PNEUMOLOGIE ALLERGOLOGIE - Über medizinonline.ch

 
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Ausgabe 2 · Mai 2021 · www.medizinonline.ch

PNEUMOLOGIE
ALLERGOLOGIE
    Ärztliches Magazin für interdisziplinäre Fortbildung

                           CME-FORTBILDUNG

                           Selbstmanagement von
                           Teens mit Allergien oder
                           Asthma
                           Irgendwie klappt es nicht:
                           Adhärenz und Compliance bei
                           Jugendlichen
                           Langzeitfolgen der
                           chronischen neonatalen
                           Lungenerkrankung
                           Frühe Veränderungen und
                           spätere Indikatoren

                           Medizin
                           Schweres eosinophiles Asthma
                           Kleine Atemwege als Prädiktor
                           für Biologika
                           Sublinguale Immuntherapie
                           Neue Pille gegen die Milbe
                           COPD – aktuelle Studien
                           Die Nische für LABA/ICS wird
                           immer schmaler
                           Allergische Rhinitis
                           Allerhand in der Pipeline
                           Chronischer Husten
                           Eine ganz breite Palette
                           an Ursachen

                           Praxismanagement
                           Hygienefragen in Klinik und Praxis
                           Standardmassnahmen mit hoher
                           Qualität – man muss sie nur
                           einhalten
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ANNUAL CONGRESS

                                                   2021

Immunology
after COVID-19

                                               AUGUST 19 – 20, 2021
                                            Irchel Campus, University of Zurich

ABSTRACTS – CONTRIBUTE CONTENT                             Administrative Organization
TO THE CONGRESS                                                            Medworld AG
                                                                     Sennweidstrasse 46
Information & submission                                               6312 Steinhausen
> www.congress-info.ch/ssai2021/abstracts                       Phone: +41 41 748 23 00
   Submission deadline: March 31, 2021               E-Mail: registration@medworld.ch

                                                     Information & registration
                                                 www.congress-info.ch/ssai2021
PNEUMOLOGIE ALLERGOLOGIE - Über medizinonline.ch
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; Vol. 3, Nr. 2                                                                                                                     EDITORIAL

Junge Patienten

Schwierige Klientel
                       ■ Kinder und Jugendliche sind eine ganz spezielle                             des steten Wissensaustauschs zwischen Kinderärzten,
                       Patientengruppe. Kleinen Kindern ist es oftmals                               Hausärzten und Erwachsenenpulmologen, um gemein-
                       schwer zu vermitteln, warum sie ein Medikament ein-                           sam ein besseres Verständnis für die Langzeitfolgen zu
                       nehmen, eine Therapie durchlaufen müssen. Ältere                              erlangen und in angepasste Therapiestrategien für die
                       Kinder verstehen dies zwar, befinden sich aber viel-                          junge Patientengruppe zu übersetzen.
                       leicht mitten in der Pubertät, haben ganz andere Sor-                             Weitere Themen in dieser Ausgabe der InFo
                       gen als ihre Krankheit oder verweigern ihre Medika-                           Pneumologie & Allergologie umfassen die
                       mente einfach «aus Prinzip», nur um nicht das zu tun,                         bevorstehende neue SLIT-Tablette gegen die Haus-
                       was die Erwachsenen gerne von ihnen hätten.                                   staubmilbe, die Therapie des schweren eosinophilen
                           Der Bedeutung der Therapieadhärenz und wie                                Asthmas und Behandlungsmöglichkeiten beim Obs-
                       man diese gemeinsam mit zum Teil nicht übermässig                             truktives Schlafapnoesyndrom (OSAS). In unserer
                       motivierten Teenagern erreichen kann, widmet sich                             Rubrik Praxismanagement erhalten Sie zudem Tipps
                       unser erster CME-Fortbildungsartikel in dieser Aus-                           zu Hygienefragen in Klinik und Praxis.
                       gabe am konkreten Beispiel von Jugendlichen mit
                       Asthma. Im Zentrum steht dabei die Frage, was man                             Die Redaktion der InFo Pneumologie & Allergo-
                       als Arzt (oder auch anderweitiges medizinisches Fach-                         logie wünscht Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.
                       personal) tun kann, um die jugendlichen Patientinnen
                       und Patienten adäquat zu betreuen und zu unterstüt-                           Bleiben Sie gesund!
                       zen. Bedeutend ist dabei, dass v.a. ältere Kinder in der
                       Arzt-Patienten-Kommunikation die Ansprechpartner
                       bleiben – und nicht etwa deren Eltern. Diese nehmen
                       nichtsdestotrotz eine wichtige begleitende und bera-
                       tende Rolle ein.
                           Auch der zweite Fortbildungsbeitrag beschäftigt
                       sich mit einer Erkrankung bei Kindern: Die Broncho-
                       pulmonale Dysplasie (BPD) ist die häufigste chroni-
                       sche Atemwegserkrankung bei Säuglingen und kann
                       Langzeitfolgen nach sich ziehen, die bis ins Erwachse-
                       nenalter reichen. Die Autoren informieren über Ursa-
                       chen, Histopathologie und Behandlungsmöglichkeiten
                       der Erkrankung und betonen dabei die Notwendigkeit                            Jens Dehn, Redaktion

                                                        Die Fortbildungsthemen in dieser Ausgabe:

                                                           Selbstmanagement von Teens mit Allergien oder Asthma......................................... Seite 4

                                                           Langzeitfolgen der chronischen neonatalen Lungenerkrankung.......................... Seite 10

                                                           CME-Fortbildungsfragen.......................................................................................................... Seite 16

                                                           Credits auf medizinonline.ch
                                                           Einloggen, Fragen beantworten und direkt CME-Zertifkat downloaden.

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INHALTSVERZEICHNIS                                                                                        medizinonline.ch

     PNEUMOLOGIE
     ALLERGOLOGIE
     Ärztliches Magazin für interdisziplinäre Fortbildung

                EDITORIAL                                              PRAXISMANAGEMENT
                1	Junge Patienten                                     34	Hygienefragen in Klinik und Praxis
                   Schwierige Klientel                                     Standardmassnahmen mit hoher Qualität –
                         Jens Dehn, Redaktion                              man muss sie nur einhalten

                CME-FORTBILDUNG                                        WEITERE RUBRIKEN
                4	Selbstmanagement von Teens mit Allergien            17, 20, 24,
                   oder Asthma                                         25, 29, 36 News
                   Irgendwie klappt es nicht: Adhärenz und
                   Compliance bei Jugendlichen                         28                   Impressum
                         Dr. med. Thomas Spindler, Davos;
                         Dr. med. Gerd Schauerte, Berchtesgaden (D)

                10	Langzeitfolgen der chronischen neonatalen
                    Lungenerkrankung
                    Frühe Veränderungen und spätere Indikatoren
                         Dr. med. Kai Förster,
                         Lena Haist,
                         PD Dr. med. Anne Hilgendorff, München (D)

                15       Credits auf medizinonline.ch
                         Anleitung zur Online-Fortbildung

                16       CME-Fortbildungsfragen

                MEDIZIN
                18	COPD – aktuelle Studien
                    Die Nische für LABA/ICS wird immer schmaler

                22       Schweres eosinophiles Asthma
                         Kleine Atemwege als Prädiktor für Biologika

                26	Sublinguale Immuntherapie
                    Neue Pille gegen die Milbe

                30	Allergische Rhinitis
                    Nase läuft – Forschung auch

                32       Chronischer Husten
                         Eine ganz breite Palette an Ursachen

                                                                       Titelbild: OlgaYakovenko, iStock

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CME-FORTBILDUNG                                                                                                      medizinonline.ch

Selbstmanagement von Teens mit Allergien oder Asthma

Irgendwie klappt es nicht:
Adhärenz und Compliance bei Jugendlichen
Thomas Spindler, Davos; Gerd Schauerte, Berchtesgaden (D)

Therapieadhärenz | Asthma bronchiale | Pädiatrie

                     ■ Jugendliche sind schwierig, haben keinen Bock auf       Nicht Jugendliche als solche sind schwierig, sie
                     Therapie, sind unmotiviert, sind non-compliant: Das       befinden sich in einer schwierigen Lebensphase
                     ist unser häufiges Bild von chronisch kranken Jugend-     Jugendliche befinden sich in der normativen Transi-
                     lichen. Ist das wirklich so? – Oder liegt es vielleicht   tionsphase der pubertären Identitätsfindung. Sie sind
                     auch an der Art und Weise, wie wir als medizinische       keine «kleinen Erwachsenen», und auch keine «gros-
                     Fachpersonen mit dieser Altersgruppe umgehen. Der         sen Kinder». In der Pubertät haben sie die «Aufgabe»,
                     folgende Artikel soll am Beispiel Asthma bronchiale       sich von ihren Eltern zu lösen, zu opponieren, Gren-
                     Fakten aufzeigen, Verständnis für diese «besondere        zen auszuloten und Selbstständigkeit zu erlernen –
                     Patientengruppe» wecken und gangbare Wege auf-            manchmal durchaus konfrontativ. Neben der Pubertät
                     zeigen, die Jugendlichen zu gewinnen und damit einer      als «normaler» Transitionsphase für jeden Menschen
                     eigenverantwortlichen und suffizienten Therapie zuzu-     müssen aber chronisch kranke Jugendliche zusätzlich
                     führen.                                                   den Prozess des Übergangs in die «Erwachsenenmedi-
                                                                               zin» bewältigen – eine gleichzeitige «nicht-normative
                     Lebensphase Jugend – eine Herausforderung                 Transition» als doppelte Herausforderung. Transition
                     auch ohne Asthma                                          bedeutet hier nicht nur den einfachen Arztwechsel,
                     Jugendliche befinden sich in einer «Transitionsphase».    sondern den gesamten Prozess des Erwachsenwerdens
                     Hierunter versteht man krisenhafte, zeitlich begrenzte    und der Verantwortungsübernahme für die Krankheit.
                     Phasen in der Entwicklung von Menschen, die durch         In diesem Prozess sollten wir die Jugendlichen unter-
                     erst- oder einmalige markante Ereignisse ausgelöst        stützen. Das Bewusstsein dieser doppelten Herausfor-
                     werden. Unterschieden wird zwischen «normativen           derung sollte unser Denken und Handeln im Umgang
                     Transitionen» und «nicht-normativen Transitionen».        mit Jugendlichen lenken.
                     Normative Transitionen sind Entwicklungsphasen,
                     die von nahezu allen Menschen im Laufe ihres Lebens       Unsere Aufgabe in der Begleitung
                     durchgemacht werden wie z.B. Eintritt in den Kinder-      von Jugendlichen mit Asthma
                     garten, Schulbeginn, Pubertät, Eintritt in den Beruf      Jugendliche mit chronischen Erkrankungen werden
                     etc. Daneben gibt es sogenannte «nicht-normative          von vielen als eine «schwierige Patientengruppe» emp-
                     Transitionen». Dies sind individuelle Einschnitte wie     funden, da sie teilweise keine Lust auf die regelmässige
                     z.B. Veränderungen der sozialen Umgebung, plötz-          Medikamenteneinnahme haben und eher genervt da-
                     liche Verluste, «Schicksalsschläge» oder aber auch        von sind. Ziel ist es, Jugendliche in ihrer Lebenssitua-
                     Veränderung von medizinischen und therapeutischen         tion ernst zu nehmen, Betroffenheit zu erzeugen und
                     Versorgungsstrukturen bei chronischen Erkrankungen        ihnen damit die notwendigen Kenntnisse und Fertig-
                     wie dem Asthma bronchiale.                                keiten an die Hand zu geben, das Selbstmanagement
                                                                               ihrer Erkrankung zu übernehmen. Bei Kindern und
                                                                               Jugendlichen zählen allergische Erkrankungen zu den
                                       Dr. med. Thomas Spindler                häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die
                                                                               12-Monats-Prävalenzen für Heuschnupfen (8,8%),
                                       Chefarzt Pädiatrie
                                                                               Neurodermitis (7,0%) und Asthma bronchiale (3,5%)
                                       Hochgebirgsklinik Davos
                                                                               zeigen über mehrere Jahre keine wesentlichen Verän-
                                       Herman-Burchard-Strasse 1
                                       7265 Davos                              derungen und weisen somit auf eine Stabilisierung der
                                       thomas.spindler@hgk.ch                  Erkrankungshäufigkeiten auf hohem Niveau hin [1]. In
                                                                               den Daten zeigt sich auch, dass Jugendliche ihre Ge-
                                                                               sundheit schlechter einschätzen als dies ihre Eltern tun
                                       Dr. med. Gerd Schauerte                 und sich chronische Erkrankungen wie Asthma nega-
                                                                               tiv auf die Lebensqualität der Jugendlichen auswirken.
                                       Ärztlicher Direktor
                                       FB Gesundheit und Rehabilitation        Compliance oder Adhärenz:
                                       CJD Berchtesgaden, Buchenhöhe 46        partizipative Entscheidungsfindung
                                       D-83471 Berchtesgaden
                                                                               Während man früher vom Begriff der «Compliance»
                                       gerd.schauerte@cjd.de
                                                                               ausging, d.h. der «Anordnung» einer Massnahme

4
PNEUMOLOGIE ALLERGOLOGIE - Über medizinonline.ch
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; Vol. 3, Nr. 2                                                               CME-FORTBILDUNG

                                                      Grafik 1
                                                      n = 122, 3-12J, Follow up alle 4 Mo., Compliancemessung via Rezepteinlösung (aus 7)
durch den Arzt und dem «Befolgen» dieser Anord-
                                                           Abb. 1 Adhärenzmessung via Rezepteinlösung
nung durch den Patienten wird heute von «Adhärenz»
gesprochen. Adhärenz steht in der Medizin für die                                     Kontrolliert                    n = 122, 3–12 Jahre
Einhaltung der gemeinsam vom Patienten und dem                                        nicht kontrolliert              Follow up alle 4 Monate
medizinischen Fachpersonal (Ärzte, Pflegefachkräfte,
Therapeuten) gesetzten Therapieziele. Das Konzept                     90%

der Adhärenz basiert auf der Erkenntnis, dass das Ein-                80%

halten von Therapieplänen und damit auch der The-                     70%
rapieerfolg in der gemeinsamen Verantwortung des                      60%
medizinischen Fachpersonals und des Patienten liegt.

                                                           Adhärenz
                                                                      50%
Daher sollten beide Seiten möglichst gleichberechtigt                 40%
«zusammenarbeiten» und gemeinsame Entscheidun-                        30%
gen auf Augenhöhe treffen.                                            20%
    Im Rahmen einer Kohortenstudie aus dem Jahre                      10%
2009 an 102 randomisierten Kindern und Jugendlichen                   0%

                                                                                                                                                Quelle: [7]
wurde über 12 Monate alle 2 Monate mit 4 verschie-                          4 Monate                       8 Monate                 12 Monate
denen Methoden die Therapietreue bei inhalativen
Medikamenten erfasst. Während nach Selbstangabe
der Patienten bzw. Eltern 98% der verordneten Dosen       eine gute Adhärenz in qualitativ hochwertigen Stu-
inhaliert wurden und immerhin noch 70% der Rezepte        dien mit weniger schweren Asthma-Exazerbationen
in den Apotheken eingelöst wurden, zeigten die «ob-       verbunden [8].
jektiveren» Methoden wie elektronische Messung der            Jugendliche sind ehrlich: sie sagen, warum sie die
Inhalationsrate oder das Wiegen des Dosieraerosols        Therapie nicht machen: Während kleinere Kinder
ein gänzlich unterschiedliches Ergebnis. Hier lag die     häufig die Eltern im Arztgespräch reden lassen und
tatsächlich gemessene «Compliancerate» nur noch bei       Erwachsene den Ärzten oft nicht die realen, sondern
etwa 50% [2].                                             die «gewünschten» Antworten geben, sind Jugendli-
    Dieses Ergebnis korreliert mit diversen anderen       che hier viel ehrlicher. Sie sagen offen, warum sie et-
Studien und hat sich auch in den letzten Jahren nicht     was nicht gemacht haben – ob «vergessen» oder «kein
signifikant verändert, wie die Daten von Milgrom aus      Bock» oder «mir geht es doch auch so gut» – all dies
dem Jahre 1996 und auch anderer Autoren zeigen [3].       sind klassische Antworten auf unsere Frage: «Wie re-
Auch neuere Studien weisen leider keine signifikant       gelmässig hast du inhaliert?»
besseren Werte auf [4]. Auch innerhalb der Gruppe             Wichtig ist aber auch, die Rolle der Eltern auch
der Jugendlichen scheinen die jüngeren Patienten eine     bei Jugendlichen zu beachten. Es ist keineswegs so,
bessere Therapieadhärenz aufzuweisen als die älteren      dass diese komplett ihren Einfluss verlieren. Vielmehr
Jugendlichen, wie eine Studie aus dem Jahre 2009          verlässt sich ein Teil der Adoleszenten weiterhin auf
zeigt [5]. Dies ist eventuell mit dem noch grösseren      die Eltern und überlässt ihnen einen Teil der Thera-
Einfluss der Eltern zu erklären.                          pieverantwortung [9].
    Des Weiteren zeigen Daten, dass eine eindeutige
Korrelation zwischen «Compliance» und Erkran-             Welche Faktoren führen speziell bei Jugendlichen
kungsdauer besteht: je länger die Erkrankung dauert,      zu weniger Therapieadhärenz?
desto schlechter die Compliance [2].                      In einer 2020 veröffentlichtem systematischen Review
                                                          [10] kommen die Autoren zu folgenden jugendlichen-
Fehlende Adhärenz und ihre Auswirkungen                   spezifischen Gründen:
auf die Asthmakontrolle                                   – Wunsch nach Unabhängigkeit und Verantwortung
Therapieziel nach Leitlinien [6] ist ein kontrolliertes     inklusive der Ablehnung elterlicher Überwachung
Asthma, d.h. bei Kindern und Jugendlichen vollstän-         und Unterstützung
dige Beschwerdefreiheit ohne den Gebrauch von             – Konflikte mit den Eltern, wer die Verantwortung für
Notfallmedikamenten bei normaler Alltagsaktivität           die korrekte Therapiedurchführung hat
und uneingeschränkter sozialer Teilhabe. Die vorlie-      – Schwierigkeiten im «Zeitmanagement» und im Set-
genden Daten (Abb. 1) zeigen eine strenge Korrela-          zen von Prioritäten
tion ­zwischen Therapieadhärenz und dem Therapie-         – «Vergesslichkeit» oder die Wahrnehmung, zu viel
ziel Asthmakontrolle [7]. Diese Daten wurden 2015           anderes zu tun zu haben
in ­einem systematischen Review mit 23 eingeschlosse-     – Fehlende Entscheidungsfähigkeit: nehme ich die
nen Studien nochmals eindrücklich bestätigt: Obwohl         Medikamente oder nicht?
die Messgrössen der Studien deutlich variierten, war      – Fehlendes Wissen über Wirkung und Nebenwir-
                                                            kung, um Entscheidungsfähigkeit herbeizuführen
                                                          – Überlassung der Therapieverantwortung bei den
                                                            Eltern kombiniert mit fehlender elterlicher «Moti-
                                                            vation»
                                                          – Interessenskonflikt zwischen Medikamentenein-
                                                            nahme und anderen Alltagsaktivitäten
> Fortbildungsfragen auf Seite 16                         – Fehlende Wahrnehmung des Therapieeffektes
                                                          – Scham vor Freunden

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PNEUMOLOGIE ALLERGOLOGIE - Über medizinonline.ch
CME-FORTBILDUNG                                                                                                                                   medizinonline.ch

                   Abb. 2 Je schwerer das Asthma, desto häufiger bestehen psychische                                          als Apps [16,17] evaluiert. Auch diese zeigten positive
                          Probleme                                                                                            Ergebnisse bezüglich Therapieadhärenz bei Jugend-
                                                                                                                              lichen. Ob diese Form der Schulung allerdings die
                                                            kein n = 93.089        leicht n = 5952              n = 101.778   Teilnehmer genau so individuell erreicht wie in einer
                                                            mittel n = 2318        schwer n = 393
                                                                                                                              Live-Schulung [18] muss kritisch hinterfragt werden.
                                                                                                                              Vergleichsdaten liegen nicht vor.
                                            30%
                                                  Asthma bronchiale
                                                                                                                              Was können WIR bei der individuellen Betreuung
                                            25%
                                                                                                                              Jugendlicher tun?
                   Häufigkeit der Störung

                                                                                                                              Gerade bei Jugendlichen sind eine gute Gesprächsat-
                                            20%
                                                                                                                              mosphäre und Arzt-Patienten-Beziehung ausschlagge-
                                                                                                                              bend für die Motivation zur Durchführung der Thera-
                                            15%
                                                                                                                              pie. Jugendliche erfahren oft, dass ihnen «von aussen»
                                            10%                                                                               gesagt wird, was sie zu tun haben und was nicht. Sie
                                                                                                                              fühlen sich aber bereits als selbst entscheidende In-
                                            5%                                                                                dividuen. Hierdurch kommt es häufig zu Konflikten
                                                                                                                              oder zu Verhaltensweisen, bei denen die Jugendlichen
                                                                                                                              aus Opposition das, was ihnen von aussen gesagt wird,
   Quelle: [21]

                                            0%
                                                     ADHS     Depression / Angst         SSV                Lernstörungen     eben nicht tun.
                                                                                                                                  Jugendliche sollten das Gefühl haben, «beraten»
                  ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit-    und Hyperaktivitätsstörung
                              ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung   SSV: Störung des Sozialverhaltens    zu werden, jedoch selbst die Entscheidungen für ihr
                  SSV: Störung des Sozialverhaltens                                                                           Verhalten zu treffen. Hierbei sollte das Thema «The-
Abb. 1: Je schwerer das Asthma, desto häufiger bestehen psychische Probleme                                                   rapietreue» und «Machbarkeit» offen angesprochen
                                                                                                                              werden und so mit dem Jugendlichen zusammen eine
                                                             – Jugendliches «Risikoverhalten» wie Rauchen, Alko-              gemeinsame Therapieentscheidung getroffen wer-
                                                               hol oder Drogen                                                den [19]. Auch die Wahl des Inhaliergerätes sollte
                                                             – Vermehrter Einfluss psychischer Störungen bei Ju-              zusammen mit dem Jugendlichen getroffen werden.
                                                               gendlichen                                                     Hilfreich ist auch ein «Rückmeldesystem» bezüglich
                                                                                                                              der Therapietreue. Dieses verbessert sowohl die ge-
                                                             Welche externen Faktoren führen speziell bei                     messene Compliance als auch objektive Lungenfunk-
                                                             Jugendlichen zu mehr Therapieadhärenz [11,12]?                   tionsparameter [20].
                                                             – Funktionierendes Familiengefüge und realistische
                                                               Einschätzung bez. Asthma                                       Psychosoziale Kontextfaktoren der Adhärenz
                                                             – Gering empfundenem Stress bei Erziehung und re-                bei Kindern und Jugendlichen
                                                               gelmässiger Therapie                                           Spätestens seit der Auswertung von grossen popula-
                                                             – Routinierte (=ritualisierte?) Therapie                         tionsbezogenen Studien in den USA im Jahr 2007 ist
                                                             – Maximal 2 Inhalationen pro Tag                                 bekannt, dass mit dem Schweregrad des Asthmas auch
                                                             – Kürzliche Exacerbation                                         die Häufigkeit von psychosozialen Auffälligkeiten bei
                                                             – Überzeugung bzgl. Selbstwirksamkeit                            Kindern und Jugendlichen ansteigt. Zu dieser Zeit er-
                                                             – Positive Grundstimmung                                         folgte (noch) eine Einstufung in leichtes, mittelschwe-
                                                             – Klare strukturierte Tagesabläufe in der Familie                res- und schweres Asthma bronchiale. Dabei zeigt
                                                             – Klare Aufgabenverteilung bez. der Therapie                     sich ein deutlicher Anstieg von Aufmerksamkeitsde-
                                                             – Ältere Eltern                                                  fizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Depressi-
                                                                                                                              vität/Angststörung, Störung des Sozialverhaltens und
                                                             Welche Schulungsmassnahmen sind hilfreich?                       Lernstörung in Abhängigkeit vom Schweregrad des
                                                             Allgemein kann gesagt werden: Schulung von Ju-                   Asthma bronchiale [21] (Abb. 2). Dies lässt sich eben-
                                                             gendlichen verbessert die Therapieadhärenz. Neben                falls in Daten aus Grossbritannien nachweisen [22].
                                                             der klassischen ambulanten oder stationären Schu-                Wenn man die Studiendaten aus den Vereinigten Staa-
                                                             lung oder der Rehabilitation sind auch neue, alterna-            ten aus dem Blickwinkel der jeweiligen psychischen
                                                             tive Formen von Schulung nachweisbar wirksam. In                 Störung betrachtet, ergibt sich bei Vorliegen der psy-
                                                             mehreren Metaanalysen wurde bereits seit 2003 de-                chischen Störung jeweils ein deutlich erhöhter Anteil
                                                             ren Wirksamkeit auf diversen Ebenen nachgewiesen                 bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale.
                                                             ­[13 –15]. Signifikant zeigten sich folgende Ergebnisse:         Dabei verdoppelt sich bei Vorliegen einer solchen Stö-
                                                              – Verbesserung der Lungenfunktion (PEF +9,5%)                   rung die Häufigkeit eines Asthmas bronchiale nahezu.
                                                              – Reduktion der Schulfehlzeiten                                      Ähnliche Ergebnisse ergaben sich bereits in­einer
                                                              – Verbesserung der körperlichen Aktivität                       Meta-Analyse im Jahr 2001 mit insgesamt 26 Stu-
                                                              – reduzierte nächtliche Asthmaanfälle                           dien [23]. Insgesamt können wir also von einem si-
                                                              – reduzierte Krankenhausaufenthalte                             cher fundierten Wissen ausgehen. Trotz dieser klaren
                                                              – reduzierte Notfallambulanz-Besuche                            Zusammenhänge gibt es erstaunlich wenige Untersu-
                                                              – Stärkung des Selbstbewusstseins- zu seiner Erkran-            chungen, die sich dem Thema der Adhärenz bei Vor-
                                                                kung zu stehen und nicht allein damit zu sein                 liegen einer psychischen Störung widmen.
                                                              Neben diesen klassischen Schulungskonzepten wurden                   Eine mögliche Erklärung für den Zusammenhang
                                                              auch andere Schulungskonzepte auf Onlinebasis bzw.              psychische Auffälligkeit und Asthma wäre, dass die

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PNEUMOLOGIE ALLERGOLOGIE - Über medizinonline.ch
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; Vol. 3, Nr. 2                                                                CME-FORTBILDUNG

                                          Abb. 2: Angststörung und Depression führen zu mehr Asthmabeschwerden
                                            und umgekehrt
psychischen Auffälligkeiten Folge einer medikamentö-
                                                        Abb. 3                       Angststörung und Depression führen zu mehr Asthma­
sen Therapie sind. Dies ist zumindest für den Wirkstoff
                                                                                     beschwerdenund umgekehrt
der inhalativen Corticosteroide klar auszuschliessen.
In einer Kinderstudie konnte gezeigt werden, dass bei
den Kindern mit einer guten Adhärenz (durchschnitt-          3
lich 92%) bezüglich inhalativer Kortikosteroide keine

                                                         Anzahl der Asthmasymptome
vermehrten Verhaltensauffälligkeiten – gemessen mit        2,5
der Child Behavior Checklist (CBCL) – aufgetreten
sind [24]. Allerdings veröffentlichte die amerikanische      2
U.S. Food and Drug Administration (FDA) bezüglich
des Leukotrienantagonisten Montelukast im März             1,5
2020 eine sogenannte «Boxed-Warning», in der als
Nebenwirkung ausdrücklich Agitation, Depression,             1
Schlafstörung sowie suizidale Gedanken aufgeführt
werden [25].                                               0,5
    Gerade bei Patienten mit ungünstigem Verlauf be-
züglich Asthma bronchiale kann mit vermehrten Ver-           0
haltensauffälligkeiten gerechnet werden. Hier sollte                                  0–5       6–9     10–15     16–22     23–30     31–62

                                                                                                                                              Quelle: [27]
der Einsatz von Leukotrienantagonisten besonders                                              Anzahl der Angst-Depressions-Symptome
zurückhaltend erfolgen.

Asthma und ADHS                                          Erwachsenen eine Reglementierung des Verhaltens
Das gemeinsame Auftreten von Asthma bronchiale           gefordert wird, führt dies schnell zu oppositionellen
und ADHS konnte nicht nur in den oben genannten          Verhalten und mangelhaften Asthmamanagement.
Studien nachgewiesen werden. In den RKI-Daten            Dabei konnte in eigenen Untersuchungen gezeigt
(deutschlandweite populationsbezogene Studie)            werden [26], dass der Bedarf an Unterstützung bei
zeigt sich (eigene Auswertung, nicht veröffentlicht)     Asthma bronchiale mit dem Ausmass externalisieren-
eine Prävalenz von ADHS bei Kindern mit Asthma           der Verhaltensauffälligkeiten steigt. Das heisst, diese
bronchiale von 7,8%; die Prävalenz von ADHS in           Kinder benötigen besonders viel Unterstützung, um
der Gruppe ohne Asthma bronchiale liegt bei 4,7%         die Notwendigkeiten der Behandlung ihres Asthma
­(n=13 292). Umgekehrt zeigen sich in der Gruppe         bronchiale möglichst gut umzusetzen.
 der Asthmatiker signifikant mehr Kinder mit auffälli-
 gen Werten in Bezug auf ein hyperaktives Verhalten      Asthma und Depression/Angststörung
 (11,8% versus 8,4%, n=14 300).                          Bei Angststörung und Depression ist die Datenlage
     Welche Auswirkungen die Erkrankung ADHS auf         insgesamt besser. Im Jahr 2006 liess sich in einer Popu-
 die Adhärenz bei Kindern und Jugendlichen hat, war      lation von über 700 Kindern und Jugendlichen im Alter
 bislang nicht im Fokus einer einzelnen Studie. Wenn     zwischen 11 und 17 Jahren ein klarer Zusammenhang
 man jedoch die typischen Symptome des ADHS mit          zwischen der Anzahl der Angst/Depressionssymptome
 Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität        sowie der Symptome seitens des Asthma bronchiale
 mit der Notwendigkeit zur Behandlung eines Asthma       darstellen [27]. Je mehr Angst/Depressionssymptome
 bronchiale gegenüberstellt, ergeben sich klare Hin-     bestehen, desto mehr Asthmasymptome bestehen und
 weise, dass eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hy-        umgekehrt (Abb. 3). Zu ähnlichen Ergebnissen kam
 peraktivitätsyperaktivitätsstörung eine optimale        eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2021 [28], bei der
 Therapie des Asthma bronchiale beeinträchtigt. Die      sich insbesondere bei Mädchen ein ähnlicher Effekt
 regelmässige Durchführung einer Dauertherapie, die      darstellen liess.
 ggf. notwendige Steuerung körperlicher Aktivität, die        In einer Studie mit Kindern und Jugendlichen
 Auslöservermeidung sowie die soziale Kompetenz im       (8–18 Jahre alt) wurde die Adhärenz bez. einer Asth-
 Umgang mit der Erkrankung passen nicht zum Bild         matherapie bei Vorliegen von Depression/Angststö-
 eines ADHS. Umso dringender notwendig ist es, nicht
 nur das Asthma bronchiale, sondern auch das ADHS
 optimal zu behandeln, um den Patienten insgesamt ge-    TAKE-HOME-MESSAGES
 recht zu werden.                                        ― Jugendliche sind ehrlich: sie sagen, warum sie die Therapie
                                                           nicht machen
Asthma und Störung des Sozialverhaltens
                                                         ― Non-Adhärenz ist eine wichtige, wenn nicht die wichtigste
Ähnlich sieht es hinsichtlich der Komorbidität von
                                                           Ursache für ein instabiles, d.h. unkontrolliertes oder nur teil-
Asthma bronchiale und Störung des Sozialverhaltens
                                                           weise kontrolliertes Asthma bronchiale.
aus. Auch hier ergeben sich durch die typischen Sym-
ptome der Störung des Sozialverhaltens (streitet sich    ― Im Gespräch ist der Jugendliche Ansprechpartner, nicht seine
häufig mit Erwachsenen, widersetzt sich den Regeln         Eltern, wobei die Eltern als Berater weiterhin eine wichtige
von Erwachsenen, reagiert leicht empfindlich und           Funktion als «Begleiter» haben.
verärgert) und den Notwendigkeiten einer Behand-         ― Der Bedarf an Unterstützung aufgrund von Asthma bronchiale
lung von Asthma bronchiale Schwierigkeiten bei der         steigt mit dem Ausmass externalisierender Verhaltensauffällig-
Therapieumsetzung – besonders, wenn von Seiten der         keiten.

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PNEUMOLOGIE ALLERGOLOGIE - Über medizinonline.ch
CME-FORTBILDUNG                                                                                                  medizinonline.ch

           rung sowie Asthma bronchiale erhoben [29]. Dabei         Bei Vorliegen dieser Erkrankungen ist neben der op-
           bestand auch hier ein klarer Zusammenhang zwischen       timalen Asthmatherapie auch eine optimale Therapie
           dem Ausmass von Angst/Traurigkeit und Asthmasym-         und Behandlung der jeweiligen psychosozialen Grund-
           ptomen. Allerdings liess sich dieser Zusammenhang        erkrankung erforderlich. Eine Kooperation zwischen
           nicht durch eine Non-Adhärenz erklären. Hier scheint     behandelndem Kinder- und Jugendarzt und Psycho-
           es sich um einen unabhängigen Zusammenhang zu            logen bzw. Kinder- und Jugendpsychiater ist hier er-
           handeln. Diskutiert wird, dass bei erhöhter Angst        forderlich. Ein gemeinsamer Austausch über den Pa-
           und Traurigkeit auch eine erhöhte Wahrnehmung der        tienten kann sicher die Therapie beider Erkrankungen
           Asthmasymptome besteht. Auch in dieser Studie lässt      optimieren und ist klar zu fordern. Wie oben gezeigt
           sich nachweisen, dass eine Non-Adhärenz zu einem         wurde, beeinflussen sich beide Erkrankungen gegen-
           instabilen Asthma bronchiale mit der Notwendigkeit       seitig negativ.
           einer Therapie mit systemischen Steroiden führt.
               Bei erwachsenen Patienten mit Asthma bronchiale      Zusammenfassung
           und Depression [30] konnte jedoch ein klarer Zusam-      Non-Adhärenz ist eine wichtige, wenn nicht die wich-
           menhang zwischen der Höhe der depressiven Symp-          tigste Ursache für ein instabiles, d.h. unkontrolliertes
           tome und der Adhärenz gemessen werden. Die Odds-         oder nur teilweise kontrolliertes Asthma bronchiale.
           Ratio – also das Risiko – bezüglich einer schlechten     Mit einer schlechten Adhärenz, (das bedeutet, bei der
           Adhärenz (unter 50% der vereinbarten Medikamente         Einnahme von weniger als 75 bis 80% der vereinbar-
           wurden eingenommen) ist bei einem signifikant erhöh-     ten Medikamente) muss man bei mindestens 50% aller
           ten Depressions-Score 11,4-fach erhöht. Als mögliche     Patienten rechnen, besonders jedoch bei Patienten, bei
           Ursache für die schlechte Compliance bei einer aus-      denen die Asthmakontrolle nicht im erwarteten Aus-
           geprägten Depressionssymptomatik werden in dieser        mass erreicht wird.
           Studie Apathie; Pessimismus bezüglich der Effektivität        Zur Therapie der Non-Adhärenz gehört eine
           der Therapie; akute Defizite in der Aufmerksamkeit,      strukturierte Patientenschulung und ein langfristiges
           Merkfähigkeit und Aufnahmefähigkeit; absichtliche        Zusammenarbeiten zwischen Patient und behandeln-
           Selbstschädigung und erhöhte Sorgen vor möglichen        den Arzt, um die Adhärenz zu verbessern. Dabei ist
           Nebenwirkungen diskutiert.                               der Glaube an den Nutzen der Therapie – insbeson-
                                                                    dere im Erleben eines Therapieeffekts – besonders
           Psychosomatische und soziale Kontextfaktoren             wirksam.
           Insgesamt lässt sich somit klar darstellen, dass psy-         Wichtig ist es, Verständnis zu haben: Nicht der
           chosoziale Auffälligkeiten, insbesondere ADHS, Stö-      Jugendliche mit Asthma per se ist «schwierig» son-
           rung des Sozialverhaltens und Depression mit einem       dern die Situation in der sich befindet. Jugendliche
           unzureichenden Asthmamanagement einhergehen.             müssen wertgeschätzt und ernst genommen werden.

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                                                                                         Foto: Hochgebirgsklinik Davos/ FIONAARTS Fotografie, Fiona Piola
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; Vol. 3, Nr. 2                                                                                         CME-FORTBILDUNG

Sie brauchen Perspektiven und müssen den Mehrwert
der Therapie für ihre persönliche Situation erkennen.                         Die Arzt-Patientenbeziehung bei Jugendlichen sollte
Im Gespräch ist der Jugendliche Ansprechpartner,                              geprägt sein durch folgende Faktoren:
nicht seine Eltern, wobei die Eltern als Berater wei-                         – Primärer Ansprechpartner sind grundsätzlich die Jugendlichen –
terhin eine wichtige Funktion als «Begleiter» haben.                            keinesfalls die begleitenden Bezugspersonen
Die Motivation zur Therapie muss vom Jugendlichen                             – Respekt und Verständnis für die Lebensphase, die Besonderhei-
ausgehen, nicht von den Eltern oder dem Arzt, das be-                           ten und die «­ Probleme» der Jugendlichen
deutet, dass wir als Ärzte/Ärztinnen die eigene Rolle
                                                                              – Keine «oberlehrerhaften» Anweisungen, sondern gleichberechtigtes
nicht überschätzen dürfen. Bei jeder Konsultation soll-
                                                                                Gespräch auf Augenhöhe
ten wir offen nachfragen: Jugendliche geben ehrliche
Antworten.                                                                    – Der Arzt als «Berater»: er berät nur und gibt nützliche Tipps. Über
    Asthma bronchiale geht mit einer erhöhten Rate                              die Umsetzung entscheiden die Jugendlichen selbst
an internalisierenden und externalisierenden Störun-                          – Verständnis für die Abgrenzung von Eltern, Lehrern und Pädago-
gen einher. Dabei führen ungünstige psychosoziale                               gen
Eigenschaften im Verhalten zu einem mangelhaften                              – Perspektiven geben, Mehrwert für die persönliche Situation der
Asthmamanagement und Non-Adhärenz. Der Bedarf                                   Jugendlichen hervorheben
an Unterstützung aufgrund von Asthma bronchiale
                                                                              – Direkt mit den Jugendlichen sprechen und nicht mit den Eltern
steigt mit dem Ausmass externalisierender Verhalten-
                                                                                über die Jugendlichen
sauffälligkeiten.
                                                                              – Blickkontakt, auf Augenhöhe gehen

Literatur:                                                                    – Viel positive Verstärkung – es kann bei Jugendlichen schon
1. Thamm R, Poethko-Müller C, Hüther A, Thamm M: Allergische                    lobenswert sein, dass sie tatsächlich in die Sprechstunde kommen
     Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Quer-
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     controlled trial of electronic adherence monitoring with reminder
                                                                            19. Burgess S, Sly P, Morawska A, Devadson S: Assessing adherence
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                                                                                increases use of preventive medication by asthmatic children.
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                                                                                J Asthma 2010 Mar; 47(2): 198–201.
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8. Engelkes M, Janssens H, de Jongste J, et al. Medication adherence
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     and the risk of severe asthma exacerbations: a systematic review.
                                                                                Problems. Acta Paediatr 2012; 101 (11): 1156–1160.
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     treatment: a review of correlates and predictors. J Dev Behav
                                                                                Pediatr Pulmonol 2007 Jan; 42(1): 15–22.
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     pediatric asthma: A systematic review of the literature. Pediatric
                                                                                symptoms. Pediatrics 2006 Sep; 118(3): 1042–1051.
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     education on children’s use of acute care services: a meta-analysis.
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9
CME-FORTBILDUNG                                                                                                     medizinonline.ch

Langzeitfolgen der chronischen neonatalen Lungenerkrankung

Frühe Veränderungen und spätere Indikatoren
Kai Förster, Lena Haist, Anne Hilgendorff, München (D)

Bronchopulmonale Dysplasie | Lungenfunktion | Pädiatrie

                       ■ Als häufigste chronische Lungenerkrankung bei          wicht unter 1 kg geboren wurden [5,8,9]. Diese Zahlen
                       Säuglingen ist die Bronchopulmonale Dysplasie            stammen dabei überwiegend aus Ländern mit hohem
                       (BPD) mit Langzeitfolgen verbunden, die bis in das       Bruttoinlandsprodukt. Bei weltweit jährlich circa 15
                       Erwachsenenalter reichen [1,2]. Trotz signifikanter      Millionen zu früh geborenen Kindern belegen die
                       Verbesserungen in der perinatalen Versorgung, wie        obenstehenden Zahlen die signifikante klinische und
                       der pränatalen Behandlung mit Steroiden zur Errei-       sozioökonomische Herausforderung [10].
                       chung eines Reifungs«spurtes» der Lunge, der Sur-             Die chronische Lungenerkrankung des Neugebo-
                       factanttherapie sowie der Entwicklung angepasster        renen wird in der Definition von Jobe und Bancalari
                       Beatmungsstrategien, ist die Inzidenz der BPD bei den    in drei Schweregrade eingeteilt: leichtgradig (Sauer-
                       besonders unreifen Säuglingen unverändert geblieben      stoffsupplementierung für mindestens 28 Tage postna-
                       oder sogar gestiegen [3]. Dies ist vermutlich auf eine   tal), moderat (Sauerstoffsupplementierung
InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; Vol. 3, Nr. 2                                                    CME-FORTBILDUNG

ten, dass bis zu 53% der Varianz bei BPD hierdurch       TAKE-HOME-MESSAGES
bedingt sein können [28]. Zu den identifizierten gene-
                                                         ― Die BPD ist eine chronische Atemwegserkrankung des Säuglingsalters, die
tischen Anomalien gehören Mutationen in Genen,
                                                           durch eine alveoläre Rarefizierung, eine Affektion der kleinen Atemwege
die mit der Surfactantsynthese, der angeborenen
                                                           sowie pulmonale Gefässveränderungen gekennzeichnet ist. Bei Verlaufsbe-
Immunantwort [29,30] und der Superoxiddismutase
                                                           obachtungen der Lungenfunktion kann u.a. die Einsekundenkapazität bei
[31] in Verbindung stehen. Das höhere Risiko für
                                                           Kindern und Erwachsenen mit einer BPD in der Vorgeschichte erniedrigt
die Entwicklung von BPD und pulmonaler arterieller
                                                           sein.
Hypertonie (PAH) bei männlichen Frühgeborenen
[32] wurde mit Unterschieden in der hormonellen          ― Die charakteristische Assoziation einer gestörten Alveolarisierung mit dem
Regulation in Verbindung gebracht [33]. Im Gegen-          Vorhandensein dysmorpher Kapillaren wird durch die veränderte Expression
satz hierzu sind in der weiteren Entwicklung Frauen        angiogener Wachstumsfaktoren getrieben. Einige Veränderungen ähneln
mit einer BPD in der Vorgeschichte langfristig stärker     denen im alternden Organismus und tragen im weiteren Verlauf zum Risiko
betroffen [34].                                            einer PAH und einer gestörten Entwicklung des lymphatischen Systems in
    Schwierigkeiten bei der Identifizierung klinisch       der Lunge bei.
relevanter genetischer Risikofaktoren bereitet sowohl    ― Die BPD ist in der Folge des Umbaus von einer pathologischen Anordnung
die Differenzierung zwischen Einflussgrössen zum           des Elastins sowie qualitativen und quantitativen Veränderung des Kolla-
Frühgeburtlichkeitsrisiko per se [35] als auch die         gengerüstes charakterisiert, die die strukturgebende Funktion der Matrix
Betrachtung zu einander in Bezug stehender akuter          als Gerüst für die Bildung neuer Alveolen und Kapillaren beeinflussen und
[36] und chronischer Komplikationen. Die Tatsache,         das Schicksal der Zellen, die das sich entwickelnde Organ besiedeln, defi-
dass grosse genetische Assoziationsstudien [37] bisher     nieren.
nicht an die Erfolge in anderen Krankheitsgebieten       ― Die frühe Schädigung der Lunge führt zu einer anhaltenden Entzündungs­
wie der zystischen Fibrose [38] oder der PAH [39,40]       reaktion, einer oxidativen Stressantwort und einer veränderten Signaltrans-
im Sinne richtungsweisender Ergebnisse mit klinischer      duktion wichtiger Wachstumsfaktoren.
Relevanz anschliessen konnten, kann neben den
                                                         ― Der iterative Wissensaustausch zwischen Kinderärzten, Hausärzten und
genannten Gründen aber auch ein Hinweis auf die
                                                           ­Erwachsenenpulmologen ist notwendig, um ein besseres Verständnis der
Heterogenität der BPD-Diagnose sein. In der Zukunft
                                                            Langzeitfolgen einschliesslich der Merkmale und Auswirkungen des vorzei-
kann die Identifizierung von zugrundeliegenden
                                                            tigen Alterns zu erreichen.
Krankheits(sub)entitäten die eindeutigere Zuordnung
bestimmter Risikofaktoren und genetischer Polymor-       ― Die Auswirkung einer frühen chronischen Lungenerkrankung auf die Ent-
phismen ermöglichen. Ebenso wird die Kenntnis von          wicklung von Komorbiditäten muss berücksichtigt werden, wenn Monito-
Schlüsselstellen in der Signaltransduktion, die das        ring- und Behandlungsstrategien entworfen und Empfehlungen zur Lebens-
Zusammenspiel verschiedener pulmonaler Zellpo-             weise für diese Patientengruppe gegeben werden.
pulationen steuern die Einordnung von Kandidaten-
genen ermöglichen. Die folgenden Abschnitte gehen
auf verschiedene Aspekte hierzu ein.                     Fähigkeit, eine kompetente Immunantwort zu erzeu-
                                                         gen, spielen eine wichtige Rolle für die Entwicklung
Von der Ursache zur Folge:                               der BPD [13,43–45]. Pränatale Entzündungsprozesse,
Entzündung und oxidative Stressreaktion                  die zum Beispiel durch den Begriff «fetales inflamm-
Die beschriebenen exogenen Einflüsse, die prä- und       atorisches Response-Syndrom (FIRS)» zusammenge-
postnatal auf eine strukturell und funktionell unreife   fasst werden oder im Rahmen manifester Infektions-
Lunge einwirken, führen zu einer anhaltenden Inflam-     geschehen wie bei der Chorioamnionitis pränatal oder
mationsreaktion, dem Remodelling der extrazellulären     postnatal im Kontext kongenitaler und nosokomialer
Matrix (ECM) sowie diffusen fibrotischen Verände-        Infektionen auftreten, führen zu einem Einstrom neu-
rungen einschliesslich einer Hypertrophie der glatten    trophiler Granulozyten in die unreife Lunge. In der
Muskulatur in den kleinen Lungenarterien und Atem-       Folge kommt es zur Präsenz einer erhöhten Anzahl
wegen [41]. Aus den charakteristischen histopatholo-     von Monozyten und Makrophagen im Rahmen der
gischen Veränderungen mit dem Bild der gestörten         sogenannten «zweiten Welle» der Immunantwort
Alveolarisierung und Vaskulogenese [1] resultiert die    [24,46,47]. Die Rolle der angeborenen Immunität
alveoläre Hypoventilation, die sich im klinischen Bild   ist hier von besonderer Bedeutung, da die adaptive
einer Hyperkapnie und Hypoxämie und dem Ventila-         Immunität auch in Abhängigkeit vom Gestationsalter
tions- Perfusionsmissverhältnis ausdrückt [42].          variabel ausgeprägt sein kann [48]. Tierstudien deu-
    Die akuten und chronischen Entzündungspro-           ten darauf hin, dass der Umbau der extrazellulären
zesse, die die BPD charakterisieren, werden sowohl       Matrix und die frühe alveoläre epitheliale Dysfunktion
durch prä- als auch durch postnatale Mechanismen         nicht nur eine Folge der Inflammationsreaktion sind,
verursacht. Infektionen und die korrespondierende        sondern diese auch weiter fördern [49,50] und damit
                                                         nachhaltige Veränderungen der pulmonalen Immun-
                                                         funktion bedingen. Pränatal führt der breite Einsatz
                                                         mütterlicher Antibiotikabehandlungen zu einer nach-
                                                         haltigen Veränderung der Bakterienflora im Kind [51]
                                                         und der Immunfunktion der Nachkommen im Maus-
                                                         modell [52].
> Fortbildungsfragen auf Seite 16                            Postnatal sind die Induktion von Verletzungen
                                                         durch Baro- und Volutrauma im Rahmen der mecha-

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CME-FORTBILDUNG                                                                                                                      medizinonline.ch

                                                                 C
                                                                                               Frühgeborenen wurden verminderte Konzentrationen
 A                            B
                                                                                               pulmonaler Antioxidantien gemessen [71], und andere
                                                                                               Studien weisen darauf hin, dass jugendliche BPD-Pa­
                                                                                               tien­ten durch Anzeichen für erhöhten oxidativen
                                                                                               Stress in den Atemwegen charakterisiert sind, ein
                                                                                               Anzeichen langfristiger Veränderungen im respirato-
                              D                                  E                             rischen System nach einer Frühgeburt [72]. Auch eta-
                                                                                               blierte Therapien müssen im Hinblick auf ihre Rolle
                                                                                               in der pulmonalen Entwicklung vor dem Hintergrund
                                                                                               neuer Erkenntnisse kritisch überprüft werden, da z.B.
                                                                                               vorgeburtliche Gaben von Betamethason trotz der
Abb. 1: Pulmonale Pathologien bei BPD im MRT**. A) physiologisch, B–E) Verände-                weiterverbreiteten pränatalen Anwendung zur För-
rungen im Rahmen der BPD (B: interstitiell betont, C: atemwegsbetont,                          derung der Lungenreifung und zur Verhinderung von
D: Emphysem, E: rechtsventrikuläre H
                                   ­ ypertrophie)                                              Atemnot bei gleichzeitiger Senkung der BPD-Raten
                                                                                               [73,74] nachweislich Indikatoren der Lipidmembran-
                                                                                               peroxidation erhöhen [70].
                          nischen Beatmung und die Folgen einer moderaten                          Diese längerfristigen Veränderungen der oxida-
                          oder schweren Hyperoxie wichtige Risikofaktoren für                  tiven Stressantwort und andere Prozesse spiegeln sich
                          die Initiierung und Aufrechterhaltung der oben her-                  in veränderten Reaktionen auf virale Infektionen im
                          vorgehobenen Entzündungsprozesse auf lokaler und                     späteren Leben wider [75]. Die Antwort der sich ent-
                          sogar systemischer Ebene [53–56]. Die Freisetzung                    wickelnden Lunge auf die frühe Schädigung, auch im
                          von Zytokinen wie dem transformierenden Wachs-                       Hinblick auf die Langzeitkonsequenzen, ist spezifisch
                          tumsfaktor (transforming growth factor, TGF)-β,                      und unterscheidet sich von der Antwort des erwach-
                          dem Tumor-Nekrose-Faktor (tumor necrosis factor,                     senen Organismus. Während chronische Sauerstoff-
                          TNF)-alpha und Interleukinen, z.B. IL-1beta, trägt                   exposition (60% für 14 Tage) in der neonatalen Rat-
                          wesentlich zum Ungleichgewicht der Signaltransduk-                   tenlunge die Kontraktion der Lungengefässe und der
                          tion verschiedener (anderer) Wachstumsfaktoren bei                   glatten Muskulatur der Atemwege verstärkt und die
                          und führt zur Aktivierung von Transkriptionsfaktoren,                Stickoxid-Relaxation reduziert, tritt bei der Behand-
                          die die Apoptose in unterschiedlichen Zellen fördert                 lung erwachsener Tiere das gegenteilige Phänomen auf
                          [57–59]. Die Diskussion um die Rolle rekrutierter und                [76]. Die Langzeiteffekte nach Hyperoxieexposition in
                          residenter Entzündungszellen [60–64] wird wichtige                   der ersten Lebenswoche (100% für 4 Tage) umfassen
                          Erkenntnisse zu mechanistischen Zusammenhängen                       vor allen Dingen kardiovaskuläre Komplikationen, bei
                          und für die Identifizierung therapeutischer Optionen                 denen sich in Folge einer pulmonalen Gefässerkran-
                          liefern. In diesem Kontext wird aber auch der vermu-                 kung eine rechtsventrikuläre Belastung bei PAH und
                          tete Einfluss von Entzündungszellen auf die Lungen-                  konsekutiv eine erhöhte Sterblichkeit im Tiermodell
                          entwicklung neue Forschungsansätze hervorbringen                     entwickelt [77]. Die veränderte Signaltransduktion
                          [65].                                                                durch das knochenmorphogenen Protein (bone mor-
                               Akute und chronische Entzündungsprozesse müs-                   phogenic protein, BMP) bietet eine pathomecha-
                          sen im Kontext der zellulären Fähigkeit betrachtet                   nistische Erklärung. Andere Mechanismen, die die
                          werden, auf anhaltende oder wiederkehrende postna-                   erhöhte Anfälligkeit für akute und Langzeitschäden in
                          tale Herausforderungen zu reagieren. Hier macht der                  der neugeborenen Lunge erklären, demonstriert eine
                          relative Mangel an Antioxidantien und Inhibitoren                    weitere Studie zu hyperoxieindiuzierten Effekten. In
                          proteolytischer Enzyme die unreife Lunge besonders                   der neonatalen Maus sind hier – im Gegensatz zum
                          anfällig für die Auswirkungen toxischer Sauerstoff-                  erwachsenen Tier – die aus dem Knochenmark stam-
                          metabolite und freigesetzter Proteasen, die von der                  menden, zirkulierenden und lungenendothelialen Vor-
                          extrazellulären Matrix sowie ansässigen oder rekru-                  läuferzellen deutlich reduziert [78], was in eine frühe
                          tierten neutrophilen Granulozyten und Makropha-                      Erschöpfung der Reparatur- und Regenerationskapa-
                          gen freigesetzt werden [66-69]. Verschiedene Studien                 zitäten münden kann. Auch die Beeinflussung weiterer
                          haben Hinweise für einen erhöhten oxidativen Stress                  zentraler Prozesse wie die der Zellzyklusregulation mit
                          beim Frühgeborenen demonstriert. So sind Malon-                      einer Hochregulation von P21 nach Hyperoxie und
                          dialdehyd-Konzentrationen im Urin in der ersten                      einer verminderten Histon-Deacetylase-Aktivität [79]
                          Lebenswoche erhöht, die durch Peroxidation von                       sowie die Auswirkungen auf die DNA-Methylierung
                          Lipidmembranen nach oxidativ vermittelter Schädi-                    [80] weisen auf die frühe Entstehung langzeitrele-
                          gung entstehen und für die eine Korrelation mit dem                  vanter, akkumulierender Effekte im Kontext redu-
                          Risiko für Sauerstoffradikalerkrankungen einschliess-                zierter Kompensationsmechanismen in der unreifen
                          lich der BPD gezeigt wurde [70]. In der Lavage von                   Lunge hin.

                                                                                               Histopathologische Charakteristika –
                          ** Angepasst   aus: MRI based scoring of the diseased lung in the   Taktgeber und «Memory»funktion
                            preterm infant with BPD. Kai Förster, Hannah Busen, Sophia         Die Interaktion des epithelialen, mesenchymalen und
                            Stöcklein, Olaf Dietrich, Harald Ehrhardt, Mark O. Wielpütz,
                            ­Andreas W. Flemmer, Benjamin Schubert, Marcus A. Mall,
                                                                                               endothelialen Zellkompartiments in ihrem Zusam-
                             Birgit Ertl-Wagner, Anne Hilgendorff. This manuscript is under    menspiel zur Entwicklung des Gasaustauschbereichs
                             submission at Thorax.                                             wird wesentlich durch die Regulation verschiedener

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InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2021; Vol. 3, Nr. 2                                                      CME-FORTBILDUNG

Wachstumsfaktoren orchestriert. Hierzu gehören
                                                            Abb. 2 Übersicht zu Einflussfaktoren und molekularen Mechanismen
Notch und Wingless Int-1 (Wnt), der Fibroblasten-
                                                                   in BPD
und der Thrombozyten-abgeleitete Wachstumsfaktor
(fibroblast and platelet derived growth factor, FGF
and PDGF) sowie BMP und der vaskuläre endotheli-
ale Wachstumsfaktor (vascular endothelial growth fac-
tor, VEGF) [81-87]. Die frühe Interferenz mit diesen
Transkriptionsfaktoren stört die normale Morphoge-
nese der Lunge [88] die in eine fehlende Differenzie-
rung der alveolären Strukturen mündet [89]. Ebenso
spielt die Regulation zentraler Transkriptionsfaktoren

                                                                                                                               Quelle: A. Hilgendorff, K. Förster, L. Haist; erstellt mit Biorender.com
wie der Nuklearfaktors kappa B (NF-kB) eine Rolle
und trägt zur Fehlentwicklung der Gasaustauschfläche
bei [88,90,91]. Die charakteristische Assoziation einer
gestörten Alveolarisierung mit dem Vorhandensein
dysmorpher Kapillaren wird durch die veränderte
Expression angiogener Wachstumsfaktoren getrieben,
zu denen die reduzierte pulmonale Expression des
vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (vascular
endothelial growth factor, VEGF) und der VEGF-
Rezeptoren [92–94] sowie die verminderte endothe-
liale Stickstoffmonoxid-Synthetase (endothelial nitric
oxide synthase, eNOS) und lösliche Guanylatcyclase
(soluble guanylate cyclase, sGC) in Lungenblutgefäs-
sen und Atemwegen gehören [95,96]. Die Verände-
rungen ähneln denen im alternden Organismus und
tragen- auch durch die reduzierte Plastizität der Kapil-
laren und kleinen Gefässe – im weiteren Verlauf zum        Umbauvorgänge, vaskuläre Veränderungen und/oder
Risiko einer PAH und einer gestörten Entwicklung           Pathologien der Atemwege richtungsweisende «Stell-
des lymphatischen Systems in der Lunge bei [97–100].       grössen» der BPD, die sich in ersten Studien auch
     Die gestörte Signaltransduktion zusammen mit          bildmorphologisch bei Frühgeborenen mittels klinisch
direkten Effekten z.B. des Dehnungsreizes durch die        umsetzbarer Bildgebungsstrategien darstellen lassen
mechanische Beatmung und der Sauerstofftoxizität           [113 –117]. Mit der Nachahmung erfolgreicher Studien
tragen zu schweren Veränderungen des Lungenge-             aus anderen Krankheitsbereichen könnte mit dem
rüsts bei [101,102]. Ein verstärkter Umbau der extra-      Einsatz weiterer bildgebender Strategien [118–121]
zellulären Matrix wird z. B. durch die erhöhte Urinaus-    die Stratifizierung der Patienten in der Zukunft weiter
scheidung von Desmosin angezeigt, der eine erhöhte         verbessert werden.
Elastaseaktivität vorausgeht [103–105] und gleicht den
Erkenntnissen bei Patienten mit akutem Atemnotsyn-         Lungenfunktion bei BPD –
drom (ARDS) [106]. Allerdings hängt auch die phy-          Frühe Veränderungen und langfristige Folgen
siologische Lungenentwicklung von der Präsenz pul-         Trotz nachhaltiger Bemühungen in der perinatalen
monaler Elastasen und Metalloproteinasen ab, da ein        Versorgung, langfristige Komplikationen zu vermei-
vollständiger Matrix-Metalloproteinase-Mangel einen        den [122,123], ist die Manifestation respiratorischer
BPD-typischen Lungenumbau fördert [107].                   Symptome im Erwachsenenalter häufig und werden
     Die BPD ist in der Folge des Umbaus von einer         oft als Asthma oder COPD fehlinterpretiert, insbeson-
pathologischen Anordnung des Elastins sowie quali-         dere wenn die frühen Lebensereignisse nicht bekannt
tativen und quantitativen Veränderung des Kollagen-        sind oder erfragt werden [124,125].
gerüstes [108–110] charakterisiert, die die strukturge-        Klinisch ist die pulmonale Dysfunktion durch eine
bende Funktion der Matrix als Gerüst für die Bildung       verminderte Lungencompliance, Tachypnoe und eine
neuer Alveolen und Kapillaren beeinflussen und das         erhöhte Minutenventilation gekennzeichnet, die sich
Schicksal der Zellen, die das sich entwickelnde Organ      in erhöhter Atemarbeit mit und ohne Sauerstoffab-
besiedeln, definieren [111,112] (Abb. 2). Die irrever-     hängigkeit widerspiegeln. Dieses klinische Bild kann
sible Reorganisation der extrazellulären Matrix wird       von einem Anstieg des mikrovaskulären Drucks in
somit zu langfristigen Veränderungen führen, die sich      der Lunge begleitet sein, der zur Entwicklung eines
auf verschiedenen Ebenen äussern.                          interstitiellen Lungenödems beiträgt. Der erhöhte
     Die histopathologischen Veränderungen und das         Lungengefässwiderstand, der typischerweise mit
klinisch heterogene Entstehungs- und Erscheinungs-         einer verminderten Ansprechbarkeit auf inhaliertes
bild der BPD legen die Existenz von Krankheits(sub)        Stickstoffmonoxid und andere Vasodilatatoren ein-
entitäten oder zumindest einen individuell unter-          hergeht, kann bis zu einer reversiblen oder persistie-
schiedlichen Einfluss verschiedener struktureller Ver-     renden PAH und Rechtsherzinsuffizienz fortschreiten
änderungen auf das klinische Erscheinungsbild und          [99,100]. Das Wissen um frühe Veränderungen der
den Langzeitverlauf nahe. Hierbei sind vermutlich das      Lungenfunktion ist entscheidend, da sich eine schwe-
Vorliegen primär emphysematöse oder interstitielle         rere Lungenerkrankung nach der Geburt mit grösserer

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