NEUROVISION - Floriani Apotheke

 
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                                                                                   JULI 20
                                                                                JAHRGANG 15

                                                 ?

      TRIFFT AUCH DAS
      NERVENSYSTEM:
     SARS-CoV-2 in der Neurologie

                                                                                               ©iStockphoto/DrAfter123

MS WELT> Mit der Hitze kommt der Schub? Oder ist es das Uhthoff-Phänomen?

NEURO WELT> Mythen rund um MS, Parkinson, Epilepsie: Diese Vorurteile halten sich hartnäckig
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                                                                                          floriani apotheke
                                                                                         Wichmannstraße 4 / Haus 9
                                                                                         22607 Hamburg
                                                                                         Öffnungszeiten
                                                                                         mo – fr 8.00 – 18.00 Uhr
                                                                                         Telefon gebührenfrei
                                                                                         tel     0800 – 56 00 943
                                                                                         fax     040 – 822 28 65 17
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                                                                                         web     www.floriani-apotheke.de

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         „Unser geschultes Team berät Sie gern.“

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         Portokosten an – denn für Ihre Rezept-                                        fragebogen ab, den Sie einmalig (nur
         einsendung bekommen Sie von uns                                               bei der ersten Bestellung) ausgefüllt an
         Rückumschläge und für Ihre Bestellung                                         die Floriani Apotheke geschickt haben,
         auf Rezept zahlen Sie bei der Floriani                                        um mögliche Wechselwirkungen
         Apotheke weder Porto- noch                                                    auszuschließen.
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NEUROVISION - Floriani Apotheke
Inhaltsverzeichnis <

Dieses Virus fällt auf die Nerven                             06 – 22
                                                              Titelthema
»Schon wieder das Thema Corona-Virus?« mögen                  Das Corona-Virus in der Neurologie
sich viele fragen und zugegeben: ja, es fällt wirklich
auf die Nerven. Im wahrsten Sinne des Wortes, und             Neurologische Symptome scheinen gleich in mehrfacher
aus diesem Grund wollen wir in dieser Ausgabe auch            Hinsicht eine Rolle zu spielen: zu Beginn einer
versuchen, SARS-CoV-2 einmal aus neurologischer               Ansteckung, im Verlauf der Erkrankung und nach durch-
Perspektive zu betrachten.                                    gemachter Infektion.
Denn neurologische Symptome spielen offenbar eine
zunehmend große Rolle. Zum einen in Hinblick auf              Außerdem im Fokus: die vom Virus ausgehende Gefahr bei
jene Anzeichen, die durch das Virus ausgelöst werden          Vorliegen einer chronischen neurologischen Erkrankung,
können, zum anderen hinsichtlich bereits bestehender          wie MS, Mysthenia gravis, Parkinson und Epilepsie.
neurologischer Erkrankungen.

Beinah täglich gibt es neue Erkenntnisse zu Covid-19
und möglicherweise wird, wenn Sie diese Neurovision           24 – 32
in Händen halten, bereits die ein oder andere Informa-
tion nicht mehr ganz aktuell sein.                            Neurowelt
                                                              Mythos oder Wahrheit?
Aktuell sind dafür aber leider noch einige der beste-         Vorurteile und Irrtümer rund um MS, Parkinson, Epilepsie
henden Vorurteile, die sich in Bezug auf MS, Parkinson
oder Epilepsie hartnäckig halten und mit denen wir ab
Seite 22 erneut aufräumen wollen.
                                                              34 – 38
Vielleicht hat sich, wenn Sie in der Juli-Ausgabe blättern,
auch der Sommer gerade richtig warm gelaufen und              MS-Welt
hoffentlich können Sie das in vollen Zügen genießen.          Sommer, Sonne, Schub?
Am besten natürlich ohne dass sich Symptome einer             Multiple Sklerose und das Uhthoff-Phänomen
MS hitzebedingt verschlimmern. Wie Sie sich davor             Einen echten Schub von einem durch Hitze bedingten
schützen, erfahren Sie in unserer Rubrik MS-Welt.             Pseudo-Schub unterscheiden.

Wo auch immer Sie die Neurovision gerade lesen –
ich wünsche Ihnen eine angenehme, aber hitze-
und coronafreie Sommerzeit!                                   01
                                                              Editorial und Inhaltsverzeichnis
Ihre Tanja Fuchs                                              02 – 04
                                                              News und Termine
                                                              40
                                                              Gehirnjogging
                                                              41
                                                              Glossar
                                                              44
                                                              Vorschau, Impressum und Rätselauflösung

                                                                                                   NEUROVISION < 1
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News <

                   Multiple Sklerose                                                                               Amyotrophe Lateralsklerose
                   ERSTER DIGITALER WELT                                                                           HOCHKALORISCHE FETTREICHE
                   MS-TAG                                                                                          DIÄT KANN BEI SCHNELLEM
                   „Connections“ – also Verbindungen – lautet das Rahmenthema, das
                                                                                                                   KRANKHEITSVERLAUF HELFEN
                   die Multiple Sclerosis International Federation (MSIF) in den nächsten
                   Jahren für die teilnehmenden Nationen gewählt hat. Die Deutsche
                   Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) machte daraus das Motto
                   „Miteinander stark“. Denn der 12. bundesweite Aktionstag am 30. Mai
                   fand unter besonderen Vorzeichen statt: Vor dem Hintergrund der
                   Corona-Pandemie entschied man sich erstmals für einen digitalen

                                                                                                                   ©iStockphoto/Sudowoodo
                   „Connection Day“, der es Menschen aus der MS-Community ermög-
                   lichen sollte, sich virtuell auszutauschen. Von zu Hause aus konnte
                   über www.trotz-ms.de ein Live-Stream verfolgt werden, der ganztägig
                   ein vielseitiges Programm bot – vom Poetry Slam über eine digitale
                   Yoga-Session bis zum Experteninterview mit Prof. Limmroth. Außerdem
                   stellte die DMSG Projekte und Initiativen vor, die MS-Betroffenen dabei
                   helfen sollen, die Isolation zu überwinden und in der Gemeinschaft
                   neue Kraft zu tanken – darunter Telefonketten, Selbsthilfegruppen                               Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zählt
                   oder Webinare der Landesverbände zu Themen wie Infektionsschutz,                                Gewichtsverlust zu den ungünstigen prognostischen
                   Resilienz und dem Risiko einer Corona-Infektion. In der interaktiven                            Faktoren. In einer in der Zeitschrift InFo Neurologie +
                   Kennenlern-Plattform „MS Connect“ beantworten Ärzte und Experten                                Psychiatrie (5/2020) veröffentlichten Studie versuchte
                   im geschützten Raum Fragen rund um MS. Eine Video-Serie der                                     man herauszufinden, ob eine hochkalorische, fettrei-
                   DMSG-Community lädt außerdem dazu ein, seine Emotionen und                                      che Diät einen positiven Effekt auf die Überlebenszeit
                   Anliegen im Bild zu teilen.                                                                     von ALS-Patienten hat. In zwölf Zentren des Deutschen
                   Info: www.dmsg.de/dokumentearchiv/Welt_MS_Tag/Material_2020/Final.200311_MSTag2020_Flyer_Din-   ALS/MND-Netzes gab man den Teilnehmern neben
                   Lang_V6_GMS_01_N9002_print.pdf                                                                  der Standardbehandlung mit Riluzol eine entspre-
                                                                                                                   chende Kost und prüfte nach sechs, zwölf und 18
                                                                                                                   Monaten die Wirkung. Primärer Studienendpunkt war
                                                                                                                   das Überleben, die sekundären Endpunkte bezogen
                                                                                                                   sich u.a. auf Vitalkapazität und Lebensqualität. Die
                                                                                                                   Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine hoch-
                                                                                                                   kalorische fettreiche Diät zwar keinen lebensverlän-
                                                                                                                   gernden Effekt für die Gesamtpopulation der ALS-
www.dmsg.de

                                                                                                                   Patienten habe, dass aber insbesondere Patienten mit
                                                                                                                   einem besonders schnellen Verlauf durch die Diät ein
                                                                                                                   stabileres Körpergewicht und einen Überlebenszeit-
                                                                                                                   gewinn hätten. Ein stärkerer Fokus auf der katabolen
                                                                                                                   Stochwechselsituation bei ALS könne hier möglicher-
                                                                                                                   weise zu neuen therapeutischen Ansätzen führen.
                                                                                                                   Quellen: InFo Neurologie + Psychiatrie (5/2020), Ludolph A, Dorst J, Dreyhaupt J
                                                                                                                   et al, for the LIPCAL-ALS Study Group. Effect of high-caloric nutrition on survival
                                                                                                                   in amyotrophic lateral sclerosis. Ann Neurol 2020; 87: 206-16

              2 > NEUROVISION
NEUROVISION - Floriani Apotheke
News <

                            Neues MS-Medikament                                          Multiple Sklerose

                            OZANIMOD ERHÄLT                                              BLUTTEST FÜR EINE VEREINFACHTE
                            ZULASSUNG                                                    DIAGNOSTIK
                            Der Wirkstoff Ozanimod (ZEPOSIA®) hat für Europa             Um den Verlauf der MS rechtzeitig bremsen und Behinderungen
                            die Zulassung zur Behandlung erwachsener Patienten           verhindern zu können, ist ein früher Therapiestart entscheidend. Ein
                            mit schubförming-remittierender Multipler Sklerose           einfacher Bluttest könnte nun eine schnelle und genaue Diagnostik
                            (RRMS) mit aktiver Erkrankung von der Europäischen           ermöglichen. Ein Forscherteam um Dr. Bárbara Leal von der Universität
                            Kommission erhalten. Die Zulassung basiert auf Daten         Porto hat einen Test entwickelt, der eine MS über den Nachweis von vier
                            der Phase III SUNBEAM und RADIANCE Teil B- Studien,          unterschiedlichen Mikro-RNA im Serum präzise diagnostizieren soll. Als
                            in die über 2.600 Patienten in 150 Prüfzentren und in        kleine, nichtkodierende Nukleinsäuren sind Mikro-RNAs (miRNA) an der
                            mehr als 20 Ländern eingeschlossen waren.                    Genregulation beteiligt. Weil viele Krankheiten mit einer veränderten
                            Patienten, die von RRMS mit aktiver Erkrankung betrof-       Genexpression einhergehen, können ausgewählte miRNA nicht nur
                            fen sind, steht damit eine neue Behandlungsoption in         Erkrankungen nachweisen, sondern auch Informationen über Schwere
                            der Erstlinientherapie zur Verfügung. In Deutschland         und Verlauf erlauben, erläuterte Dr. Leal. Die Resultate einer ersten
                            wird ZEPOSIA® nach Unternehmensangaben voraus-               Evaluierung, die jetzt auf dem virtuellen Kongress der European Aca-
                            sichtlich ab Mitte Juli 2020 verfügbar sein.                 demy of Neurology (EAN) vorgestellt wurden, zeigen eine Spezifität von
                            Ozanimod ist – neben Fingolimod und Siponimod – ein          90 Prozent bei einer Sensitivität von 84 Prozent. Damit sei der Test sehr
                            weiterer Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor-Modula-        gut zur MS-Serumdiagnostik geeignet, so die Forscher. In größeren Stu-
                            tor. Der Wirkstoff bindet selektiv an zwei (S1P1 und S1P5)   dien sollen nun weitere Erkenntnisse gesammelt werden, auch mit Blick
                            der fünf S1P-Rezeptoren des Menschen und verhindert          auf eine bessere Abgrenzung gegenüber anderen ZNS-Erkrankungen.
                            den Austritt der Lymphozyten aus dem Lymphknoten.            Quelle: www.springermedizin.de
                            Das Arzneimittel wird in drei Dosierungen verfügbar
                            sein und oral eingenommen.
                            In der nächsten Neurovision, die Anfang Oktober
                            erscheint, informieren wir über erste Erfahrungen, Wir-
                            kung, Anwendung und mögliche Nebenwirkungen.                 Epilepsie
                            Quelle: www.dmsg.de
                                                                                         NICHT ALLEINE SCHLAFEN
                                                                                         KANN SCHÜTZEN
                                                                                         Zu einer der häufigsten Todesursachen im Zusammenhang mit
                                                                                         Epilepsie gehört der Sudden Unexpected Death in Epilepsy (SUDEP)
                                                                                         – also ein plötzlich auftretender, ungeklärter Tod bei Epilepsie. Doch
                                                                                         erst allmählich komme man den Risikofaktoren für das plötzliche
                                                                                         Versterben auf die Spur, so Prof. Dr. Hajo Hamer vom Universitätskli-
©iStockphoto/stockmachine

                                                                                         nikum Erlangen auf dem Neuro-Update-Seminar. Betroffen seien vor
                                                                                         allem Patienten mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, bei
                                                                                         zwei Dritteln seien zuvor die Antiepileptika vergessen worden. Eine
                                                                                         US-Studie zu 237 SUDEP-Fällen verwies auf einen weiteren Faktor:
                                                                                         70 Prozent der Todesfälle hatten sich nachts ereignet, während der
                                                                                         Patient schlief. 35 Prozent der Verstorbenen hatten sich zu Lebzeiten
                                                                                         das Bett mit einem Partner geteilt. Das Risiko, nach einem generali-
                                                                                         sierten tonisch-klonischen Anfall einen plötzlichen Tod zu erleiden,
                                                                                         war der Studie zufolge bei Alleinschläfern um relative 67 Prozent erhöht.
                                                                                         Daraus könne man nicht nur schließen, dass ein Bettpartner vor
                                                                                         SUDEP schütze, so Hamer. Der Bettpartner müsse auch aufgeklärt
                                                                                         werden, was im Notfall zu tun sei. Wenn nachts ein Anfall auftrete,
                                                                                         genüge es bereits, den Partner in die stabile Seitenlage zu drehen, um
                                                                                         den plötzlichen Tod zu verhindern.
                                                                                         Quellen: DNP - Der Neurologe & Psychiater, Ausgabe 3/2020, www.springermedizin.de

                                                                                                                                                                     NEUROVISION < 3
NEUROVISION - Floriani Apotheke
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                       Komplementäre                                                                                     Termine
                       MS-Therapie
                       WEIHRAUCH POLT                                                  Familienwochenende –                   Gipfelstürmer – Kreativ-
                       ENTZÜNDUNGS-                                                    (mit Kinderbetreuung)                  wochenenden für
                       ENZYM UM                                                        austausch, information,                Menschen mit Epilepsie
                                                                                       kreativität und entspannung
                                                                                                                              Kreative Auseinandersetzung mit
                                                                                                                              der eigenen Erkrankung
                                                                                                                              An den beiden Wochenenden
©iStockphoto/geraria

                                                                                                                              sollen Szenen aus dem Alltag
                                                                                                                              erarbeitet werden, in denen
                                                                                                                              Menschen mit Epilepsie benach-
                                                                                                                              teiligt oder stigmatisiert wurden.
                                                                                       Eine Auszeit vom trubeligen Alltag     Eigene Handlungskompetenzen
                                                                                       bietet das von der Epilepsie-          werden erweitert, ein veränderter
                       Dass Weihrauchextrakt entzündliche                              Vereinigung veranstaltete Familien-    Umgang mit unvorhergesehenen
                       Erkrankungen möglicherweise bremsen                             wochenende. Fragen stellen,            Situationen erarbeitet.
                       kann, ist und wird bereits erforscht –                          Informationen erhalten und sich
                       unter anderem am UKE in Hamburg und                             untereinander austauschen. Das         Termin
                       an der Berliner Charité. Wie genau die                          können Eltern von an Epilepsie         18. – 20. September 2020
                       Bosweliasäure auf Molekularebene wirkt,                         erkrankten Kindern an diesem           und 16. – 18. Oktober 2020 in Berlin
                       haben jüngst Forscher aus Deutschland                           Wochenende in Berlin.
                       (Jena) und den USA festgestellt, indem                          Hierbei stehen ihnen erfahrene         Ort
                       sie ein bestimmtes Enzym mit ver-                               Referenten zur Seite. Sowohl für       Hotel Mit-Mensch
                       schiedenen Stoffen, darunter Boswelia,                          die an Epilepsie erkrankten Kinder     Ehrlichstraße 48, 10318 Berlin
                       konfrontierten und die Auswirkung auf                           als auch für die gesunden Geschwi-     www.mit-mensch.com
                       seine Kristallstruktur untersuchten. Ihr                        sterkinder wird es am Sonnabend
                       Ergebnis: Die Bosweliasäure scheint ein                         dank einer professionellen Kinder-     Referenten
                       bestimmtes, entzündungsförderndes                               betreuung ein eigenes Programm         Kerstin Polzin, Künstlerin und
                       Enzym, die 5-Lipoxygenase zu bremsen                            (Möglichkeiten auf dem Gelände         Kunsttherapeutin, Harald Polzin,
                       und so „umzupolen“, dass es Entzün-                             und/oder Ausflug) geben.               Schauspieler und Regisseur
                       dungen auflöst. Interessant sind diese
                       Erkenntnisse nicht nur für die weitere                          Termin                                 Fachliche Begleitung
                       Erforschung des natürlichen Weihrauch-                          18. bis 20.09.2020                     Dr. Katrin Bohlmann, Fachärztin
                       harzes, bzw. der Bosweliasäure, sondern                                                                für Neurologie/Psychiatrie mit
                       auch, weil detaillierteres Wissen über die                      Ort                                    psychotherapeutischer und epilepto-
                       Struktur von 5-Lipoxygenase es ermög-                           Hotel Christophorus in                 logischer Zusatzqualifikation
                       lichen könnte, weitere entzündungslin-                          Berlin-Spandau,                        Weitere Informationen
                       dernde Wirkstoffe zu finden. Das Enzym                           Schönwalder Allee 26/3, 13587 Berlin   und Anmeldung
                       5-Lipoxygenase spielt eine wesentliche                                                                 www.epilepsie-vereinigung.de/
                       Rolle bei der Bildung von Entzündungs-                          Weitere Informationen                  wp-content/uploads/2020/05/
                       mediatoren (den Leukotrienen/ Bildung                           und Anmeldung                          Gipfel_2020_Programm.pdf
                       der Vorstufe A4 aus Arachidonsäure).                            www.epilepsie-vereinigung.de/
                       Von Eigentherapien mit Weihrauch wird                           wp-content/uploads/2020/02/            Die Seminare finden nur bei aus-
                       derzeit abgeraten. Die frei erhältlichen                        Familienseminar_2020_Anmeldung_        reichender Teilnehmerzahl statt
                       Präparate sind zudem sehr unterschied-                          Teilnahmebedingungen.pdf               und stehen unter dem Vorbehalt
                       lich in ihrer Qualität.                                                                                der finanziellen Förderung.
                       Quellen: Nature, 11.05.2020; Pressemitteilung der Universität
                                                                                                                              www.epilepsie-vereinigung.de/
                       Jena, 11.05.2020; Redaktion: AMSEL e.V., 25.05.2020
                                                                                                                              seminare-und-veranstaltungen/
                                                                                                                              seminare/seminare-2020/

               4 > NEUROVISION
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KOPF KLAR
                                                                          FÜR MEIN LEBEN
                                                                             Migräne? Hab ich im Griff!
                                                                             Wenn eine Migräneattacke in meinen Alltag krachte,
                                                                             kam alles zum Stillstand. Deshalb bin ich aktiv ge-
                                                                             worden und habe mit meinem Arzt gesprochen. Mit
                                                                             meinem persönlichen Behandlungsplan und dem
                                                                             Patientenserviceprogramm KOPF KLAR kann ich
                                                                             mein Leben endlich wieder bewusst gestalten.

                                                                                                 www.kopf-klar.de

                                                                                                                                   DE/FRE/19/0188

KOPF KLAR – Patientenservice mit Köpfchen

          eCoaching                                 Beratung am Telefon

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Das Corona-
                        virus in der
                        Neurologie
©iStockphoto/Jian Fan
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Titelthema <

               Dass SARS-CoV2 nicht nur zu Lungenentzündungen
              führt, sondern auf vielfältige Art und Weise im Körper
                 Schaden anrichten kann, ist inzwischen bekannt.
                Neurologische Symptome scheinen gleich in mehr-
                  facher Hinsicht eine Rolle zu spielen: Zu Beginn
                einer Ansteckung, im Verlauf der Erkrankung und
                  postinfektiös – nach durchgemachter Infektion.

Die Berichte von Covid-19-Patienten, die neurologische     Retrospektiv wurden Krankenakten von 214 Patienten
Symptome entwickeln, mehren sich. „Corona geht auf         ausgewertet, die in drei Kliniken und über einen Zeit-
die Nerven“, so der in mehrfacher Hinsicht passende        raum von knapp fünf Wochen behandelt worden wa-
Titel eines Mitte Mai im Medical Tribune erschienenen      ren. Das Ergebnis ist durchaus interessant: So fan-
Artikels. Dem Beitrag zufolge würden aktuelle Zahlen       den die Wissenschaftler fünf akute Schlaganfälle bei
aus China belegen, dass 36,4 Prozent der schwer betrof-    den Schwerkranken und einen bei den leicht Erkrank-
fenen COVID-19-Patienten auch neurologische Manife-        ten. Darunter vier Ischämien (pathologisch vermin-
stationen aufweisen. Am häufigsten sind zerebrovas-        derte oder aufgehobene Durchblutung eines Gewebes)
kuläre – also die Blutgefäße des Gehirns betreffende       und eine zerebrale Blutung. Die neurologischen Ereig-
– Komplikationen und Bewusstseinsstörungen.                nisse traten meist relativ früh – innerhalb der ersten
Hauptsymptom vieler Patienten mit schwerer Covid-          ein bis zwei Tage der Erkrankung – auf, und wurden
19-Infektion ist zwar die respiratorische Insuffizienz.    zunächst meist nicht als Anzeichen der Infektion er-
Ein aktuell publiziertes Review zeigt aber auf, dass ein   kannt.
neurologischer Pathomechanismus zur Problematik
beitragen könne.                                           Die Autoren des Medical Tribune Artikels empfehlen,
                                                           bei Patienten mit neurologischen Symptomen auch an
Bereits 2002/2003 beim SARS-CoV-Ausbruch wurde             SARS-CoV-2 zu denken. Ein „normaler“ Schlaganfall
das neuroinvasive Potenzial von Coronaviren beschrie-      könne auf eine Infektion zurückgehen. Das heißt: Par-
ben: Dabei hatte man das Virus nur in Gehirnzellen,        allel zur spezifischen Behandlung, müsse Virusdiag-
nicht aber in den umgebenden Blut- oder Lymphge-           nostik stattfinden und es müssten Vorsichtsmaß-
fäßen gefunden, was für einen Infektionsweg über           nahmen ergriffen werden. Für den Patienten, für sich
Neuronen und nicht über Blut- oder Lymphgefäße             und für andere!
spricht. Der im Tierexperiment nachgewiesene neurale       (Quellen: 1. Pleasure SJ et al. JAMA Neurol 2020; DOI: 10.1001/
                                                           jamaneurol.2020.1065, 2. Mao L et al. A.a.O.; DOI: 10.1001/
Infektionsweg verläuft von der Nasenschleimhaut über
                                                           jamaneurol.2020.1127)
freie Nervenendigungen bis zum Gehirn.

Pathologen aus Kalifornien hatten seinerzeit darü-             Gerinnungsstörung durch Covid-19
ber berichtet, dass bei vielen Betroffenen eine aus-
gedehnte Vaskulitis (Gefäßentzündung) vorgelegen           Ein Schlaganfall bedingt durch das Corona-Virus? „Das
habe, die auch die großen Gefäße betraf. Dieser mög-       ist etwas, worüber diskutiert werde“, sagt Dr. Karl Chri-
lichen Beteiligung des Nervensystems sind Forscher         stian Knop. Das Virus, erklärt der Facharzt für Neurolo-
aus Wuhan beim aktuellen Ausbruch nachgegangen.            gie, könne Gerinnungsstörungen verursachen.

                                                                                                                         NEUROVISION < 7
NEUROVISION - Floriani Apotheke
Titelthema <

                                                                                                                         WISSEN
               Dabei kommt es, infolge einer Fehlfunktion der Blut-
               gefäß-Innenwände (endotheliale Dysfunktion), zu ent-         Zytokine
               zündlichen Veränderungen in der Gefäßwand, die wie-
               derum zu Verschlüssen kleiner Arterien oder Venen            Als Zytokine werden Proteine bezeichnet, die das
               führen können. Bedingt dadurch ist die Entstehung            Wachstum und die Differenzierung von Zellen regu-
               von Schlaganfällen, Thrombosen im Gehirn, sowie              lieren. Einige Zytokine werden dementsprechend als
               wahrscheinlich auch von mikrovaskulären Infarkten            Wachstumsfaktoren bezeichnet, andere spielen eine
               auch am Herzen oder der Niere möglich.                       wichtige Rolle für immunologische Reaktionen und
                                                                            bei Entzündungsprozessen. Zytokine umfassen u.a.
               In der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)           Interferone, Interleukine, Lymphokine und werden
               stellt man sich die Frage: »Ob ein Schlaganfall nun di-      von einer Vielzahl von Zellen produziert, einschließ-
               rekte Folge der schweren SARS-CoV-2-Infektion ist,           lich Immunzellen wie Makrophagen, B-Lymphozy-
               oder Resultat der Tatsache, dass Patienten mit schwe-        ten, T-Lymphozyten und Mastzellen.
               ren Covid-19-Verläufen gleichzeitig auch zerebrovas-         (wikipedia)
               kuläre Risikopatienten sind?« Aktuell von Bedeutung
               sei sicherlich, dass Schlaganfälle auch bei beatme-          Ein Zytokinsturm (Hyperzytokinämie) ist eine
               ten Corona-Patienten rechtzeitig erkannt und behan-          potentiell lebensgefährliche Entgleisung des
               delt werden.                                                 Immunsystems, bei der es zu einer sich selbst ver-
                                                                            stärkenden Rückkoppelung zwischen Zytokinen und
                  Das Immunsystem spielt verrückt                           Immunzellen kommt. Sie ist eine schwere Verlaufs-
                                                                            form des Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS). Die
               Die massiv hochregulierte Abwehr, mit der der Kör-           genauen pathogenetischen Ursachen eines Zyto-
               per auf das Virus reagiere, so Dr. Knop, führe vermut-       kinsturms sind zur Zeit noch unklar. Wahrscheinlich
               lich dazu, dass das Gerinnungssystem verrückt spielt.        entsteht er durch eine extreme Empfindlichkeit des
               „Das kennen wir auch von der Meningokokkeninfek-             Immunsystems gegenüber bestimmten Proteinen.
               tion.“ Die sei deshalb so gefährlich, weil sie auch zu Ge-   In der Folge schütten T-Zellen und Makrophagen
               rinnselbildung in den kleinen Gefäßen führen könne.          ungebremst Zytokine wie TNF-alpha, Interleukin-1
               „Das ganze System gerät aus der Bahn, es kommt zu            oder Interleukin-6 aus, die im Gewebe eine massive
               regelrechten Zytokinstürmen, und das wiederum führt          Entzündungsreaktion hervorrufen. Ein Zytokinsturm
               auch zu neurologischen Symptomen.“                           kann in Rahmen von infektiösen und nicht-infek-
               Auch die Fälle von Hirnhautentzündung oder etwa das          tiösen Erkrankungen auftreten.
               Kawasakisyndrom nach durchgemachter Coronainfek-
               tion bei Kindern, das man vor allem in den USA beo-
               bachtet hatte, seien in der Regel postinfektiös – also ein
               sekundärer Immunprozess, der durch das Virus ange-
               stoßen wird. „Das sind Einzelfälle“, sagt Dr. Knop, „die
               es übrigens auch bei anderen Virusinfektionen gibt!“             Zytokine

               Coronaviren – so hieß es in einer Pressemitteilung der             auslösender                     biologische
               DGN – könnten in das zentrale Nervensystem bzw. das                    Reiz                         Wirkung

               Gehirn eindringen, insbesondere in den Hirnstamm.
               Eine durch Viren ausgelöste Dysfunktion des Atem-
               zentrums könne dann die respiratorische Insuffizi-                                  Zytokine
                                                                                                                     l
                                                                                                                   na
                                                                                                                Sig

               enz begünstigen.                                                      Zytokine                             Gen-
                                                                                                                          Akti-
                                                                                       Gen                               vierung
                                                                                                     Rezeptor
                  Neurologische Symptome auch
                  zu Erkrankungsbeginn                                              zytokin-                        Zielzelle
                                                                                 produzierende
                                                                                                                                    ©iStockphoto/ttsz

               Während die neurologischen Symptome bei SARS erst                      Zelle
               als Spätkomplikationen auftraten, können sie im Fall
               von Covid-19 auch zu Erkrankungsbeginn in Erschei-
               nung treten. Mitunter waren sie die Ursache für die

8 > NEUROVISION
Titelthema <

Die häufigsten
neurologischen
Symptome bei einer
Infektion mit SARS-
CoV-2 sind nach
bisherigen Erfah-
rungen Störungen
des Geruchs- und
Geschmackssinns.
Auch wenn es sich
bei Geruchs- und
Geschmacksstö-
rungen um leichte
Symptome handelt,

                                                                                                                                                 ©iStockphoto/ueuaphoto
so sind sie ein
sicherer Hinweis
dafür, dass das
Nervensystem
miteinbezogen ist.

                      Aufnahme von Patienten in eine Klinik, wie Ärzte im          Dr. med. Helmar Lehmann von der Neurologischen
                      Fachmagazin JAMA Neurology berichten. (2020; DOI:            Universitätsklinik Köln im Ärzteblatt. Die Unterschei-
                      10.1001/jamaneurol.2020.1127)                                dung sei relevant, um nicht die Immunglobulin-The-
                      Zu den in den ersten Erkrankungstagen auftretenden           rapie zu versäumen, ergänzt Prof. Peter Berlit. (https://
                      neurologischen Symptomen, gehören Schwindel, Kopf-           www.aerzteblatt.de/archiv/213869/Neurologische-Manifestati-
                                                                                   onen-Wie-COVID-19-die-Nerven-tangiert)
                      schmerzen, Geschmacks- und Geruchsstörungen. Der
                      Ausfall des Riech- und Geschmackssinns tritt, Berichten
                      zufolge, bei bis zu zwei von drei Fällen auf und ist ein
                      typisches Anzeichen für den Befall peripherer Nerven.        Was bedeutet Corona
                                                                                   für Menschen mit einer
                         Veränderungen im Gehirn                                   neurologischen Krankheit?
                      Hinweise darauf, dass Covid-19 eine direkte, entzünd-        Fest steht: Die Neurologie spielt – wenn es um das
                      lich bedingte Enzephalopathie auslösen kann, wur-            neue Corona-Virus geht – eine bedeutende Rolle. Nicht
                      den kürzlich im Deutschen Ärzteblatt aufgegriffen. Die       nur in Bezug auf die neurologischen Symptome, die
                      ernsten neurologischen Symptome bei COVID-19, wird           durch das Virus ausgelöst werden, sondern auch für
                      Prof. Dr. med. Peter Berlit zitiert, beträfen das Gehirn –   Menschen, die an einer chronischen neurologischen
                      im weitesten Sinne einer Enzephalopathie.                    Erkrankung leiden. Verständlicherweise, berichtet
                      Berichtet wird auch über das Auftreten eines Guil-           Dr. Knop, machten Menschen mit einer Vorerkran-
                      lain-Barré-Syndroms (GBS) in Zusammenhang mit                kung wie MS, Parkinson, Myasthenie oder Epilepsie,
                      SARS-CoV-2-Infektionen. Bei diesem Krankheitsbild            sich Sorgen, und nach den ersten Covid-19-Fällen in
                      führt eine Autoimmunreaktion zu Schädigungen der             Deutschland, seien seine Patienten insbesondere mit
                      Myelinschicht peripherer Nerven. In etwa Dreiviertel         folgenden Fragen an ihn herangetreten:
                      der Fälle tritt GBS infolge von Infekten auf. Die bishe-
                      rigen GBS-Fälle oder Varianten in Zusammenhang mit             > Bin ich ein Risikopatient?
                      SARS-CoV-2 waren bereits nach kurzer Latenzzeit von            > Kann ich arbeiten gehen oder soll ich mich
                      nur wenigen Tagen – und nicht erst nach rund 4 Wo-               aufgrund meiner chronischen Erkrankung
                      chen wie bei anderen Infektionen – aufgetreten. Es sei           krankschreiben lassen?
                      daher wichtig, bei beatmeten Patienten auf der Inten-          > Darf ich meine bisherige Therapie weiter
                      sivstation das GBS von einer Critical-Illness-Neuropa-           fortsetzen?
                      thie –einer peripheren Nervenschädigung – zu unter-            > Sollte ich Kontrolluntersuchungen wahr-
                      scheiden, die in der Regel erst später auftritt, so Prof.        nehmen oder lieber verschieben?

10 > NEUROVISION
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Titelthema <

               „Diese Fragen zu beantworten ist manchmal sehr            erhöhen. Die Frage, wann es sinnvoll ist, sich krank-
               schwierig, denn auch für uns hier in der neurolo-         schreiben zu lassen – etwa wenn man als MS-Patient
               gischen Praxis ist das Virus neu. Man muss da gut ab-     eine immunsuppresive Therapie erhält, keine Mög-
               wägen. Wer ist gefährdet, wer nicht. Für meine Pati-      lichkeit hat, im Homeoffice zu arbeiten und am Ar-
               enten – die überwiegend MS und Myasthenie haben           beitsplatz selbst oder auf dem Weg dorthin gefährdet
               – mache ich diese Einschätzung stark abhängig von         ist – lässt sich nur individuell beantworten. Einen Ex-
               der Ausprägung des klinischen Bildes und davon, wel-      perten-Chat dazu findet man z.B. hier:
               che Immuntherapie sie zurzeit erhalten. Handelt es
               sich um einen milden oder einen hochaktiven Ver-          www.amsel.de/multiple-sklerose-news/recht/das-
               lauf? Von Bedeutung ist auch, ob zusätzliche Erkran-      corona-virus-arbeitsrecht-und-multiple-sklerose/
               kungen vorliegen.“

                                                                                                                                   ©iStockphoto/Nik01ay
               Besteht eine starke Behinderung (Rollstuhl, Bettläge-        Patienten mit Multipler Sklerose
               rigkeit), so geht dies generell mit einem erhöhten Ri-
               siko für Atemwegsinfektionen, sowie schwerere Ver-        Eine pauschale Aussage dazu, ob MS-Patienten grund-
               läufe einer Covid-19-Infektion einher, da die Belüftung   sätzlich ein höheres Risiko tragen, gibt es nicht. Die

                                                                                                      Unabhängig von einer
                                                                                                      neurologischen Diagnose
                                                                                                      und auch für ansonsten
                                                                                                      gesunde Menschen gilt,
                                                                                                      dass zusätzliche Erkran-
                                                                                                      kungen des Herz-Kreis-
                                                                                                      lauf-Systems, ebenso wie
                                                                                                      Diabetes mellitus und
                                                                                                      Übergewicht, mit einem
                                                                                                      höheren Risiko für Kom-
                                                                                                      plikationen und schwere
                                                                                                      Verläufe einhergehen.

               der Lunge weniger gut ist. Menschen mit chronischen       momentan bekannte Zahl der in Deutschland infi-
               Erkrankungen, die im Gesundheitsbereich tätig sind,       zierten MS-Patienten liegt deutlich unter dem stati-
               sollten ganz besonders auf Arbeitsschutzmaßnahmen         stisch erwarteten Wert, was Prof. Dr. med. Judith Haas
               achten und diese vom Arbeitgeber auch einfordern.         zufolge die Annahme stützt, dass kein primär erhöhtes
               Viele chronische neurologische Erkrankungen gehen         Infektionsrisiko aufgrund der MS bestehe. Judith Haas
               mit dem Risiko der Verschlechterung durch Fieber und      ist Vorsitzende des DMSG-Bundesverbandes e.V. und
               Infektionen einher. Auch ist bekannt, dass das Risiko     Vorstandsmitglied in dessen Ärztlichen Beirat.
               für einen Schub nach Virusinfekten leicht erhöht ist.
               Beeinflusst wird dies allerdings auch davon, ob eine         Die Therapie nicht einfach abbrechen
               wirksame Therapie erfolgt. Inwieweit auch nach
               durchgemachter Covid-19-Erkrankung ein Schubri-           Nun ist die Verunsicherung manch eines MS-Betrof-
               siko besteht, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch      fenen aber nicht nur durch die Krankheit selbst be-
               nicht beantworten. Eins steht fest: Wer aufgrund ei-      dingt. Vor allem die Sorge, dass verlaufsmodifizie-
               ner Covid-19-Erkrankung eine Immuntherapie been-          rende Therapien eine Infektion mit dem neuartigen
               det, könnte auch dadurch das Risiko für einen Schub       Virus begünstigen oder bei Infektion zu schwereren

12 > NEUROVISION
Titelthema <

Der folgende Überblick über die häufigsten MS-Therapien hinsichtlich möglicher Risiken
im Zusammenhang mit SARS-COV2, ist eine Zussamenfassung der Einschätzungen
von DGN-Experten.

Interferone (Avonex, Betaferon, Extavia, Plegidry,        Cladribin (Mavenclad): Der therapeutische Effekt,
Rebif): sind zwar Immunmodulatoren, werden von            der auf einer erwünschten Verminderung der weißen
MS-Experten weltweit aber vor dem Hintergrund der         Blutzellen beruht, ist unmittelbar nach der jährlichen
SARS-CoV-2-Pandemie als unbedenklich eingestuft.          Gabe am stärksten und geht mit einem erhöhten In-
                                                          fektionsrisiko einher. Die Effekte auf die weißen Blut-
Glatirameracetat (Copaxone): wird ebenfalls als un-       körperchen halten individuell unterschiedlich lange
bedenklich eingestuft                                     an, das Infektionsrisiko ist individuell einzuschätzen.
                                                          MS-Erkrankte, bei denen der zweite Therapie-Zyklus
Natalizumab (Tysabri): scheint nach Einschätzung          nach einem Jahr ansteht, sollten Vorkehrungen tref-
internationaler Experten nicht mit einem erhöhten         fen, um die Infektionsgefahr herabzusetzen.
„Corona-Risiko“ einherzugehen, die Behandlung
kann – nach derzeitigem Kenntnisstand – uneinge-          Alemtuzumab (Lemtrada): Auch diese Immunthera-
schränkt fortgeführt werden. Sie sei auch ein Mittel      pie führt, nach der jährlichen Gabe (in der Regel Jahr
der Wahl, wenn Patienten in der aktuellen Situation       1 und Jahr 2) zu einer langanhaltenden erwünschten
bei aktiver MS eine intensivere Therapie benötigten.      Veränderung der weißen Blutzellen, wodurch ein er-
                                                          höhtes Infektionsrisiko besteht. Eine Wiederholung
Dimethylfumarat (Tecfidera): Sofern die Lympho-           der Therapie ist zum jetzigen Zeitpunkt sorgfältig zu
zytenzahlen auf einem normalen Niveau sind, kann          prüfen. Neueinstellungen sind, unter Berücksichti-
davon ausgegangen werden, dass das Infektionsri-          gung der Zulassungsänderung, nur bei hochaktiver
siko nicht erhöht ist.                                    MS und dem Fehlen anderer therapeutischer Mög-
                                                          lichkeiten zu erwägen. Da jedoch das Ende der Maß-
Teriflunomid (Aubagio): Die in der MS-Therapie            nahmen mit dem Ziel einer Infektionsvermeidung
zum Einsatz kommenden Dosierungen gehen nicht             nicht absehbar ist, sollten MS-Erkrankte, die sich
mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher. Es wird       mit Ihrem Neurologen zunächst für ein verlänger-
derzeit eine antivirale Wirkung der Substanz disku-       tes Intervall entschieden hatten, nun ihre Therapie
tiert, die auch bei SARS-CoV-2 zum Tragen kommen          fortsetzen unter Berücksichtigung von Sicherheits-
könnte. (aktualisiert am 25.05.2020)                      bedingungen. Patienten, deren Impulstherapie mit
                                                          Alemtuzumab bereits abgeschlossen und länger als
Fingolimod (Gilenya) und Siponimod (Mayzent):             sechs Monate zurückliegt, sind auf der sicheren Seite.
Zwar besteht unter diesen Therapien ein erhöhtes
Infektionsrisiko, insbesondere für Atemwegserkran-        Für Rituximab/Mabthera (off-label) sowie Mitoxan-
kungen. Dennoch sollten MS-Patienten, die auf diese       tron gilt ähnliches, wie für Alemtuzumab.
Therapien eingestellt sind, sie nicht absetzen, da
sonst die Gefahr einer Krankheitsaktivierung besteht.     Eine Kortison-Stoß-Therapie, wie sie bei einem MS-
                                                          Schub infrage kommt, kann kurzfristig das Infekti-
Ocrelizumab (Ocrevus): gehört zu den sogenannten          onsrisiko erhöhen. Es sollte sorgfältig besprochen
depletierenden Immuntherapien und erhöht das In-          werden, wie sich der MS-Erkrankte nach dem Cor-
fektionsrisiko insbesondere unmittelbar nach der Infu-    tisonstoß vor einer möglichen Infektion schützen
sionsbehandlung. Da es sich um eine Intervalltherapie     kann. Eine begrenzte Arbeitsunfähigkeit in Anspruch
handelt, ist eine Verlängerung des Intervalls individu-   zu nehmen, ist sicherlich sinnvoll. Mit regelmäßigen,
ell zu diskutieren, ohne dass die Gefahr einer Aktivie-   in Intervallen verabreichten Cortison-Therapien sollte
rung der MS besteht. Fallberichte, erste Auswertungen     – nach Einschätzung der DGN-Experten – zunächst
aus Registern oder Pharmakovigilanzerhebungen zei-        pausiert werden.
gen für Corona-erkrankte MS-Patienten unter Ocre-
lizumab keine Hinweise für schwerere Verläufe, ggf.       (Quelle und vollständige Übersicht: www.dgn.org)
sogar Hinweise für mildere Phänotypen. (dgn)

                                                                                                                    NEUROVISION < 13
Titelthema <

                                                              INFO

                   Rechtzeitig an Rezepte                                       LEOSS-Register erfasst MS-
                   und Medikamente denken                                    spezifische Kriterien bei SARS CoV
                                                                                   II-infizierten Patienten
                   Wer regelmäßig auf verschreibungspflichtige Medi-
                   kamente angwiesen ist, sollte gerade in Zeiten wie
                   diesen etwas rechtzeitiger planen. Rezepte können

                                                                                                                                ©iStockphoto/EmBaSy
                   während der Ausnahmezeit der Corona-Pandemie
                   telefonisch bestellt werden und es ist möglich, sich
                   diese vom Hausarzt, dem niedergelassenen Neu-
                   rologen oder seiner Spezialambulanz schicken zu
                   lassen. Viele Apotheken bieten einen Lieferdienst an.

               COVID-19-Verläufen mit Todesfolge führen könnten,           Auf Initiative der Study Group des KKNMS (Krank-
               hat viele MS-Patienten beunruhigt. Die Therapie abzu-       heitsbezogenes Kompetenznetz Multiple Sklerose
               brechen sei jedoch keine gute Idee und könne oft mehr       e.V.) hat das europäische LEOSS-Register MS-
               schaden als nutzen, erklärte Professor Dr. Heinz Wi-        spezifische Fragestellungen in die Erfassung auf-
               endl, Sprecher des Kompetenznetzes Multiple Sklerose        genommen. Ziel von LEOSS („Lean European Open
               (KKNMS), in einer gemeinsamen Pressemitteilung von          Survey on SARS CoV II Infected Patients“) ist es,
               KKNMS, DMSG und DGN. Patienten riskieren damit              europaweit das Outcome von COVID-Patienten zu
               MS-Schübe – und das mitunter ganz umsonst: Denn             erfassen. Inzwischen ist es möglich, die Multiple
               nach heutigem Stand der Forschung gibt es keine si-         Sklerose als Komorbidität anzugeben und für diese
               cheren Hinweise für ein generell erhöhtes Infektions-       Patienten die aktuelle Immuntherapie und die
               risiko für MS-Patienten unter Immuntherapien.               neurologische Behinderung vor und nach
                                                                           COVID zu dokumentieren.
                     Hochaktive MS                                         Mit den Registerdaten sollen wichtige Forschungs-
                                                                           fragen beantwortet werden können, wie z.B.,
               Die Einschätzung für die Gruppe sogenannter im-             ob die MS und deren Therapie ein Risikofaktor
               mundepletierender Medikamente (Rituximab, Ocre-             für COVID sind und wie sich die Erkrankung auf
               lizumab, Cladribin, Alemtuzumab, Mitoxantron) ist           das Outcome auswirkt.
               zwar grundsätzlich schwieriger, weil die Immunab-           Je höher die Erfassungsdichte und die Fallzahlen,
               wehr gegen bestimmte Erreger während bzw. nach der          desto aussagekräftiger wird das Register. Es ist
               Gabe beeinträchtigt sein könnte. Allerdings gibt es Un-     wichtig, dass möglichst viele Ärzte Patientendaten
               terschiede zwischen den Präparaten.                         in das LEOSS-Register eingeben.
               „Wenn es darum geht, eine neue Therapie zu begin-           Das LEOSS-Projekt wird von der DGN, dem
               nen oder auf eine Therapie mit einem dieser Präparate       KKNMS und der DMSG unterstützt.
               umzustellen, sollte zusammen mit dem behandeln-
               den Neurologen eine individuelle Nutzen-Risiko-Be-          www.leoss.net
               wertung erfolgen“, so Prof. Heinz Wiendl der DGN.
               Bei gut eingestellten Patienten rechtfertige die gegen-     Weitere Informationen finden sich auf der Website
               wärtige Datenlage und kontrollierte Situation in der        der DGN unter folgender tiny-URL:
               ärztlichen Versorgung weder ein Absetzen, noch eine
               kategorische Therapieumstellung. Das mögliche CO-           https://tinyurl.com/yadxanmz
               VID-19-Risiko sei immer gegen die Gefahr neuer MS-
               Schübe oder einer Krankheitsprogression abzuwä-

14 > NEUROVISION
Titelthema <

                                                                                                                                           Infektionsrisiko:
                                                                                                                                           Die Rolle, die Aero-
                                                                                                                                           sole bei der Über-
                                                                                                                                           tragung von SARS-
                                                                                                                                           CoV-2 haben, ist
                                                                                                                                           noch nicht ab-
                                                                                                                                           schließend geklärt.
                                                                                                                                           Räume sollten zur
                                                                                                                                           Senkung des Ge-
                                                                                                                                           fährdungspoten-
                                                                                                                                           tials mit Durchzug
                                                                                                                                           belüftet werden.
©iStockphoto/SrdjanPav

                         gen, so der Sprecher des KKNMS, Vorstandsmitglied            Das Risiko bei
                         im Ärztlichen Beirat der Deutschen Multiple Sklerose         neuromuskulären Erkrankungen
                         Gesellschaft und Direktor der Klinik für Neurologie mit
                         Institut für Translationale Neurologie an der Westfä-     Zur Kategorie der neuromuskulären Erkrankungen ge-
                         lischen Universität Münster.                              hören verschiedenartige Diagnosen mit unterschied-
                         (www.dgn.org/presse/pressemitteilungen/70-pressemittei-   lichen Graden der körperlichen Einschränkung. Allge-
                         lung-2020/4010-positive-signale-aus-der-forschung-        meine Empfehlungen lassen sich daher nicht geben,
                         zum-welt-ms-tag-einige-ms-medikamente-koennten-
                                                                                   und auch das Aufgreifen aller Erkrankungen sprengt
                         vor-sars-cov-2-covid-19-schuetzen)
                                                                                   den Rahmen dieses Beitrags.

                            Mit Natalizumab überbrücken?                           Aktuell ordnen nationale Fachverbände und internati-
                                                                                   onale neuromuskuläre Netzwerke (DGM, EURO-NMD,
                         Relativ gut bewertet wird der Wirkstoff Natalizumab       u.a.) das Risiko für einen schweren Verlauf der CO-
                         (Tysabri), da er nur wenig Einfluss auf das Immun-        VID-19 Erkrankung bei Patienten mit neuromusku-
                         system selbst hat, sondern vielmehr auf den Mecha-        lären Erkrankungen als hoch bis moderat für alle mil-
                         nismus, der das Einwandern von Entzündungszellen          den Formen ein. Ein hohes bis sehr hohes Risiko für
                         in das Gehirn vermindert. Es gebe derzeit häufiger die    einen schweren COVID-19 Erkrankungsverlauf gilt bei
                         Empfehlung, Intervalle – etwa bei Alemtuzumab, Ocre-      muskulärer Schwäche der Atemhilfsmuskulatur oder
                         lizumab, Cladribin – zu verlängern. Diese Patienten       des Zwerchfells mit daraus resultierender Abnahme
                         könne man zur Überbrückung auch auf Tysabri ein-          des respiratorischen Volumens unter 60 Prozent des
                         stellen, sagt Dr. Knop. Die DMSG veröffentlicht auf ih-   vorhergesagten Volumens (FVC
Titelthema <

                    Myasthenia gravis                                    Zusammenfassend wird daher das mit einer Reduk-
                                                                         tion bzw. einem Absetzen immunsuppressiver Me-
               Wie die MS auch, sei die Myasthenia gravis eine Er-       dikamente verbundene Risiko für die Verschlech-
               krankung, die auf Infekte reagiert, sagt Karl-Christian   terung der Myasthenia gravis/LEMS deutlich höher
               Knop und ergänzt: „Unter Umständen ist das sicher-        eingeschätzt als das Risiko, aufgrund der bestehen-
               lich eine Gruppe, auf die man gut aufpassen muss.“        den immunsuppressiven Therapie eine Verschlechte-
               Der Myasthenia gravis liegt eine schwere, belastungs-     rung einer Covid-19-Erkrankung (durch das neue Co-
               abhängige Muskelschwäche zugrunde. Sie kann un-           rona-Virus SARS-CoV-2) zu erleiden. Auch habe die
               terschiedliche Muskelgruppen betreffen, so z.B. die       bestehende immunsuppressive Therapie – nach der-
               Sprech-, Schluck- und mimische Muskulatur. Auch           zeitigem Kenntnisstand – keinen Einfluss auf das Ri-
               die Atmungsmuskeln können betroffen sein. „Ist dies       siko, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken. Insgesamt rate
               der Fall, dann tragen die Patienten natürlich schon ein   man dringend davon ab, die Medikamente eigenstän-
               höheres Risiko, dass eine Virusinfektion einen schwe-     dig abzusetzen.
               reren Verlauf nimmt“, so Knop.                            (Quelle: Ärztlicher Beirat der Deutschen Myasthenie
                                                                         Gesellschaft.
                                                                         https://neurologie-neuer-wall.de/corona-virus-und-
               Letztendlich hängt das Risiko aber auch für Menschen
                                                                         myasthenia-gravis-lems/)
               mit Myasthenie und anderen neuromuskulären Er-
               krankungen von folgenden Faktoren ab:
                                                                         Empfehlungen für Menschen mit neuromuskulären
                   > wie schwer ist die Ausprägung der Grund-            Erkrankungen findet man hier:
                     erkrankung                                          www.dgn.org/images/Neuromuskula%CC%88r_
                   > wie gut ist der Patient medikamentös                Covid-19_Empf_PB_BS.pdf
                     eingestellt
                   > wie alt ist der Patient
                   > wie steht es um die allgemeine Fitness
                     und das Immunsystem
                   > liegen weitere Begleiterkrankungen,
                     wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes vor?

                    Immunsuppressive Medikamente
                                                                                            Axon
                    nicht eigenständig absetzen
                                                                           Freisetzungsstelle                       Vesikel
               In einer Stellungnahme des ärztlichen Beirates der
               Deutschen Myasthenie-Gesellschaft (DMG) zur aktu-
               ellen Corona-Virus SARS-CoV-2 Pandemie, geht es um
               die Frage, ob die immunsuppressive Therapie bei My-
               asthenie- oder LEMS-Patienten vorsichtshalber abge-
               setzt oder reduziert werden sollte:                               Muskelzelle                   ACh-Rezeptor
               Zwar könnten alle immunsuppressiv wirkenden Medi-
               kamente grundsätzlich die Anfälligkeit gegenüber In-
               fektionen mit verschiedenen Erregern erhöhen, bei ei-
               ner regelrecht durchgeführten Therapie allerdings nur
               minimal. Durch eine Reduktion oder gar das Absetzen
               einer bestehenden, wirkungsvollen Therapie komme          Die Übertragung eines Nervenimpulses auf den
               es nicht selten zur erheblichen Verschlechterung der      zugehörigen Muskel erfolgt an der sogenannten moto-
               Beschwerden und damit auch zu lebensbedrohlichen          rischen Endplatte. Hat ein elektrischer Nervenimpuls
                                                                         das Nervenende erreicht, kommt es zur Ausschüttung
               Situationen.
                                                                         von Acetylcholin. Dieser Transmitter „wandert“ durch
               Um diese zu beherrschen, müssten dann erneut im-          den Spalt zwischen Nerv und Muskel und bindet dort
               munsuppressive Therapieverfahren, zumeist im Rah-         an entsprechende ACh-Rezeptoren am Muskel, wodurch
               men von Aufenthalten im Krankenhaus eingesetzt            sich dieser zusammenzieht. Die Myasthenia gravis
               werden, die letztlich mit einer stärkeren Schwächung      führt zu einer Störung dieser sogenannten neuro-
                                                                         muskulären Erregungsübertragung.
               des Immunsystems verbunden seien.

16 > NEUROVISION
DIE NEUE WEBSITE FÜR MENSCHEN
                          MIT MULTIPLER SKLEROSE
                                                          www.ms-begleiter.de

                 MS-Begleiter – immer an Deiner Seite
                 Ab sofort findest Du unter www.ms-begleiter.de einen rundum
                 erneuerten Internetauftritt. Dort gibt’s fundierte Informationen von
                 Experten, authentische Einblicke von Menschen mit MS und deren
                 Angehörigen, praktische Tipps für den Alltag und vieles mehr.
MAT-DE-2000265

Mit wegweisenden Therapien
komplexen Erkrankungen begegnen.
Titelthema <

                         Sind Parkinson -Patienten Corona-                       Verzögerungen gekommen ist, sind viele sonst gül-
                         Risikopatienten?                                        tige Fristen ausgesetzt, um Behandlungsintervalle ver-
                                                                                 längern zu können. Unter bestimmten Bedingungen
                      Den Informationen der Parkinson-Gesellschaft zufolge       ist es Praxen erlaubt, auch Videotherapie durchzu-
                      wird davon ausgegangen, dass Parkinson-Patienten nicht     führen. Dies ist möglich für Ergo-, Physio und Bewe-
                      aufgrund ihrer Erkrankung ein erhöhtes Infektionsrisiko    gungstherapie, aber auch für die Stimm-, Sprech- und
                      haben. Bestehen jedoch weitere altersbedingte Begleiter-   Sprachtherapie. Bietet die eigene Praxis keine solchen
                      krankungen wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus       Angebote an, können verschiedene Apps und Videos
                      oder Lungenkrankheiten, könne eine Infektion mit dem       vorübergehend eine Möglichkeit sein.
                      SARS-CoV-2-Virus durchaus Komplikationen nach sich
                      ziehen. www.parkinson-gesellschaft.de/corona               Eine Übersicht finden Sie hier:
                      Aus diesem Grund gelten natürlich auch für Parkin-         www.parkinson-gesellschaft.de/parkinson-
                      son-Patienten die gleichen Verhaltensregeln im öffent-     wegweiser.html
                      lichen Raum wie für die gesamte Bevölkerung. Damit
                      die Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen sich
                      jedoch nicht zu stark auf die seelische Verfassung aus-       Zum Arzt trotz Ansteckungsgefahr?
                      wirken, empfiehlt es sich, möglichst viele Routinen des
                      täglichen Lebens so gut wie möglich beizubehalten.         Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas entspannt
                      Dazu gehört auch Bewegung an der frischen Luft, am         – es bleibt zu hoffen, dass die befürchtete zweite Welle
                      besten täglich mindestens 30 Minuten lang. Spazier-        ausbleibt. Trotzdem sollte weiterhin gelten: Erst anru-
                      gänge, Nordic Walking oder auch Gymnastik zu Hause,        fen und sich mit dem Praxisteam absprechen. Dann
                      sollten unbedingt regelmäßig fortgeführt werden.           kann im Einzelfall entschieden werden, ob eine Vor-
                                                                                 stellung in der Praxis oder in der Klinik notwendig
                                                                                 ist. Praktisch alle Einrichtungen bieten Telefonsprech-
                                                                                 stunden an, manche wie gesagt auch Videosprech-
                                                                                 stunden. Viele Praxen und Kliniken kommunizieren
                                                                                 telefonisch und via E-Mail. Mitunter werden Patien-
                                                                                 tenwartelisten angefertigt und die Patienten so schnell
                                                                                 wie möglich versorgt. Der Hausarzt kann Überwei-
                                                                                 sungen mit der Post schicken. Geht es um die notwen-
                                                                                 digen Einstellungen von Medikamentenpumpen oder
©iStockphoto/jaroon

                                                                                 Hirnschrittmachern, dann ist eine persönliche Vor-
                                                                                 stellung erforderlich. Dies ist natürlich auch weiterhin
                                                                                 möglich und sollte nicht verschoben werden. Eine te-
                                                                                 lefonische Terminabsprache ist grundsätzlich sinnvoll.

                                                                                    Viele Parkinsonpatienten sind älter

                                                                                 Das durchschnittliche Alter eines Patienten bei der
                                                                                 Erstmanifestation der Parkinson-Krankheit beträgt 62
                                                                                 Jahre. „Weil der Großteil der Patienten mit Parkinson
                                                                                 älter ist, liegen auch häufiger Begleiterkrankungen vor,
                                                                                 die das Risiko für einen schwereren Verlauf einer Co-
                                                                                 vid-19-Infektion erhöhen“, sagt Dr. Knop. Nicht selten
                                                                                 würden Betroffene an Schluckstörungen leiden, kön-
                         Und der Termin beim Physio-                             nen nicht so gut abhusten und sind dadurch generell
                         oder Ergotherapeuten?                                   anfälliger für Atemwegsinfekte.

                      Physio- und Ergotherapiepraxen waren und sind wei-         Zudem gebe es natürlich viele Menschen mit Parkin-
                      terhin geöffnet, allerdings wurden – bedingt durch den     son, die in einem Pflegeheim lebten; die Gefahr, sich
                      Infektionsschutz – nur dringend notwendige Anwen-          dort zu infizieren, sei generell höher. Ältere pflegebe-
                      dungen durchgeführt. Weil es dadurch zu zahlreichen        dürftige Parkinsonpatienten gehörten sicherlich eher

18 > NEUROVISION
Titelthema <

                                                                                                                                          Digitale Kom-
                                                                                                                                          munikation
                                                                                                                                          bietet viele
                                                                                                                                          Möglichkeiten.
                                                                                                                                          Zum einen, um
                                                                                                                                          Sprechstunden
                                                                                                                                          mit dem Arzt
                                                                                                                                          oder Logopäden
                                                                                                                                          von zuhause
                                                                                                                                          aus zu organi-
                                                                                                                                          sieren, zum
                                                                                                                                          anderen, um
                                                                                                                                          mit seinen
                                                                                                                                          Liebsten zu
                                                                                                                                          kommunizieren.
©iStockphoto/Ridofranz

                         zu den Risikopatienten, als jene, deren Erkrankung      Autoren an Behandler und Patienten, soweit möglich,
                         noch nicht so weit fortgeschritten ist und die diese    digitale Technologien zu nutzen. Digitale Techniken
                         noch gut eigenständig bewältigen können. Eine be-       erlauben inzwischen eine gute Versorgung bei Par-
                         deutende Rolle spielt die Inanspruchnahme von Be-       kinson. So dürfen Bewegungs-, Stimm-, Sprech- und
                         gleittherapien.                                         Sprachtherapien per Videosprechstunde durchgeführt
                                                                                 werden und auch psychotherapeutische Sitzungen
                            Begleittherapien von Parkinson-                      sind online möglich. Ersatzweise ist manchmal auch
                            Patienten in Corona-Zeiten                           ein Telefonat eine Option. Angehörige können auch
                                                                                 durch regelmäßige Telefonate Halt und emotionale
                         In einer Stellungnahme der ‚Kommission Bewegungs-       Nähe schenken. Positiver Zusatzeffekt: Das Telefonie-
                         störungen’ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie    ren trainiert das Sprechen. Gerade, wenn Logopädie-
                         (DGN) weisen die Autoren darauf hin, dass die medi-     termine ausfallen, ist das besonders wichtig.
                         zinische Versorgung von Menschen mit einer Parkin-
                         son-Erkrankung nicht nur die medikamentöse Thera-          Menschen mit Parkinson unterstützen
                         pie umfasst. Von Bedeutung sind auch Begleittherapien
                         wie Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie. Um      Was aber ist mit jenen Patienten, die nicht oder nicht
                         die Patienten bestmöglich zu versorgen und die Pro-     mehr in der Lage sind, moderne Technologien zu nut-
                         gression der Erkrankung zu verlangsamen, sei eine       zen? Um video- und internetbasierte Versorgungsan-
                         komplexe, aus mehreren Bausteinen bestehende The-       gebote wahrnehmen zu können, sind insbesondere
                         rapie notwendig, die im Normalfall zahlreiche Pati-     Betroffene mit fortgeschrittenem Krankheitsbild auf
                         enten-Behandler-Kontakte erforderlich mache.            Unterstützung angewiesen.
                         Weil die Strategie des „social distancing“ zu Ein-      Bedingt durch die mit dem Virus verbundenen Hygie-
                         schränkungen bei der Behandlung von Patienten mit       nemaßnahmen, das social distancing und der Emp-
                         Parkinson-Krankheit geführt haben, appellieren die      fehlung, ältere Angehörige nicht mehr zu besuchen,

                                                                                                                                     NEUROVISION < 19
Titelthema <

Ältere Betroffene                                                                 Coronapandemie verschlechtert. Darauf hat die Deut-
sollten immer ge-                                                                 sche Schmerzgesellschaft anlässlich des neunten bun-
gen Influenza und                                                                 desweiten Aktionstages gegen den Schmerz, am 2. Juni
Pneumokokken
                                                                                  hingewiesen.
geimpft sein.
                                                                                  Viele Kliniken hätten in den vergangenen Monaten
                                                                                  die Versorgung heruntergefahren. Kontakteinschrän-
                                                                                  kungen und die Angst vor Ansteckung führten auch
                                                                                  in diesem Bereich dazu, dass Termine beim Arzt oder
©iStockphoto/Pogonici

                                                                                  Physiotherapeuten nicht wahrgenommen würden.
                                                                                  Reha-Sportangebote sind vielfach eingestellt oder re-
                                                                                  duziert, Selbsthilfegruppen dürfen keine Präsenztref-
                                                                                  fen veranstalten.
                                                                                  Die Deutsche Schmerzgesellschaft fordert ihrerseits
                                                                                  Sofortmaßnahmen wie verstärkte Beratungsangebote
                                                                                  via Telefon- und Videosprechstunde sowie Ausnah-
                                                                                  meregelungen für gruppentherapeutische Angebote.

                                                                                     Was müssen Menschen
                                                                                     mit Epilepsie wissen

                          ist es in den vergangenen Monaten zu einer Unter-       Auch Menschen mit Epilepsie sorgen sich, dass eine
                          versorgung gekommen. Das ist fatal, denn fallen die     Infektion mit dem neuen Corona-Virus einen schwe-
                          wichtigen Begleittherapien ersatzlos weg, so kann das   reren Verlauf nehmen könnte. Auf der Website des
                          zu einem schnelleren Voranschreiten der Erkrankung      Epilepsie-Zentrums Hamburg im Evangelischen Kran-
                          und zur Zunahme der Immobilisierung führen. Ge-         kenhaus Alsterdorf heißt es dazu: „Das Virus ist noch
                          fordert werden daher Konzepte, die die maßgeblichen     ziemlich neu und vieles ist noch nicht genau erforscht.
                          Therapiebausteine sicherstellen, beispielsweise durch   Nach unserem aktuellen Wissensstand aber, gibt es
                          Einbindung strenger Hygienevorkehrungen wie Mas-        keine erhöhte Gefahr der Ansteckung oder Hinweise
                          kenpflicht.                                             auf einen schwereren Krankheitsverlauf allein durch
                                                                                  eine bestehende Epilepsie.“

                                                                                                                                              ©iStockphoto/maclifethai
©iStockphoto/VikiVector

                             Versorgung von Schmerzpatienten                      Auch hier wird darauf verwiesen, dass insbesondere äl-
                             verschlechtert sich                                  tere Menschen und solche mit Begleitkrankheiten ge-
                                                                                  fährdet seien. Eine Erkrankung, die zusätzlich zu einer
                          Ähnlich wie bei Parkinsonpatienten hat sich auch die    Epilepsie vorliegt, könne das Risiko für einen schwereren
                          Versorgungssituation von Schmerzpatienten durch die     Covid-19-Krankheitsverlauf erhöhen. Dasselbe gelte

20 > NEUROVISION
Titelthema <

                                                                                                                                               Besteht das Risiko
                                                                                                                                               für einen Krampf-
                                                                                                                                               anfalll oder für
                                                                                                                                               Stürze, ist es rat-
                                                                                                                                               sam, in Begleitung
                                                                                                                                               vor die Tür zu ge-
                                                                                                                                               hen. Auch um eine
                                                                                                                                               möglicherweise
                                                                                                                                               unötige Aufnahme
                                                                                                                                               im Krankenhaus
                                                                                                                                               zu vermeiden.
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                             für eine zusätzliche Mehrfachbehinderung, besonders      ser (16-20°C) angefeuchtet, enganliegend um die Wa-
                             wenn sie mit Atem- oder Schluckstörungen einhergeht.     den (zwischen Knöchel und Knie) gewickelt und er-
                                                                                      neuert, sobald der Wickel warm ist.
                                Anfälle durch das Corona-Virus?                       Wer – trotz regelmäßiger Medikamenteneinnahme –
                                                                                      gelegentlich Anfälle hat, sollte in diesen Zeiten noch
                             Grundsätzlich besteht bei einigen Menschen mit           etwas vorsichtiger sein als sonst.
                             Epilepsie die Gefahr, dass Erkrankungen mit Fieber       Die Autoren des Artikels vom Epilepsiezentrum Ham-
                             vermehrt Anfälle auslösen. Hohes Fieber, so die Emp-     burg raten dazu, unnötige Notfallaufnahmen im Kran-
                             fehlung, sollte daher frühzeitig medikamentös gesenkt    kenhaus zu vermeiden. Nach einem üblichen Anfall
                             werden. Umso mehr, wenn eine deutliche Anfallszu-        ohne Verletzung und mit für Betroffene normal rascher
                             nahme durch Fieber bekannt ist.                          Erholung, bedürfe es keiner Vorstellung im Kranken-
                             Aufgrund der Diskussion um theoretisch denkbare          haus. Zur Sicherheit wäre es gut, wenn Aufenthalte in
                             Nachteile von Ibuprofen bei einer Covid-19-Erkran-       der Öffentlichkeit nur mit informierter Begleitperson
                             kung, kann auch Paracetamol zum Einsatz kommen.          stattfänden, die Augenzeugen oder Rettungssanitäter
                             Es sei jedoch wahrscheinlich besser, hohes Fieber ggf.   über eine bestehende Epilepsie informieren könne.
                             auch mit Ibuprofen zu senken als gar nicht. In jedem     Einen Epilepsie-Ausweis mit sich zu führen, ist eben-
                             Fall sollte dazu Rücksprache mit dem behandelnden        falls ratsam.
                             Arzt gehalten werden.
                             Alternativ können auch Hausmittel zum Fiebersen-            Engpässe bei Medikamenten?
                             ken in Betracht gezogen werden. Wadenwickel aller-
                             dings sollten nur bei warmen Füßen und Händen An-        Bereits vor Beginn der Corona-Epidemie hat es im-
                             wendung finden: Hierzu werden (bei Erwachsenen           mer wieder Lieferschwierigkeiten bei Epilepsie-Medi-
                             und Jugendlichen) Tücher mit kühlem Leitungswas-         kamenten gegeben. Dass solche Probleme bei anhal-

                                                                                                                                          NEUROVISION < 21
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