Wer zahlt und Leben nach Corona - wer draufzahlt - younion
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Die Daseinsgewerkschaft. SOMMER | 2021 Mitgliedermagazin Leben nach Corona Wer zahlt und wer draufzahlt
SERVICE R EC H T S B E R AT U N G I N F O C E N T E R Für die Mitglieder der Landesgruppe Wien bietet Infocenter Zentrale younion _ Die Daseinsgewerkschaft Rechtsberatung 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11 in allen dienst- und besoldungsrechtlichen Fragen Infocenter Aussenstelle wie folgt an. 1030 Wien, Rosa-Fischer-Gasse 2 Jeden Montag, Dienstag und Mittwoch von 16.30 bis 18.00 Uhr Öffnungszeiten !! !! Aufgrund der Corona-Krise bis auf Weiteres nur Montag, Mittwoch und Donnerstag von 8.00–16.00 Uhr gegen Voranmeldung (bitte bis 16.00 Uhr) Dienstag von 8.00–17.00 Uhr unter +43 1 313 16-83650 Freitag von 8.00–14.00 Uhr (in den Sommerferien jeden Montag und Mittwoch, Schulferien nicht in den sonstigen Schulferien) Montag bis Donnerstag von 8.00–16.00 Uhr in der Zentrale, 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11, 3. Stock. Freitag von 8.00–14.00 Uhr Für die Mitglieder der Hauptgruppe VIII (ehem. KMSfB) bietet Kontakt younion _ Die Daseinsgewerkschaft in allen arbeitsrechtlichen Tel.: +43 1 313 16-83720 bis 83724 und 83728 Fragen Rechtsberatung zu bestimmten Terminen an. Fax: +43 1 313 16-99-83720 Bitte um Terminvereinbarung unter der Tel.-Nr. +43 1 31316-83861. E-Mail: infocenter@younion.at Web: www.younion.at Lohnsteuerberatung in der Zentrale der younion Service/Leistungen (1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11, 3. Stock): Hier ein kleiner Überblick über die Tätigkeiten im Infocenter der Jeden Montag (in den Sommerferien jeder zweite Montag) von 16.30 bis 18.00 Uhr, younion für unsere Mitglieder: !! gegen Voranmeldung unter der Tel.-Nr. +43 1 31316-83650. !! • Wir nehmen gerne Ihre Mitgliedsanmeldung entgegen • Erhalten Sie Informationen zu Urlaubsangeboten von Pensionsberatung Hotel Grimmingblick, Vitalhotel Styria, in der Zentrale der younion Appartements Bad Kleinkirchheim, „Grand Tours“ und „Sowegeno“ (1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11, 3. Stock), • Im Infocenter erhalten Sie Ihre neue Mitgliedskarte sowie in der Außenstelle des Infocenters • Bei uns können Sie für die Solidaritäts-Unterstützungen einreichen (1030 Wien, Rosa-Fischer-Gasse 2): • Holen Sie sich im Infocenter die Karten für diverse Kultur-Vorstellungen Jeden Donnerstag (in den Sommerferien jeden 2. Mittwoch nur in der Zentrale) • Sie können bei uns Ihren Mitgliedsbeitrag einzahlen von 16.00 bis 18.00 Uhr, • Sie erhalten bei uns vergünstigte Parkkarten für den Parkplatz C gegen Voranmeldung unter der Tel.-Nr. +43 1 31316-83650. und die Parkhäuser 3 + 4 am Flughafen Wien-Schwechat • Bei uns können Sie Ihr Passwort für das Log-In auf der Die Mitglieder der übrigen Bundesländer ersuchen wir um younion-Homepage zurücksetzen lassen Kontaktaufnahme mit der zuständigen Landesgruppe. u.v.m. IMPRESSUM Herausgeber: younion _ Die Daseinsgewerkschaft; 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11 Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96, Fax 01/662 32 96 - 39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, Web: www.oegbverlag.at, UID: ATU 55591005, FN 226769i Hersteller: Walstead Leykam Druck GmbH & Co KG, Bickfordstraße 21, 7201 Neudörfl; Verlagsort: 1020 Wien, Herstellungsort: 7201 Neudörfl Redaktion: 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11; Chefredakteur: Ronald Pötzl; Redaktion: Christian Meidlinger, Michael Novak, Marcus Eibensteiner; Layout/Grafik: Rainer Müllauer Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. DVR-Nr. 0046655 | ZVR 576 439 352 Offenlegung nach § 25 Mediengesetz unter: www.younion.at/offenlegung
Das ist ungerecht ... foto: Michael Liebert … unter diesem Motto steht die aktuelle Ausgabe unseres Mitglieder- magazins. Diese Pandemie hat tatsächlich die Gesellschaft gespalten und Ungerechtigkeiten geschaffen bzw. verstärkt. Christian Meidlinger Vorsitzender W ährend Hunderttausende Be- schäftigte in Kurzarbeit waren oder sind –, und damit monatelang Ungerecht den ArbeitnehmerInnen gegenüber ist der Versuch der Regie- rung einer Coronaprämie. Der verant- der younion von einem deutlich geringeren Ein- wortliche Kanzler und der Gesund- dienstete in den Rathäusern zwischen kommen leben müssen – gibt es in heitsminister glänzen durch hohe Informationsfreiheit versus Daten- der Wirtschaft Überförderungen im Ahnungslosigkeit von betrieblichen schutz entscheiden müssen, ist inak- großen Stil. Viele Unternehmer haben Abläufen. Ein Spital funktioniert zeptabel. Wir haben diesen Entwurf ihre MitarbeiterInnen gekündigt und durch die tolle Mitarbeit und den un- deutlich und umfassend abgelehnt. gleichzeitig hohe sechsstellige Beträ- glaublichen Einsatz aller Mitarbei- Viele Themen, die derzeit zu bearbei- ge kassiert. Diese Förderungen müs- terInnen. Alle MitarbeiterInnen im ten sind. Und noch haben wir über sen geprüft und bei Überförderung Gesundheits- und Sozialbereich ver- die „Zahler“ der Krise nichts gehört. jedenfalls zurückgefordert werden. dienen eine Prämie. Darüber hinaus Reiche wurden während dieser Krise Viele Beschäftigte im Kunst- und Kul- fordern wir weiterhin für alle Arbeit- nachweislich reicher, Vermögende turbereich waren in den letzten 15 nehmerInnen in Österreich einen Co- müssen sich an der Finanzierung be- Monaten ohne Einkommen, mussten rona-Tausender. teiligen. Aufkeimende Vorschläge, öf- Familie und/oder Freunde um Geld Ein für Gemeindebedienstete we- fentliches Eigentum zu privatisieren, bitten oder Besitz verkaufen, um sich sentlicher Gesetzesentwurf wurde im Gesundheitswesen einzusparen das Leben zu gestalten. mit dem Informationsfreiheits- und oder Personalkosten zu senken wer- Arbeitslose werden wieder einmal in Transparenzgesetz in Begutachtung den von uns abgelehnt. die Ecke „ihr seid faul und unwillig“ ge- geschickt. Hier sollen von Gemeinde- Ich wünsche Ihnen nach vielen Mona- drängt. 409.639 (1. Juni) gemeldeten Ar- mitarbeitern ohne genaue rechtliche ten intensiver Arbeit und persönlicher beitslosen stehen 62.833 offene Stellen Definition alle Vergaben bzw. Ver- Entbehrungen einen schönen Som- gegenüber. Dass sich diese Rechnung tragswerke über 100.000 € offensiv mer, bleiben Sie gesund nicht ausgeht, lässt sich mit einfachen offengelegt und laufend aktualisiert Ihr Kenntnissen der Mathematik lösen. Die werden. Jeder Bürger kann jedwede Wortmeldungen der konservativen Po- Information von jeder Gemeinde er- litik und Wirtschaft haben nur ein Ziel – fragen. Innerhalb von vier Wochen Lohndumping. Wir fordern eine aktive ist Auskunft zu geben. Privatfirmen Arbeitsmarktpolitik, Qualifizierungs- in gleichwertigen Branchen brauchen möglichkeiten und eine Anhebung des das nicht zu tun. Hier entsteht eine Christian Meidlinger Arbeitslosengeldes. Ungleichheit, und dass Gemeindebe- Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag unseren verdienten Funktionärinnen und Funktionären Gernot Baumgartner Silvia Joch 40. Geburtstag, 9.6.1981 Franz Brachinger 70. Geburtstag, 20.6.1951 Dietmar Ferstl 70. Geburtstag, 27.4.1951 Günter Friedrich 50. Geburtstag, 29.4.1971 Helene Roth 60. Geburtstag, 25.6.1961 Christa Hörmann 70. Geburtstag, 11.5.1951 Norbert Pelzer 60. Geburtstag, 14.5.1961 Johann Wagner 60. Geburtstag, 27.6.1961 Gerhard Wirtl 75. Geburtstag, 27.5.1946 Prof. Peter Gallaun 60. Geburtstag, 10.6.1961 Dr. Roman Merth 60. Geburtstag, 1.7.1961 Erika Edelbacher 80. Geburtstag, 28.5.1941 Dr. Franz Leitner 65. Geburtstag, 20.4.1956 90. Geburtstag, 30.4.1931 3
I N H A L T Das Problem Corona Jugend auf wackeligen Beinen Seiten 5-8 Zukunftsängste, Lehrstellenmangel, Arbeitslosigkeit: Corona hat sehr viel verdeckt hat die Jugend hart erwischt. Ein Maßnahmenpaket muss her! N atürlich kann immer noch etwas Foto: Harri Mannsberger Titelstory passieren. Aber da liegt was in der Wer soll das bezahlen? Seiten 9—13 Luft. Nicht nur 30 Grad und Sommer. Die Bewältigung der Pandemie kostet den Staat 50 Milliarden Da ist Aufbruchstimmung. Euro. Die Gewerkschaft zeigt die entscheidenden Strategien auf, Pläne werden geschmiedet, Urlaube um eine Schuldenkrise zu vermeiden. sind gebucht. Theatervorstellungen melden sich teilweise ausverkauft. Auch die Gastronomie atmet wieder Ronald Pötzl „Depro bis zum Sterben wollen“ Seiten 14—15 tief durch (besonders, wo sie Gastgär- Chefredakteur Die Kunstszene spielt den Schuldenblues. Ein Drittel der Kultur ten anbieten kann). schaffenden hat mehr als 10.000 Euro verloren. An einigen Stellen Die Jugendlichen erobern ihre Räume dieser Ausgabe zurück. Manchmal etwas ungestüm zitieren wir Interview Unsichtbar, trotzdem da Seiten 17—19 und in größerer Zahl als es Politik, Ge- partnerInnen, die ano Den BetreuerInnen von Kindern in schwierigen Situationen sundheitsexpertInnen und die Exeku- nym bleiben wollen. fehlen Ressourcen und Personal. Das muss sich ändern. tive freut. Aber ganz ehrlich und mit Wir akzeptieren das der nötigen Dosis von anarchistischer bei nachvollziehbaren Urheberrecht neu Seiten 20-21 Gründen. Ihre Mei Partystimmung im Blut: Ist es nicht nung dazu interessiert Das Urheberrecht wird novelliert. Wir kämpfen um bessere trotzdem meist eine Freude, ihnen zu- uns. Bitte ein Mail an: Rahmenbedingungen. zusehen? younited@younion.at Frauen am Wort Seiten 22—23 „Das Lebensgefühl heißt Sie ist einfach großartig? Nominiere eine besondere Frau. ‚Aufbruchstimmung‘. Also alles paletti? Nein, Schwerer Job, kein Beruf Seiten 24—25 so einfach ist es natürlich nicht.“ SozialarbeiterInnen verdienen mehr Anerkennung. Wir fordern ein Berufsgesetz. Also alles paletti? Nein, so einfach ist Brennpunkt Kindergarten Seiten 26—27 das natürlich nicht. Und genau dar- Wir werden keine Ruhe geben.Und haben Bildungsminister um geht es in diesem Heft. Das Prob- lem Corona hat sehr viel verdeckt und Zur wieder erwachten Heinz Faßmann die Anliegen des Kindergarten- und Hortperso Kunst und Kultur: nals diesmal musikalisch präsentiert. auch sehr viel verursacht. Zusätzlich Leider springen zu den Wunden, die diese Pandemie viele Veranstaltungs International Seiten 29—31 unserer Gesellschaft geschlagen hat, termine noch immer droht die nächste Welle, diesmal von ziemlich unbere Die EU-Kommission prüft die Pläne der österreichischen chenbar hin und her. Regierung zur Bewältigung der Corona-Krise. Leider sucht man der finanziellen Seite: 50 Milliarden Deshalb sind wir vergeblich nach neuen Ideen, die Geld flott machen könnten. Kosten - wer zahlt? nicht so unverfroren, Was braucht die Jugend, um den Aus- unseren Mitgliedern nahmezustand zu verdauen? Wie in diesem Magazin Koch mit starkem Zug auf‘s Tor Seite 33 kommen die KünstlerInnen über die ein Theaterprogramm Unser neuer Bundessportreferent Günter Koch stammt aus dem anzubieten, auf das Runden? Warum sind für manche Be- Fußball. Herzlich willkommen auf dem Platz! man sich nicht wirk reiche so wenig Mittel im Budget? Wer lich verlassen könnte. hilft den strauchelnden Gemeinden? Vorerst behalten Sie Bundesländer Seite 37 Keine Sorge - wir stellen hier nicht die bitte unsere Karten Wahlergebnisse und ein großer Durchbruch aus Tirol und Fragen. Wir liefern die Antworten. angebote auf www. Kärnten. Und für die Umsetzung dieser Lösun- younion.at im Auge. Sie werden laufend gen werden wir gemeinsam kämpfen. auf den aktuellen Das ist doch Stermann!! Seite 42 Während und auch nach Corona. Stand gebracht. Unser Kolumnist grübelt beim Geschirrspühlen über die Anpas sung von politischer Überzeugung angesichts übermächtiger Zwischenbilanz: Hart war‘s, aber es Politik. Glauben wir zumindest. Lesen Sie selbst! wird besser. Schönen Sommer! 4
fotos: Robert Ru Jugend – bak auf wackeligen Beinen Jugendliche sind in der Quarantäne-Phase häufiger psychisch waren geschlossen. An Weggehen und Partys war über viele Monate gar nicht erkrankt als Erwachsene, sie stehen mit ihren Ängsten und Nöten zu denken. Aber die Jugendlichen soll- oft allein da, freie Lehrplätze sind Mangelware und die ten nach vorne schauen. Nur, wenn Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Damit sich das ändert, es vorne keine Aussichten gibt wird es schwer. „Die Bundespolitik sollte wird ein Maßnahmenpaket gefordert. sich um diese Gruppe rasch kümmern und Lösungswege vorlegen. Denn wir I n der Corona-Phase hat man eine Gruppe fast völlig vergessen: die Jugendlichen. Sie wurden ins Home- ordnen. Denn ihr altes ist aus den Fu- gen geraten. Diese Entwicklungspha- se, die vor allem im Knüpfen und Pfle- haben gerade ganz viele Jugendliche, denen es gar nicht gutgeht“, sagt Da- niel Waidinger, Bundes- und Wiener schooling geschickt und aus. Für die gen sozialer Kontakte besteht, ist eine Landesjugendreferent der younion _ politisch Verantwortlichen war damit der wichtigsten in ihrem Leben. Doch Die Daseinsgewerkschaft. das Problem erledigt, für die Jugend- Lockdown-Bestimmungen haben das Eine von ihnen, denen es gar nicht lichen begann das Problem erst. Sie für lange Zeit unterbunden. Schulen, gutgeht, heißt Rebekka Huber – ihr mussten fortan ihr Leben völlig neu Sportplätze und andere Freizeitstätten Name wurde von der Redaktion ge- 5
„Den Jugendlichen geht es schlecht – arbeitstech- nisch und auch psy- chisch. Sie waren mehr als ein Jahr zu Hause eingesperrt. Sie haben lange nicht weggehen können und auch das gehört zu ihrer Kultur“: Daniel Waidinger und Richard Tiefenbacher von der Jugendabteilung der younion fordern ein Maßnahmenpaket und mehr Lehrstellen in der Privatwirtschaft. ändert. Die 16-jährige Niederösterrei- zogen ihre Ausbildungsplätze zurück Corona, woran er noch immer leidet. cherin hat 2020 die erste Klasse der – wegen Corona. Der Herbst lief ohne Ein Jahr hat sie verloren. Ein Jahr, das Handelsakademie erfolgreich abge- die gewünschte Ausbildung als Hotel- ihr niemand zurückgibt. Ein Jahr aber, schlossen und wollte ab September kauffrau an ihr vorbei, daher ist sie auf das für einen Jugendlichen eine ewig mit der Lehre und Berufsschule be- ihrer alten Schule geblieben. Die Mut- lange Zeit ist und enorm am Selbst- ginnen. Vergeblich. Sie bewarb sich ter verlor zwischenzeitlich den Job, der bewusstsein und Selbstverständnis bei drei Firmen. Eine lehnte ab, zwei Lieblingsonkel erkrankte schwer an nagt. „Ich war schon knapp am Aufge- ben, aber dann hat sich doch noch ein Fenster geöffnet. Im August kann ich Veränderung der Zahl der Lehrlinge endlich meine Lehrausbildung star- ten“, sagt Rebekka Huber. 1. Lehrjahr 2020 im Vergleich zu 2019 Wien +7,7 % Katastrophale Lehrstellen-Situation Für viele Tausende von Jugendlichen –5,2 % Kärnten öffnet sich so ein Fenster zur Lehrstel- –5,6 % Österreich le im Herbst nicht. Denn am Lehrstel- –6,4 % Oberösterreich lenmarkt ist die Lage diese: Auf eine freie Lehrstelle in Wien (wo es derzeit –7,6 % Niederösterreich besonders schlimm ist) kommen acht –8,8 % Steiermark bis zehn Lehrstellensuchende. Die Si- –9,8 % Tirol tuation war schon schlimmer. Denn vor ein paar Monaten lag das Verhält- –10,8 % Vorarlberg nis Suchende pro Lehrstelle bei etwa –11,1 % Salzburg 14 zu 1. Die Stadt Wien hat zwar schon –11,8 % Burgenland drei Corona-Hilfspakete für Jugendli- Quelle: Stadt Wien che geschnürt, wo sehr viel Geld in die 6
klar hervor, dass die psychischen Be- lastungen bei den 15- bis 25-Jährigen am deutlichsten imponieren. Das ist ein durchgängiges Bild, das sich welt- weit – und auch in Österreich – zeich- nen lässt. Die Belastungen sind über Die psychichen Folgen die Altersgruppen hinweg insgesamt der Pandemie, die hohe gestiegen, vor allem in den Bereichen Jugendarbeitslosigkeit, Depression und Angsterkrankungen. fehlende Lehrstellen: Besonders bei den 15- bis Aber den deutlichsten Effekt haben 25-Jährigen sind die wir im Bereich der 15- bis 25-Jährigen. Belastungen gestiegen. Dort sind Depressionen, Angststörun- ExpertInnen verzeichnen gen, Essstörungen, aber auch Schlaf- eine steigende Zahl von störungen sehr präsent.“ Depressionen, Angst – und Schlafstörungen in Die Angebote der psychischen Be- der Altersgruppe. treuung sollten daher wahrgenom- men werden. Höherer psychischer Druck – schlechtere Leistungen Ein Problem liegt auch daran, dass sich der psychische Druck nicht ge- Hand genommen worden ist und die Zahl der Lehrstellen verdoppelt wur- de. „Es zeigt sich aber, dass die Zah- len nicht signifikant besser werden, wenn nicht auch die Privatwirtschaft ihren Teil dazu leistet“, sagt Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Ju- Die Probleme türmen gendabteilung in der younion _ Die sich auch bei der Aus- Daseinsgewerkschaft seit 2018. Und bildung auf. Der Druck er ergänzt: „Unser Gefühl ist, wenn die sorgt nicht gerade für Aufträge in den Firmen zurückgehen, bessere Noten. Bei den Jugendvertretern dann gibt es auch keine Ausbildung. häufen sich außerdem Denn es geht nur um die Zahlen und Anfragen zu Problemen nicht um Verantwortung: maximale am Arbeitsplatz. Einnahmen, minimale Ausgaben ist Oft gefragt: „Der Chef gleich maximaler Gewinn. Daher ist will wissen, warum die Leistungen schlechter es schlimm zu sehen, dass die Unter- geworden sind.“ nehmen nicht den maximalen Ge- winn einer Lehrausbildung sehen. Den Jugendlichen geht es schlecht – arbeitstechnisch und auch psychisch. Sie waren mehr als ein Jahr zu Hause eingesperrt. Sie haben lange nicht weggehen können und auch das ge- hört zur Kultur der Jugendlichen. Sie werden zurückgehalten und nicht zent Männer), so notiert die der 15- bis rade positiv auf die Noten auswirkt. gehört. Daher ist Jugendarbeit heute 24-Jährigen bei 9,5 Prozent. Die Pan- Wer aber schlechte Noten aufweist – wichtiger denn je.“ demie verlangt einer traumatisierten oder nicht die besten – der wird vom Hinzu kommt, dass die Jugendar- Generation alles ab. Bis sich die Fol- Arbeitsmarkt ausgegrenzt. Und die beitslosigkeit immens hoch ist. Liegt gen zeigen. Paul Plener, Psychiater Belastung hat sich bei einigen auch die allgemeine Arbeitslosenquote am AKH Wien und Universitätspro- in der Arbeit widergespiegelt. „Wir laut AMS bei durchschnittlich 7,7 fessor an der Medizinischen Univer- hören das tagtäglich, wenn uns Lehr- Prozent (7,8 Prozent Frauen, 7,5 Pro- sität Wien: „Aus unseren Daten geht linge anrufen und sagen, dass sie 7
die die Jugend hat. Tiefenbacher und Waidinger wünschen sich, dass der Bund für die Kosten der Lehrlingsaus- Gerade die sozial Schwa- bildung in den rund 2.000 Gemein- chen, die vielleicht nicht Deutsch als Mutter- den aufkommen soll. Corona hat den sprache haben, hängen Kommunen tiefe Löcher ins Budget komplett in der Luft und geschlagen, und so haben sie oft gar bekommen aber auch nicht die Möglichkeit Lehrlinge aus- keine Unterstützung. zubilden. Förderungen und Boni zur Auch ein Thema, das die JugendvertreterInnen Ausbildung gibt es für private Firmen, gerne mit den Bildungs- für Kommunen aber nicht. Das solle verantwortlichen des sich eben rasch ändern. Bundes besprechen Ebenso wird von der Gewerkschafts- würden. Leider findet jugend ein Ausbildungsfonds präfe- man dort keinen Termin für die Anliegen der riert. Das Modell sieht so aus: Unter- Jugend. nehmen, die nicht ausbilden, zahlen ein Prozent von ihrem Bruttoumsatz in einen Topf hinein. Unternehmen, die gut und qualitativ ausbilden, kön- nen auf diesen Topf zugreifen, um eine Vorladung vom Firmenchef be- Forderungen für bessere ihre Ausbildung zu verbessern. Das kommen haben, weil ihre Leistungen Rahmenbedingungen AMS würde entlastet, das ja vom Bund nachgelassen haben. In so einer Phase Seit mehreren Monaten versuchen finanziert wird. So hätten alle was brauchen die Berufsanfänger Unter- Tiefenbacher und Waidinger einen davon. Zu guter Letzt werben beide stützung und keine Drohungen“, sagt Termin mit den Bildungsverantwort- dafür, dass sich die jungen Berufsein- Richard Tiefenbacher. lichen des Bundes zu bekommen, steigerInnen früh engagieren und Am Rand der Verzweiflung waren auch um ihre Expertise bei längst fälligen gewerkschaftlich aktiv werden: „Nur die vielen Jugendlichen, die keine Jugend-Runden einfließen lassen zu so können wir für jede/n Einzelne/n Endgeräte fürs Homeschooling hatten können. „Wir hätten ein paar gute etwas erreichen und so profitiert auch – oder sich etwa den Familienlaptop Vorschläge, sie müssten uns nur fra- jeder davon. Je mehr mitmachen, des- mit anderen teilen mussten. Wochen- gen. Aber sie schaffen es nicht, mit to lauter sind wir. Dann kann uns beim lang gaben zig Schüler einfach keine uns zu reden“, sagt Daniel Waidinger. nächsten Mal niemand überhören“, Hausarbeiten ab oder konnten nicht Zudem gibt es eine große Forderung, sagen Tiefenbacher und Waidinger. am Unterricht teilnehmen. Abgefe- dert werden konnte ein Teil: Gemein- sam mit der Arbeiterkammer wurde ein Weg gefunden, wie Kinder mit Laptops oder Computern ausgestattet werden konnten. „Schade, dass wir das machen mussten, und dass nicht die Bundesregierung solche Mittel zur Verfügung gestellt hat“, sagt Tiefen- bacher. Sein Kollege Daniel Waidin- ger ergänzt: „Die Jugendlichen, die in guten Verhältnissen aufwachsen oder eine Privatschule besuchen, die be- kommen zumeist eh die Lehrstellen oder machen die Matura. Aber gerade die sozial Schwachen, die vielleicht nicht Deutsch als Muttersprache ha- ben, die hängen halt komplett in der Luft und bekommen aber auch keine Unterstützung. Sie sind ja nicht sozi- al schwach. Sozial schwach sind nur die in der Regierung, weil sie es nicht Auch mit Impfung hinterlässt Corona bei der Jugend deutliche Spuren. Aber die Zukunft darf nicht zum Scherbenhaufen schaffen, die Leute zu unterstützen.“ werden. In dieser Phase brauchen die Berufsanfänger Unterstützung und keine Drohungen. 8
Wer soll das bezahlen? foto: shutterstock.com/yoshi.ta Die Bewältigung der Corona-Pande- sollte rasch angegan- gen werden. Andern- mie kostet den Staat 50 falls sind unvorhersehba- Milliarden Euro. Die Gewerk- re Verwerfungen innerhalb schaft zeigt die entscheidenden Strate- unserer Gesellschaft zu erwarten. ÖGB-Volkswirt Ernst Tüchler: „Wir gien auf, um die Schuldenkrise nach der Pandemie zu vermeiden. befinden uns in einem gewaltigen historischen Umbruch. Technologie, D ie Corona-Pandemie prägt unser Leben seit mehr als einem Jahr. Die Auswirkungen waren und sind für alle benötigt sowie die Budgets für Wei- terbildung, Umschulung und andere Angebote des Arbeitsmarktservice künstliche Intelligenz, Digitalisierung – das führt zu ganz anderen Arbeits- abläufen und zu Verlagerungen. Wo spürbar: Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, (AMS) erhöht. Insgesamt werden für wird der höherwertige Teil der Arbeit geschlossene Geschäfte – kaum je- die Corona-bedingten Maßnahmen in Zukunft stattfinden? Das hat seit mand kam ohne Unterstützung durch rund 50 Milliarden Euro veranschlagt. den 80ern lange gedauert, aber jetzt die Krise. Um die Menschen vor einem Aber was kommt nach der Krise? Wer geht es irrsinnig schnell. Genauso wie finanziellen und sozialen Totalabsturz füllt die Staatskassen? der Klimawandel. In schweren Krisen, zu bewahren, hat der Staat sehr viel Der ÖGB fordert: Die Arbeitnehmer wie auch 2009/2010, passieren tech- Geld in Unterstützungsmaßnahmen und Arbeitnehmerinnen dürfen das nologisch-strukturelle Veränderun- wie Kurzarbeit, Ausfallsbonus oder nicht allein stemmen. Auch jene mit gen viel massiver und viel schneller. Fixkostenzuschuss investiert. Er hat großem Vermögen sowie die Konzer- Bei den Kapitalisten und Unterneh- auch mehr Geld für Arbeitslosengeld, ne müssen einen gerechten Beitrag men gibt es dabei große Verlierer. Der Familien und das Gesundheitssystem leisten. Das Problem ist virulent und Umbruch ist wie zu der Zeit, als der 9
Adel im aufkeimenden Kapitalismus foto: konstantin yuganov seine Macht verloren hat.“ Perspektiven schaffen Zwei entscheidende Strategien können dazu beitragen, dass dem Staat wieder mehr Geld zufließt. Erstens: Jobs schaf- fen. Je mehr Menschen in Beschäfti- gung sind, desto mehr Geld nimmt der Staat an Steuern ein. Wer Jobs schafft, gibt Arbeitslosen nicht nur eine Perspektive und ihre Selbststän- digkeit zurück, der generiert dadurch auch höhere Steuereinnahmen. Denn die Mehrheit der Steuereinnahmen stammt aus dem Bereich der Arbeit. Spitals- und Pflegepersonal Die steigende Anzahl von Coronaimpfungen und die Lockdowns haben Wirkung gezeigt. Für die Corona-Prämie hat die aufwerten Gewerkschaft hart gekämpft. Jetzt muss der Kreis der EmpfängerInnen ausgeweitet werden. Für die Corona-Prämie wurde vonsei- ten der Gewerkschaft hart gekämpft. ignorieren. Dazu Edgar Martin, Vorsit- Spitäler und Pflegeeinrichtungen sind Dass einzelne Berufsgruppen der Ge- zender der Hauptgruppe II – Wiener eine Einheit, sämtliche Beschäftigten sundheitsberufe ihre 500 Euro jetzt Gesundheitsverbund: „Die Willkür bei haben zur Bewältigung der Pandemie endlich bekommen, ist ein großer Er- der Auszahlung der Corona-Prämie ist beigetragen und haben sich Anerken- folg. Aber viel mehr Arbeitnehmer und atemberaubend. Auf einer Spitalssta- nung verdient.“ Die Prämie ist nicht Arbeitnehmerinnen haben Anspruch tion sind die 500 Euro genehmigt, die nur ein respektvolles Dankeschön für darauf. Die Regierung darf diese her- KollegInnen nebenan sollen leer ausge- einen engagierten Einsatz, den unser vorragenden Leistungen nicht einfach hen. Das werden wir nicht hinnehmen. Spitals- und Pflegepersonal geleistet foto: ©Khunatorn - stock.adobe.com Gemeinden entlasten Wichtig ist auch, dass die vielen Gemeinden nicht im Regen stehen gelassen werden. Immerhin haben schon vor der Coro- na-Krise viele Kommunen leere Kassen gehabt. Die Situation ist seither klarerweise nicht besser geworden. Einiges Herumrech- nen und komplizierte Abläufe beim Ausgleich von Aufwendun- gen durch Impf- und Testkosten sind für die Gemeinden auch angefallen: So werden Kostenersätze an Länder und Gemeinden durch das Gesundheits- und Sozialministerium erstattet, und zwar nach den tatsächlich angefallenen Kosten. Das sieht dann so aus: Die Auszahlung vom Gesundheitsministerium erfolgt nach Rechnungslegung. Die Kommunen erhalten das über ihre Landesregierungen. Der Bund kommt für Aufwendungen der räumlichen Infrastruktur für Test- und Impfstraßen auf. Ausge- nommen sind die Räumlichkeiten, die sowieso schon im Eigen- „Die Willkür bei der Auszahlung ist atemberaubend. Spitäler und Pflegeeinrichtungen sind eine Einheit, sämtliche Beschäftigten haben beigetragen.“ Edgar Martin, HG II tum der Gebietskörperschaft stehen (etwa vorhandene Hallen im Gemeindebesitz). Dann kommt noch ein weiterer administ- hat, sondern auch ein direktes Steue- rativer Aufwand hinzu: Sind Landes- oder Gemeindebedienstete rungsmittel für die Fahrt aus der Krise. bei den Tests und Corona-Impfungen im Einsatz, dann zahlt der Der Finanzminister muss ausreichend Bund nur für die Überstunden. Letztlich wird alles davon abhän- Geld zur Verfügung stellen, um allen gen, wie nun Bund und Länder den Gemeinden unter die Arme ArbeitnehmerInnen, die ihren Beitrag greifen. Sie brauchen ausreichend Kapital und müssen dafür sor- geleistet haben, Wertschätzung zu zei- gen können, dass entsprechende Investitionen getätigt werden: gen. In den allermeisten Fällen fließt Kindergärten, Schulen, Straßen usw. Werden Gemeinden zu Tode das Geld über den Konsum sofort in gespart, sterben sie aus. Und das will ja wohl niemand. den Wirtschaftskreislauf zurück und 10
fördert den heimischen Handel. Es geht nicht nur um Gerechtigkeit, son- Vermögen – unfair verteilt dern ebenso um kräftige Impulse für die heimische Wirtschaft. Laut AK-Studie zählt man ab einem Vermögen von 2,2 Millionen Euro als „Superreicher“ Genauso verhält es sich mit der For- und zum reichsten Prozent der Österreicherinnen und Österreicher. Dieses reichste Pro- derung nach einem steuerfreien zent der Österreicher (= 88.590 Personen) besitzt insgesamt einen Anteil von 39 Prozent Wirtschaftsgutschein in der Höhe am gesamten Vermögen (1.249 Milliarden Euro) der Österreicher. Fünf Prozent der Ös- von 1.000 Euro für diese Bedienste- terreicher kommen auf 55 Prozent des Gesamtvermögens und zehn Prozent der Ös- ten – von Wien bis Vorarlberg. Diese terreicher besitzen 66 Prozent. Die Hälfte aller Haushalte in Österreich verfügt nur über Form eines Bonus würde als Teil des 2,8 Prozent des ganzen Vermögens. Und die verbleibenden 40 Prozent der Menschen in „Comeback-Plans für Österreich“ der Österreich besitzen dann 31,2 Prozent am Gesamtvermögen. Regierung sofort eine Steigerung des Konsums ermöglichen: Unseren Kol- Umgerechnet bedeutet das: 100 % 1.249 Mrd. Euro legInnen ist bewusst, dass wir alle der Österreicher besitzen Teil eines großen Systems sind. Es ist ein Gesamtvermögen von wichtig, dass das Geld direkt bei den Menschen ankommt – ob beim loka- len Gemischtwarenhändler, der klei- nen Boutique, dem Gasthaus ums Eck 1% Das reichste Prozent der Österreicher (88.590) besitzt487,11 Mrd. Euro oder der Familienpension im nächs- ten Österreichurlaub. 5% Die reichsten 5 % der Öster- reicher (442.950) kommen auf 687 Mrd. Euro Spitäler: Anerkennung als Schwerarbeiter Die einmaligen Zuwendungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, 10 % Die reichsten 10 Prozent (885.900) kommen auf 824,34 Mrd. Euro dass unsere Spitals- und Pflegeberei- che Tag für Tag nahezu Unmenschli- ches leisten müssen. Daher fordert die 50 % der Österreicher (4,429.500) besitzen 34,97 Mrd. Euro Quelle: ICAE (im Auftrag der Arbeiterkammer Wien und NÖ), OeNB Gewerkschaft, dass der unumstrittene Zugang dieser Berufe zur Schwerar- beitspension ermöglicht wird. Denn Das führt nicht nur zu Einkommens- zusätzlich Jobs geschaffen und Frauen die Rolle als Bittsteller bei der Pensi- verlusten und niedrigen Pensionen entlastet werden und zurück ins Ar- onsversicherung nach einer schweren für Frauen, es ist auch wenig intelli- beitsleben gehen. Berufslaufbahn muss ein Ende haben. gent, auf ihren wertvollen Beitrag zu Gerade jetzt wird sich zeigen, ob die verzichten. Unzählige Studien bewei- In gute Arbeit investieren Anerkennung der systemrelevanten sen, dass gemischte Teams besser ar- Die Gewerkschaft hat schon vergan- Arbeit vonseiten der Regierung nur beiten und Frauen in Führungsposi- genen Sommer ein Arbeitsmarktpro- ein Lippenbekenntnis oder ernst ge- tionen die Gleichberechtigung sowie gramm entwickelt, mit dem inner- meint war. Und es braucht weitere die Vereinbarkeit von Familie und Be- halb eines Jahres mindestens 150.000 Maßnahmen, damit auch in Zukunft ruf vorantreiben. Durch den Ausbau Menschen wieder in Beschäftigung dieser wichtige Bereich funktioniert von Kinderbetreuungsplätzen können gebracht werden können. und nicht kaputtgespart wird. Insbe- sondere ist eine Ausbildungsoffensive foto: ©Piman Khrutmuang - stock.adobe.com in allen Gesundheitsberufen von ent- scheidender Relevanz. Investitionen in gute Frauen fördern Arbeit helfen bei der Aufgrund tradierter Rollenklischees, Bewältigung der Krise. Auch auf der Liste Kinderbetreuungspflichten oder der von geforderten Pflege von Angehörigen arbeitet fast Sofortmaßnahmen: die Hälfte der erwerbstätigen Frauen der Bau von 30.000 in Teilzeit; und viele weitere gar nicht. neuen Wohnungen. Von den Männern betrifft das nur zehn Prozent. In der Krise hat sich dieser Zustand noch einmal verschlimmert. 11
Dazu notwendig sind effektive Sofort- Konzerne zur Kasse bitten 70 Milliarden Euro, was zu weniger maßnahmen: Neben einer Vermögenssteuer ist die gut bezahlten Arbeitsplätzen, geringe- • Investitionen in gute Arbeit – etwa längst überfällige faire Besteuerung rem Sozialschutz und heruntergewirt- durch den Bau von 30.000 Woh- großer Konzerne ein ganz wesentli- schafteten öffentlichen Dienstleistun- nungen, die Schaffung von echten cher Punkt. Kaffeegigant Starbucks gen führt.“ Dieser Umstand ist gerade Arbeitsstiftungen oder eine bessere zahlte 2019 in Österreich knapp un- in einer Zeit, in der Europa an einem Verteilung der Arbeitszeit. ter 3.000 Euro Steuern, hatte aber Strang zieht, um die wirtschaftlichen • Verbesserungen bei der Altersteil- allein im November 2020 Anspruch und sozialen Folgen der COVID-Krise zeit. auf 800.000 Euro Umsatzersatz. Und zu bewältigen, absolut selbstzerstöre- • Ein Überbrückungsgeld bis zur Pen- sion für ältere Arbeitslose, die kei- foto: ©photobc1 - stock.adobe.com nen Job mehr finden oder auch die Weiterentwicklung der Kurzarbeit in ein dauerhaftes Modell. Außerdem können vor allem dort Jobs geschaffen werden, wo jetzt schon dringend Arbeitskräfte gebraucht Ein Prozent der werden; beispielsweise in Zukunfts- Bevölkerung besitzt 40 branchen wie der Pflege, der Digitali- Prozent des Vermögens. sierung oder dem Klimaschutz. Wer Die ärmere Hälfte der Bevölkerung teilt sich Jobs schafft, erhöht die Steuereinnah- nicht einmal drei men und schlägt damit zwei Fliegen Prozent (siehe mit einer Klappe. Infokasten links). Die Einführung einer Millionärs- bzw. Die Reichsten besteuern Vermögenssteuer ist gerecht. Ein ordentlicher Teil der Krisenkosten soll auch von den Reichsten unserer Gesell- schaft abgegolten werden. Die Einfüh- rung einer Millionärs- bzw. Vermögens- steuer ist gerecht. Das reichste Prozent der österreichischen Bevölkerung vereint fast 40 Prozent des Vermögens. Die är- mere Hälfte der Bevölkerung teilt sich dieses Verhältnis ist kein Einzelfall. risch. Und die Steuervermeidung ist nicht einmal drei Prozent. Multinationale Konzerne verschieben nur die logische Konsequenz des zwi- Eine Studie der Wirtschaftsuniversität ihre Gewinne trickreich in alle Herren schen den Mitgliedsstaaten stattfin- Wien (WU) hat im Vorjahr belegt, dass Länder; Österreich entsteht dadurch denden Wettlaufs bei den nach unten mehr oder weniger leistungslose Kapital- ein jährlicher Schaden von rund ei- gedrückten Steuersätzen. Damit muss einkommen beim reichsten Prozent der ner Milliarde Euro. Die Unternehmen jedenfalls Schluss sein. Daher braucht Menschen in Österreich rund 60 Prozent tragen aber selbst ohne Tricks nicht es gemeinsame Regeln für die Unter- des Gesamteinkommens ausmachen. die Steuerlast im Land. „Die effektive nehmensbesteuerung in ganz Euro- Dafür stehen rund 60 Prozent des ge- Belastung ist für sie bei rund zehn Pro- pa, einschließlich solcher, die dem samten Steueraufkommens in direktem zent. Da braucht man sich nicht auf- Missbrauch von Briefkastenfirmen Zusammenhang mit Arbeitsverträgen, regen”, sagt Ernst Tüchler, Leiter der für Steuerzwecke ein Ende setzen. Das weitere rund 20 Prozent aus dem Kon- ÖGB-Volkswirtschaft über die tatsäch- wird letztlich auch entscheidend sein, sum – insgesamt zahlen Arbeitnehmer liche Steuerbelastung der Unterneh- um die öffentlichen Investitionen, die und Arbeitnehmerinnen also rund 80 men. Das betrifft nicht nur Österreich, für eine echte und faire Erholung von Prozent der Staatseinnahmen. sondern ganz Europa. Die Mitteilung der COVID-Krise erforderlich sind, ge- Die gebetsmühlenartig wiederholten der Europäischen Kommission über recht zu bezahlen. Die Gewerkschaf- Argumente vom angeblich drohenden die Unternehmensbesteuerung kom- ten begrüßen daher die Tatsache, dass Schaden für den Wirtschaftsstandort mentierte die politische Sekretärin des die Kommission mit diesen Vorschlä- sind genauso falsch wie vorhersehbar. Europäischen Gewerkschaftsbundes gen den Fortschritt bei der Unterneh- Im Gegenteil: Eine Verschiebung der (EGB) Liina Carr so: „Die EU verliert mensbesteuerung wieder auf den Weg Steuerlast vom Faktor Arbeit hin zu Ver- durch die Steuervermeidung von Un- gebracht hat, auch wenn klar ist, dass mögen täte der Wirtschaft sogar gut. ternehmen jedes Jahr zwischen 35 und die konkrete Gesetzgebung vom Er- 12
gebnis der Verhandlungen abhängen foto: Sergey Nivens wird, die im Rahmen der OECD und der G20 stattfinden. Schluss mit Sparpolitik auf Kosten wichtiger Bereiche Auch von internationaler Seite wird auf ein Handeln gedrängt. Der EGÖD (Europäischer Gewerkschaftsdach- verband der Öffentlichen Dienste) stellt klare Forderungen für den Wie- deraufbau und die Krisenbewältigung auf. Gemeinsam mit ver.di (Verein- te Dienstleistungsgewerkschaft – Deutschland), VPOD (Gewerkschaft im Service public – Schweiz) und un- terstützt durch die younion wird auf ein breites Umdenken gepocht. Tho- mas Kattnig, Mitglied des Bundes- präsidiums und EGÖD-Vizepräsident: „Vor der Pandemie herrschte eine eu- ropäische Sparpolitik mit Ideen aus der neoliberalen Mottenkiste. Ange- Das digitale Zeitalter hat längst begonnen. Die Regierung muss massiv in Bildung, Ausbildung und Weiterbildung trieben von Konzernen wurde ver- investieren. Denn die ArbeitnehmerInnen müssen mit den Arbeitsmitteln der Zukunft umgehen können. sucht, öffentliche Dienstleistungen so weit wie möglich zu privatisieren. sches öffentliches Gesundheitssystem Gefordert werden daher bessere Ar- Das führte zu Personalmangel, Un- sowie eine funktionierende, qualitativ beitsbedingungen, höhere öffentliche terfinanzierung und unzureichenden hochwertige öffentliche Grundversor- Investitionen und Steuergerechtig- Ressourcen. Wenn wir nicht so mas- gung grundlegende Voraussetzungen keit. Thomas Kattnig: „Wir müssen siv Widerstand geleistet hätten, wäre sind, um den sozialen, gesellschaft- beim Wiederaufbau neue und bessere die Lage noch katastrophaler ausge- lichen und wirtschaftlichen Zusam- Wege gehen. Stellen wir die Weichen fallen.“ menhalt – gerade in Krisenzeiten – zu für eine Zukunft, in der alle ein besse- res Leben haben! Die Mittel dafür sind auf jeden Fall vorhanden.“ foto: Robert Rubak Modernisierung jetzt vorantreiben „Bessere Arbeits- In Umbruchsphasen ist es ganz wich- bedingungen, höhere tig, dass man sich gleich nach vorne öffentliche Investitionen wendet und nicht zurückblickt. Gera- und Steuergerechtigkeit sind das Gebot der Stun- de jetzt ist eine offensive Fiskalpolitik de. Wir müssen beim zu betreiben. Wiederaufbau neue und Denn Geld kostet derzeit sehr wenig bessere Wege gehen. und es ist ausreichend vorhanden. Stellen wir die Weichen Man muss bei den wichtigsten He- für eine Zukunft, in der alle ein besseres Leben beln expansiv und nicht restriktiv haben.“ Thomas Kattnig, sein. Große Teile der Produktion und Mitglied des younion- des Verkehrssystems wären klima- Bundespräsidiums neutral auszurichten. Das wird frei- lich ohne öffentliche Mittel nicht ge- hen. Und die Regierung muss massiv in Bildung, Ausbildung und Weiterbil- dung investieren. Vor allem vor dem Kattnig ergänzt: „Spätestens seit die- garantieren. Diese Leistungen sind Hintergrund der Digitalisierung. Die ser Pandemie wurde offensichtlich, das Rückgrat der Gesellschaft, wird ArbeitnehmerInnen müssen mit den dass ein gut funktionierender Sozi- der Sparstift angesetzt, kostet das Arbeitsmitteln der Zukunft umgehen alstaat, ein universelles und solidari- Leben!“ können. 13
Langsam foto: W24/David Bohmann spielt die Musi wieder Awarakadawara, wo san meine Hawara? Auch Ausnahmekünstler Ernst Molden darf endlich wieder an die frische Luft (auf dem Foto am 8. Juni 2021 mit seinen Mitmusikern Walther Soyka und Karl Stirner beim Wiener Heurigen Hengl Haselbrunner). Das Kulturleben läuft wieder an, die leeren Sessel füllen sich. Die sätzliche Gründe für das bröckelnde finanzielle Fundament hinzu. leeren Kassen weniger: Die erste Bilanz der Coronakrise ist blutig. Die Kulturschaffenden haben hohe Verluste zu verkraften. Freischaffende am Ein Drittel verlor mehr als 10.000 Euro. Das zeigt eine Studie der härtesten betroffen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw). Am schlimmsten hat Corona die Frei- schaffenden erwischt. Sie haben den Löwenanteil der Verluste zu schul- 1 .777 Kunstschaffende haben an der Online-Befragung des mdw teilge- nommen. Die Zahlen sind ernüch- im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Euro eingebüßt. tern: 45 Prozent in diesem Segment haben mehr als 10.000 Euro verloren. MusikerInnen mit einem kombinier- ternd. 86 Prozent der Befragten ha- Der größte Schaden: ten Beschäftigungsverhältnis waren ben finanzielle Einbußen erlitten. Die Absage von Auftritten nur geringfügig besser dran. Hilfsgelder waren nur für 21 Prozent Am härtesten hat die KünstlerInnen ausreichend. die Absage von Auftritten getroffen Männer haben mehr verloren Knapp ein Drittel (31 Prozent) der be- (91 Prozent im Inland, 59 Prozent im Auf den ersten Blick zeigt die Studie fragten Kunst- und Kulturschaffenden Ausland). Bei 22 Prozent der Teilneh- deutliche Unterschiede zwischen haben seit Beginn der Corona-Krise merInnen kamen zwei oder mehr zu- den Geschlechtern. In absoluten 14
Zahlen haben Männer deutlich hö- here Verluste erlitten. Für Studi- Stünde hier ihr Name, enleiter Peter Tschmuck sind diese würden zumindest Zahlen allerdings auch anders zu an Musik interessierte interpretieren: „Die Männer haben LeserInnen unsere Interviewpartnerin vor der Pandemie besser verdient als wahrscheinlich kennen. die Frauen, damit war die Fallhöhe Genau das möchte sie größer.“ Teilgenommen haben zu 65 vermeiden. Sie befürch- Prozent Männer, 35 Prozent der Be- tet negative Auswirkun- fragten sind weiblich. gen, wenn sie ehrliche Antworten zur Lage der Kunstschaffenden gibt. Wenig Nachfrage Also spricht sie Klartext. nach Unterstützung Aber anonym. Ein überraschendes Detail: Nur 46 Prozent der Betroffenen haben um INTERVIEW Unterstützungen angesucht. Das be- deutet, dass beinahe die Hälfte der Be- Leere Bühnen, leere Kassen: „Depro bis zum Sterben wollen“ fragten auf die Corona-Hilfsmaßnah- men verzichtet hat. Besonders gering Auch wenn sie gesund geblieben sind – für viele freischaffende KünstlerInnen hat Corona war der Anteil bei den Angestellten eine Art Todesurteil bedeutet. Betroffene wünschen sich eine öffentliche Stimme. Nur (91 Prozent haben hier auf einen Hil- ungern wollen die meisten aber selbst vor den Vorhang treten. feantrag verzichtet). Gegen Zusicherung absoluter Anonymität haben wir eine Berufsmusikerin zum Interview Der Grund dafür dürfte freilich auch getroffen. Sie hat rund 30 Jahre von ihren Engagements und Tourneen gut und glücklich in der Dotierung der Hilfsfonds gele- gelebt. Dann kam die Pandemie, und die Kunst ging von der Bühne ab. gen haben: 41 Prozent gaben an, mit den finanziellen Hilfen kaum oder Wie geht es Ihnen? nicht ausgekommen zu sein. Offen- Es ist schon schön, dass mich das einmal jemand fragt. Nicht so besonders gut. Man bar glich die Auszahlung in manchen Bereichen außerdem einem Lotterie- versucht, sich jeden Tag neu zu motivieren. Aber leicht ist es nicht. spiel: Die Zufriedenheit bei den Punk- ten Information zu Berechtigung und Wie haben Sie das vergangene Jahr erlebt? Antrag, Arbeitsaufwand, Dauer bis Als Vernichtung. Musik ist mein Leben, ich habe seit meiner Kindheit alles darauf aufge- zur ersten Überweisung und Höhe der baut. Schon als Teenager habe ich acht Stunden am Tag geübt. Ich bin mit wechselnden Auszahlung schwankt teilweise stark. Orchestern und Musikgruppen aufgetreten, war auf Tourneen vor allem in Europa. Finan- Am schlechtesten bewertet wurden ziell ist sich das immer gut ausgegangen. Seit Corona ist alles weggebrochen, ich hatte die Minderung und Stundung laufen- kein einziges Engagement mehr. Schon Mitte März 2020 habe ich erkannt, dass das alles der Fixkosten. zusammenbrechen wird und habe sofort geschaut, dass ich einen Job außerhalb des Musikbetriebs kriege. Derzeit stehe ich in einem Laden hinter der Theke und verkaufe den The Show must go on Kunden Lebensmittel. Ein wesentlicher Punkt der Befra- gung: Die Show muss wieder anlauf- Haben Sie staatliche Hilfe bekommen? en. Ohne die Möglichkeit zu touren, Unterstützung habe ich kaum bekommen. Ich habe kein Geld ausgegeben und nur zwei- wird sich der Kulturbereich nicht er- mal am Tag gegessen. Meine Miete zahle ich von meinen Ersparnissen. Mir hat es den holen. Die Prognose für das wieder Boden unter den Füßen weggezogen, und ich bin nicht die Einzige. anlaufende Livegeschäft ist allerdings durchwachsen. Was wünschen Sie sich? Geld ist nicht alles. Der finanzielle Aspekt ist hart. Aber der psychische ist genauso Eine Kernfrage dabei wird sein, ob ge- schlimm. Wir Künstler befinden uns in einer tiefen Sinnkrise. Bei einigen gab es da De- nügend Veranstalter die Krise überle- pressionen bis hin zum Sterben wollen. Hoffentlich geht es jetzt wieder aufwärts, ich will ben. Ein entscheidender Punkt bei der zurück in mein Leben. Überlebensfrage der Kunst- und Kul- turschaffenden im Land ist außerdem Name und Identität sind der Redaktion selbstverständlich bekannt. Reaktionen zum die künftige Abgeltung ihrer Leistun- Interview nehmen wir gerne unter younited@younion.at engegen und leiten sie auf gen (dazu mehr in der Analyse zum Wunsch auch weiter. Urheberrecht neu ab Seite 20). 15
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Unsichtbar und trotzdem da foto: Prostock-studio - stock.adobe.com Die Bundeshauptstadt ist beliebt. Die Bundesländer lassen ihre rund 60.000 ArbeitnehmerInnen aus Wien über die Wiener Landesgrenzen BewohnerInnen nach Wien pendeln, nutzen die Infrastruktur wie aus. Aber dass sich einige Bundeslän- Spitäler und Universitäten mit, sparen Kosten. Soll sein. der riesige Summen sparen, weil sie Allerdings schlägt das aufs Budget. Das spüren nicht zuletzt die die gesamte Infrastruktur mitbenut- SozialpädagogInnen, die dringend mehr Ressourcen brauchen. zen, geht in der Diskussion über das Wiener Budget praktisch immer un- ter. Die Wiener Beschäftigten erbrin- A uf dem öffentlichen Dienst her- umzuhacken, hat Tradition. Be- sonders für AnhängerInnen des un- ert. Und im Zentrum steht mit Vorlie- be die Bundeshauptstadt Wien. gen viele Aufgaben für die Bundes- länder. Gedankt wird es ihnen nicht“, sagt Manfred Obermüller, Vorsitzen- kontrollierten „freien“ Marktes“ ist 60.000 PendlerInnen mit der Bahn, der der Hauptgruppe I – Magistrat der es immer wieder ein Hauptspaß, die 120.00 mit dem Auto – täglich. Stadt Wien in der younion. Leistungen der Beschäftigten kleinzu- Täglich kommen etwa 60.000 Pendle- Wer jemals den fünften Autofahrer reden und über Verschwendungssucht rInnen mit der Bahn und rund 120.000 mit NÖ-Kennzeichen bei der Entsor- und explodierende Kosten zu wettern. mit dem Pkw nach Wien zur Arbeit. gung seines Hausmülls gleich nach Zahlen, die diese Fantasien belegen, „Natürlich sind diese Menschen will- Überquerung der Wiener Stadtgren- werden in der Regel nicht beigesteu- kommen, gleichzeitig pendeln ja auch ze beobachtet hat, weiß, wovon er 17
spricht. Auf dem Weg zur Arbeit in foto: Petra Spiola „Die Kinder und Jugend- der Bundeshauptstadt lässt sich für lichen, die uns anver- listige BewohnerInnen des Wiener traut sind, brauchen Umlandes täglich bares Geld sparen dringend individuelle Betreuung, Unter- (die Mülltonne zu Hause kostet je stützung und Hilfe. nach Größe Geld, die Tonne in Wien Aber ohne zusätzliche lässt sich gratis nutzen). Ressourcen verkommen unsere Einrichtungen Beschwerden gibt es erst, wenn zu Aufbewahrungs- stätten.“ Andreas etwas nicht mehr funktioniert Walter, Vorsitzender des younion-Vorsitzender Christian Meid- Dienststellenausschus- linger: „Unsere Mitglieder sorgen für ses in der Wiener MA medizinische Versorgung, für Pflege- 11 – Sozialpädagogische bedürftige, die Versorgung mit Was- Einrichtungen ser, Strom, Gas, auch für reibungslose Müllentsorgung. Sie erbringen Leis- INTERVIEW tungen in mehr als 220 Berufen, die „SozialpädagogInnen sind über der Grenze der Belastbarkeit!“ meisten davon in der Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger. Die meisten dieser Leistungen sind im Wer sind eigentlich die Kinder und Jugendlichen, die ihr betreut? normalen Alltag unsichtbar, werden Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Praktisch allen gemeinsam sind Verunsi- aber trotzdem täglich erbracht. Auf- cherung und emotionale Belastung. Sie kommen ja zu uns nicht auf Urlaub, sie kommen fällig werden sie erst, wenn einmal aus einer schweren Krisensituation, die den weiteren Verbleib in der Familie unmöglich etwas nicht funktioniert – wenn in der macht. Straße die Beleuchtung flackert, wird das wahrgenommen. Wenn jeden Tag Wie findet ihr einen Zugang zu diesen Kindern? in der Früh pünktlich der Bus kommt, Das braucht hohe professionelle Kompetenzen, Flexibilität, Belastbarkeit. Aber auch Er- ist das selbstverständlich.“ fahrung im Umgang mit schwierigen Situationen und KlientInnen. Unsere Kolleginnen Dings undund so undKollegen überhaupt haben die nötige Ausbildung. Aber sie stehen zu sehr unter Druck. Das Min- Unsichtbare HeldInnen: destmaß an Personal wären zwei BetreuerInnen pro Dienst. Wenn du allein für acht Kin- SozialpädagogInnen versorgen mehr der für 24 Stunden verantwortlich bist, keine Unterstützung bekommst – und vielleicht als 1.000 Kinder noch ein Kind einen positiven Coronatest hat – hilft keine Ausbildung mehr. Das Zusammenleben zwischen den benachbarten Bundesländern verläuft Was sind die Konsequenzen? die meiste Zeit harmonisch. Unsicht- An sich sind unsere KollegInnen Profis und hart im Nehmen. Aber im Vorjahr 2020 sind bar hat allerdings eine Berufsgruppe rund 25.000 Überstunden angefallen. Es fehlt Personal, wir müssen ständig um Entlas- der Bundeshauptstadt zunehmend tung für die Beschäftigten kämpfen. Es ist wirklich das Bohren harter Bretter. Dazu kom- zu kämpfen. Schon länger fehlt es men lange Wartezeiten auf Folgeplätze von schwer traumatisierten Kindern, die Corona- den MitarbeiterInnen der Sozialpä- krise, die Belastung durch Rückstellungen aus prviaten Einrichtungen. Das Ergebnis ist dagogischen Einrichtungen in der eine starke Fluktuation der angestellten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Das Magistratsabteilung 11 an Ressourcen verschärft die Situation. Ohne zusätzliche Ressourcen verkommen unsere Einrichtungen und Personal. Die Lage war schwie- zu einer Art Aufbewahrungsstätte, weil individuelle Förderung und Betreuung nicht mehr rig. Mittlerweile ist sie aus dem Ruder möglich sind. gelaufen. Gewerkschafter Andreas Walter, Vorsitzender des zuständigen Hat sich die Zusammensetzung eures Klientels eigentlich in den vergangenen Jahren Dienststellenausschusses: „Die aktu- geändert? elle Situation in den Krisenzentren Ja, das ist tatsächlich festzustellen. Kinder mit Behinderungen, Pflegestufen und psy- entspricht nicht mehr den Standards, chiatrischen Diagnosen finden sich mittlerweile in fast allen Einrichtungen. Aufgrund der zu denen unsere MitarbeiterInnen ei- gleichgebliebenen Rahmenbedingungen sind individuelle Angebote aber kaum möglich. gentlich verpflichtet sind. Kinder und Es tut manchmal weh, unseren Leuten zuzuschauen, wie sie gegen Windmühlen kämp- Jugendliche, die sich in einer Ausnah- fen – und manchmal auch den Mut verlieren. Deshalb lassen wir nicht locker. Wir haben mesituation befinden, können nicht einen Termin mit dem zuständigen Stadtrat Wiederkehr, er scheint an Verbesserungen in- betreut werden, wie es notwendig teressiert zu sein und unsere Forderungen sind klar: mehr Personal, mehr Personal, mehr wäre. Sie werden bei der Aufnahme Personal! Mit guten Ratschlägen der hohen Politik, die an den Bedürfnissen unseres täg- oft nicht entsprechend begutachtet, lich gelebten Alltags meilenweit vorbeigehen, sind unsere Leute ausreichend versehen. bekommen nicht die notwendige 18
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