NICHT VON DIESER WELT - Der Standard
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EDITORIAL IST DA DRAUSSEN IRGENDJEMAND? Dass Leben zumindest theoretisch nicht nur auf viele, endgültige Beweise keine. Längst hat die O liv e r Sc h o p f hat wieder einen ganz- der Erde möglich ist, weiß man ja schon seit Suche nach Exoplaneten auch einen Aspekt, seitigen Cartoon zum Thema beigesteuert. langem, mit der Entdeckung von erdähnlichen den man anfangs vielleicht gar nicht mitdenken Tanja Traxle r hat bei der Magazinproduktion Planeten außerhalb des Sonnensystems wird wollte: Gibt es eine alternative Welt, nur für den Blick auf das große Ganze nie verloren. diese Vermutung noch verstärkt. Das befeuert den Fall, dass es auf der Erde nicht mehr geht? Grafisch umgesetzt wurde das Heft von auch wieder die Suche nach extraterrestrischen Die dritte Ausgabe des Magazins Iv o nne Stark und Arm in Karne r. biologischen Strukturen. Warum sollte ausge- FORSCHUNG beleuchtet dieses Themenfeld Wir wünschen Ihnen eine spannende rechnet die Erde der einzige Ort sein, wo Leben auf unterschiedlichste Weise – unter anderem Lektüre. Pe te r Ille ts c h k o existiert? Jedoch entsprechen kleine grüne mit einem Text von Österreichs bekanntester Männchen oder wütende echsenartige Monster Exoplanetenforscherin, Lis a Kalte ne g g e r, eher menschlichen Fantasien als realistischen und einem Beitrag der Wissenschaftsforsche- Vorstellungen. Schon einen Einzeller irgendwo rin H e lg a N o w o tny . Die ehemalige Präsidentin Auf dem Cover zu finden wäre derzeit eine Sensation. des Europäischen Forschungsrats ERC singt dieses Magazins Natürlich hat die Suche nach Leben und ein Loblied auf die Neugier als Basis für jede ist der Teleskop- Lebensmöglichkeiten fernab der Erde nichts Art der Grundlagenforschung im All und auf verbund Atacama Large Millimeter mit Verschwörungstheorien von Ufo-Gläubi- der Erde. Array, kurz Alma, gen, sondern vielmehr etwas mit dem Men- Journalismus ist auch Teamarbeit, deswegen in der chilenischen schen selbst zu tun. Wir fragen uns doch schon sehen Sie auf dieser Seite die Namen und Bilder Atacama-Wüste zu sehen – dahinter seit Menschengedenken, wie alles, was unseren von Kolleginnen und Kollegen, ohne die dieses die Milchstraße. Planeten ausmacht, begann. Theorien gibt es Magazin nicht zustande gekommen wäre. Foto: Eso / B. Tafreshi Wie man mit historischen Die US-amerikanische Fakten perfekte Erklärungen Philosophin Susan Schneider liefert, weiß Daniela Yeoh. erwartet superintelligente Sie hat mit Fatih Aydogdu die Außerirdische. Tanja Traxler Grafiken des Magazins umge- hat sie gefragt, was diese setzt, S. 24–26, 28–29, 42–43. Annahme stützt, S. 39–41. Auch ein kleines Land wie Irgendwo da draußen gibt es Österreich ist im Weltraum außerirdisches Leben. Davon vertreten. Mit welchen Tech- ist Jill Tarter, Ikone der Alien- nologien und Schwerpunkten, jäger, felsenfest überzeugt. hat Alois Pumhösel zusam- Karin Krichmayr hat mit ihr mengetragen, S. 50–55. gesprochen, S. 19–22. Einer der wichtigsten Durch- Maschinen werden Menschen brüche in jüngster Zeit war die immer ähnlicher – und zwar Entdeckung von Exoplaneten nicht nur im Kino. Beate um den Stern Trappist-1. Hausbichler analysiert, David Rennert erklärt die warum das angsteinflößend Hintergründe, S. 44–47. ist, S. 66–68. Fotos: Seywald (2), Schopf, Lukas Ilgner, IFK / Jan Dreer, Corn IMPRESSUM UND OFFENLEGUNG Foto: Seywald (3), privat (3) Redaktion: Peter Illetschko (Leitung) Grafisches Konzept, Layout und Produktion: Ivonne Stark, Armin Karner Bildbearbeitung: Otto Beigelbeck, Lukas Friesenbichler, Heidi Seywald Infografik: Fatih Aydogdu Anzeigen: Gerhard W. Stöger Herausgeber: Oscar Bronner Geschäftsführung: Mag. Alexander Mitteräcker Chefredaktion: Dipl.-Biol. Martin Kotynek Stellvertretung: Mag. Rainer Schüller Eigentümerin (100 %) / Medieninhaberin, Verlagsort, Redaktions- und Verwaltungsadresse: Standard Verlagsgesellschaft m.b.H., A–1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 13 Hersteller, Herstellungs- und Erscheinungsort: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstraße 21. FORSCHUNG berichtet über Wissenschaft und Forschung im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Trends als Magazin der Tageszeitung der Standard. Offenlegung gem. § 25 Abs. 2 und 3 MedienG siehe: http://derStandard.at/Offenlegung 3 MAGAZ IN FORSCH UNG
INHALT 8–10 Sind wir allein? Der Mensch sucht nach einem Ebenbild im All – und stößt vorerst auf raue Mengen an Exoplaneten Foto: Eso 11–13 Die Wiege des Lebens Auf der Suche nach Spuren, wie Leben auf die Erde kam 36–38 Reine Raumfahrt Wie die biologische Kontamination 14–18 ferner Welten verhindert wird Besuch in Houston 1 – AUSSERIRDISCHES LEBEN Reportage aus dem Space Center der US- Weltraumbehörde 39–41 Nasa Superintelligente Aliens Die Philosophin Susan Schneider Foto: Nasa erforscht, wie Aliens denken 19–22 Die Alienjägerin Die Astronomin Jill Tarter will 28–29 42–43 fremde Zivilisationen aufspüren Suche nach Leben in Meilensteine der unserer Nachbarschaft Exoplanetenforschung Die Kandidaten für außerirdisches Was wir bisher über ferne Welten 23–26 Leben im Sonnensystem herausgefunden haben Roter, toter Planet? Der Mars steht im Zentrum neuer Missionen zur Suche nach Leben 30–35 44–47 Außerirdische Filmstars Alternative Erden Eine fantastische Reise durch die Warum das Planetensystem Geschichte der Science-Fiction Trappist-1 so vielversprechend ist Illustration: Nasa / JPL-Caltech Foto: AP/Nasa Foto: Picturedesk/Interfoto 27 Kant über Außerirdische Der Philosoph Immanuel Kant drang gedanklich zu Aliens vor 4 MAGAZ IN FORSCH UNG
INHALT 2 — MENSCH & MASCHINE Foto: iStock 66–68 50–55 Unheimliche Maschine Weltraumtechnik Organisches und Künstliches wird made in Austria einander immer ähnlicher – über Österreichs Beiträge zu eine Beziehung voller Unbehagen Technologien für den Weltraum 69–71 Mein Freund, der Roboter 56–57 Nanosatelliten und Die Roboterpsychologin Martina Mara erforscht das Verhältnis von Mensch private Investitionen und Maschine Interview mit dem FFG- Geschäftsführer Klaus Pseiner 72–74 Totale Vernetzung Wie das Internet der Dinge die Gesellschaft vor ethische und rechtliche Herausforderungen stellt Illustration: Universität Wien 3 — RAUM & ZEIT 78–81 Wie die Zelle altert Bei der Autophagie werden in der Zelle schadhafte Bestandteile 58–60 abgebaut Kleiner blauer Punkt Gastkommentar der Exoplaneten- forscherin Lisa Kaltenegger Cartoon: Außerirdisches 62 Foto: Getty Images / iStock 63 Allzu irdische Ängste Wenn eine Gesellschaft von Ängsten dominiert wird, fürchtet 82 man sich noch lieber vor Ufos Schlusspunkt: Ein Plädoyer für die Neugierde 5 MAGAZ IN FORSCH UNG
Tore in neue Welten: Kosmisches Winter- wunderland nannten Nasa-Astronomen dieses Bild, das aus den Aufnah- men mehrerer Teleskope zusammengesetzt ist. Es zeigt die Region NGC 6357, einen Cluster von jungen, heißen Sternen, 5500 Lichtjahre von der Erde entfernt. Foto: X-ray: Nasa/CXC/PSU/ L. Townsley et al; Optical: UKIRT; Infrared: Nasa/JPL-Caltech 7 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE Dreisonnenuntergang: So könnte der Himmel des Exoplaneten Gliese 667Cd in Richtung seines Muttersterns Gliese 667C aussehen. Im Hintergrund sind die weiteren Sterne des Dreifachsystems zu sehen. Das 22 Lichtjahre entfernte System enthält mindestens einen erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone. Illustration: Eso / M. Kornmesser Erde an Aliens: Bitte melden! Kaum eine Frage fasziniert die Menschheit mehr als jene, ob wir allein im Universum sind oder nicht. Bei der Suche nach einer zweiten Erde sind Weltraumforscher auf raue Mengen an Exoplaneten gestoßen, von denen viele Leben beherbergen könnten. Was treibt uns an, fremde Sphären zu erspähen und Kontakt zu außer- irdischen Zivilisationen aufzunehmen? Über eine Mission mit lauter Unbekannten. TEXT: KARIN KRICHMAYR EXOPLANET Es ist ausgerechnet Kurt Waldheim, der im Na- Lüge aufbaute. Denn auch der Rest dieses Zeug- Ein extrasolarer Planet ist ein planetarer men der gesamten Menschheit zu den poten- nisses der Menschheit, das immerhin eine ge- Himmelskörper, der von der Schwerkraft ziellen Bewohnern fremder Welten spricht. schätzte Lebensdauer von 500 Millionen Jahren eines Sterns beeinflusst ist, der außerhalb Natürlich nur, sofern irgendeine Lebensform hat, gibt ein recht verfälschtes Bild des Planeten unseres eigenen Sonnensystems liegt. da draußen Ohren hat und herausfindet, wie ab. In den 55 Grüßen, 115 Bildern, den Musikstü- Bisher wurden fast 3700 Exoplaneten man eine Hi-Fi-Anlage baut, auf der man eine cken und Erdgeräuschen werden weniger glor- identifiziert. Schallplatte mit 16 2/3 Umdrehungen pro Minu- reiche irdische Eigenheiten wie Kriege, Hunger te abspielen kann. Genau das ist nämlich die er- oder sterbende Wale nicht dokumentiert. forderliche Geschwindigkeit, um den Inhalt der Golden Records zu entziffern, die 1977, vor ge- Platzverschwendung HABITABLE ZONE nau 40 Jahren, an Bord der interstellaren Voya- Einmal abgesehen davon, dass die Wahrschein- Als habitable oder bewohnbare Zone be- ger-Raumsonden ins All katapultiert wurden. lichkeit äußerst gering ist, dass irgendjemand zeichnet man den Bereich rund um einen Waldheims Wehrmachtsvergangenheit hatte dereinst etwas mit dieser Nachricht anfangen Stern, in dem die richtige Temperatur noch nicht die Welt aufgerüttelt, und so sprach kann – ist es vielleicht etwas zutiefst Menschli- herrscht, damit es auf einem Planeten in der spätere österreichische Bundespräsident in ches, sich sogar jenseits des Sonnensystems dieser Zone flüssiges Wasser geben kann. seiner damaligen Funktion als UN-Generalse- besser darzustellen, als man ist? Oder streben Um das Entstehen von Leben zu begünsti- kretär die ersten Grußworte, die in die vergol- wir vielleicht gerade deswegen hinaus in den gen, sind aber noch weitere Bedingungen deten Scheiben eingraviert wurden – mit einem Kosmos, um uns zu einer besseren Spezies zu nötig, etwa eine Masse, die eine schützen- unüberhörbaren österreichischen Akzent. entwickeln? de Atmosphäre an den Planeten binden Es passt ganz gut, dass diese erste mündliche Kaum eine Frage löst zugleich so viel Faszi- kann und geologische Aktivitäten wie Botschaft an Außerirdische von einem Mann nation und Ehrfurcht aus wie jene, ob wir allei- Plattentektonik und Vulkanismus erlaubt. verlesen wurde, dessen Leben zum Teil auf einer ne sind in diesem unfassbar großen Universum. 8 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE SETI Die Abkürzung steht für die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz. Seit 1960 werdenwissenschaftlicheProjektebetrie- ben, die mit Teleskopen vor allem Fre- quenzen aus dem Radiobereich des elek- tromagnetischen Spektrums abhören – in der Hoffnung, Signale einer außerirdi- schen Zivilisation zu entdecken. Auf kaum einem Gebiet sind Fakten und Fanta- mit außerirdischem Leben beschäftigten, im ne Sterne umkreisen, wurden bereits identifi- sie so eng miteinander verwoben. „Wenn es nur besten Fall damit rechnen, schief angeschaut ziert, tausende Kandidaten müssen noch ge- uns gibt, wäre das eine fürchterliche Platzver- zu werden. Im schlechteren Fall wurden ihnen nauer überprüft werden. Etwa drei Dutzend der schwendung“, brachte es der Astronom Carl sämtliche Fördergelder gestrichen. Zu sehr hat- bereits entdeckten Planeten dürften in der ha- Sagan auf den Punkt. Sagan war Pionier der ten angebliche Ufo-Sichtungen und andere eso- bitablen Zone ihres Sterns liegen, das heißt, Astrobiologie, die sich mit möglichem Leben terische Phänomene wie Kornkreise die Suche dass Bedingungen vorliegen, die erdähnliches abseits der Erde beschäftigt. Er war Wegberei- nach außerirdischem Leben in eine pseudowis- Leben theoretisch möglich machen. ter der modernen Suche nach extraterrestri- senschaftliche Schmuddelecke gedrängt. Die Verarbeitung der Kepler-Daten ist noch scher Intelligenz (Seti) – und Mastermind hinter lange nicht abgeschlossen und bringt ständig dem Golden-Record-Projekt. Die Datenplatte, Wissensexplosion neue Erkenntnisse ans Licht. Dabei nimmt die auf Voyager 1 montiert ist, hat 2012 als ers- Mit den Erfolgen von Sonden, bemannten Kepler, dessen Treibstoff gerade noch ein Jahr tes menschengemachtes Objekt unser Sonnen- Raummissionen und Hightech-Observatorien reichen dürfte, nur ein Vierhundertstel des system verlassen und wird in etwa 40.000 Jah- hat sich dieses Bild allmählich gewandelt. Spä- Sternenhimmels unter die Lupe. Und selbst vor ren den rund 17 Lichtjahre von der Sonne ent- testens mit der 2009 gestarteten Kepler-Mis- unserer eigenen Haustür steht die Suche noch fernten Stern Gliese 445 passieren. sion erweiterte sich das Wissen um den extra- am Anfang. Auf dem Mars könnte es vor langer Seit den ersten Versuchen einer Kontakt- solaren Raum explosionsartig. Seither ist klar: Zeit Leben gegeben haben. Unter der Eis- aufnahme hat sich unsere Perspektive auf das Ein Sternensystem mit Planeten wie das unsere schicht des Saturnmonds Enceladus hat die Universum gewaltig verändert. Nach einer an- ist keineswegs eine Seltenheit, sondern der Raumsonde Cassini einen riesigen Ozean ent- fänglichen Euphorie mussten Forscher, die sich Normalfall. Nahezu 3700 Exoplaneten, die fer- deckt, und auch der Saturnmond Titan und der → Jungunternehmen aus dem österreichischen Gründerzentrum der Weltraumagentur ESA GRAZ. Das zukünftige Eigenheim idealen Rahmenbedingungen, um Umwelt- und Wetterbeobachtung betreten, ehe die ersten Bagger das Start-up optimal weiterzuent- der ESA und trägt dazu bei, den aufgefahren sind – daran tüfteln wickeln. Wir sind der Brutkasten Klimawandel zu erforschen“, Wolfgang Walcher und sein Team für Jungunternehmen, die Welt- erklärt Horst Bischof, Vizerektor seit mittlerweile mehr als zwei raumforschung in Form von für Forschung an der TU Graz. Jahren: „Robotic Eyes“, so der alltagsrelevanten Produkten auf FOTO: SCIENCE PARK GRAZ Name des Unternehmens, lässt den Boden bringen“, betont der Baupläne als Hologramm in der ESA-BIC-Geschäftsführer, der nach Realität erscheinen. „Noch nie dem ersten Jahr zufrieden Bilanz ESA BUSINESS INCUBATION zuvor war es möglich, auf derart zieht: „Wir haben in diesem CENTER (BIC) hohem Level Architektur, die Zeitraum hunderte hochkarätige nur auf dem Papier existiert, im Kontakte hergestellt und mit Raum in einer solchen Qualität ESA-Botschafter Martin Mössler ‚Robotic Eyes‘ das erste ESA-BIC- darzustellen“, erzählt Walcher. Die Unternehmen auf den Markt Entwicklungen von „Robotic Eyes“ begleitet.“ Dieser Erfolg sei auf gehen im Kern auf Weltraum- men worden sind und damit auf viele Faktoren zurückzuführen, die Know-how zurück: GPS zur unterschiedlichsten Ebenen direkte Einbettung in die inoffizielle Positionsbestimmung und ESA- subventioniert werden. Die „Weltraumhauptstadt“ Graz sei Satellitendaten zur Identifikation Anforderungen an die Start-ups aber wesentlich für die Entwick- von Höhenmodellen sind das Tor sind genau definiert, unterstreicht lung der Start-ups. Allen voran die zu Walchers virtueller Realität. der Geschäftsführer des Gründer- Technische Universität Graz: Erst zentrums und Botschafter der Mitte dieses Jahres verkündete die Europäischen Raumfahrtagentur Hochschule den Bau des neuen Aktuell ist „Robotic Eyes“ eines ESA, Martin Mössler: „Die Jung- Kleinsatelliten „Pretty“ – gemein- www.esa-bic.at von sechs heimischen Unterneh- unternehmen müssen über eine sam mit dem Industrieunterneh- men, die in das ESA-Entwicklungs- brillante, international skalierbare men RUAG – für die Europäische programm im Business Incubation Geschäftsidee mit Space-Bezug Weltraumagentur ESA. „Der neue Center (BIC) in Graz aufgenom- verfügen. Wir schaffen dann die ‚Cubesat‘ ist Teil der weltweiten 9 MAGAZ IN FOR SCHUN G
LEBEN FERN DER ERDE PLANETENJAGD Die allermeisten Exoplaneten sind viel zu weit entfernt, um sie direkt beobachten zu können. Die bisher erfolgreichste Methode, Exoplaneten aufzuspüren, ist, den Transit eines Planeten zu beobachten. Während seiner Umlaufbahn verdunkelt er seine Sonne in regelmäßigen Abstän- den. Aus den Helligkeitsschwankungen kann man auf die Umlaufzeit schließen. Eine weitere gängige Methode ist die Messung der Radial- geschwindigkeit. Die Anziehungskraft eines Planeten beeinflusst auch die Masse seines Sterns, wodurch eine periodische Bewegung entsteht. Dieser Wackeleffekt gibt Hinweise auf die Umlaufgeschwindigkeit des Exoplaneten. → Jupitermond Europa dürften jede Menge Eis- Geschichte eingegangene Gedankenspielerei chung offen, ob es tatsächlich so etwas wie eine wasser und Kohlenwasserstoffe beherbergen – mündete 1961 in die Drake-Gleichung. Der zweite Erde gibt, auf der sich ähnliche Prozesse eine Umgebung, in der Mikroorganismen ge- amerikanische Astrophysiker Frank Drake war abgespielt haben wie auf unserem Planeten, deihen könnten. Der jüngste Forschungszweig der Erste, der einen Lauschangriff auf das Uni- und die über Millionen von Jahren dazu geführt beschäftigt sich nun mit der Suche nach lebens- versum startete: Er fahndete systematisch mit- haben, dass ähnlich intelligentes Leben ent- freundlichen Exomonden. hilfe von Radioteleskopen nach Signalen standen ist. Nach wie vor ist außerdem unklar, Doch auch wenn die heutigen Versuche, le- außerirdischer Intelligenz und organisierte in ob außerirdisches Leben überhaupt auf den ge- bensfreundliche oder gar belebte Planeten zu der Folge die erste Seti-Konferenz. suchten Elementen Kohlenstoff, Wasser-, finden, nicht mehr so unbeholfen sind wie frü- Die Drake-Gleichung dient zur Abschät- Sauer- und Stickstoff basieren muss und nicht her, bleibt doch die Frage: Was treibt die Men- zung der Anzahl der Zivilisationen in unserer etwa in Form irgendeiner selbstorganisierten schen an, in fremde Sphären zu streben, mehr Galaxie. Es ist eine Gleichung mit lauter Unbe- Staubwolke in den Tiefen des Alls existiert. oder weniger auf gut Glück ins Universum zu kannten. Sie basiert auf verschiedenen Annah- Gelegenheiten, um Antworten auf diese spähen, das schätzungsweise mehr als eine Bil- men, etwa über die Zahl der Sterne, die pro Jahr Fragen zu finden, wird es viele geben. Einige lion Galaxien umfasst? Ist es eine Art Kolonisie- entstehen, über die Zahl der lebensfreundli- neue Superweltraumteleskope werden schon rungsdrang, auch unter dem Aspekt, einen Er- chen Planeten in ihren Systemen, Annahmen bald an die Kepler-Mission anknüpfen – allen satzplaneten für die selbstzerstörerische zu den Wahrscheinlichkeiten für die Entste- voran das James-Webb-Teleskop, das per Infra- Menschheit zu finden? Oder geht es doch eher hung primitiven und komplexen Lebens auf rot die Atmosphäre von Planeten da draußen um die Suche nach einem Ebenbild, das ermög- diesen Planeten und letztlich zur Frage, wie analysieren wird. Und es gibt auch eine Art licht, mehr über uns selbst und das Leben auf lange eine technologische Zivilisation in der Nachfolgeprojekt für die Golden Records: Die der Erde zu erfahren? Lage wäre, Funkwellen zu übertragen. Breakthrough-Initiative des russischen Millio- Nimmt man bei allen Annahmen den nie- närs Yuri Milner plant nicht nur, per Laser eine Begegnungssehnsucht drigsten und den höchsten Wert, kommt man Flotte von Miniraumschiffen zu unseren Nach- „Der Mensch ist ein ultrasoziales Wesen“, sagt auf eine Bandbreite von mindestens 20 bis ma- barn im Doppelsternsystem Alpha Centauri zu Joachim Fischer von der Philosophischen Fa- ximal 50 Millionen Sternen, von denen wir ein schleudern, sondern hat mit Breakthrough kultät der TU Dresden. „Es ist eine urmenschli- Signal empfangen könnten, rechnet Ben Miller Message einen Wettbewerb angekündigt, mit che Eigenschaft, sich in andere hineinzuverset- in seinem kürzlich im Penguin-Verlag auf dem eine mögliche intergalaktische Nachricht zen und sie verstehen zu wollen.“ Der Mensch Deutsch erschienenen Buch Anybody Out vorbereitet werden soll – hoffentlich eine, die habe eine Sehnsucht nach Begegnung und da- There? vor. Natürlich lässt auch die Drake-Glei- die Menschheit zumindest ehrlich beschreibt. nach, sich selbst in fremder Gestalt zu spiegeln, erläuterte Fischer, Co-Autor des Buches Sozio- logie der Weltraumfahrt (Transcript 2014), im Oktober in der 3-sat-Wissenschaftssendung Scobel. Die gesamte Kosmologie könne auch als Weltflucht gedeutet werden, die dazu dient, Botschaft ins All: einem „Weltgrund“ näherzukommen, einem Das Cover der tieferen Sinn für unser Leben auf der Erde. Golden Record, die vor Ganz anders sah das der deutsche Physik- 40 Jahren an Bord nobelpreisträger und Fortschrittskritiker Max der Voyager ins All Born. Die Raumfahrt sei ein „extravaganter Lu- geschickt wurde, enthält xus“, der weder zum Wohlstand der Mensch- die Gebrauchsanleitung heit noch zu Glück und Zufriedenheit beitragen für das Abspielen der würde. Die Raumfahrt sei „ein Triumph des Datenplatte. Verstandes, aber ein tragisches Versagen der Foto: AP Photo / Nasa Vernunft“, lautete 1958 sein Urteil. Andere Forscher, wie etwa der italienische Physiker Enrico Fermi, ebenfalls Nobelpreis- träger, stellten weniger die Frage nach dem Sinn der Raumfahrt, sondern danach, warum uns die Außerirdischen noch immer keinen Besuch abgestattet hatten, wenn doch in den immensen Weiten des Universums die Wahr- scheinlichkeit dafür ziemlich hoch sein müsste. Die unter dem Namen Fermi-Paradoxon in die 10 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE Die Wiege des Lebens Wann, wie und wo Leben auf der Erde entstanden ist, beschäftigt bis heute verschiedenste Bereiche der Wissenschaft. In heißen Quellen oder doch im Meer? Oder ist es gar nicht auf der Erde selbst entstanden und wurde per Kometeneinschlag importiert? Eine wissenschaftliche Spurensuche. TEXTE: ROBERT CZEPEL DIE ÄLTESTEN LEBENSSPUREN „Als ich das las, dachte ich mir: Jetzt geht das Auch Strukturen im Nuvvuagittuq-Grünstein- Existenz allenfalls indirekt. Jedenfalls nicht so wieder los!“ Martin Whitehouse, Geologe am gürtel in der kanadischen Provinz Quebec oder zweifelsfrei, wie das bei versteinerten Knochen Stockholmer Reichsmuseum für Naturgeschich- im Isua-Gneis am Rande des grönländischen der Fall ist. te, hatte keine rechte Freude mit einer kürzlich Eisschildes wurden schon als älteste Mikrofos- Fazit: Mit Geologie kommt man auf der Su- im Fachblatt Nature (Bd. 549, S. 516) erschiene- silien der Erde bezeichnet – und auch hier ka- che nach dem Ursprung des Lebens zwar weit, nen Studie. Und das, obwohl darin von einem men alsbald Zweifel auf. Denn Einzeller sind aber nicht weit genug. Der Anfang verliert sich aufsehenerregenden Fund berichtet wurde: den fragil, im Gestein zeigt sich ihre vergangene im Dunkel der Erdgeschichte. bislang ältesten Lebensspuren auf der Erde. Ein Team um Tsuyoshi Komiya, Universität Tokio, hatte in der Saglek-Region in Labrador in Kanada Graphitkörner aus uraltem Gestein untersucht und darin ein ungewöhnliches Ver- hältnis der Kohlenstoff-Isotope C12 und C13 nachgewiesen. Das deutet darauf hin, so schrie- ben zumindest Komiya und Kollegen in Nature, dass dieser Kohlenstoff einst Teil urtümlicher Lebewesen war – Einzeller, die vor 3,95 Milliar- den Jahren in dieser Region lebten. Dieser Interpretation stimmen allerdings nicht alle Fachkollegen zu. Whitehouse etwa Am Mistaken Point in hält die Altersbestimmung des Gesteins für un- Neufundland befindet sicher und sagt seinen japanischen Kollegen vo- sich das besterhaltene raus, die wissenschaftliche Sensation könnte präkambrische Fossil. bei näherer Überprüfung „wie ein Kartenhaus Foto: Mistaken Point in sich zusammenstürzen“. Derlei Debatten Ambassadors / gab es in den vergangenen Jahren des Öfteren. Barrett & MacKay 11 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE Diese Aufnahme zeigt den Krater Aelia an der Oberfläche des Asteroiden Vesta. Foto: Reuters / Nasa / JPL Caltech URSPRUNG DES LEBENS: WANN? Im Jahr 1650 versuchte der irische Theologe Wobei das Wasser nicht nur irdischen Ur- Was das mit der Entstehung des Lebens auf James Ussher das Alter der Erde mithilfe von sprungs gewesen sein muss. Wie Untersuchun- der Erde zu hat? Für Leben – zumindest so, wie Angaben aus der Bibel zu bestimmen – und gen des Asteroiden Vesta zeigen (Science, Bd. wir es kennen – ist Wasser unverzichtbar. Da- schloss messerscharf: Die Schöpfung fand am 346, S. 623), führt auch dieser messbare Men- raus ergibt sich ein nach geologischen Maßstä- Sonntag, dem 23. Oktober 4004 v. Chr., statt. gen Wasser mit sich. Wasser, das wohl durch ben relativ schmales Zeitfenster: Vor 4,4 Mil- Das deckt sich nicht ganz mit den Befunden der Einschläge von Meteoriten auf seine Oberflä- liarden Jahren besaß die junge Erde bereits ge- modernen Geologie und Astronomie, die das che gelangt ist. Gut möglich, dass Ähnliches nug Wasser für die Entstehung des Lebens. Vor Alter der Erde auf rund 4,5 Milliarden Jahre da- auch mit der jungen Erde geschah – und ein Teil knapp vier Milliarden Jahren waren vermutlich tieren. Die ersten Meere auf dem noch jungen der heute existierenden Ozeane eigentlich aus schon primitive Zellen da. Dazwischen muss es Planeten könnten sich laut neueren Berechnun- dem All stammt. passiert sein. Die Frage ist nur: Wie und wo? gen bereits 100 Millionen Jahre danach gebil- det haben (Nature, Bd. 409, S. 175). In fast dreitausend Meter Wassertiefe befindet sich diese Tiefseequelle auf dem Mittelatlantischen Rücken. Foto: Marum, Universität Bremen URSPRUNG DES LEBENS: WO? Schon Charles Darwin äußerte 1871 in einem ten relativ hohe Konzentrationen an Zink, Man- Brief an den Botaniker Joseph Hooker die Ver- gan und Phosphor sowie ein hohes Verhältnis mutung, das Leben könnte dereinst in einem von Kalium zu Natrium (PNAS, Bd. 109, S. „warm little pond“, also in einem kleinen Tüm- 5156). All das ist auch typisch für den Stoffwech- pel, entstanden sein. Damit bewies er – wie so sel heute lebender Zellen. oft – einen guten Riecher: Laut dem Biophy- Mulkidjanian glaubt, dass das kein Zufall siker Armen Mulkidjanian von der Universität ist. Sollte er recht behalten, wäre das Leben also Osnabrück könnten nämlich Dämpfe aus den an Land entstanden und nicht, wie früher ver- Tiefen der Erde den Urkeim des Lebens ge- mutet, im Meer. Gleichwohl ist damit die alter- zeugt haben. Und zwar in geothermischen native Theorie nicht vom Tisch. Hydrotherma- Quellen, wie sie heute noch im Yellowstone- le Quellen auf dem Meeresgrund gelten nach Nationalpark zu finden sind. wie vor als gute Kandidaten für die „Urzeu- Für diese Hypothese spricht die chemische gung“. Oder, wie man heute sagt: für die Bil- Zusammensetzung dieser Quellen: Sie beinhal- dung des ersten Replikators. 12 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE DIE SUCHE NACH DEM URKEIM Der Replikator – nein, dieser Begriff entstammt formation in den Zellen von Pflanzen, Tieren ten die beiden Amerikaner Thomas Cech und nicht der neuesten Blade Runner-Verfilmung inklusive Mensch, doch sie ist chemisch träge. Walter Altmann, dass ein der DNA ähnliches von Denis Villeneuve, sondern der theoreti- Ohne Proteine ist die DNA gewissermaßen hilf- Molekül, die RNA, die Fähigkeit hat, beides zu schen Chemie: Der Replikator ist ein Ding, das los. Die Proteine wiederum, die „Exekutive“ in tun: Information zu speichern und chemische Kopien seiner selbst herstellt. Es geht um jenes der lebenden Zelle, gäbe es nicht, wenn die An- Reaktionen anzutreiben. Die RNA übernimmt Molekül, das sich zum ersten Mal durch Muta- leitung für ihre Herstellung nicht in der DNA noch heute eine wichtige Rolle in der Verarbei- tion und Selektion entwickelt hat. Jenes Mole- festgeschrieben wäre. tung der genetischen Information. Sie könnte kül, das die Stunde null der Evolution markiert. Beide Moleküle können nicht ohne das je- das Molekül sein, das die Geschichte des Le- Dazu bedarf es einer gewissen chemischen weils andere existieren. Das ist im Grunde eine bens angestoßen hat. Sollte diese Hypothese Reaktionsfreudigkeit. Die DNA stellt bei der Neuformulierung des klassischen Henne-Ei- stimmen, wäre sie ein Relikt der Lebenszeu- Fortpflanzung zweifelsfrei Kopien ihrer selbst Problems, aus dem es anscheinend kein Entrin- gung, eine Art chemisches Fossil, das alle Lebe- her. Sie ist das „Back-up“ der genetischen In- nen gibt. Oder doch? In den 1980ern entdeck- wesen, Mensch inklusive, im Inneren tragen. Die DNA-Doppelhelix ist chemisch zu träge, um die Stunde null der Evolution zu markieren. Diese Aufgabe könnte einem ähnlichen Molekül, der RNA, zukommen. Illustration: iStock/Getty LEBEN AUS DEM ALL? Die Hypothese der urzeitlichen „RNA-Welt“ Wächtershäuser: Er geht davon aus, dass die (der Begriff stammt vom Harvard-Forscher Urzeugung an der Oberfläche von Eisen- Walter Gilbert) hat nur einen Schönheitsfehler. Schwefel-Mineralien passiert ist – Moleküle, die Bislang ist es nicht gelungen, Leben im Labor noch heute in der Umgebung von Tiefseevulka- aus unbelebten chemischen Zutaten herzustel- nen entstehen und Energie für spontane Reak- len. Was in gewisser Hinsicht nicht verwundert: tionen liefern. Die Evolution hatte dafür hunderte Millionen Bliebe freilich noch die Möglichkeit, dass Jahre Zeit, und der Prozess lässt sich wohl auch das Leben gar nicht auf der Erde entstanden ist, nicht beliebig beschleunigen. Zumal es für das sondern irgendwo da draußen im Weltall. In Rezept der Ursuppe derart viele Variationsmög- diesem Fall müssten die Urkeime des Lebens lichkeiten gibt, dass sich noch Generationen per Kometen- oder Asteroideneinschlag auf von Forschern an der experimentellen Antwort unseren Planeten gelangt sein. Nobelpreisträ- auf die Frage aller Fragen abarbeiten können. ger Francis Crick war einer derjenigen, die sich So kursieren denn nach wie vor alternative für diese Hypothese starkgemacht haben. In Modelle im Diskurs der Biochemiker. Der seinem Buch What Mad Pursuit notierte er: Schotte Graham Cairns-Smith vermutete etwa, „Das Leben auf der Erde entwickelte sich aus dass die Urgene aus einem ganz anderen Mate- Mikroorganismen, die zu uns gesandt wurden. rial bestanden, nämlich aus Tonmineralen, die Oder es stammt von einem unbemannten der RNA in einem späteren Stadium der Evolu- Raumschiff einer fernen Zivilisation.“ Ob tion erst auf die Sprünge halfen. Ähnlich argu- Crick, der alte Spötter, das wirklich ernst ge- mentiert der Münchner Biochemiker Günter meint hat, ist bis heute unklar. 13 MAGAZ IN FORSCH UNG
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LEBEN FERN DER ERDE Tauchen mit der US-amerikanischen Astronautin Peggy Whitson. Foto: Nasa Houston, wir haben kein Problem Am Lyndon B. Johnson Center in Houston wird Besuchern ein Einblick in die Geschichte und Gegenwart der US-Raumfahrt gegeben. Man sieht die alte Bodenstation und jenen zwölf Meter tiefen Pool, in dem künftige Astronauten mit Raumanzug Außenbordarbeiten trainieren. Der Mond könnte schon in den 2030er-Jahren eine Art Zwischenstation auf dem Weg zum Mars sein. REPORTAGE: PETER ILLETSCHKO Einlass in das historische Mission Control Cen- der amerikanischen, der europäischen, der ka- ter: Die alte Bodenstation der amerikanischen nadischen, der japanischen und der russischen Weltraumbehörde Nasa in Houston, Texas hat Weltraumbehörde betrieben wird. Ein Zutritt etwas Ikonografisches. Zwischen den museal zu diesem Mission Control Center ist leider wirkenden Computern waren hier in der Ver- nicht gestattet, die Nasa hat aber für Besucher gangenheit Sätze zu hören, die mittlerweile einen dem Original nachgebauten Ausstel- Einzug in die Popgeschichte gehalten haben. lungsraum eingerichtet – mit Live-Bildern von Zum Beispiel: „Houston, Tranquility Base here. der ISS. Am 5. Oktober 2017, dem Tag dieses The Eagle has landed.“ Mit diesem Funkspruch Besuchs aus Österreich, waren da Reparatur- wurde am 20. Juli 1969 verkündet, dass Neil arbeiten an einem Roboterarm im Gange, eine Armstrong und Buzz Aldrin mit dem Lander der „extravehicular activity“ (EVA) mit zwei Astro- Apollo-11-Mission erfolgreich auf dem Mond nauten. Als laienhafter Beobachter konnte man aufgesetzt hatten. Auch an einen anderen Satz sich nur wundern, wie es den Raumfahrern ge- muss man sich hier zwangsläufig erinnern: lang, diese Operation durchzuführen. „Pretty „Houston, we’ve had a problem.“ Damit be- critical“, wie Joel R. Montalbano, Deputy Pro- schrieb Kommandant Jim Lovell die Lage an gram Manager der Nasa, später meint. Bord der Apollo-13-Mission im April 1970, Ground control to Major Tom: Was du hier nachdem ein Sauerstofftank explodiert war. machst, beeindruckt uns. In den USA hat man tatsächlich größten Respekt vor der Arbeit von Hektische Betriebsamkeit Astronauten und Astronautinnen. Sie sind die Heute wird dieses geschichtsträchtige Mission Helden dieser technologisch gesteuerten Ex- Control Center nur geöffnet, um Besuchern ein ploration, die ersten, die mutigsten, die klügs- Gefühl von der einstigen Atmosphäre zu geben. ten Menschen, nicht nur, aber auch, weil sie Man spürt ja förmlich die Betriebsamkeit der sich den Weg von der Erde ins All zutrauen. Das Ingenieure, hört vielleicht die Funkdurchsagen, Image ist natürlich nicht nur durch Erfolge wie kann sich jedenfalls gut vorstellen, wie die die Landung auf dem Mond entstanden. Auch Stimmung bei Erfolgen und in Krisensituatio- Tragödien haben dazu beigetragen. Ein Symbol nen war. Bis Mitte der 1990er-Jahre war das vergangener Raumfahrerzeiten erinnert daran: Zentrum in Betrieb, seither gibt es eine neue Auf dem 655 Hektar großen Gelände hier in Bodenstation, von der aus alle Weltraumflüge Houston thront ein nachgebautes Spaceshuttle der Nasa begleitet werden – natürlich auch alle auf einer jener umgebauten Boeing-Maschi- Manöver rund um die Internationale Raumsta- nen, die zum Rücktransport der Weltraumfähre tion (International Space Station, ISS), die von benutzt wurden. Man kann sich ja noch an die → 15 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE Das Spaceshuttle Endeavour wird nach Haue geflogen – vorbei an der Golden-Gate-Brücke in San Francisco. Foto: Reuters / Josh Edelson / Pool → Fotos erinnern, die zeigten, wie das Flugzeug te mit dem nötigen Pathos: nicht nur, um Fuß- die Shuttles huckepack nahm. Da gab es aber abdrücke und Fahnen zu hinterlassen, sondern auch jene Explosion im Jahr 1986, die alle sechs auch um eine Zwischenstation auf dem Weg Crewmitglieder des Spaceshuttles Challenger zum Mars und darüber hinaus zu errichten. in den Tod riss. 2003 brach die Raumfähre Co- Eine Art Gateway, wie Montalbano bestätigt. lumbia beim Landeanflug auseinander. Wieder Dass Pence damit den Erkenntnisgewinn über starben die Astronauten. mögliche Lebensformen auf dem Mars antrei- Nun freut man sich auf die Rückkehr zur be- ben will, darf getrost bezweifelt werden. Ihm mannten Raumfahrt. An diesem Tag im Okto- geht es mit Sicherheit vor allem um die Rolle ber war das Thema in Houston omnipräsent: der USA in Phasen der Exploration. Der amerikanische Vizepräsident Mike Pence Ein Tor zu dieser neuen Welt könnte sich hielt als Vorsitzender des National Space Coun- für die Nasa nach dem prognostizierten Ende cil eine Rede über die bemannte Raumfahrt. der ISS im Jahr 2024 öffnen: Die Behörde zieht Besucher des Space Center konnten das über ernsthaft in Erwägung, eine Art Haltestelle auf Fernsehschirme mitverfolgen. Pence betonte dem Erdtrabanten zu bauen, die den Weg zum dabei, die USA wieder zum wichtigsten Land im Mars erleichtern könnte. Dafür bräuchte es Weltraum machen zu wollen. Man müsse wie- aber vor allem medizinische Versorgung. Der- der zum Mond fliegen, forderte er, und ergänz- zeit könne man im Notfall von überall in der Landung der Orion- Kapsel im Golf von Mexiko: Der erste Bergungstest seit den Apollo-Missionen. Foto: AP/Mulligan 16 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE westlichen Welt in spätestens drei Stunden zu grund einer Entmineralisierung auch zu Kno- einem Arzt kommen. „Vom Mond aus bräuchte chenschwund. Astronauten müssen nach der man sechs Tage“, sagt Montalbano. Das ist na- Landung auf der Erde weggetragen werden. Sie türlich zu lange. würden sonst beim Auftreten umfallen. Eine Reise zum Mars sei nicht vor den 2030- Derzeit, sagt Montalbano, sind Raumfahrer er-Jahren möglich, betont der Experte. Davor etwa sechs Monate auf der ISS. Dann reicht es gebe es noch zahllose technische Fragen zu klä- aber auch. Die Reise zum Mars würde inklusive ren. Eine der einfachsten: Ein Funkspruch wür- Aufenthalt und Rückkehr deutlich länger dau- de eine gute Dreiviertelstunde brauchen, bis er ern. Man schätzt: zwei Jahre. Wie könnte man auf der Erde ankommt. Montalbano mit Ironie: also den psychischen Belastungsfaktoren be- „Auf einen Satz wie ‚Houston, wir haben ein gegnen, die während des Abenteuers auftreten? Problem‘ könnten wir dann zwar reagieren, Kaum Freiraum fern von Natur und der Familie aber es wäre vielleicht zu spät.“ Entscheidend auf der Erde. Auf der ISS freuen sich Astronau- sei, welchen körperlichen und psychischen Be- ten vor allem über das Essen, sagt Montalbano. lastungen die Astronauten bei einem Flug zum Aber ob das auch bei der Langzeitmission Mars Mars ausgesetzt seien. ein Mittel gegen seelische Tiefs wäre? Das Besuchsprogramm ist dicht gedrängt, Auftreten und umfallen die nächste Station ist der Astronauten-Swim- Dazu muss man wissen: Die Zirkulation des mingpool. Er hat natürlich ganz andere Dimen- Blutes ist im All auf jeden Fall gestört. Es sionen als ein gewöhnlicher Pool im Schwimm- kommt zum Blutstau im Kopf. Astronauten kla- bad. 202 Fuß Länge, das sind etwa 62 Meter. In gen daher über Kopfschmerzen. Medizinische einer Tiefe von etwa 40 Fuß (zwölf Meter) liegt Tests haben außerdem gezeigt, dass man im All eine Nachbildung der Internationalen Raum- Muskelzellen abbaut, weil sie nicht bean- station. Astronauten im Raumfahreranzug sprucht werden: Der Mensch wiegt ja in dieser üben hier unter Wasser die Bewegungen wäh- Ausnahmesituation der Schwerelosigkeit rend eines durchschnittlich sechs Stunden dau- nichts. Betroffen sind daher jene Muskelpar- ernden Außenbordeinsatzes. tien, die zum Gehen oder zum Aufstehen ver- Über Bildschirme kann man die von Tau- wendet werden. Schließlich kommt es auf- chern begleiteten Trainingsaktivitäten beob- → Perspektiven durch Praxis! Jetzt informieren & durchstarten! Infoab
LEBEN FERN DER ERDE → achten. Tauchlehrer erzählen, was genau im Freude, als sie eine außerirdische Lebensform Moment passiert. An vielen Geräten steht, dass entdecken. Sie ahnen noch nicht, dass diese he- man sie nicht berühren soll – auch am Modell ranwachsen und recht gefräßig werden wird. des Raumschiffs Orion, das in einer nahe gele- Eine recht schauerliche Geschichte, an deren genen Fabrikshalle steht: „Don’t touch!“ Vize- Ende auch die ISS zerstört wird. „Ich habe den präsident Mike Pence hat das im Sommer igno- Film noch nicht gesehen“, sagt ein Nasa-Mana- riert, die Außenschale der Kapsel berührt und ger. Er könne also auch nicht sagen, ob auch nur einige Aufregung in Social-Media-Foren verur- irgendetwas daran realistisch sei. Er wisse nur, sacht. Orion soll für künftige bemannte Missio- dass Astronautinnen über den Weltraumthriller nen genutzt werden. Gravity mit George Clooney und Sandra Bullock gelästert haben. Die Hauptdarstellerin habe Paranoia im Kino nach jedem Außenbordeinsatz ausgeschaut wie Während die Besucher weiterspazieren, spricht ein frisch gestyltes Model. „Das hätten wir auch man über Hollywoods Zugang zur Raumfahrt. gern geschafft“, sollen die Damen gesagt haben. Nasa-Mitarbeiter zeigen sich amüsiert. Über die Aber für das Image der Raumfahrt muss es Angst vor Aliens, jene Paranoia, die in aktuellen das vielleicht geben: nicht nur Heldengeschich- Science-Fiction-Filmen vorherrscht, können sie ten aus der Vergangenheit, sondern auch My- nicht wirklich etwas sagen. Das sei vermutlich thenbildungen im Kino. eine „Modeerscheinung“. Life zum Beispiel er- Der Besuch in Houston erfolgte auf Einladung des Rats für zählt von der Crew der ISS und ihrer großen Forschung und Technologieentwicklung. Die Bodenstation während der Apollo-15-Mission. Im Hintergrund: Die Astronauten Dave Randolph Scott und Jim Irwin bei der Arbeit. Foto: Nasa 18 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE „Wir suchen Mathematiker im All, nicht Mikroben“ Sie ist die Ikone aller Alienjäger: Jill Tarter widmete sich ihre ganze Karriere lang der Suche nach Signalen aus dem All. Ihr Schaffen diente als Blaupause für Carl Sagans Roman „Contact“, der 1997 mit Jodie Foster in der Hauptrolle verfilmt wurde. 2012 trat sie als Direktorin des Seti-Instituts zurück, an Ruhestand denkt sie aber noch lange nicht. Wohl aber an galaktische Technologien und kosmische Klingeltöne. INTERVIEW: KARIN KRICHMAYR Es ist gar nicht so einfach, mit Jill Tarter in Kon- ner Forschung konnte niemand beweisen, dass takt zu treten – ausgerechnet mit einer der über- es außerhalb unseres Sonnensystems Planeten zeugendsten Forscherinnen, die dafür eintreten, gibt. Heute wissen wir: Es gibt mehr Planeten als dass die Menschheit alles versuchen müsse, um Sterne in der Galaxie. Außerdem hatten wir da- Kontakt mit Zivilisationen aufzunehmen, die mals eine sehr beschränkte Sicht auf die Bedin- möglicherweise von irgendeinem Planeten da gungen, unter denen Leben möglich ist. Heute draußen Signale an uns senden. Nachdem selt- kennen wir extremophile Lebensformen, die in same Mail- und andere Verbindungsschwierig- kochender Batteriesäure leben können, im Eis, keiten ausgeräumt sind, erreichen wir die um- ohne Sonnenlicht, unter großem Druck. Das triebige Astronomin dann endlich am Telefon. Wissen über Exoplaneten und über Extremophi- le lassen das Universum heute lebensfreundli- Sie begannen als Studentin in den 1970er-Jah- cher erscheinen als früher. ren, im Auftrag der Nasa nach Radiosignalen zu suchen, die von außerirdischem Leben zeu- Seti-Forschung basiert auf der Annahme, dass gen könnten. Wie hat sich die Suche nach extra- es hochentwickelte Zivilisationen gibt, die kom- terrestrischer Intelligenz (abgekürzt: Seti, plexe Signale durch das Universum senden kön- Anm.) seither verändert? nen. Heute wäre schon jede Form von Bakte- Tarter: Erstens hat sich die Rechenleistung der rium auf einem Exoplaneten eine Sensation. Computer exponentiell verbessert, was uns er- Tarter: Wir suchen eher nach außeridischen Ma- möglicht hat, mehr und mehr Radiofrequenzen thematikern anstatt nach Mikroben. Wir suchen aufzufangen. Zweitens wissen wir heute viel nach Technologie als Stellvertreter für Intelli- mehr über die Natur des Kosmos. Zu Beginn mei- genz. → 19 MAGAZ IN FORSCH UNG
Die Menschheit muss lernen, in Zeitspannen von tausenden Jahren zu denken, ist Jill Tarter überzeugt. Foto: Getty Images / Juan Naharro Gimenez 20 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE → Wie stellen Sie sich das Leben da draußen vor? Tarter: Die Distanzen zwischen den Sternen sind Millionen Radiokanälen gleichzeitig und bewe- Tarter: Ich glaube, meine Vorstellungskraft ist tatsächlich riesig. Wenn uns jemand ein Signal gen uns von den ersten 100 Millionen Kanälen zu nicht groß genug, um zu erfassen, was die Natur von der anderen Seite unserer Galaxie senden den nächsten. Das braucht viel Zeit. Ziel ist es, je- erfinden kann. Eine Lebensform, die eine Tech- würde, könnte es hunderttausend Jahre dauern, den Stern mit Frequenzen im Bereich von einem nologie entwickelt, die interstellare Distanzen bis es hier ankommt. Aber wir haben auch eine bis zu zehn Millionen Megahertz zu scannen, auf- überwinden kann, ist vermutlich nicht mikros- wirklich produktive Verbindung mit den alten gesplittet in Kanäle, die ein Hertz breit sind. Noch kopisch klein, sondern mehr als einen Meter Griechen und Römern, mit Shakespeare – sie ha- haben wir aber nicht die Rechenleistung dazu. groß. Um große Strukturen und astronomische ben mit ihren Werken Information vorwärts in Bauwerke zu konstruieren, ist möglicherweise die Zeit getragen. Und es könnte sein, dass etwas Wie werden die Daten aus dem All verarbeitet? eine Art zentraler Prozessor nötig. Ich beneide ja Ähnliches mit fernen Technologien passiert. Tarter: Wir machen Echtzeit-Exploration. Wenn den Tintenfisch um seine Fähigkeit, seine Form Auch wenn die Konversation einseitig wäre, wir Daten vom Teleskop bekommen, werden sie zu verändern – sein Gehirn scheint über den gan- gäbe es viel zu lernen. sofort analysiert, wir speichern sie nicht. Die He- zen Körper verteilt zu sein, wohingegen komple- rausforderung ist, Interferenzen, also Signale, xes Leben auf der Erde Intelligenz an einem Ort Nach welchen Kriterien wählen Sie die Sterne die von menschlicher Technologie stammen, bündelt. Die Zeitspanne, um den Teil, den wir aus, die Sie belauschen? von Signalen zu unterscheiden, die von außer- Gehirnnennen,miteinemanderenKörperteilzu Tarter: Als wir 2011 das Allen Telescope Array halb der Erde kommen könnten. Sobald ein Sig- verbinden, ist so kurz, weil die Distanz klein ist. (benannt nach dem Microsoft-Mitgründer Paul Al- nal eingefangen wird, wird es automatisiert ver- Das könnte eine gemeinsame Eigenschaft intel- len, der den Bau finanziell ermöglichte, Anm.) in folgt. Wir arbeiten aber nicht nur mit Radio- ligenter Wesen sein – aber es weiß einfach nie- Betrieb nahmen, konzentrierten wir uns auf signalen. Seit 2000 beschäftigen wir uns auch mand. Kandidaten für Exoplaneten, die verschiedene mit optischen Signalen. Wir suchen nach sehr Observatorien wie das Kepler-Teleskop defi- hellen optischen Impulsen, die nur eine Mil- Das Seti-Institut im kalifornischen Mountain niert hatten. Nun wissen wir aus den gesammel- liardstelsekunde andauern – Signale, die man View sucht seit 1984 nach Signalen aus dem All ten Kepler-Daten, dass es viel mehr Planeten als nur mit Lasertechnologie erzeugen kann. Wir – bisher ohne Erfolg. Und selbst wenn ein Signal SterneinderGalaxiegibt.Alsohabenwir20.000 möchten unsere Suche auch auf Infrarotwellen abgefangen würde: Die Distanzen sind so groß, der erdnächsten Sterne ausgewählt. ausdehnen, was bald möglich sein wird. dass wir mit unserer heutigen Technologie nicht mit jemandem interagieren könnten, der Wie gehen Sie bei der Suche vor? Was, wenn eine andere Zivilisation völlig ande- Signale aussendet. Wie oft haben Sie daran ge- Tarter: Die Teleskope arbeiten zwölf Stunden pro re Technologien als elektromagnetische Strah- dacht, aufzugeben? Tag. Momentan scannen wir unsere Ziele mit 100 lung oder Laser verwendet? → 1/3 quer Ins seerat subject Wir stellen uns den Fragen der Zei 21 MAGAZ IN FOR SCHUN G
LEBEN FERN DER ERDE → Tarter: Wir denken auch über Technologien chen, wäre das Signal da. Ich denke, wir sollten Das Seti-Institut finanziert sich aus privaten nach, die noch gar nicht erfunden sind, aber an- uns jetzt auf die Suche beschränken und erst Spenden und mithilfe von Mäzenen wie dem derswo schon existieren könnten. Es könnte dann Signale aussenden, wenn wir erwachsen russischen Unternehmer Yuri Milner. Was ha- sein, dass irgendeine seltsame Form von Zeta- geworden sind als technologische Gesellschaft. ben die Geldgeber von ihrer Investition? Strahlen, oder wie auch immer diese Technolo- Tarter: Ein Signal aufzufangen wäre die Antwort gie heißen mag, die erste Wahl für eine interstel- Der Film „Contact“ von 1997, für deren Haupt- auf eine der wichtigsten Fragen der Menschheit: lare Kommunikation ist. Auch wenn wir dort figur Sie Patin standen, handelt weite Strecken zu verstehen, wie wir uns in den Kosmos einfügen. noch nicht sind, müssen wir uns das Recht vor- davon, wie schwierig es ist, als Seti-Forscherin Und noch direkter: Es wäre ein Weg zu verstehen, behalten, in Zukunft klüger zu werden und dann ernst genommen zu werden. Müssen Sie sich im- ob wir als Spezies potenziell eine lange Zukunft nach den entsprechenden Signalen suchen. mer noch rechtfertigen? vor uns haben. Wir sind in der Lage, unseren Pla- Tarter: Ja, sicher – obwohl wir in den vergange- neten so zu verändern, dass er unbewohnbar wird Was halten Sie davon, aktiv Signale von der nen Jahrzehnten viel dafür getan haben, um für Leben, wie wir es kennen. Wenn wir ein Signal Erde auszusenden? Sie haben einmal gemeint, unsere wissenschaftliche Forschung zu rechtfer- einer außerirdischen Technologie entdecken dass die Menschheit noch zu jung und primitiv tigen und zu vermitteln, dass es nicht um kleine würden, und sei es nur ein kosmischer Klingelton, dafür sei. grüne Männchen in Ufos geht. Immerhin fangen wüssten wir, dass es möglich wäre, als Zivilisation Tarter: Darüber gibt es derzeit eine rege Diskus- die Leute nicht mehr nur zu kichern an, wenn wir über sehr lange Zeit zu überleben und unsere heu- sion in der Seti-Community. Meine Ansicht ist, darüber sprechen, was wir tun. Dennoch ist es tige technologische Adoleszenz zu überwinden, dass die Menschheit momentan so schwach or- schwierig, den Leuten klarzumachen: So hart wir wie es der Astrobiologe Carl Sagan ausgedrückt ganisiert ist, dass sie kaum ein Projekt vollenden auch arbeiten – es kann sein, dass diese Art der hat. Denn man kann davon ausgehen, dass eine kann, das fünf Jahre dauert. Wenn man ein Sig- Erforschung noch Generationen lang andauern außerirdische künstliche Intelligenz langlebig ist. nal für ein paar Jahre überträgt, und das war es kann, bevor sie erfolgreich ist. Doch Tatsache ist, Wenn jemand an Ihrer Tür klingelt, wissen Sie dann, müsste der intendierte Empfänger exakt dass ein so unfassbar großer Raum zu erforschen nicht, wer es ist und wo er herkommt, aber Sie wis- zur richtigen Zeit in unsere Richtung schauen, ist. Wir sollten also nicht überrascht sein, dass sen, da ist jemand draußen und hat lang genug da- um das Signal zu entdecken. Das ist sehr unwahr- wir noch nichts gefunden haben. Die Seti-For- rauf bestanden, dass Sie ihn finden. scheinlich. Wenn man so ein Projekt ernsthaft schung, die wir seit 50 Jahren betreiben, ist ver- betreiben will, muss man in sehr großen Zeit- gleichbar mit einem Glas Wasser, das wir aus Wie lange wird es dauern, bis jemand an unse- spannen von tausenden Jahren denken. Wenn dem Ozean holen, um dann zu schauen, ob wir rer Tür klingelt? dann eine andere Zivilisation beginnen würde, einen Fisch gefangen haben. Nichts drin? Wir Tarter: Das kann ich nicht sagen. Es könnte sehr ihre Werkzeuge zu benutzen, um nach uns zu su- haben einfach noch nicht genug gesucht. lange dauern – oder morgen passieren. ZUR PERSON Jill Tarter ist amerikanische Astronomin und war bis 2012 Direk- torin am Seti (Search for Extraterrestrial Intelligence) Institut in Mountain View, Kalifornien. Derzeit hält sie den Bernard M. Oliver Chair am Seti-Institut. Die 1944 geborene Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Pu- blikationen leitete etliche Observationsprogramme und wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Lifetime Achievement Award der Women in Aerospace. Kürzlich erschien die Biografie „Making Contact“ von Sarah Scoles bei Pegasus. Jill Tarter auf einer Plattform des Arecibo- Observatoriums in Puerto Rico, eines der Radioteleskope, die sie bei ihrer Suche nach extraterrestrischen Zivilisationen nutzte. Foto: Getty Images / The Life Images Collection / Acey Harper 22 MAGAZ IN FORSCH UNG
LEBEN FERN DER ERDE Tagesanbruch auf dem Mars. Er wird bald neuen Besuch erhalten – vorerst von Robotern. Illustration: Nasa/JPL-Caltech Roter Planet, toter Planet? Die Bedingungen auf dem Mars sind äußerst lebensfeindlich. Das war freilich nicht immer so. Astrobiologen spekulieren, dass marsianisches Leben sogar früher entstanden sein könnte als jenes auf der Erde. Zwei aktuell bevorstehende Missionen stehen ganz im Zeichen der Suche nach Lebensspuren. Mikroben mit Vorliebe fürs Extrem könnten für eine Überraschung sorgen. TEXT: ROBERT CZEPEL Zur Zeit des Kalten Krieges erzählte man sich in Marsoberfläche während einer Sonneneruption Russland folgenden Witz: „Gibt es Leben auf passiert. „Da wird es – radioaktiv gesehen – dem Mars? Nein, dort auch nicht.“ Dem kapita- ziemlich heiß. Für Leben sieht es unter diesen listischen Kontrahenten aus Übersee blieb es Bedingungen schlecht aus.“ vorbehalten, die Pointe naturwissenschaftlich Das war nicht immer so. In Urzeiten war der zu untermauern: Die Viking-Mission der Ame- Mars der Erde nicht unähnlich. Da gab es ver- rikaner porträtierte den Mars in den 1970ern mutlich Seen oder Meere, eine dichtere Atmo- als kalten, trockenen und ausgesprochen un- sphäre und vielleicht auch nährstoffreiche wirtlichen Planeten. Jüngere Untersuchungen Zonen, in denen sich einfache Lebensformen bestätigen dieses Bild. Der Mars ist, wie For- entwickeln konnten. Mit Betonung auf „viel- scher der Universität Edinburgh im Juli heraus- leicht“. Sollte es so gewesen sein, gäbe es gefunden haben, von einer antibakteriellen jedenfalls die Möglichkeit, dass das Leben auf Schicht aus Perchlorat und Wasserstoffperoxid dem Roten Planeten Spuren hinterlassen hat. überzogen, die in Kombination mit der UV- Nach solch chemischen Fossilien haben schon Strahlung der Sonne wie ein potentes Desinfek- einige Missionen Ausschau gehalten. Bislang tionsmittel wirkt. ohne Erfolg. Einen Beweis für extraterrestri- „Da der Mars kein Magnetfeld besitzt, kann sches Leben hat man nicht in der Hand. er sich nicht vor kosmischen Einflüssen ab- Das könnte auch daran liegen, dass die bis- schirmen. Er wird permanent von Strahlung her gelandeten Rover für diese große Aufgabe bombardiert“, sagt der österreichische Welt- noch gar nicht gerüstet waren. Curiosity etwa, raumforscher Wolfgang Baumjohann. Der Ro- der seit 2012 rollende Roboter der Nasa, unter- ver Curiosity hat etwa gemessen, was auf der sucht die Marsoberfläche vor allem in geologi- → 23 MAGAZ IN FORSCH UNG
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