Nr. 233 : Sommer 2020 - Rudolf Steiner Schule Basel
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2 | Zum Titelbild Gedicht | 3 Zum Titelbild Die Sonnenblume, franz. « Tour- In der Blüte auf dem Titelbild Prolog im Himmel aus Faust Teil I nesol », ital. « Girasole », dreht sich sind dies 34 nach rechts und 55 nach im Knospenzustand mit der Sonne. links. Die beiden Zahlen gehören zu Raphael : Michael : Die Knospen schauen frühmorgens der sogenannten Fibonacci-Reihe Die Sonne tönt nach alter Weise, Und Stürme brausen um die Wette nach Osten und drehen sich mit und stehen in dieser hintereinander. In Brudersphären Wettgesang, Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer, dem Sonnenlauf bis zum Abend 1 1 2 3 5 8 13 21 34 55 89 144 233 … nach Westen. Im Laufe der Nacht Aus der Fibonacci-Reihe lässt sich Und ihre vorgeschriebne Reise Und bilden wütend eine Kette richten sie sich auf und schauen der Goldene Schnitt ableiten oder Vollendet sie mit Donnergang. Der tiefsten Wirkung rings umher. beim Sonnenaufgang wieder nach auch die Goldene Spirale konstru- Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke, Da flammt ein blitzendes Verheeren Osten. Im Blütenstadium bleibt sie ieren. Ebenso ist das Verhältnis der Wenn keiner Sie ergründen mag; Dem Pfade vor des Donnerschlags; nach Osten gewendet und dreht nebeneinander stehenden Zahlen sich nicht mehr mit. immer annähernd die Zahl Phi : Die unbegreiflich hohen Werke Doch deine Boten, Herr, verehren Im Blütenkorb zeigen sich stei- 55 : 34 = 1,6176 (233 : 144 = 1,61805). Sind herrlich wie am ersten Tag. Das sanfte Wandeln deines Tags. lere und flachere Bögen, die nach So offenbart uns die Sonnen- links und nach rechts laufen. Zählt blume einen Einblick in die ver- Gabriel : Zu drei : man alle Bögen, stellt man fest, dass borgene Weltenharmonie. Und schnell und unbegreiflich schnelle Der Anblick gibt den Engeln Stärke, die Anzahl der rechtsdrehenden un- Dreht sich umher der Erde Pracht; Da keiner dich ergründen mag, Sandra Bloch gleich der Anzahl der linksdrehen- Es wechselt Paradieseshelle Und alle deine hohen Werke den ist, aber immer steht die Anzahl der Bögen in einem bestimmten Mit tiefer, schauervoller Nacht. Sind herrlich wie am ersten Tag. Verhältnis zueinander. Es schäumt das Meer in breiten Flüssen JOHANN WOLFGANG VON GOETHE Am tiefen Grund der Felsen auf, 1749 – 1832 Und Fels und Meer wird fortgerissen In ewig-schnellem Sphärenlauf.
4 | Editorial Inhaltsverzeichnis | 5 Liebe Leserin, lieber Leser Inhaltsverzeichnis Richten wir unseren Blick mit einer vom Frühjahr bis zum Sommer, an Schwerpunkt musikalisch gestimmten Seelenver- dem wir unser Naturbewusstsein ent- Anmerkungen zum Unterrichtsfach Musik 6 fassung auf die Natur, so können wir wickeln können, bis im August, als erleben, wie sich die Keimblätter se- Vorboten des schon nahenden Einat- Ensembles, Orchester und Chöre an unserer Schule 13 kundartig tastend aus ihrem primhaft mens, der Meteorstrom der Perseiden Der Musikunterricht in der ersten bis dritten Klasse 17 Verborgenen der Erde strecken, sich, uns mahnt, das Naturbewusstsein Interview mit einem ehemaligen Schüler 22 wie in einer Dur-Terz, der Blattwuchs umzuwandeln in ein Selbstbewusst- Chor der Steinerschule Basel – Mitsingen erwünscht 32 atmend entfaltet und sich mit der sein, das uns die Kraft gibt, willent- Ein Lied 35 Bildung der Knospe ein vorläufiger lich und in Freiheit zu wirken. Abschluss formt, vergleichbar der So wie das grosse Aus- und Ein- Vom Zwischenraum und der unhörbaren Musik 36 Quart. Wie durch einen Null- oder atmen der Erde durchpulst wird von Portrait der Freien Musikschule Basel 44 Wendepunkt, eine Pause, stülpt sich den vier Jahreszeiten, so wird jeder Schulleben die Kraft um und wirkt nun von aus Atemzug durch vier Pulsschläge sen. Vom Kosmos angezogen, öffnen rhythmisiert. « Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum » 48 sich die Kelchblätter quintartig, die Viele unserer künstlerischen Pro- Chronik Blütenblätter erstrahlen in ihren viel- jekte mussten in diesem Jahr ausfal- Die Stimmen der Geigen – klassisch versus elektrisch 50 fältigsten Farbklängen der Sextstim- len, so auch unser grosses Orches- Mathematik-Förderlager vom Februar 2020 – Ein Rückblick 54 mung, die Staubgefässe verströmen terkonzert. Umso mehr freut es mich, septimisch ihren betörenden Duft, dass ich Sie zu einer Sinfonie von GEH RAUS-Projekt. Rückblick auf die erste Skitour 56 bis dann im weiteren Verlauf sich in musikalischen Beiträgen in dieser Bauvorhaben der Oktave, auf einer neuen Stufe, ein Ausgabe einladen darf. Baubegehren am 29. April eingereicht 58 neues Leben im Samen birgt. Sandra Bloch Das grosse Ausatmen der Erde Anzeigen 60 Redaktion Mitteilungen steigert sich in einem Crescendo Kleinanzeigen 67 Ansprechstellen 68 Impressum 71
6 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 7 Anmerkungen zum Unterrichtsfach Musik « Indem wir nun musikalisch tätig werden, tragen wir zugleich Bewusstsein in unsere seelische und geistige Erlebniswelt, weil wir fortwährend verfolgen, wie die musika- lischen Kräfte auf unser Seelenleben wirken, wie unser Empfinden mit diesen Kräften korrespondiert. » Wolfgang Wünsch, aus « Menschenbildung und Musik » In diesem kleinen Aufsatz soll ein lungsbeziehungen exemplarisch det grössere Tonsprünge. Wer mit sik vollzieht. Der Klangraum der Aspekt beschrieben werden, welcher darzustellen, ohne den Anspruch «wachem» Interesse sich dieser Mu- Quintenstimmung ist eben auch mit dem Bemühen zusammenhängt, zu erheben, eine allgemein gül- sik widmet, seien es nun gregoriani- ein «behutsamer Klangraum ». Das im Musikunterricht an einer Stei- tige Methode daraus entwickeln sche Choräle oder die erstaunlichen musikalische Ereignis kann mit nerschule in jeder Altersstufe den zu können oder gar methodische Gesänge der Hildegard von Bingen, Hilfe verschiedener Instrumente Schülerinnen und Schülern einen Erläuterungen zu geben. Es ist ein wird es nur mit Hartnäckigkeit ver- bildhaft entstehen. Den Beginn ei- Hör- und einen Klangraum zu er- musikpädagogischer Denkansatz, meiden können, sich der atmenden nes Tages, einen Sonnenaufgang mit möglichen, entstehen zu lassen, an- nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ruhe dieser musikalischen Ereig- Kantelen, Klangstäben und Gongs zubieten. Dieser Aspekt beinhaltet nisse entziehen zu können. In Be- musikalisch zu schildern, Triangeln, zugleich die Dimension des musi- Dem Himmel nah. Die Musik zug auf die Musikpädagogik spricht die das Läuten von Kirchenglocken kalischen Ereignisses wie auch die des Mittelalters. 1. und 2. Klasse Rudolf Steiner von der Quintenstim- aus der Ferne beschreiben, vielleicht Spiegelung der mitteleuropäischen Es kann natürlich überhaupt nicht mung: «Der Mensch fühlte sich im- etwas zeitversetzt, ein Lied, das aus Musikgeschichte in der seelisch-geis- darum gehen, Gregorianische Ge- mer fortgehen in diesem Musik-Er- dieser Stimmung gesungen werden tigen Entwicklung der Kinder und sänge, die etwa 300 Jahre die Ent- leben und wieder zu sich kommen. kann. – Diese musikalische Stim- Jugendlichen, vom Mittelalter bis in wicklung der mittelalterlichen Musik Die Quinte war etwas, was Ein- und mung erhält ihre Impulse aus der die Neuzeit, beziehungsweise von massgeblich prägten, mit Kindern Ausatmen begriff.» (R. Steiner, aus Phänomenologie der Musik des der ersten bis zur zwölften Klasse. auf und ab zu singen, sondern in der « Das Tonerlebnis im Menschen ») Mittelalters, insbesondere des frü- Dies ernst zu nehmen bedeutet musikalischen Arbeit mit ihnen die Aus Quinten ist die pentatonische hen Mittelalters und kann sich im im Schulalltag so viel wie nur mög- musikalische Geste dieser Epoche Tonskala gebildet, die eine Grund- Musikunterricht der beiden unteren lich die Bezüge zu suchen, aber zu- in die Unterrichtsmethode mit ein- lage für das Musizieren in den ers- Klassen vergegenwärtigen. gleich auch den Schulalltag diesbe- zubeziehen. Es ist vor allem, nicht ten beiden Klassen bilden kann. Der In diesem Zusammenhang sollte züglich zu hinterfragen, im gestun- ausschliesslich, eine melodische pentatonische Tonraum ermöglicht das Flötenspielen in den ersten deten Zeittakt Musik als ein Ereignis Geste – einstimmig, grundtonlos, ein atmendes Musizieren, welches Schuljahren tatsächlich hinterfragt erlebbar werden zu lassen. Ereignis schwebend, noch nicht ganz von aus der Ruhe seine Ereignishaftig- werden, es wäre an der Zeit. bedeutet in diesem Zusammenhang, dieser Welt, dem Himmel verbunden, keit entwickelt. Erstaunlich ist ja, in mit den Schülerinnen und Schülern in gewisser Weise der Zeitstruktur welchen, im Vergleich zu den folgen- Das Entdecken der Mehrstim- « altersgemäss » auf phänomenologi- enthoben. Metrum und Takt spielen den Epochen der Musikgeschichte, migkeit. Die Vokalpolyphonie. sche Entdeckungsreisen zu gehen. in dieser Musik keine wesentliche langsamen, fast könnte man sagen 3. und 4. Klasse Im Folgenden wird nun der Rolle. Der melodische Verlauf ist behutsamen Schritten sich die Ent- Es ist möglich, aus den Phäno- Versuch unternommen, Entwick- übersichtlich, fliessend und vermei- wicklung der mittelalterlichen Mu- menen der sich anschliessenden
8 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 9 Epoche der Vokalpolyphonie in der Ciconia (man kann das Stück auf aus diesem Entwicklungsverlauf – Die Barockzeit ist auch das Zeit- Zeit der Renaissance Entsprechun- Youtube herunterladen), in welcher die Aufgabe der Musikpädagogik alter der Vielfalt musikalischer For- gen im Musikunterricht der 3. und sich im Verlauf der ersten Takte das wäre es, diesem Raum und Zeit zu men : Oper, Oratorium, Kantate als 4. Klasse zu finden. Wie oben schon Ereignis der Mehrstimmigkeit ent- geben. Vokalgattungen, Suite, Sonate, Sin- geschrieben, kann es natürlich über- wickelt und vollzieht. Im Übrigen Den harmonischen Gegebenhei- fonia, Concerto, Fuge als Beispiele haupt nicht darum gehen, sich an lohnt es sich, das Stück bis zum ten der Kirchentonarten entspre- neuer Instrumentalformen. der hoch komplexen Mehrstimmig- Ende oder sogar mehrmals zu hören. chen sehr viele Volkslieder aus Süd- In der 5. und 6. Klasse beginnt keit von Guillaume Dufay, Johannes Es bietet einige Überraschungen für osteuropa, insbesondere Ungarn nun auch die eigentliche Orches- Ockeghem oder Orlando di Lasso die aufmerksame Hörerin und den (Bartók, Kodály) und Skandinavien, terarbeit. Dem Denkansatz dieser zu versuchen. Das ist, wenn über- aufmerksamen Hörer. aber auch im deutschsprachigen Darlegungen folgend, wäre es bis haupt, nur in den letzen Jahren der Der gregorianische Choral des Raum ist einiges zu finden. Ver- dahin eigentlich « noch nicht an der Oberstufe möglich. Mittelalters wird in den Komposi- weisen möchte ich auch auf die Zeit » gewesen, wobei nun wirklich Im Laufe der ca. 200 Jahre der tionen der Meister der Vokalpoly- Kompositionen einer Generation gar nichts gegen das instrumentale Vokalpolyphonie vollzieht sich die phonie in einer äusserst flexiblen von Musikern, denen die Musik- Musizieren schon bereits in einer Entwicklung zur funktionalen To- Art und Weise noch lange präsent pädagogik sehr am Herzen lag 4. Klasse einzuwenden ist. Aller- nalität, deren Ziel es ist, das har- sein, wie auch die Quintenstim- und die weitestgehend aus diesem dings muss auch gesagt werden, monische System von Dur und mung der ersten beiden Schuljahre Kontext leider verschwunden sind : dass das instrumentale Zusam- Moll vorerst fragmentarisch zu ihren grossen Erinnerungswert Cesar Bresgen, Jens Rohwer, Armin menspiel einen sensiblen Hörraum etablieren und damit die Barockzeit bewahren und dieser sich verwan- Knab u. a. Auch ist das wunderbare verlangt, dessen Grenzen nicht zu « einzuläuten ». deln kann, in eine altersgemässe Liederheft von Wolfgang Wünsch sehr strapaziert werden sollten. Kennzeichnend für diese Epo- Empfindsamkeit, den Hörraum der « Weiss mir ein Blümlein blaue », in (Fast könnte wieder « das Flöten » che ist, bezüglich der harmonischen Mehrstimmigkeit zu entdecken. welchem die polyphone Mehrstim- ein Thema werden.) Gegebenheiten, das Musizieren in Insbesondere in der 3. Klasse migkeit für die 4. und auch 5. Klasse Wiederum geht es nicht darum, den sogenannten modalen Ton hat man es mit einer Übergangs- in äusserst kunstverständiger Art sich ausschliesslich der Barock- arten, auch als Kirchentonarten situation zu tun, die auf die Musik bearbeitet ist, sehr zu empfehlen. musik zu widmen, aber die in sich bezeichnet, und die polyphone bezogen mit dem Begriff der Quar- veranlagte Vielfalt einer Suite ei- Mehrstimmigkeit. tenstimmung bezeichnet werden Die hohe Zeit des Musizierens. nes barocken Kleinmeisters könnte Zum einen bedeutet das, dass kann. Die Quart kann sich in zwei Die Barockzeit. 5. und 6. Klasse der ersten Orchesterarbeit « Flügel diese Epoche in eindrucksvollen Intervallqualitäten auflösen, ent- Der musikalische Wandel um verleihen ». Die Dynamik der Ge- Schritten sich auf «unser » Dur-Moll- weder nach oben in die « vergan- 1600 in die Barockzeit ist in erster gensätzlichkeit vorbarocker Mehr- System mit dem Grundtonbezug gene Quint » oder nach unten in die Linie mit der Emanzipation der chörigkeit, wie sie um 1600 im Dom und der Leittönigkeit hinbewegt, kleine oder grosse Terz, also in die Instrumentalmusik von der Vo- von Venedig praktiziert wurde, und zum anderen, dass die polyphone « Zukunft der Dur-Moll-Tonalität ». kalmusik und der Etablierung der die sich auch auf die unterschied- Mehrstimmigkeit eine lineare, melo- Sie pendelt, bildlich gesprochen, Dur-Moll-Tonalität verbunden. Die lichen Klangqualitäten einzelner dische Mehrstimmigkeit ist und die zwischen « Himmel und Erde ». In Barockzeit ist das rationale Zeitalter Instrumentengruppen (Streicher, akkordische dreiklangsbestimmte dieser Entwicklungsspannung be- der Wissenschaften, das musikalisch Bläser) bezog, ist in modifizierter Mehrstimmigkeit aus ihrem Ver- findet sich das Kind, wie auch in im geordneten System der funktio- Form in der Schulpraxis sehr gut lauf heraus entwickelt. Ein sehr ein- gewisser Weise die musikgeschicht- nalen Harmonielehre seine Entspre- anwendbar. drucksvolles Beispiel dafür ist die liche Epoche der Vokalpolyphonie. chung hat. Das Intervall der Terz Die musikalische Ereignishaftig- Motette « O, Padua » von Johannes Die Ereignishaftigkeit ergibt sich « entscheidet » über Dur oder Moll. keit wird sich aus dem Empfindungs-
10 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 11 potenzial der Tongeschlechter Dur die so genannte Terrassendyna- aus den Augen verloren. Man mag schliesslich an den « Klassikern zu und Moll und aus der Lebendigkeit mik, den übergangslosen Wechsel einwenden, dass gerade Joseph kleben ». und der Freude an mannigfaltigsten von forte und piano, verbunden mit Haydn den allergrössten Teil sei- Authentizität drückt sich bei- musikalischen Ausdrucksmöglich- dem Begriff des Monoaffekts, des nes Lebens in fürstlichen Diensten spielsweise in den Spirituals und keiten orientieren. Mehrstimmiges « Entweder-Oder ». stand und gewissermassen « auf Gospels aus, in den Friedens- und Singen (nun auch vermehrt in der Ein Crescendo impliziert den Befehl hin » komponieren musste. Protestliedern der vergangenen akkordischen Mehrstimmigkeit), Willen zur musikalischen Gestal- Seine grössten Werke allerdings, die Sechziger Jahre. (Sehr gute Erfah- kleine Kantaten, Singspiele und nun tung. Das musikalische Ereignis « Londoner Sinfonien » und seine rungen habe ich vor einigen Jah- endlich auch das Kanonsingen und vollzieht sich durch die Qualitäten beiden Oratorien « Die Schöpfung » ren mit einer Blues-Epoche in der vieles mehr – alles Möglichkeiten, einer inneren, in gewissem Sinne und « Die Jahreszeiten », schrieb er 9. Klasse gemacht.) Es ist Musik, die offensichtliche Freude an der Musik selbstbewussten Empfindsamkeit, in finanzieller Unabhängigkeit, als ihren Ursprung in der existenziel- und am Musizieren zu haben. Baro- die es nun im Musikunterricht zu Pensionär. Es ist die Zeit der unmit- len Auseinandersetzung mit den cke Leichtigkeit und Heiterkeit im wecken, sensibilisieren und kulti- telbaren Folgen der Französischen gesellschaftlichen und politischen übertragenen Sinne (ich weiss sehr vieren gilt. Die physisch-seelische Revolution, eine Zeit des Aufbruchs. Umständen hat und der jegliche fal- wohl, dass die Barockzeit auch sehr Entwicklung ist ein Prozess der Indi- Der Prozess der Individualisie- sche Sentimentalität fremd ist. Sie dunkle Schattenseiten hatte) sollte vidualisierung, der seinen Blick nun rung ist auch ein Ringen um Au- ist mit einem zukunftsorientierten den Musikunterricht «durchwehen». nach innen richtet. Rudolf Steiner thentizität und Zugeständnisse, im Anliegen verbunden, wie die letzten Es ist in diesen Schuljahren so vieles spricht in diesem Zusammenhang Physischen wie auch im Seelischen, Zeilen aus dem Chor der Neunten möglich und für den Musikunter- davon, dass jetzt, in diesem Alter, und es ist sicherlich nicht « daher- Sinfonie von Ludwig van Beetho- richt, und wahrscheinlich nicht nur « der Musiker geboren wird ». geholt », im Musikunterricht die drei ven : « … alle Menschen werden Brü- für diesen, kann es ja nur darum Es ist nicht zu erwarten, dass Wiener Klassiker auf verschiedene der, wo dein sanfter Flügel weilt. » gehen, diese « unbeschwerte Zeit » diese « unbewusste Sphäre der In- Art und Weise zu behandeln. Wa- auszukosten und zu nutzen, Klang- nenempfindung » (Peter Michael rum nicht die Freiheitsoper « Fide- Der Weg der bewussten und Hörraum aus dieser Leichtig- Riehm) unmittelbar oder in zeit- lio » von Beethoven in der 9. Klasse. musikalischen Gestaltung. keit entstehen zu lassen. licher Nähe nach aussen hin sich Und gehört die « Zauberflöte » oder Die Romantik und der Ausblick zu einer bewussten, « durchseelten » manch andere Mozart-Oper nicht in die Moderne. 10. – 12. Klasse Authentizität. Die Wiener musikalischen Gestaltung offenbart. auch, oder auch wieder, in diese Es geht nun darum, Musik zu den- Klassik. 7. – 9. Klasse Auch das « Crescendo-Problem » Klassenstufe, wollte man ihr, so wie ken, « seelisch zu denken », aus dem Interessant ist das Phänomen, dass wird sich erst im Verlauf der Ober- es möglich ist (und was im Übri- Prozess der subjektiv-seelischen es kaum möglich ist, mit einem Mit- stufe lösen können. gen nicht zwangsläufig zu einer Empfindung in ein, wie es Riehm telstufenorchester ein Crescendo Im übertragenen Sinne ist diese Aufführung führen muss), der ihr formuliert, « vorgeahntes Bewusst- zu entwickeln, also einen musika- oben angedeutete Individualisie- innewohnenden musikalischen seinslicht herauszuführen ». Es geht lischen Prozess der allmählichen rung an den Kompositionen der drei Ereignishaftigkeit gerecht werden. um die Auseinandersetzung mit ob- dynamischen Gestaltung und Dif- grossen Meister der Wiener Klas- Insofern ist auch wieder so viel jektiven musikalischen Qualitäten ferenzierung. Die Musikgeschichte sik Haydn, Mozart und Beethoven möglich, der inneren selbstbewuss- der Romantiker, es geht um die Be- kennt dieses Gestaltungsprinzip seit ablesbar, die in ihrem Bestreben ten Empfindsamkeit, dem veran- ziehung von Wort und Ton in deren der Zeit um 1750, also dem Ende nach künstlerischer Freiheit und lagten musikalisch-künstlerischen Vertonungen, es geht, um noch ein- der Barockzeit und dem Übergang Eigenständigkeit zwar, historisch Gestaltungs- und Entwicklungspo- mal Peter Michael Riehm zu zitieren, in die nächste Epoche der Wiener bedingt, verschiedene Wege gin- tenzial zu entsprechen, wobei es um « das Sich-Lösen-Können von Klassik. Vorher praktizierte man gen, das eigentliche Ziel aber nie wiederum nicht darum geht, aus- subjektiv träumender Innenverhaf-
12 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 13 tung durch den Willen, Kunst zu Kunsterkenntnis werden zu lassen ». Was wäre diesbezüglich nicht alles über die « Winterreise » von Ensembles, Orchester und Kurz, es geht im weitesten Sinne um den hohen Anspruch musika- lisch-ästhetischer Erziehung. Franz Schubert zu berichten, über die « Dichterliebe » von Schumann oder die « Mörike-Lieder » von Hugo Chöre an unserer Schule Ein Beispiel : Liederkreis op. 39 Wolf. Die Musik hat an unserer Schule eine lange Tradition. Sowohl im regulären Musikun- von Robert Schumann. Diese Ver- Im Rahmen der Musikge- terricht als auch als Begleitung bei Aufführungen belebt und fördert sie die Gemein- tonungen von zwölf Gedichten von schichtsepoche in der 11. Klasse ist schaft. Mit einem neu erarbeiteten Konzept starten wir freudig ins nächste Schuljahr. Joseph von Eichendorff sind Minia dann auch die Möglichkeit gegeben, turen höchster musikalischer In- sich der Musik des 20. und 21. Jahr- An unserer Schule wird das In Ensembles und Orchester in den tensität. Im Lied « Die Mondnacht », hunderts zu widmen: Debussy, Ives, strumentalspiel schon in den ersten verschiedenen Klassenstufen Inbegriff des romantischen Kunst- Cage, Webern, Schostakowitsch, Jahren gefördert. Nach einer Ein- liedes, stellen sich die ersten beiden Pärt. führung mit der Blockflöte durch Fünfte Klasse Strophen in einer zwar poetischen, Abschliessend sei gesagt, dass die Klassenlehrperson werden die In der fünften Klasse gibt es pro doch aber objektiven Naturbe- hier nur ein Aspekt beschrieben Schülerinnen und Schüler ab der Klasse ein Orchester. Zum ersten trachtung dar. Die dritte Strophe worden ist : der Weg des Unter- dritten Klasse dazu ermuntert, sich Mal spielen alle Schülerinnen und wechselt nun die Perspektive : « Und richtsfaches Musik durch die jeweili- ein eigenes Instrument zu wählen. Schüler der Klasse zusammen im meine Seele spannte / Weit ihre gen Klassenstufen in Parallelität von In der fünften Klasse finden sich Orchester. Das ist eine grosse He- Flügel aus / Flog durch die stillen Phänomenen der Musikgeschichte dann alle zu einem Klassenorches- rausforderung, denn gemeinsames Lande / Als flöge sie nach Haus ». und der leiblich-seelisch-geistigen ter zusammen. Dieses Zusammen- Spiel erfordert andere Fähigkeiten Durch eine kleine, entscheidende, Entwicklung des Kindes und des spiel gehört, durch die verschiede- als das Einzelspiel im Privatunter- harmonische Wendung am Ende jungen Menschen, im Sinne der an- nen Orchester der sechsten, siebten richt. Zusammen anfangen, zu- des Liedes wird überdeutlich, dass throposophischen Menschenkunde. und achten Klassen, zum Lehrplan. sammen aufhören, gemeinsames die Heimat der Seele sehr weit zu Es schien mir aber nicht abwegig, Erst ab der neunten Klasse dürfen Tempo behalten, gemeinsam Fein- denken ist. Im Klaviervorspiel des die « Signatur der Behutsamkeit » unsere Schülerinnen und Schüler, heiten erarbeiten. Um das zu er- zehnten Liedes « Zwielicht » ent- des Musikunterrichts immer wie- zusammen mit ihren Eltern, ent- reichen, muss man einerseits die steht durch die Schichtung ein- der zu betonen. scheiden, ob sie in der Schule mit eigene Stimme sicher beherrschen zelner Stimmen eine, dem Inhalt « Musik ist ein Teil der allgemei- dem Instrument weitermachen oder und andererseits die Fähigkeit ent- des Liedes entsprechende, diffuse nen Bildung und sollte als Beitrag in den Chor gehen. wickeln, auf die Mitspieler zu hö- Stimmung, die sich, fast ein wenig zur Rettung der Menschen aner- Warum ? Weshalb ist uns das En- ren. Als Literatur dienen zunächst trotzig, harmonisch einfach auflöst kannt werden. » Yehudi Menuhin semblespiel so wichtig ? Es unter- bekannte Kanons, dann folgt ein- und dann die Vokalstimme mit ei- stützt nicht nur die Entwicklung so- fache Zweistimmigkeit, bis wir ge- Klaus Jacobeit nem Tritonus beginnen lässt, «voller zialer Fähigkeiten, wie Achtsamkeit, gen Ende des Jahres mehrstimmig Musiklehrer Furcht ». Die unglaubliche Ruhe des Toleranz, Hilfsbereitschaft, sondern spielen können. siebten Liedes « Auf einer Burg » – fördert auch das Selbstvertrauen Aufgabe : Kann ich mitten im alles grosse musikalische Ereignisse, und die Freude am gemeinsamen Stück aufhören, auch wenn ich die in ihren wunderbaren, oft ex- Tun. Nicht zuletzt bieten das Spie- nicht die Melodie spiele, und pressiven Nuancen eines immer len eines Instrumentes und das Sin- dann an der richtigen Stelle wie- mehr geschulten inneren Hörraums gen einen Ausgleich zu den eher der einsetzen ? bedürfen. kopflastigen Unterrichtsfächern.
14 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 15 Sechste Klasse – 6tel Orchester f erenziert und durchmischt, sodass sammenspiel. An Literatur werden In der sechsten Klasse gibt es zwei in der Regel Saiteninstrumente eine jetzt mehr und mehr speziell für diese gemischte Ensembles und eine Gruppe bilden und Blasinstrumente Gruppen komponierte Werke gespielt. Altflötengruppe. In dieser Klassen- mit den (melodischen) Schlagin Auf musikalische und technische He- stufe werden die beiden Klassen strumenten eine andere. Dadurch rausforderungen im Instrument kann schon etwas nach Instrumenten dif- kann feiner an der Klangqualität genauer eingegangen werden. gearbeitet, das eigene ausdrucks- Für die Schülerinnen und Schü- volle Spiel vertieft geübt werden. ler, die ohne Instrumentalerfahrung Schülerinnen und Schülern, die neu an unsere Schule kommen, gibt neu in die Klassen kommen und es die Gruppe Stimme. Hier setzen noch kein Instrument spielen, bie- wir uns auf vielfältigste Weise mit ten wir die Möglichkeit Altflöte zu dem Thema Musik auseinander: mit lernen und damit erste Erfahrungen Singen, Instrumentenbau, rhyth- im Zusammenspiel zu machen. mischen Übungen, Musiktheorie, Aufgabe : Kann ich mich selbst Biographien und vielem mehr. gut hören und meinen Ausdruck In diesen beiden Jahren wird es und meine Lautstärke an das ge- für manche Schülerinnen und Schü- samte Ensemble anpassen ? ler schwierig, weiterhin regelmässig ihr Instrument zu üben. Manchmal Siebte und achte Klasse – 7/8tel ist es nur das Schulorchester, in dem Orchester und Stimme sie einmal in der Woche spielen, das In diesen Klassenstufen wird noch ihnen das Weiterspielen ermöglicht. weiter differenziert, spezifisch nach Durchhaltevermögen, Selbstdiszi Instrumenten. Jetzt gibt es vier ver- plin und Selbstorganisation werden schiedene Ensembles : Das Strei- hier in besonderem Masse geübt. cherensemble, dort spielen Geigen, Ein wichtiges Element in diesen im Oberstufenorchester weiterma- Bratschen, Celli und Kontrabässe; beiden Jahren ist die einwöchige chen wollen oder andere Schwer- das Saitenensemble mit Gitarren Epoche. Im Hauptunterricht übt punkte setzen. Vier Jahre lang wer- und Harfen, das Bläserensemble jedes Orchester für sich, am Ende den sie sich kleinere und grössere mit Querflöten, Oboen, Klarinetten, der Woche gibt es ein Konzert. Im Werke der Weltliteratur erarbeiten Saxophonen, Fagotten, Trompeten, täglichen Übprozess zeigt sich ganz und dabei im Zusammenspiel über Hörnern und Posaunen und das Flö- schnell der erzielte Fortschritt und sich hinauswachsen. Zwei Orches- tenensemble mit Sopran-, Alt- und die Schülerinnen und Schüler kön- ter werden zunächst getrennt ge- Tenorflöten und Akkordeon. nen stolz gemeinsam musizieren. führt : Die Streicher und die Bläser, Fortgeschrittene Klavierspie- die aber immer wieder sinfonisch ler und Schlagzeuger werden so Neunte bis zwölfte Klasse – 9 /12tel zusammenspielen. weit wie möglich in die Orchester Orchester Jedes Jahr gibt es zwei Höhe- integriert. Am Ende der achten Klasse ent- punkte. Zum einen das Bazarkon- Die meisten Mitspieler haben scheiden sich unsere Schülerin- zert, für das zwei Wochen lang in- schon zwei Jahre Erfahrung im Zu- nen und Schüler bewusst, ob sie tensiv geprobt wird. Hier wird in der
16 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 17 Regel auch mit dem Oberstufenchor ein grösseres Werk aufgeführt. Zum das Gefühl von Lebensfreude und Glück. Der Musikunterricht in der anderen die Orchesterreise, auf der eine Woche intensiv in einem Ju- gendheim geprobt wird, und die Zehnte bis zwölfte Klasse Der Oberstufenchor bildet den Hö- ersten bis dritten Klasse mit mindestens zwei Konzerten ih- hepunkt von zehn bis zwölf Jahren Als langjährige Klassenlehrerin an unserer Schule berichtet Claudia Zaeslin von ihren ren Abschluss findet. Dort kommen gemeinsamen Singens. Jetzt können Erfahrungen, wie die Musik in den ersten Schuljahren an die Kinder herangeführt neben der Musik auch Spiel, Spass auch hier bedeutende, gehaltvolle wird. Auch heute ist sie noch unterstützend in der Unterstufe tätig. und Kultur nicht zu kurz. Werke aus der Chorliteratur erar- beitet und beim Bazarkonzert zur Wenn die Kinder in die Schule Wir können das üben, wenn Chöre Aufführung gebracht werden. kommen, haben sie schon erste wir zum Beispiel versuchen, die Musikerfahrungen im Kindergarten wippenden Schritte eines Elefan- Neunte Klasse Gemeinsames Musizieren bereitet gemacht. Sie haben die Musik vor ten nachzuahmen und dazu nicht Wer sein Instrument in dieser Jahr- Freude ! Es stärkt das Zusammen- allem in den Reigenspielen, beim plump, aber mit begleitender Gestik gangsstufe nicht weiterspielen gehörigkeitsgefühl und weist über Tanzen und Singen erlebt. Das Kin- zu klatschen : möchte, besucht den Chor, der als uns als Menschen hinaus. Natür- dergartenkind lebt noch ganz in der Vorchor zur Oberstufe angelegt ist. lich erfordert es auch Disziplin und Bewegung der Gliedmassen, Wille Wer mit schwerem, grossem Schritt, Das mehrstimmige Singen erfordert Durchhaltevermögen, das Ergeb- und musikalischer Ausdruck sind leise auf die Erde tritt, Stimmsicherheit und gutes Zusam- nis ist aber absolut bereichernd für eins. Es bewegt sich leichtfüssig, bist uns allen wohl bekannt, menhören, um ein musikalisches die Musizierenden wie auch für die fast schwebend und hat noch kein grosser, grosser Elefant. Ereignis erleben zu können. Jede Zuhörenden. festes Auftreten. So ist auch sein und jeder Einzelne muss sich inten- musikalisches Erleben noch nicht –‘ –‘ –‘ – Katrin Felber siv einbringen und erlebt dadurch grundtonbezogen, das heisst auf –‘ –‘ –‘ – Musiklehrerin der Erde angekommen. Deshalb ist eine schwebende Tonskala, wie Daran anschliessend die Maus und die der Quintenstimmung (ohne so den Gegensatz von schnell– Dur-Moll-Prägung) oder Pentato- langsam, Spannung–Entspannung nik genannt, der Entwicklung des herausarbeiten. sechs- bis siebenjährigen Kindes angemessen. Man spürt deutlich, Trippel trappel raus, wie diese Tonfolgen die Kinder er- krippel krappel kraus, greifen und in eine musikalische in die Kreuz und in die Quer, Bewegung bringen. Die schweben- schnell vor dem Löchlein her. den Melodiebögen haben eine har- monisierende Wirkung, wenn man ‘‘‘‘– sie richtig handhaben kann. Jedes ‘‘‘‘– starke Rhythmisieren soll vermie- ‘‘‘‘‘‘– den werden, selbst das Klatschen ‘‘‘‘‘– darf nicht mechanisch sein, sondern immer lebendig bewegt.
18 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 19 Wir hören auf den unterschiedli- Das Flötenspiel viel mit der halben Klasse während Zum Unterrichtsablauf chen Klang, wenn wir einmal beim Neben dem Singen wird in der ers- der Malstunden gearbeitet und lang- Bevor wir mit dem Musikunterricht Elefanten mit der hohlen Hand und ten Klasse auch mit dem Flötenspiel sam begonnen mit kleinen Liedern beginnen können, müssen wir die bei der Maus mit den Fingerspitzen begonnen. von ein bis zwei Tönen. Sind die Klasse zuerst in eine konzentrierte klatschen. Dies ist eine grosse Herausforde- ersten Hürden einmal überwunden, Arbeitsstimmung versetzen. Je nach- Diese Anregungen habe ich von rung sowohl für die Kinder als auch so zeigt sich die harmonisierende dem was vorher stattgefunden hat, Paul Schaub erhalten, dem ich in für die Lehrerinnen oder Lehrer und Wirkung des Flötenspiels. Ich habe Pause oder Unterricht, je nach Wo- Bezug auf den Musikunterricht un- muss mit viel Sorgfalt, behutsam es täglich beim rhythmischen Teil chentag oder Wetterlage, sind die glaublich viel verdanke. Er hat mich und langsam eingeführt werden. des Hauptunterrichts eingesetzt Kinder verschieden disponiert, das auch ermutigt, auf diesem Grund- Für die kleinen, ungeübten Fin- und dabei erlebt, wie das Zusam- heisst, wir müssen sie durch eine gedanken von schnell–langsam ger ist es ein grosses Kunststück, die menspielen die Klasse in eine kon- Klatschübung oder ein bekanntes aufbauend, eigene Lieder in der Löchlein auf der Flöte richtig zu tref- zentrierte Arbeitsstimmung bringen Lied in dem noch ungeordneten Quintenstimmung zu erfinden. fen. Auch das gezielte Führen des kann. Dabei wird die Koordination « Durcheinander » abholen und zur Hier ein Beispiel dazu vom Häslein Atems ist schwer und muss fleissig und Geschicklichkeit der Finger trai- Ruhe führen. Eine einfache musikali- und der Schnecke : geübt werden. Ich habe zu Beginn niert, was wiederum eine grosse sche Begrüssung, die von einzelnen Wirkung auf die Gehirnbildung hat. Schülerinnen oder Schülern oder Dies ist auch der Grund, warum wir der ganzen Klasse erwidert wird, ist in den Steinerschulen schon ab der dabei sehr hilfreich. Meist schliesst ersten Klasse mit dem Handarbeits- sich nach der Begrüssung eine Lied- unterricht beginnen. Die Kontrolle folge an. Dabei werden mehrere Lie- des Atems, welche beim Flötenspiel der ohne Unterbruch gesungen. So entscheidend ist, wirkt sich positiv kommen die Kinder durch die Tätig- auf die Entwicklung des « Rhyth- keit in einen musikalischen Strom. mischen Systems » aus (Atem und Aber auch das Zuhören und Blutkreislauf werden gestärkt). Lauschen muss geübt werden und Während im ersten Jahrsiebt der ist ein wesentlicher Bestandteil Aufbau des physischen Leibes un- des Musikunterrichtes. Dazu ein terstützt wird durch das Nachah- Beispiel : men einer gesunden Umgebung, Die Lehrperson geht, auf ei- die als Vorbild dient, werden die nem Klangstab spielend, durch Lebenskräfte im zweiten Jahrsiebt die Klasse. Alle Kinder haben die durch einen künstlerischen Unter- Augen geschlossen. Nun wird der richt, der zwischen Tätigkeit und Schläger bei einem Kind versteckt. Ruhe, Ein- und Ausatmen hin und Die Kinder raten : Wer hat ihn be- her schwingt, gestärkt. In diesem kommen ? Es gilt dabei, auf die Töne Sinne kann der Musikunterricht des Klangstabes zu hören und her- einen wesentlichen Beitrag zur ge- auszufinden, bei welchem Kind sie sunden Entwicklung des Menschen geendet haben. leisten. Eine andere, sehr beliebte Übung ist folgende :
20 | Schwerpunkt Ein Kind steht vor der Türe. Es Einlagen und Improvisationen spielt eine selbst erfundene Melodie ergänzen. Dabei setzen wir ver- (drei bis vier Töne). Danach wie- schiedene Schlaghölzer, Triangel, derholt die Klasse die Tonfolge auf Xylophon, Flöte, Singstimme, Leier «Es ist bei jeder menschlichen Gemeinschaft so, dass aus der Gemeinschaft heraus dem Menschen Kräfte zufliessen, «Es ist bei jeder menschlichen Gemeinschaft so, dass aus der Gemeinschaft heraus der Flöte. Dies kann mit mehreren, und vieles mehr ein. Diese nur mussImpro- « Es ist bei jeder menschlichen Gemeinschaft so, dass aus der Gemeinschaft die Gemeinschaft eine wirkliche Gemeinschaft sein. Man muss sie fühlen, empfinden und erleben.» nur muss die Gemeinschaft eine wirkliche Gemeinschaft sein. Man muss sie füh heraus dem Menschen Kräfte zufliessen, nur muss die Gemeinschaft eine nacheinander spielenden Kindern visationen können später von den Rudolf Steiner Rudolf Steiner wirkliche Gemeinschaft sein. Man muss sie fühlen, empfinden und erleben. » gemacht werden. Dabei entsteht Schülerinnen und Schülern über- Rudolf Steiner … Gemeinschaft gefühlt, empfunden und erlebt. … Gemeinschaft gefühlt, empfunden und erl eine starke Konzentration. nommen werden. So entsteht ein … Gemeinschaft gefühlt, empfunden und erlebt. Beim Hören ist immer auch der freies Musikgespräch. Das ganze Jahr hindurch wurde für den Flohmarkt & Bazar vorbereitet, gewirkt und gearbeitet. Das ganze Jahr hindurch wurde für den Flohmarkt & Bazar vorberei Von diesem grossen geleisteten Einsatz und der wertvollen Das ganzeArbeitJahr leben diese hindurch beiden wurde fürEreignisse. denVon diesem & Flohmarkt grossen geleisteten Einsatz Bazar vorbereitet, gewirktund undder wertvollen Arbeit leb Nachklang wichtig. Gelingt es nach Alle diese Übungen finden in der Sie sind einmalig in ihrer Art und tragen & beleben so auf verschiedenen gearbeitet. Ebenengeleisteten Von diesem grossen unsere Sie sind und Einsatz einmalig in ihrer Art und der wertvollen tragen Arbeit & beleben so auf versch leben einem Lied oder Musikstück kurz ersten und zweiten Klasse in der Schulgemeinschaft. diese beiden Ereignisse. Sie sind einmalig in ihrer Art und tragen & belebenSchulgemeinschaft.so auf innezuhalten und der entschwin- Quintenstimmung statt. Wenn man verschiedenen Ebenen unsere Schulgemeinschaft. Allen Beteiligten gebührt herzlichster Dank für den unermüdlichen Einsatz beim Allen Beteiligten gebührt herzlichster Dank für den unermüd denden Melodie nachzulauschen ? diese konsequent und mit mög- Flohmarkt & Bazar im vergangenen Jahr 2019! Allen Beteiligten gebührt herzlichster Dank für den unermüdlichen Flohmarkt & Bazar Einsatz beimim vergangenen Jahr 20 Wir können dies anregen, wenn wir lichst wenig Ausnahmen gepflegt Flohmarkt & Bazar im vergangenen Jahr 2019 ! BIK – BazarInitiativeKreis BIK – BazarInitiativeKreis am Ende des Liedes nicht einfach hat, ist das Erlebnis umso grösser, BIK – BazarInitiativeKreis sofort weitersprechen, sondern kurz wenn sich der musikalische Klang Hier das sehr erfreuliche finanzielle Netto-Ergebnis von innehalten und mit begleitender raum in der dritten Klasse über die Hier das sehr erfreuliche finanzielle Netto-Ergebnis von Hier das sehr erfreuliche finanzielle Netto-Ergeb CHF 95 744.48 beim Flohmarkt 2019 Geste, zum Fenster hinausschauend, Kirchentonarten bis hin zur Dur- C H F 95 '744 .4 8 be im F lo hm ark t 2 0 1 9 C HF 95'744.48 beim Flohmarkt 2019 CHF 114 652.63 beim Bazar 2019 den Tönen nachhören. Moll-Stimmung erweitert. Mit dem CHF 114'652.63 beim Bazar 2019 CHF 114'652.63 beim Bazar 2019 Sehr hilfreich ist auch ein « Echo » Kanon-Singen leiten wir über zur anzuschliessen (zum Beispiel die Mehrstimmigkeit, ein beglückendes letzten Töne des verklungenen Lie- Erlebnis, das die Lebensfreude der des wiederholen), das einige we- Kinder dieses Alters aufgreift und nige Kinder spielen dürfen. Zuhören und Lauschen üben weiter pflegt. Revolutionär seit bald 100 Jahren Claudia Zaeslin Im Rahmen des « Europäischen Tag des Denkmals » laden wir Sie zu wir auch, wenn wir ein Märchen den Führungen durch unser Schulhaus ein. Der Tag steht schweizweit erzählen und es mit musikalischen unter dem Motto « Weiterbauen ». Thematisiert wird die Architektur und Gestaltung des Schulhauses, die vom international bekannten Ingenieur Heinz Hossdorf mitgeprägt wurden sowie das pädagogische Konzept mit Einblicken in den Schulalltag. Datum : Samstag, 12. September 2020 Treffpunkt : Eingang Schulhaus, Jakobsbergerholzweg 54, 4059 Basel Führung 1 : 11:00 bis 11:45 Uhr Führung 2 : 14:00 bis 14:45 Uhr Künstlerische Präsentation: 15:30 bis 16:00 Uhr Durch das Schulhaus führen : Christoph Standke, Architekt Marc Rohr, Bauberater Kantonale Denkmalpflege Benz Schaffner, Co-Schulvereinspräsident
22 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 23 Interview mit einem ehemaligen Schüler Alejandro Marco-Buhrmester besuchte 12 Jahre die Rudolf Steiner Schule Basel und ist heute ein international erfolgreicher Opernsänger. Seit der Saison 2017/18 gehört er zum festen Opernensemble am Staatstheater Augsburg. Was fällt Dir zu Deiner Schulzeit ich mir ein Klavier und tatsächlich was wie Hauskonzerte gab es bei spontan ein ? bekam ich eines (überraschender- uns nie. Eines ist klar : ohne die Rudolf Stei- weise vom Osterhasen). Mich hat ner Schule wäre ich nie und nimmer der polyphone Klang von Orches- Welche Musik hast Du als Musiker geworden. Aber logisches, tern, Blasmusiken, Orgel und Kla- Jugendlicher « konsumiert » ? didaktisches und methodisches Ler- vier schon immer fasziniert. Eigentlich ein sehr breit gefächertes nen hat mir immer gefehlt – das tut Als kleines Kind bin ich im Dorf Spektrum, und das ist heute noch es bis zum heutigen Tag. bei Feierlichkeiten immer der Blas- so : Queen, Status Quo und die Beat- musik hinterhergelaufen. Später les, aber auch sehr gerne alten Jazz Was waren Deine hatte ich auf meinem Kleiderschrank und Swing. Ich mag Barbra Strei- Lieblingsfächer ? ein altes Röhrenradio stehen. Dort sand, Eartha Kitt oder Frank Sina- Natürlich Musik, Chorsingen, Spra- habe ich mir immer klassische Mu- tra, aber auch Chansons, ethnische chen, erstaunlicherweise Handwer- sik angehört und dazu mit einer Volksmusik, russische, ungarische, ken (erstaunlich deshalb, weil ich Stricknadel meiner Mutter dirigiert. rumänische, aber auch Musik aus heute so gut wie gar nie handwerk- der Renaissance, und ich habe ein lich tätig bin) und Gartenbau. Von Wurde in Deiner Familie Faible für portugiesischen Fado. Letzterem wäre ich heute froh, ich musiziert ? In der Klassischen Musik gibt wüsste zum Wohle meines Gartens Mein Vater war im örtlichen Män- es fast nichts, was ich nicht mag, Augsburg 2019 noch besser Bescheid. ner-Gesangsverein. Die haben in von Barock bis ins 20. Jahrhundert. den 70er Jahren noch grosse Kon- Allerdings habe ich zu manchem Singunterrichts erinnern kann. Was Was mochtest Du gar nicht ? zerte gesungen und an Chor-Wett- erst spät den Zugang gefunden. So ich weiss ist, dass ich tatsächlich Wenn ich ehrlich bin : Eurythmie, bewerben mitgemacht. Zuhause hat konnte ich mich mit Richard Wag- schon damals leidenschaftlich gerne Turnen und Mathematik. er sehr schön Gitarre gespielt, aber ner erst nach meinem Debüt in gesungen habe. Ich konnte es kaum es aufgegeben, als er nicht mehr Bayreuth anfreunden, mit Richard erwarten in den Chor der Oberstufe Wie alle Kinder an der Schule, genug zum Üben kam. Dafür haben Strauss noch später. zu dürfen und habe sogar im Chor hast auch Du mit Blockflöte später meine Brüder diese « Tradi- der Ehemaligen mitgesungen, der angefangen. Was kam danach tion » fortgeführt und als Gitarristen Welche Erinnerungen hast Du damals das grosse Repertoire der und ab wann ? die Jazzschule im St. Jakob besucht. an den Singunterricht und den von Alexander Kressling gesam- Leider fand ich als Kind das Instru- Sie haben heute noch gemeinsam grossen Chor der Schule ? melten russischen und ukrainischen ment doof, ganz im Gegensatz zu eine Band. Meine Mutter hat mit Ich muss ehrlich gestehen, dass ich Volkslieder pflegte. Die Chorkon- heute. Mit neun Jahren wünschte uns Volkslieder gesungen. Aber so- mich nicht mehr an die Anfänge des zerte von Alexander Kressling und
24 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 25 seinem Chor der Universität Frei- der ganzen Klasse, jetzt im Zürcher leiten. Schreiben Sie doch über die wollte aber immer noch Dirigent burg i. Br. waren für mich absolute Opernhaus. Geschichte des Dirigierens, das ist werden. Der Groschen fürs Singen Highlights. Da ging mir das Herz auf auch sehr interessant ». Ja, das habe als Hauptberuf ist erst im dritten und meine Seele fing an zu leuch- Ab wann war für Dich klar, dass ich dann auch als Arbeit eingereicht, Semester meines Studiums gefal- ten, wenn ich das mal so poetisch Du Sänger werden möchtest ? aber ich brauchte doch auch einen len – auch stimmlich ! ausdrücken darf. Erstaunlich spät. Meine beiden bes- praktischen Teil … Da geschah es ten Schulfreunde haben Horn ge- das erste Mal, was mir in meinem Was hast Du nach Abschluss der Welches Instrument spieltest Du spielt und sassen im Schulorchester Berufsleben immer und immer wie- 12. Klasse gemacht ? im Orchester ? neben mir. Für beide war ganz klar, der passiert ist: ich wollte nach links, Nachdem ich die Aufnahmeprü- Als erstes setzte unser damaliger dass sie Musik studieren wollten, aber mein Engel schubste mich fung an der Basler Musik-Akademie und von mir sehr verehrter Musik- was sie dann auch getan haben. Ich nach rechts – und es war immer gut nicht geschafft hatte (wieder so ein lehrer Paul Schaub mich ans Kla- wollte Veterinär werden, sie haben so ! Herr Schaub nahm ein Freijahr. Schubser meines Engels), musste vier und liess mich links das Cello, mich eigentlich erst richtig über- Wir bekamen einen neuen Musik- ich ein Jahr warten, bis ich dann, rechts die erste Geige mitspielen. zeugt, Musik zu studieren. Aber lehrer : Der sagte zu allem Ja und auf Wunsch meines damaligen Ge- Das war ein Desaster ! Spätestens welches Instrument ? Pauke und Amen und ich hatte, was ich wollte. sangslehrers, die Aufnahmeprüfung da wusste ich, dass ich nie genug Schlagzeug wollte ich nicht. Kla- Er nahm mich mit seiner Familie mit am Konservatorium für Musik und üben könnte, um auf dem Klavier vier konnte ich nicht. Also blieb nur in die Sommerferien nach Südfrank- Theater in Bern machen konnte. In zu reüssieren. Zum Glück fand sich Gesang übrig. Aber nur, um danach reich, um mit mir die Partitur von der Zwischenzeit habe ich in einem bald die Gelegenheit, die Pauke im Dirigieren zu studieren. Beethovens Egmont-Ouvertüre zu Burgerladen, den es schon sehr Orchester zu übernehmen und ich studieren. Es stellte sich aber heraus, lange nicht mehr gibt, gejobbt und bekam Unterricht von einem hos- Gab es ein Schlüsselerlebnis zu dass ich als « Babysitter » engagiert viel fürs Leben gelernt ! pitierenden Pauker. Das war meine Deinem Berufswunsch ? worden war, denn er war in den Stunde ! Bald habe ich als Pauker in Tschaikowskys NUSSKNACKER ganzen Ferien nur zwei Tage da und Wie ging es weiter ? allen Jugendorchestern der Nord- am Theater Basel ! Damit war es hatte für mich gar keine Zeit. Nach Ich erhielt schon im dritten Se- westschweiz gastiert, wofür mir definitiv um mich geschehen. Ich den Sommerferien war er krank und mester in Bern ein Stipendium des grosszügigerweise die schuleigenen habe etwa zehn oder zwölf weitere wollte die erste Orchesterprobe aus- MIGROS-Genossenschafts-Bundes. Pauken stets zur Verfügung gestellt Vorstellungen davon besucht, mir fallen lassen, die ich dann spontan Später wollte die MIGROS eine wurden. die Partitur dazu gekauft und einen übernommen habe. Mein Gott war Kinderversion von Rossinis LA Taktstock ! ich naiv ! Aber ich habe das Stück CENERENTOLA (Aschenputtel) Wann hast Du die erste Opern- schlussendlich beim alljährlichen mit dem Titel HERR ROSSINI, WAS aufführung besucht ? Welches Thema hast Du für Adventskonzert des Orchesters diri- KOMPONIEREN DENN DA ? produ- Das werde ich nie vergessen : im Deine Abschlussarbeit gewählt ? giert und ausgerechnet Paul Schaub zieren und ausschliesslich mit Sti- Basler Theater ausgerechnet Wag- Dirigieren. Als ich mit meinem sass genau hinter meinem Rücken; pendiaten besetzen. Ich habe dafür ners PARSIFAL, eine der längsten je Wunsch zu Paul Schaub kam, weil mir ist fast das Herz in die Hose vorgesungen, wurde engagiert, aber geschriebenen Opern und ich war ich ihn als Mentor für meine Ab- gefallen. Nach dem Konzert hat er der Direktor des Konservatoriums 13 ! Das war für ein nervöses Kind, schlussarbeit haben wollte, sagte er mir eines der letzten Exemplare von wollte mir die Fehlstunden nicht wie mich, eine ziemliche Heraus- zu meiner grössten Enttäuschung : Alexander Kresslings Biografie ge- genehmigen. Mein Professor riet forderung. Übrigens mein zweiter « Alejandro, mit 18 sind Sie defini- schenkt und sehr warm gratuliert ! mir, das Konservatorium zu ver- Opernbesuch war ein Jahr später tiv noch zu jung und unerfahren, Erst in dieser Zeit habe ich mit lassen und da mitzumachen, denn wieder PARSIFAL, diesmal mit fast einen ganzen Orchesterapparat zu dem Gesangsunterricht begonnen, ich würde dabei viel mehr lernen …
26 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 27 Schliesslich wurden es 66 gutbe- sel vorgesungen und diesmal mit Er- meine internationale Laufbahn von gibt auch nicht so viele Partien, für zahlte Vorstellungen in der ganzen folg. In Biel habe ich dann mehrere Bayreuth aus ihren Lauf nehmen ! die meine Stimme geeignet wäre. Schweiz und in Liechtenstein plus Rollen gesungen : mein « Opus 1 » Aber mein Horizont hat sich er- eine Fernseh- und Videoversion da- war Marcello in LA BOHÈME, dann Dein Repertoire umfasst un- weitert. Wagner hat mir direkt und von fürs Weihnachtsgeschäft, unter kamen meine ersten zwei Operet- zählige Rollen. Puccini, Rossini, indirekt viele internationale Türen der Regie von Ettore Cella, der in ten und mein erstes Musical : DER Donizetti, Verdi, Mozart, Strauss, geöffnet – von Toronto bis Tokyo, der Schweiz eine Legende unter den SCHWARZE HECHT. Offenbach, um nur einige zu von Madrid bis Norwegen – auch Filmregisseuren war. Ich bekam über einen Agenten nennen. Aber auch Wagner ist für Italienische Opern ! Eine dieser Vorstellungen hör- aus Frankfurt einige Vorsingen an dabei und Musicals. Hast Du ten Verantwortliche des Bieler deutschen Theatern. Geklappt hat einen Lieblingskomponisten ? Du hast auch in Musicals gesun- Stadttheaters und luden ein paar es dann in Essen, wo ich 1989 mein Das fällt mir immer schwer zu be- gen. Warum – wie ist es damit ? aus unserer Truppe zum Vorsingen erstes festes Engagement antrat. antworten. Sicherlich Verdi und Nach Biel kam schon in Essen erst ein. Dabei war auch der Leiter des Nach drei Jahren wechselte ich nach Tschaikowsky, aber auch viele an- eine Musicalrevue, dann eine ganze Opernstudios Basel; er meinte zu Dortmund, wo ich nach drei Jahren dere mehr. Produktion LA CAGE AUX FOLLES mir, ich solle unbedingt für szeni- kündigte, weil mit dem neuen In- auf mich zu. Die wurde dann auch schen und Schauspielunterricht ins tendanten kein Auskommen war. Wie ist das mit Wagner ? noch von Dortmund übernommen, Opernstudio kommen, unabhän- Ich bekam ein sehr lukratives Mu- Nun, wie ich schon erwähnte, tat ich als ich dorthin wechselte, sodass gig davon, ob es in Biel mit einem sical-Angebot, aber mein damaliger mich sehr schwer mit Wagner : zu ich sie insgesamt vier Jahre lang Engagement klappt. Ich habe also Mann (er ist Dirigent) drohte mit wenig Gesang, zu viel Orchester! Es gesungen habe. Anscheinend habe erneut an der Musik-Akademie Ba- « Kündigung », wenn ich die Oper ich meine Sache gut gemacht, denn als Metier verliesse, also lehnte ich es kamen auch Gastengagements ab. Da wollte plötzlich die Komi- für mehrere WEST SIDE STORIES sche Oper Berlin mich haben, wo und in Bielefeld wurde später sogar ich auf keinen Fall hinwollte, da ein Musical über Galileo Galilei mit dort nur Deutsch gesungen wurde, dem Titel THE STARRY MESSEN- und ich wollte doch Italienische GER für mich komponiert. Es hat Oper singen ! Aber mein Engel mir immer Spass gemacht und war schubste mich hin und im vierten vielleicht auch so etwas wie Erho- Jahr, und in meiner wahrscheinlich lung von der Oper. 80. Vorstellung von LA BOH ÈME (auf Deutsch !), wurde ich gehört Wie muss man sich das Leben und für ein Vorsingen in Bayreuth eines Opernsängers vorstellen ? vorgeschlagen. 2001 habe ich dort Ich habe immer versucht, ein ganz meine ersten Schritte im Wagner- normales Leben zu führen, mir das fach gemacht. In der Zwischenzeit Leben nie von meinem Beruf dik- wurde mein damaliger Mann in tieren zu lassen, dieser kann näm- Bielefeld General-Musikdirektor lich sehr einsam machen. Also war und hat mich für sein Ensemble meine Devise : nur wenn mein Le- der Komischen Oper abgeworben. ben stimmt, kann ich meinen Beruf Biel 1988, Jan in DER BETTELSTUDENT Mit diesem festen Standbein konnte Bayreuth 2004, Amfortas in PARSIFAL ausüben, nicht umgekehrt.
28 | Schwerpunkt Schwerpunkt | 29 tur. Eigene Bewerbungen landen halten zu müssen. Und natürlich über seine Puppe, also über die zu meist ungeöffnet im Papierkorb. wächst eine Rolle, die man öfter verkörpernde Figur. Man muss sich Man braucht nicht nur Stimme, singt, mit einem, wie man auch ein vorstellen, dass ein Witz nur dann gute Nerven und eine sehr grosse wenig mit und an der Rolle wächst. rüberkommt, wenn er mit äussers- Portion Glück, man braucht auch ter Präzision und genauem Timing unbedingt einen Agenten, der sich Was bedeuten Dir die Auftritte ? platziert wird. Genauso geht es mit für einen einsetzt. Viele Kollegen machen den Beruf tragischen Momenten : selber in Trä- tatsächlich fürs Rampenlicht, für nen auszubrechen ist unglaubwür- Wie sieht es mit den Proben aus ? das Adrenalin, für die Scheinwer- dig, das Publikum soll zum Weinen Ich bin ein langsamer Lerner, des- fer. Merkwürdig genug, da bin ich gebracht werden ! Es braucht mehr halb sind Proben für mich unglaub- ganz anders : ich bin zwar auf der als eines Stimmbesitzers, um einen lich wichtig im Prozess um die Erar- Bühne ganz in meiner Rolle, aber guten Auftritt zu geben. Es ist bei- beitung einer Partie, physisch und das fühlt sich fast ein bisschen an nah ein Seelenstriptease, der einer inhaltlich. Um eine Partie wirklich wie bei einem Puppenspieler : Der gehörigen Portion Exhibitionismus’ gut zu verkörpern, braucht man als ist zwar auch ganz in seiner Rolle, bedarf. Die Kunst ist das richtige Junger gute Regisseure und Dirigen- verliert dabei aber nie die Kontrolle Mass, das Bewusstsein für die Ge- ten. Später hilft einem dann auch fühle der darzustellenden Figur, für viel die Erfahrung. die man zwar aus dem Lebenstopf der Erfahrungen, des Einfühlungs- Madrid 2008, Kurwenal in Wie gehst Du an eine neue Oper vermögens, der Sensibilität und der TRISTAN UND ISOLDE heran ? Beobachtungsgabe schöpft, aber nie Nun, zuerst einmal kommt das Stu- die eigenen Gefühle eins zu eins Befolgst Du eine bestimmte Dis- dium der Rolle. Dafür haben wir einsetzen sollte, sonst verliert man ziplin zur Pflege Deiner Stimme am Theater sogenannte Korrepetito- die Kontrolle. Und auch das Pub- als Instrument ? ren, also Pianisten, die einem beim likum ist zu 40 % an einem guten Zu meinem grossen Glück konnte Einstudieren der Rolle helfen. Wer Abend beteiligt ! ich mir die Stimme immer als natür- besser Klavier spielen kann als ich, liches Instrument bewahren: Kein kann sich natürlich auch zu Hause Wie ist es mit Lampenfieber ? Durchzug, keine Klimaanlage, keine selber begleiten, was das Einstudie- Ist im Laufe des Lebens wie eine Sonne, immer einen Schal um, vor ren sehr erleichtert. Wenn man eine Welle : es kommt und geht, je einer Vorstellung nicht sprechen, das Rolle schon kennt, dann empfiehlt nachdem, wie viel Erfahrung man sind alles Dinge, von denen ich mich es sich, bei jeder neuen Inszenie- mit der Aufgabe, aber auch dem nie abhängig machen musste. Sänger rung des Stückes so gut es geht auf Aufführungsort und den Partnern neigen zum Hypochonder und Neu- Null zu schalten, damit man offen schon hat. Es gibt Umstände, die rotiker zu werden. Das wollte ich nie! für die Ideen des jeweiligen Regis- einem das Berufsleben erleichtern, seurs sein kann. Man kann aus der und solche, die zur echten Heraus- Wie kommt man zu bereits gemachten Erfahrung mit forderung werden. Es ist mir auch Engagements ? einer Rolle Angebote machen, sollte schon zweimal in meiner Laufbahn Leider geht in meinem Metier so aber die Freiheit haben, nicht an Tokio 2010, Kurwenal in passiert, dass ich « die Segel stre- gut wie nichts ohne eine Agen- einer einzigen Interpretation fest- TRISTAN UND ISOLDE cken » und eine Produktion wieder
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