NEUE HÖHEN - PIA SUNDHAGE GEWALTIGE ENTWICKLUNG GEGEN DISKRIMINIERUNG FUSSBALL BEDEUTET - FIFA.com

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NEUE HÖHEN - PIA SUNDHAGE GEWALTIGE ENTWICKLUNG GEGEN DISKRIMINIERUNG FUSSBALL BEDEUTET - FIFA.com
NR. 20, 7. MÄRZ 2014                                                                                 DEUTSCHE AUSGABE

                        Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

                                                                                           PIA SUNDHAGE
                                                                                            GEWALTIGE
                                                                                          ENTWICKLUNG

                                                                                           STEFFI JONES
                                                                                             GEGEN
                                                                                        DISKRIMINIERUNG

                                                                                           SEPP BLATTER
                                                                                        FUSSBALL BEDEUTET
                                                                                             FREIHEIT
                                        Frauenfussball

                       NEUE HÖHEN                                                             W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
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I N H A LT

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          	Frauenfussball mit Business-Plan                                                      Nord- und Mittel-                         Südamerika
            In Lyon baut man seit zehn Jahren eine Frauenfussball-Abteilung                       amerika                                   10 Mitglieder
            auf. Zurzeit stehen da zwanzig Profi-Fussballerinnen unter Vertrag.                   35 Mitglieder                             www.conmebol.com
            In den vergangenen vier Jahren konnte die Champions League der                        www.concacaf.com
            Frauen zweimal errungen werden. Wie lebt es sich in Lyon als
            Profi-Fussballerin? Wie weit ist der Klub in seinen Ambitionen
            bereits gekommen? Eine Reportage von Perikles Monioudis (Text)
            und Mareike Foecking (Bilder).                                                                                  Abby Wambach
                                                                                                                            Amerikanische
                                                                                                                            Vorkämpferin

    17    	Weit mehr als ein Abklatsch der Premier League
            Chelsea, Arsenal, Liverpool. Die Favoriten in der englischen
            ­Women’s Super League heissen gleich wie in der Premier League
             der Männer. Trotzdem ist die WSL nicht nur ein billiger Abklatsch.

    18    	USA: Die Zeichen stehen auf Erfolg
            Am 12. April startet die zweite Saison der National Women’s Soccer
            League (NWSL). Die Ballon-d’Or-Gewinnerin Nadine Angerer und
            die Weltmeisterin Nahomi Kawasumi sollen die Attraktivität der
            Liga steigern und ihr zu nachhaltigem Erfolg verhelfen.

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         	Pia Sundhage - das grosse Interview
           Die Schwedin gehört zu den erfolgreichsten Trainerinnen der Welt.
           Im Interview prophezeit sie ihrem Sport eine grosse Zukunft, erklärt,
           was die männlichen Fussballer von ihren weiblichen Kollegen lernen
           könnte und weshalb der Kampf um Gleichberechtigung für sie
           anfänglich kein Thema war.

    37      eekly Top 11: Heldinnen
           W
           Kristine Lilly aus den USA führt unsere Top 11 von dieser Woche an.
           Auch Lotta Schelin aus Schweden und die Deutsche Birgit Prinz
           schafften es auf die Liste der Heldinnen im Frauenfussball.

    40     	R ückblick mit Emotionen
           María Elena Valverde hat den Fussball in Costa Rica geprägt. Wir
           trafen die 86-jährige Pionierin zum Gespräch und machten eine
           eindrückliche Reise in die Vergangenheit.

    42      teffi Jones - ein Gespräch ohne Tabu
           S
           Interview mit Tiefgang: Die 111-fache deutsche Nationalspielerin
           redet über Homophobie, Rassismus und Emanzipation. “Fussball
           beinhaltet Werte, die wir im alltäglichen Leben genauso beherzigen
           sollten.”

    44     	 N etzer schwärmt
              Unser Kolumnist Günter Netzer ist vom Frauenfussball begeistert
              und erinnert sich an das WM-Finale 2011: “Es war fantastisch.
              Dieses Spiel hätte es jederzeit mit dem Männerfussball aufnehmen
              können.”

    45     	D en väterlichen Schlägen getrotzt
            Die Nigerianerin Perpetua Nkwocha wurde von ihrem Vater mit
            Schlägen vom Fussballfeld ferngehalten. Trotzdem setzte sie sich       U-17 Frauen-Weltmeisterschaft               Blue Stars/FIFA Youth Cup
            durch – und fand in Schweden eine neue Heimat.                         15. März bis 4. April 2014, Costa Rica      28. bis 29. Mai 2014, Zürich

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D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S

                                                        Europa                              Afrika                                 Asien                                  Ozeanien
                                                        53 Mitglieder                       54 Mitglieder                          46 Mitglieder                          11 Mitglieder
                                                        www.uefa.com                        www.cafonline.com                      www.the-afc.com                        www.oceaniafootball.com

                                           Steffi Jones                                   Pia Sundhage
                                           Deutsche Symbolfigur                           Schwedische
                                                                                                                                                     Homare Sawa
                                                                                          Erfolgstrainerin
                                                                                                                                                     Japanische
                                                                                                                                                     Weltmeisterin

                                                                                                                                                                          Neue Höhen
                                                                                                                                                                          Unser Cover zum
                                                                                                                                                                          Internationalen Frauen-
                                                                                                                                                                          tag: Das Powerhouse
                                                                                                                                                                          Olympique Lyonnais
                                                                                                                                                                          Féminin zählt auf die
                                                                                                                                                                          japanische Weltmeisterin
                                                                                                                                                                          Saki Kumagai, die
                                                                                                                                                                          Französin Wendy Renard
                                                                                                                                                                          und die Schwedin Lotta
                                                                                                                                                                          Schelin (v.l.n.r.).

                                                                                                  Perpetua Nkwocha
                                                                                                  Afrikanischer
                                                                                                  Widerstandsgeist
Cover: Mareike Foecking / Getty Images

                                         Fussball-Weltmeisterschaft              U-20 Frauen-Weltmeisterschaft        Olympische Jugendfussball­             FIFA Klub-Weltmeisterschaft
                                         12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien   5. bis 24. August 2014, Kanada       turniere                               10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
                                                                                                                      15. bis 27. August 2014, Nanjing

                                                                                            T H E F I FA W E E K LY                                                                               3
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adidas.com/worldcup
                  all in or nothing
                                      game onor game over
                                                            © 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
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UNCOVERED

                                              Der Fussball ist weiblich

                           Triumphal Die Spielerinnen von Olympique Lyonnais feiern den Sieg im Champions-League-Finale gegen den FFC Frankfurt im Mai 2012.

                                                            Thomas Renggli         bringt The FIFA Weekly eine Spezialausgabe               20 Profispielerinnen und möchte mit dem Frau-
                                                                                   zum Thema Frauenfussball.                                enfussball dereinst Geld verdienen. Zwei Cham-
                           “Im Einvernehmen mit den klassenbewussten                   “Die Zukunft des Fussballs ist weiblich”,            pions-League-Erfolge sind bis jetzt der Lohn
                           politischen und gewerkschaftlichen Organisati-          sagte FIFA-Präsident Blatter vor zwanzig Jah-            seiner Bemühungen. Lesen Sie die spannende
                           onen des Proletariats in ihrem Lande veranstal-         ren. Die Fakten geben ihm recht. Heute spielen           Reportage unseres Redaktors Perikles Moniou-
                           ten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes       Frauen in allen der 209 FIFA-Verbände Fussball –         dis aus der drittgrössten französischen Stadt.
                           Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der           selbst in Ländern, in denen sie aus kulturellen               Auch am FIFA-Hauptsitz in Zürich ist Fuss-
                           Agitation für das Frauenwahlrecht dient. Der            Gründen in der Öffentlichkeit kaum in Erschei-           ball längst nicht mehr eine Männerdomäne.
                           Frauentag muss einen internationalen Charak-            nung treten dürfen. “Der Fussball besitzt die            Von den 401 Mitarbeitenden sind 40 Prozent
                           ter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.”           Kraft, kulturelle und soziale Barrieren zu über-         weiblich. Und wer während der Mittagspause
                                                                                   winden und den Mädchen und Frauen Selbst-                zum Lunchkick mit Bürokolleg(inn)en aufläuft,

                           M
                                     it diesen formellen Worten wurde am           vertrauen zu geben und ihnen einen besseren              ist (allfällige) Vorurteile schnell los. Ex-Natio-
                                     27. August 1910 an der zweiten inter-         Platz in der Gesellschaft zu ermöglichen”, be-           nalspielerinnen aus Neuseeland, Griechenland
                                     nationalen sozialistischen Frauen-            schreibt die schwedische Erfolgstrainerin Pia            und der Schweiz setzten den fussballerischen
                                     konferenz in Kopenhagen die Einfüh-           Sundhage die Bedeutung des Sports als gesell-            Massstab. Und Honey Thaljieh, die Vorkämpfe-
                                     rung eines internationalen Frauentages        schaftlicher Integrationsfaktor.                         rin des Frauenfussballs in Palästina, dribbelt
                                     vorgeschlagen. Die Idee stammte aus               Die Entwicklung im Frauenfussball ist auch           auf dem FIFA-Kunstrasen das männliche Ego
                           den USA. Heute ist der 8. März ein fester Be-           in der internationalen Klubszene zu spüren.              elegant aus.
Dylan Martinez / Reuters

                           standteil im Kalender. In Osteuropa gilt er als         Viele Grossklubs haben ihre Frauenabteilungen                 Übrigens verschliesst sich auch unsere
                           gesetzlicher Feiertag. Und wenn er – wie in die-        professionalisiert. Als Wegbereiter gilt Olym-           Redaktion nicht dem Zeitgeist: Das Magazin,
                           sem Jahr – auf einen Samstag fällt, erhält die          pique Lyonnais Féminin in Frankreich. Dort hat           das Sie in den Händen halten, wurde zu über
                           berufstätige Bevölkerung am folgenden Mon-              Klubpräsident Jean-Michel Aulas den Frauen-              50 Prozent von Frauen produziert. Die Gegen-
                           tag frei – auch die Männer. Aus diesem Anlass           fussball zur Chefsache erklärt: Er beschäftigt           wart der FIFA ist weiblich. Å

                                                                                   T H E F I FA W E E K LY                                                                                  5
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Das Glück
der Tüchtigen
6                               T H E F I FA W E E K LY
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T H E F I FA W E E K LY                           7
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Olympique Lyonnais Féminin soll eines Tages Geld abwerfen.
Mit seinen zwanzig Profispielerinnen hat der zweifache
Champions-League-Sieger gute Voraussetzungen dafür.
Zu Recht versteht sich der Klub als Vorreiter für den Frauenfussball.

              Von Perikles Monioudis (Text)
       und Mareike Foecking (Bilder) in Lyon

A
         ls die Bilder laufen lernten, war Lyon das
         Zentrum der Welt. Die findigen Brüder
         Auguste und Louis Lumière erwirtschaf-
         teten mit ihren fotographischen Platten
         ein Vermögen – 1894 verkauften sie
         15 Millionen Stück davon, hergestellt von
300 Arbeitern. Der erste öffentliche Film der
Lumière-Brüder dauerte eine Minute und trug
den Titel “Arbeiter verlassen die Lumière-Werke”.
Darin war genau das zu sehen, was der Titel aus-
sagt: Arbeiter verlassen nach der Arbeit die
­Lumière-Werke im Lyoner Stadtteil Montplaisir.
     Von Montplaisir nach Gerland sind es ein
 paar Kilometer in südwestlicher Richtung – und
 ein Jahrhundert. Die Spielerinnen des Klubs
 Olympique Lyonnais Féminin verlassen die Klu-
 bräume, um auf dem Trainingsgelände – gelegen
 in Sichtweite des altehrwürdigen Stade de Ger-
 land – mehrere Einheiten zu Schnellkraft und
 Torschuss zu absolvieren. Sie sind professionelle
 Fussballerinnen. Ihre königsblaue Trainings-
 kleidung bildet einen starken Kontrast zum
 Grün des Rasens, der an diesem Vormittag im
 zögerlichen Sonnenlicht glitzert. Sie haben
 Spass bei ihrer Arbeit. Sie leben ihren Traum.
 Das sagt sich so leicht. Hier aber trifft es zu.
     Wendy Renard bespricht sich nach dem
  Training in den funktional eingerichteten
 Räumlichkeiten des OL Féminin mit dem Phy-
 siotherapeuten. Die 23-jährige Innenverteidi-
 gerin ist so etwas wie das neue Aushängeschild
 des französischen Frauenfussballs. Als 8-Jährige
 verliess sie die Karibikinsel Martinique und
 kam nach Frankreich. Zuvor hatte sie in kind-
 lich bestimmender Voraussicht ihrer Mutter
 angekündigt, bald im Trikot der französischen
 Nationalmannschaft aufzutreten. Renard hielt
 Wort. Die eloquente Leaderin des Olympique
 Lyonnais wurde bis jetzt 40-mal ins National-
 team berufen und trägt in beiden Teams die
 Verantwortung als Kapitänin.
     “Ich kam mit 16 Jahren nach Lyon”, sagt
 ­Renard, “aber ich habe Lyon nicht selbst ausge-                                                          Trainingsgeräte Die Kapitänin Wendie Renard legt Hand an.
  wählt. Nachdem ich im Ausbildungszentrum des

8                                                                                T H E F I FA W E E K LY
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Perspektive fürs Leben Die U19-Spielerin Maeva Manuel im Training.

                                                                     französischen Verbands in Clairefontaine nicht
                                                                     aufgenommen worden war, fragte meine Vertrau-
                                                                     ensperson beim Trainer in Lyon an, und ich durf-
                                                                     te fürs Erste herkommen. Seit 2009 bin ich hier
                                                                     nun Profi.” Die hochgewachsene Spielerin weiss
                                                                     um das Glück, das ihr in Lyon widerfährt. “Der
                                                                     Fussball ist zwar mein Beruf, aber er ist vor allem
                                                                     meine Leidenschaft. Ich war schon als Kind stets
                                                                     als Erste auf dem Platz, konnte es nicht erwarten,
                                                                     gegen den Ball zu treten.”
                                                                          Die zweifache Champions-League-Gewin-
                                                                     nerin spricht konzis – ganz so, wie sie auch auf
                                                                     dem Platz agiert. “Wir müssen Titel erringen.
                                                                     So sehen die Leute, dass der Frauenfussball
                                                                     sich nicht zu verstecken braucht.”

                                                                         Stabile Erfolgsspirale
                                                                     Titel erringen, das möchte natürlich jede, die
                                                                     Leistungssport betreibt. Sie sind der sichtbare
                                                                     Ausdruck dessen, was am Ende einer Karriere
                                                                     bleibt. In Lyon aber haben Titel eine zusätzliche,
                                                                     programmatische Bedeutung. Ohne nationalen
                                                                     und europäischen Titelgewinn und deren wie-
                                                                     derholte Bestätigung fällt das Konstrukt zu-
                                                                     sammen, das man sich in der drittgrössten
                                                                     Stadt Frankreichs ausgedacht hat. Der Frauen-
                                                                     fussball soll seinen Platz in den wichtigsten
                                                                     Sportereignissen des Landes finden und am
                                                                     Ende etwas einbringen. Damit ist nicht nur
                                                                     Prestige gemeint, sondern auch Geld.
                                                                         Hinter dem OL Féminin steht ein Business­
                                                                     plan in der Art dessen, was auch für das Män-
                                                                     nerteam galt. Die besten Spielerinnen sollen
                                                                     verpflichtet, aber auch in der eigenen Jugend
                                                                     ausgebildet werden, damit sie Titel erringen
                                                                     und mithin die Menschen ins Stadion und vor
                                                                     den Fernseher locken können. Die Werbewirt-
                                                                     schaft soll folgen. Grosse Investitionen in die
                                                                     Marke OL – grosse Gewinnaussichten. Die ver-
                                                                     gangenen sechs Champions-League-Heimspie-
                                                                     le wurden von je 10 000 Zuschauern besucht.
                                                                         Noch ist man bei den Frauen defizitär. Aber
                                                                     die Abteilung hat weiterhin Zeit, um das zu än-
                                                                     dern. Sonia Bompastor soll als Verantwortliche
                                                                     mithelfen, die Strukturen für den Frauenfuss-
                            Höchste Sprünge Die Japanerin Saki       ball im Klub weiter zu verbessern. Die frühere
                            Kumagai wurde 2011 Weltmeisterin.        Mittelfeldspielerin gewann zwei Champions-­

                  T H E F I FA W E E K LY                                                                             9
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O LY M P I Q U E LY O N N A I S F É M I N I N

                                                                                                              110_legende_x11 inkl. ZF 110_urw_bold

League-Titel mit Lyon und war noch in der ver-
gangenen Saison im OL aktiv. Sie glaubt an die
Kraft der Ausbildung – und an die Notwenig-
keit der Bildung. Sie möchte den Mädchen eine
Art Internatsstruktur anbieten, analog zu den
Jungen.
    Bompastor überwacht an diesem Nachmittag
das Training der ältesten Jugendspielerinnen.
“Wir haben ein zweifaches Projekt”, sagt sie.
“Wir wollen den Mädchen zeigen, dass profes-
sioneller Sport persönliche Entbehrungen und
Leistungsbereitschaft voraussetzt. Und wir le-
gen Wert darauf, dass sie auf ihrem Weg die
schulischen Leistungen nicht vernachlässigen.”
    Bompastor, die 156-mal im französischen
Nationalteam figurierte, konzentriert sich am
Spielfeldrand. Ihrem geübten Blick scheint
nichts zu entgehen. “Eine Profikarriere kann,
wenn man es überhaupt so weit bringt, schnell
wieder zu Ende sein, etwa durch eine Verlet-
zung”, sagt sie anschliessend. “Unser Ziel ist es,
dass die Mädchen im Fussball, aber auch sonst
im Leben reüssieren.” Denn das Ziel, Profi zu
werden, ist nicht einfach zu erreichen. Sie rech-
net vor: “Wir haben 9 Teams, in denen 180 Frau-
en und Mädchen spielen. Im OL sind 20 Profis
verpflichtet, in Frankreich insgesamt etwa 50
– von 65 000 Spielerinnen.”
    Schulische Leistung, Fortschritte auf dem
Platz, ein gutes Benehmen – für Bompastor ist
grundsätzlich wichtig, dass die Mädchen dazu
imstande sind, sich selber zu hinterfragen.

    Akzent auf der Technik
Man soll den Fussball der Frauen nicht mit dem
der Männer vergleichen, sagen manche. Patrice
Lair, der Trainer des Frauen-Profiteams, pflichtet
ihnen bei. “Die Frauen spielen langsamer und
mit weniger Kraft. Aber ihr Spiel hat einen Ak-
zent auf dem Technischen, und es fallen mehr
Treffer. Es ist ein Fussball, der die Menschen
ins Stadion zu locken vermag, weil die Spiele-
rinnen Kreativität zeigen und sich zum Tor hin
orientieren.”
    Der erfahrene Fussballlehrer schliesst an:       Eigene Infrastruktur Die U18-Spielerin Yasmine Badache
                                                     auf dem Trainingsgelände von OL Féminin.
“Und doch muss man sich dem Fussball der Män-
ner annähern. Etwa, was den Kontakt mit dem

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O LY M P I Q U E LY O N N A I S F É M I N I N

                                                                    Gegenspieler oder den höheren Spielrhythmus
                                                                    anbelangt.” Einen prinzipiellen Unterschied zwi-
                                                                    schen dem Fussball der Männer und der Frauen
                                                                    habe er im Ansatz nie gemacht. “Ich schaue mit
                                                                    demselben Anspruch auf den Fussball, und ich
                                                                    trainiere Männer und Frauen auf die gleiche
                                                                    Weise.” Die Divergenz sieht Lair lediglich darin,
                                                                    dass der Fussball der Frauen bis jetzt nicht im
                                                                    selben Mass Anerkennung gefunden hat.
                                                                        Wendy Renard bringt es auf den Punkt:
                                                                    “Für viele mag eine Fussballerin kein grosses
                                                                    Prestige haben, und vielen kommt der Frauen-
                                                                    fussball merkwürdig vor. Man darf aber nicht
                                                                    vergessen, dass er erst seit ein paar Jahren pro-
                                                                    fessionell betrieben wird. Vor zehn Jahren
                                                                    schien es einem unmöglich, seiner Leiden-
                                                                    schaft für den Fussball berufsmässig nachge-
                                                                    hen zu können.”
“Ziel ist es, dass die                                                  Renard sieht gerade darin die Errungen-
                                                                    schaft des Frauenfussballs. “Man darf den Mäd-

Mädchen im Fussball,                                                chen nicht das Recht vorenthalten, sich so zu
                                                                    auszudrücken, wie sie das wollen. Davon konn-
                                                                    ten wir in Frankreich schon einige überzeugen.
aber auch sonst im                                                  Vor allem die Eltern, für die es oft schwierig war,
                                                                    ihre Töchter zum Fussball zu bringen. Heute ist

Leben reüssieren.”                                                  das nichts Aussergewöhnliches mehr.”
                                                                        “Mir tut es im Herzen weh, wenn ich sehe,
                                                                    dass zum Beispiel in Bulgarien die Frauen Fuss-
Sonia Bompastor
                                                                    ball spielen wollen, es aber alles andere als
                                                                    leicht haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir
                                                                    uns hinterfragen und dankbar sind für die
                                                                    Möglichkeit, täglich Fussball zu spielen und die
                                                                    Mittel dazu zu haben.”
                                                                        Während Renard zu den jüngeren Spielerin-
                                                                    nen zählt, denkt die 29-jährige Camille Abily
                                                                    bereits an das, was nach der Karriere kommt.
                                                                    Die Mittelfeldspielerin will Trainerin werden
                                                                    und hat sich entsprechend fortgebildet. Abily,
                                                                    120-mal für die französischen Farben auf dem
                                                                    Platz, gehört zur ersten Generation von Spiele-
                                                                    rinnen, denen sich eine echte berufliche Pers-
                                                                    pektive im Fussball bot. “Ich denke, dass sich
                                                                    die Investitionen im OL noch nicht ausbezahlt
                                                                    haben, aber es steigen immer mehr Sponsoren
                                                                    ein. Und es kommen immer mehr Fans. Unser
                                                                    Präsident Jean-Michel Aulas ist den anderen
                                                                    Präsidenten jedenfalls weit voraus.” “Dass der

                  T H E F I FA W E E K LY                                                                            11
O LY M P I Q U E LY O N N A I S F É M I N I N

         Hohe Ansprüche Trainer Patrice
         Lair im Stade de Gerland.

                                                      110_legende_x11 inkl. ZF 110_urw_bold

Profifussball der Frauen eine solche Entwick-
lung nehmen würde, konnte man vor zehn Jah-
ren noch nicht voraussehen. Der Spielerinnen-
pass war schon eine Belohnung für uns. Aber
man darf nicht vergessen: Diese Entwicklung
ist anfällig. Sie hängt von vielen Dingen ab.
Falls Herr Aulas sich eines Tages entscheiden
sollte, die Abteilung zu schliessen, würden in
Frankreich nur ein oder zwei Klubs mit profes-
sionellen Strukturen übrig bleiben.”
    Der erfolgreiche Unternehmer und voraus-
schauende Klubpräsident Jean-Michel Aulas hat
eine klare Vorstellung von Olympique. Er wollte
Lyon, als er 1987 zum Klub stiess, an die europä-
ische Spitze führen. Das ist dem Präsidenten
auch gelungen. Vor zehn Jahren begann er, den
Frauenfussball im Klub zu kultivieren. Auch
hier wollte Aulas nur die Besten verpflichten. Im
aktuellen Kader der Frauen stehen etwa die
Weltmeisterin Saki Kumagai und die schwedi-
sche Weltklassestürmerin Lotta Schelin.

     Schwedische Treffer
Eine Zerrung ausheilend, trainiert Schelin an
diesem Tag nicht. Gleichwohl schaut sie beim
Klub herein. “Ich kam 2008 nach Lyon, um Aus-                    “Wir müssen Titel erringen.
sichten auf den Champions-League-Titel zu ha-
ben. Ich zog Olympique einem amerikanischen
Klub vor. Ich wollte dann doch in Europa blei-
                                                                 So sehen die Leute, dass der
ben.” Schelin ist 29-jährig und spielt seit 23 Jah-
ren Fussball. “Ich bin jetzt in Lyon verwurzelt.                 Frauenfussball sich nicht zu
Ich brauche das Gefühl, irgendwo zu Hause zu
sein. Der Erfolg kam hier.”
     Der Alltag einer Profifussballerin liegt der
                                                                 verstecken braucht.”
Schwedin, die schon als Kind den Wunsch hat-
                                                                 Wendy Renard
te, nur Fussball zu spielen. “Wir trainieren am
Morgen und essen anschliessend zu Mittag.
Zwischen 13 und 15 Uhr haben wir Gelegenheit,
mit dem Physiotherapeuten zu arbeiten. Zwei-
mal in der Woche mache ich ausserdem
Krafteinzeltraining, die anderen Spielerinnen
auch. Üblicher Weise steht uns der Nachmittag
zur freien Verfügung. Wir reisen mit dem Team
natürlich auch viel.” Lächelnd fährt sie fort:
“Die Welt ist männlich. Aber wir sind im Fuss-
ball dabei, das zu verändern. Jedes Jahr um ein
weiteres Stück. Was wirklich zählt, ist, dass

12                                                                                T H E F I FA W E E K LY
O LY M P I Q U E LY O N N A I S F É M I N I N

           Denkt an morgen Camille
           Abily will Trainerin werden.

                                                  jedes Mädchen die Möglichkeit hat, Fussball zu
                                                  spielen, wenn es das möchte.”
                                                      Die Japanerin Saki Kumagai hat 2011 im
                                                  WM-Finale den entscheidenden Elfmeter gegen
                                                  das US-Team erzielt und dabei die amerikani-
                                                  sche Torhüter-Legende Hope Solo bezwungen.
                                                  Die 23-jährige Abwehrspielerin kam 2011 nach
                                                  Europa, um den 1. FFC Frankfurt zu verstärken.
                                                  In Lyon spielt sie seit dieser Saison. “Einen zu-
                                                  sätzlichen Erfolgsdruck verspüre ich hier nicht,
                                                  nein”, sagt Kumagai nach dem Training. “Wir
                                                  gewinnen sehr oft, das macht die Sache leichter.
                                                  Wir setzen uns selber unter Druck.”
                                                      Ihre Eltern hätten, als sie noch ein Kind
                                                  war, ihren Wunsch, Fussball zu spielen, nicht
                                                  beargwöhnt. Sie habe vielmehr Unterstützung
                                                  erfahren. “Der WM-Titel 2011 hat in Japan ei-
                                                  nen zusätzlichen Ruck ausgelöst, die Mädchen
                                                  meldeten sich vermehrt in Fussballklubs an.
                                                  Doch die Leute besuchen die Spiele der höchs-
                                                  ten Liga nach wie vor nicht sehr zahlreich.”
                                                      In der aktuellen Champions League sind
                                                  die Frauen von Olympique Lyonnais bereits
                                                  ausgeschieden. In der Liga sieht es besser aus.
                                                  Nur Paris Saint-Germain kann die Lyonerinnen
                                                  ernsthaft gefährden.
                                                      Nach dem Training verlassen die Spielerin-
                                                  nen das Gelände in kleinen weissen Autos. Sie
                                                  fahren einer zwar nicht ganz gewissen Zukunft
                                                  entgegen. Aber sie werden so oder so von sich
                                                  behaupten können, dass sie ihren Traum gelebt
                                                  haben. Damals, als der professionelle Frauen-
                                                  fussball im grossen Stil in Lyon, der Stadt der
                                                  Lumière-Brüder, das Laufen lernte. Å

                                                  “Die Welt ist männlich.
                                                  Aber wir sind im
                                                  Fussball dabei,
                                                  das zu verändern.”
                                                  Lotta Schelin

T H E F I FA W E E K LY                                                                          13
O LY M P I Q U E LY O N N A I S F É M I N I N

                             DER SIEGESWILLE,
                         DER LYON EIN BEIN STELLTE
Von der Champions League musste sich Olympique Lyonnais vorzeitig
­verabschieden. Die Achtelfinal-Niederlage gegen Turbine Potsdam zeigt,
 wie stark die Konkurrenz aus Deutschland ist.

                                  Sarah Steiner     ASD Torres Calcio die Halbfinal-Qualifikation          desliga hat an Aufmerksamkeit gewonnen. Das
                                                    schaffen. Falls auch Wolfsburg gegen den               DFB-TV überträgt pro Runde ein Spiel live. Und

I
     m Kampf um die Tabellenspitze der deut-        FC Barcelona gewinnen sollte, würden die bei-          seit dieser Saison hat sich Eurosport die Rechte
     schen Frauen-Bundesliga ist noch lange         den Ligakonkurrenten gegeneinander um die              an der Frauen-Bundesliga bis 2016 gesichert.
     nicht das letzte Wort gesprochen. Der          Finalteilnahme kämpfen.                                     Dank Yuki Ogimi, die bis zur letzten Saison
     1. FFC Frankfurt eroberte die Spitzenposi-                                                            bei Turbine Potsdam spielte und 2013 als erste
     tion dank eines 3:0 gegen den SC Freiburg          Bundesliga erobert Japan                           japanische Spielerin zu Chelsea in die FA Wo-
     zwar zurück, Turbine Potsdam befindet          Für internationales Aufsehen sind die deutschen        men’s Super League wechselte, zog die Bundes-
sich mit nur einem Punkt Rückstand aber in          Frauen-Klubs seit langem verantwortlich. Insge-        liga immer mehr Spielerinnen aus dem Land der
Lauerstellung. Und auch den amtierenden             samt sieben Champions-League-Titel und elf             aufgehenden Sonne an. Der japanische Sender
Champion VfL Wolfsburg darf man im Rennen           Finalteilnahmen stehen für sie zu Buche. Der           Asahi überträgt ab sofort das Topspiel der Run-
um die Meisterschale nicht abschreiben. Für         Frauenfussball hat es in Deutschland geschafft,        de. “Das ist ein tolles Zeichen für die Marke
die verbleibenden zehn Runden ist für Span-         sich neben dem der Männern einen Platz im              Frauen-Bundesliga und ihre hohe Qualität.
                                                                                                           ­
nung also gesorgt.                                  nationalen Bewusstsein zu erkämpfen – dies             Damit haben wir einen weiteren wichtigen
     Bereits geklärt ist die Trainerfrage in        sicherlich auch dank der zwei WM- und sieben           Schritt in der Entwicklung der Liga gemacht”,
Wolfsburg. Meistercoach Ralf Kellermann hat         EM-Titel der Landesauswahl. Doch auch die Bun-         sagt DFB-Direktorin Steffi Jones. Å
seinen im Sommer auslaufenden Vertrag
­vorzeitig um drei Jahre verlängert. Der 45-Jäh-
 rige stellt hohe Ansprüche an sein Team. “Die
 Entwicklung der Mannschaft ist noch lange
 nicht abgeschlossen. Ich bin glücklich, weiter-
 hin ein Teil davon zu sein”, sagte er nach der
 Verlängerung. Der Erfolg gibt Kellermann
 recht: Nach dem zweiten Platz 2012 führte er                    “Das ist ein tolles Zeichen
 Wolfsburg ein Jahr später zum überraschenden
 Triple-Erfolg. Und auch wenn die “Wölfinnen”
 diese Saison aus dem Pokal ausgeschieden sind,
                                                                 für die Frauen-Bundesliga
 haben sie noch immer die Chance auf die Meis-
 terschaft und die Champions League.                             und ihre hohe Qualität.
    Deutsches Duell im Halbfinale?
In der Champions League sorgen aber nicht nur
                                                                 Damit haben wir einen
die Frauen aus Wolfsburg für Aufsehen. Turbi-
ne Potsdam ist ebenfalls bis in das Viertelfinale                weiteren wichtigen Schritt
des Wettbewerbes vorgedrungen. Um dies zu
erreichen, musste sich das Team um Spielma-
cherin Julia Simic an Titelverteidiger Olympique
                                                                 gemacht.”
Lyonnais messen – und schaffte die Sensation.
“We made it!!! Stolz, in dieser Mannschaft zu                    DFB-Direktorin Steffi Jones
sein”, jubilierte Simic nach dem Sieg auf ihrer
Facebook-Seite. Und auch Patrice Lair, Head-
coach der Französinnen, war beeindruckt von
Potsdams Leistung. “Bei den Deutschen spürst
du immer diesen unbändigen Siegeswillen! Das
müssen meine Spielerinnen noch lernen.” Am
23. und 30. März will Turbine nun gegen den

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T H E F I FA W E E K LY   15
BLICK IN DIE LIGEN

              I                           N                                S                           I                        D                             E
                    F A W o m e n ’s S u p e r L e a g u e          Zwischen beiden Ligen gibt es einen Conti-       Arsenal steht für den englischen Frauenfuss-
                                                                    nental Cup und, auch das ist neu, eine Auf-      ball wie sonst nur der Kinofilm “Bend it Like
                       Investitionen                                und Abstiegsregelung. Zum kommenden Jahr         Beckham” und hat immerhin als einzige
                                                                    tauschen der Letzte der WSL und der Meister      englische Mannschaft die Champions League
                       allenthalben                                 der WSL2 die Plätze. Unabhängig davon hat        gewonnen. Das war 2007, als der Wettbewerb
                                                                    die FA dem Manchester City Women’s Foot-         noch UEFA Women’s Cup hiess. Bei Arsenal
                               Sven Goldmann ist Fussball­          ball Club ohne sportliche Qualifikation eine     ist der Frauenfussball so etabliert, dass das
                               experte beim “Tagesspiegel” in       Wild Card für die WSL angeboten. Das war         Team zu ausgewählten Anlässen im grossen
                               Berlin.                              nicht ganz unumstritten, denn dafür wurden       Emirates Stadium auflaufen darf.
                                                                    die traditionsreichen Doncaster Rover Belles
                               Zum Kreis der Favoriten              in die WSL 2 relegiert.                          Liverpool hingegen hatte die ersten beiden
                               zählen die üblichen Verdäch-                                                          Spielzeiten in der WSL auf dem letzten Platz
              tigen. Liverpool und Arsenal – Chelsea ist            Die Ladies aus Manchester gehen durchaus         beendet. Daraufhin baute Trainer Matt Beard
              nicht ganz so hoch einzuschätzen, dafür               ambitioniert in ihre Premieren-Saison. Im Tor    die Mannschaft radikal um und verpflichtete
              mischt Manchester City jetzt ganz oben mit.           steht künftig die von den Lincoln Ladies         zehn neue Spielerinnen.
              Allerdings ist die lokale Konkurrenz von              akquirierte englische Nationalspielerin Karen
              Manchester United gar nicht dabei, und dass           Bardsley, die allerdings wegen eines Ermü-       Es kamen unter anderem die Isländerin
              Notts County und Bristol Academy zu den               dungsbruchs im Fuss erst einmal ausfällt.        Katrin Omarsdottir, die Schwedin Louise
              Topteams gehören, zeigt auf, dass die FA              Die Kommandos im Mittelfeld gibt die aus         Fors, die Deutschen Corina Schröder und
              Women’s Super League (WSL) nicht bloss ein            Everton verpflichtete Jill Scott, sie verfügt    Nicole Rolser. Die überragende Spielerin der
              Abklatsch der Premier League ist.                     über die Erfahrung von 74 Länderspielen.         Meistersaison aber war eine Engländerin, die
                                                                    Vom früheren Serienmeister Arsenal kam           schon in schlechteren Zeiten das rote Trikot
              Die höchste Frauenliga Englands startet am            Stephanie Houghton, die das neue Team als        getragen hatte. Natasha Dowie schoss in
              16. April in ihre vierte Saison. Wieder spielen       Kapitänin anführt.                               14 Spielen 13 Tore und bescherte Liverpool
              acht Teams mit Hin- und Rückrunde die                                                                  das, worauf die Männer jetzt schon bald ein
              Meisterschaft aus, aber sonst hat sich einiges        Wie hoch City einzuschätzen ist, wird sich       Vierteljahrhundert warten.
              verändert. Die FA will den Frauenfussball             gleich am ersten Spieltag zeigen, beim Gast-
              weiter voranbringen und investiert in den             spiel im Halton Stadium von Widnes, wo die       Die bislang letzte Meisterschaft des FC Liver-
              kommenden vier Jahren 3,5 Millionen Pfund             Liverpool Ladies ihre Heimat gefunden haben.     pool datiert aus dem Jahr 1990. Damals
              in die Liga. Zum ersten Mal gibt es als Unter-        Es war schon eine kleine Sensation, als Liver-   spielte Ian Rush noch an der Anfield Road,
              bau eine WSL 2, der zehn Klubs angehören,             pool im vergangenen Herbst die neun Jahre        und der Trainer hiess Kenny Dalglish. Er
              unter ihnen so prominente Name wie Sunder-            währende Regentschaft der Arsenal Ladies         wechselte sich im letzten Saisonspiel gegen
              land, Aston Villa und Watford.                        beendete.                                        Coventry City selbst ein. Lange her. Å
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                                 Ambitioniert Arsenal gewann als
                               einziges englisches Frauenteam den
                                          Champions-League-Titel.

                                                                    T H E F I FA W E E K LY                                                                       17
N a t i o n a l W o m e n ’s S o c c e r L e a g u e

       Die Zeit ist reif
                  Sarah Steiner ist redaktionelle
                  Mitarbeiterin bei The FIFA Weekly.

                 Die USA sind zwar nicht
                 wirklich für ihre Fussball-
                 Leidenschaft berühmt, trotz-
dem spielt der Frauenfussball dort eine wichti-
ge Rolle. Diverse berühmte Spielerinnen wie
Mia Hamm, Abby Wambach, Kristine Lilly
oder Hope Solo stammen aus Amerika und
stehen als Botschafterinnen für den Frauen-
fussball. In den Colleges erfreut sich die
Sportart grosser Beliebtheit (300 Teams), und
auch die Liga wird mit Interesse verfolgt – ei-
gentlich. Denn die Geschichte des amerikani-
schen Liga-Frauenfussballs umfasst mehrere
Kapitel.

2001 wurde die erste Profiliga ins Leben
gerufen. Die Women’s United Soccer Associa-             Euphorisch Das Team der Portland Thorns will in der neuen Saison seinen Titel erfolgreich verteidigen.
tion (WUSA) wurde aber nach nur zwei
Jahren wegen finanzieller Probleme wieder
eingestellt. Ein speziell gegründetes Komitee
zur Reorganisation des Frauenfussballs nahm
mehrere Anläufe, um die WUSA wiederzube-                wurden jedem Team Nationalspielerinnen aus                 klassespielerin, die unserer Offensive eine
leben. Doch alle Versuche scheiterten. Ganz             den unterstützenden Nationalverbänden                      neue Dimension verleihen wird”, so Seattles
ähnlich erging es der Women’s Professional              zugeteilt. Das Gehalt dieser Spielerinnen                  Trainerin Laura Harvey.
Soccer (WPS): 2009 nahm die Liga den Be-                übernehmen die Verbände, um die Kosten für
trieb auf, drei Jahre später war auch dieses            die Vereine im Rahmen zu halten.                           Wohin der Weg des amerikanischen Frauen-
Projekt am Ende.                                                                                                   fussballs führen wird, steht in den Sternen.
                                                        Um eine Attraktion reicher ist die NWSL                    Doch die Voraussetzungen sind besser als in
Im vergangenen Jahr folgte der nächste und              diese Saison bestimmt. Weltfussballerin                    der Vergangenheit. Die Kinder der früheren
bis anhin letzte Versuch, die Gründung der              Nadine Angerer wird ab April zwischen den                  Profispielerinnen stehen in den Startlöchern,
National Women’s Soccer League (NWSL). Die              Pfosten des Meisters Portland Thorns stehen.               um selber eine Karriere zu starten, die Topre-
finanzielle Absicherung gilt als oberste                “Es war schon immer mein Traum, in Amerika                 sultate der Frauen-Nationalmannschaft sowie
Priorität. Die Liga wird aus diesem Grund von           zu spielen”, sagte die Deutsche an der Ballon-             die erfolgreiche Männerliga Major League
den Fussballverbänden der USA, Kanada und               d’Or-Gala, wo sie den Preis als beste Fussbal-             Soccer haben zu einer grossen Akzeptanz des
Mexiko unterstützt. Acht Mannschaften                   lerin 2013 entgegennahm. Doch nicht nur                    Fussballs geführt und eine breite Fanbasis
nahmen an der ersten Ausgabe der Meister-               Angerer wird die amerikanische Liga in der                 geschaffen. Und eines ist gewiss: Im Land des
schaft teil, welche die Portland Thorns für             neuen Saison bereichern. Auch die japanische               Frauenfussballs ist es langsam, aber sicher
sich entschied. Für die neue Saison, die am 12.         Weltmeisterin Nahomi Kawasumi wechselt                     Zeit für eine erfolgreiche, finanziell auf
April 2014 startet, wurde die Liga um das               auf Leihbasis von INAC Kobe Leonessa zum                   gesunden Beinen stehende Profiliga. Å
Team der Houston Dash erweitert. Im Januar              US-Team Seattle Reign. “Naho ist eine Welt-
                                                                                                                                                                    Howard Smith / ISI / Corbis / Dukas / Urzula Striner

     “Es war schon immer
     mein Traum, in Amerika
     zu spielen.”
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“Der Trend weist nach unten”
      Premier League Schweden

      Der Kampf der
        Favoriten
               Andrea Grünenfelder ist schwe-
               dische Autorin und Journalistin   LdB Malmö, der Meister der letzten Saison,       spiele) erwartet ein Kind. Kopparberg/Göte-
               und lebt in der Schweiz.          wurde im Dezember 2013 in FC Rosengård           borg FC hat zudem einige weitere wichtige
                                                 umbenannt. Auch für die neue Saison gilt das     Spielerinnen verloren, so dass in Bezug auf
                Am 13. April beginnt die neue    Team wieder als Favorit. Experten erwarten       die kommende Saison Unsicherheit besteht.
                Saison der schwedischen          eine mindestens ebenso starke Mannschaft         Allerdings hat man mit Stefan Rehn einen
Frauenliga. Im Vorfeld gibt es einige klare      wie in der vergangenen Saison, als man           neuen Startrainer verplichtet, der als Spieler
Favoriten – und einen interessanten Neuling      17 Siege aus 22 Partien errang.                  und als Coach mehrfach die schwedische
mit grossen Ambitionen.                                                                           Meisterschaft gewann. In seiner aktiven Zeit
                                                 Der FC Rosengård startet mit einem Auswärts­     war er ein begnadeter Mittelfeldspieler, der
In der vergangenen Saison stiegen die Gehäl-     spiel bei Neuling AIK FF aus Stockholm, dem      etwa für Everton und Lausanne spielte. Zuvor
ter aller Spielerinnen erneut an. In den         Vorjahreszweiten in der Elitettan (der zweiten   war er Trainer der Männermannschaften von
letzten fünf Jahren haben sich die Löhne         schwedischen Frauenliga). Vizemeister Tyresö     IFK Göteborg und Djurgårdens IF. Nach einer
verdoppelt – und der Trend weist weiter nach     FF hat ebenfalls Titelambitionen und beginnt     Saison bei Jitex BK in der Damallsvenskan ist
oben. Heute liegt das Durchschnittseinkom-       mit einem Auswärtsspiel gegen Kristianstad       er nun wieder in Göteborg.
men einer Profifussballerin in Schweden bei      DFF (im Vorjahr Neunter).
11 000 Kronen pro Monat (ca. 1230 Euro).                                                          Besonders interessant dürfte in dieser Saison
Insgesamt konnte die Liga ihre Einnahmen         Zuvor tritt Tyresö FF im März noch im Viertel-   das Team von Neuling Eskilstuna United sein.
2012 um zwölf Prozent steigern und dieses        finale der Champions League an. Der Klub         Die Mannschaft, die letztes Jahr die Elitettan
Niveau auch in der vergangenen Saison            wird wahrscheinlich alle Topspielerinnen         gewann, hat 200 Kleinsponsoren und einen
halten. Trotz des gesteigerten Medien- und       halten können. Unsicherheit besteht allerdings   Hauptsponsor, der pro Saison 2,5 Millionen
Sponsoreninteresses gelingt es der Damall­       in Bezug auf die drei Amerikanerinnen            schwedische Kronen (rund 277 000 Euro) in
svenskan allerdings auch weiterhin nicht,        Christen Press, Whitney Engen und Meghan         den Klub investiert. Zudem hat Eskilstuna mit
genügend Zuschauer anzuziehen. Im Gegen-         Klingenberg. Gerüchten zufolge werden die        Sara Thunebro eine der besten schwedischen
teil, der Trend weist nach unten. Die Besu-      drei nach der Champions-League-Partie in die     Verteidigerinnen verpflichtet. Thunebro kann
cherzahlen in der Saison 2011 waren höher als    USA zurückkehren.                                auf 105 Länderspiele und 300 Einsätze in der
in den folgenden zwei Spielzeiten. Im letzten                                                     schwedischen Damallsvenskan sowie 70
Jahr wurde der Zuschauerrekord von 5361          Der letztjährige Tabellenvierte Kopparberg/      Spiele in Deutschland zurückblicken. Å
Besuchern bei der Partie zwischen Linköping      Göteborg FC muss während der gesamten
FC (am Ende Tabellenvierter) gegen KIF           Saison ohne Stina Segerström auskommen.
Örebro (Fünfter) aufgestellt.                    Die erfahrene Innenverteidigerin (52 Länder-

                                                                                                              Favoritenrolle Meister FC Rosengård,
                                                                                                              ehemals LdB Malmö, mit der starken
                                                                                                              Sara Björk Gunnarsdottir (in Weiss).

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Vordenkerin Sundhage setzt als Trainerin
     Massstäbe – kontinentübergreifend.

                                                                          Bildbyrån

20                                              T H E F I FA W E E K LY
PIA SUNDHAGE

Zweifache Olympiasiegerin, Welttrainerin des
Jahres 2012. Pia Sundhage ist eine Ikone des
  Frauenfussballs. Im Interview prophezeit sie
­ihrem Sport eine grosse Zukunft und erklärt,
 ­weshalb sie kein Männerteam betreuen möchte.

                                                     “Wir befinden uns in
                                                     einem gewaltigen
                                                     Entwicklungsprozess”
Name
Pia Sundhage
Geburtsdatum, Geburtsort
13. Februar 1960, Ulricehamn (Schweden)
                                                     In einem Artikel im “Svenska Dagbladet” war       Ist der Fussball der Frauen eine andere Sport-
Stationen als Spielerin
                                                     unlängst zu lesen, dass der Fussball der Frauen   art als derjenige der Männer?
1978 Falköpings KIK
1979–1981 Jitex BK                                   bald den gleichen Stellenwert habe wie derjeni-       Nein, es ist derselbe Sport. Es spielen elf
1982–1983 Östers Växjö                               ge der Männer. Teilen Sie diese Einschätzung?     gegen elf mit den gleichen Regeln. Auch
1984 Jitex BK
                                                         Pia Sundhage: Das ist schwer zu sagen.        Taktik und Technik sind identisch. Wer aber
1985 Lazio Rom
1985 Stattena IF                                     Was ich aber sicher weiss: Seit ich begonnen      ein gleiches Spiel erwartet, liegt trotzdem
1985 Jitex BK                                        habe Fussball zu spielen, ist extrem viel         falsch. Das ist ähnlich wie im Theater. Wer
1986 Hammarby IF
1987–1989 Jitex BK                                   passiert. Da war beispielsweise die WM 1999       mit einer falschen Erwartungshaltung eine
1990–1996 Hammarby IF                                in den USA, als der Frauenfussball erstmals       Vorführung besucht, wird enttäuscht.
1975–1996 Nationalmannschaft Schweden                zu einem Ereignis für die breiten Massen
Stationen als Trainerin                              wurde. Damals kamen viele Zuschauer das           Am Anfang des Frauenfussballs standen auch
1992–1994 Hammarby IF (Spielertrainerin)             erste Mal mit Frauenfussball in Berührung.        in Schweden männliche Ignoranz, ja sogar
1998–1999 Vallentuna BK (Co-Trainerin)               Sie waren überrascht, dass Frauen auf diesem      Spott und Hohn. Können Sie das heute noch
2000 AIK Solna (Co-Trainerin)                        Niveau spielen. Viele Zuschauer kamen             nachvollziehen?
2001–2002 Philadelphia Charge (Co-Trainerin)
2003 Boston Breakers                                 damals nicht nur wegen des Sports ins                 Es ist wirklich wie ein weit entfernter
2004 Kolbotn IL                                      Stadion, sondern auch um ihre Solidarität         Traum, wenn ich an meine ersten Spiele
2005–2006 KIF Örebro
2007 China (Co-Trainerin)                            mit der Frauenbewegung zu demonstrieren.          zurückdenke. Ich war elf Jahre alt und spielte
2008–2012 USA                                        Sie waren glücklich, dass sie Frauen Fussball     mit den Jungs. Ich kann mich noch genau
seit 2012 Schweden
                                                     spielen sahen.                                    erinnern: Ich nahm Anlauf, um einen Eckball
Erfolge als Spielerin
                                                                                                       zu treten. An der Seitenlinie stand ein alter
Europameister: 1984
                                                     Kann man Frauen- und Männer-Fussball              Mann, der sagte: “Das schaffst du nicht – du
Schwedischer Meister: 1979, 1981, 1984, 1989
Schwedischer Pokalsieger: 1981, 1984, 1994, 1995     überhaupt vergleichen?                            hast zu wenig Kraft, um den Ball hoch vors
Algarve Cup Sieger: 1995                                 Nein, das wäre genau so ungerecht wie in      Tor zu bringen.” Es war für ihn undenkbar,
Torschützenkönigin der Damallsvenskan: 1982
und 1983                                             anderen Sportarten. Im Fussball kommt der         dass ein Mädchen die Technik beherrscht. Er
Erfolge als Trainerin                                Zeitfaktor dazu. Die Männer sind in ihrer         musste seine Meinung rasch ändern.
Vize-Weltmeister bei der Fußball-Weltmeister-        Entwicklung viel weiter – weil sie früher
schaft der Frauen: 2011 mit den USA                  begonnen haben, auf bessere Organisatio-          Es hiess, Fussball sei nicht weiblich und könne
Olympiasieger: 2008 und 2012 mit den USA
Algarve Cup Sieger: 2008, 2010, 2011 mit den USA
                                                     nen und Infrastrukturen zählen können und         sogar körperliche Schäden bei Frauen verursa-
WUSA Meister 2003                                    mehr Medieninteresse und finanzielle Mittel       chen. War das die Angst der Männer vor der
Auszeichnungen                                       generieren. Es gibt aber definitiv Bereiche, in   weiblichen Konkurrenz?
Spielerin des Jahres in Schweden: 1981               denen der Frauenfussball weiter ist:                  Es war vor allem Unwissenheit. Anfäng-
WUSA Trainerin des Jahres: 2003                      Fair Play ist keine Floskel. Brutale Fouls,       lich hörten wir: Mädchen können nicht
FIFA Trainerin des Jahres im Frauenfussball: 2012
3. Platz bei der Wahl zur FIFA-Frauenfussballtrai-   Zeitschinden oder Schwalben kommen bei            Fussball spielen. Dann hiess es: Fussball sei
nerin des Jahres: 2013                               den Frauen viel weniger vor.                      für den weiblichen Körper ungesund. Dabei

                                                     T H E F I FA W E E K LY                                                                         21
PIA SUNDHAGE

Vorbild Sundhage gehört in Schweden zu
den gefragtesten Sportpersönlichkeiten.

Ausblick “Vor allem das Tempo wird in
den nächsten 10 Jahren zunehmen.”

Rückblick Als Sundhage ihre ersten Spiele
bestritt, war der Frauenfussball von Vorurteilen
und Missverständnissen umweht.

waren diese Thesen völlig aus der Luft             war der Norden den anderen Ländern so weit             Dies bescherte dem Frauenfussball in den
gegriffen. Beweise gab es keine. Aber die Leu-     voraus?                                                USA einen enormen Entwicklungsschub. Das
te durften das einfach behaupten. Ich wollte           Es liegt an der Stellung der Frau in diesen        Zuschauerinteresse hinkte jedoch lange
als Jugendliche Fussball spielen, weil ich         Ländern. In Nordeuropa war man in dieser               hinterher. Obwohl wir um alle wichtigen Titel
Freude und Spass hatte – nicht um irgend-          Beziehung immer sehr fortschrittlich. Des-             mitspielten – 2008 und 2012 Olympiasieger
etwas zu beweisen. Heute bin ich sehr dank-        halb ging es auch im Fussball schneller. Zu            wurden sowie 2011 im WM-Finale standen –
bar, dass ich die Gelegenheit erhalten habe,       Beginn der 1970er-Jahre setzte diese Entwick-          kamen zu unseren Heimspielen anfänglich
Fussball zu spielen.                               lung so richtig ein. Erstmals kamen Frauen             nur 4000 Zuschauer. Heute hat sich das
                                                   im grossen Stil zusammen, um Fussball zu               geändert. Das Heimspiel gegen Kanada Ende
Was war zuerst? Der Frauenfussball oder der        spielen. Und viele realisierten: Das ist das           Januar sahen 20 000 Fans. Der amerikanische
Kampf um die Gleichberechtigung?                   schönste Spiel der Welt.                               Verband profitierte auch davon, dass er auf
    Das lief parallel. Für mich waren Fragen                                                              grossartige Botschafterinnen für den Fussball
des Frauenrechtes damals noch kein Thema.          Noch stärker etabliert ist der Frauenfussball in       zählen kann. Spielerinnen wie Mia Hamm,
Heute denke ich aber, dass man den Fussball        den USA – dort gilt Soccer sogar als eigentli-         Hope Solo oder Abby Wambach sind Aushän-
mehr als Mittel zu diesem Zweck hätte einset-      cher Frauensport …                                     geschilder für die ganze Fussballbewegung.
zen sollen. Beide Bewegungen hätten davon              Wegweisend war ein Entwicklungs­
profitieren können.                                programm an den Universitäten, das vor-                2007 waren Sie als Co-Trainerin Ihrer Lands-
                                                                                                                                                          Carl Sandin / Bildbyrån

                                                   schrieb, dass den Frauen im Sport die glei-            frau Marika Domanski-Lyfors bei der chinesi-
Als Sie Ihre Karriere begannen, verbesserte        chen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen          schen Auswahl engagiert – eine andere
sich die Situation – zumindest in Schweden.        wie den Männern. Und weil im Baseball und              führende Nation …
1973 zählte der schwedische Verband schon          American Football keine Frauen mitspielen,                 Das war tatsächlich ein ganz spezielles
10 000 lizenzierte Fussballerinnen. Weshalb        floss überproportional viel Geld in den Soccer.        Erlebnis. Wir sprachen kein Chinesisch und

22                                                                              T H E F I FA W E E K LY
PIA SUNDHAGE

            konnten nur via Dolmetscher mit den Spiele-     Mittel in die Ausbildung zu stecken. Die         Würden Sie sich zutrauen, ein Männerteam zu
            rinnen kommunizieren. Trotzdem wurden wir       Mädchen und Frauen profitieren auf allen         coachen?
            auch verstanden, wenn es hektisch wurde.        Ebenen davon. Der Sport ist ein optimales           Ich könnte es mir vorstellen. Aber ich
            Die Fussballsprache ist international. Kultu-   Instrument zur Integration in die Gesellschaft   möchte es nicht tun, nur um zu beweisen,
            rell war China ein grosses Abenteuer. Wir       und Förderung des Selbstvertrauens.              dass eine Frau das kann. Ausserdem ist das,
            erhielten vom V­ erband jede Unterstützung.                                                      was gerade im Frauenfussball abläuft, extrem
            Der Erfolg machte alles möglich, obwohl         Gerade im Bereich des Coaching sind aber         spannend. Wir befinden uns am Anfang eines
            China in Sachen Gleichberechtigung keine        noch vergleichsweise wenige Frauen am Ruder.     gewaltigen Entwicklungsprozesses. Das
            Vorreiterrolle spielt.                          Wie lässt sich das ändern?                       möchte ich auf keinen Fall verpassen.
                                                                Es braucht ein klares Bekenntnis der
            Mittlerweile spielen fast 30 Millionen Frauen   Verbände. Man muss in jeder Beziehung vom        Wo steht der Frauenfussball in zehn Jahren?
            und Mädchen auf der ganzen Welt Fussball.       alten Rollendenken abrücken. Ich kenne               Mit der wachsenden Professionalität
            Gibt es ein Schlüsselereignis für diesen Ent-   viele aktive und ehemalige Spielerinnen, die     werden Niveau und Leistungsdichte weiter
            wicklungsschub?                                 hervorragende Trainerinnen wären. Aber           steigen – technisch, aber auch athletisch. Ich
                Das war zweifellos die Lancierung der       man muss ihnen das Vertrauen schenken            erwarte vor allem, dass das Tempo stark
            Weltmeisterschaft 1991. Es brachte enormen      und eine Bewährungschance geben. Im              zunimmt. Å
            Schwung in die Entwicklung und gab den          Coaching-Bereich müssen Frauen und
            Verbänden einen Anlass, in den Frauenfuss-      Männer vermehrt zusammenarbeiten. Die                                Mit Pia Sundhage sprach
            ball zu investieren. Ebenso wichtig ist, dass   fähigsten Personen müssen in den optima-                                      Thomas Renggli
            mittlerweile WM-Turniere auf allen Nach-        len Rollen zum Einsatz kommen – egal, ob
Bildbyrån

            wuchsstufen stattfinden. So werden die          sie weiblichen oder männlichen Geschlech-
            Verbände motiviert, noch mehr Energie und       tes sind.

                                                            T H E F I FA W E E K LY                                                                        23
Photograph by Levon Biss
with support from Umbro / RPM
First Love
Ort: Khayelitsha, Südafrika
Dat u m : 9. O k tob e r 2 0 0 6
Zeit: 15. 33 Uhr

T H E F I FA W E E K LY            25
EVERY GASP

                                                                              EVERY SCREAM

                                                                                   EVERY ROAR

                                                                                    EVERY DIVE

                                                                                    EVERY BALL

                                                                                    E V E RY PAS S

                                                                              EVERY CHANCE

                                                                                 EVERY STRIKE

                                                                 E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L

                                                                               SHALL BE SEEN

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                                                                                S H A L L B E FE LT

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                                  “Wir wollen den Titel”
                       Die WM 2015 wird das grösste Turnier in der Geschichte des Frauenfuss-
                       balls. Alleine die Eröffnung verspricht Spektakel. Edmonton versteht es,
                       Sportfeste zu feiern.

                                      Alan Schweingruber

                       M
                                it Edmonton, der fünf-
                                grössten Stadt Kanadas,
                                verbindet der Sportfan in
                                erster Linie grossartiges
                                Eishockey und Canadian
                                Football. Die Oilers ge-
                       wannen alleine in den 80er-Jahren
                       viermal den begehrten Stan-
                       ley-Cup. Und die Eskimos errangen
                       ab 1978 fünf Grey-Cup-Titel in Fol-
                       ge. Edmonton, seit den Ölfunden
                       1947 zur Metropole avanciert, wird
                       seitdem auch „City of Champions“
                       genannt.
                            Nach 1991 wurde es ruhig um die
                       Sporttriumphe in der Stadt. Die
                       Menschen im Herzen Kanadas aber
                       haben nicht vergessen, wie Sport-
                       feste gefeiert werden. Im Jahr 2002
                       schaffte es Edmonton zu einer Mel-
                       dung, die heute noch in sämtlichen
                       Jugend-Sportschulen der Welt am
                       Schwarzen Brett zu finden ist: Da-
                       mals konnten 47  784 Zuschauer für
                       das WM-­Finale der U-19-Mädchen            WM-Vorfreude Kanadas Karina Le Blanc und Teamkollegin Christine Sinclair (rechts) in Vancouver.
                       mobilisiert werden. Bis heute haben
                       nicht mehr so viele Menschen ein
                       ­F IFA-Nachwuchsspiel live gesehen.

                           Der Plan: 1,5 Millionen Besucher
                       Dass der Titel damals per Golden Goal an die         spricht dafür, dass das Turnier in Kanada                traditionsgemäss mit von der Partie sein
                       USA ging, ist zwölf Jahre danach fast zur Ne-        neue Besucherrekorde verzeichnen wird. Pe-               wird, wird in Edmonton gespielt. Die Offensi-
                       bensache verkommen. “Das Erlebnis in Edmon-          ter Montopoli, CEO des Nationalen Organisa-              ve von Christine Sinclairs passt gut ins Bild:
                       ton bleibt unvergessen”, sagt Christine Sinclair,    tionskomitees sagt: „Wir wollen nach der                 “Wir wollen 2015 Weltmeister werden. Wir
                       die damalige Torschützenkönigin. “Wir haben          Männer-WM der bestbesuchte Fussballanlass                sind bereit für diesen Titel.”Å
                       uns seither entwickelt und 2012 ein grossarti-       in der Geschichte werden. Unser Ziel ist es,
                       ges Olympiaturnier gespielt. Der dritte Platz in     dass insgesamt 1,5 Millionen Menschen zu
                       London gibt uns Schwung für die WM 2015.”            den Spielen kommen. “
                       Sinclair ist mittlerweile Kapitänin des Natio-
                       nalteams und hält die wichtigsten Rekorde im             Sinclair geht in die Offensive
                       kanadischen Frauenfussball: Zehnfache „Spie-         Noch dauert es 15 Monate bis das Spektakel
                       lerin des Jahres“, 203 Einsätze für Kanada, 147      beginnt. Als Hauptprobe geht diesen Sommer
                       Tore. „Die WM im eigenen Land wird zum Hö-           die U20-WM in Edmonton, Toronto, Montreal
Reuters / Andy Clark

                       hepunkt meiner Karriere. So eine Chance              und Moncton über die Bühne. Dann wird Ed-
                       kommt nicht wieder.“                                 monton, die Ölhauptstadt Kanadas, zum Zen-
                           Die siebte Frauen-WM wird zum ersten             trum des Frauenfussballs. Das WM-Eröff-
                       Mal mit 24 Nationen ausgetragen. Alles               nungsspiel am 6. Juni 2015, bei dem Kanada

                                                                            T H E F I FA W E E K LY                                                                                     27
6 JUNE – 5 JULY

            EDMONTON

VANCOUVER

                                         WINNIPEG
Canada has hosted one edition of the Summer Olympics
                              (Montreal 1976) and two Winter Olympics (Calgary 1988
                              and Vancouver 2010).

                              The Canadian women’s team has participated in five
                              out of six editions of the FIFA Women’s World Cup™,
                              their best ranking being fourth in 2003.

                              One year before the FIFA Women’s World Cup 2015™, Canada
                              will also play host to the FIFA U-20 Women’s World Cup 2014.
                              Canada will be the first country to host this tournament twice
                              after staging the first edition in 2002 when they finished as
                              runners-up. Toronto is the only FIFA U-20 Women’s World Cup
                              stadium that will not host the senior event in 2015.

                              The Canadian Soccer Association celebrated its centenary
                              in 2012.

                              Christine Sinclair scored ten goals in one edition of the FIFA U-19
                              Women’s World Championship in 2002, the tournament that is
                              now called the FIFA U-20 Women’s World Cup.

                              Former FIFA referee Sonia Denoncourt from Canada has
                              refereed the second highest number of matches in the
                              FIFA Women’s World Cup™ with a total of nine.

                              The number of teams participating in the FIFA Women’s World
                              Cup™ will increase from 16 to 24 in 2015. In 1991 and 1995,
                              there were just 12.

                              In Mexico in 2010, Canada won the CONCACAF Women’s
                              Championship for the second time.

                              Alexander Graham Bell was an eminent scientist, inventor,
                              engineer and innovator who is credited with inventing the
                              first practical telephone.

                              The Royal Canadian Mounted Police (RCMP), known around
                              the world as The Mounties, is a federal police force for Canada.
                              Even though the RCMP is a modern policing body, the scarlet
                              tunic and the black horse remain an important part of the force’s
                              traditions and form part of Canada’s national identity, as seen in
                    MONCTON   the popular Musical Ride ceremony.

                              Inuksuit are stone landmarks or cairns built primarily by the
                              Inuit in the Arctic region of Canada. They vary greatly in shape,
                              colour, size and how they are constructed and each one has
                              some form of meaning. They have also been used in the
                              past by Inuit in the Arctic region to divert caribou to a wider
                              part of a river or lake for hunting purposes. The word inukshuk
                              means “in the likeness of a human”. Inuit Heritage Trust

         MONTREAL             Totem poles are monumental sculptures carved from large trees,
                              mostly Western Red Cedar, by indigenous peoples of the Pacific
                              coast of North America. The word totem means “kinship group”.

                              Tidal Bores are natural phenomena caused here by the surging
                              Bay of Fundy tides which are the highest in the world. The higher
OTTAWA                        waters in the bay cause the water in the placid Petitcodiac River
                              to roll back upstream in one wave. Tidal bore activity occurs twice
                              daily and waves range in height from 3cm to 60cm.

                              Trees have a commercial, environmental and aesthetic
                              importance to Canadians. Maples sustain the maple sugar
                              industry, help to beautify the landscape and contribute valuable
                              wood products. The maple tree was officially recognised as
                              Canada’s arboreal emblem in 1996.
                              On 15 February, 1965, the red maple leaf flag was inaugurated
                              as the national flag of Canada making it one of the most
                              prominent Canadian symbols.

                              Live Your Goals is FIFA’s long-term commitment to support
                              women’s football worldwide and encourage more young
                              women and girls to participate in the sport.

                              @FIFAWWC

                              facebook.com/fifawomensworldcup
                              © FIFA 2014
                              Editorial deadline: March 2014 Images © Getty Images
DEBAT T E

Der Frauenfussball ist auf Kurs

Nachwuchshoffnungen Immer mehr Mädchen zieht es zum Fussball – wie hier an einer Sportschule in Potsdam.

Wo steht der Frauen-                                  Rechnung zu machen. Die Frauen stahlen den                     Fairness ein fester Wert
                                                      Männern die Show. So kam der denkwürdige                 Trotz des zeitlichen Rückstandes in der
fussball in zehn Jah-                                 Tag im Jahr 1922 – 19 Tage vor Weihnachten –             ­Geschichte gibt es Bereiche, in denen die Frau-
ren? Die Entwicklung                                  als die Football Association den hilflosen Ent-           en den Männern einen Schritt voraus sind.
                                                      scheid traf, Frauenfussball in England einfach            Frauenfussball besticht nicht nur durch Quali-
­befindet sich in ihrer                               zu verbieten. Belgien und etwas später auch               tät, sondern auch durch Fairness. Wer sich ein
 spannendsten Phase.                                  Deutschland taten es den Briten gleich.                   Spiel über 90 Minuten anschaut, wird schnell
                                                                                                                merken, dass selten Zeit geschunden wird.
                                                          Glorreiche Rückkehr                                   Auch harte Fouls finden selten statt. Schwalben
      Alan Schweingruber und Xavier Breuil            Wenn man sich heute die Frage stellt, wo der              sind tabu. “Fair Play ist im Frauenfussball kei-
                                                      Frauenfussball in zehn Jahren steht, also 2024,           ne Floskel”, sagt Welttrainerin Pia Sundhage im
Es ist zu bezweifeln, dass James Brown s­ eine        muss auch die wundersame Auferstehung in                  Interview auf Seite 20.
Headline zu “It‘s a Man’s Man’s Man’s World”          den Sechzigerjahren miteinbezogen werden.                      Die Meinungen über James Browns
1966 nochmals umgeschrieben hätte. Sein               Mit Mut und Engagement drängte die einst ab-              ­A nsichten gehen heute noch auseinander. Mit
chauvinistischer Titel brachte der Soul-Legen-        gemurkste Sportart in die Männerwelt zurück.              seiner Zusatzschleife im Song 1966 (oder war es
de Millionen ein. Aber schon die Geschehnisse         1969 und 1970 anerkannten Deutschland,                    die Pointe?) hat er den Dreh aber gefunden: “It
45 Jahre vor seinem Welthit hätten ihm zu den-        Schweden und Frankreich den Frauenfussball               wouldn’t be nothing, nothing without a woman
ken geben müssen. Da befand sich der engli-           wieder offiziell. Der Durchbruch folgte in den           or a girl!” Å
sche Frauenfussball gerade in einer prächtigen        Neunzigerjahren mit der Erstaustragung der
Entwicklung, verzeichnete bei der Liverpooler         Weltmeisterschaft (1991) und dem Spektakel
Benefiz-Partie zwischen den Dick Kerr Ladies          mit 660 000 Zauschauern acht Jahre später in
(Werksteam des Lokomotiv-Fabrikanten Dick             den USA. Heute befindet sich der Frauenfuss-             Die Weekly-Debatte.
Kerr) und Saint Helen sagenhafte 53 000 Zu-           ball vielleicht in seiner wichtigsten Entwick-           Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
schauer. Der ansehnliche Stil und die Eleganz         lungsphase. Fundamentale Erfahrungen sind                Über welche Themen wollen Sie
der Frauen auf dem Fussballfeld schien dem            gemacht, die Akzeptanz ist vorhanden. Es rei-            diskutieren? Ihre Vorschläge an:
                                                                                                                                                                   AFP

a nderen Geschlecht einen Strich durch die
­                                                     fen Technik, Taktik und Athletik.                        feedback-theweekly@fifa.org

30                                                                                   T H E F I FA W E E K LY
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