Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22

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Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
Mord zum Ausleihen 3
Blutrote Perlen in der Saison 2021/22

                                                                            Ausgewählt und gelesen von:
                                                                                   Johannes Kößler
                                                                        Seeseiten Buchhandlung OG
                                                                           Janis-Joplin-Promenade 6/5/EG/1 | 1220 Wien
                                                                              01/2531520 | buchhandlung@seeseiten.at
                        Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG |                 wwwbuchhandlung@seeseiten.at
                                                                                                               1
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Johannes Kößler

• GF Seeseiten Buchhandlung
• Hardboiled, Urban Fantasy, Noir und Bücher,
  die mich überraschen
• 39 Jahre
• Mein erster Detektiv war Kommissar
  Kugelblitz.
Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
Seeseiten Buchhandlung
 Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at   3
Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
Geschäftspartnerin
Bettina Wagner
- Verlagsvertreterin Diogenes Verlag
- Gründerin Seeseiten Buchhandlung
Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
Der Detektivkoffer
(Meine Empfehlungen und Kategorien zur Bewertung)

Ort:        sofern angegeben und relevant                                   LitQual:      Sprachliche und literarische Qualität: 1-3
Blut:       Wie blutig ist der Krimi? 1-3                                   Lesbarkeit: Lesevergnügen und Lesefluss: 1-3

Kürzel (Kategorie):                                                         Schlüssel: [(LitQual + Lesbarkeit) : 2] + Sonderwertung
                                                                            Kürzel (Sonderwertung):
CC          Cozy Crime
                                                                            GT            Geheimtipp (+ 0,5)
N           Noir
                                                                            S             Starautor*in (+ 1)
Lit         Literary Crime
                                                                            LS            Laufende Serie (+ 1)
D           Dramystery
                                                                            SEB           Serienbeginn (+ 0,5)
PT          Psycho / Thriller
                                                                            TV            Film oder Serie (+ 0,5)
J/P/W/W/T Justiz/Wirtschafts/Wissenschafts Thriller
                                                                            IL            Interessante Location (+ 0,5)
AT          Action Thriller
                                                                            IT            Interessantes Thema (+ 0,5)
FC          Funny Crime
                                                                            BS            Verpfuschtes Ende (- 1)
FC/R        Funny Crime/Regional
                                                                            DS            Durchschaubarkeit = Auflösung < 75% Seitenanzahl (- 0,5)

                                                Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG |
                                                                                                                                            5
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3,5
Richard Osman
„Der Donnerstagsmordclub“ Mordclub 1
CC, List Vlg.                                                    Ort: Coopers Chase, Kent, GB
Klappenbroschur, 458 Seiten                                      Blut:         0
ISBN: 978 3 471 36014 9                                          LitQual:      2
ET: 05/2021, € 16,50                                             Lesbarkeit:   3; GT, SEB
Eine Seniorenresidenz im beschaulichen England, ein exklusiver EinwohnerInnenclub, der Cold
Cases als persönlichen Puzzleersatz benutzt und (ÜBERASCHUNG!) ein wahrer Kriminalfall. Was wie
das perfekte Cozy Crime - Rezept aussieht, ist genau das, ein Krimi nach Rezept (siehe
Entengleichnis).
Während Joyce, Elizabeth, Ron und Ibrahim verzweifelt versuchen, sich über den Status
zweidimensionaler Erfüllungsgehilfen hinaus zu entwickeln, entwickelt Richard Osman schon den
zweiten Band der Serie.
Natürlich geht es um Immobilien, natürlich um Geschichten, aus der Vergangenheit der
DetektivInnen und natürlich plänkeln Polizistin und Inspektor mit den SeniorInnen zwischen
Geranien, Gicht, tragischen Demenzfällen und Kuchen, wer denn nun genialer ist.
Leider erzählt Richard Osman keine logischen Schlussfolgerungen aus, soll heißen, warum ein
Charakter etwas findet, bleibt meist unerwähnt, er/sie findet es einfach.
Was mit charmantem Fliederduft beginnt, entpuppt sich bald als zweitklassiger Raumspray: Ein
Krimi, der vor allem ein medial-nationales Klischee benutzt, eine durcherzählte Aufklärung aber
konsequent ignoriert. Nichts desto trotz, kurzweilige Stimmungsbilder kann Showmann Richard
Osman (oder welcher Ghostwriter auch immer das Buch geschrieben hat), soll heißen: Gutes
Marketing.
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Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
S J Bennett                                                                               2,75
                                                                                          4,25
„Das Windsor Komplott“
Die Fälle Ihrer Majestät 1
CC, Knaur Vlg.                                                   Ort: Windsor Palace, London
HC, 320 Seiten                                                   Blut:       0
ISBN: 978 3 426 22740 4                                          LitQual:    2,5
ET: 01/2021, € 18,50                                             Lesbarkeit: 3; GT, SEB, IT
S J Bennett, die in London lebende sympathische, fröhliche und sehr nette Autorin aus
Yorkshire (aufgewachsen u.a. in Westberlin mit einem Garten zur Mauer) hat sich
dankenswerterweise nach dem Verfassen mehrerer Jugendbücher (Sophia Bennett, u.a.
Carlsen) mit Mitte 40 endlich der Unterhaltungsliteratur für Erwachsene zugewandt. Das
Ergebnis ist die charmante, witzige und wunderbare Queen-Crime-Serie. Bennett, selbst Jahren
Royal Watcher, erzählt den Charakter von HRM mit Respekt, Können, Corgies, Scharfsinn aber
vor allem dem für die Queen typischen Persönlichkeitsmerkmal: Haltung.
Als ein junger, adretter Pianist und Tänzer russischer Nationalität am Morgen nach einem
Empfang in Windsor Palace mit Damenunterwäsche auf dem Kopf in einem Kasten seines
Zimmers tot aufgefunden wird – angeblich Tod durch autoerotische Strangulation, versucht die
Dienerschaft Ihrer Majestät vor allem eins – dieselbe wie auch die Öffentlichkeit vor der
Enthüllung dieses schockierenden Tatbestandes zu bewahren. Was die Öffentlichkeit betrifft ist
die Queen natürlich der selben Meinung, Ihre eigene Person betreffend natürlich nicht. Und so
betraut HRH Ihre stellvertretende Privatsekräterin mit den königlichen Ermittlungen. Ein
absoluter Höhepunkt! So erzählt man Cozy Crime, Richard Osman!
Der 2. Teil „Der unhöfliche Tote“ erscheint am 2.11.
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Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
Auf
www.sjbennettbooks.com
stellt die Autorin außerdem
eine interaktive Karte des
tatsächlichen Windsor
Palace sowie zahlreiche
Fotos und Materialien für
Leseclubs zur Verfügung.
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Karsten Dusse
„Achtsam morden am Rande                                                                            3,5

der Welt“ Achtsam morden 3
FC, Heyne Vlg.                                                     Ort: Deutschland/Jakobsweg
HC, 380 Seiten                                                     Blut:       2
ISBN: 978 3 453 27356 6                                            LitQual:    2
ET: 04/2021, € 20,60                                               Lesbarkeit: 3; LS, IL, IT, BS
„Indiana Jones“, „Star Wars“ und „Stirb Langsam“ beweisen es: der 3. Teil ist immer besser als der
2. Oder anders gesagt: Bei einer Folge von drei, ist der zweite Teil meistens schlecht, Teil drei aber
durchaus wieder ansehnlich. Karsten Dusse, Anwalt und Autor aus Leidenschaft kennt und wendet
diese Formel auch bei seiner „Achtsam morden“- Reihe an.
Björn Diemel nimmt den Kampf gegen seinen inneren Schweineh- und gegen die Entdeckung, dass
er in Wirklichkeit Leiter zahlreicher Verbrechensorganisationen ist, erneut auf, und macht sich auf
den (Jakobs-) weg. Verfolgt von vielfältigen Vorfällen mit Todesfolge, ausgerüstet mit keiner Scheu
vor schwarzem und blutigem Humor aber auf jeden Fall vor den eigenen Gefühlen und der
persönlichen Vergangenheit bestreitet der schreitbare Anwalt und Verbrecherboss zwischen
zahlreichen anderen Pilgerarchetypen den Camino.
Der Kern der Sache sind dabei die durchaus ernstgemeinten Ratschläge von Diemels Guru. Was im
zweiten Teil zu konstruiert daherkam, lässt sich hier wieder luftig kichernd durchschlendern und
auch die Gags sind wieder stimmig- und blutiger. Einzig das Ende ist – wie auch im dritten Teil von
Indiana Jones, etwas zu pathetisch geraten, nichts desto trotz, der Ruhm Dusses ist ungebrochen
und wächst, was wohl auch dazu beigetragen hat, dass der 3. Teil erst in HC erschienen ist. Man
darf gespannt sein, um welches Thema sich der vierte dreht, asiatische Martialphilosophie ist mein
Tipp.
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Mord zum Ausleihen 3 Blutrote Perlen in der Saison 2021/22
UMFRAGE:
Womit soll sich Björn Diemel im 4. Teil beschäftigen dürfen?
1. Achtsam mord-(Z)en (fernöstliche Philosophie)                            1.   :
2. Achtsam morden 4 - Ich töte also bin ich (klassisch-                     2.   :
   westliche Philosophie)                                                   3.   :
3. Achtsam morden, jetzt wird aufgeräumt! (Marie-                           4.   :
   Kondo-Magic-Killing)
                                                                            5.   :
4. Achtsam morden: Man sieht nur mit dem Messer gut
   (Der kleine Prinz will achtsam morden)
5. Achtsam lieben: Liebe dich selbst und es ist egal, wen
   du tötest (Retten Sie Ihre Ehe mit der Achtsam
   morden-Ehephilosophie)

                            Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG |
                                                                                     10
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Bernd Schwarze
„Mein Wille geschehe“
FC, Knaur Vlg.                                                      Ort:            Alsberg, D
Broschur, 368 Seiten                                                Blut:           0,5
ISBN: 978-3-426-52752-8                                             LitQual:        1
ET: 07/21, € 15,50                                                  Lesbarkeit:     2; IT, BS
Es ist kurz vor Ostern und Benedikt, der evangelische Pastor, der Petrikirche ist Bedrängnis. Seine
Frau hält ihn für einen Versager, seine Chefin und seine Schäfchen ebenso und seine Predigten findet
sogar er selber langweilig. Als eine Jugendliche bei ihm nach dem Sakrament der Beichte fragt (im
evangelischen unüblich aber nicht unmöglich), fallen die verbliebenen Gläubigen wie ein Mob über
ihn her, angeführt vom ekelerregend erfolgreichen Tankstellenkönig des Ortes. Der beichtet dem
Pastor in der Sakristei zynisch die Misshandlung seiner eigenen Frau, in die der Pastor sich etwas
verguckt hat, sogar ein Video seiner Gräueltaten präsentiert er. Doch da brennen bei Benedikt die
Sicherungen durch. Kurzerhand erschlägt er den Grauslichen mit einem Kreuz und versteckt ihn in
der kirchlichen Krypta. Doch das Gewissen plagt ihn zu sehr und er gesteht der wunderschönen,
frischgebackenen Witwe seine Tat, die ihn tatsächlich vor Dankbarkeit küsst. Gottseidank ist
Benedikts Frau bei einer Fortbildung – zufälligerweise mit des Pastors präpotentem Bruder und als
dann schließlich noch ein Blutfleck am Auge der Statue des heiligen Petrus entdeckt wird und ein Teil
der Gemeinde gar an ein Wunder glauben will, da wird es für Benedikt wirklich eng.
Ganz amüsant, jedoch leider mit inkonsequent erzählten Charakteren. Mir ist es zu viel geworden,
als dem verzweifelten Pastor am Karsamstag am Abend in einem Wirtshaus ein mysteriöser
Zimmermannslehrling das Brot bricht und seinen Wein mit ihm teilt. Ein gutes Geschenk aber
bisschen viel Weihrauch für einen Krimi.

                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                11
DEUTSCHLAND                                                                           versus                                             ÖSTERREICH
Oliver Pötzsch „Das Buch des Totengräbers“                                                                                    René Anour „Die Totenärztin – Wiener Blut“
CC/R, Ullstein Vlg.                               Ort: Wien, 1893                                                      CC/R, Rowohlt Vlg.                          Ort: Wien, 1908
Broschur, 448 Seiten                              Blut:            2                                                   TB, 416 Seiten                            Blut & Schleim: 2
ISBN: 978-3-86493-166-6                        LitQual:          0,5                                                   ISBN: 978-3-499-00558-9                            LitQual: 1
ET: 2021, € 17,50               Lesbarkeit: 1,5; SEB, IT, IL, BS, DS                                                   ET: 2021, € 12,40                    Lesbarkeit: 2; SEB, IT, IL
       Ermittelnder: Leopold von Herzfeld, gedisst von seinen
                                                                                                                       Fanny Goldmann, Tochter eines ehemals reichen, doch
   Kolleg*innen (!) weil er deutscher und jüdischer Herkunft
 ist, was in Wien keinen schlanken Fuß macht – noch immer
                                                                                                                       nun verwitweten und gesundheitlich stark
    nicht – kommt frisch nach Wien und stößt, noch bevor er                                                            angeschlagenen Wiener Bürgers ist eine der ersten
            sich melden kann, auf den schrecklichen Fall eines                                                         Frauen, die in Wien Medizin studierten. Nichts desto
gepfählten Dienstmädchens. Als Deutscher, der noch dazu in                                                             trotz ist die einzige Arbeitsstelle, die sie bekommt, die
           der Steiermark von seinem Mentor in progressiven                                                            als Assistentin in der Prosektur und obwohl gstudiert,
  Methoden ausgebildet wurde, weiß er natürlich nichts von                                                             wird sie wie eine Asisstentin behandelt. Als ein
       der wichtigsten Wiener Umgangsform des „Nach oben                                                               Obdachloser eingeliefert wird, bemerkt Fanny seine
     Buckelns und nach unten Tretens“, stapft so fröhlich von                                                          manikürten Hände und sein gepflegtes Gebiss und führt
  einem Fettnapf in den nächsten und wird bald zur Persona                                                             – unerlaubt – eine Obduktion durch. Mithilfe eines
non existenzia. Als solcher sucht er sich eine Telefonistin und                                                        mysteriösen jungen Mannes und ihrer besten Freundin

                                                                                   1:3
   einen Totengräber als Verbündete und klärt den Fall nach                                                            kommt sie schließlich einer Verschwörung auf die Spur,
       allerlei düsterer Alt-Wien-Romantik auf. Ist eh lieb, für                                                       die die hässlichste Seite des Wiener Adels entblösst.
   Wiener aber gänzlich ungeeignet, aus einer ganzen Reihe
                                                                                                                       Anour hat grandios recherchiert und auch, wenn in
   von Gründen: 1) Leider ein wenig zu sehr romantisiert. 2)
      Der Grausamkeit der Todesart wird im Mordmotiv nicht
                                                                                                                       Grundzügen holprig gehandelt und zweitweise zu viele
    Sorge getragen. 3) Holprig in der Kausalität und natürlich                                                         Zeilen auf die Konstruktion verwendet werden, hat
      allen anderen Gründen voran: „Wo kommen wir da hin,                                                              Anour eines grundsätzlich begriffen: „Außen Hui, innen
  wenn uns ein Deutscher erzählt, wie superbescheiden das              Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG |   Pfui“ funktioniert besser als umgekehrt. 12
    Leben in Wien 1893 & die Wiener damals waren, Oida?“.                            www.seeseiten.at
Torsten Schönberg                                                                             2,5

          „Der Stempelmörder“
          FC/R, Gmeiner Vlg.                                               Ort:          Wien
          TB, 344 Seiten                                                   Blut:         1,5
          ISBN: 978 3 8392 2810 4                                          LitQual:      2
          ET: 04/2021, € 13,-                                              Lesbarkeit:   2; IT
Torsten Schönbergs künstlerisch verfremdete Version der Bundeshauptstadt ist faszinierend, vor allem weil
diese dem wahren Wien ungemütlich nahe kommt.
Endlich nimmt die österreichische Regierung die Gefahr durch die Ausländer ernst und konzentriert ihre
rassistischen Bemühungen auf die größte Einwanderergruppe: Wirtschaftsflüchtlinge aus der BRD. Damit
dieselben ordentliches österreichisches Verhalten und die dazugehörigen Manieren richtig verinnerlichen,
müssen sie sich streng kontrollierter Anwesenheitspflicht in Männer- bzw. Frauenwohnheimen, sowie einem
mehrmonatigen Umerziehungsprogramm beugen. Das umfasst unter anderem den Dienst am Müllesel, das
Stillettieren, also das Erstechen mutmaßlicher Scheintoter am Zentralfriedhof, das Trimmen des
Schrebergartenrasens des Oberinspektors mithilfe einer Nagelschere oder – am Allerschlimmsten – das
Kellnerieren am Dornbacher Kirtag. In diesem Hamsterrad stecken der Juri und sein Kärntner Kollege Georg fest,
als die erste Leiche auftaucht – erstochen und mit dem Stempel „Piefke 5“ – so der Name des Programms
versehen.
Schönberg – selbst Österreicher mit deutschen Wurzeln – erzählt mit viel Ironie und einem starken Hang zum
Skurrilen, wobei den phantastischen Elementen einiges an Recherche zugrundeliegt. So gibt es zB eine
spannende Verfolgungsjagd an Bord der Wiener Leichenrohrpost. Schönberg ist für Liebehaber extremen
Humors eine Entdeckung, für den häufiger vorkommenden Entspannungsleser enthält „Der Stempelmörder
möglicherweise etwas zu viel erzählerische Sprunghaftigkeit und Wahnwitz.
          Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                           13
Günther Pfeifer                                                                                       4

„Endstation Waldviertel“
FC/R, Emons Vlg.                                                 Ort:          Waldviertel
TB, 256 Seiten                                                   Blut:         1
ISBN: 978 3 7408 1140 2                                          LitQual:      2
ET: 05/2021, € 12,40                                             Lesbarkeit:   3; GT, IL, IT
Als Autor von zahlreichen humorvollen FC/R-Romanen rund um die Mordbuben Hawelka &
Schierhuber (Haymon) hat der Hollabrunner gelernte Maler, Anstreicher und Autor mit
„Endstation Waldviertel“ seine ganze Erfahrung zusammengenommen und einen Volltreffer
gelandet.
Als die Crew des touristisch aktiven Waldviertel Express auf den Schienen einen Kopf statt des
traditionell versteckten Schwammerls findet, kehren zeitgleich mit kopflosem Schrecken die
Unruhe in Form von St. Pöltner Ermittlern ins beschauliche Leben der Hobbyeisenbahner und
Tourismusattrakteure ein. Als ob die heimischen Polizisten Unterstützung beim Chaos stiften
bräucherten.
Pfeifer bleibt dabei den Menschen und der Lebenswelt des nördlichen Niederösterreich
gewogen, die von außerhalb (St. Pölten) kommen, dürfen zwar, müssen aber nicht sympathisch
sein (umgekehrt gilt das selbe für die Waldviertler). Die Waldviertler werden liebevoll erzählt,
beeindruckend ist auch natürlich die Paarung humorvoller Krimi mit Lokalkolorit und
Dampfeisenbahn, was für LeserInnen so ziemlich aller Art an Attraktivität kaum überbieten zu
sein dürfte. Den Witz hält das Buch bis zur letzten Seite durch, nicht eine Zeile war zu finden, in
der der charakter- und regionaltypische Humor langweilig oder gar routiniert wirken würde.
Endstation Waldviertel war eine außergewöhnliche Regionalkrimi-Erfahrung!
Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                                 14
Auf www.waldviertelbahn.at finden sich der
Fahrplan von und zusätzliche Informationen zur
Waldviertelbahn ohne Leiche, deren literarische
Umsetzung Günther Pfeifer außerordentlich gut
gelungen ist.

Neben den bei Haymon erschienen gibt es bei
Emons noch zwei weitere Krimis sowie einen
Weinviertel-Reiseführer von Günther Pfeifer.

                                                  15
4,5
Georg Haderer
„Seht ihr es nicht?“Schimmer 1
CC/Lit, Haymon Vlg.                                                   Ort:            Ö
HC, 336 Seiten                                                        Blut:           0,5
ISBN: 978-3-7099-8125-2                                               LitQual:        3
ET: 24/08/21, € 24,90                                                 Lesbarkeit:     3; GT, SEB, IT
Ein Mann verschwindet, eine Familie wird ermordet, die einzige Überlebende, die Tochter, ist
spurzlos verschwunden und die Presse sitzt der Polizei im Nacken. Philomena Schimmer, geniale
Ermittlerin in einer Sondereinheit zum Auffinden vermisster Personen und Mitglied einer
wahnwitzig turbulenten Familie wird angefordert, weil die Presse. Als sich herausstellt, dass die
ermordete Mutter früher im Bereich sich selbst vermehrender Nanoroboter geforscht hat, wird gar
ein terroristischer Anschlag befürchtet und zur Sicherheit einmal der Notstand ausgerufen.
Georg Haderer schafft, womit ich nicht gerechnet hatte – er ist noch genialer geworden. 8 Jahre ist
sein letztes Buch her und Major Schäfer ist Geschichte. Mit Philomena hat er eine vielseitige,
intelligente, ehrliche und realistische Heldin geschaffen, die ihr selbst und ihren Lieben nichts erspart
und gleichzeitig das tut, was man von einer guten Heldin erwartet: sie unterhält auf gutem Niveau,
mit Leichtigkeit und mit frechem, intelligentm Humor. Philomena, ihre Schwestern, ihre Mutter, ihre
Freunde und ihre Geister verlieren nie den Boden unter den Füßen und wagen sich trotzddem ins
Unglaubliche vor.
„Seht ihr es nicht?“ ist ein genialer Wurf, von dem ich wünschte, er würde nicht mehr enden, meiner
Meinung nach hat Georg Hadderer den Krimi des Jahres geschrieben. Unbedingt kaufen, lesen,
einladen, empfehlen und verschenken ist meine Meinung, aber glauben Sie mir nicht, lesen sie
dieses Buch selbst!

                    Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                     16
Martina Parker „Zuagroast“ Gartenkrimi 1
CC/FCR, Gmeiner Vlg.                                                  Ort:            Südburgenland
Broschur, 507 Seiten                                                  Körperflüssigkeiten: 1;
ISBN: 978-3-8392-0095-7                                               Gartenerde:     5
ET: 07/21, € 17,-                                                     LitQual:        3
                                                                      Lesbarkeit:     3; GT, SEB, IT, IL
Eigentlich sind mir Regionalkrimis ein Graus. Nach dem Genuß von „Zuagroast“ muss ich diese
ungerechtfertigt generalisierende Aussage folgendermaßen präzisieren: Regionalkrimis, die immer
nach demselben Schema ablaufen und deren Humor im Bierzelt hängengeblieben ist, sind mir ein
Graus aber je mehr ich drauf einlasse, desto klarer wird mir, dass dieses Bild, das ich von
Regionalkrimis habe totaler Schmonzens ist.
Martina Parker hat den ORF-Textfunken Wettbewerb mit einem Kurzkrimi gewonnen (im Buch
angehängt) und hat sich folgend gedacht: warum nicht ausbauen.
Über Social Media hat sie sich Anregungen und Handlungsentscheide geholt und hätte ich das vorher
gewusst, ich hätte „Zuagroast“ wahrscheinlich nicht gelesen (schon wieder interner Schmonzens)
und mir wäre ein Riesenspaß entgangen.
Vera zieht mit ihrer pubertären Tochter ins Südburgenland auf den Hof, den sie von ihrer Oma geerbt
hat. Eva lebt mit ihrem A(ußergewöhnlich) R(enitenten) S(chönling und) C(hauvinistischem) H(iasl)
von einem Mann und ihrer Tochter in einem architektonisch an ein Raumschiff erinnerndes Haus,
schließlich ist er FAST Architekt, also eigentlich hat er die Prüfung nicht geschafft, aber in Österreich
lässt sich sowas immer regeln, vor allem wenns um Geld geht. Und Ebenfalls im Südburgenland,
schließlich kann sich Paul im Nordburgenland nicht mehr blicken lassen, weil sein letztes Projekt, ein
Luxus-Wohnpark im Naturschutzgebiet am Neusiedlersee vor lauter Baumängeln fast
auseinanderfällt.
                     Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                   17
Martina Parker „Zuagroast“ Gartenkrimi 1
Kein Wunder, dass die dortigen Mieter diese Baumängel gern persönlich an Paul weitergeben würden. Aber wer sich
von solchen Kinkerlitzchen aus der Fassung bringen lässt, ist selber schuld! Paul hat schon ein neues Projekt in
Planung und sucht neue Verbündete in Politik und Baubranche. Aber Architektur ist nicht das einzige Gebiet, mit
dem Paul sich nicht auskennt, auch von Frauen, Beziehungen und Empathie hat Paul keine Ahnung. Und während er
Eva mit Beschimpfungen, Psychoterror und Schlägen zwingt, für ihn die Vorzeigefrau zu mimen, hat er eine Affäre
nach der anderen. Paul ist allein deshalb und auch wegen seines neuen Projektes selten daheim. Weshalb Eva und
ihre Tochter in Vera und dem Buchschacher Gartenclub neue Freunde und ein neues Betätigungsfeld finden. Eva
findet außerdem Hinweise zu interessanten Pflanzen, die, richtig angewandt, allerlei Möglichkeiten bieten, sich
diskret für Pauls jahrelange aufopfernde Arbeit und seine herausragenden Leistungen als Ehemann und Vater zu
bedanken. Aber Eva ist nicht die einzige Person, die noch eine Rechnung mit Paul offen hat.
„Zuagroast“ ist ein wunderbar witziger und gleichzeitig extrem einfühlsamer Rachekrimi, der ernsthafte
Problemfelder, wie Gewalt in der Ehe oder Korruption gekonnt, umsichtig und mit äußerst befriedigendem Humor
aufs Tableau bringt. Die Journalistin Martina Parker holt dabei das wunderbare Südburgenland, seine Menschen,
seine Kultur und seine Sprache vor den Vorhang, erklärt, u.a. wie man Seife herstellt oder ein Hügelbeet anlegt und
lässt die Leserinnen und Leser an ihrem umfangreichen Gartenwissen teilhaben. Locker, leicht, amüsant und
intelligent, „Zuagroast“ ist ein Lesegenuss und gehört in jede Bibliothek!

Mehr zu Martina Parker und die Möglichkeit ihr bei der Handlung des 2. Teils „Hamdraht“ dreinzureden (Frühling 22,
Hier gehts zur Leseprobe: www.martinaparker.com/news/leseprobe-hamdraht) und Südburgenland-Tipps fürs
„Zuagroaste“ und Touristen finden Sie unter www.martinaparker.com und auf div. SocMed-Kanälen unter
@MartinaParkerschreibt.
                         Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at               18
4,75
Constanze Scheib „Der Würger von
Hietzing“ Die Gnä´ Frau ermittelt 1
CC, Oktopus im Kampa Vlg.                                           Ort:            Hietzing / Favoriten
Broschur, 288 Seiten                                                Blut:           0
ISBN: 978 3 311 30014 4                                             LitQual:        2,5
ET: 26/08/21, € 16,50                                               Lesbarkeit:     3; GT, SEB, IT, IL

„Der Gaskassier ist da!“, so kündigte sich Harald Sassak seinen ahnungslosen Opfern an.
Sassak gab Anfang der 70er Jahre in Wien in ordentlicher Kleidung und mit gefälschtem
Ausweis vor, die Gasgeräte alleinstehender, älterer Frauen kontrollieren und das Gasgeld
kassieren zu müssen, schlug sie nach getaner Arbeit nieder und raubte sie aus ohne
verwertbare Spuren zu hinterlassen. Soweit das Vorbild.
Die gnädige Frau Ehrenstein, gebildet, intelligent und verheiratet mit dem gefühlsarmen
aber einfluss- und vor allem über alle Maßen reichen Oskar Ehrenstein findet es unglaublich,
dass in ihrer Nachbarschaft - im schönen Hietzing - solche Verbrechen passieren. Ausserdem
ist ihr langweilig. Furchtbar langweilig! Und auch wenn zwischen ihr und Oskar schon lang
nichts mehr passiert ist, von einem Liebhaber hält sie nichts. Ihr Sohn Willi wird vom
Kindermädchen betreut, ihre Freundinnen kauen das immer wieder gleiche Getratsche
wieder und die Haushälterin, die alte Frau Berkovics zu ärgern, die die Dienerschaft der Villa
unter ihrer Fuchtel hat, wird auch schön langsam langweilig.
Was aber weder Berkovics noch Oskar, Willi oder gar ihre Freundinnen wissen, pflegt die
gnä´ Frau Umgang mit Mitgliedern der Dienerschaft, im Speziellen mit der sympathischen
und etwas goscherten Marie, die die Liebe ihrer Hausherrin zu Whisky, Jazz und Krimis teilt.

                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                   19
4,75
Constanze Scheib „Der Würger von
Hietzing“ Die Gnä´ Frau ermittelt 1
CC, Oktopus im Kampa Vlg.                                           Ort:            Hietzing / Favoriten
Broschur, 288 Seiten                                                Blut:           0
ISBN: 978 3 311 30014 4                                             LitQual:        2,5
ET: 26/08/21, € 16,50                                               Lesbarkeit:     3; GT, SEB, IT, IL

Als die Tante eines anderen Dienstmädchens Opfer eines weiteren Raubmords wird und die
Polizei sich immer noch weigert, einen Serientäter in Betracht zu ziehen, wird Marie
kurzerhand genötigt, die gnä´ Frau in Kontakt mit der Unterschicht, ja sogar mit den wilden
Hippies zu bringen, um mehr herauszufinden. Schließlich kennt man das ja von gnä´ Fraus
Lieblingsdetektivin Miss Marple. Der Polizei musss man helfen, allein sind die komplett
nutzlos.
Constanze Scheib ist auf Anhieb ein äußerst amüsanter, fein in Szene gesetzter Krimi
gelungen. In den Dialogen oft im Wienerischen angesiedelt, gibt gnä´ Frau einen Einblick in
die schönsten sprachlichen Blüten, ohne es zu übertreiben. Die Musikszene der Zeit kommt
ebenso zur Geltung wie Mode, Gesellschaft und politische Stimmung. Kaum zu glauben, wie
spießig und gleichzeitig wild die Stadt einmal war. Eine gelungene Zeitreise, liebenswerte
Personen und ein spannender Fall, ich hoffe die gnä´ Frau ermittelt weiter. Einzig am Ende
trägt sie ein klein wenig zu dick auf, auch wenn die erzählerische Notwendigkeit des Schrittes
auf jeden Fall erkennbar ist. Leseempfehlung!

                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                   20
Ernst Geiger „Der Heimweg“
     N, Edition A                                                        Ort:            Wien
     Broschur, 352 Seiten                                                Blut:           1
     ISBN: 978-3-99001-540-7                                             LitQual:        2
     ET: 08/21, € 16,-                                                   Lesbarkeit:     3; GT, S, IT, IL
Die Morde der „Bestie von Favoriten“ gehören zu den dunkelsten Stunden der Wiener Kriminalgeschichte. Wiener
Polizeilegende Hofrat Geiger berichtet.
Die „Bestie von Favoriten“ hält ganz Wien in Atem. Hofrat Ernst Geiger, Vorstandsstellvertreter des Büros für
Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung erzählt die Mordfälle an Alexandra Schriefl, Christina Beranek und
Nicole Strau akribisch, umsichtig und respektvoll, wobei im Mittelpunkt immer die oft frustrierende Polizeiarbeit
steht. Die Stimmung ist düster und aussichtslos, genau wie das Wien der 80er am Rande der Digitalisierung. Geiger
würzt seinen Bericht mit grade genug Kunstgriffen, so dass das trostlose Jahrzehnt tatsächlich nach Tatort zu
schmecken beginnt. Ähnlich wie bei der Frittatensuppe vom Wirten und der Suppenwürze aus der braunen Flasche.
An forensischen Beweisen ist das höchste der Gefühle die Blutgruppe und ein analoger Fingerabdruckkatalog. DNA
oder gar Profiling kennt nur die Forensik-Assistentin mit dem Praktikum in den USA. Alle drei zusammen sind für
den jungen und ungestümen Eddy ein feuchter Traum.
Aufgrund der zeitlich getrennten Erzählebenen ist schon anfangs klar, dass der Täter erst ca. 20 Jahre nach seinen
Gräueltaten geschnappt werden wird, trotzdem kann Geiger die Spannung aufrechterhalten. Das liegt vor allem
daran, dass er sich auf das konzentriert, was er kennt und erzählen kann: die Polizeiarbeit.
Dass er die Lebenswelt der Wiener aus Favoriten in den Mittelpunkt stellt, ebenso wie die Situation der Frauen und
die beginnende Frauenbewegung, macht „Heimweg“ zu einem spannenden, vielschichtigen und faszinierenden
Polizeikrimi, bei dem sowohl Begegnungen mit Max Edelbacher wie auch Johanna Dohnal am Programm stehen.

                        Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                      21
4

Anne Goldmann „Alle kleinen Tiere“
Lit, Ariadne Vlg.                                                   Ort:            Ö
HC, 301 Seiten                                                      Blut:           0
ISBN: 978-3-86754-251-7                                             LitQual:        3
ET: 2021, € 18,40                                                   Lesbarkeit:     3; GT, IT
Rita findet zwischen zwei Autos eine tote Hündin und wird von einem jähzornigen Polizisten
festgenommen. Tom versteckt sich fast immer in seinem Haus, weil ihn die Medien vor
Jahren fälschlicherweise als Sexualstraftäter präsentiert haben, Marisa verzweifelt am
eigenen Beziehungsleben und den Anforderungen einer männlich dominierten, korrupten
Baubranche und Ela muss sich zusätzlich zur erdrückenden Last Ihrer Albträume gegen die
Angriffe eines enttäuschen Erben wehren, weil sein Vater, nachdem Ela ihn gepflegt hat, ihr
das Haus mit Garten vermacht hat.
Als die Baufirma in der Marisa arbeitet die Häuser des Grätzels aufkaufen will, geraten die
Leben dieser Menschen aus dem Takt. Alte Wunden werden aufgerissen und der Druck
droht zu viel zu werden. Doch eines haben diese Menschen gemeinsam, sie klammern sich
mit aller Macht an das was sie haben und wenn es noch so wenig ist.
Anne Goldmann hat einmal mehr bewiesen, dass sie Menschen bis ins tiefste Innerste ihrer
Seelen schauen kann. Ungewöhnlich erzählt gehorcht dieser „Thriller“ keiner der
herkömmlichen Bauanleitungen, wer Spannung nach Schema F sucht, wird hier nicht fündig.
Die einzigartige österreichische Autorin erzählt brilliant, respekt-, würdevoll, mit Sorgfalt und
zärtlich. Ein Empfehlungstitel., wenn jemals einer geschrieben wurde.
                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at               22
Colin Niel„Nur die Tiere“                                                                   3
Lit/D/N, Lenos Vlg.                                  Ort:          Frankreich/Afrika
Paperback, 286 Seiten                                Blut:         0
ISBN: 978-3-85787-827-5                              LitQual:      3
ET: 07/2021, € 16,40                                 Lesbarkeit:   2; GT, TV, IL, BS
Nur die Tiere hören den Tod. Ein Pageturner der besonderen SorteEin ausgestorbenes Dorf
am Rande des französischen Zentralmassivs, starrköpfige Bauern, eine Sozial-arbeiterin
und eine ganze Men-ge Schafe sind die Kulisse dieses atmosphärisch einzigartigen Ro-
mans. Handlungstragend sind Stil-le, Einsamkeit und die verkarste-te Landschaft der
menschlichen Gefühle. »Nur die Tiere« ist ein Page- oder viel mehr ein Chap-terturner,
jedes Kapitel fügt der Geschichte eine zusätzliche Perspektive, jede Perspektive der
Landschaft einen weiteren Farbton hinzu. Doch von An-fang an: Évelyne Ducat, die Frau
eines zu Geld gekommenen Ex-Viehbauern, verschwindet spurlos im zerklüfteten Hoch-
land. Jeder spricht davon, jeder hat seine Vermutungen, still sind nur die Tiere. Die müssen
versorgt, gepflegt, gezählt und rein gehalten werden. Alice ist Sozialarbeiterin und
kümmert sich um die Bauern der Gegend, an vielen Fronten kämpft sie gegen
Vereinsamung und Ver-wahrlosung, so sieht und hört sie einiges. Josef hat niemanden
mehr, seit seine Mutter gestorben ist, ist Alice die erste Frau, die mit ihm spricht. Und
während Alice alles tut, um die Einsamkeit auszu-merzen, kapselt sich Alice’ Mann immer
mehr ab, er arbeitet und schweigt, sein einziger Anspruch, so scheint es, ist eine
Unbekann-te. Wie nebenbei verwebt Niel die Handlungsstränge, wie zufällig grei-fen
wohlmeinende und verzweifelte Motive ineinander und zeigen den Menschen in seiner
wahren Form: als Gefangenen im traurigen, aus-sichtslosen Spiel seiner Triebe und
Wünsche. Frei ist nur das Land, frei sind nur die Tiere. Filmtitel: „Die Verschwundene“.
Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                         23
3,75
Guillermo Martínez
„Der langsame Tod der Luciana B.“
Lit/D, eichborn Vlg.                                                  Ort:           Argentinien
Broschur, 220 Seiten                                                  Blut:          0
ISBN: 978-3-8479-0076-4                                               LitQual:       3
ET: 04/21, € ,-                                                       Lesbarkeit:    2,5; GT, IT

Ich muss Sie warnen, dieser Kriminalroman wird Sie wütend machen. So wütend, dass Sie
ihn durch die Gegend pfeffern wollen. Andererseits ist es mir selten passiert, dass mich ein
Autor so dermaßen kunstvoll hat anrennen lassen.
Kurz erklärt: Der höchst erfolgreiche, umschwärmte aber mysteriöste Autor Kloster – er
erzählt in seinen Romanen den perfekten Schrecken, das Grauen an sich, ohne niveaulos
oder gar pervers zu schreiben – verlässt für einen Monat das Land, woraufhin der Agent des
ambitionierten aber weit weniger berühmten Autors und Ich-Erzählers demselben die
talentierte und höchst disziplinierte Sekretärin Klosters vermittelt, da dieser aufgrund einer
Verletzung nicht zu schreiben imstande ist. Wüsste Kloster davon, er würde es nicht
erlauben, Luciana, höchst konsequent, immer pünktlich und eine Magierin auf der Tastatur
ist sein Schatz, nicht seine Muse, aber seine Erfüllungsgehilfin, die geduldig und genau bis
zum letzte i-Punkt alles überträgt, was der Meister spricht. In den kurzen Zeit, die sie
„fremdgeht“ merkt der Ich-Erzähler, warum Kloster so versessen auf Lucianas Assistenz ist.
Die junge Frau verliert nie ein Wort zu viel, ist immer professionell, zurückhaltend und
aufmerksam. Doch es kommt, wie es kommen muss, die Zeit vergeht und Luciana kehrt
zurück an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz.
                          Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at           24
3,75
  Guillermo Martínez
  „Der langsame Tod der Luciana B.“
  Lit/D, eichborn Vlg.                                                  Ort:           Argentinien
  Broschur, 220 Seiten                                                  Blut:          0
  ISBN: 978-3-8479-0076-4                                               LitQual:       3
  ET: 04/21, € ,-                                                       Lesbarkeit:    2,5; GT, IT

Wie der Teufel es will, erfährt Kloster von dem Intermezzo. Fast wahnsinnig vor Eifersucht,
versucht er zum ersten Mal in ihrer ganzen gemeinsamen Laufzeit, sich Luciana
anzunähern, sie zu küssen. Die weicht geschockt zurück und in diesem Moment kommt die
junge Tochter des Maestros ins Zimmer. Luciana ist erschüttert, lässt sich aber von einer
Freundin zu einer Klage überreden. Von diesem Moment an geht es mit Kloster bergab.
Seine Frau will die Scheidung, seine Tochter verstirbt bei einem tragischen Unfall und bald
darauf scheint das Unglück seinen schwarzen Schatten auf Lucianas Leben zu werfen. Die
ist felsenfest überzeugt, dass Kloster dahintersteckt, der sich rächen will.
Martínez erzählt kunstvoll und rücksichtslos und mit vollendeter Sprache was wir nicht
lesen wollen. Was für eine schöne Geschichte: der eifersüchtige, mächtige und
rachsüchtige Künstler, der die Demütigung nicht ertragen kann, die ihm zugefügt wurde
und die arme, unschuldige Frau. Natürlich gibt es das, doch was wollen wir sehen und was
ist die Wirklichkeit? Das Unglück kennt keinen Plan. „Luciana B.“ ist ein raffiniertes, wütend
machendes Buch, vor allem, weil man sich so ertappt fühlt.

                            Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at           25
3,5
Paula Hawkins
„Wer das Feuer entfacht“
D, Blanvalet                                                          Ort:           London
Hardcover, 416 Seiten                                                 Blut:          1
ISBN: 978-3-7645-0782-4                                               LitQual:       2,5
ET: 09/21, € 20,60                                                    Lesbarkeit:    2,5; S
Paula Hawkins ´ „Girl on the Train“ hat das Subgenre „Dramystery“ zu einer Widergeburt
verholfen, unzuverlässige Erzähler*innen neu etabliert und überhaupt dafür gesorgt, dass, sich
außerhalb von Politik, Handel und Marketing an der Nase herumführen zu lassen, eine
literarische Entsprechung findet. Über die missglückte zweite Veröffentlichung der Autorin
„Into the Water“ reden wir nicht, denn jetzt sind wir beim Feuer, wenn auch nur metaphorisch.
Carla, Miriam, Laura, Irene und Angela tanzen mit Carlas Schriftsteller-Ex-Mann Theo und der
Polizei um die Leiche von Angelas Sohn herum. Angela ist übrigens tot, die Stufen
hinabgestürzt. Carla – Angelas Schwester – ist darüber nicht unbedingt traurig, ist doch Angela
für den Unfalltod ihres eigenen, vor Jahren viel zu früh verstorbenen Sohnes verantwortlich,
was wiederum ihren Mann Theo, die Ehe von Theo und Carla sowie Theos Schriftstellerkarriere
runiert hat.
Theo hat wiederum in seiner Schreibblockaden-Verzweiflung die tragische und schockierende
Entführung von Miriam, die diese mit dem Ziel sie zu veröfffentlichen aufgeschrieben hat, in
einen – zu recht - von der Kritik verissenen Thriller verarbeitet – natürlich ohne Miriams
Einverständnis.

                          Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at      26
3,5
  Paula Hawkins
  „Wer das Feuer entfacht“
  D, Blanvalet                                                          Ort:           London
  Hardcover, 416 Seiten                                                 Blut:          1
  ISBN: 978-3-7645-0782-4                                               LitQual:       2,5
  ET: 09/21, € 20,60                                                    Lesbarkeit:    2,5; S
Das hat wiederum Irene mitbekommen, die die Nachbarin von der dem Alkohol verfallenen Angela war
und zeitweise von der psychisch und körperlich beeinträchtigen Laura betreut wird. Irene ist alt und
Laura ist jung und hübsch und hatte eine kurze Amour fou mit dem – durch den übermäßigen
Alkoholkonsum seiner Mutter Angela und den frühen Tod seines Cousins nicht unbedingt
sozialkompatiblen aber künstlerisch begabten Sohn Angelas, der alles mögliche und unmögliche
gezeichnet und damit nicht unbedingt zum Familienfrieden beigetragen hat und jetzt tot ist. Punkt.
Außerdem hat er auf dem Hausboot neben Miriam gelebt und ist von dieser ermordet gefundden
worden. Miriam wiederum hat genau gesehen, wer wann wo und wie ein- und ausgegangen ist, verrät
aber natürlich nur, was ihr gerade in den Kram passt. Und dass unter den Beobachteten zufälligerweise
Theo ist, kommt ihren Rachegelüsten gerade recht.
Wenn Ihnen das jetzt vorkommt, wie die halbstündige Zusammenfassung einer Telenovela liegen Sie
gar nicht so falsch. Nichts desto trotz ist „Wer das Feuer entfacht“ eine Lesereise wert, denn dramatisch
sind die Enthüllungen, spannend die Persönlichkeiten und wild die Verflechtungen. Eine Warnung:
Lesen Sie nicht die letzte Seite! Denn - Achtung, jetzt kommt noch ein Klischee – Paula Hawkins verrät
in der letzten Zeile der letzten Seite den/die/das Täter*in.

                            Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at      27
1
Uli Brée
„Du wirst mich töten“
PT, Amalthea Vlg.                                                  Ort:           Alsberg, D
HC, 304 Seiten                                                     Blut:          0,5
ISBN: 978-3-99050-206-8                                            LitQual:       1
ET: 14.10.21, € 25,-                                               Lesbarkeit:    2; S, BS, DS
Der Drehbuchautor und Schöpfer der Vorstadtweiber hat sein ganzes Netzwerk
zusammengenommen und einen düster-romantischen Psychothriller geschrieben.
Tabata Goldstaub stürzt als Kind in das Grab der zu früh verstorbenen Mutter, gleich darauf wird
frisch vom Begräbnis weg der Vater verhaftet und seitdem leidet das Kind und später dann die Frau
an a) einer undurchdringlichen Gefühlskälte und b) plötzlichen und unvorhergesehenen
Ohnmachtsanfällen. Die hält sie aber vor fast allen geheim – außer vor ihrem narzisstisch-ödiphalen
Liebhaber und Polizeikollegen, sonst dürfte sie wohl kaum Autofahren, geschweige denn eine Waffe
tragen – andererseits sind wir in Österreich.
Als Tabata – hochschwanger von o.g. Kollegen in der U-Bahn einen Jugendlichen anpöbelt und dieser
daraufhin ein Messer zückt, wird sie von einem mysterösen, sannften Riesen gerettet. Noch
mysteriöserer ist dass selbiger Jugendlicher bald geschächtet in einem Seitenschacht der U-Bahn
gefunden wird, noch mysterösererer wird alles, als Tabata nach einem Ohnmachtsanfall mit der
Mordwaffe, einem blutigen Kleid und - so glaubt sie, bis vor kurzem noch neben dem nun
verschwundenen Riesen liegend - bitte aufmerksam bleiben - in einem Hotel aufwacht, in das sie
sich zurückzieht, wenn sie ihren narzisstisch-ödiphaler Kollegen und Partner nicht mehr aushält. Hat
sich Tabata den Riesen nur eingebildet? Und wenn ja, ist sie die Mörderin? Und wenn nein, welche
Verbindung hat der Riese zu ihrer und zur Vergangenheit ihres Partners und ihres Kindes und ihres
Vaters und ihrer Mutter und ihren pathologischen Ohnmachtsanfällen? Vorhersehbar und schwülstig
aber gutes Marketing. Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at              28
Bernhard Aichner                                                                                    3

„Dunkelkammer“ David Bronski 1
PT, BTB Vlg.                                                     Ort:           Innsbruck/Berlin
Klappenbroschur, 352 Seiten                                      Blut:          2
ISBN: 978 3 442 75784 8                                          LitQual:       1
ET: 03/2021, € 17,50                                             Lesbarkeit:    2; S, SEB
Eine mumifizierte Leiche, ein verzweifelter Fotograf, eine tragische und eine hoffnungsvolle
Liebesgeschichte, eine verschwundene Tochter und
die starke, geniale, stabile Schwester von - Vorhang auf - dem scheinbar gewissenlosen
Starpressefotograf David Bronski. Der sich selbst bemitleidende, gequälte, unsympathische
Bronski, der analog aufgenommene Fotos von toten Menschen sammelt wird von einem
inzwischen obdachlosen Ex-Kollegen auf einen Sensationsfund in einer leerstehenden Innsbrucker
Immobilie aufmerksam gemacht. Angeknüpft an diese Leiche ist der Rattenschwanz Bronskis
persönlicher Familientragödie. Seine verstorbene Frau (zum Selbstmord getrieben), seine
verschollen geglaubte, aber in Wirklichkeit gestohlene Tochter, sein, ihm bisher unbekannter
Erzfeind.
Auf Bronskis Seite stehen seine Kollegin, die ihn erst nicht leiden kann und dann seinem rauen,
tragischen Charme verfällt und seine Schwester, die ihn hart aber herzlich durch die Handlung
schleift.
Aichner funktioniert für Aichner-Fans, das gilt auch hier. Allerdings, Blut ist dicker als (Salz-)wasser
und so bleibt zu hoffen, dass Teil 2 in Blut badet und nicht - wie hier - in Tränen ertrinkt.

Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                                29
Bernhard Aichner                                                                                     2

„Gegenlicht“ David Bronski 2
T, BTB Vlg.                                                      Ort:          Berlin/Sierra Leone
Klappenbroschur, 320 Seiten                                      Blut:         2
ISBN: 978-3-442-75917-0                                          LitQual:      1
ET: 07/2021, € 17,50                                             Lesbarkeit:   2; S, LS, BS, DS
OK, mehr Blut war es nicht, aber zumindest ein bissl weniger Tränendrüse. Ein Mann fällt vom
Himmel und landet im Garten eines Frühpensionärs und reichen Erben, der sich gerade mit seiner
„Wir treffen uns alle 14 Tage, ich bezahle für das Treffen, aber ich bin ja einer von den Guten und sie
genießt das sicher auch“- Bekanntschaft Oxana vergnügt. Die Prostituierte untersucht den Körper,
während der Freier sie verlacht, dass man da eh nichts mehr machen könnte, findet 5 Rohdiamanten
in der Hosentasche des Toten. Mit denen haut sie ab und akkurat wird wenige Tage später der
Sympathieträger ermordet aufgefunden, aber erst nachdem Bronski, Svenja und Judith ihn interviewt
haben. Die finden heraus wo Oxana wohnt, dort liegt auch eine Ermordete – Oxanas
Lebenspartnerin, folglich retten Bronski, Svenja und Judith dieselbe vor der Polizei und den beiden
vor der Wohnung wartenden Männern.
Bronski und Svenja finden heraus, wer der Tote war (sein Gesicht wurde in einer Zeitung in Sierra
Leone veröffentlicht und der Vater hat sich gemeldet). Dann fliegen Bronski und Svenja auf Kosten
der Zeitung nach Sierra Leone interviewen zwei Leute, finden raus, wer der eigentliche Übeltäter ist
– ein Hehler der vom Freund des ersten Toten bzgl. des Verkaufs der Diamanten angesprochen
wurde - und fliegen wieder zurück.

Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                                30
Bernhard Aichner                                                                                     2

  „Gegenlicht“ David Bronski 2
  PT, BTB Vlg.                                                     Ort:          Berlin/Sierra Leone
  Klappenbroschur, 320 Seiten                                      Blut:         2
  ISBN: 978-3-442-75917-0                                          LitQual:      1
  ET: 07/2021, € 17,50                                             Lesbarkeit:   2; S, LS, BS, DS
In der Zwischenzeit hat genau der selbe eben herausgefundene, herausgefunden wer Bronski ist
und dass dieser weiß wo die Steine sind und jagt jetzt Bronski.
Bernhard Aichners Stil ist ungebrochen, die Geschichte ist, wenn auch nicht mehr so überemotional
doch an manchen Stellen leider sehr konstruiert.
In manchen Situationen ist der Verlauf fast zu direkt, wenn im ersten Gespräch von Van Walden und
Bronski schlicht und einfach eine tiefe Erzfeindschaft aufgestellt wird. Bei manchen Personen wiederum
vergibt Bernhard Chancen, zB der Polizist, der Spielschulden hat, von den Diamanaten erfährt und die
„Guten“ dann doch nicht reinreitet oder dem Clanboss, ein Verbündeter von Anna, Bronskis Schwester,
der von den Diamanten erfährt, von Oxana mehr oder weniger Schutzgeld erpressen will und das dann
doch nicht tut oder Oxana, die lange im Mittelpunkt der Geschichte steht und dann relativ sang- und
klanglos stirbt. Der Thriller hätte noch 200 Seiten vertragen, vor allem, weil mir das Ende zu einfach
und zu schnell vorbei ist. Ich habe Gegenlicht sehr schnell gelesen, war aber im Endeffekt genervt von
all den vertanen Chancen und ausgelassenen Möglichkeiten.
Aichner ist schnell und polarisiert, auch hier wieder.

  Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                                31
Ursula Poznanski                                                                                3,75

„Vanitas-Rot wie Feuer“ Vanitas 3
AT, Knaur Vlg.                                                   Ort:          Frankfurt
HC, 396 Seiten                                                   Blut:         2,5
ISBN: 978 3 426 22688 9                                          LitQual:      1,5
ET: 03/2021, € 17,50                                             Lesbarkeit:   2; S, LS
Die Ausnahme von der zuvor genannten Dreier-Regel ist definitiv Ursula
Poznanskis Vanitas-Trilogie: die ist mit jedem Teil nur stärker geworden. Im 3. Teil
kommt – nachdem sich Caro zwei Teile lang angsterfüllt verstecken musste, nun
endlich das „Raupe Nimmersatt“-Rache-Prinzip zur Anwendung: Fast jeden Tag
scheint die vom Mafiaclan der Karpovs gejagt ehemalige Fälscherin ein Mitglied
der Verbrecherorganisation auf neue, spannende und vor allem gnadenlos brutale
Art und Weise zu eliminieren, bis sie sich endlich frei und glücklich als blutroter
Schmetterling entfalten kann.
Unterhaltsam und blutig schießt Poznanski das finale Feuerwerk ihrer Trilogie ab
und macht mit Täuschung, Schrottpressen und überraschenden Kooperationen der
Verzweiflung den Weg frei für ihr neues Jugendbuch oder vielleicht sogar eine
neue Thriller-Reihe, wer weiß.

Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                             32
Mark Elsberg „Der Präsident“                                                              4
JPWWT, Blanvalet Vlg.                                        Ort: Griechenland/USA
HC, 608 Seiten                                               Blut:       2
ISBN: 978-3-7645-1047-3                                      LitQual:    2
ET: 03/2021, € 24,70,-                                       Lesbarkeit: 3; S, IT
Ex-US-Präsident Douglas Turner reist nach Griechenland, um dort einen Vortrag zu
halten. Doch am Flughafen wird er im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofes
ver-haftet. Die Anklage: Kriegsverbrechen. Da Griechenland als einziges Vertragsland
zugestimmt hat, dem Haftbefehl Folge zu leisten, sitzt Douglas Turner nun in einem
griechi-schen Gefängnis. Während die ICC-Mitarbeiterin Dana Marin verzweifelt
versucht, sich gegen die Sanktionen und Heerscharen von Anwälten zu wehren, bereiten
die USA nicht nur einen Be-freiungsversuch vor, sie verhängen über Mitarbeiter des ICC,
Griechenland und sämtliche mit Griechenland ver-bundenen Güter Sanktionen und
hohe Zölle. Ein Hinter-grund: Trump hat im Juni 2020 allen Mitarbeitern des ICC mit
Sanktionen, Einreiseverbot und dem Einfrieren von Vermögenswerten gedroht, sollten
die Ermittlungen ge-gen die USA nicht eingestellt werden, doch zu diesem Zeit-punkt
war Elsberg mit seinem Thriller schon halb fertig. Die spannendsten und packendsten
Szenen sind dem Autor mit den Gerichtsverhandlungen gelungen. Das in diesen Szenen
konzentrierte Setting lässt charakterliche Konturen und Handlungsstränge noch klarer
hervortreten. Marc Elsberg ist ein differenzierter, facettenreicher und
multiperspektivischer Thriller gelungen, der ohne Anlauf einem Grisham an Spannung
und Aktualität eben-bürtig ist. Genial, packend und noch mal weit besser als seine
Vorgänger. Von mir aus darf Marc Elsberg nur noch Polit- und Justizthril-ler schreiben.
Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                    33
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Andreas Pittler „Vienna Dschihad“
PoT, echomedia buchverlag                                          Ort:             Ottakring, Wien
Hardcover, 280 Seiten                                              Blut:            2
ISBN: 978-3-903989-18-4                                            LitQual:         2
ET: 2021, € 22,-                                                   Lesbarkeit:      3; IT, IL, DS
Inspektor Glauber soll die Dienststelle Ottakring übernehmen. Zum Eingewöhnen gibt
ihm der in den Ruhestand scheidende Kommandant den Fall einer zwischen zwei
Marktständen mit einem Hammer erschlagenen jungen Frau in die Hand und wirft ihn
damit kurzerhand ins kalte Wasser.
Doch was so aussieht wie ein islamistischer Ritualmord hat weit tiefgehendere Wurzeln.
Glauber und seine unerwarteten Komplizen ermitteln die nächsten 27 Stunden
durchgehend und die Leser sind mittendrin.
Andreas Pittler, erfahrener Autor von u.a. der Bronstein-Serie, schafft es ohne Pause das
Tempo zu halten, zu packen und mitzurreissen ohne zu verkrampft zu wirken. Wiener
Gemütlichkeit trifft Action und einen durchdachten aber leider im Endeffekt
durchschaubaren Plot. Doch es zahlt sich aus und es ist fast unmöglich nicht
fertigzulesen, hört doch die Action nie auf. Ein weiterer kleiner Kritikpunkt: der
anfänglich auftretende Sidekick hätte mehr hergegeben. Fazit: Pittler kann auch
gegenwärtig erzählen, hätte der Verlag jetzt noch einen Titel bzw. ein gefälligeres Cover
gewählt, und wäre nicht so sehr mit der Tür ins Haus gefallen, ein Bestseller wäre nicht
zu verhindern gewesen.
                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                         34
3,75

Anne Freytag „Reality Show“
PoT, dtv                                                           Ort:             Deutschland
Broschur, 464 Seiten                                               Blut:            1,5
ISBN: 978-3-423-26303-0                                            LitQual:         2
ET: 10/2021, € 17,50                                               Lesbarkeit:      3; GT, IT

Weihnachten steht vor der Tür. Egal ob Hautevolle oder Unterschricht, ob mit Braten
oder ohne, ob vor dem Fernseher, gemeinsam oder allein: alle bereiten sich auf ein paar
erholsame Feiertage vor, sogar den erfolgreichen Geschäftsleuten gehen dei Ausreden
aus, die Feiertage nicht zu Hause zu verbringen. Die die es sich leisten können quälen
ihre Lieben damit, dass sie das Theater der perfekten Familie aufführen, wieder andere
genießen die Stille Zeit im Jahr tatsächlich gemeinsam und voller Liebe. Doch dieses
Jahr wird alles anders: Plötzlich läuft auf allen TV-Kanälen dasselbe: „Die Reality-Show“.
42 der einflussreichsten Persönlichkeiten Mitteleuropas werden mit Waffengewalt zu
Hause festgehalten und vor der Kamera mit den dunklen Seiten ihres Erfolgs
konfrontiert. Wenn alles offengelegt wurde soll das Fernsehpublikum das Urteil fällen:
Schuldig oder nicht schuldig? Und wie soll die Strafe aussehen? Gnadenlos und gut
unterhalten schreitet das Proletariat zur Rache, ganz im Widerspruch zu Gill Scott-
Herrons Lied „The Revolution will not be televised“, die Polizei scheint machtlos. Aber
wer steckt hinter diesem Wahnsinnsakt?

                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                    35
3,75

Anne Freytag „Reality Show“
PoT, dtv                                                           Ort:             Deutschland
Broschur, 464 Seiten                                               Blut:            1,5
ISBN: 978-3-423-26303-0                                            LitQual:         2
ET: 10/2021, € 17,50                                               Lesbarkeit:      3; GT, IT

Anne Freytag hat umfangreich recherchiert und erzählt gekonnt, vielschichtig und
konsequent einen genial gestrickten Plot um den Ruf nach sozialer Gerechtigkeit, die
Lost Generation, den Erfolg populistischher Politiker, scheinbar gewissenlose
Wirtschaftstreibende und ein System, das unüberwindbar die Schere zwischen Arm und
Reich auseinanderpresst. Der packenden und emotional spannende Gesellschafts-
Thriller ist zwischen „Fight Club“ und „Die fetten Jahre sind vorbei!“ angesiedelt. Anne
Freytag macht es den Lesern aber nicht einfach und stellt dem Schrei nach nach sozialer
Gerechtigkeit als Echo die Frage der Eigenverantwortung gegenüber, die Schuldfrage
beleuchtet sie aus mehreren Perspektiven und lässt auch die „bösen Reichen“ zu Wort
kommen. Einziger Wermutstropfen: Mit der Fülle der erwähnten 42 Angeklagten hat
sich die Autorin etwas übernommen, denn es werden zwar alle Schicksale angeschniten,
um Tempo und Umfang einhalten zu können, können aber klarerweise nicht alle erzählt
werden, so scheint, das anfängliche Versprechen am Ende nicht ganz eingelöst.

                   Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                    36
Valerie Wilson Wesley                                                                                   4
     „Ein Engel über deinem Grab“,
     Tamara Hayle 1

     Lit/N, Diogenes                                                    Ort:             Newark/New Jersey
     Broschur, 288 Seiten                                               Blut:            1
     ISBN: 978-3-257-30087-1                                            LitQual:         3
     ET: 10/2021, € 16,50                                               Lesbarkeit:      3; GT, SEB,

Gelobt sei der Diogenes Verlag, Tamara Hayle ist wieder erhältlich!
Die Ex-Polizistin hat ihren untreuen, dummen aber reichen Ehemann DeWayne rausgeworfen und
zieht ihren Sohn Jamal nun alleine auf. Es ist besser so; für alle Beteiligten. Als Privatdetektivin
erledigt sie kleinere Aufträge und kommt mehr schlecht als recht über die Runden, als sie von
ebengenannten Exmann beauftragt wird. Einer seiner zahlreichen und über das ganze Land
verstreuten Söhne ist tot aufgefunden worden und DeWayne hat Angst, das jemand sich über seine
Kinder an ihm rächen will. Tamara will eigentlich nichts mehr mit ihm zu tun haben, doch DeWayne
gesteht ihr, dass das nicht das erste Mal ist, dass eines seiner Kinder unter fragwürdigen Umständen
umkommt und schließlich ist auch Jamal sein Sohn. Tamara glaubt noch immer nicht so recht an ein
Verbrechen bis kurz darauf ein weiteres Kind DeWaynes tot aufgefunden wird. Tamara sitzt die
Angst im Nacken und treibt ihre grauen Zellen zu Höchstleistungen an, denn die Polizei nimmt
keinen der Todesfälle ernst. Ein sozialer, intelligenter und großartig erzählter Krimi, wenn jemals
einer geschrieben wurde. Diogenes macht alles richtig, sie fangen bei eins an, verpassen der Reihe
schicke neue Cover und schaffen somit die Möglichkeit, die das letzte Mal vor 15 Jahren
erschienene Reihe neu zu entdecken. Ich danke Keel für dieses Leseerlebnis! Eine Top-Empfehlung!
                        Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at                           37
Stephen Mack Jones                                                                                         3

„Der gekaufte Tod“ August Snow 1
AT, Tropen/Klett Vlg.                                                 Ort: Mexicantown/Detroit
Klappenbroschur, 358 Seiten                                           Blut:          2
ISBN: 978 3 608 50477 4                                               LitQual:       2
ET: FJ/2021, € 17,50                                                  Lesbarkeit:    2; SEB, IL
Detroit ist Motor City, Heimat von Motown Records und, wenn man wirklich interessiert ist, weiß man
vielleicht noch, dass in Detroit Diego Riveras „Detroit Industry Murals“ zu finden sind. Eminem kommt
aus Detroit. Detroit ist das Herz und gleichzeitig der Nachteil dieses faszinierenden Krimis von Stephen
Mack Jones. Niemand kennt Detroit. Keine wogenden Lavendelfelder, keine charmanten aber
stürmischen Klippen, nur das: eine nicht mal besonders alte aber dafür umso verbrauchtere Stadt und
ihre ebensolchen Einwohner zwischen Alltag, patriotischem Stolz und dem alles zermürbendem Kapital.
In der Mitte: August Snow, ein zwangspensionierter Polizist, der durch seine Klage gegen die (korrupte
Oberschicht und den Polizeiapparat der) Stadt nicht nur 12 Millionen Dollar sondern außerdem die
bewundernde Aufmerksamkeit der (bald ermordeten) Großkapitalistin Eleanore Paget, den Neid seiner
ehemaligen KollegInnen, und die (gefährliche) Aufmerksamkeit eines Geheimbundes auf sich gezogen
hat, der vor nichts zurückschreckt, um seine geheimen Machenschaften geheim zu halten. Manchmal
etwas vorhersehbar aber vor allem charmant und faszinierend lernt man Detroit von unten kennen.
August Snow bleibt in seiner kapitalgestärkten, philantropen und altruistischen Lebenswirklichkeit – er
renoviert sein Heimatviertel Mexicantown und gibt armen Menschen Jobs – locker bis zum Schluss, bis
zum großen Showdown in dem, fast ganz amerikanisch, mit allerlei Waffen und Kameraderie,
gemeinsam mit - bitte verzeihen Sie – Kampflesben, den bösen das Licht ausgeblasen wird. Sprachlich
unkompliziert aber fein, sympathisch und unterhaltsam, ein Ferienkrimi, für Menschen, die Mord mit
schöner Aussicht endgültig satt haben. Jetzt müssen Sie nur noch Ihren LeserInnen erklären, wie
interessant faszinierend es sein kann, eine unbekannt Stadt lesend zu entdecken. .                 38
Johannes Kößler | Seeseiten Buchhandlung OG | www.seeseiten.at
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