastrukturdienste, kurz SIS, sorgt für Qualität und Verfügbarkeit auf höchstem Niveau. Ein Überblick. Der Leiter Ralf Bertsch hat Elektrotechnik studiert, mit Schwerpunkt Nachrichtentechnik. 1989 begann er seine Flugsicherungskarriere bei der damaligen Bundesanstalt für Flugsiche- rung als Ingenieur im Bereich Datennetze, sechs Jahre später wurde er stellvertretender Leiter der Netzwerkkontrollzentrale. Weitere Stationen waren die Leitung des Bereichs Consulting sowie des Bereichs Aeronautical Solutions. Danach übernahm Bertsch die Leitung des Bereiches Technologiemanage- ment. Von 2013 an stand er an der Spitze des Bereichs Planung und Innovation. Die Herausforderung An erster Stelle steht die Verfügbar- keit von Diensten, Systemen und der Infrastruktur. Sie ist entscheidend für die Sicherheit im Luftverkehr und für die Flug sicherungskapazität. Für die DFS ist es unab- dingbar, dass die Verfügbarkeit hoch ist und zuverlässig erbracht wird. Das ist das Haupt- ziel von SIS. Dabei spielen auch Dienste eine Rolle, an die man vielleicht nicht gleich denkt. Neben den Ortungs-, Navigations- und Funksystemen und den Flugsicherungssys- SIS-Leiter Ralf Bertsch. temen sowie Themen wie Raumklima und Foto: Melanie Bauer Strom ist zum Beispiel auch die Logistik eine wichtige Komponente der Prozesskette: Fehlt beispielsweise ein Ersatzteil, kann eine Die Aufgaben von der Inbetriebhaltung von Flugsiche- Radaranlage nicht repariert werden. rungssystemen über das Facility Manage- D er DFS-Bereich Systeme und ment und das Bauwesen bis zur Logistik. Infrastrukturdienste (SIS) Mit 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Die Modernisierung verfügt über ein jährliches ist SIS der zweitgrößte Bereich der DFS. Budget von rund 250 Millionen Euro. Die Nur der Bereich Center ist größer. Die Radar-Technik der DFS wird Aufgaben sind sehr divers – sie reichen moderner, leistungsfähiger und effizienter. 10 transmission 2 – 2019
Das Projekt „Modernisation and Replace- form läuft, einen einheitlichen Standard ment of Surveillance Infrastructure“, kurz geben. Das ermöglicht eine schnellere und Mehr Infos MaRS, nimmt gerade Fahrt auf. 28 Radar- günstigere Softwareentwicklung. Außerdem Sie wollen wissen, wie eine bodenge- anlagen werden in den nächsten Jahren wird die IT-Security verbessert. stützte Navigationsanlage DVOR funkti- ersetzt. Die neue Radartechnologie hat oniert? Im Youtube-Kanal von „Captain einen deutlich geringeren Energiebedarf Joe“ finden sich Erklärvideos dazu sowie als die alte. Zusammen mit hochwertigen Die Netzwerke zu weiteren Themen rund ums Fliegen. Antennen, verbesserten Empfängern und digitalen Signaldetektoren werden bei Zwischen den Data Centern und den größerer Reichweite weniger Emissionen Center- und Towerniederlassungen sowie und Instandsetzungsarbeiten. Die heute teil- verursacht. Außerdem können Störungen, zu den Funk- und Radarstandorten müssen weise noch übliche Papierdokumentation ist wie sie zum Beispiel Windkraftanlagen Netze mit großer Bandbreite entstehen. fehleranfällig und es ist schwer, damit den verursachen, effektiver identifiziert und Die neue Anbindung mit Lichtwellenleitern Überblick zu behalten – immerhin betreibt bereinigt werden. Gleichzeitig werden in geht die DFS jetzt an. die DFS über 30.000 Anlagen. Das Konzept dem Projekt Radargebäude und Radar- wird dann auch auf die Ortungs-, Naviga- türme sowie versorgungstechnische tions- und Funkanlagen ausgeweitet. Einrichtungen erneuert oder modernisiert. Die Bauten In einem weiteren Projekt modernisiert Auf dem DFS-Campus entsteht gerade ein Das SIS-Personal die DFS ihre VOR/DME-Systeme, die der neues Logistikgebäude. Am DFS-Standort in bodengestützten Navigation dienen. Damit München steht der Bau eines Bürogebäudes Die DFS braucht neue Mitarbeiterinnen ermöglicht sie die langfristige Navigation im an. Außerdem muss der Tower am Flughafen und Mitarbeiter im Bereich SIS, beispiels- deutschen Luftraum unabhängig von satel- München saniert werden. weise Informatiker oder Absolventen der litengestützten Navigationssystemen. Die Nachrichtentechnik. Das Unternehmen Anlagen am Boden sind unter anderem das setzt vor allem auch auf die dualen Studi- „Back-up-Netzwerk“ für die Satellitennaviga- Die Digitalisierung engänge, also auf junge Leute, die die DFS tion. Künftig sollen grundsätzlich Dopplersys- zum Teil selbst ausbildet. So wird unter teme (DVOR) zum Einsatz kommen. Da die Die DFS wird einen Digital-Maintenance- anderem der Studiengang Flugsiche- Antenne einer DVOR wesentlich mehr Grund- Prozess etablieren. Den Anfang machen rungstechnik angeboten. Gern will das fläche benötigt, müssen die vorhandenen die Gebäudetechnik, etwa Klimaanlagen, Unternehmen den Frauenanteil erhöhen. Grundstücke fallweise erweitert werden. Notstromanlagen oder Netzersatzanlagen. Stellenangebote finden Interessierte unter Dort erfolgt gerade unternehmensweit eine karriere.dfs.de. umfassende Digitalisierung der Wartungs- Die Zukunft Sandra Ciupka Cloud Computing ist im Trend: Auch Software-Anwendungen werden zunehmend verlagert – ein Trend, dem jetzt auch die DFS folgt. Sie hat das Programm „Zukunfts- architektur ATS-Systeme“ gestartet. Dessen Ziel ist es, eine moderne IT-Infra- struktur bereitzustellen, bei der man nicht für jedes Flugsicherungssystem vor Ort Hardware bereitstellen muss. Dies über- nehmen Data Center. Die Einrichtung einer solchen Flugsicherungs-Cloud hat mehrere Vorteile: Zum einen werden weniger Server benötigt, die verwendete Hardware wird effektiver genutzt. Zum anderen soll es künftig für jedes System, das auf der Platt- transmission 2 – 2019 11
Aus dem Betrieb Der tollste Job der Welt Rund acht Prozent mehr Verkehr als vor eineinhalb Jahren, die meisten Flugbewegungen in Europa, das dritte Terminal: Am Tower Frankfurt herrscht nie Stillstand. Ein Besuch bei Leiterin Sibylle Rau. D ie Chefin hatte Geburtstag. Das Wer mit Sibylle Rau bei strahlendem ist nicht zu übersehen. Luftbal- Sonnenschein in der Towerkanzel steht, lons und ein Happy-Birthday- spürt ihre Begeisterung für die Luftfahrt. Schriftzug hängen an der Bürotür, der Die Langstreckenjets sehen von dort oben ganze Raum ist mit Girlanden und Glitzer aus wie Spielzeugflieger. Einer nach dem dekoriert. Zwei Mitarbeiter kommen vorbei, anderen erhebt sich in die Lüfte oder landet um nachträglich zu gratulieren und sich zu wie am Schnürchen. Im Arbeitsalltag von erkundigen, wie die Party gelaufen ist. Sibylle Rau bleibt von dieser Faszination oft nicht viel übrig: „Letztlich steht immer das Ein kurzer Eindruck reicht und es ist Thema Lärm in Verbindung mit dem best- klar: Sibylle Rau ist eine beliebte Leiterin. möglichen Sicherheitsniveau im Vorder- „Ich lege großen Wert auf soziale Aspekte grund“, sagt sie. und wertschätzende Rituale und ich bekomme auch viel zurück“, sagt sie. Ihre offene Art hilft ihr in dieser Rolle „Am Tower Frankfurt, an dem alle Kollegen sicherlich. Gespräche, das Ausloten von ständig unter Hochdruck arbeiten, spielt Positionen, informelle Kontakte – dies alles Motivation sowie eine hohe Identifikation gehört zu ihrem Job dazu. Allein dreimal mit der Arbeit eine entscheidende Rolle.“ die Woche findet zwischen Lufthansa, Fraport, dem Deutschen Wetterdienst, dem Jeder kann sehen, dass Sibylle Rau Center Langen und der Towerleitung eine ihren Job mit Leidenschaft betreibt. „Ich Skype-Konferenz statt, in der besprochen habe den tollsten Job der Welt“, sagt wird, was für die kommenden drei Tage im sie. Einfach ist er aber nicht. Politikge- Flugbetrieb zu erwarten ist. Sehr eng und trieben – mit diesem Stichwort fasst gut ist auch die Zusammenarbeit mit dem sie die Herausforderung zusammen. Es DFS-Bereich Luftraum und ANS-Support gehe vor allem darum, die vielen unter- (OA), bei dem sich ein ganzes Team nur schiedlichen Interessen und Ansprüche, um Verfahren in Frankfurt kümmert, sowie die an die DFS herangetragen werden, mit dem Center Langen, von wo aus die An- mit einem sicheren Flugbetrieb am Rhein- und Abflüge auf den Frankfurter Flughafen Main-Flughafen in Einklang zu bringen. Die kontrolliert werden. Airlines, Fraport, die Fluglärmkommission, das hessische Wirtschaftsministerium, die Anrainer – alle haben Forderungen, die Stündlich 126 Flüge zum Teil diametral entgegengesetzt sind. Die größte Herausforderung, vor der „Die Kunst besteht darin, eine Balance die Leiterin und ihr Team stehen, ist die zu finden, sagt die Tower-Chefin. Einer- geplante Erhöhung des Eckwerts am seits offen zu sein für Vorschläge von Rhein-Main-Airport auf zukünftig 126 Ein toller Arbeitsplatz: Der Tower außen, andererseits stets die Sicherheit Flugbewegungen pro Stunde. Dafür ist des Frankfurter Flughafens. zu gewährleisten – das alles entschei- die Inbetriebnahme des neuen Terminal 3 dende Interesse der DFS. eine entscheidende Voraussetzung. 12 transmission 2 – 2019
Das Problem dabei: Mit der im Planfest- stellungsverfahren festgelegten Pisten- nutzung und den aktuellen Verfahren ist diese Erhöhung voraussichtlich kaum zu bewältigen. Daher befasst sich ein bereichsübergreifendes Team mit diesem komplexen Thema und untersucht unter anderem ein flexibilisiertes Betriebskon- zept zur Verbesserung der Pünklichkeit und zur Kapazitätserhöhung. Der Probe- betrieb dazu startet im Februar 2020. Ein Politikum Tower-Leiterin Sibylle Rau. Foto: H.-J. Koch Ein weiteres Dauerthema ist die unterschiedliche Betriebskonzepte Unterstützung finden die Tower-Chefin Südumfliegung: Beim Start Richtung und Verfahren erprobt werden. „Damit sowie ihre Towerleiter-Kolleginnen und Westen drehen die Flugzeuge aus Lärm- erkennen wir die Wirkung von Maßnahmen -Kollegen bei Leitern der Kontrolltürme schutzgründen erst Richtung Süd ab, auf die Kapazität und das damit verbun- anderer Hub-Flughäfen in Europa. Mit bevor sie in größerer Höhe dann in Rich- dene Delay. Wir müssen Entscheidungen ihnen treffen sie sich regelmäßig zum tung Westen und Norden fliegen dürfen. nicht mehr ausschließlich auf Experten- Austausch. „Wir haben alle die gleichen Dieses Verfahren, das im Moment die abschätzungen basieren lassen, sondern Probleme und mancher hat vielleicht Kapazität einschränkt, weil es aus Sicher- können die Simulationsergebnisse nutzen“, schon eine Lösung gefunden, die wir über- heitsgründen nicht unabhängig vom erläutert die Leiterin. „Mit dieser Methode nehmen können.“ Verkehr auf der Startbahn West betrieben kann jeder nachvollziehen, was etwa ein werden kann, wird derzeit überarbeitet. neuer Schnellabrollweg oder Verfahrens- Sandra Ciupka änderungen in der Luft bringen.“ „Das Planfeststellungsverfahren ist inzwischen mehr als 20 Jahre alt“, sagt die Tower-Chefin. Viele Annahmen, von Der Stellvertreter seiner Kommunikationsfähigkeit. „Mir ist denen damals ausgegangen wurde, träfen es wichtig, dass wir Besprechungen längst nicht mehr zu. Trotzdem soll der Dennis Voß ist seit Juli 2019 Tower lösungsorientiert führen“, sagt er. Zielwert von 126 Flugbewegungen pro Support Manager am Tower Frankfurt Stunde weiterverfolgt werden. Sie weiß, und Stellverteter von Sibylle Rau. Davor dass das ein Politikum ist. Und da gilt es, arbeitete der 34-Jährige elf Jahre lang Lösungen vorzuschlagen. Doch welche als Fluglotse in den Centern München und Änderung auch immer kommen mag, für Karlsruhe. Neben seiner betrieblichen Sibylle Rau ist eines klar: „Eingeführt wird Erfahrung bringt er sein akademisches ein neues Verfahren nur, wenn die Flug- Wissen in den Job ein: Er hat ein Studium lotsen bestätigen, dass sie damit sicher zum Master of Business Administration arbeiten können.“ (MBA) für Aviation und Tourism Manage- ment absolviert. Als Tower Support Allzu viel Zeit für das finale Lösungs- Manager beschäftigen sich Voß und seine szenario, wie Sibylle Rau es nennt, gibt Mitarbeiter unter anderem mit der Verfah- es nicht mehr. Denn der Lärmschutzbe- rensplanung, dem Airport Collaborative reich muss 2021 neu festgelegt werden Decision Making und dem Safetymanage- – und das geht eben nur, wenn klar ist, ment. Zu seinem Job gehören Meetings wie geflogen wird. Hierzu werden zurzeit mit Airline-Vertretern, Kollegen vom gemeinsame Simulationen von DFS Flughafen und Politikern. Seine beson- Tower Support Manager Dennis Voß. und Fraport vorgenommen, bei denen dere Stärke sieht der gebürtige Kieler in Foto: H.-J. Koch transmission 2 – 2019 13
Aus dem Betrieb Wir packen es an Die Fluggesellschaften und der Verbraucher fordern hohe Kapazität und verspätungsfreies Fliegen. Doch die Hauptanforderung an die Arbeit der Karlsruher Fluglotsen bleibt: Sicherheit. D ie Mitarbeiterinnen und Mitar- zum anderen wird in Karlsruhe längst jede trotzdem und weiterhin mit hohem Enga- beiter der DFS-Kontrollzentrale mögliche Stellschraube angezogen, die gement daran, damit diese Statistik so für den oberen Luftraum in zur Verbesserung der Situation beitragen bleibt. Hohe Verkehrszahlen, wie sie Karlsruhe identifizieren sich seit Jahren kann. Die DFS und die Mitarbeiter des die Fluglotsen in Karlsruhe abarbeiten gerne mit ihrem Funkrufzeichen „Rhein „Center Upper“ wissen zudem, dass in müssen, sind hierfür kein Hinderungs- Radar“ – mit Stolz und auch außerhalb Zeiten von Regulierung, Markt-Konsolidie- grund: Sinkt die Verkehrsmenge auch in des Funkverkehrs. Seit rund zwei Jahren rung und einem extrem harten Preiskampf schwächeren Phasen nicht zu sehr, bleibt stellen externe Beobachter jedoch in der Luftfahrt jede Form von Verkehrs- die Konzentration hoch. häufiger die Frage, ob dieser Stolz nicht oder Bedarfsvoraussagen komplex und leidet. Nachrichten von Personalmangel unsicher ist. und Verspätungen geistern durch alle Europäische Kooperation Medien und einige wollen in Karlsruhe „das Die Safety-Statistik der Niederlassung Nadelöhr des europäischen Luftverkehrs“ für den oberen Luftraum ist tadellos. Seit Im Jahr 2018 gab es zunehmend Situ- identifiziert haben. Jahren ist die Anzahl der Vorkommnisse ationen, in denen Karlsruhe die angefor- auf sehr niedrigem Niveau bei gleichzeitig derte Kapazität nicht anbieten konnte. Doch der Stolz der „Rheiner“ bleibt, steigenden Verkehrszahlen – und zuneh- Flieger mussten am Boden bleiben und denn zum einen stimmt die wichtigste mend werden die Fälle, die sich ereignen, abwarten, bis in den Karlsruher Sektoren aller Statistiken – die Sicherheit – und weniger kritisch. Jeder Mitarbeiter arbeitet wieder Luft war. Es entstanden Verspä- 14 transmission 2 – 2019
Bedürfnisse gegenüber den Bedürfnissen gegen Sonderzahlungen leisten können. des gesamten Netzwerks zurückstellt. Die Die DFS nimmt hohe Kosten in Kauf, um Entlastung des oberen Luftraums wurde ihren Kunden ein verbessertes Kapazi- und wird unterstützt, damit das Gesamt- tätsangebot machen zu können. On-the-Job-Trainee system profitiert. Lukas Jasiunas arbeitet am Donau- Das verfügbare Personal ist so oder Sektor, genauestens b eobachtet von seinem Coach Fabian Klodt so der Schlüssel zum Kapazitätsangebot. (rechts). Wobei zwischen 18 Monaten und vier Umverteilung Jahren vergehen, bis neues Personal Foto: DFS/Boris Pfetzing voll einsatzfähig ist. Die DFS setzt dabei des Verkehrs wird nur einerseits auf die Rekrutierung von erfah- renen Fluglotsen aus dem Ausland (Ready zähneknirschend akzeptiert Entries), die nach rund eineinhalb Jahren Umschulung in vollem Umfang eigenver- antwortlich eingesetzt werden können. Seinen Ausdruck findet dieser Gedanke Andererseits wird verstärkt Fluglotsen- unter anderem in den sogenannten „RAD- nachwuchs eingestellt, der das Hand- Restrictions“, die Flugverkehr, der im werk von der Pike auf lernen muss. Hier Normalfall für Rhein Radar vorgesehen vergehen drei bis vier Jahre bis zur vollen wäre, regelhaft in andere Lufträume Einsatzfähigkeit. unter oder neben dem von Karlsruhe umleiten. Die Initiative wurde nach ihrer ersten Anwendung 2018, als sie schon Ein Kraftakt in den starken Sommerverkehr eingriff, weiterentwickelt und hat im Sommer 2019 Seit einem Jahr ist die DFS nun dabei, wesentlich zur Verbesserung der Situation ihre Ausbildungskapazitäten wieder auf beigetragen. Weitere Maßnahmen mit das maximal Mögliche zu erweitern – ein Blick auf das europäische Netzwerk sind Kraftakt. Ab 2019 werden jährlich 146 nun auch für Frankreich oder Österreich Fluglotsen ausgebildet, in Karlsruhe wird angedacht, deren Kapazitätsprobleme man bei 60 neuen Azubis 2020 kaum noch derzeit zunehmen. Die Umverteilung des Arbeitsplätze finden, an denen nicht auch Verkehrs in niedrigere Flughöhen wird von gerade ausgebildet wird. Diese Initiative tungsminuten in Dimensionen, die man Seiten der Airlines allerdings nur zähne- wird über mehrere Jahre fortgesetzt, bis „im Upper“ so nicht kannte, wenn sie auch knirschend akzeptiert. die Lücken geschlossen sind, die sich im Verhältnis zu bodenseitig generierten 2018 in aller Deutlichkeit gezeigt hatten. Verspätungen noch immer sehr gering Daher blieben 2018 die Streckenmodi- ausfallen. Im Jahr 2018 hatte ein Flug- fikationen nicht die einzige Maßnahme. Auf Für das gesamte System Luftfahrt wird zeug in Europa im statistischen Mittel rund Seiten der DFS wurden zunächst für alle sich der Gewinn an Flugsicherungs-Kapa- 13,8 Minuten Verspätung, von denen nur Lotsen die Zeiten maximal eingeschränkt, zität positiv auswirken – auch wenn derzeit rund drei Minuten auf die Flugsicherung in denen sie nicht vor dem Radarschirm, noch mit langem Atem in Kauf genommen zurückgehen. sondern in Sonderaufgaben, Gremien, werden muss, dass die verstärkte Initia- Projekten oder als Gastlehrer in der tive in der Ausbildung auch Kapazitäten Trotzdem hat man in der gesamten Langener Flugsicherungsakademie einge- bindet. Die eingeschlagene Richtung DFS und auch europaweit in den Flug setzt waren. Dieser Schritt brachte sofort stimmt jedoch – und zugleich bleibt es sicherungsorganisationen längst erkannt, Personal und damit Kapazität zurück in die komplex. dass Handlungsbedarf besteht – und dass Kontrollräume – so wie die Einigung, die Maßnahmen notwendig sind, die das nach harten Verhandlungen mit den Sozi- Boris Pfetzing Zentrum des europäischen Luftraums alpartnern erzielt wurde, dass Lotsen DFS- entlasten. Hier hat ein starker Trend zur weit eine an Sicherheitskriterien ausge- Kooperation eingesetzt, der nationale richtete Anzahl zusätzlicher Schichten transmission 2 – 2019 15
Aus dem Betrieb Eine Rechnung mit vielen Unbekannten Die Kontrollzentrale Langen verzeichnet seit 2013 steigende Verkehrszahlen. Die Ermittlung der dafür benötigten Personalstärke hängt von vielen Faktoren ab. Manche lassen sich nur schwer kalkulieren. die neue Kontrollzentrale auf dem DFS- Campus in Langen in Betrieb. Mit der Verlagerung von Stuttgart Approach (2001), Düsseldorf ACC (2002) und Frankfurt Approach (2005) wurde es zur größten Kontrollzentrale Europas. Knick im Jahr 2008 Rund ein Drittel des Verkehrsaufkom- mens im deutschen Luftraum wird dort Lotsen und Supervisor in der kontrolliert. Die Kapazitätsentwicklung Kontrollzentrale Langen bei der Arbeit. deckt sich deshalb in groben Zügen mit Foto: H.-J. Koch der gesamtdeutschen Kapazitätskurve, auch wenn beide nicht völlig synchron E s gibt Rekorde, die scheinen für zudem erhielt der Handel zwischen Ost verlaufen. Nach dem Einbruch im Jahre die Ewigkeit gemacht. Als Bob und West spürbare Impulse – von beidem 2001 erreichte der Verkehr im deutschen Beamon 1968 bei den Olympi- profitierte der Luftverkehr. Wurden im Luftraum im Jahr 2004 erstmals wieder schen Spielen in Mexiko 8,90 Meter weit Jahr der DFS-Gründung 1993 rund 1,8 die Werte des Rekordjahres 2000 und sprang, schrieb die Presse vom „Sprung Millionen Flüge nach Instrumentenflugre- stieg danach kontinuierlich bis zum Jahr ins 21. Jahrhundert“. Mehr als einen geln im deutschen Luftraum kontrolliert, 2008, in dem mit 3,115 Millionen IFR- halben Meter weiter als der bisherige lag dieser Wert Ende des Jahrzehnts bei Flügen ein neuer Rekord aufgestellt wurde. Rekord, blieb seine Leistung für Jahre knapp zweieinhalb Millionen Flügen. unerreichte Referenzgröße. In der Kontrollzentrale Langen setzte Eine Delle kam erst nach den Terroran- der Anstieg etwas später ein – dort ging In derartigen Sprüngen vollzieht sich die schlägen in den USA vom 11. September es erst nach 2005 wieder bergauf. Der Entwicklung des Verkehrs im deutschen 2001. War im Jahr 2000 bei den kont- Peak lag in den Jahren 2007 und 2008, Luftraum nicht, Rekordwerte und Phasen rollierten IFR-Flügen im deutschen Luft- wobei der neue Rekord von 1,38 Millionen mit Aufs und Abs gab und gibt es aber raum erstmals die 2,5-Millionen-Marke IFR-Flügen für den von Langen kontrol- auch hier. In den 1990er Jahren, nach dem geknackt und ein neuer Rekord erreicht lierten Luftraum bereits im Jahre 2007 Zusammenbruch des Ostblocks, wuchs worden, blieben die Jahreswerte in den erreicht wurde. Der Wert im Jahr darauf das Verkehrsaufkommen im deutschen drei darauffolgenden Jahren hinter der lag mit 1,376 Millionen nur geringfügig Luftraum stetig und scheinbar unauf- Rekordzahl von 2000 zurück. darunter. Danach zeigt sich in der Kapazi- haltsam. Die Menschen, die zuvor hinter tätskurve ein Abwärtsknick – sichtbares dem Eisernen Vorhang vom internatio- Das Center Langen ging Ende 1999 Zeichen für die Auswirkungen der Finanz- nalen Reiseverkehr abgeschnitten waren, mit dem Umzug der Streckenkontrolle krise von 2008 auf den Luftverkehr. nutzten die neu gewonnenen Freiheiten, Frankfurt vom Flughafen Frankfurt in 16 transmission 2 – 2019
Hinzu kommt, dass im Jahr 2008 2012 veränderten sich mit dem Wegfall Prognosen so exakt wie möglich Personal eine Tarifänderung neue Regelungen der Vollkostendeckung und dem Beginn zu planen, ist man von der Prognose für den Belastungsausgleich der Lotsen der EU-Regulierung zudem die Rahmen- abhängig und leidet darunter, wenn der festschrieb, wodurch das erforderliche bedingungen: Die Regulierungsvorgaben Verkehr sich anders entwickelt – so wie Personal-Soll im operativen Bereich stieg. verlangen von der DFS, mehr Kapazität zu wir es derzeit wieder erleben“, sagt Chris- In puncto Kapazität geht es immer auch generieren und dabei gleichzeitig massiv zu tian Böhmer, Leiter Operational Staffing um die zentrale Frage: Wieviel Personal sparen. Die Methoden zur Ermittlung der und viele Jahre verantwortlicher Chief of benötigt man, um den anfallenden Verkehr benötigten Soll-Stärke kollidieren zuweilen Section für Kapazität und Personal in der ohne Kapazitätseinbußen sicher abar- mit den Kostenvorgaben der Regulierung. Kontrollzentrale Langen. Auch Faktoren beiten zu können? wie lokale Betriebsvereinbarungen können einen geplanten flexibleren Personalein- satz konterkarieren. Wachstum seit 2013 Wir müssten ständig Deshalb werden die Methoden der Da es vom Beginn der Ausbildung eines einen Personal-Puffer von Personalplanung weiter verfeinert. „Wir Lotsen bis zu seiner vollen Einsatzfähig- suchen eine Methodik, die uns hilft, die keit drei bis vier Jahre dauert, war es nicht 10 bis 15 Prozent Lotsen Ausbildungszahlen zu verstetigen, um auf möglich, die aufreißende Lücke zwischen Verkehrsschwankungen nicht immer erst Soll und Ist sofort zu schließen. In der vorhalten zeitversetzt zu reagieren“, sagt Böhmer. Folge stiegen deshalb die Delay-Zahlen, die zwischen 2008 und 2012 ihre höchsten Bob Beamons Rekord erreichte Werte erreichten. Dann begannen die „Um Verkehrssteigerungen wie zuletzt entgegen aller Prognosen das neue Jahr- Maßnahmen zur verstärkten Personalnach- ohne Kapazitätsabstriche zu bewältigen, hundert nicht – er fiel im Jahre 1991. Der führung zu greifen, die Lücke zwischen Soll müssten wir ständig einen Puffer von zehn Bestwert der Kontrollzentrale Langen von und Ist beim operativen Personal schloss bis 15 Prozent mehr Lotsen vorhalten, als wir 1,38 Millionen IFR-Flügen aus dem Jahr sich wieder und die Verspätungszahlen benötigen“, sagt Niederlassungsleiter Armin 2007 hat zwar ungeachtet der jüngsten sanken (siehe Diagramm). Beirle. „Das ist jedoch unwirtschaftlich.“ Verkehrssteigerungen bis heute Bestand. Doch die Planer in Langen wissen um das Zugute kam der Niederlassung dabei, Bei den Berechnungen für die benö- Wachstumspotenzial des Luftverkehrs dass die Verkehrszahlen während dieser tigte Soll-Stärke stützen sich die Planer ebenso wie um die Fehleranfälligkeit von Zeit stagnierten und nach 2011 sogar leicht unter anderem auf die Verkehrsprog- Prognosen – und wollen für jeden Fall zurückgingen. Doch seit 2013 befindet sich nose des Network Manager in Brüssel, vorbereitet sein. der Luftverkehr auf Wachstumskurs und die der für eine Zeitspanne von fünf Jahren Kontrollzentrale Langen registriert seither drei verschiedene Szenarien erstellt hat. Holger Matthies jedes Jahr einen Anstieg der Verkehrsmenge. „Wenn man versucht, auf Grundlage der 1.326 1.380 1.376 1.304 1.309 1.342 1.400 1.318 1.349 1.291 1.330 1.263 1.230 1.268 1.215 1.214 1.224 1.200 1.197 1.000 1.144 Flugbewegungen in Tsd. 745 724 635 800 351 259 495 207 84 244 244 74 197 141 45 480 535 447 600 527 426 497 495 486 491 452 427 428 443 440 440 440 439 434 439 440 432 437 424 426 416 418 407 415 404 399 391 419 400 200 Quelle: DFS 0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Verkehr DELAY (Minuten) Personalstand Soll Personalstand Ist transmission 2 – 2019 17
Kollegium We love flying Viele DFS-Mitarbeiter sind der Luftfahrt nicht nur dienstlich verbunden. Auch privat ist das Fliegen eine Leidenschaft. Fünf DFSler erzählen von der Faszination des Fliegens. Andere haben ihre schönsten Bilder an die Redaktion gesandt. 18 transmission 2 – 2019
die Anflüge über die norwegischen und Christoph Kästner hat die schwedischen Fjorde.“ Und gen Osten kleine Ziele. Sehr viele über die Ostsee und Kaliningrad in Rich- tung der baltischen Staaten Estland, Lett- davon: Der Fluglotse land und Litauen sei die Landschaft noch hat es sich in seiner sehr unberührt. Tolle Erlebnisse hatte er Freizeit als Hobbypilot auch in Argentinien. Durch die Berge Pata- goniens zu fliegen sei traumhaft. zur Aufgabe gemacht, so viele kleine Flugplätze „Man merkt beim Reisen oft, wie klein wie möglich anzufliegen. und persönlich die Welt der Luftfahrt ist“, sagt Kästner. „Man tauscht sich aus, hilft Ü ber 670 Landungen hat sich und mir haben Fliegerkollegen, die Christoph Kästner in seinem ich gerade erst kennen gelernt habe, auch Logbuch, in Deutschland, schon mal kurzer Hand mit dem Auto ihre weiten Teilen Europas sowie in den USA, Heimat gezeigt.“ Kanada, Südamerika und Australien. „Ganz besonders reizen mich Flugplätze, Mit der Flugplatzjagd ist Christoph wo man nicht so einfach hin kommt“, Kästner noch nicht fertig − und will es sagt er. Dann muss er erstmal Kontakte eigentlich auch nicht werden. „Es geht knüpfen und viel herumtelefonieren, bis nicht darum, alle Flugplätze zu schaffen, er eine Landeerlaubnis bekommt. Denn sondern so viele wie möglich“, sagt nicht auf jedem Flugplatz darf man so er. Jedes Jahr kommen im Schnitt 20 ohne Weiteres landen. Einige haben ein Landungen an auserlesenen Flugplätzen begrenztes Kontingent, um zu viel Verkehr dazu „Das Schöne ist, dass es immer neue zu vermeiden, andere sind aufgrund ihrer Ziele gibt.“ Umgebung eine Herausforderung, sodass der Gastpilot ein gewisses Maß an Flug- Sven Chamberlain erfahrung nachweisen muss. Und es gibt Landebahnen, die zeitweise schlichtweg nicht existieren. Etwa die Bahn am Flug- platz Barra: Die Piste aus Sand liegt an einem Strand an der schottischen Nordküste und ist daher nur bei Ebbe aktiv. „Besonders schöne Plätze in Deutschland sind Wiefels- tede Coneforde bei Olden- burg und Moosburg auf der Kippe bei München.“ Sein Lieblingsreiseziel in Europa ist Großbritannien. „England und Schottland sind wahre Fliegerpara- diese“, sagt Kästner. „Weil ich gerne am Wasser fliege, bieten sich Inseln für mich besonders an.“ Aber auch die Landschaft im Norden Europas sei klasse, besonders transmission 2 – 2019 19
Kollegium I n 30 Jahren Fliegerei hat Gregor nach Spanien, Griechenland, Malta und Gregor Thamm kümmert Thamm einiges erlebt, flog in vielen einmal im Jahr mit seinem Vater runter sich bei der DFS um Ländern Europas und in den USA. auf die Kanaren. „Wir waren irgendwann Als Fluglehrer will er dazu beitragen, dass so routiniert, dass wir auf der ganzen Umweltmanagement auch andere diese Erfahrungen sammeln Strecke schon genau wussten, wo wir mit und politische können. In den 70er Jahren Jahren fing welchen Freigaben rechnen konnten und Angelegenheiten. das Fliegen für ihn an, in einer kleinen sogar den Mietwagen am Flughafen auf Bölkow Junior mit seinem Vater. „Ich die Minute vorbestellen konnten“, sagt Außerhalb der DFS habe schon als Vierjähriger das Steuer Thamm. „Was wir wiederum immer wieder ist er Hobbypilot und übernehmen dürfen, die Maschine hatte individuell entscheiden mussten, war, ob Ausbildungsleiter im ja die richtige Größe“, erzählt er lachend. wir windabhängig westlich oder östlich DFS-Fliegerclub. Danach begleitete er seinen Vater bei der Pyrenäen fliegen.“ Inzwischen ist er diversen Vereinsausflügen, unter anderem auch regelmäßig im Westen der USA mit mit einer Staffel aus 25 Flugzeugen nach dem Flugzeug unterwegs, wenn er seine Edinburgh. Mit 14 Jahren begann für Schwester besucht, die dort lebt. Dann Thamm die erste eigene Ausbildung zur fliegt er quer durch die Bundesstaaten Segelfluglizenz. Zehn Jahre später, mit 24, Kalifornien, Arizona, Nevada und Utah mit kam dann die Motorfluglizenz dazu. „Als Zielen wie San Francisco, Las Vegas, Lake ich den Schein hatte, habe ich sofort Powell oder Lake Tahoe. Die Flugrouten losgelegt.“ Zuerst mit dem Vater führen dabei unter anderem durch das nach Frankreich, dann verschiedene Monument Valley, Death Valley oder über Ausflüge an die Nordsee, nach den Grand Canyon. Westerland, Ungarn und an den Nordatlantik. „Mein erster wirklich „Im Sonnenuntergang über den Grand großer Flug war mit einer Cessna Canyon fliegen und dann bei Nacht in Las im Sichtflug nach Fuerteventura.“ Vegas zu landen, das ist schon was sehr 18 Stunden hin und 18 Stunden Besonderes.“ Eine seiner größten Leiden- zurück, mit Zwischenstopps in schaften ist, mit seinen Erfahrungen auch Gibraltar und Marokko. andere für das Fliegen zu begeistern. „Mit anderen tollen Menschen Flugerlebnisse „Große Flüge“ folgten vor allem, zu teilen ist eine wunderbare Art, seine nachdem Thamm vor über 20 Jahren die Freizeit zu verbringen“. Instrumentenflug-Berechtigung erwarb. Dann ging es ans Nordkap im Schnee, Sven Chamberlain „A Katharina Burck ls Teenager fand ich Fernseh- Egelsbach gemacht. Im Jahr 2006 fing ich ist Ingenieurin und serien wie Medicopter 117 dort mit der Ausbildung zur Berufspilotin oder Helicops toll. In einem an, die ich drei Jahre später abschloss. Berufspilotin. Bei der Teams gab es sogar eine Pilotin, was Inzwischen habe ich knapp 600 Flug- der DFS arbeitet sie vor rund 20 Jahren noch nicht selbstver- stunden. Durchschnittlich ein Wochenende im Bereich Center. ständlich war. Meine Begeisterung war pro Monat mache ich für Heli-Transair geweckt und ich wollte auch Hubschrauber Rundflüge – entweder Richtung Skyline- Nebenberuflich fliegt sie fliegen. Nach dem Abitur habe ich Frankfurt oder Richtung Darmstadt. Auch für die Firma Heli-Transair Produktionstechnik studiert und noch eine Burgen- und Schlössertour durch den Hubschrauber vom Typ als Studentin meine erste Schnupper- Odenwald ist im Programm. Robinson R44. flugstunde bei Heli-Transair am Flugplatz 20 transmission 2 – 2019
Es ist nicht einfach, einen Helikopter zu furt von oben sehen. Ich habe fliegen. Nach den ersten fünf Flugstunden sogar schon mehrere Male hatte ich das Gefühl, noch gar keine flie- erlebt, dass ein Mann gerischen Fortschritte gemacht zu haben. seiner Freundin in Doch dann ist der Groschen gefallen und der Luft einen der Hubschrauber machte, was ich wollte. Heiratsantrag Ich wurde nicht allmählich besser, sondern gemacht der Erfolg kam abrupt – zumindest kam es hat.“ mir so vor. Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Soloflug über Land. Ich musste von Egelsbach nach Aschaf- fenburg fliegen. Nach der Landung dort ging es weiter nach Speyer, wo ich den Hubschrauber das erste Mal ohne meinen Fluglehrer auftanken musste, bevor ich zurück nach Egelsbach flog. Am Abend dieses Tages war ich wahnsinnig glück- lich und stolz auf mich. Und immer noch voller Adrenalin. Bei den Hubschrauber-Rundflügen habe ich die unterschiedlichsten Passa- giere an Bord – vom zweijährigen Jungen bis zum 90-jährigen Opa war schon alles Protokoll dabei. Auch viele Touristen wollen Frank- Sandra Ciupka Volker Görldt war beobachten. Wir haben uns in den Abgas- war erstmal in weite Ferne gerückt. Die von 1992 bis 2008 strahl gestellt und fanden die Piloten, die Jetfliegerei hat mich allerdings nie richtig uns vor dem Start zugewunken haben, losgelassen. Als der Tornado dann als Strahlflugzeugführer sehr cool. Einmal ist ein Starfighter ganz modernstes System der NATO eingeführt bei der Luftwaffe. Jetzt in der Nähe unseres Hauses abgestürzt. wurde, musste ich das alles noch einmal arbeitet er als Referent Mein Freund und ich waren als erste an überdenken. Ehemalige Mitschüler, die vor der Unfallstelle und konnten noch sehen, mir Abitur gemacht hatten, erzählten mir Militärischer Flugbetrieb wie der Pilot, der sich mit dem Schleu- dann, dass es gar nicht schlecht sei, bei im Military Competence dersitz gerettet hatte, am Fallschirm zu der Bundeswehr zu arbeiten. Schließlich Center der DFS. Boden schwebte. Abgeschreckt hat mich bewarb ich mich dann doch bei der Luft- der Unfall nicht. Ganz im Gegenteil. Für waffe als Offizier im fliegerischen Dienst. „I ch bin in der Nähe von mich stand damals fest: Ich will solche Von rund 5000 Bewerbern in diesem Jahr Memmingen aufgewachsen, Flugzeuge fliegen. traten 103 mit mir die Ausbildung zum nahe dem damaligen Luftwaffen- Offizier an. Ich war einer von 16, die am stützpunkt des Jagdbombergeschwaders Als Teenager stand ich dann der Frie- Ende tatsächlich alle Prüfungen bestanden 34. Meine Freunde und ich sind ständig densbewegung nahe, nahm an Demonstra- hatten und Strahlflugzeugführer wurden. mit dem Fahrrad am Militärflugplatz tionen gegen den NATO-Doppelbeschluss Das empfinde ich auch heute noch als vorbeigefahren, um die Starfighter zu teil, und eine Karriere bei der Bundeswehr großes Glück. Es war ein sehr ergrei- transmission 2 – 2019 21
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