LÄNGSSEITS - SEENOTRETTER TRAINIEREN DEN ERNSTFALL GROßE ÜBUNGEN AUF NORD- UND OSTSEE - DGZRS
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Seenotretter trainieren den Ernstfall Große Übungen auf Nord- und Ostsee Seite 10 Emotionale Taufzeremonie in Horumersiel Seite 4 Seit 50 Jahren im Einsatz für Schiffbrüchige Seite 23 4 | 2019 LÄNGSSEITS
VORWORT / INHALT 2 |3
Wustrow:
Vom Kraftfahrer zum Seenotretter
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
ich ziehe meinen Hut vor Wilhelm sie später bei Notfällen allein genauso pro- Timmendorf auf Poel:
Jacobs: Seit einem halben Jahr- fessionell helfen können wie heute gemein- Zwei ehrenamtliche Deerns in Rot
hundert ist er freiwilliger See- sam mit den erfahrenen Kollegen.
notretter in Neuharlingersiel
(Seite 23). Was für ein großarti- Erfolgreich können unsere Seenotretter
ges Engagement im Dienste der eben nur dann sein, wenn sie an Bord ein Grömitz:
Allgemeinheit! Für ihn ist eingespieltes Team sind, als Gemeinschaft Traumjob Seenotretter
es selbstverständlich, handeln. Der Eine sich auf den Anderen ver-
immer dann rauszufah- lassen kann, die eine Hand unterstützt, was
ren, wenn auf der Nord- die andere macht. Ebenso wichtig sind unse-
see ein Seemann oder re vielen Spender aus allen Teilen des Lan-
ein Wassersportler des. Ihr Bürgersinn verbindet sich mit dem
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in eine gefährliche, mitunter sogar lebens- Mut derer, die rausfahren, wenn andere
bedrohliche Situation geraten ist. Dies ge- reinkommen. Viele davon fördern die DGzRS
hört zu seinem Leben als Fischer einfach langjährig und regelmäßig – wie Familie Balz
dazu, es ist seit Generationen Familien- aus Pinneberg (Seite 34). Sie spendet bereits
tradition. in dritter Generation für die Seenotretter.
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Sein Wissen, seine Erfahrung gibt Ihnen allen im #TeamSeenotretter danke
Wilhelm Jacobs genauso wie alle anderen ich – auch im Namen meiner Vorstandskolle-
langgedienten Seenotretter bei gemeinsa- gen Ingo Kramer und Matthias Claussen – für 27
men Übungen und Einsätzen an die Jüngeren ihren unermüdlichen Einsatz im Jahr 2019.
weiter. Zu ihnen gehören beispielsweise Wir wünschen Ihnen allen besinnliche Feier-
Jenny und Gina Pudschun (Seite 24): Die tage und einen guten Start ins neue Jahr!
19-jährigen Zwillinge gehören seit einiger
Zeit zu den Freiwilligen der Station Tim- Ihr Lauterbach & Büsum:
mendorf auf Poel. Die Schwestern sind Intensives Training für den Ernstfall
ehrgeizig, wollen von den erfahrenen
Kollegen die Tricks und Kniffe, das See- Gerhard Harder
notretter-Handwerk lernen, damit Vorsitzer der Seenotretter
Horumersiel:
Taufe des neuen Seenotrettungsbootes
10
Fedderwardersiel:
Starke Gemeinschaft mit neuem Vormann
13 Trainieren mit Traditionsseglern
14 „Crew Exchange“: Gemeinsam üben beim internationalen Austauschprogramm
16 Neues Seenotrettungsboot: Spenderin legt glückbringende Münze ein
18 Tochter legt künftigen Seenotrettungskreuzer ihres Vaters auf Kiel
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21 Seenotretter gehen in die Luft: Unbemanntes Luftfahrtsystem erfolgreich getestet
29 Arwed Emminghaus lebt – gleich vier Mal
IMPRESSUM 27 30 Agrarwissenschaftlerin Kerstin Diekmann: Im Landeinsatz
Herausgeber: Redaktion / Text: Gestaltung:
Deutsche Gesellschaft Ralf Baur, Wolfgang Heumer, Tine Klier, Monika Grimme 32 Ehrenamtsbefragung: Viel Lob, aber auch wichtige Kritik
zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) Femke Liebich, Kerstin Radtke, Antke Reemts, Herstellung:
Werderstraße 2, 28199 Bremen Christian Stipeldey und Ines Vogel teamdruck, Stuhr 34 Familie Balz: Spender seit drei Generationen
Telefon: 0421 53 707 - 610 Spendenkonto bei der Sparkasse Bremen:
Korrektorat:
E-Mail: info@seenotretter.de
Kerstin Radtke IBAN DE36 2905 0101 0001 0720 16, BIC SBREDE22 38 Arno Löffler: Seit Kurzem einer der ältesten Förderer
seenotretter.de
RETTUNGSDIENST 4 |5
Taufe der WOLFGANG PAUL LORENZ
begeistert jungen Seenotretter-Fan
David Redwitz (11) weiß gar nicht, wohin er zuerst schauen soll: Zum Täufling, zur BERNHARD GRUBEN,
zum Ruderrettungsboot AUGUST GRASSOW, zur FRITZ THIEME oder doch lieber zu einem der beiden
anderen Seenotrettungsboote, die im Hafen Wangersiel liegen. So viele Einheiten der DGzRS wie bei
der Taufe von SRB 75 am 12. Oktober hat der Schüler aus Witten noch nie auf einem Fleck gesehen.
Der Junge aus dem Ruhrpott ist begeistert und lässt sich von der emotionalen Stimmung anstecken.
I ch habe auf der Instagram-Seite der Seenot-
retter von der Taufe des neuen Bootes für
„allzeit gute Fahrt und der Besatzung stets
eine sichere Heimkehr“ wünscht, steht David
tungsbootes zu ermöglichen.“ Wolfgang Paul
Lorenz bedachte die Seenotretter in seinem
die Freiwilligen der Station Horumersiel nicht in der ersten Reihe. Er sieht deshalb Nachlass, auf diese Weise bleibt er mit ihnen
gelesen“, erzählt David Redwitz. Der Elf- nicht das tief bewegte Gesicht der Tauf- auch über seinen Tod hinaus untrennbar
jährige sitzt am Ruder der frisch getauften patin. Dennoch hört er deutlich, wie sehr verbunden.
WOLFGANG PAUL LORENZ. Es ist Open Ship, der Ehefrau des verstorbenen Namengebers
die Besucher dürfen den Neubau und den und Spenders dieser Moment nahegeht und David Redwitz engagiert sich seit der
Fotos: Jörg Sarbach
Seenotrettungskreuzer BERNHARD GRUBEN sie tief berührt: „Es war ein sehr emotiona- Taufe ebenfalls für die Seenotretter: Seit
aus Hooksiel besichtigen, dabei Seenotretter- ler Augenblick“, beschreibt der Schüler das dem Tag ist der Elfjährige Förderer. Als Dan-
Luft schnuppern und die Besatzungen mit Erlebte. keschön darf er am Nachmittag gemein-
Fragen löchern. Sie kommen ins Gespräch sam mit den anderen Neuspendern auf der
mit denen, die immer einsatzbereit sind, die BERNHARD GRUBEN mitfahren, die er zuvor
Erste Fahrt der WOLFGANG PAUL LORENZ unter ihrem endgültigen Namen sich bei jedem Wetter für das Leben anderer bereits besichtigt hat. „Ich war der Erste, der
auf See einsetzen. beim Open Ship an Bord durfte. Als ich auf
der Gangway stand, war ich ganz schön auf-
Sofort nachdem David den Instagram- geregt“, gesteht der Schüler und lächelt. Und
Beitrag gesehen hatte, fragte er seine Mut- jetzt darf er als Neuförderer sogar einmal an
ter Manuela Redwitz, ob ihre Kur in dem Bord sein, wenn der Seenotrettungskreuzer
Sielort noch bis zu diesem Tag dauern ablegt und den Hafen Wangersiel in Richtung
würde. Sie sagte ja. „Ich habe mich riesig Wattenmeer verlässt.
darüber gefreut – es ist der Höhepunkt der
drei Wochen hier an der Nordsee!“, sagt der „Das war richtig cool“, sagt David, kurz
Siebtklässler und schaut weiter konzentriert David Redwitz an Bord der WOLFGANG PAUL LORENZ nachdem die BERNHARD GRUBEN wieder
auf das Radargerät und die elektronische angelegt hat. Glücklich und zufrieden sieht
Seekarte vor ihm. Er hält das Ruder fest in Für Ursula Lorenz selbst sind es bewe- er aus. Ein aufregender Tag mit vielen neu-
der Hand und lässt sich die Navigationstech- gende Stunden: „Mein Mann wäre über en Eindrücken liegt hinter dem Elfjährigen
nik der 10,1 Meter langen WOLFGANG PAUL diesen Tag sehr glücklich – und das bin ich aus dem Ruhrpott und seiner Mutter. Sie
LORENZ erläutern. auch“, sagt sie. Sie schluckt und kämpft schwingen sich auf ihre Fahrräder und
gegen die aufsteigenden Tränen. „Er fühlte radeln gemeinsam mit einem Rucksack vol-
Als Ursula Lorenz kurz zuvor dem neuen sich der DGzRS zeitlebens sehr nahe. Ihm lag ler Seenotretter-Andenken zurück zu den
Seenotrettungsboot der Freiwilligen-Station sehr viel daran, den Neubau eines Seenotret- Nordsee-Kliniken in Horumersiel.
Ursula Lorenz tauft SRB 75 auf den Namen ihres verstorbenen Mannes Taufpatin Ursula Lorenz, DGzRS-Geschäftsführer Nicolaus Stadeler, Besatzung
WOLFGANG PAUL LORENZ. und das kurz zuvor getaufte Seenotrettungsboot
Jacqueline Rödel (r.) und Janine Heiken bedanken sich im Mit bekannten Seemannsliedern stimmt der Shantychor „Likedeelers“ Geschenke von den Kollegen Vormann Günter Ihnken (r.) begrüßt den DGzRS-Vorsitzer Gerhard Harder Am Infowagen der Seenotretter kommen viele Menschen mit
Namen der Freiwilligen-Besatzung bei Ursula Lorenz. die Freunde und Förderer der Seenotretter auf die Taufe ein. der Nachbarstation Hooksiel in Horumersiel. den ehrenamtlichen Mitarbeitern der DGzRS ins Gespräch.
RETTUNGSDIENST 6 |7
Foto: Jörg Sarbach
Station stift hett. He weer de Söhn van een Vegesacker Booün-
nernehmer un hett de Koopmannberuf leert. Tosamen mit twee
Dree Froog an … Broers hett he all för 1880 een Patent köfft üm Schippsünner-
wateranstriekfarven för Staalscheep to maaken. Sien Broers boen
Wieland Rosenboom, in England een fabrik up un 1880 kreegen wie dat eerst Boot mit
de Naam „VEGESACK“. 1904 stift Hartmann dat tweet Boot wat ook
Seenotredder ut Horumersiel weer „VEGESACK“ nöhmt wohr. 1910 kreeg uns Station dat drütte
Wu hebbt se de Dööp van SRB 75 beleevt?
Boot mit Naam „META HARTMANN“, nöhmt no Hartmanns Süster.
All dree Boot sünd up de Bootswerft Havighorst in Blöömendahl bi
Rönnebeck an de Weser boot wohrn.
Sielhäfen prägen die ostfriesische Küste
Carolinensiel ist ein typischer Sielhafen an der ostfriesischen Küste.
De Dööp van dat nee Reddungsboot SRB 75 weer wat ganz besün-
ners. Wie harn moj Weer, dohr weern een Bült Lüü, de Hormersie- Een schwooren Insatz van een van hüm betahlt
ler Shantychor hett sungen un uns Vörsitter Gerhard Harder hett Reddungsboot gung as „Todesfoohrt van de Wer einmal ein paar entspannte Stunden in Carolinensiel, Harlesiel, Horumersiel oder Hooksiel
neben enkelke Ehrengäste van Gemeend, Landkreis un de Tamsen Vegesack“ in de Geschicht van de DGzRS in. Wat is verbracht hat, dürfte es sofort gespürt haben: Die Sielhäfen entlang der niedersächsischen
Maritim Weft ut Rostock goode Wöörd funnen. För de Dööppatin domols passert? Wattenmeerküste sind besondere Kleinode, die den Charakter Ostfrieslands prägen.dprägen.
un Bootsstifterin Froo Ursula Lorenz schnack Geschäftsführer
Nicolaus Stadeler un Vörmann Günter Ihnken schloot mit de An-
sprooken aff. Mit dat Körtschlaan van de Sektbuddel an dat moj
beflaggte un in Girlaan schmückt Boot dööp Froo Lorenz de
In Dezember 1909 harn wie greesig Weer up See un vör Schil-
lighörn keem een neederlandsch Tjalkschipp an Grund. Uns
Reddungsboot VEGESACK II fohr mit neegen Mann besett`t un-
D ie Geschichte des Sielbaus, vor allem an der west- und ost-
friesischen Küste bis zur Wesermündung, reicht viele Jahrhunderte
die Ständersiele, die mit schweren Fluttoren geschlossen werden
konnten und bei geöffneten Toren auch für Schiffe mit stehenden
Neeboo up de Naam van her stürben Mann „WOLFGANG PAUL ner dat Kommando van Vörmann Tjarks in de Insatz. Tweema- zurück. Archäologische Funde in Südholland deuten darauf hin, Masten zu passieren waren.
LORENZ“. De Boots- un Schippshöörns hulen up un de Naamen- lig Schleppmannöver mit dat Kriegsschipp „Kurfürst Friedrich dass dort bereits im 3. Jahrhundert Deiche und Siele gebaut wur-
staafels keemen to Dag. Een Ehrenfoohrt mit Froo Lorenz ruund Wilhelm“ kunnen „Ora et labora“ nich in Hoben bringen, wiel de den; das älteste Siel in Niedersachsen wurde im 14. Jahrhundert Aufgrund ihrer wasserbautechnischen Bedeutung waren die
de Dööpakt aff ünner de Begleit van de Reddungsbööt van de Naa- Schlepplienen brooken sünd. De fief Holländers, dorünner een in Butjadingen (Landkreis Wesermarsch) errichtet. Die Küstenbe- Sielhäfen bis ins beginnende 20. Jahrhundert wichtige Handels-
berstationen. Dat weer een ganz besünnern Dag bie uns up Siel, de fief Maand lütt Baby, wohrn öwernohmen up Boot. Dat mall Weer wohner schützen mit Deich- und Sielbau damals wie heute das der und Schifffahrtsplätze, bevor Eisenbahn und Lastwagen den Trans-
een Generation nich so faaken beleevt. un affloopend Waater leeten een na Huus kohmen nich to. Dör See abgerungene Land in beide Richtungen. Während die Deiche port der zumeist landwirtschaftlichen Güter übernahmen. Die
reinen Tofall fischen de Hormersieler no twee Seelüü ut her lütt die Sturmfluten abwehren, stellen die Siele sicher, dass das Wasser meisten niedersächsischen Sielhäfen sind bis heute unverzichtbar
Schippsboot up. Dat ostfreesche Frachtschipp weer all affsoopen. aus dem gewonnenen Land ins Meer abfließen kann. für den Verkehr zu den ostfriesischen Inseln. Sielorte gibt es auch
Wolfgang Paul Lorenz is nich de eerst Günner Dat Reddungsboot dreef Richtung Nord-West un wiel de See all- an der nordfriesischen Küste sowie in Dithmarschen, an der Elbe
(Förderer)de för de freewillig Seenotredders in tied öwergung, stürben sees van söben rett‘t Minschen int Boot. An Niederländische Ingenieure waren jahrhundertelang die Meister und entlang der Weser. Aber nirgendwo sind sie so gut erhalten
Horumersiel een nee Reddungsboot betahlt hett. de Buhnen van dat Stromboowark Minser-Olloog mooken se denn im Wasserbau; die meisten der alten Siele entlang der heutigen geblieben wie in Ostfriesland. Einige sind dabei nicht nur sichere
Naah bie mit de Station is ook de Naam Wilhelm fast un dorbie stürv de Reddungsmann Behrens de Hartdood. De niedersächsischen Küste wurden von ihnen gestaltet. In den ers- Häfen, sondern dort halten sich auch die Seenotretter ständig ein-
Annern mussen nu no öwer de teihn meter liek hoch gohnde Isen- ten Jahrhunderten wurden die Anlagen als sogenannte Kumpsiele satzbereit – für den Fall, dass ein Schiff und seine Besatzung den
Hartmann verbunnen. Wat köhnt se uns öwer
ledders up de Reddungs- un Wohnbaaken klautern. Anner Mörn ausgelegt – einfache Rohre durch den Deich, die sich zur Seeseite Hafen nicht mehr aus eigener Kraft erreichen kann.
disse Verbinnung vertellen
hool een Barkass van de kaiserlich Marin de Lüü aff un broch her durch eine Klappe verschließen ließen. Mit der Zeit wurden diese
Wilhelm Hartmann weer een Günner hoch dree, de van 1880 no Wilhelmshaben. Disse Reddungsfohrt gung in de Geschicht as Durchlässe immer umfangreicher, sodass sogar kleinere Schiffe Weitere Informationen zu Sielhäfen gibt es unter
bit 1910 dreemaal een Ruderreddungsboot för de Hormersieler Reddungfohrt „Todesfoohrt van de Vegesack“ in. sie mit gelegtem Mast passieren konnten. Schließlich entstanden
www.deutsches-sielhafenmuseum.de
Horumersiel Eine der ältesten Seenotretter-Stationen In Horumersiel ist das Seenotrettungsboot WOLFGANG PAUL
LORENZ der 9,5-/10,1-Meter-Klasse stationiert. Es wurde 2019
Dort steht auch das Stationsgebäude, in dem das erhaltene
Ruderrettungsboot AUGUST GRASSOW ausgestellt ist. Es war
auf der Werft Tamsen Maritim in Rostock gebaut. Benannt ist das früher in Westeraccumersiel stationiert, wo noch heute der histo-
Die Station Horumersiel gehört zu den ältesten Stationen der moderne Spezialschiff nach einem Spender, der die Seenotretter rische Rettungsschuppen der DGzRS steht. Das Boot gehört dem
DGzRS. Sie befindet sich heute allerdings nicht mehr an ihrem in seinem Nachlass bedacht hat. Verein „Historische Seenotrettung Horumersiel“, der es betreut
ursprünglichen Platz, da es den alten Horumersieler Sielhafen und der Öffentlichkeit zugänglich macht.
nicht mehr gibt. Der heutige Hafen, genannt Wangersiel, liegt Die Horumersieler Seenotretter arbeiten eng mit der Besatzung
ein wenig südlich. Etwa 15 freiwillige Seenotretter um Vormann des Seenotrettungskreuzers der Station Hooksiel sowie den frei-
Günter Ihnken sind dort im Einsatz. Ihr Revier ist die Außenjade willigen Kollegen der Stationen Wangerooge und Wilhelmshaven
und stark von den Gezeiten geprägt. Es erstreckt sich südlich bis zusammen. Der Liegeplatz des Seenotrettungsbootes befindet
nach Hooksiel und nördlich bis zur Insel Wangerooge. sich an der Südseite des Hafens Wangersiel. seenotretter.de/horumersiel
KAPITELBEZEICHNUNG
RETTUNGSDIENST 8 |9
Seenotretter für 3.200 Menschen im Einsatz Vierköpfige Familie
Die Seenotretter sind auf Nord- und Ostsee allein vom 1. Januar bis 24. Oktober 2019 bereits 1.979
Mal (2018: 2.037) im Einsatz gewesen. Die Besatzungen haben dabei 3.200 Menschen geholfen.
aus Lebensgefahr befreit
Allein mehr 330 haben sie aus Seenot gerettet oder aus Gefahr befreit. Seit der Gründung vor 154 Wie sehr die dramatischen Minuten am 31. Oktober den Skipper
Jahren zählt die Statistik der Seenotretter insgesamt mehr als 85.000 Gerettete. mitgenommen haben, merken die Seenotretter erst beim
Anschleppen seines kleinen Motorbootes. „Bei der Übergabe der
Schleppleine hat er noch signalisiert, medizinische Hilfe sei nicht
erforderlich. Dann sackte er plötzlich in sich zusammen“,
berichtet Rettungsmann Andreas Hahn.
Erkrankte oder
Schiffe und Boote
Menschen Menschen aus Verletzte von
vor dem Hilfeleistungen für Einsatzanläufe,
aus Seenot drohender Schiffen und Inseln
Totalverlust Wasserfahrzeuge Such- und
gerettet Gefahr befreit zum Festland
bewahrt aller Art Sicherungsfahrten
transportiert
Januar bis Oktober
2019 73 259 292 51 864 561
Januar bis Oktober
Weitere Einsatzberichte finden Sie auf
2018 37 307 298 52 990 595
unserer Website:
seenotretter.de/aktuelles/
seenotfaelle
Niedersächsische Schleswig-holsteinische Schleswig-holsteinische Mecklenburg-vorpom-
Nordseeküste Nordseeküste Ostseeküste mersche Ostseeküste
◉ 555 (560) Einsätze ◉ 193 (206) Einsätze ◉ 731 (733) Einsätze ◉ 500 (538) Einsätze
◉ 21 (7) Menschen ◉ 3 (8) Menschen ◉ 27 (18) Menschen ◉ 22 (4) Menschen
aus Seenot gerettet aus Seenot gerettet aus Seenot gerettet aus Seenot gerettet
◉ 68 (46) aus Gefahren- ◉ 33 (6) aus Gefahren- ◉ 59 (123) aus Gefahren- ◉ 99 (132) aus Gefahren- Anker nicht hält, kann das Boot innerhalb
situationen befreit situationen befreit situationen befreit situationen befreit kürzester Zeit im Strom kentern. Bange
Foto: Ulrich Nehls
Minuten für die vierköpfige Familie.
Mit Höchstfahrt nimmt das Tochterboot
MATHIAS des im Cuxhavener Fährhafen
stationierten Seenotrettungskreuzers
ANNELIESE KRAMER Kurs auf den benach-
Tochterboot MATHIAS verlässt mit Höchstfahrt den Cuxhavener Fährhafen.
barten Amerikahafen. Dort stellen die See-
notretter routiniert eine Schleppverbindung
I n diesem Moment löst sich die ganze
Anspannung beim Skipper, der wenige
droht zu kentern. In letzter Sekunde gelingt
es dem Skipper, einen Anker auszubringen,
her. Inzwischen hat auch die Berufsfeuer-
wehr Cuxhaven ein eigenes kleines Boot zu
Wasser gebracht und sichert das Manöver ab.
Augenblicke zuvor gemeinsam mit seiner der das Boot etwa zwei Meter vor einem
Frau und seinen beiden Kindern in Lebens- großen Dalben stoppt. Die Seenotretter schleppen mit der
gefahr schwebte: Nach Motorproblemen MATHIAS das kleine Motorboot gerade noch
treibt ihr etwa acht Meter langes Boot in der Währenddessen setzt sein etwa achtjäh- rechtzeitig aus der Gefahrenzone. Aufatmen
starken Strömung der Elbmündung unauf- riger Sohn per Mobiltelefon einen Notruf ab. bei der vierköpfigen Familie, die anschlie-
haltsam auf den RoRo-Terminal am Cuxha- Unter Deck versorgt die Frau des Skippers ßend vom Landrettungsdienst medizinisch
vener Amerikahafen zu. Das kleine Fahrzeug ihr sechs Monate altes Baby. Wenn jetzt der versorgt wird.
RETTUNGSDIENST 12
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Fotos: Peter Neumann/YPScollection
André Rick (vorne, r.) und Übungsleiter Timo Jordt (vorne, l.) weisen die SAREx-Teilnehmer in Lauterbach am frühen Morgen ein. Die genauen Übungsszenarien werden
den beteiligten Seenotrettern allerdings erst mit der jeweiligen „Alarmierung“ mitgeteilt, um eine möglichst realistische Situation zu erzeugen.
Windenmanöver mit einem Hubschrauber von Northern HeliCopter vor Büsum
Die BALTRUM und die THEODOR STORM unterstützen sich gegenseitig.
Teilnehmer SAREx Lauterbach
Seenotretter trainieren
• HARRO KOEBKE/Station Sassnitz
• BERTHOLD BEITZ/Station Greifswalder Oie
• CASPER OTTEN/Station Lauterbach
• HERTHA JEEP/Station Stralsund
den Ernstfall
• MANFRED HESSDÖRFER/Station Breege
• STRALSUND/Station Prerow/Wieck
• GERHARD TEN DOORNKAAT/Station Ueckermünde
• Hubschrauber von Northern HeliCopter
Schiffbrüchige suchen und retten, Verletzte • Küstenstreifenboot „Damerow“ der Wasserschutz-
versorgen und Havaristen schleppen: Das waren polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern
einige der Herausforderungen für die Seenotretter • Beobachter der Freiwilligen Feuerwehr Putbus
bei der SAREx Büsum im Mai und der SAREx • „Schiffbrüchige“ und „Verletzte“ von der Gruppe RUND
der DLRG Goch
Lauterbach im September. Insgesamt nahmen
rund 200 Menschen an den beiden groß
Die Seenotretter bedanken sich beim Eigenbetrieb
angelegten Such- und Rettungsübungen teil. Wohnwirtschaft/Hafen der Stadt Putbus für die Liegeplätze
inklusive Versorgung sowie beim Yachthafenbetreiber „im-jaich“
für weitere Liegeplätze und Räume zur Gestaltung der Szenarien.
Teilnehmer SAREx Büsum
• ERNST MEIER-HEDDE/Station Amrum Zwei Seenotrettungsboote und ein Seenotrettungskreuzer sind bei einer
• NIS RANDERS/ohne feste Station Bei der Flächensuche ist die HARRO KOEBKE der On Scene Co-ordinator: Segelyacht mit vermutetem Wassereinbruch und vielen Verletzten im
• THEODOR STORM/Station Büsum Vormann Dirk Neumann (l.) und Seenotretter Michael Garske legen auf der Greifswalder Bodden längsseits gegangen.
Brücke des Seenotrettungskreuzers der Station Sassnitz das Suchgebiet fest.
• EISWETTE/Station Nordstrand
• PAUL NEISSE/Station Eiderdamm
• NEUHARLINGERSIEL/Station Neuharlingersiel
• BALTRUM/Station Horumersiel
• HERMANN ONKEN/Station Fedderwardersiel
• Hubschrauber von Wiking Helikopter Services
und Northern HeliCopter
• Arbeitsboot der Freiwilligen Feuerwehr Büsum
• „Schiffbrüchige“ und „Verletzte“ von der Gruppe RUND
Die Seenotretter bedanken sich beim Hafenamt Büsum und
beim Büsumer Segelverein für die Liegeplätze inklusive
Versorgung sowie bei der Rettungsdienst-Kooperation in
Schleswig-Holstein für die Annahme der „Verletzten“ an Land. Übergabe eines Patienten vom Wasserschutzpolizeiboot „Damerow“ an die HARRO
KOEBKE der DGzRS, wo er im Bordhospital medizinisch versorgt wird.
Auf dem Radar der HARRO KOEBKE sind alle an der Flächensuche beteiligten Teil der Übung: Die Gruppe RUND (Realistische Unfall- und Notfalldarstellung)
Rettungseinheiten zu sehen. der DLRG Goch stellt echt wirkende „Schiffbrüchige“ und „Verletzte“.
RETTUNGSDIENST 12
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Internationale Übung im Strelasund
Aufgrund der Nähe zu Dänemark haben die
Seenotretter der Station Darßer Ort immer
wieder grenzüberschreitende Einsätze.
Drei Fragen an … D ie Zusammenarbeit mit den dänischen Kollegen der Rettungs-
station Gedser erfolgt seit jeher reibungslos. Damit im Ernstfall
Marvin Weck, jeder Handgriff sitzt, trainieren die deutschen und dänischen
Seenotretter regelmäßig gemeinsam, zuletzt am 21. September
Seenotretter in Sassnitz im Strelasund. Ausrichter war die DGzRS in Kooperation mit der
Marinetechnikschule (MTS) der Deutschen Marine in Parow.
Was haben Sie an den beiden SAREx-
Trainingstagen im Greifswalder Bodden gelernt? „Bei Notfällen im Grenzgebiet arbeiten Seenotrettungsdienste
ganz selbstverständlich zusammen“, sagt Vormann Frank
Einiges. Für mich war die SAREx Lauterbach die erste groß ange- Weinhold. „Bei dieser umfangreichen Übung haben wir wesent-
legte Übung, seit ich 2017 bei den Seenotrettern eingestiegen bin. liche Such- und Kommunikationsverfahren trainiert.“ Außerdem
An den beiden Tagen konnte ich Erlerntes direkt ganz praktisch tauschten einige der beteiligten Seenotretter ihre Plätze: „Damit die
anwenden. Beispielsweise war es bisher lediglich bei einem mei- Kollegen einen Einblick in die Technik und Ausrüstung der jeweils
ner Einsätze notwendig, dass wir mit der HARRO KOEBKE die Rolle anderen Rettungseinheiten bekommen, haben wir das Szenario mit
Foto: Peter Neumann/YPScollection
des On Scene Coordinators (OSC) übernehmen mussten. Ich war in gemischten Besatzungen gefahren – die Dänen waren bei uns an
dem Fall allerdings nicht auf der Brücke, sondern auf dem Tochter- Bord und wir bei ihnen“, erläutert der Vormann der DGzRS-Station
boot. Daher habe ich bislang auf diesem Feld keinerlei prakti- Darßer Ort.
sche Erfahrungen sammeln können. In der Theorie weiß ich zwar,
was zu tun ist, aber eine große Flächensuche wie bei einem der
Szenarien musste ich bis dato nicht koordinieren. Bei der SAREx
wurde mir schnell deutlich: Wir benötigen auf der Brücke mindes- Teilnehmer
tens zwei Seenotretter, die sich ausschließlich um die Koordinie-
rung eines aus mehreren Schiffen bestehenden Suchverbandes • Seenotrettungskreuzer THEO FISCHER/Station Darßer Ort
kümmern – einer hält Funkkontakt, der andere protokolliert. An- • Seenotrettungsboot HERTHA JEEP/Station Stralsund
sonsten können wichtige Details verlorengehen. Dies bedeutet • Seenotrettungsboot NAUSIKAA/Station Vitte/Hiddensee In der Geltinger Bucht üben die Seenotretter auf und mit den Traditionsseglern „Fortuna“ (vorne) und „Jonas von Friedrichstadt“ den Ernstfall.
auch, dass wir uns nicht gleichzeitig mit dem Tochterboot an der • Seenotrettungsboot ZANDER/Station Zingst
Suche beteiligen können, sondern uns voll und ganz auf die Auf- • Seenotrettungskreuzer „L. W. Dam“/Station Gedser
gabe als OSC konzentrieren müssen. In den anderen Szenarien • Küstenschutzschiff „Aries“ der Dänischen Marineheimwehr
ist mir nochmals bewusst geworden, wie wichtig der Überlebens- • Schiffe der Deutschen Marine
Trainieren mit Traditionsseglern
anzug als persönliche Schutzausrüstung auf dem Tochterboot • Hubschrauber von Northern HeliCopter
ist, vor allem wenn das Wetter plötzlich umschlägt. Er ist unsere
Lebensversicherung. Die Seenotretter bedanken sich bei der Marinetechnikschule in
Parow für die Liegeplätze inklusive Versorgung und die
Sind Sie bei den Übungen an persönliche Grenzen Verpflegung der insgesamt rund 80 Teilnehmer. Suchen, schleppen und Verletzte versorgen: Anfang Oktober haben die Seenotretter der
gestoßen? Stationen Gelting, Langballigau und Olpenitz in der Geltinger Bucht auf und mit zwei
Traditionsseglern einen Tag lang für den Ernstfall trainiert.
Zum Glück nicht. Allerdings habe ich im Laufe der Szenarien –
genauso wie meine Kollegen – immer wieder vergessen, dass ich
mich in einer Übungssituation befinde. Das lag sicherlich auch an
der RUND-Gruppe, die sehr realistisch die Verletzten dargestellt
B ei den Übungen am Vormittag hatte es nach einer Patenthalse
sowohl auf dem Plattbodenschiff „Jonas von Friedrichstadt“ als
Am Nachmittag mussten die Seenotretter bei einem Szenario
ein von der „Fortuna“ über Bord gegangenes Crewmitglied suchen.
hat – das war echt der Hammer! Niemand von uns hat zu irgend- auch auf der friesischen Maatkast „Fortuna“ einige „Verletzte“ ge- Außerdem wurde eine Kollision zwischen den Traditionsseglern
einem Zeitpunkt den Fokus verloren und sich gesagt: „Ach, ist doch geben. Der jeweilige Großbaum war mit hoher Geschwindigkeit simuliert, nach der die beiden Zweimaster manövrierunfähig in der
sowieso nur eine Übung.“ Alle waren mit großem Ehrgeiz dabei von einer Schiffseite auf die andere geschlagen und hatte dabei Geltinger Bucht trieben. Die 20 Meter lange FRITZ KNACK/Station
und haben ihre Aufgaben genauso akribisch erledigt, wie sie es im Besatzungsmitglieder getroffen. Olpenitz schleppte dabei die rund doppelt so lange und drei Mal
Ernstfall machen. so schwere „Fortuna“ (120 Tonnen) in den Hafen von Gelting-Mole.
Bei diesen Übungs-Szenarien ging es vor allem darum, mehrere
Wie lautet Ihr persönliches Fazit? Verletzte medizinisch erstzuversorgen und abzubergen sowie Die beiden 9,5-/10,1-Meter-Seenotrettungsboote URSULA
die beteiligten Einheiten zu koordinieren. „Außerdem sollten DETTMANN/Station Gelting und WERNER KUNTZE/Station
Mir hat die SAREx großen Spaß gemacht. Ich finde es klasse, dass die Kollegen üben, sich einen guten Überblick der Lage an Bord Langballigau nahmen die etwa 20 Meter lange und 80 Tonnen
es sie gibt. Sie könnte durchaus noch häufiger als zwei Mal im Jahr der Havaristen zu verschaffen und Angaben der Besatzungen zu schwere „Jonas von Friedrichstadt“ gemeinsam auf den Haken
stattfinden, damit möglichst alle Kollegen dabei sein können. Und hinterfragen, weil sie in einer derart aufregenden Situation leicht und brachten sie ebenfalls nach Gelting-Mole. „Das war vor allem
eine Sorge kann ich allen nehmen: Es wird niemand vorgeführt. Es fehleranfällig sein können. So lernen unsere Crews, immer best- aufgrund des Gewichtes der beiden Traditionssegler keine leichte
läuft sicherlich nicht immer alles glatt. Es passieren Fehler, aber Mit einer Hubschraiberbesatzung von Northern HeliCopter trainieren die möglich zu reagieren und nichts Entscheidendes zu übersehen“, Aufgabe und verlangte viel nautisches Geschick“, resümiert
aus ihnen lernen wir – und im nächsten Einsatz profitieren wir von dänischen Seenotretter auf der „L. W. Dam“ das Aufnehmen und Absetzen. sagt DGzRS-Übungsleiter Thomas Engbert. Thomas Engbert.
den Erfahrungen, die wir in den Übungsszenarien gemacht haben.
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B eim internationalen Austausch „Crew Exchange“
haben Seenotretter aus vielen Ländern erneut von- und miteinan-
der gelernt. Während die DGzRS vom 21. bis 28. September sieben
Gemeinsam üben beim
Kollegen aus sechs europäischen Ländern zu Gast hatte, hospi-
tierten parallel sechs deutsche Besatzungsmitglieder bei ihren
ausländischen Schwestergesellschaften. Initiiert wurde das jähr-
liche Programm 2012 von der International Maritime Rescue
„Crew Exchange“
Federation (IMRF), dem weltweiten Zusammenschluss der
Seenotrettungsdienste.
Auf Seiten der estnischen Rettungsorganisation Päästeliit schlüpft
Joachim Venghaus (l.) in die Rolle eines Schiffbrüchigen. Der Vormann
der Freiwilligen-Station Stralsund zeigt sich überrascht, wie schnell
beim „Crew Exchange“ aus einer Gruppe einander unbekannter
Menschen ein eingespieltes Team wird. Sein Fazit: „Seenotretter sind
über alle Sprachbarrieren hinweg Seelenverwandte, die sich sofort
„Crew Exchange“:
verstehen.“
Jetzt für 2020 anmelden!
Bewerben können sich alle Seenotretter
bei Austauschorganisator Stephan Prahl
per E-Mail an prahl@seenotretter.de.
Die Anzahl der Plätze ist begrenzt.
In Norwegen heißt der Seenotrettunsdienst Redningsselskapet (RS).
Dort ist das Sicherheitstraining im RS-Trainingszentrum Noatun in der
Nähe von Horten Teil der Austauschwoche. Sabine Rühmann (DGzRS,
vorne, r.) übte gemeinsam mit internationalen Kollegen unter anderem
Brandbekämpfung, HUET (Helicopter Underwater Evacuation Training)
und Überleben auf See. Für die freiwillige Seenotretterin der Station
Brunsbüttel war die Woche in Norwegen dank der Hilfsbereitschaft aller
Austauschteilnehmer und der Zusammenarbeit im Team ein
erfolgreiches Erlebnis, das sie noch lange in Erinnerung behalten wird. Vor der Küste Kroatiens: Christian Grobecker (vorne kniend, l.), freiwilliger
Seenotretter aus Travemünde, im Kreis seiner internationalen Kollegen
Foto: Dietmar Bökhaus
Nach einem anstrengenden Tag bei der niederländischen Seenotrettungsgesellschaft Koninklijke Nederlandse Redding Maatschappij (KNRM): Carsten Schleevoigt (vorne,
Seenotretter aus Kroatien, Bulgarien, Norwegen, Schweden, Finnland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich üben gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen 3. v. l.) posiert mit seinen Kollegen vor dem Seenotrettungsboot „Paul Johannes“ der KNRM-Station Noordwijk aan Zee. Der freiwillige Seenotretter der Station Cuxhaven
vor Wilhelmshaven die Zusammenarbeit mit einem Hubschrauber von Wiking Helikopter Services. möchte die gewonnenen Erfahrungen und Erlebnisse der großartigen, anstrengenden und erlebnisreichen Woche nicht missen.
RETTUNGSDIENST 16 | 17
„Das ergibt Sinn!“
Edeltraut Koschubs folgt einer Schiffbautradition und legt auf der Werft Tamsen Maritim
an der Warnow eine glückbringende Münze in eine Sektion des neuen Seenotrettungsbootes
mit der internen Bezeichnung SRB 80 ein.
Edeltraut Koschubs hat schon viel erlebt – eine Kiellegung einer
neuen Rettungseinheit der Seenotretter gehört zu den großen
Besonderheiten in ihrem reichen Erfahrungsschatz.
D ie 76-Jährige legte am 19. November in Rostock auf
der Werft Tamsen Maritim das jüngste Seenotrettungsboot
der DGzRS auf Kiel. Mit einer sehr großzügigen Schenkung
ermöglicht die Hamburgerin den 10,1-Meter-Neubau.
Edeltraut Koschubs ist es sehr wichtig, einen Teil ihres
Vermögens bereits zu Lebzeiten für einen sinnvollen
Zweck einzusetzen. Diesen hatte sie bei den Seenotrettern
gefunden: „Bei der DGzRS wird mein Geld gut verwendet.
Es hilft mit, Menschenleben zu retten – das ergibt Sinn!“
Gehören alle zum #TeamSeenotretter: Schiffbauer, Seenotretter und Spenderin.
Die kinderlose Witwe kann sehen und fühlen, was mit
ihrer außerordentlich großen Schenkung passiert. Sie kann
das neue Seenotrettungsboot anfassen und später über
seine Einsätze auf See lesen. Die DGzRS hat sie über ihren
vor einem Jahr verstorbenen Ehemann Erich Koschubs
kennengelernt: „Er ist mit seinem Boot häufig auf der Ost-
see gefahren, es war sein Hobby.“ Und als Wassersportler
war er Förderer der Seenotretter.
Der Neubau wird einen Namen nach Edeltraut Koschubs
Wünschen tragen – welchen genau, das verraten die See-
notretter traditionell erst bei der Taufe. „Wir sind Edeltraut
Koschubs sehr dankbar. Ihre sehr großzügige Schenkung
versetzt uns in die Lage, den Neubau vollständig zu finan-
zieren“, sagt DGzRS-Geschäftsführer Nicolaus Stadeler.
Das neue 10,1-Meter-Seenotrettungsboot soll vor-
Fotos: Martin Söver
aussichtlich im Herbst 2020 auf der Freiwilligen-Station
Travemünde die HANS INGWERSEN ersetzen. Die 9,5 Meter
lange Einheit wird zukünftig als Springer auf wechselnden
Stationen an Nord- und Ostsee im Einsatz sein.
Ein besonderes Bauteil haben die freiwilligen Seenotretter aus Travemünde mitgebracht:
Ein Aluminiumstück ihres aktuellen Seenotrettungsbootes HANS INGWERSEN, Vorgänger
von SRB 80. Es wird als besonderer Glücksbringer mit dem Neubau verschweißt.
KAPITELBEZEICHNUNG
RETTUNGSDIENST 18
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Eben noch zwischen Daumen und Zeigefinger – verschwindet gleich
die Münze in der dafür vorgesehenen Aluminiumtasche.
Tochter und Vater: Merle und Markus Davids stehen auf dem Neubau, der
voraussichtlich Ende 2020 die HANS HACKMACK auf der Station Grömitz ablösen
wird. Diese wiederum soll künftig ohne feste Station überall dort zum Einsatz
Merle Davids
legt künftigen
kommen, wo eine Vertretung für andere Seenotrettungskreuzer vonnöten ist.
Seenotrettungskreuzer
ihres Vaters auf Kiel
Merle Davids hält ein kleines Stück Metall mit großer Bedeutung für die Seenotretter in der Hand: Es ist
eine Bremer Zwei-Euro-Münze, die die 19-Jährige am 12. September als Glücksbringer in den Rumpf des
jüngsten Seenotrettungskreuzer-Neubaus der DGzRS einlegt. Die traditionelle Kiellegung ist für sie etwas
ganz Besonderes: Auf dem für die Station Grömitz bestimmten Spezialschiff wird zukünftig ihr Vater
Markus im Einsatz sein – bei jedem Wetter. Und sie selbst sammelt dafür Spenden.
W as die DGzRS macht und wie sie es
macht, unabhängig und nur mit Spenden,
Vaters auf Kiel legen möchte, hat sie nicht
lange überlegt. Schließlich soll die am Kolli-
bei der Kiellegung auf der Fassmer-Werft in
Bardenfleth an der Unterweser. „Wer seine
das finde ich richtig gut“, sagt die Auszubil- sionsschott eingelegte Münze nicht nur den Hochachtung vor der Selbstlosigkeit, dem
dende zur Industriekauffrau. Als Papa noch Schiffbauern, sondern auch der künftigen Mut und der gleichzeitigen Bescheidenheit
Fischer gewesen ist, war er einmal auf die Besatzung um ihren Vater Glück verheißen. unserer Besatzungen in seinem letzten
Hilfe der Seenotretter angewiesen. Merle Das Geldstück mit Bremer Rathaus und Willen Ausdruck verleiht, dem gebührt unser
Davids und auch ihre Mutter Christine stär- Roland wird in den rund 30 Dienstjahren des ganz besonderer Dank“, betonte Stadeler.
ken Markus Davids nicht nur ideell den Spezialschiffes jeden Einsatz mitfahren.
Rücken: „Ich habe am Tag der Seenotretter Genauso wie die vielen Spender im
geholfen, mich bei Vorführungen retten las- Apropos Geld: Finanziert wird der neue #TeamSeenotretter die Besatzungen der
sen und begonnen, neue Förderer zu gewin- 28-Meter-Seenotrettungskreuzer mit der DGzRS unterstützen, kann sich Markus
Fotos: Jörg Sarbach
nen“, berichtet die Maasholmerin. Sie und internen Bezeichnung SK 41 überwiegend Davids weiterhin der Unterstützung seiner
ihre Mutter sind ehrenamtliche Mitarbeite- aus einer Erbschaft. „Zuwendungen aus Tochter Merle an Land sicher sein. Und für die
rinnen der Seenotretter an Land. Nachlässen sind ein ganz wesentlicher Be- Zukunft schließt die junge Frau den eigenen
standteil der Finanzierung der Seenotretter Sprung an Bord eines Seenotrettungs-
Als Merle Davids gefragt wurde, ob sie und ein sehr großer Vertrauensbeweis“, sagt kreuzers nicht aus: „Aber erst einmal hat die
Freuen sich auf ihr neues Schiff: Seenotretter der Station Grömitz. den neuen Seenotrettungskreuzers ihres DGzRS-Geschäftsführer Nicolaus Stadeler Ausbildung Vorrang.“RETTUNGSDIENST/UNSERE BO(O)TSCHAFTER 20 | 21
Danke und herzlich willkommen!
Bei der Pressekonferenz zur Herbsteinsatzbilanz
der Seenotretter am 30. Oktober im Hafenclub
Hamburg hat Surfprofi Bernd Flessner das
„Bo(o)tschafter-Ruder“ schon einmal symbolisch
an seine Nachfolgerin Anke Harnack übergeben.
Offiziell übernimmt die beliebte Moderatorin und
Reporterin das Ehrenamt im kommenden Jahr.
I n den vergangenen Monaten unterstützte Bernd Flessner das
#TeamSeenotretter bei Medienterminen, Schiffstaufen und
DGzRS-Wissenschaftler Thomas Lübcke (l.) und LARUS-Projektkoordinator Professor Dr.-Ing. Christian Wietfeld (TU Dortmund, r.) mit dem LARUS-Projektteam nach
der Abschlusspräsentation der beiden Flugsystem-Demonstratoren. Im Hintergrund sind die mobilen Bodenstationen zu sehen.
Rettungsübungen. Für seinen großartigen Einsatz bedanken sich
die Seenotretter ganz herzlich! Für den 16-fachen Deutschen
Meister im Windsurfen ist das Ehrenamt eine Herzenssache:
Immerhin kennt er als gebürtiger Norderneyer die DGzRS seit
Kindertagen – schon als Junge sammelte er für sie Spenden.
Die Elbphilharmonie als Kulisse: Moderatorin und Reporterin Anke Harnack hält
gemeinsam mit Surfprofi und Seenotretter-Bo(o)tschafter Bernd Flessner das
Sammelschiffchen der Seenotretter fest in Händen.
Seenotretter gehen in die Luft
Über der Ostsee hat die DGzRS mit neun Partnern erfolgreich ein unbemanntes Luftfahrtsystem
In diesem Frühjahr erlebte er unter anderem die Kiellegung des „In Hamburg fühle ich mich ausgesprochen wohl. Ich freue mich getestet. Am Ende des dreijährigen Forschungsprojektes LARUS (latainisch für Möwe) steht ein
neuen Seenotrettungskreuzers für die Station Borkum im Herzen sehr, dass ich in dem Jahr, in dem die HAMBURG getauft wird, automatisches Starrflügelflugzeug, das bereits rund 660 Seemeilen (etwa 1.220 Kilometer) sicher
Hamburgs auf dem Jungfernstieg mit. Dort legte seine Nach- Seenotretter-Bo(o)tschafterin sein darf.“ über See zurückgelegt hat. Eine weiterentwickelte Version könnte künftig selbst unter erschwerten
folgerin Anke Harnack die glückbringende Medaille in ein Bauteil Einsatzbedingungen die Kommunikation und den Datenaustausch bei der Koordinierung von
der künftigen HAMBURG ein. Die Moderatorin und Reporterin ist Harnack ist bereits die 21. Prominente, die das Ehrenamt
Such- und Rettungsmaßnahmen verbessern.
einem breiten Publikum aus dem NDR-Hörfunk und -Fernsehen übernimmt. Die Reihe begann im Jahr 2000 mit Liedermacher
bekannt, sie lebt seit vielen Jahren in der Hansestadt an der Elbe: Reinhard Mey.
Z wischen Rügen und Usedom wurde LARUS erstmals in ein
SAR-Szenario integriert. „Es galt, einen Dummy in der Ostsee auf-
stärken bis sieben Beaufort (mehr als 60 km/h Windgeschwindig-
keit) gestartet, geflogen und wieder gelandet.
zuspüren. Der Demonstrator hat das Objekt schnell gefunden, die
Internationaler Austausch über Sicherheits-App SafeTrx Daten an den Seenotrettungskreuzer BERTHOLD BEITZ sowie die Realisiert wurden die Testflüge dank länderübergreifender
SEENOTLEITUNG BREMEN übertragen und die Seenotretter sicher Zusammenarbeit. Die Landesluftfahrtbehörde Mecklenburg-
Zu einem internationalen Austausch haben sich am 15. Oktober in der Seenotretter-Zentrale in Bremen zu dem ,Schiffbrüchigen‘ geführt“, berichtet Projektleiter und Vorpommern hat das Genehmigungsverfahren frühzeitig begleitet.
alle europäischen Seenotrettungsorganisationen und Vertreter der Küstenwachen getroffen, die die DGzRS-Wissenschaftler Thomas Lübcke. Bundesverkehrsministerium und Deutsche Flugsicherung (DFS)
Sicherheits-App SafeTrx als Präventionsmaßnahme für Wassersportler anbieten. Gastgeber waren die richteten großflächige, temporäre Flugbeschränkungsgebiete ein.
DGzRS und die irische Entwicklerfirma 8West, die über spannende neue Projekte im Bereich Prävention LARUS kann Rettungswesten-AIS-Sender, die meist nur in Droniq, ein Gemeinschaftsunternehmen der DFS Deutsche Flug-
kleinem Radius rund um die im Wasser befindliche Person zu sicherung und der Deutschen Telekom, sorgte mit dem UTM
im Wassersport berichtete.
empfangen sind, lokalisieren und die Daten an Rettungseinheiten (Unmanned Aircraft System Traffic Management System) für die
weiterleiten. Das unbemannte Starrflügelflugzeug mit 3,6 Metern Darstellung der Luftlage.
Spannweite wurde vom Bremer Unternehmen Hanseatic
Mit Spannung werden in jedem Jahr Aviation Solutions entwickelt. „Mit LARUS haben wir optische und Noch bis Ende 2019 wird LARUS fortgeführt, um die Ergebnisse
die Berichte zu den Einsätzen verfolgt, sensorische Nutzlastkomponenten sowie eine zuverlässige Funk- zu sichern und auf dieser Basis konkreten weiteren Entwicklungs-
die an den europäischen Küsten in vernetzung erprobt“, sagt der Koordinator des Forschungsverbun- bedarf zu benennen.
den vergangenen zwölf Monaten dank des Professor Dr.-Ing. Christian Wietfeld, Leiter des Lehrstuhls für
SafeTrx einen guten Ausgang gefunden Kommunikationsnetze an der Technischen Universität Dortmund.
haben. Von Seiten der DGzRS nah-
men außer Projektkoordinatorin Antke Das unbemannte Luftfahrtsystem mit etwa 25 Kilogramm
Reemts auch mehrere Wachleiter der Abfluggewicht sendet das Lagebild in Echtzeit gleichzeitig an ver-
SEENOTLEITUNG BREMEN, der stellver- schiedene Nutzer. Ein hochauflösender Videostream wird in Projektpartner: TU Dortmund, Verbundkoordinator; DGzRS,
tretende Leiter der SEENOTLEITUNG Echtzeit über einen im Projekt erforschten, neuartigen rettungsfachlicher Koordinator; Institut für Flugsystemdynamik der
BREMEN, Marten Feddersen, sowie Multi-Link-Ansatz an die Bodenstation übertragen, um LTE- Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen;
DGzRS-Geschäftsführer Udo Helge Fox Netzstörungen zu kompensieren. Hanseatic Aviation Solutions GmbH, Bremen; IMST GmbH,
teil. Kamp-Lintfort; OptoPrecision GmbH, Bremen.
Internationales Treffen in der Seenotretter-Zentrale: Die Teilnehmer tauschen sich in Bremen über Insgesamt ist LARUS in der Abschlussphase rund 660 See-
die Sicherheits-App SafeTrx bei ihrem jährlichen Treffen aus. Die DGzRS hat SafeTrx Anfang 2017 meilen (mehr als 1.220 Kilometer) geflogen, einen Großteil davon Assoziierte Partner: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrogra-
eingeführt und verzeichnet inzwischen außerhalb der Sichtweite der Bodenstation in Höhen von bis zu phie, Bundespolizei See, Deutsche Telekom AG, Global Health Care
D mehr als 20.000 Nutzer. Über die 2.500 Fuß (rund 760 Meter), also bis zur Obergrenze des unkon- GmbH.
Fotos : TU Dortmund
as jährliche Treffen dient nicht nur der gemeinsamen Smartphone-App können Wassersportler ihre Route aufzeichnen trollierten Luftraums. Für Sichtbarkeitstests war LARUS auch
Planung zur Weiterentwicklung der App, sondern auch dem Er- lassen. Die Seenotretter haben über eine Monitoring-Konsole gemeinsam mit einem Such- und Rettungshubschrauber des Typs Projektträger: VDI-Technologiezentrum
fahrungsaustausch über deren Integration in vorhandene Notfall- Zugriff darauf. Bei einem Anruf im Notfall wird die aktuelle Sea King aus dem Marinefliegergeschwader 5 der Deutschen
systeme. Ebenso werden Marketing- und PR-Strategien zur besseren Position in die SEENOTLEITUNG BREMEN übertragen. Weitere Marine in der Luft. Es ist bis zu 140 km/h schnell und bei Wind- Das Verbundprojekt wird im Rahmen der Bekanntmachung
Verbreitung von SafeTrx unter Wassersportlern vorgestellt. Informationen gibt es unter sicher-auf-see.de/safetrx. „Innovative Rettungssysteme“ im Sicherheitsforschungs-
programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.MENSCHEN UND MEER/UNSERE SEENOTRETTER 22 | 23
Ehrenvolles Engagement
Ausgeschiedene
Mitarbeiter Seenotretter sein
gehört einfach dazu
Gerd Bormann (Zentrale)
Bodo Breuhahn (Greifswalder Oie)
Hartmut Dierks (Fedderwardersiel)
Manfred Lucas (Sassnitz) Seit 50 Jahren ist Wilhelm Jacobs freiwilliger
Johannes Lund (Langballigau) Seenotretter im idyllischen Neuharlingersiel.
Karl-Heinz Priebe (Wustrow) Genau genommen sogar noch ein paar Jährchen
Peter Ramm (Zentrale)
länger. Aber der damalige Vormann Heinrich
Andreas Scholz (Zentrale)
Steffens hatte den heute 69-Jährigen erst mit
18 Jahren offiziell in der Zentrale der DGzRS in
50 Jahre Bremen als Rettungsmann angemeldet.
Wilhelm Jacobs (Neuharlingersiel)
E
Foto: Jörg Sarbach
s ist ruhig an diesem Morgen im malerischen Hafen von
40 Jahre Neuharlingersiel. Nur einige Möwen kreischen und jagen sich ge-
Siegbert Schuster (Bremerhaven) genseitig das Futter ab. Fischkutter dümpeln an der Pier. Ein paar
Menschen sind unterwegs, zumeist Einheimische wie Wilhelm
Jacobs. Er steht auf der „Gorch Fock“, seinem Kutter. Sein Blick geht
25 Jahre in Richtung See, zum Wattenmeer vor dem ostfriesischen Fischer-
Carsten Egerland (Eckernförde) ort. Der 69-Jährige kennt jeden Priel, jede Sandbank, jede Untiefe. Wilhelm Jacobs ist seit 50 Jahren freiwilliger Seenotretter in Neuharlingersiel.
Christian Erdwiens (Borkum) Er weiß, wie Ebbe und Flut am Watt nagen, es verändern, Wasser-
läufe verlegen und Fahrrinnen verschieben. Nichts, was gestern mit der Gesellschaft, wie sie in vielen Orten an der Küste sagen.
Guido Förster (Grömitz)
war, muss heute noch Bestand haben. Und auch für Wilhelm Jacobs gehört es einfach dazu, freiwilliger
Hans-Georg Fuhs (Borkum, Norderney)
Seenotretter zu sein: eine Selbstverständlichkeit, über die er nicht
Richard Kölber (Norddeich)
Nahezu täglich ist „Willi Gorch Fock“, so sein Spitzname, drau- viele Worte verliert. „Ich möchte Menschen helfen, die auf See in
Otto Nupnau (Neustadt)
ßen auf der Nordsee. Früher als Fischer, heute als Gästeführer. Seit Not geraten“, sagt er bescheiden. Er will kein Held sein, sich nicht
Bernd Patzelt (Darßer Ort, Sassnitz)
vielen Jahren fährt er die Urlauber mit seinem Fischkutter durch mit seinem Ehrenamt schmücken, er macht einfach seinen Job als
Antke Reemts (Zentrale)
die einzigartige Naturlandschaft, erzählt ihnen von Schiffsunglü- Seenotretter – und das seit 50 Jahren.
Olaf Richter (Hooksiel)
cken und Rettungstaten. Wilhelm Jacobs kennt viele Geschich-
Wolfgang Schulz (Neustadt)
ten, manche hat er als Seemann oder Seenotretter selbst erlebt, Als Fischer und Seemann weiß Wilhelm Jacobs um die Gefah-
Dirk Stommel (Zentrale)
manche hörte er von seinem Vater oder Großvater. Seit vielen ren auf See. Er hat Respekt vor den Naturgewalten. „Aber Angst
Generationen lebt und arbeitet darfst du nicht haben, sonst
Freiwillige, Ehrenamtliche seine Familie in Neuharlin- darfst du nicht in die Seefahrt
und Unterstützer gersiel. Dort ist er zu Hause. „Ich möchte Menschen helfen, gehen!“ Er hat Gottvertrauen.
Ostfriesland ist seine Heimat. Er vertraut seinem Schiff, der
Kay Uwe Bast (Darßer Ort)
Dr. Burkhardt Dehl (Darßer Ort) die auf See in Not geraten.“ „Gorch Fock“, und noch mehr
Direkt am Hafen ist Wilhelm den Seenotrettungsbooten, mit
Johannes Erichsen (Gelting)
Ernst-Reiner Linden (Wilhelmshaven, Jacobs aufgewachsen – ledig- Wilhelm Jacobs denen er viel erlebt hat. In den
lich einen Steinwurf vom ehe- 1960er Jahren ist er noch mit
VORMANN JANTZEN)
maligen Rettungsschuppen der dem Motorrettungsboot ULRICH
Patrick Morgenroth (Travemünde)
Seenotretter entfernt, der Anfang der 1960er Jahre im Zuge des STEFFENS (III) rausgefahren, das heute im Rettungsschuppen am
Herbert Neitzert (Neuharlingersiel)
Hafenumbaus weichen musste. Dort war sein Spielplatz, genau Hafen ausgestellt ist. Bei längeren Nachtfahrten brach damals
Udo Placzek (Wilhelmshaven)
„Ohne Ihren Einsatz geht’s nicht!“ – mit dieser Botschaft hat Axel Porep (Olpenitz) wie es das nahe gelegene Wattenmeer war, seine Kindheit an der schon mal der Funkkontakt zur SEENOTLEITUNG in Bremen ab, die
der ehrenamtliche Vorstand der DGzRS am 9. November vielen Kay Seesemann (Amrum) See prägte ihn. Von klein auf an sah er die Seenotretter rausfah- Seenotretter waren ganz auf sich allein gestellt. „Ein Kollege fum-
haupt-und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Klaus Sielmann (Grömitz) ren. Sah, wie das zehn Meter lange Motorrettungsboot ULRICH melte dann so lange mit dem Schraubenzieher am Funkgerät rum,
im #TeamSeenotretter für ihr großes Engagement im zu Ende Martin Stöver (Zentrale) STEFFENS (III) über die Slipanlage ins Wasser rauschte, wenn je- bis wir wieder eine Verbindung zur Zentrale hatten“, erinnert sich
mand auf See Hilfe brauchte. Einer aus der Familie Jacobs war fast Jacobs und schmunzelt. Das waren noch ganz andere Zeiten als
gehenden Jahr gedankt. Vorsitzer Gerhard Harder und sein
immer an Bord der Rettungsboote, ab den 1960er Jahren auch heute.
Stellvertreter Ingo Kramer ehrten im Restaurant „Grothenn’s Daneben wurden alle anwesenden
Wilhelm Jacobs.
Gasthaus“ in Bremen-Arbergen zahlreiche Mitarbeiter für ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter geehrt. In seinen 50 Jahren als Seenotretter war Wilhelm Jacobs bei
Dienstjubiläen und langjähriges ehrenamtliches „Angst darfst du nicht haben!“ ungezählten Einsätzen dabei. Manche hat er schnell wieder ver-
Stellvertretend für alle, die
Engagement. Außerdem verabschiedeten sie einige gessen, manche sind ihm im Gedächtnis geblieben, so wie der für
sich mit ihrem Einsatz an Land
Mitarbeiter aus dem aktiven Dienst. Wie andere Familien im Ort stellen sich die Jacobs seit den eine festgekommene Segelyacht. „Sie wäre gesunken, wenn wir
um die Seenotretter
verdient gemacht haben. Anfangstagen der DGzRS in Neuharlingersiel in den Dienst der All- nur wenige Minuten später gekommen wären“, sagt er. Er schweigt
gemeinheit. Die Familie ist fest mit dem Rettungswerk verbunden, für einenMoment. „Wir waren gerade noch rechtzeitig da.“KAPITELBEZEICHNUNG
UNSERE SEENOTRETTER 24
25 | 25
Gina Pudschun gibt die per
SMS übermittelte Position des
Havaristen in die elektronische
Seekarte ein.
Nach dem Abitur heuerten
Jenny (l.) und Gina Pudschun
bei den Seenotrettern auf
Poel an.
Zwei taffe Deerns in Rot
Grüne Wiesen, weißer Strand, die blaue Ostsee – und am Hafen beim Leuchtturm leuchtet das Rot der
Seenotretter. Im Frühling sind auf der Ostseeinsel Poel zwei junge Frauen an Bord gegangen. Jenny und Jenny Pudschun macht Notizen
Gina Pudschun verstärken die Freiwilligen der Station Timmendorf. Die 19-jährigen Zwillinge haben nach für das Bordbuch.
dem Abitur beschlossen, dann rauszufahren, wenn andere in den sicheren Hafen einlaufen.
D as Herz schlug Jenny Pudschun bis zum
Hals. Ein Mann war auf dem Zweimaster
kennend. Der 44-Jährige ist bereits seit zehn
Jahren freiwillig für die Seenotretter im
Während der Grundschulzeit segel-
ten die Schwestern im Verein. Als es aufs
„Atalanta“ plötzlich zusammengebrochen. So Dienst. Von Beruf ist er Feuerwehrmann Gymnasium in Wismar ging – täglich eine
schnell wie möglich musste er ins Kranken- und Rettungsassistent, eine Zeit lang fuhr er Stunde mit dem Bus über den Damm aufs
haus. Für die junge Seenotretterin ging es – einen Notarztwagen. Er strahlt Beson- Festland und am späten Nachmittag wie-
anders als bei ihren ersten Einsätzen – dieses nenheit aus – „gesehen habe ich mehr als der zurück – blieb für Hobbys wenig Zeit.
Mal nicht darum, einen festgefahrenen genug“, sagt er. Nun, nach dem Abitur, lässt Jenny Pudschun
Segler freizuschleppen. Es ging darum, ein sich zur Kauffrau ausbilden, in einem Tou-
Menschenleben zu retten. „So ein alter Seebär rismusbüro direkt am Strand. Ihre Schwes-
weiß alles!“ ter Gina absolviert ein Freiwilliges Soziales
Seenotrettung ist immer
Um die Ecke gedacht –
Jenny Pudschun war aufgeregt bei ihrem
Einsatz, doch sie behielt einen kühlen Kopf. Lars Pudschun ist stolz darauf, dass seine
Jahr in einem Kindergarten in der nahe
gelegenen Hansestadt Wismar. Die jungen
Teamarbeit: Gemeinsam mit
ihren Kollegen Sven Kirsch (l.)
finde diesen maritimen
Das Ausflugsschiff überragte das Seenot- beiden Deerns nun auch in die roten Overalls Frauen haben den nötigen Mut, beherzt und Christian Schubert (2. v. r.) Begriff:
rettungsboot WOLFGANG WIESE, die steigen. „Das sind fleißige Mädchen.“ Er hat zuzupacken – und sind ehrgeizig, sie wol- machen Jenny (2. v. l.) und Gina
Pudschun die Schleppleine klar.
Bordwände bewegten sich längsseits auf und den Eindruck, dass junge Frauen anders an len viel von den Langgedienten lernen.
ab. Der erkrankte Mann war korpulent, die die Seenotretter-Aufgaben herangehen als Jenny Pudschun sagt bewundernd: „So ein Dort hat der Seemann
Seenotretter wollten ihn auf der Männer: „Sie sind noch ein wenig engagier- alter Seebär weiß alles!“
Bergungstrage hinüberhieven. Die Abituri- ter, fokussierter.“ die Chance, es einem
entin musste es ihren männlichen Im Frühjahr hat Gina Pudschun ihren klugen Vogel an
Kollegen überlassen, ihre Muskelkraft Allzu ähnlich seien sie sich nicht, Sportbootführerschein gemacht. Sie übte
einzusetzen. finden die Zwillinge, weder äußerlich noch viel, auch bei stürmischer See. Im Sommer Weitsicht gleichzutun.
charakterlich. Jenny Pudschun wirkt quirlig stellte sie ihr Fingerspitzengefühl unter
Die junge Frau kümmerte sich statt- und fröhlich, Gina, die zwei Minuten Ältere, Beweis: Ein Segelboot war auf den Strand
dessen um all die Dinge drumherum, die für bedacht und gelassen. Doch beide sind offen getrieben. Gina Pudschun steuerte die 380
Das nautische Rätsel hat sich Hans-Joachim
einen reibungslosen Einsatz wichtig sind: Sie und selbstbewusst. „Wir Inselkinder sind sehr PS starke WOLFGANG WIESE und schleppte
Schlehufer aus Hohenpeißenberg bei
legte das Material bereit und räumte um- selbstständig“, sagt Jenny. Vielleicht liege es den Havaristen frei. Nach dem erfolgreichen
München ausgedacht.
sichtig den Weg für den Transport frei. Und an der Freiheit, die die Insel Poel heranwach- Einsatz erntete sie Komplimente – die Besat-
nicht zuletzt nahm sie sich der aufgelösten senden Menschen biete. Familie Pudschun zung auf dem befreiten Boot war überrascht,
Ehefrau des Patienten an. betreibt eine Strandkorbvermietung, Mutter dass die Retterin so jung und neu am Ruder
Der Einsatz erfordert
Kathrin Koch-Pudschun war sommers jeden ist. „Ich bin nicht leicht aus der Ruhe zu
Ernsthaftigkeit – doch
Die Rettung verlief reibungslos. Jennys Tag am Strand beschäftigt. „Schon vom bringen“, sagt Gina Pudschun. Sie traut selbstverständlich wird an Bord
Vater Lars Pudschun leitete den Einsatz: Kindergarten sind wir alleine nach Hause sich etwas – und genau wie ihre Schwester auch gelacht.
Lösung: Krähennest
„Sie hat das super gemacht“, sagt er aner- gegangen“, erinnert sich Jenny Pudschun. schafft sie es auch.Sie können auch lesen
