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Nutzen und Kosten der unabhängigen Versicherungs- vermittlung (Versicherungsbroker) für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der beruflichen Vorsorge Prof. Dr. Hato Schmeiser Prof. Dr. Martin Eling März 2020
Management Summary Eine aktuell in der Schweizerischen Politik, Medien und Fachkreisen geführte Diskussion be- fasst sich mit der Vergütung der von Arbeitsgebern beauftragten unabhängigen Versiche- rungsvermittlung (Versicherungsbroker) im Kontext der sogenannten zweiten Säule. Im Fo- kus stehem dabei die Höhe der Beratungsentschädigung sowie die praktizierten Vergütungs- formen. Die Diskussion um Anreizprobleme von Vergütungssystemen leidet darunter, dass empirische Befunde – insbesondere auch für den Bereich der beruflichen Vorsorge in der Schweiz – fehlen und nur Analogieschlüsse aus der Agency-Theorie oder allgemeine ökono- mische Argumentationen angewendet werden können. Insofern muss zutreffender von «Thesen» über Anreize und Effekte unterschiedlicher Vergütungsformen gesprochen wer- den. Nach unserem Dafürhalten unterliegt jedes Vergütungsschema – in und ausserhalb der Assekuranz – spezifischen Anreizproblemen. Die Studie zeigt die zentralen Effekte unter- schiedlicher Vergütungsformen für die verschiedenen Stakeholder auf. Zudem werden Me- chanismen diskutiert, die zum Ziel haben, unerwünschten Anreizwirkungen von Vergü- tungssystemen in der beruflichen Vorsorge entgegenzuwirken. Die aktuelle Diskussion mit ihrer Fixierung auf die unabhängige Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) in der beruflichen Vorsorge erscheint uns vor dem Hintergrund des hohen Stellenwerts der gebundenen Vermittlung und der (deutlich geringen) Bedeutung des direkten Vertriebs sehr verengend. Eine Beurteilung von Beratungsqualität muss immer an- hand des erzeugten Kundennutzens im Vergleich zu den vorhandenen Alternativen beurteilt werden. In diesem Sinne leidet die aktuelle Diskussion zur Vergütung des Vertriebs im All- gemeinen und der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) im Spe- ziellen an einer ausschliesslichen Fokussierung auf Kosten. Ein Entscheidungskriterium, dass sich nur nach den Transaktionskosten (insbesondere Betriebs- und Vertriebskosten) des An- bieters richtet, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Leistungen aller am Markt angebotenen Produkte (inklusive der eingeschlossenen Beratungs- und Serviceleistungen) völlig identisch sind. Dies ist in dem betrachteten Sektor offensichtlich nicht der Fall. Die vorliegende Studie entwickelt daher einige allgemeine Kriterien zur Kosten- / Nutzenabwägung und diskutiert die Risiken von Fehlberatungen. 1
Die Aufwendungen der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) in der beruflichen Vorsorge betrugen im Jahr 2017 76 Mio. CHF (für teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen) und knapp 100 Mio. CHF (für private Lebensversiche- rungsunternehmen). Die Summe aller Aufwendungen für Versicherungsbroker geben Baumann / Forlin (2019) mit 309 Mio. CHF an; sie rechnen dabei u. E. die Kosten für den Aussendienst (gebundene Versicherungsvermittlung) sowie die allgemeinen Vertriebskosten der Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen den Kosten der unabhängigen Versicherungs- vermittlung zu. Die Aufwendungen des ungebundenen Vertriebs bezogen auf die Kapitalan- lage zu Buchwerten betragen ca. 0,0085 %. Für die Diskussion ebenfalls relevant ist die Tatsache, dass in mehreren europäischen Län- dern in den vergangenen Jahren Provisionsverbote für bestimmte Finanzprodukte eingeführt wurden. Es gibt noch keine wissenschaftlichen Studien, welche die Auswirkungen entspre- chender Verbote empirisch analysieren. Das wenige vorhandene Datenmaterial deutet aber darauf hin, dass ein Provisionsverbot mit erheblichen Problemen einhergeht (Beratungslücke insb. für einkommensschwache Bevölkerungsteile, weniger Beratungsangebot, tendenziell höhere Kosten), welche die erhofften Vorteile – insbesondere einer bessere Beratungsqualität und niedrigere Transaktionskosten für die Kunden – gegebenenfalls überwiegen. In der Szenarioanalyse werden sechs Varianten einer Marktregulierung im Hinblick auf die zu erwartenden Auswirkungen evaluiert. Es verbleiben erhebliche Zweifel, ob durch die Ein- führung einer reinen Honorarberatung einen Nutzen aus Sicht des einzelnen Kunden wie auch aus der Sicht der Volkswirtschaft insgesamt erzielt werden kann. Dies insbesondere, weil der erhoffte Nutzen einer höheren Beratungsqualität nicht belegt werden kann, aber ne- gative Folgen bereits relativ breit sichtbar sind. Die Szenarioanalyse deuten daher eher auf eine Fortführung des bisherigen Modells mit gewissen Anpassungen hin. Wir diskutieren Optimierungspotentiale im bestehenden System in den drei Bereichen Transparenz, Ausbil- dung und Haftung. 2
Nutzen und Kosten der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der beruflichen Vorsorge Studie im Auftrag der Brokerverbands SIBA Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund und Vorbemerkungen 2. Vergütungsformen im Kontext der Versicherungsberatung und -vermittlung a) Überblick b) Berufliche Vorsorge 3. Anreize und Effekte verschiedener Vergütungsformen 4. Synchronisierung der Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 5. Massnahmen zur Reduktion von Anreizproblemen aus Vergütungssystemen und Wir- kung des Marktes 6. Was leistet der Vermittler im Allgemeinen und die unabhängige Versicherungsvermitt- lung (Versicherungsbroker) im Speziellen für den Auftraggeber? 7. Kosten der Beratung und Vermittlung in der beruflichen Vorsorge der Schweiz 8. Erfahrungen aus dem Ausland 9. Szenarioanalyse Marktregulierung 10. Zusammenfassung 11. Implikationen Anhang: Ausgewählte Zahlen der Betriebsrechnung 2018 der FINMA Literatur 3
1. Hintergrund und Vorbemerkung Eine aktuelle in der schweizerischen Politik, in den Medien und in Fachkreisen der berufli- chen Vorsorge geführte Diskussion beschäftigt sich mit der Vergütung der von Arbeitgebern beauftragten unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) im Kontext der sogenannten zweiten Säule. Im Fokus steht dabei zum einen die Höhe der Beratungsent- schädigung und zum anderen die praktizierten Vergütungsformen. Bei den in Rede stehen- den Vergütungsformen wird zudem diskutiert, welche Partei (Versicherer / Pensionskasse bzw. Arbeitgeber / Arbeitnehmer) für Beratungsleistungen bezahlen sollte. Den Befürwor- tern der Vertragsfreiheit stehen Regulierungsvorschläge gegenüber, die typischerweise den Auftraggeber verpflichten möchten, den Erbringer von Beratungsleistungen zu entlohnen. Die Arbeitgeber, die im Auftrag der paritätischen Personalvorsorgekommission bezüglich der Wahl der beruflichen Vorsorge handeln, können den Beratungsweg frei wählen. Neben dem Direktvertrieb, der in der Schweiz keine grosse Nachfrage besitzt, kommen insbeson- dere gebundene Versicherungsvermittler und ungebundene Versicherungsvermittler (Versi- cherungsbroker) in Betracht. 1 Wenn eine Beratungsleistung gewünscht wird, sind Vergü- 0F tungsformen und -höhen (wie auch andere Vertragsparameter) grundsätzlich verhandelbar. Es besteht also die unter professionellen Vertragspartnern übliche Vertragsfreiheit. Die ge- führte Diskussion bezieht sich somit in erster Linie auf die regelmässig praktizierten Vorge- hensweisen in Hinblick auf die Vergütungen und nicht auf das tatsächliche Spektrum der möglichen Vereinbarungen. 1 Das Versicherungsaufsichtsgesetz VAG verwendet den Terminus Versicherungsvermittlung, der das tatsächliche Aufgabenfeld insbesondere der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungs- broker) unzureichend beschreibt. 4
Zusätzlich ist anzumerken, dass für die Beteiligten eine Kostentransparenz existiert. Konkret existieren diese a) in Hinblick auf allgemeine Betriebskosten der Pensionskasse / des Versi- cherers 2 und b) bezüglich der Entschädigungen der ungebundenen Vermittler (vgl. Art. 48k 1F Abs. 2 BVV2). 3 2F Die Diskussion um Vergütungen fokussiert sich zum einen stark auf den Sektor der unab- hängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) und weniger auf die Gruppe der gebundenen Vermittler, zum anderen bleiben erstaunlicherweise die den Kosten entgegen- stehenden Nutzen dieser Vermittlungs- und Beratungsform regelmässig unberücksichtigt. Nur wenn man annimmt, jede Beratungsleistung und -form besässe den exakt gleichen Kun- dennutzen, ist ein blosser Vergleich von Kosten als Entscheidungskriterium sinnvoll. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Annahme praxisfremd ist. Die aktuelle Diskussion bezieht sich aber nicht nur auf reine Beratungs- und Vermittlungs- kosten, sondern hält insbesondere das übliche Vergütungsschema der unabhängigen Versi- cherungsvermittlung (Versicherungsbroker) via Courtage für nicht anreizkompatibel. 4/ 5 3F 4F Hierzu werden theoretische Erkenntnisse der Agency-Theorie als Fundament verwendet, da gesicherte empirische Erkenntnisse im Allgemeinen und für den Schweizer Markt im Spezi- ellen fehlen. Zunächst erscheint es uns wichtig, die üblichen Vergütungsschemata vorzustel- 2 Exakter müsste man von Aufwendungen sprechen, da es sich um bilanzielle Grössen aus dem Jah- resabschluss handelt. 3 Art. 48k Abs. 2 BVV2 führt hierzu aus: «Werden externe Personen und Institutionen mit der Vermittlung von Vorsorgegeschäften beauftragt, so müssen sie beim ersten Kundenkontakt über die Art und Herkunft sämtlicher Entschädigungen für ihre Vermittlungstätigkeit informieren. Die Art und Weise der Entschädigung sind zwingend in einer schriftlichen Vereinbarung zu regeln, die der Vorsorgeeinrichtung und dem Arbeitgeber offenzulegen ist. Die Bezahlung und die Entgegennahme von zusätzlichen volumen-, wachstums- oder schadenabhängigen Entschädigungen sind untersagt.» 4 Bei gebundenen Vermittlern ist der Terminus Provision üblich, bei Brokern wird in der Regel von Courtagen gesprochen. In systematischer Hinsicht existieren heute aber keine Unterschiede mehr. 5 Analoge Überlegungen gelten selbstverständlich auch für die gebundenen Vermittler. 5
len und zu verdeutlichen, dass jedes Entlohnungskonzept – in oder ausserhalb der Asseku- ranz – einer Anreizproblematik unterliegt. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei- spielsweise in der aktuellen Debatte häufig der Eindruck erweckt wird, Honorarvereinba- rungen und / oder die Direktvergütung der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versi- cherungsbroker) durch den Auftraggeber seien anreizkompatibel und es könne demzufolge nicht zu Interessenkonflikten kommen. 2. Vergütungsformen im Kontext der Versicherungsberatung und -vermittlung a) Überblick Im Folgenden wollen wir zunächst einen allgemeinen Überblick über Vergütungen im Kon- text der Versicherungsvermittlung und Beratung geben. Im anschliessenden Unterkapital 2 b) stehen hingegen die Spezifika der beruflichen Vorsorge im Vordergrund. In der Asseku- ranz sind sowohl Provisionen als auch Honorare für Beratungsleistungen vorzufinden. Pro- visionen, die sich ihrerseits in sogenannte Abschluss- und Bestandsprovisionen unterschei- den lassen, werden vom Versicherungsunternehmen an den Vermittler bezahlt. Während Be- standprovisionen als Vergütung von Beratungsleistungen des Vermittlers während der Ver- tragslaufzeit dienen, stellen Abschlussprovisionen eine Aufwandsentschädigung für die üb- licherweise umfangreicheren anfänglichen Beratungsleistungen dar. Provisionsvereinbarun- gen sehen dabei in bestimmten Fällen mitunter Rückzahlungen an den Versicherer vor; zu nennen ist hierbei beispielsweise eine frühe Kündigung des Versicherungsnehmers. Provisi- onen sind damit an einen Vertragsabschluss und Prämienzahlungen des Versicherungsneh- mers gebunden; zudem orientiert sich ihre Höhe in der Regel an Umsatzgrössen wie z. B. das Prämienvolumen. 6
b) berufliche Vorsorge Im Markt der beruflichen Vorsorge in der Schweiz orientieren sich einmalige Zahlungen stär- ker am tatsächlichen Aufwand des Beraters, während Bestandprovisionen sich an Umsatz- grössen orientieren. Im Falle der ungebundenen Vermittler basieren Bestandsprovisionen typicherweise auf den kalkulatorischen Risiko- und Kostenprämien. Geleistet werden diese Zahlungen von Pensionskassen inkl. Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung sowie Lebens- versicherungsunternehmen. In welchem Umfang durch diese Zahlungen die Ansprüche bzw. Leistungen der Arbeitnehmer reduziert werden, ist kaum beantwortbar. Begründet liegt dies daran, dass auch Anbieter in der beruflichen Vorsorge in der Schweiz Mischkalku- lationen – u. a. über verschiedene Vertriebswege – verwenden. 6 Zwar kann davon ausgegan- 5F gen werden, dass alle Kosten gesamtheitlich gedeckt sind, d. h., der Anbieter muss Provisio- nen und alle anderen Transaktionskosten gesamthaft durch die eingenommenen Prämien und Kapitalanlageerlöse finanzieren. Es existieren aber – bezogen auf einen bestimmten Vor- sorgeanbieter – häufig keine Leistungsunterschiede für die Kunden in Abhängigkeit des ge- wählten Vertriebswegs (direkt, gebunden und ungebunden). 7 6F Honorare an Vermittler werden grundsätzlich vom Auftraggeber bezahlt und finanzieren sich damit regelmässig nicht aus den Prämienzahlungen oder anteiligen Kapitalanlageerlö- sen. Üblicherweise basiert die Entschädigung dabei auf der aufgewendete Beratungszeit. Im Fall der Honorarberatung schuldet der Auftraggeber die vereinbarte Entschädigung unab- hängig von Zustandekommen eines Vertrags. Hiervon ist die Honorarvermittlung abzugren- zen, bei der es nur bei Vertragsabschluss zu Zahlungen an den Vermittler kommt. Die Hono- 6 Anzumerken gilt, dass eine Mischkalkulation – auch wenn diese angestrebt wird – sich in aller Regel nicht vollständig realisieren lässt, da jede Vertriebsform typischerweise gewisse Preisspielräume besitzt. 7 Die Leistungen der verschiedenen Vorsorgeanbieter an die Kunden unterscheiden sich selbstverständlich in aller Regel, es erfolgen aber häufig keine Differenzierung in Abhängigkeit des Kundenzugangswegs. 7
rarvermittlung, die in der beruflichen Vorsorge der Schweiz eine untergeordnete Rolle spielt, besitzt somit eine deutliche Nähe zur oben angesprochenen Abschlussprovision. Zudem finden sich auch Kombinationen aus Honorarberatung und Provisionsmodellen am Markt. In der Gesamtsicht sind Chancen und Risiken (d. h., der tatsächliche Aufwand ist deutlich höher / geringer als ex-ante angenommen und vergütet) für beide Parteien bei Provisionsver- einbarungen grundsätzlich höher zu bewerten als bei der Honorarberatung. 8 Dennoch gilt 7F festzuhalten, dass auch bei Honorarberatungen Risiken für den Versicherungsvermittler ent- stehen, da die Vereinbarung eines «Kostendachs» üblich ist. Rückzahlungen von Provisionen sind in der Beruflichen Vorsorge nur bei Nichtbezahlen der Prämie durch den Kunden vor- gesehen. Zur gebräuchlichen Terminologie und zur Art der Kosten kann folgendes festgehalten wer- den: Gebundenen Versicherungsvermittler erhalten für Ihre Vermittlungs- und Beratungs- leistungen typischerweise neben variablen Provisionen auch fixe Vergütungen (Fixum, Be- standsprovisionen, Boni o.ä.). Entschädigungen der unabhängigen Versicherungsvermitt- lung (Versicherungsbroker) werden als Courtagen bezeichnet und stellen rein variable Ver- gütungen (Prozentsatz in Abhängigkeit der Risikoprämie) dar. Von der Bestandgrösse unab- hängige «Grundkosten» sowie Abschlussprovisionen entstehen insofern bei der unabhängi- gen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) nicht. 8 Diese Aussage ist u. U. für den Versicherungsvermittler einzuschränken, falls z. B. eine jährliche Obergrenze im Rahmen der Honorarberatung vereinbart wurde. 8
3. Anreize und Effekte verschiedener Vergütungsformen Die Diskussion um Anreizprobleme von Vergütungssystemen in der Assekuranz leidet da- runter, dass empirische Befunde – insbesondere auch für den hier relevanten Bereich der be- ruflichen Vorsorge in der Schweiz – fehlen und von daher nur Analogieschlüsse aus der Agency-Theorie oder allgemeine ökonomische Argumentationen angewendet werden kön- nen. Die typischerweise in diesem Kontext ausgetauschten Argumente besitzen zumeist den Charakter von Thesen. Wir geben zudem zu bedenken, dass es keine anreizfreien Vergü- tungssysteme gibt. Nach unserem Dafürhalten lässt sich kein Vergütungsschema finden – in und ausserhalb der Assekuranz –, welches keine spezifischen Anreizproblematik unterliegt. In einem marktwirt- schaftlichen System ist es aber unrealistisch anzunehmen, qualifizierte Beratungsleistungen liessen sich unentgeltlich bewerkstelligen. Die Diskussion um Anreizprobleme von Vergü- tungssystemen in der Assekuranz leidet darunter, dass empirische Befunde – insbesondere auch für den hier relevanten Bereich der beruflichen Vorsorge in der Schweiz – fehlen und von daher nur Analogieschlüsse aus der Agency-Theorie oder allgemeine ökonomische Ar- gumentationen angewendet werden können. Insofern muss zutreffender von «Thesen» über Anreize und Effekte unterschiedlicher Vergütungsformen gesprochen werden. Bei Provisionierungen (bzw. Courtagen bei Versicherungsbrokern) ist der Intermediär auf den ersten Blick interessiert, einen Vertragsabschluss zu erreichen. Diese Aussage ist aber bei der Verwendung durchlaufender Courtagen nicht zutreffend; auch in der hier betrachteten beruflichen Vorsorge sind Courtagen im Bereich der ungebundenen Versicherungsvermitt- lung (Versicherungsbroker) nicht erfolgsabhängig und werden daher nicht von Neuab- schlüssen oder Umplatzierungen beeinflusst. 9
Hängt die Provisionierung an Umsatzgrössen und Laufzeit, sind diese Elemente des Vertrags in Hinblick auf die Entschädigung des Vermittlers zentral. Die in der Praxis etablierte Bezah- lung des Vermittlers durch den Versicherer bzw. die Pensionskasse resultiert aus deren (im Vergleich zum Kunden) höheren Zahlungsbereitschaft. 9 Anreize des Vermittlers können in 8F diesem Kontext vor allem darin liegen, solche Produkte anzubieten, die aus seiner Perspek- tive finanziell attraktiv sind. Im Falle des ungebundenen Vermittlers steht damit die An- nahme im Raum, das Angebot gegenüber dem Nachfrager auf Produkte von Unternehmen zu fokussieren, die vergleichsweise hohe Courtagen versprechen und bspw. Anbieter, die keine Entschädigungen für die Vermittlung leisten, nicht in das Angebotsspektrum aufzu- nehmen. Anzumerken gilt, dass sich dieses Anreizproblem nicht durch eine Regulierung be- seitigen lässt, die die Bezahlung des Vermittlers in einem provisionsbasierten Konzept zwin- gend dem Auftraggeber auferlegt: Auch hier existieren für den Vermittler Anreize, das dem Auftraggeber offerierte Produktspektrum bewusst zu beschränken und die aus seiner Sicht attraktive Produkte (mit hoher Provisionierung bzw. Courtagen) in besonderem Masse zu empfehlen. Für die Honorarvermittlung besteht – analog zur erfolgsabhängigen Provisionierung – ein Anreiz des Vermittlers, einen Vertragsabschluss realisieren zu können, da sonst keine Ver- gütung stattfindet. 10 Auch hier kann unterstellt werden, dass der Vermittler – vom Ziel der 9F Vertragsunterzeichnung gesteuert – das passende Angebotsspektrum für den Nachfrager künstlich reduziert und unter einer rein finanziellen Perspektive u. U. wenig Anreiz hat, von Produkten, die für den Kunden ungeeignet sind, abzuraten. 9 Vgl. Richter / Schiller (2008). 10 Selbstverständlich ist auch die nachfolgende Betreuung des Mandats bei erfolgtem Abschluss ein wichtiges Element der Leistung des Intermediär. 10
Im Falle der Honorarberatung besteht das Risiko aus Perspektive des Nachfragers vor allem darin, dass der Berater sich unangemessen viel Zeit nimmt – wenn z. B. eine stundenweise Abrechnung vereinbart ist. Auch ein vereinbartes Kostendach kann dieses Anreizproblem nur «nach oben» begrenzen. In einer theoretischen Untersuchung von Inderst / Ottaviani (2012) ist eine honorarbasierte Vergütung von Beratern nur unter engen Annahmen gegenüber dem Konzept der Provisio- nierung vorteilhaft 11: Zum einen muss sich das Entscheidungsproblem nur auf die Pro- 10F duktauswahl beschränken, zum anderen muss der Kunde ein gewisses Mass an Kenntnis und Rationalität für das in Rede stehende Entscheidungsproblem besitzen. 12 Liegen solche 11F Gegebenheiten nicht vor, besteht auch bei der honorarbasierten Vergütung die Gefahr von Fehlberatungen und Anreizen seitens des Beraters, bei gegebenen Honorarbudget persönli- che Aufwendungen gering zu halten und damit Bedürfnisse des Kunden nur unzureichend zu berücksichtigen. In der Arbeit von Russ / Schiller / Seyboth (2018, S.32) wird zudem auf zwei weitere wichtige Aspekte hingewiesen, die typischerweise mit Provisions- bzw. Honorarmodellen einherge- hen. Durch die Umsatzabhängigkeit von Provisionsvereinbarungen werden grossvolumige Verträge (in absoluten Grössen) stärker belastet als kleine. In der Regel kommt es damit zu einer Umverteilung – gemessen anhand der Kosten, die auf Basis der tatsächlich benötigten Beratungskapazitäten anfallen würden – zwischen Verträgen unterschiedlichen Volumens. Aus sozialpolitischer Perspektive kann eine solcher Vermögenstransfer positiv interpretiert werden. 13 Die Honorarberatung dagegen lässt solche Effekte in der Regel nicht zu: Dies kann 12F 11 Vgl. Russ / Schiller / Seyboth (2018), S. 30. 12 Wenn man den Studienergebnisse von Bühler / Eling / Maas / Milanova (2015) folgt, liegen diese Kenntnisse in der schweizerischen Bevölkerung im Allgemeinen nicht vor. 13 Vgl. Russ / Schiller / Seyboth (2018, S.32), die auf Stoughton / Wu / Zechner (2011) verweisen. Offenbar wird dabei die implizite Annahme getroffen, vermögende Nachfrager wählen volumenstarke Verträge (bzw. 11
zu einer Beratungslücke führen: Bestimmte Kundengruppen mit kleineren Verträgen, für die eine qualifizierte Unterstützung im Kaufprozess aber tatsächlich wichtig wäre, nehmen auf- grund fehlender finanziellen Mitteln und / oder nicht-ausreichender Zahlungsbereitschaft von einer Vermittlung Abstand. 14 In unserem Fall einer obligatorische Versicherung besteht 13F dabei in erster Linie die Gefahr eine Fehlentscheidungen (z. B. Nicht-Berücksichtigung der Solvenz der Pensionskasse im Entscheidungsprozess). Auch aus Kundensicht bestehen bei Provisions- (bzw. Courtage-)Vereinbarungen und bei der Honorarvermittlung spezifische Anreize, die in gleicher Form auch aus anderen Industrien bekannt sind. Als wichtiger Aspekt kann genannt werden, dass der Nachfrager die Möglich- keit hat, sich in einem gewissen Umfang kostenfrei beraten zu lassen, um letztlich auf Basis der gesammelten Informationen «günstig» direkt abzuschliessen. 15 Diese Anreizproblematik, 14F die bei der Honorarberatung naturgemäss nicht existiert, kann auch nicht durch eine Regu- lierung beseitigt werden, die den Auftraggeber für die Beratungsleistung zwingend bezahlen lässt – und nicht den Anbieter der beruflichen Vorsorge. Anzumerken gilt aus unserer Perspektive, dass uns die aktuelle Diskussion mit ihrer Fixie- rung auf die unabhängige Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) in der berufli- chen Vorsorge vor dem Hintergrund des hohen Stellenwerts der gebundenen Vermittlung und der (deutlich geringen) Bedeutung des direkten Vertriebs sehr verengend erscheint. 16 15F wählen höhere Leistungen) und subventionieren damit implizit weniger vermögende Nachfrager mit «kleinen» Verträgen. Unabhängig davon, ob diese Annahme empirisch verifizierbar ist, stellt sich die Frage, ob die Vergütung von Beratungsleistungen in der beruflichen Vorsorge das richtige Instrument zur Her- stellung eines sozialen Ausgleiches ist. 14 Vgl. Russ / Schiller / Seyboth (2018, S. 32), die an dieser Stelle auf Gravelle (1994) verweisen. 15 Diese Strategie setzt voraus, dass der Anbieter der beruflichen Vorsorge eine Preisdifferenzierung in Abhängigkeit des gewählten Vertriebskanals und der dabei entstehenden Kosten vornimmt. Dies ist heute häufig (noch) nicht der Fall. 16 In der Studie von Baumann / Forlin (2019) erscheint uns eine Vermischung der beiden Vermittlungs- und Beratungsformen vorzuliegen. 12
Wenn die Unabhängigkeit im Beratungsprozess der unabhängigen Versicherungsvermitt- lung (Versicherungsbroker) angezweifelt wird, stellt sich die Frage nach den Alternativen. Niemand wird erwarten, dass sich ein gebundener Vermittler auf für den Kunden besser passende Produkte anderer Anbieter fokussieren wird. Dies ist in anderen Sektoren (z. B. beim Autokauf) nicht anders zu beurteilen und vom Nachfrager leicht antizipierbar. Ein di- rekter Abschluss bedeutet auf Beratung zu verzichten und gegebenenfalls Know-how zu die- ser Thematik selbst aufzubauen; bei der Beurteilung dieser Vorgehensweise sind dann die Wahrscheinlichkeit von suboptimalen Entscheidungen 17 im Vergleich zu den genannten in 16F der Praxis üblichen Beratungswegen sowie persönliche Opportunitätskosten zu berücksich- tigen. Wir möchten auf diese Punkte an späterer Stelle im Abschnitt «Was leistet der Vermitt- ler im Allgemeinen und der Versicherungsbroker im Speziellen für den Auftraggeber?» ver- tiefend eingehen. 4. Synchronisierung der Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer In der beruflichen Vorsorge können sich Situationen ergeben, in denen die Interessenlagen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vollständig synchronisiert sind. Um negative Effekte für Arbeitnehmer in solchen Situationen zu vermeiden, müssen geeignete Vereinba- rungen im Innenverhältnis Arbeitgeber / Arbeitnehmer getroffen werden. Nicht sinnvoll erscheint uns aber, auf dieser Basis Regulierungen für die Vertragsgestaltung zwischen Auftraggeber und Vermittler begründen zu wollen. Grundsätzlich ist auch zu überlegen, ob es zu Anreizproblemen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommt oder kommen kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die Interessenlage des Arbeitgebers sich von derer der Arbeitnehmer im Bereich der beruflichen Vorsorge sub- 17 Durch die hohen Volumina sind Fehlentscheidungen in der beruflichen Vorsorge ein nicht zu vernach- lässigender Aspekt. 13
stantiell unterscheidet. Da im Grundsatz eine paritätische Finanzierung vorliegt, ist ein sol- cher Interessenskonflikt im Prinzip nicht zu vermuten. Neben der paritätischen Finanzierung kommt noch hinzu, dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle Arbeitgeber und Arbeitneh- mer beim gleichen Anbieter der beruflichen Vorsorge versichert sind, so dass auch aus die- sem Grund für eine Synchronisierung der Interessenlage grundsätzlich gesorgt sein sollte. Hohe Transaktionskosten eines Anbieters treffen damit ceteris paribus beide Parteien, wo- durch es auch für Arbeitgeber von Interesse ist, unnötige Kosten zu vermeiden. Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn eine Verringerung von Transaktionskosten (zu denen auch Kosten der Vermittlung gehören) entweder wegen einer Mischkalkulation des Anbieters über alle Vertriebswege keine individuellen Anreize auslösen oder Transaktionskosten ein- seitig getragen werden. Sind z. B. Kosten einer Honorarberatung nur durch den Arbeitgeber zu tragen, während Provisionsvereinbarungen das Versicherungskollektiv als Ganzes tref- fen, erscheint die Entscheidung des Arbeitgebers auf der Hand zu liegen. Existieren Verein- barungen, dass ein unabhängiger Versicherungsvermittler (Versicherungsbroker) Vergütun- gen unter bestimmten Umständen zurückbezahlt (z. B. weil der Arbeitgeber bestimmte Bera- tungsleistungen in einem Zeitraum nicht bezogen hat) und der Arbeitgeber diese Rückerstat- tungen nicht paritätisch teilt, ist eine Synchronisierung der Interessenlage zwischen Arbeit- gebern und Arbeitnehmern nicht gewährleistet. 18 17F Die in der beruflichen Vorsorge der Schweiz zwingend vorgesehene Personalvorsorgekom- mission (PVK) ist dazu geeignet, mögliche Interessenkonflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu lösen. Die PVK besteht aus einer gleichen Anzahl von Arbeitnehmer- und 18 Ob solche Fälle in praxi vorkommen und damit empirisch relevant sind können wir an dieser Stelle nicht beurteilen. Zu einer solchen Vereinbarung führen Baumann / Forlin (2019), S. 16 aus: «Dieses Missverhältnis wird noch gestärkt, falls der Broker auf einen Teil der Courtagen verzichtet und an den Arbeitgeber „zurück“ leistet. Der Broker macht sich für den Arbeitgeber noch attraktiver. Der Arbeitgeber erhält dadurch indirekt einen Gewinn aus der beruflichen Vorsorge. Es ist nicht sicher, ob diese Praxis vor Gericht bestehen würde». Nach unserem Kenntnisstand erfolgen Rückzahlungen von Courtagen immer unter der Auflage der Rückerstattung an die Arbeitnehmer. 14
Arbeitgebervertretern. Sie entscheidet über Änderungen des Vorsorgeplans, Verwendung freier Vermögen und kontrolliert die Entrichtung der Beiträge sowie deren Weiterleitung an das Vorsorgebetreiber. Grundsätzlich würden wir erwarten, dass der Nutzen einer Beratungsleistung in erster Linie den Arbeitnehmer – z. B. via besseren Anlageperspektiven oder tieferen Betriebskosten – zu Gute kommt. Die Beitragssätze der Arbeitgeber sind wenig durch die Wahl einer spezifischen Anlageform beeinflusst, die Leistungen an den Kunden jedoch mit Sicherheit. In der Gesamtsicht kann festgehalten werden: Sollten sich Interessenskonflikte in der be- schriebenen Art ergeben, dann betreffen sie das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und -neh- mer und bedürfen geeigneter Vereinbarungen, die das Innenverhältnis betreffen. Daraus aber Regulierungen für die Vertragsgestaltung zwischen Auftraggeber und Vermittler be- gründen zu wollen, erscheint uns nicht zielführend. Für den Fall der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) ist noch- mals darauf hinzuweisen, dass diese per Mandat Dienstleistungen für Arbeitgeber- und Ar- beitnehmer gleichermassen leisten und dabei auch regelmässig Ansprechpartner für Perso- nalorientierungen in der beruflichen Vorsorge u.v.m. sind. 15
5. Massnahmen zur Reduktion von Anreizproblemen aus Vergütungssystemen und Wir- kung des Marktes Die bereits weitgehend realisierte Kostentransparenz halten wir für zielführend. Auch ist die Gewährung einer möglichst grossen Vertragsfreiheit in Hinblick auf Umfang von Beratungs- verträgen und -entlöhnungssystemen wichtig, um Ansprüche spezifischer Einzelfälle opti- mal Rechnung tragen zu können. Wichtig erscheint uns zudem darauf hinzuweisen, dass die Courtagen im Bereich der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) – im Gegensatz zu den gebundenen Beratern – nicht erfolgsabhängig sind und damit nicht von Neuabschlüssen oder Umplatzierungen abhängen. Die Kritiker der bisher vor allem praktizierten Vorgehensweise – der Vorsorgeanbieter be- zahlt den Vermittler und nicht der Auftraggeber – unterstellen implizit einen nicht vollstän- dig kompetitiven Markt. In einem kompetitiven Markt stellen sich Marktpreise ein, die nahe an den Selbstkosten liegen. In einem solchen Kontext müssen Transaktionskosten – zu denen auch Vermittlungs- und Beratungskosten gehören – zwingend und vollumfänglich von den Leistungsnachfragern (hier: Arbeitgeber und Arbeitnehmer) getragen werden. Es macht also in diesem Kontext keinen Unterschied, ob der Versicherer den Vermittler bezahlt (und diese Kostenkomponente an die Kunden weitergeben muss) oder der Auftraggeber direkt. Unterschiedliche Transaktionskosten sind in einem kompetitiven Markt selbstverständlich möglich, höhere Transaktionskosten sind aber nur durchsetzbar, wenn diese mit höherem Nutzen für den Kunden einhergehen (also die Beratungsqualität 19 besser ist). In wieweit die 18F Annahme eines wenig kompetitiven Marktes in dem in Rede stehenden Bereich empirisch Bestand hat, kann an dieser Stelle nicht abschliessend beurteilt werden. Wenn Vorsorge- 19 Die Beratungsqualität ist in diesem Kontext zentral, aber empirisch nicht einfach zu messen. Die Kompetenz des Beraters ist mit bestimmten Methoden grundsätzlich gut ermittelbar, zentral sind aber die Kenntnisse, die vom Auftraggeber aufgenommen und bei der Versicherungsentscheidung verinnerlicht werden. 16
anbieter allerdings keine Preisdifferenzierung in Abhängigkeit des vom Nachfrager ge- wählten Vertriebswegs vornehmen – also zumindest in einem gewissen Umfang eine Misch- kalkulation betreiben –, kann dies als Indiz eines nicht vollständig kompetitiven Marktes in diesem Teilbereich gewertet werden. Auch ausgeprägte Regulierungen (und Selbstregulie- rungen) können in diese Richtung interpretiert werden. Welche Mechanismen können nun angeführt werden, bestimmten unerwünschten Anreiz- wirkungen von Vergütungssystemen in der beruflichen Vorsorge entgegenzuwirken? Nach unserem Dafürhalten sind insbesondere die folgenden Punkte zu nennen: • Vollständige Kostentransparenz bei allen Beratungs- und Vermittlungsleistungen: 20 19F Dieser Aspekt stellt insbesondere auf die Vermittlungshöhen ab, reduziert aber auch die Gefahr für den Kunden, vor allem solche Angebote empfohlen zu bekommen, die hohe Provisionen / Courtagen bezahlen. 21 20F • Die Entschädigungen im Bereich der ungebundenen Vermittler («Courtagen») sind – im Gegensatz zu den gebundenen – nicht erfolgsabhängig und hängen damit nicht von Neu- abschlüssen oder Umplatzierungen ab. Konkret sind für «externe Personen und Instituti- onen», die mit der Vermittlung beauftragt wurden, gemäss Art. 48k, Abs. 2 BVV2 «die Bezahlung und die Entgegennahme von zusätzlichen volumen-, wachstums- oder scha- 20 Anzumerken gilt, dass diese Vorschrift eine sehr weitreichende Regulierung darstellt, die in anderen Industrien unüblich ist. Man stelle sich analog vor, der Autoverkäufer müsste seine Verkaufsmarge gegenüber dem Kunden offenlegen. Damit wollen wir nicht uns aber nicht gegen diese gesetzliche Regelung aussprechen; ihr Zweck ist aber vor allem, die Höhe der Beratungs- und Vermittlungskosten durch die Entstehung eines Marktdrucks einzuschränken. Diese Vorgehensweise kann man in einem obligatorischen Konzept der beruflichen Vorsorge durchaus begründen. 21 Im Fall der erwähnten Mischkalkulation d. h., wenn Vorsorgeanbieter keine Preisdifferenzierung in Abhängigkeit des vom Nachfrager gewählten Vertriebswegs vornehmen, wirkt die Kostentransparenz nur sehr eingeschränkt. Die Einsparung von Kosten (mit dem persönlichen Nachteil, potenziell schlechter informiert zu sein), wirkt dann nur auf das Kollektiv als Ganzes und entfaltet somit wenig Anreize auf individueller Ebene. 17
denabhängigen Entschädigungen untersagt». Diese Regelung möchte insbesondere eine aus Kundensicht möglicherweise nachteilige(n) häufige(n) Umschichtung / Wechsel des Vorsorgeanbieters entgegenwirken. 22 21F • Gewährung einer möglichst grossen Vertragsfreiheit in Hinblick auf Umfang von Vermitt- lungsverträgen und -entlöhnungssystemen, um Ansprüche spezifischer Einzelfälle besser Rechnung tragen zu können. Zudem: Erhalt und Verstärkung des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Vermittlungsmodellen (direkter Abschluss versus gebundene und un- gebundene Intermediäre). Des Weiteren sollte die Gewährung eines kompetitiven und transparenten Vorsorgemarkts im Vordergrund stehen, um Vermittler mit schlechter Be- ratungsleistung leichter identifizieren zu können («Selbstreinigungswirkung des Mark- tes»). In der Praxis sind hier gewisse Grenzen gesetzt, da die Produkte im beruflichen Vor- sorgemarkt nicht homogen sind und sich u. a. in Hinblick auf die Solvenz des Anbieters deutlich unterschieden können. Eine klare «Fehlberatung» ist damit nicht leicht zu erken- nen und erschwert häufig die Identifizierung suboptimaler Beratungen im Markt. Anzu- merken gilt, dass gerade seriöse Vermittler aber auch Berufsverbände grosses Interesse haben, «schwarze Scharfe» aus dem Beratungsmarkt in der beruflichen Vorsorge zu ver- bannen und hierfür erhebliche Anstrengungen unternehmen. • Insbesondere im Brokermarkt ist es wichtig, den Nachfragern zu verdeutlichen, dass das Recht besteht, weitere Offerten anderer Anbieter durch den unabhängigen Versicherungs- vermittler (Versicherungsbroker) einholen zu lassen. Zusammen mit der vorliegenden Kostentransparenz kann damit das unterstellte Anreizproblem, der Versicherungsbroker würde den Markt passender Produkte auf die für ihn attraktiven Lösungen verengen wol- len, entgegengetreten werden. 22 Falls man diese Regelung für zielführend hält stellt sich die Frage, warum diese nicht auch für die gebundenen Vermittler gelten soll. 18
• Ein Verhaltenskodex des Berufsverbands – wie beispielsweise von der SIBA für die Mit- glieder entwickelt und vorgeschrieben – sowie die Fokussierung auf die Qualität der Aus- und Weiterbildung (vgl. hierzu unterschiedliche Grundqualifikationen (Versicherungs- vermittler VBV, Versicherungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis, Krankenversiche- rungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis, Sozialversicherungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis) und die aktuelle VAG-Revision bzw. IDD in der Europäischen Union mit einer gesetzlichen Weiterbildungspflicht) wirken gleichfalls in die Richtung, die Wahr- scheinlichkeit von Fehlberatungen zu verringern. Auch eine gesetzliche Regelung zur Rückabwicklung erkannter Fehlberatungen ist ein Instrument zur Disziplinierung und Qualitätssicherung der Beratung und dient zur Reduktion von Problemen, die sich aus einer asymmetrischer Informationslage zwischen den beteiligten Parteien ergeben kön- nen. • Zudem sind die Verbesserung der Nachfragerkompetenz, also die Steigerung der «Finan- cial Literacy», durch allgemeine Ausbildungsmassnahmen und die Fokussierung auf Problembereiche der Beratung, z. B. in den Medien, gleichfalls geeignete Massnahmen, Effekte der dargestellten Anreizproblematik zu reduzieren. 6. Was leistet der Vermittler im Allgemeinen und die unabhängige Versicherungsvermitt- lung (Versicherungsbroker) im Speziellen für den Auftraggeber? Die aktuelle Diskussion zur Vergütung des Vertriebs im Allgemeinen und der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) im Speziellen in der beruflichen Vorsorge der Schweiz leidet nach unserem Dafürhalten an einer ausschliesslichen Fokussierung auf Kosten. Ein Entscheidungskriterium, dass sich nur nach den Transaktionskosten (insbeson- dere Betriebs- und Vertriebskosten) des Anbieters richtet, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Leistungen aller am Markt angebotenen Produkte (inklusive der eingeschlossenen Bera- 19
tungs- und Serviceleistungen) völlig identisch sind. Dies ist in dem betrachteten Sektor of- fensichtlich nicht der Fall. Ein rationaler Nachfrager richtet sich bei der Entscheidung nicht nach der Höhe einzelner Kostenkomponenten, sondern vergleicht die Gesamtleistungen des Produkts mit dessen Preis (hier: den zu zahlenden Prämien). Analog zu allen anderen Industrien liegt es auf der Hand, dass nicht das Angebot mit den geringsten Transaktionskosten das beste Preis- / Lei- stungsverhältnis besitzen muss. Die Leistungen der Vermittler werden – gerade im Sektor der komplexen beruflichen Vor- sorge in der Schweiz – häufig unterschätzt. So beraten z. B. die Versicherungsbroker in der Schweiz die Arbeitgeber typischerweise in grundsätzlichen Fragen der Organisation der Al- tersvorsorge und begutachten in Abstimmung mit Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern die verschiedenen Möglichkeiten und Offerten von Vorsorgelösungen. Zudem werden Leis- tungen und Prämien regelmässig überprüft und mit alternativen Angeboten verglichen. Ne- ben bestimmten Produkteigenschaften kommt insbesondere der Solvenz des Anbieters der Vorsorgeleistung zentrale Bedeutung zu, die bei Lebensversicherungsunternehmen via SST deutlich anders zu beurteilen ist als dies bei Pensionskassen auf Basis des publizierten De- ckungsgrads der Fall ist. Der unabhängige Versicherungsvermittler (Versicherungsbroker) begleitet das Unternehmen auch im Falle eines Wechsels des Vorsorgeanbieters und führt Personalorientierungen und -schulungen durch und steht für alle Rückfragen der Versicher- ten zur Verfügung. Zu betonen ist, dass Versicherungsbroker somit für Arbeitgeber – und Arbeitnehmer gemeinsam Leistungen erbringen. Eine Betrachtung der Marktgegebenheiten zeigt deutlich, dass zu den aufgeführten Punkten ein klarer Bedarf seitens der Nachfrager existiert und der Alternativweg – der direkte Abschluss – zumindest zurzeit kaum ge- wünscht wird. Anders formuliert: Würde für den Auftraggeber – der grundsätzlich im Ab- schluss und der Evaluierung von Verträgen erfahren ist – die Nutzenseite als zu gering emp- 20
funden werden, müsste sich zwingend das Direktvertriebsmodell durchsetzen. Dies ist aber zumindest zurzeit nicht der Fall. Der Einsatz eines Vermittlers sollte vor allem dazu dienen, Fehlentscheidungen zu verhin- dern. Gerade in diesem Sektor – aufgrund der grossen Volumina – wirken sich Fehlentschei- dungen massiv für die Versicherten aus. Viele Arbeitnehmer sparen zusammen mit den Ar- beitgeberbeiträgen in der zweiten Säule bis zur Pensionierung ein Kapital in der Grössenord- nung von 0.5 Mio. CHF an; dieses Kapital ermöglichst je nach relevantem Umwandlungssatz eine Rentenzahlung in Höhe von rund 30.000 CHF pro Jahr. Für viele Arbeitnehmer ist damit das angesparte Kapital in der zweiten Säule die mit Abstand grösste persönliche Vermögens- position. Auch aus dieser Sichtweise lässt sich die Bedeutung qualifizierter Beratung bei der Wahl des Anbieters gut erklären. Zudem gilt zu sehen, dass insbesondere ungebundenen Vermittler Markttransparenz herstel- len und damit höhere Anforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit des Anbieters stellen, ihre Produkte und Serviceleistungen auf die Bedürfnisse der Kunden abzustellen. Eine höhere Transparenz erlaubt damit, besondere gute, aber auch schlechte Anbieter klar identifizieren zu können. Ein Abbau von Marktransparenz, der mit vielen der in Kapitel 9 diskutierten Sze- narien einhergeht, trifft vor allem die Arbeitnehmer in negativer Weise. 21
7. Kosten der Beratung und Vermittlung in der beruflichen Vorsorge der Schweiz Auf der Seite der Aufwendungen für die Vermittlung erhalten wir auf Basis der Daten des BFS und der FINMA von Baumann / Forlin (2019) deutlich abweichende Ergebnisse: Bei den teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen – durch die Betriebsrechnung des BFS erfasst – betragen die Abschlussaufwendungen des ungebundenen Vertriebs ca. 8,24 % der gesamten Aufwendungen für die Verwaltung. Baumann / Forlin (2019) geben für den von Ihnen ausgewählten Datensatz einen Wert von 28,3 % an. Die Aufwendungen der unabhän- gigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) in der beruflichen Vorsorge beliefen sich im Jahr 2017 auf 76 Mio. CHF (teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen) und knapp 100 Mio. CHF (private Lebensversicherungsunternehmen). Für die Summe aller Auf- wendungen für Versicherungsbroker geben Baumann / Forlin (2019) einen Wert von 309 Mio. CHF an. Im Fall der teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen betragen die Cour- tagen der Versicherungsbroker damit rund 0,14 % der Beiträge. Die Kosten der Vermittlung – und dabei insbesondere der unabhängigen Versicherungsver- mittlung (Versicherungsbroker)– in der beruflichen Vorsorge in der Schweiz wurden aktuell in einer Studie von Baumann / Forlin (2019) problematisiert und auch medial in der vom SRF produzierten Sendung «Kassensturz» aufgenommen. Der Vortrag von Baumann und Forlin vom 8. Mai 2019 mit dem Titel «Wettbewerb zwischen Sammeleinrichtungen: Entwicklung, Anreize und Risiken» nimmt u. a. die in der SRF-Fernsehsendung genannten unterschiedli- chen Zahlen auf und zielt auf eine Erklärung der erheblichen Diskrepanzen ab. Die im folgenden zusammengestellten Zahlen basieren ausschliesslich auf öffentlich verfüg- baren Dokumenten. Zu nennen ist zum einen die Pensionskassenstatistik des BFS für das Jahr 22
2017 und zum anderen der Bericht über die Transparenz in der Betriebsrechnung 2017 der FINMA. 23 22F Betrachten wir zunächst die in der beruflichen Altersvorsorge aktiven Lebensversicherer, die im Bericht der FINMA für das Kalenderjahr 2017 aufgeführt sind: • Alle Abschlussaufwendungen zusammen (also gebundene, ungebundene und sonstige Vertriebswege) betragen ca. 26 % der Betriebsaufwendungen (gesamt) In absoluten Grös- sen sind dies rund 230,281 Mio. CHF (Abschlussaufwendungen gesamt) bzw. rund 871,885 Mio. CHF (Verwaltung gesamt). • Die Courtagen an ungebundene Vermittler betragen rund 99,566 Mio. CHF, dies sind also ca. 11,16 % der Aufwendungen für die Verwaltung (gesamt). • Zur geeigneten Interpretation sind die genannten Zahlen mit Volumengrössen in Verbin- dung zu setzen: a. Die Aufwendungen für die Verwaltung gesamt entsprechen rund 0,48 % der Kapitalan- lage zu Buchwerten. 24/ 25 23F 24F b. Die Courtagen an ungebundenen Vermittlern betragen ca. 0,05 % der Kapitalanlage zu Buchwerten. 2625F 23 Die Zahlen für die Betriebsrechnung 2018 der FINMA sind bereits erhältlich, nicht jedoch die des BFS. Wir haben uns daher aus Gründen der Vergleichbarkeit entschieden, nur die Zahlen des Jahres 2017 zu diskutieren. 24 Die Kapitalanlage zu Marktwerten (zu Buchwerten) beträgt im Jahr 2017 rund 209,353 Mio. CHF (rund 187,566 Mio. CHF). 25 Die Aufwendungen für die Verwaltung gesamt entsprechen rund 0,43 % der Kapitalanlage zu Marktwerten. 26 Die Courtagen an ungebundenen Vermittlern betragen ca. 0,05 % der Kapitalanlage zu Marktwerten. 23
c. Alle Abschlussaufwendungen zusammen betragen rund 0,12 % der Kapitalanlage zu Buchwerten. 2726F d. Die Aufwendungen für die Verwaltung gesamt entsprechen ca. 3,98 % der Bruttoprä- mien. 28 27F e. Die Courtagen an ungebundenen Vermittler betragen rund 0,44 % der Bruttoprämien. f. Alle Abschlussaufwendungen zusammen betragen ca. 1,03 % der Bruttoprämie. • Die Kapitalanlage zu Marktwerten geteilt durch die Anzahl der aktiven Versicherten (rund 1,851 Mio.) beträgt ca. 113’103 CHF. 29 Für jeden einzelnen aktiven Versicherten fallen die 28F folgenden durchschnittlichen Aufwendungen an: a. Die durchschnittlichen Abschlussaufwendungen (gesamt) pro Versicherungsnehmer be- tragen ca. 124,41 CHF p.a. b. Die durchschnittlichen Abschlussaufwendungen der ungebundenen Vermittler pro Versi- cherungsnehmer summieren sich auf rund 53,79 CHF p.a. c. Die durchschnittlichen gesamten Betriebsaufwendungen pro Versicherungsnehmer betra- gen ca. 471,01 CHF p.a. Das Volumina der in der Statistik des BFS erfassten Pensionskassen 30 für das Jahr 2017 ist – 29F z. B. gemessen anhand der Beiträge (ordentlichen und übrige Beiträge und Einlagen: rund 54.729 Mio. CHF) oder der Kapitalanlage zu Buchwerten (direkte und kollektive Vermögens- anlage: ca. 894.254 Mio. CHF) – gesamthaft deutlich grösser als die entsprechenden Beträge 27 Alle Abschlussaufwendungen zusammen betragen rund 0,11 % der Kapitalanlage zu Marktwerten 28 Die gebuchte Bruttoprämie total im Jahr 2017 beträgt rund 22.395 Mio. CHF. 29 Die Gesamtzahl der Versicherten inkl. Rentenbezüger und Inhaber von Freizügigkeitspolicen beträgt rund 2,42 Mio. 30 Hierzu gehören teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen. 24
der privaten Lebensversicherern in der beruflichen Vorsorge der Schweiz. 31 Analog zu den 30F obigen Ausführungen ergeben sich die folgende Daten: • Die Abschlussaufwendungen des ungebundenen Vertriebs betragen ca. 8,24 % der gesam- ten Aufwendungen für die Verwaltung. In absoluten Grössen stehen rund 76 Mio. CHF (Abschlussaufwendungen des ungebundenen Vertriebs) ca. 922,000 Mio. CHF (Verwal- tungsaufwand gesamt) gegenüber. Die Abschlussaufwendungen des gebundenen Ver- triebs sind den allgemeinen Verwaltungsaufwendungen zugerechnet und daher in dieser Rechnungsdarstellung nicht einsehbar. • Die Aufwendungen des ungebundenen Vertriebs bezogen auf die Beiträge entsprechen rund 0,14 %. • Die Aufwendungen des ungebundenen Vertriebs bezogen auf die Kapitalanlage zu Buch- werten betragen ca. 0,0085 %. • Der Verwaltungsaufwand bezogen auf die Beiträge entspricht rund 1,68 %. • Der Verwaltungsaufwand bezogen auf die Kapitalanlage zu Buchwerten beträgt ca. 0,10 %. In der Gesamtheit lässt sich somit festhalten, dass die aufgeführten Zahlen deutlich von den Angaben der zu Beginn des Kapitels genannten Quellen abweichen. Beispielhaft seien die folgenden Zahlen genannt: 31 Das BFS hat bisher für das Jahr 2018 nur vorläufige Zahlen übermittelt, die als Excel-Datei eingesehen werden können. Aus diesen Daten sind keine Ableitungen bzgl. der Verwaltungs- und Abschluss- aufwendungen möglich. 25
• Bei den teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen (durch die Betriebsrechnung des BFS erfasst) betragen die Abschlussaufwendungen des ungebundenen Vertriebs ca. 8,24 % der gesamten Aufwendungen für die Verwaltung. Baumann / Forlin (2019), S. 12 geben für das von Ihnen ausgewählte Sample einen Wert von 28,3 % an. • Die Aufwendungen der unabhängigen Versicherungsvermittlung (Versicherungsbroker) in der beruflichen Vorsorge beliefen sich im Jahr 2017 auf 76 Mio. CHF (teilautonome und autonome Vorsorgeeinrichtungen) und knapp 100 Mio. CHF (private Lebensversiche- rungsunternehmen). Für die Summe geben Baumann / Forlin (2019), S. 12, einen Wert von 309 Mio. CHF an. Baumann / Forlin (2019) rechnen u. E. die Kosten für den Aussendienst (gebundene Versicherungsvermittlung) sowie die allgemeinen Vertriebskosten der Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen den Kosten der unabhängigen Versiche- rungsvermittlung (Versicherungsbroker) zu. Die erheblichen Unterschiede kommen in erster Linie daher, dass Baumann / Forlin (2019) Aufwendungen des gebundenen Vertriebs dem ungebundenen Vertrieb zurechnen. Aller- dings lassen sich die genannten 309 Mio. CHF unseres Erachtens auch nicht als Aufwand aller Vertriebsaufwendungen in der beruflichen Vorsorge verifizieren, da die Statistik des BFS keine Angaben zu den Aufwendungen des gebundenen Vertriebs macht. Die Autoren der Studie Baumann / Forlin (2019) haben uns am 13. Februar 2020 einen Beitrag mit dem Titel «Transparenz allein reicht nicht» zukommen lassen (vgl. Baumann / Forlin (2019a). Auf Seite 20 leiten die Autoren die oben genannten 309 Mio. CHF wie folgt ab: «Für SGE 32 betrug der Aufwand für Broker und Makler im Jahr 2017 insgesamt rund 79 Mio. 31F Franken. In dieser Zahl nicht eingerechnet ist der Aufwand der Lebensversicherer. Gemäss 32 SGE steht dabei für Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen. 26
FINMA betrug der Abschlussaufwand für Lebensversicherer im Jahr 2017 rund 230 Mio. Franken. Davon sind 100 Millionen reine Brokerkosten, 86 Mio. Kosten fallen für den Aussendienst der Versicherer und 46 Mio. für übrige Abschlussaufwendungen an. Die Summe ergibt den Betrag von 309 Mio. Franken.» Die zentrale Frage «Sind die Transaktionskosten in der beruflichen Vorsorge angemessen?» lässt sich nicht leicht beantworten. Vergleiche zu den Transaktionskosten z. B. bei Invest- mentfonds sind nur bedingt sinnvoll möglich. Die Kostenquote wird dort als Prozentsatz de- finiert und in Ausgabeaufschlag und laufenden «Total Expense Ratio TER» unterteilt. Wich- tige Kostenbestandteile werden aber in diesen Kennziffern nicht erfasst; zudem existiert kein einheitlicher Berechnungsstandard (dies sind zugleich die zentralen Kritikpunkt bei der Ver- wendung des TER). 33 Die aufgezeigten Verwaltungskosten in der beruflichen Vorsorge bein- 32F halten nicht die Transaktionskosten der Kapitalanlage. Zudem ist die Organisation der be- ruflichen Vorsorge bedeutend komplexer (und damit von Natur aus transaktionskostenin- tensiver) – bedingt durch die versicherungstechnischen Komponenten und die Wahlrechte der Kunden; die Kapitalanlage, die im Grundsatz eine Nähe zu gemanagten aktiven Invest- mentfonds mit breiten Anlagespektrum besitzt, stellt insofern nur ein Bestandteil der beruf- lichen Vorsorge dar. Auch ein Vergleich von Transaktionskosten (bilanziell ausgedrückt durch allgemeine Verwaltungskosten) zwischen den beiden Modelltypen in der beruflichen Vorsorge – Pensionskasse versus Lebensversicherung – ist kaum sinnvoll möglich. Es ist na- heliegend, dass Lebensversicherungsunternehmen durch die zwingende Einhaltung der In- vestmentgarantie im Rahmen des «Vollversicherungsmodells» deutlich höhere Risikoma- nagement- und Transaktionskosten generieren als Anbieter, die im Falle von Unterdeckun- gen Sanierungen über zusätzliche Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer herstellen 33 In der Praxis finden sich TER-Werte bis zu 5 %. 27
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